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Diözese Sankt Pölten
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Inhalt:

Gedanken zur Woche 280, Dr. Matthias Martin
18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Das Gleichnis vom reichen Gutsherren, wie wir es inmitten des zwölften Kapitels des Lukasevangeliums finden (Lk 12,16-21), ist in einer ziemlich harten Sprache formuliert. Bezeichnenderweise wird genau dieses mitunter auch das Gleichnis vom törichten Reichen genannt. Jemanden als „töricht“ zu bezeichnen ist ja alles andere als ein Kompliment. Es ist keine „nette“ Geschichte, keine die halt „lieb“ klingt. Dabei steht es schon im Lukasevangelium keineswegs allein. Man denke hier nur an das im sechzehnten Kapitel eben des Lukasevangeliums zu findende Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus, auch genannt das Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31). Der Ausdruck „Prasser“ seinerseits stellt im Deutschen so etwas wie ein Schimpfwort dar. Also auch wieder keine „nette“ oder „liebe“ Sprache.
Ziemlich unfreundlich wird der reiche Landbesitzer schon im lukanischen Text des zuerst genannten Gleichnisses angeredet. Folgen wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung, so wird er dort ganz grob als „Narr“ angefahren (Lk 12,20). Derselbe Begriff wird schon in der älteren deutschen Einheitsübersetzung verwendet. Auch bei „Lukasevangelium“ von Jakob Kremer in „DIE NEUE ECHTER BIBEL, Kommentar zum neuen Testament mit der Einheitsübersetzung“ (Würzburg 4. Auflage 2004) geschieht dies.
In der zweiten Auflage von „Die Heilige Schrift des Neuen Bundes. Übersetzt und erklärt von Alexander Zwettler“, Wien – Linz 1961, wird bei dieser groben Anrede das inzwischen wohl nicht mehr so gebräuchliche Wort „Tor“ verwendet. Dieses wird genau in diesem Zusammenhang auch verwendet in der „Synopse der drei ersten Evangelien. Mit Beifügung der Johannes-Parallelen“ von Josef Schmid (Regensburg 9. Auflage 1983). Diese Wortwahl finden wir auch in „Die Heilige Schrift. Altes und Neues Testament“ als übersetzt von Vinzenz Hamp, Meinrad Stenzel und Josef Kürzinger und Anmerkungen von Eleonore Beck und Gabriele Miller (Wien – St. Pölten mit kirchlicher Druckerlaubnis von 1966). Dies gilt ebenso für die auf Grundlage derselben Übersetzung mit denselben Anmerkungen gedruckte „Familienbibel“ deren 3. Auflage 1974 in Aschaffenburg erschien. Derselbe doch recht grobe Ausdruck wurde offensichtlich gleichfalls gewählt von Ulrich Wilkens bei der unter Beratung durch Werner Jetter, Ernst Lange und Rudolf Pesch erstellten Übersetzung des Neuen Testaments (Gütersloher Taschenbuchausgabe/Siebenstern 199. 2. Auflage des Taschenbuches Gütersloh – Zürich 1976). Wer eine sanftere Ausdrucksweise sucht, wird auch sonst enttäuscht. So wird in „Die Bibel. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes“ (Herder-Bücherei Sonderausgaben. Freiburg im Breisgau 22. Auflage 1977) an dieser Stelle ebenfalls das Wort „Tor“ verwendet. In der Interlinearübersetzung „ Neue Testament. Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch“ mit der Übersetzung von Ernst Dietzfelbinger und dem griechischen Text von der Nestle-Aland-Ausgabe (6., vom Übersetzer korrigierte Ausgabe) kann man dazu genauso „Tor“ lesen.
In „Neues Testament für Polizeibedienstete“ (Winterlingen 3. Auflage 2010) ist die Wortwahl für die deutsche Übersetzung zwar etwas eigenständig, aber es wird wiederum eine unfreundliche Anrede in Richtung des reichen Gutsherren oder Bauen geboten. In dieser Übersetzung wird er nämlich eben in Lk 12,20 von Gott angesprochen: „Wie dumm von dir!“ Sowohl eine Polizeibeamtin und ein Polizeibeamter im Dienst wie jemand, der mit Polizeiangehörigen zu tun hat, sollte wohl vorsichtig sein, eine solche heftige Wortwahl zu verwenden. Damit könnte man leicht heutzutage in dienstrechtliche oder allgemeinjuristische Probleme geraten.

Lieb und nett ergeht es auch nicht dem reichen Mann oder Prasser im ebenfalls lukanischen Gleichnis mit dem armen Lazarus. Alle seine Wünsche werden nun in der Ewigkeit von Abraham schroff zurückgewiesen. Die Szene kann jemandem direkt erbarmungslos vorkommen (Lk 16,22-31). Es geht da um so etwas wie eine ewige Rache zugunsten für die, welche auf Erden durch die Reichen und Mächtigen schlecht behandelt wurden.
Beide Gleichnisse, das Gleichnis vom reichen Gutsherren und das vom reichen Mann und dem armen Lazarus, stellen lukanisches Sondergut dar. Dabei weist gerade das Gleichnis vom reichen Mann oder reichem Prasser und dem armen Lazarus mit seiner eschatologischen Zuspitzung sehr hin zum Gleichnis vom Weltgericht im fünfundzwanzigsten Kapitel des Matthäusevangeliums. Dieses wiederum bietet uns matthäisches Sondergut. Auch hier kommt es zur eschatologischen, irgendwie sogar apokalyptischen Gegenüberstellung, die recht kantig formuliert ist.
Diejenigen, die durch Hilfe für gering gestellte Menschen in ihrem irdischen Leben Gutes getan haben, erhalten die Einladung, wenn wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung folgen:

„(Mt 25,34b) Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, empfangt das Reich als Erbe, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist!“

Nach der Auflistung verschiedener guter Werke, welche die so Eingeladenen getan haben, heißt es dann im Guten zusammenfassend:

„(Mt 25,40b) Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Dabei ist der Ausdruck „Brüder“ bzw. „einen meiner geringsten Brüder“ im Sinne eines ganz normalen generischen Maskulinums, kurz generischer Maskulin, auch genannt allgemeiner Maskulin oder umfassender Maskulin (siehe Gedanken zur Woche 275 – HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2025)) zu verstehen. Eine Herabwürdigung oder Ausgrenzung von Frauen darf keineswegs aus dieser Bibelstelle herausgelesen werden. Das wäre eine völlige Verzerrung dieser Bibelstelle und ein grober Missbrauch. Vielmehr muss sich Hilfsbereitschaft gerade auch Mädchen und Frauen zuwenden. In vielen Teilen der Welt sind diese Opfer ausgeprägter Geringschätzung und von sozialen Problemen, von wirtschaftlich-finanziellen Engpässen besonders betroffen. Gegen weibliche Embryonen gerichtete selektive Abtreibungen sind international keine Seltenheit. Häusliche und alle Formen sexueller Gewalt stellen einen eigenen gewaltigen Problembereich dar. Gerade auch betont traditionsorientierte Katholikinnen und Katholiken geben diese Stelle des Matthäusevangeliums gerne mit Formulierungen wieder wie „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder, eine meiner geringsten Schwestern getan habt …“ bzw. betonnen, dass diese Stelle eben genau in diesem geschlechterübergreifenden Sinne zu verstehen ist.

Auf der anderen Seite wird all denen in dem matthäischen Gleichnis vom Jüngsten Gericht oder Weltgericht, ähnlich wie im lukanischen Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus Schlimmes verheißen, die in ihrem irdischen Leben Hilfe für Notleidende unterlassen haben. Diese werden heftig angefahren:

„(Mt 25,41b) Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist!“

Der Abschluss dieses Gleichnisses ist eigens noch heftig:

„(Mt 25,45b) Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. (46) Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.“

Eine inhaltliche Verzahnung wird uns damit nicht zuletzt sogar mit dem Johannesevangelium geboten. Dieses bietet uns ja insgesamt so viel johanneisches Sondergut, dass es gegenüber den drei anderen neutestamentlichen Evangelien eine ganz eigene Sonderstellung einnimmt. Immerhin können wir dem Text der neuen deutschen Einheitsübersetzung nach im fünften Kapitel des Johannesevangeliums lesen:

„(Joh 5,29) … Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, werden zum Gericht auferstehen.“

Zur Einstufung des Lukasevangeliums als des „sozialen Evangeliums“ hat seinerseits besonders das berühmte Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-35/36) beitragen. Es führte auch zu enormer Beliebtheit der Samariter in der westlichen und da nicht zuletzt in der katholischen Christenheit, was sich eigens in der Zeit der Kreuzzüge zeigte. Die Samariter oder Samaritaner ihrerseits wirkten mit beim Kreuzfahrerstaat des Königreiches Jerusalem.

 

1. Lesung: Koh 1,2;2,21-23
2. Lesung: Kol 3,1-5.9-11
Evangelium: Lk 12,13-21

 

 

Gedanken zur Woche 280-b, Dr. Matthias Martin
18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Auch vermeintliche harmlose Heiligengedenktage und kirchliche Feiertage haben es in sich und können auf ihre Weise eine so tiefgründige und fortdauernde Konfliktlage, eine grundsätzliche Herausforderung für das kirchliche Leben thematisieren oder zumindest andeuten. Immer wieder kann ein Heiligengedenktag wie ein ähnlicher Tag im kirchlichen Jahreskreis als so etwas wie ein mahnender Fingerzeig aufgegriffen und mit welcher Akzentsetzung auch immer beherzigt werden.
Da ist der Gedenktag des heiligen Johannes Maria Vianney, mehr bekannt als der heilige Pfarrer von Ars oder als der Pfarrer von Ars, schon bei ganz kurzer Betrachtung in mehr als einer Hinsicht richtungsweisend. So war er voll Güte und Verständnis für seine Mitmenschen, was sich gerade in seinem freundlichen und hilfsbereiten Verhalten gegenüber den Menschen in seiner Pfarrei erwies. Streng und Opfer einfordernd war er eigentlich nur gegenüber einer bestimmten Person: gegenüber sich selber! Er verband beides auf eine eindrucksvolle Weise miteinander. Für sich selber begnügte er sich mit einem Existenzminimum. Armen half er mit seiner eigenen Wohltätigkeitsarbeit. So half er ihnen im Allgemeinen, Waisen und bedürftigen Familien im Besonderen. Da mag heute lebenden Menschen spontan in den Sinn kommen, dass schon von Anbeginn des Alten/Ersten Testaments Hilfe für Notleidende angemahnt und so etwas wie soziales Verantwortungsbewusstsein gefordert wird. Man mag hierzu an Aussagen im Buch Jesus Sirach, an die beiden ersten Kapitel des Buches Tobit, selten genannt Tobias, oder auch an das Prophetenbuch Amos denken. Stark ist eigens die Aussage im Ersten Buch Samuel mit Blick auf den einen wahren Gott, wenn man etwa in der neuen deutschen Einheitsübersetzung liest:

„(1 Sam 2,8) -Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt; er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen, einen Ehrenplatz weist er ihm zu.
Ja, dem HERRN gehören die Pfeiler der Erde; auf sie hat er den Erdkreis gegründet.“

Allein diese Passage sollte fortwährend als Mahnung dienen, sozial und wirtschaftlich schlechter gestellte Menschen nicht gering zu achten. Eine solche Mahnung sollten gerade alle die beherzigen, welche sich Christinnen und Christen nennen. Und das gilt wiederum besonders für all jene, welche in der sichtbaren Kirche ein Amt, eine Aufgabe oder eine Funktion innehaben. Der heilige Johannes Maria Vianney ist nicht zuletzt hierzu ein gutes Vorbild.
Bemerkenswertes findet sich hierzu nicht zuletzt im ebenfalls alttestamentlichen Buch der Psalmen.
So heißt es etwa in der üblichen Zählung in Psalm 9:

„(Ps 9,13) Denn er, der Blutschuld ahndet, hat an sie gedacht,
hat den Notschrei der Elenden nicht vergessen.“

und

„(Ps 9,19) Denn der Arme ist nicht auf ewig vergessen ,
der Elenden Hoffnung ist nicht für immer verloren.“

 

Auf dieser inhaltlich-gedanklichen Linie kann man in Psalm 82 lesen:

„(Ps 82,4) Befreit den Geringen und Armen,
entreiß sie der Hand der Frevler!“

Auch in unserer Zeit mag ein Wort aus dem Buch der Sprichwörter aufrütteln wie:

„(Spr 28,6) Besser ein Armer, der schuldlos seinen Weg geht, als ein Reicher, der krumme Wege geht.“

Ein eigener Anstoß, zu persönlicher Hilfsbereitschaft kann ein weiterer Vers aus diesem Buch der Sprichwörter sein:

„(Spr 28,27) Wer dem Armen gibt, hat keinen Mangel,
wer seine Augen verschließt, wird viel verflucht.“

Das alles weist schon deutlich in die Richtung jener Stellen des Neuen/Zweiten Testaments, in denen es besonders um Solidarität mit Armen und allen möglichen Leidenden geht. Schließlich ist dann eben schon im Neuen/Zweiten Testament aktives soziales Wirken bezeugt. Man denke da nur an die in diesem Zusammenhang vorgenommene Bestellung der ersten Diakone (Apg 6,1-6). Von ganz grundsätzlicher Aussagekraft sind mit ihren jeweiligen Ausdrucksformen etwa der Erste Johannesbrief und der Jakobusbrief, das matthäische Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46) und das lukanische Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-35/36). Genauso finden sich im Markusevangelium eindrückliche Hinweise zur besonderen Hinwendung Jesu zu den Notleidenden. Auch johanneische Überlieferung ist da nicht zu vernachlässigen. Gleiches gilt für die Paulusbriefe im Allgemeinen und bezüglich Geldsammlungen für Bedürftige in Gemeinden im Besonderen. Dies ist unabhängig davon, wie man den Hebräerbrief zuordnet oder nicht zuordnet, ob man von Originalbriefen des Paulus, echten Paulusbriefen, Deuteropaulinen, Pseudopaulinen und/oder Pastoralbriefen in Zusammenhang mit dem Gesamtkorpus von „Paulusbriefen“ im Neuen/Zweiten Testament sagt oder schreibt.
Auf jeden Fall wurde es zu einem Markenzeichen des sich entwickelnden Christentums, sich der Armen und verschiedenen Notleidenden anzunehmen. Gegen alle Abirrungen, Versuchungen und Korrumpierungen im Laufe der Kirchengeschichte hat dies dann wiederum in seiner Zeit der heilige Pfarrer von Ars in beeindruckender Weise verwirklicht.

Er verband dies mit einem hingebungsvollen Einsatz bei der Sakramentenspendung und dem Gebet. So wurde er eigens zum großen Heiligen der Beichte, des Bußsakraments. Auch hier gab es für ihn keine Standesdünkel oder so etwas wie politische Seilschaften oder gesellschaftliche Klüngelbildung.
Dabei war er zugleich ein eifriger Marienverehrer. Seine Pfarrei soll er schon 1836 der ohne Sünde empfangenen Jungfrau Maria, der Unbefleckten Empfängnis geweiht haben. So begrüßte er dann auch die dogmatische Verkündigung des Jahres 1854 zur Unbefleckten Empfängnis. Dass diese theologische Festlegung durch Pius IX. nach intensiven Befragungen und Beratungen auch eine Zurückweisung staatskirchlicher Ansprüche etwa in Hinblick auf ein Placet und dergleichen bedeutete, passt eigens zum Lebensweg des heiligen Johannes Maria Vianney. In seinen jungen Jahren hatte er mutig den Dienst in der französischen Armee Napoleons I. verweigert. Noch vor dessen Sturz und seiner eigenen Priesterweihe war er damit zum Deserteur und Kriegsdienstverweigerer geworden. Er trat damit auf seine Weise unter Lebensgefahr für die Freiheit der Kirche ein und stellte sich den Ansprüchen des französischen Staates entgegen (siehe Gedanken zur Woche 21-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 71-b – 18. WOCHE IM JAHRESKEIS (2021)).
Genauso verdeutlicht der Weihetag der Basilika Santa Maria Maggiore die Eigenständigkeit der katholischen Kirche und insbesondere des Apostolischen/Heiligen Stuhls (siehe Gedanken zur Woche 228-b – 18. WOCHE IM JAHRESKEIS (2024)).
Darum geht es natürlich augenfällig auch am Gedenktag des heiligen Papstes Sixtus/Xystus II. und seiner Gefährten. Diese starben während der römischen Christenverfolgungen des driten Jahrhunderts den Märtyrertod.
Opfer ungerechter Verfolgung wurde auch die heilige Theresia Benedicta vom Kreuz, bürgerlich Edith Stein. Längst ist die deutsch-jüdische Philosophin und Ordensfrau aus Breslau (siehe Gedanken zur Woche 124-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 176-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) kirchlich als Schutzpatronin Europas anerkannt (siehe eigens Gedanken zur Woche 19-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 31-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)).

 

 

 

Gedanken zur Woche 279, Dr. Matthias Martin
17. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Der WELTTAG DER GROSSELTERN UND SENIOREN oder auch WELTTAG FÜR GROSSELTERN UND SENIOREN ist nach kirchlichen Maßstäben eine sehr junge Einrichtung. Erinnern wir uns an den Spruch „Rom denkt in Jahrhunderten und Jahrtausenden“ (siehe Gedanken zur Woche 277-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)).
Dieser WELTTAG wurde nämlich erst im Jahre 2021 durch Papst Franziskus eingeführt. Gewählt zum Papst bereits im Jahre 2013 hat sich Franziskus für diesen Schritt also einige Jahre Zeit gelassen. Neben dem oben zitierten Spruch könnte man da auch sagen „Gut Ding will Weile haben.“ Der WELTTAG DER GROSSELTERN UND SENIOREN ist jeweils am vierten bzw. letzten Sonntag im Juli zu begehen.
Er befindet sich damit in ganz bewusster Nähe zum Gedenktag des hl. Joachim und der hl. Anna. Dieser ist nach dem liturgischen Kalender für die nachkonziliare Liturgie, die Feier der Heiligen Messe nach dem Ritus Pauls VI. für den 26. Juli vorgesehen. Siehe dazu etwa auch die kleine Ausgabe des betreffenden deutschen Messbuches. Nach kirchlicher Überlieferung handelt es sich bei der heiligen Anna und dem heiligen Joachim um die Eltern Mariens, der Mutter Jesu. In diesem Sinne sind beide die Großeltern Jesu der menschlichen Natur nach. Beide und zwar gerade die heilige Anna gewannen große Bedeutung in der bildendenden Kunst (siehe Gedanken zur Woche 70-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 246 – HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA und 2. ADVENTSONNTAG (2024)).

Wer sich für einen deutlich frauenspezifischen Akzent interessiert, ist besonders gut bei der vorkonziliaren Liturgie und deren Kalender aufgehoben. So stellt dort der 26. Juli exklusiv den Festtag der hl. Anna dar. Im Volksschott für die Feier der Heiligen Messe im tridentinischen Ritus wird der 26. Juli lapidar bezeichnet als „Fest der hl. Anna, Mutter der Allerseligsten Jungfrau Maria“.
Dazu heiß es dann in dem Volksschott:

„Wir begreifen es, daß die Kirche, die so sehr von Liebe zur allerseligsten Jungfrau erfüllt ist, 1584 unter Gregor XIII. ein eigenes Fest vorschrieb zu Ehren der hl. Anna, der Mutter Mariä und Großmutter des Heilandes. Die Anfänge ihrer Verehrung gehen im Abendland bis ins 8. Jahrhundert zurück, im Morgenland in noch frühere Zeit.
Wir begehen das Fest voll freudigen Jubels (Intr). Schauen wir doch bei der Lectio in der emsigen, treusorgenden, gottesfürchtigen ‚starken Frau‘ ein Spiegelbild der hl. Anna. Sie entdeckte den Schatz im Acker, die Perle der Gottesliebe, die ihr mehr wert war als alles (Evang). … .“

Die starken biblischen Bezüge sind da schon sehr gut erkennbar. Natürlich sind Christinnen und Christen zu jeder Zeit im Jahr eingeladen, sich mit der Bibel und ihren Einzelschriften im Alten/Ersten und Neuen/Zweiten Testament aufmerksam und möglichst so etwas wie ideologiefrei zu beschäftigen.
Auf jeden Fall ist doch bemerkenswert, welche Wertschätzung da im Rahmen vorkonziliarer Liturgie auch einer anderen Frau als Maria entgegenbracht wurde und wird. So wird ja die heilige Anna doch sogar ausdrücklich die „Gottesmutter des Heilandes“ genannt. Umso mehr sollte heutzutage die Aufmerksamkeit auf sich auch im kirchlichen Bereich ereignende Übergriffe gegen volljährige Frauen richten. Es ist ja nicht zu leugnen, dass es nicht nur Misshandlungen einschließlich sexuellen Missbrauch an Minderjährigen innerhalb wie außerhalb kirchlicher Strukturen gibt. Wenn man sich der deutschen Schreibweise für konfessionelle Gemeinschaften bedient, die sich selber als „christlich“ bezeichnen, so lässt sich feststellen, dass es sexuellen Missbrauch buchstäblich von A bis Z bei betreffenden Denominationen, Konfessionen oder Sekten gibt. Genauso ist sexueller Missbrauch nicht auf das konfessionell-religiöse Leben beschränkt, sondern ein schlimmes gesamtgesellschaftliches Phänomen. Da fällt der Blick auf Sportvereine und -verbände, auf Bildungseinrichtungen, die Film- und Unterhaltungsbranche und so weiter.
In den USA sorgten etwa die Enthüllungen über weitverbreitenden sexuellen Missbrauch bei den einst als nationale Institution regelrecht verehrten Pfadfindern für Schock und Empörung mit umfangreichen Entschädigungsforderungen, Klagen und einschlägigem Konkursverfahren. Offen stellte man sich in den USA Hinweisen auf sexuelle Übergriffe in den Sicherheitsorganen bis in die weltberühmte Militärakademie von West Point hinein. Schon in früheren Jahren waren die offensichtlich alles andere als seltenen sexuellen Übergriffe in US-Gefängnissen bereits ein Thema. Längst wurden auch in diesem Feld Maßnahmen ergriffen. Dies geschah eben in den USA.
Gerade bei Lehrkräften an Schulen kommt es längst wieder zu einem besonders raschen Vorgehen, wenn Vorwürfe gegen einen Lehrer oder eine Lehrerin in Hinblick auf ein unerlaubtes Intimverhältnis mit einer Schülerin oder einem Schüler laut werden. Genauso wurde längst offensiv sexueller Missbrauch an Fußballspielrinnen in den USA thematisiert (siehe Gedanken zur Woche 103-b – 2. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2022)). Bei Menschen, welche solche Vorgänge genauer verfolgen, wurde derartiges Vorgehen zur Aufdeckung und Ahndung längst als vorbildlich für das deutschsprachige Mitteleuropa bezeichnet.
Gerade im Falle der eh in einer Dauerkrisen befindlichen Staatswesen von Belgien und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland wurde das ganze Staatswesen durch Enthüllungen über verschiedenartige Formen von sexuellem Missbrauch erschüttert. Solche Enthüllungen betrafen in Hinblick auf die direkte Täterschaft oder auch in Hinblick auf Beihilfe und Vertuschung gerade führende Kreise der jeweiligen Gesellschaft. Derartiges hat wohl den Zerfallsprozess des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland wie das offenkundige Auseinanderdriften des Königreiches Belgien mit seinen Regionen und Gemeinschaften gefördert.
Dabei müssen in England, Schottland, Wales und Nordirland samt den direkt mit der Krone verbundenen Territorien längst ganz unterschiedliche staatliche Einrichtungen, die unterschiedlichen politischen Parteien und Lager sowie die verschiedenen konfessionellen oder religiösen Gemeinschaften aufpassen, dass es mit Enthüllungen und von dort herrührenden sehr unangenehmen Folgen nicht demnächst sie erwischt oder eben zum erneuten Male erwischt.
Verfolgte man die Entwicklungen in Gebieten des britischen Staatsverbandes und mit ihm besonders verbundenen Territorien etwas, so kann man den Eindruck gewinnen, dass engagierte Journalistinnen und Journalisten wie auch Opfer mit einigem Erfolg sehr bemüht sind, Missbrauchstäter und ganze Missbrauchsstrukturen zu entlarven. Da musste dann längst auch schon eine Polizeichefin von Groß-London zurücktreten! Prinz Andrew wurde in der eigenen Dynastie von Windsor längst zur unerwünschten Person degradiert. Der wichtigste probritische Politiker in Nordirland und seine Ehefrau wurden erst einmal in Untersuchungshaft genommen und gegen sie ein Verfahren eröffnet. Das alles ist natürlich auch eigens sehr unangenehm für jene Kreise in der katholischen Kirche, die sich ständig hemmungslos beim britischen Königshaus, der anglikanischen Staatskirche und dem ganzen britischen Regierungssystem anbiedern bzw. sich als seine regelrecht übereifrigen Zuträger benehmen. Dabei wurden ja auch die offiziellen katholischen Bischofskonferenzen von England, und Wales, Schottland und Irland selber schon ganz direkt von Enthüllungen getroffen. Da war es doch schon auffällig, dass wer durch solche Enthüllungen entlarvt wurde, sich in der Regel vorher als besonders diensteifrig im Sinne des britischen Systems mit der Monarchie an der Spitze profiliert hatte. Der Rücktritt betreffender kompromittierter Bischöfe etwa auf der irischen Insel leistete dem Bedeutungsverlust der probritischen Unionisten Vorschub. Natürlich bedeutet auf der anderen Seite der starke Bedeutungsgewinn für die katholischen bzw. prokatholischen Republikaner gerade im Nordirlandkonflikt auch eine ernste Steigerung der eigenen Verantwortung. Auch hier darf einmal gewonnenes Vertrauen nicht missbraucht werden. Das Verhalten von leider nicht wenigen Vertretern religiöser Gemeinschaften einschließlich auch von Strukturen in der katholischen Kirche liefert da mehr als genug abschreckende Beispiele.

 

1. Lesung: Gen 18,20-32
2. Lesung: Kol 2,12-14
Evangelium: Lk 11,1-13

 

 

 

Gedanken zur Woche 279-b, Dr. Matthias Martin
17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Das Kirchenjahr schreitet voran. Egal welchem unter Katholikinnen und Katholiken einigermaßen verbreiteten liturgischen Kalender wir folgen, so erhalten wir immer wieder interessante Anregungen für unseren Glauben, unsere Spiritualität, für eine ethische bzw. moralische Orientierung und überhaupt für unser Leben.
Da ist zum einen der kirchliche Leseplan. Auch und nicht zuletzt in einer Ferienzeit mag man ihm folgen. Dabei ist zu bedenken, dass in der üblichen nachkonziliaren Leseordnung immer wieder Teile von Versen oder auch ganze Verse bis hin zu Gruppen von Versen eines betreffenden biblischen Buches übersprungen werden. Dies wird nicht nur in Kreisen kritisiert, welche ganz bewusst an der tridentinischen Liturgie festhalten, anders gesagt die Messe Damasus I./Gregors des Großen/Pius V./Johannes XXIII. bevorzugen, welche auch die Messe Don Camillos oder auch die Messe Ralph (Raoul) de Bricassarts genannt werden kann. Diese Auslassungen werden etwa auch von ehrenamtlichen wie hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und von geweihten Amtsträgern bedauert bis offen kritisiert, welche in Pfarreien und Filialkirchen tätig sind, in denen die nachkonziliare Liturgie, die Messe Pauls VI., auch genannt die erneuerte Liturgie, zelebriert wird. Die betreffenden Auslassungen sind eigens in ökumenischer Hinsicht sehr problematisch. Dies muss gerade in Hinblick auf die Beziehungen zu orthodoxen und altorientalischen Kirchen wie zu freikirchlichen Gemeinschaften, dem breiten Feld von Evangelikalen, festgestellt werden.

Dabei sind Katholikinnen und Katholiken ganz im Sinne alter katholischer Tradition eingeladen, sich die jeweiligen biblischen Bücher ganz unverkürzt vom ersten bis zum letzten Vers zu Gemüte zu führen. Ganz stark machen dies etwa die römische Synode des Jahres 382, das Konzil von (Basel – Ferrara -) Florenz (1431/1439-1445) und das Konzil von Trient (1545-1563) deutlich. Dies wurde dann auf jeweils eigene Weise durch das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) und dann das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) bestätigt. In diese Richtung weisen etwa auch das Zweite Konzil von Nicäa (787), das etwas verkürzend auch „das Bilderkonzil“ genannt wird, und nicht zuletzt nordafrikanische Synoden wie die Synode von Hippo Regius des Jahres 393 und die Synode von Karthago des Jahres 397. Überhaupt verdient es die nordafrikanische Kirche der frühen Jahrhunderte mit so herausragenden Persönlichkeiten wie Tertullian, Cyprian von Karthago und Augustinus, wieder stärker in den Blick genommen zu werden. Da findet man etwa interessante Hinweise zur Frage nach dem Umfang der Bibel wie auch zur Problematik des Umgangs mit solchen Menschen, die insbesondere unter schwerem Druck sich vom Christentum distanziert haben und nun in die Kirche zurückkehren wollen und überhaupt zur Frage der Gültigkeit bei der Spendung von Sakramenten. Auch im Bereich der nordafrikanischen Kirche gab es Diskussionen bis sehr handfeste Auseinandersetzungen um die Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit wie um das Verhältnis von Kirche und Staat.

Natürlich kann man auch Anregungen und einen Ansporn zum guten Tun und Unterlassen des Bösen gewinnen, wenn man auf die Seligen und Heiligen blickt, die während einer Woche im Jahreskreis vor Augen gestellt werden.
Da mag es auffallen, wenn gemeinsam der heiligen Marta, ihrer Schwester Maria und des gemeinsamen Bruders Lazarus gedacht wird. Es ist doch schon für sich genommen interessant, wenn auch in einem offiziellen Diözesandirektorium diese Heiligen genau in dieser Reihenfolge aufgeführt werden. Von diesen drei Personen kommen also zuerst die beiden Frauen und dann erst der betreffende Mann. Das ist ja das ziemliche Gegenteil von Zurücksetzung von Frauen oder einer Diskriminierung der Frau! Solches sollten sich gerade solche Männer in der Kirche zu Herzen nehmen, die mit schnoddrigen Redensarten Frauen herabwürdigen oder etwa ausdrücklich sexuelle Gewalt für akzeptabel halten. Da gibt es offensichtlich schwere Fehlorientierungen bis in Bischofskonferenzen hinein. An so mancher Stelle in der Weltkirche könnte da eine strenge päpstliche Visitation durchaus hilfreich sein.
Natürlich ist es auch beim Gedenktag der heiligen Marta, ihrer heiligen Schwester Maria und ihres heiligen Bruders Lazarus angebracht, einen Blick in die Bibel zu werfen. So wird im ersten Vers des elften Kapitels des Johannesevangeliums Betanien ausdrücklich als das „Dorf der Maria und ihrer Schwester Marta“ bezeichnet (siehe Gedanken zur Woche 2 – 5. FASTENSONNTAG (2020)). Auch die in Vers 5 enthaltene Reihenfolge ist bemerkenswert: „(Lk 11,5) Jesus liebte aber Marta, ihre Schwester und Lazarus.“ Also auch hier zuerst die beiden Frauen. Das sollte in einem moralischen Sinne gegen Entwürdigung von Frauen und sexuelle Übergriffe und überhaupt gegen frauenfeindliche Gewalt zu denken geben! Umso kritikwürdiger ist das verständnisvolle Verhalten von Bischöfen gegenüber Übergriffstätern bis hin zur Täter-Opfer-Umkehr. In der anglikanischen Staatskirche von England ist man mit so etwas inzwischen rücktrittsreif. Die Justizsysteme von Ländern wie Australien und Frankreich verstehen da auf ihre Weise wenig Spaß. Auf jeden Fall ist die Berufung eines klerikalen Täters, der sich übergriffig gegen Frauen verhalten hat, in das Amt eines Regional- oder Bezirksdekans ein eigener Skandal. Politikerinnen und Politiker sollten sich einer ernsten Gewissenserforschung unterziehen, ob es überhaupt noch vertretbar ist, mit Klerikern, die für so etwas verantwortlich sind, weiterhin ganz freundlich gemeinsame Sache zu machen. Wählerlinnen und Wähler können sich zumindest die Frage stellen, ob Politikerinnen und Politiker, die mit so etwas scheinbar keine Schwierigkeiten haben, noch wählbar sind.

Auf jeden Fall werden doch auch im Lukasevangelium Maria und Marta in bemerkenswerter Weise gewürdigt. In der neuen deutschen Einheitsübersetzung können wir dazu lesen:

„(Lk 10,38) Als sie weiterzogen, kam er<, Jesus,> in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. (39) Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu. (40) Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte: Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen! (41) Der Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. (42) Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.“

Mag man bezüglich einzelner Formulierungen auch eine andere Übersetzung oder andere Übersetzungen bevorzugen, so ist doch eines klar: Frauen sind hier die Handelnden! Sie präsentieren durch ihr offensichtlich eigenständiges Wirken alternative Handlungsmöglichkeiten. Sie fragen nicht etwa einen männlichen Familienangehörigen oder Nachbarn um Erlaubnis. Schon gar nicht erklären sie, dass ein männlicher Amtsträger sich ihnen gegenüber übergriffig verhalten dürfe. Auch Jesus von Nazaret tut dies nicht.

Dabei geht gerade die Begegnung der Mutter Jesu, Maria, mit ihrer Verwandten Elisabet genau in dieselbe Richtung. Maria handelt. Sie macht sich auf den Weg. Beim Haus des Zacharias angekommen, lässt sie diesen gewissermaßen links liegen und wendet sich einfach an Elisabet. Diese fragt ihrerseits den Zacharias nicht um Erlaubnis, sondern antwortet direkt Maria. In der neuen deutschen Einheitsübersetzung können wir dazu finden:

„(Lk 1,39) In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. (40) Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. (41) Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt (42) und rief mit lauter Stimme … .“

Es folgen im Lukasevangelium starke Worte der Elisabet (Lk 1,42b-45) und dann das in der Tagzeitenliturgie, im Stundengebet der Kirche seine zentrale Rolle spielende Magnificat Mariens (Lk 1,46-55). Jeweils sind Frauen hier die Handelnden, keine männlichen Bischofskonferenzvorsitzenden und ihre jeweiligen Männerfreunde oder irgendwelche Günstlinge von ihnen etwa.

 

 

 

Gedanken zur Woche 278, Dr. Matthias Martin
16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Gerade auch, wenn man im Urlaub ist, wenn man einen Ausflug oder eine Reise unternimmt, soll man sich um ein gutes eigenes Verhalten bemühen. Auch zu einer solchen Zeit sollte eine Katholikin, sollte ein Katholik kein Ärgernis geben.
Es ist ja offenkundig so, dass nicht wenige Menschen meinen, wenn sie sich im Urlaub befinden, könnten sie alle möglichen Hemmungen fallen lassen. Dies gilt sowohl im Hinblick etwa auf übermäßigen Alkoholkonsum und damit verbundene Enthemmungen wie offensichtlich auch für das Verhalten im sexuellen Bereich. Dabei hört man als Angehörige, als Angehöriger sowohl einer konfessionellen wie einer ethnischen Gemeinschaft wie als Mitglied etwa eines Vereins oder einer Partei nicht auf, Teil dieses größeren Ganzen zu sein. Schlechtes eigenes Verhalten kann immer auf eine ganze Gemeinschaft zurückfallen, kann deren Stellung in der allgemeinen Wahrnehmung beschädigen und die dieser Gemeinschaft entgegengebrachte Wertschätzung reduzieren.
Man sollte sich da die modernen technischen Gegebenheiten und die von dort herrührenden Möglichkeiten und Gefahren zumindest etwas vergegenwärtigen. Alles Mögliche und gewissermaßen auch Unmögliche kann sehr rasch und unbesehen aufgezeichnet und von da an unkontrolliert über den Globus verbreitet werden.
Da sollten sich gerade die umso mehr um ein eigenes möglichst makelloses Verhalten bemühen, die in der Kirche irgendein Amt, irgendeine Aufgabe oder irgendeinen Dienst innehaben. Verschärfend kommt da hinzu, dass gerade offizielle Kirchenvertreter in hohen und höchsten Rängen besonders heftig andere Menschen und deren Gemeinschaften verurteilen, wenn diese ihnen missliebig sind, oder wenn sie etwa glauben, die solchermaßen Angegriffenen befänden sich in einer schwächeren Position und könnten sich nicht effizient zur Wehr setzen. Immer wieder drängt sich sogar der Eindruck auf, dass so mancher in diesen Kreisen nach dem Grundsatz verfährt, bei ihnen missliebigen Menschen und Gemeinschaften könne man doch mit ausgesprochener Erbarmungslosigkeit verfahren und dann bei sich selber, eigenen Freunden, Verbündeten und Strukturen um so großzügiger sein. Das gleiche sich demnach doch irgendwie aus.
Vielleicht hat sich ja doch tatsächlich in kirchlichen Kreisen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Grundhaltung verstärkt durchgesetzt, das Kirchenrecht großzügig zugunsten der eigenen Freunde und hart gegen Missliebige anzuwenden.
Offensichtlich kommt das selbst in Gegenden, wo Mitglieder der örtlichen Bischofskonferenz und Funktionäre von Laiengremien mit politischen Machthabern und mit diesen verquickten Massenmedien besonders eng verbunden sind, nicht gut an.
Es ist doch bemerkenswert, dass inzwischen üblicherweise keine Politikerin und kein Politiker im Wahlkampf in Verbindung mit den Erzbischöfen von Köln und München-Freising gebracht werden will oder sich als Wunschkandidatin bzw. Wunschkandidat der bundesdeutschen Bischofskonferenz und des sog. Zentralkomitees der deutschen Katholiken/ZdK präsentiert. Dass er gegen diese Regel verstieß, ist dem bisherigen deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner Partei offensichtlich nicht gut bekommen. Mitten im zurückliegenden Bundestagswahlkampf hatte er sich bei seiner Beschimpfung der Opposition ausdrücklich auf die ihrerseits in diese Richtung gehende Erklärung der offiziellen Verbindungsstellen der katholischen Kirche und der EKD in Berlin in seiner eigenen Regierungserklärung zustimmend bezogen. Das Ergebnis der anschließenden Bundestagswahlen war dann für Herrn Scholz, seine Parteifreunde und anderweitige Unterstützer ein regelrechtes Desaster. Es ergab für die SPD des sich so offensiv auf offizielle Kirchenvertreter beziehenden und schon vorher mit ihnen einen Schulterschluss pflegenden Olaf Scholz den Absturz vom ersten auf den dritten Platz. Inzwischen wird längst ein weiterer Abstieg oder Absturz seiner Partei für möglich gehalten.

Ein genauerer Blick auf die Einzelheiten schon der Kommunalwahlen des Jahres 2002 im bayerischen Regierungsbezirk Unterfranken ist da eigens aufschlussreich. Die von der Spitze des Bistums Würzburg massiv attackierte Herausforderin gewann plötzlich die Wahl gegen den mitunter ausdrücklich und ansonsten eben durch die Angriffe auf sie eher indirekt von offiziellen Kirchenvertretern unterstützten bisherigen Oberbürgermeister der Stadt Würzburg. In der kreisfreien Stadt Aschaffenburg schaffte es die auf einem ansonsten sicheren Listenplatz der stärksten Gruppierung kandidierende Angehörige des Diözesanrates nicht einmal, in das Kommunalparlament, genannt Stadtrat, gewählt zu werden. Offensichtlich hatten zahlreiche Wählerinnen und Wähler anstatt sich mit einem (einfachen) Listenkreuz zu begnügen, ihren Stimmzettel so verändert, dass möglichst keine Stimmen an die Diözesanratsvertreterin gingen. Da halfen dann weder eigener aggressiver Wahlkampf, noch Bischof, Generalvikar oder eben Diözesanrat.

Eine solche faktenorientierte Wahrnehmung mag dann für die einen Bestätigung und Ermutigung und für andere Ernüchterung bis Frustration bringen. Der Kirchenbesuch, die Mitgliederzahlen in Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, in als katholisch bezeichneten Vereinen und Verbänden sind seitdem weiter deutlich zurückgegangen. Hinzu kamen eigens verschiedene Berichte über sexuellen Missbrauch und andere Missstände im kirchlichen Bereich, die das Vertrauen in kirchliche Amtsträger weiter untergruben. Gerade der unabhängige Missbrauchsbericht für das Bistum, die Diözese Würzburg hat es in sich, und das auch in überörtlicher Hinsicht. Was da bezüglich von Julius Kardinal Döpfner und damit einen einst sehr beherrschenden einstigen Vorsitzenden der bundesdeutschen Bischofskonferenz und führenden Akteur am Zweiten Vatikanischen Konzil festgestellt wird, ist ja regelrecht desaströs (Gedanken zur Woche 270 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025) und Gedanken zur Woche 275-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)) und kann als Basis für energische Forderungen nach einer wirklich tiefgreifenden kirchlichen Neuorientierung samt einem energischen Vorgehen gegen bisherige Seilschaften in Kirche und damit verbundenen gesellschaftlich-politischen Bereichen genutzt werden.
Nicht zuletzt sollte intensiver das Verhalten von Bischöfen und Bischofskonferenzvorsitzenden in finanzieller Hinsicht auch in mitteleuropäischen Gefilden unvoreingenommen unter die Lupe genommen werden (siehe Gedanken zur Woche 273-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2025)).
Da sollte dann auch der Blick auf das Verhalten wohlhabender Bischofskonferenzen wie gerade der bundesdeutschen bei jüngsten Papstwahlen und damit verbundenen Kampagnen sowie während des Zweiten Vatikanischen Konzils gerichtet werden (siehe etwa Gedanken zur Woche 270 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)).

Bei all ihrer gegen ihnen unliebsamen Menschen so gerne an den Tag gelegten Unbarmherzigkeit und der Selbstgefälligkeit gegenüber sich selber und Personen auf der eigenen Seite hätten Kirchenvertreter bis hin zu Kardinälen sich die Worte aus der matthäischen Bergpredigt stärker zu Herzen nehmen sollen (siehe dazu auch Gedanken zur Woche 248 – 4. ADVENTSONNTAG (2024)):

„(Mt 7,1) Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! (2) Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden. (3) Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? (4) Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! (5) Du Heuchler! – Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.“

Es ist auch nicht zu leugnen, dass direkt an religiösen Vertretern in der Bibel immer wieder deutlich Kritik geäußert wird. Dies beginnt schon mit dem ersten Buch der Bibel, Genesis, ganz vorne sozusagen im Alten/Ersten Testament. Es zieht sich dann durch dieses durch und setzt sich im Neuen/Zweiten Testament fort.
Die Bibel ist eben kein nettes Kinderbuch oder harmloses Erbauungsbuch, für das sie oft gehalten wird. Da kann man nur ermutigen:

„Lesen Sie Bibel!“

Man kann auch ausführlicher auffordern:

„Lesen Sie selber Bibel und machen Sie sich selbständig Ihre Gedanken, auch ohne so manchen kirchlichen und politischen Amtsträger!“

 

1. Lesung: Gen 18,1-10a
2. Lesung: Kol 1,24-28
Evangelium: Lk 10,38-42

 

 

Gedanken zur Woche 278-b, Dr. Matthias Martin
16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Die aufmerksame Lektüre der Bibel bzw. einzelner Schriften der Bibel lässt sich oft gerade in der Ferienzeit pflegen. Natürlich kann man arbeitsfreie Zeit auch nutzen, um sich mit anderer Literatur zu beschäftigen. So kann die Auseinandersetzung mit Geschichte, Philosophie, Sprachen und Archäologie gerade das Verständnis von Aussagen unterstützen, die man in der Bibel vorfindet. Betreffende Lektüre, das Anhören von Vorträgen und die aktive Teilnahme an Gesprächskreisen kann im guten Sinne den kritischen Geist schärfen. Selbst wenn man sich überhaupt auf ein und dieselbe Bibelausgabe mit genau denselben in ihr enthaltenen Einzelschriften auf der Grundlage derselben Übersetzung geeinigt hat, so kann ganz Unterschiedliches in ein und denselben biblischen Text regelrecht hineinprojiziert und aus ihm herausgelesen werden.
Der Blick auf die Überlieferung der Kirche, die Tradition der Kirche in deren eigentlichem und gutem Sinne ist und bleibt da um so wertvoller. „Tradition“ sollte da als Grundbegriff natürlich nicht missverstanden und schon gar nicht missbraucht werden. Da geht es eben nicht darum, was man sich für ein paar Jahre etwa einmal in irgendeiner Pfarrei angewöhnt hat. Da können in Nachbarschaft zueinander liegende Pfarrgemeinden etwa durchaus unterschiedliche Akzente entwickelt haben. In der einen Pfarrei kann man sich vielleicht eine Tauffeier ohne ein bestimmtes Marienlied gar nicht vorstellen, während genau dieses Marienlied in einer nur wenige Kilometer entfernt liegenden Pfarrei kaum wahrgenommen wird. Schon gar nicht sollen bösartige Gewohnheiten oder Praktiken aus Vergangenheit und Gegenwart zur Rechtfertigung für schlechtes Verhalten in der Zukunft herangezogen werden.
Das ist immer wieder ein ernstzunehmendes Problem. Dagegen etwa hatten all die Frauen und Männer anzukämpfen, die im Verlaufe des 16. Jahrhunderts für die katholische Erneuerung zu kämpften. Das Missverständnis und der oft direkte Missbrauch, dass die Kirche als Versorgungseinrichtung und gemütliches Plätzchen für Mitglieder von Adelsfamilien zu dienen hätte, war so weit verbreitet wie verheerend. Was sich da mitunter noch Inhaber und Inhaberinnen auch hoher kirchlicher Ämter und Funktionen eben gerade aus Adelsfamilien wie ganz selbstverständlich leisteten, war gutgläubigen Menschen in späterer Zeit kaum mehr vorstellbar. Drastische Berichte waren dann immer wieder eben keine feindliche Propaganda oder überdrehte Ausgeburt von Männerphantasien, sondern stellten eben mehr oder minder akkurat die Tatsachen dar. Wenn es eigenem Vorteil entsprach, wechselten betreffende Adelssprösslinge, welche im kirchlichen Bereich untergebracht worden waren, dann auch rasch das konfessionelle Lager.

Genauso ist eben in unserer Zeit gegen so etwas wie ein pervertiertes Gewohnheitsrecht anzukämpfen. Es kann doch nicht als ein Recht gelten, was deutlich gegen das Naturrecht, ius divinum naturale, und das positive göttliche Recht, ius divinum positivum, verstößt. Es gibt wohl kein Element des Naturrechts und keine Stelle in der Bibel, bei Kirchenvätern und dergleichen, in der etwa sexueller Missbrauch bis hin zu Massenvergewaltigungen, das Verleumden von Opfern, Unterschlagungen und das Fälschen oder Unterdrücken von Dokumenten in einem solchen Zusammenhang gerechtfertigt würde.

Nachdem man, wenn auch oft nur erst einmal, eher ansatzweise begonnen hat, den weit verbreiteten sexuellen Missbrauch ermittlungsmäßig aufzuarbeiten, haben sich da ja allein schon regelrecht Abgründe aufgetan. Hinzu kommt, dass sexueller Missbrauch oft mit finanziellem Fehlverhalten einherging oder immer wieder einhergeht. Da geht es darum, Schweige- und Schmerzensgelder in einer Art und Weise bereitzustellen, wie es durch Kirchenrecht und weltliche rechtsstaatliche Regelungen ganz und gar nicht vorgesehen war oder vorgesehen ist. Mitwisser und Helfershelfer werden immer wieder gut versorgt .
Dies schafft natürlich eigens Erpressungspotential für interessierte Kreise, gerade wenn diese selber machtvolle Strukturen repräsentieren.
Dies macht es umso schwerer, als Kirche konsequent für die Unterdrückten in dieser Welt einzutreten und etwa auch für besonders bedrängten Ortskirchen und Kirchen eigenen Rechts zu wirken. Die Kirche wird als Vermittlerin bei Konflikten wie als Anbieterin von Hilfe für Opfer von vornherein beschädigt.

Dabei sind die katholische Kirche und als Völkerrechtssubjekt eigenen Rechts der Apostolische Stuhl, auch genannt der Heilige Stuhl, in eine ganze Reihe von Konflikten sehr direkt verwickelt. Hinzu kommen natürlich der Staat der Vatikanstadt, kurz Vatikanstaat genannt, und der Souveräne Malteser-Ritter-Orden/Malteserorden (Gedanken zur Woche 30-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 137-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 190-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) sowie speziell zum Souveränen Malteserorden Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).

Die Existenz des Republik Taiwan etwa als einem engen und verlässlichen diplomatischen Verbündeten und Partner bei humanitärem, kulturellem und wissenschaftlichem Wirken wird fortwährend bedroht. Es ist bemerkenswert, dass die Beiträge in englisch- einschließlich amerikanischsprachigen Medien über die Bedrohung Taiwans bei dessen offenkundiger Unverzichtbarkeit als technologischer und wirtschaftlicher Partner gerade der USA im deutschen Sprachraum Mitteleuropas völlig ignoriert wurden. Genauso erging es, als so etwas wie die nächste Eskalationsstufe in dem Konflikt zwischen dem kommunistischen China und der Republik Taiwan erreicht wurde. Während in englisch- oder amerikanischsprachigen Medien offen und nicht dementiert davon berichtet wurde, dass die US-Regierung bereits bei Verbündeten anfragte, ob diese bereit wären, bei einem offenen Kriegsausbruch Chinas gegen Taiwan Truppen zur Verfügung zu stellen, war dies in deutschsprachigen Medien in unseren Breiten kein Thema.
Ganz ähnlich verhielt es sich in einem eher zu neuer Hoffnung Anlass gebenden Fall. Die französische Führung versprach doch scheinbar ernsthaft ein weitgehendes Entgegenkommen in Hinblick auf eine Unabhängigkeit Neukaledoniens. Dabei kommt dieser sich wohl allmählich emanzipierenden bisherigen französischen Außenbesitzung allein schon wegen der gewaltigen Nickelvorkommen eine enorme und nicht zu leugnende wirtschaftliche Bedeutung zu. Dazu besitzt Neukaledonien durch seine Lage im Pazifik ganz generell eine wichtige strategische Lage. Wenn dort ein unblutiger Verselbständigungsprozess gelingen sollte, etwa wie man dies bei einstigen Dominions des zusehends aufgelösten britischen Empires erlebt hat, so kann dies als Ermutigung für eine Lösung des Konflikts um das ebenfalls im Pazifik gelegene Bougainville dienen. Bougainville verfügt seinerseits über bedeutende Kupfervorkommen.
Die katholische Kirche war schon früher mit Unabhängigkeitsbewegungen in der Region erfolgreich verbunden. Das Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit bleibt auch hier wie andernorts ein tiefgreifender Dauerauftrag.

Frieden und Gerechtigkeit gilt es natürlich auch, sich in Europa einzusetzen. Es ist bemerkenswert, wie im deutschen Sprachraum Konflikte, die sich selbst in Europa und mit Europa besonders verbundenen Territorien abspielen, routinemäßig ignoriert werden.
Folgt man etwa englischsprachigen Veröffentlichungen, so gewinnt man den Eindruck, dass Konflikte, die mehr oder minder als gelöst galten, wieder aktuell werden. Immerhin wurde auch in deutschsprachigen Medien Mitteluropas etwas über die Ambitionen der US-Regierung bezüglich Grönlands und den dagegen gerichteten Kurs der EU und Dänemarks berichtet. Über die einheimische grönländische Unabhängigkeitsbewegung ging und geht man dann aber immer wieder „großzügig“ hinweg. Schon gar nicht wird die Frage nach der Zukunft der Färöer-Inseln und Nordschleswigs thematisiert. Dabei stellt sich verstärkt auch wieder die Frage nach dem Status der
Ålandinseln. Oder wird vielleicht erst einmal von russischer Seite der Konflikt bezüglich des dänisch verwalteten Bornholm oder auch bezüglich des zum schwedischen Staatsgebiet gehörende Gotland in der Ostsee vorangetrieben?
Kommt es etwa zu einer eigenen Eskalation um den Sandschak/Sand
žak und die Vojvodina/Wojwodina/Woiwodina? Von verschiedener Seite konnte man auch hierzu seit Jahren als katholischer Geistlicher schon angesprochen werden, doch bitte auf der jeweiligen eigenen Seite zu stehen.

 

 

 

Gedanken zur Woche 277, Dr. Matthias Martin
15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Die noch auf den verstorbenen Papst Franziskus zurückgehenden päpstlichen Gebetsanliegen für das laufende Kirchenjahr verdienen jeweils eigene Beachtung. Dies gilt auch in Hinblick auf die päpstlichen Gebetsanliegen für den Juli 2025.
Generell geht es darin um die Gabe der richtigen Unterscheidung. Dies ist gerade auch in unserer Zeit eine brennende und dauernde Herausforderung. Die Medienwelt hat seit dem 19. Jahrhundert enorme und gerade in allerjüngster Zeit atemberaubende Veränderungen erlebt. Massenzeitungen wie das Telegrafenwesen sind etwa ein Ergebnis solcher Veränderungen noch während des 19. Jahrhunderts. Hand in Hand ging dies mit ihrerseits revolutionären Veränderungen im Reiseverkehr und dem Gütertransport. Als Schlagworte seien nur „Dampfschifffahrt“, „Eisenbahn“ und „Gütertransport“ genannt. Auch die Päpste zeigten sich sowohl in ihrer Eigenschaft als religiöses Oberhaupt der katholischen Kirche als auch für das Wohl des Kirchenstaates verantwortliche Staatsoberhäupter für solche Veränderungen aufgeschlossen und unterstützen sie in ihrem Wirkungsbereich gerne. Dies gilt nicht zuletzt für den von 1831 bis 1846 amtierenden Papst Gregor XVI. Sowohl das Pilgerwesen, die Weltmission als auch die öffentliche Tätigkeit im Kirchenstaat nahmen die neuen Möglichkeiten gerne auf. Das Wirken eines Papstes wie Gregor XVI. als Förderer von richtig verstandenen Neuerungen im Kirchenstaat wie in der päpstlichen Kurie ist ein eigenes Feld, das Beachtung und Würdigung verdient. Da passte Gregor XVI. grundsätzlich zu dem von 1823 bis 1829 amtierenden Leo XII. (siehe Gedanken zur Woche 272 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2025)).
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kirchenstaates war beachtlich und generell auf der Höhe der Zeit.
Da gerade er es verstand, technische Entwicklungen vom Reisewesen bis zur Presse positiv aufzugreifen, wird Papst Pius IX. mit seinem langen Pontifikat von 1846 bis 1878 manchmal der „erste moderne Papst“ genannt.

wurden die vielfältigen Bemühungen von Päpsten wie Gregor XVI. und Pius IX. durch die anschwellende Flut des neuartigen italienischen Nationalismus und dessen militanter Feindseligkeit gegen ganz unterschiedliche Sprachen und Staaten auf der Apenninenhalbinsel und in Padanien einschließlich den betroffenen Inseln.
Was für ein zweischneidiges Schwert das sich entwickelnde Pressewesen sein konnte, zeigte sich gerade bei diesen Auseinandersetzungen. Wie von verschiedener historisch versierter Seite in jüngster Zeit bestätigt wurde, fiel der Kirchenstaat einer lang andauernden und raffinierten Propagandakampagne auf internationaler Ebene zum Opfer. Verbunden war diese so beharrliche Propagandakampagne mit diplomatischen Manövern und vielfältiger Gewalt einschließlich den beschönigend so genannten „Italienischen Einigungskriegen“ (siehe Gedanken zur Woche 30 – 27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 71-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 80-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 111-b – 4. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 134-b - 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 156-b – 4. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESMUTTER MARIA (2023)).
Dass diese sog. Italienische Einigung auch in Hinblick auf Infrastruktur und Wirtschaft alles andere als eine makellose Bilanz vorzuweisen hat, wird immer wieder deutlich. So wird jetzt auf EU-Ebene wieder über die Höhe von Hilfszahlungen für zum gegenwärtigen italienischen Staatsverband gehörenden Regionen und die Art und Weise der Verwaltung dieser Finanzmittel gestritten. Über Jahrzehnte ist der Süden der Apenninenhalbinsel einschließlich Sizilien insgesamt zurückgefallen. Diese Kluft zum padanisch-lombardischen Norden wuchs bei allen Zahlungen aus EG- und dann EU-Töpfen oftmals noch, anstatt sich zu verringern. Sardinien ist nicht nur bezüglich der Stromversorgung überhaupt eine eigene Größe. Aller Italienisierungspolitik zum Trotze verfügt es mit dem Sardischen über seine eigene Nationalsprache und über eine eigene Parteienlandschaft.
Einen ersten Höhepunkt erreichten in neuerer Zeit gegen den italienischen Gesamtstaat gerichtete Abspaltungstendenzen in den neunziger Jahren. Dies lief parallel zum Auseinanderbrechen und dann Verschwinden Jugoslawiens. Zwar scheiterte soweit die im September 1996 durchgeführte Unabhängigkeitserklärung Padaniens (siehe Gedanken zur Woche 134-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Derartige Bestrebungen konnten aber zeitweise beachtliche Aufmerksamkeit erzielen.
Insgesamt bieten uns Schaffung und Aufstieg des italienischen Nationalismus seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein eindrückliches Beispiel für den Erfolg von Propaganda, Gewalt und internationaler Vernetzung.

Die Entwicklung der Medienwelt ist natürlich nicht stehen geblieben. So zeigten sich die Päpste wie Leo XIII. (1878 bis 1903) und Pius XI. (1922 bis 1939) aufgeschlossen für technische Neuerungen, und das nicht zuletzt bei Medien. Beide waren sich der Gefahren von Massenpropaganda bewusst wie auch des Guten, das etwa mit Massenmedien erreicht werden könnte. Der heilige Papst Pius X. (1903 bis 1914) betonte kantig die Bedeutung der Medien und wies unmissverständlich auf die mit ihnen verbundenen Gefahren hin (siehe Gedanken zur Woche 250 – 2. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN (2025)). Pius XII. (1939 bis 1958) hielt Radioansprachen, die Eingang in die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils fanden. Bei dem von seinem Nachfolger Johannes XXIII. (1958 bis 1963) einberufenen und eröffneten und dann von Paul VI. (1963 bis 1978) weitergeführten und beendeten Zweiten Vatikanischen Konzil spielten die mehr oder minder modernen Medien eine sehr gewichtige Rolle. Dies geschah offensichtlich oft in sehr manipulativer Weise. Längst fragt man sich, wie die Verwicklungen führender Akteure auf diesem Konzil wie Barnard Jan Alfrink und Julius Döpfner in den sexuellen Missbrauch und die Förderung ihrer Täter so lange vertuscht werden konnten.
Wo war etwa in solchen Fällen das Wirken mehr oder minder unabhängiger Medien, auf die man in westlichen Ländern gerne stolz ist? Auch in solchen Fällen wäre eine wirklich kritische Unterscheidung der Geister verbunden mit ehrlicher Aufarbeitung beizeiten vonnöten gewesen.
Dabei war es gerade Papst Johannes Paul II. mit seinem seinerseits so langen Pontifikat von 1978 bis 2005 gewesen, der die Medien auf der Höhe der Zeit ansprechen konnte. Zugleich nutzte er die Entwicklungen im Verkehrswesen. Die von ihm ins Leben gerufenen Weltjugendtreffen oder Weltjugendtage entwickelten eine enorme Dynamik. Der Weltjugendtag von 1995 in der philippinischen Hauptstadt Manila wurde als größte Versammlung in der bis dahin geschehenen Geschichte der Menschheit bezeichnet.

Die Aufgaben von Medien sind nicht geschwunden, auch und gerade dann nicht, wenn es um die Aufdeckung von Missständen im kirchlichen Leben und die Aufarbeitung von Missbrauch aller Art geht. Die neuen Sozialen Medien und das ganze Internet werden nicht umsonst von der ganzen Fülle von Anbietern wie Konsumenten eifrigst frequentiert. Gerade bei den Sozialen Medien ist der Übergang zwischen Akteuren/Anbietern und Konsumenten fließend.

Alle sind eingeladen, auf eine möglichst unmanipulierte Unterscheidung der Geister hinzuarbeiten. Allein schon in diesem Sinne verdienen die Gebetsanliegen des heimgegangenen Papstes Franziskus für den Monat Juli 2025 Beachtung:

„Für die Bildung in Unterscheidung“

und

„Beten wir, dass wir lernen immer mehr zu unterscheiden, die Lebenswege zu wählen wissen und all das abzulehnen, was uns von Christus und dem Evangelium wegführt.“

So etwas stellt natürlich auch eine eigene Mahnung an kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar. Ihr Fehlverhalten kann rasch viele bis ungezählte Menschen von Christus und dem Evangelium wegführen, jeweils der sichtbaren Kirche entfremden. Das ist bei der Geschwindigkeit, in der sich heutzutage Meldungen rund um den Globus verbreiten, gerade in unserer Zeit der Fall.

 

1. Lesung: Dtn 30,10-14
2. Lesung: Kol 1,15-20
Evangelium: Lk 10,25-37

 



Gedanken zur Woche 277-b, Dr. Matthias Martin
15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Das Jahr schreitet voran, und gerade in Mitteleuropa ist die die Zeit von Juli-August die typische Urlaubszeit. Sie stellt die traditionelle Hochsaison in der Tourismusbranche dar. Auch dem Vatikan, dem Apostolischen oder Heiligen Stuhl ist dies nicht fremd.
So hat Medienberichten zufolge schon kurz nach seiner Wahl Papst Leo XIV. die alte päpstliche Tradition bewusst wieder belebt, den nicht zum italienischen Staatsgebiet gehörenden päpstlichen Palast von Castel Gandolfo als Sommersitz zu verwenden. Mit diesem weltberühmten päpstlichen Palast sind verschiedene weitere exterritoriale Besitzungen des Apostolischen/Heiligen Stuhls direkt verbunden, welche zusammen den Gesamtkomplex von Castel Gandolfo ergeben.
Seinerseits ist Castel Gandolfo ein eigener Touristenmagnet. Seine Bekanntheit überschreitet ethnische, sprachliche und konfessionelle Grenzen. Da passt es umso besser, dass der amtierende Papst eigens in Castel Gandolfo Flagge zeigt. Verbunden damit ist die Anwesenheit der Schweizer Garde. Diese steht ja besonders gut sichtbar ein für den Apostolischen Stuhl und den Vatikanstaat.
Papst Leo XIV. unterstreicht, dass die besondere Stellung von Castel Gandolfo nicht nur Teil der Geschichte der Menschheit ist. Die besondere Stellung von Castel Gandolfo, gerade in Abgrenzung zum gegenwärtigen italienischen Staatsverband, ist eben gelebte Gegenwart und weist in die Zukunft. Man denke hier nur an den Satz „Rom denkt in Jahrhunderten und Jahrtausenden“ (siehe Gedanken zur Woche 219-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2024)). Gemeint ist hier natürlich das päpstliche Rom und nicht die erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Republik Italien mit all ihren eigenen Skandalen und mitunter existenzbedrohend erscheinenden Krisen. Die sog. italienische Monarchie der Dynastie von Savoyen hatte es vorher nur einige Jahrzehnte gegeben, nicht einmal ein Jahrhundert lang. Um die französische Unterstützung für ihren Krieg gegen das den Deutschen Bund repräsentierende Österreich zu gewinnen, hatte das Königshaus von Savoyen zusammen mit dem Gebiet um Nizza sein eigenes Stammland von Savoyen an das Frankreich des zweiten Kaiserreiches unter dem selber einen betont aggressiven Expansionskurs verfolgenden Napoleon III. abgetreten. Seitdem gab es nicht zuletzt Wünsche bis aktive Versuche, gerade die Zugehörigkeit des Gebietes von Savoyen zum französischen Staatsverband wieder zu beenden. In jüngster Zeit erhielt der eigene savoyische Separatismus nicht zuletzt von offizieller russischer Seite auffallende Unterstützung. Die weitere Entwicklung bleibt auch hier abzuwarten. Es gibt ja auch bei einigen Menschen den Wunsch, dieses Gebiet von Savoyen der Schweizer Eidgenossenschaft anzuschließen. Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich vor mehreren Jahren mit einer französischen Gesprächspartnerin während einer Zugfahrt führte. Sie äußerte sich nicht zuletzt besorgt wegen italienischer Ambitionen, sich Savoyen und das Gebiet von Nizza einzuverleiben. In der Anfangsphase des Ersten Weltkrieges spielten solche Überlegungen scheinbar eine ernsthafte Rolle bei der Frage, wem sich das zunächst ja noch neutrale Italien denn anschließen solle. Schließlich war das damalige Königreich Italien durch seine offizielle Mitgliedschaft im Dreibund immer noch vertraglich mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn verbunden. Hinzu kam die Möglichkeit einer italienischen Expansion auf Kosten Frankreichs in Richtung Korsikas und des von Frankreich bis zur Unabhängigkeit im Jahre 1956 beherrschten Tunis bzw. Tunesien. Man ging italienischerseits aber dann doch lieber auf die weitreichenden Versprechungen der alliierten Hauptmächte Großbritannien, Frankreich und Russland auf Kosten Dritter ein. Dies schloss die gemeinsame Feindseligkeit gegen den Apostolischen Stuhl, ebenso genannt der Heilige Stuhl, ein. Im Londoner Geheimabkommen vom April 1915 sagten die damaligen alliierten Hauptmächte dem seinerseits so expansionistischen Königreich Italien nicht nur enorme Gebietsgewinne in Europa und Afrika zu. Eigens wurde der Ausschluss des Apostolischen Stuhls von allen etwaigen internationalen Friedenskonferenzen vereinbart (siehe Pfarrbrief vom Juni 2025 -
https://www.stein.dsp.at/dl/pmlsJmMJKnlLmJqx4mJK/Pfarrbrief_Juni_2025_pdf).
Egal, ob es nun um die zukünftige Zugehörigkeit des Territoriums von Savoyen, von Korsika oder des Gebietes von Nizza geht, so sollte man eben nicht den Spruch vergessen „Rom denkt in Jahrhunderten und Jahrtausenden“. Denken und Handeln in solch größeren Zeiträumen wird auch in der islamischen Welt und etwa in Ostasien betont und immer wieder in bemerkenswerter Weise betrieben.
Da ist eben nicht zuletzt der italienische Eroberungskrieg gegen das Osmanische Reich mit der Unterwerfung von Tripolitanien, der Cyrenaika und der Dodekanes nicht zu vergessen. Dazu stellte die insbesondere von Frankreich und Großbritannien gedeckte dauernde Annexion der Dodekanes noch einmal einen eigenen besonders zynischen Verstoß gegen das Völkerrecht dar. Ebenso sollte das Vorhandensein einer italienischen Besatzungszone in der südlichen Türkei nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und deren schmähliches Ende in Erinnerung gerufen werden. Es war bewaffneter türkischer Widerstand, ein eigener Guerillakrieg, der die dortige italienische Besatzung beendete. Dieser beachtliche türkische Erfolg gegen eine der offiziellen Hauptsiegermächte des Ersten Weltkrieges wird in westlichen Ländern meist völlig verdrängt. Dabei hätte das damalige italienische Scheitern ganz allgemein als Mahnung für Verbündete Italiens wie auch solcher Staaten dienen können, die an ein Bündnis mit Italien dachten. 

Das bisherige italienische Staatsbürgerschaftsrecht räumt ein, dass es frühestenfalls seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts überhaupt so etwas wie einen italienischen Staat gab.

Die vorher dort existierenden Staaten verdienen in vielfacher Hinsicht Interesse und etwa wissenschaftliche Beschäftigung.

Immer wieder kommt da etwa die einstige stolze Republik Venedig ins Blickfeld. Beim Venezianischen handelt es sich um eine eigene romanische Sprache. Manchmal wird diese auch das Venetische oder das Venedische genannt. In den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts war ein wieder gesteigertes Interesse an dieser Sprache auch im politischen Bereich festzustellen. Das ebenfalls an der Adria und nahe bei Venetien gelegene jetzige Slowenien erlangte damals ja seine international anerkannte Unabhängigkeit. Inzwischen ist Slowenisch als Amtssprache in der Europäischen Union, der EU, anerkannt. Bemerkenswerterweise verfügt dabei dieses slowenische Staatswesen mit gut zwei Millionen Einwohnern nicht einmal über halb so viele Einwohner wie die moderne Region Venetien.
Nach dem Untergang der so langlebigen Republik Venedig unterstand deren einstiges Kerngebiet mit Unterbrechung bis zum Krieg von 1866 habsburgischer Herrschaft. Die Habsburger ihrerseits stellten mit dem österreichischen Kaiser bis zu dessen Auflösung den Präsidenten des Deutschen Bundes. Der Beitrag der Republik Venedig zum Kulturerbe der Menschheit darf als gewaltig bezeichnet werden. Immer wieder ist die Stadt heutzutage Mittelpunkt verschiedenartiger Spielfilme wie glänzender gesellschaftlicher Ereignisse. Was die Zukunft für Venetien oder Venedig bringt, bleibt abzuwarten.
Auf der anderen Seite der Apenninenhalbinsel hat sich sogar das so winzige Monaco stärker von Frankreich emanzipieren können. Längst ist dieses mit der katholischen Kirche und eigens dem Apostolischen/Heiligen Stuhl so eng verbundene Fürstentum Vollmitglied sowohl der Vereinten Nationen/UN und des Europarates als auch weiterer internationaler Organisationen.
Dabei verfügt das Fürstentum Monaco kaum über ein Drittel an Staatsgebiet wie das ebenfalls im westlichen Mittelmeer gelegene Gibraltar. Mit der neuen Verfassung aus dem Jahre 2006 gelang ein Ausbau der Selbstverwaltung. Längst gibt Gibraltar eigene Briefmarken heraus und verfügt mit dem Gibraltar-Pfund über eine eigene Währung. In bewusster Abgrenzung gerade zur anglikanischen Kirche bekennt sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung Gibraltars zur römisch-katholischen Kirche. Ähnlich wie Monaco als Sitz eines nationalen Erzbistums verfügt Gibraltar im Rahmen der katholischen Weltkirche über ein eigenes Bistum.
Auch hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

 

 

 

Gedanken zur Woche 276, Dr. Matthias Martin
14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Die Aussendung einer größeren Anzahl von Jüngern durch Jesus von Nazaret, wie sie uns zu Beginn des zehnten Kapitels des Lukasevangeliums erzählt wird, ist in mehr als einer Hinsicht ganz bemerkenswert.
Da stellt sich zunächst einmal die Frage, wie viele Jünger es denn tatsächlich gewesen sein sollen, die bei dieser Gelegenheit ausgesandt wurden. Waren es zweiundsiebzig und etwas weniger, und zwar siebzig (siehe Gedanken zur Woche 169 – 11. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023))? Dies weist uns auf die Tatsache hin, dass es unterschiedliche Überlieferungen bezüglich biblischer Texte gibt. Auch bei Einzelheiten gilt immer wieder „Meine Bibel ist nicht deine Bibel“ oder „Deine Bibel ist nicht meine Bibel“.
Dies geht bis dahin, dass ganze Bücher, die insbesondere von der katholischen Kirche, den orthodoxen und altorientalischen Kirchen als kanonische Teile der Bibel anerkannt werden, von einzelnen anderen konfessionellen Gemeinschaften diesbezüglich nicht anerkannt bis heftig kritisiert werden (siehe Gedanken zur Woche 98 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 121 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Innerhalb des einige tausende bis zehntausende eigenständige Denominationen oder konfessionelle Gemeinschaften umfassenden Phänomens, das gerade im deutschen Sprachraum grob vereinfachend „Protestantismus“ genannt wird, gibt es je nach Gemeinschaft ihrerseits auch Unterschiede zur Frage, was als Teil der Bibel anerkannt werden sollte und was nicht. Natürlich werden immer wieder ganz unterschiedliche Übersetzungen verwendet. Schon in den frühen Jahrhunderten spielten da die jeweiligen theologischen Positionen eine prägende Rolle. Man sollte also nicht naiv meinen, um im christliche Sinne Fragestellungen angehen zu können, brauche man doch nur die Bibel zur Hand zu nehmen. Welche Bibelausgabe sollte es dann sein? Welche Einzelschriften, welche einzelnen Verse sind jeweils als Teile der Bibel anzuerkennen und welche zu verwerfen? Sollte man nicht, wie dies mitunter tatsächlich geschah, in Hinblick auf die Bücher der Bibel eine Art Kanon im Kanon annehmen? Demnach gäbe es dann so etwas wie biblische Bücher erster Klasse und solche zweiter Klasse und vielleicht sogar dritter Klasse. Welche einzelnen Verse, Halbverse und einzelnen Worte sind als einer als kanonisch anerkannten biblischen Schrift zugehörig zu betrachten? Was sind spätere Ergänzungen? Welche Bedeutung gewannen redaktionelle Bearbeitungen bis hin zu politischen Interessenslagen im Laufe der Jahrhunderte von Überlieferungsgeschichte bezüglich der Bibel und ihrer Einzelschriften? Dann kommt eben noch die Frage, welche Übersetzung man bevorzugt, und welche man vielleicht sogar ausdrücklich scharf verurteilt. Die Wahl der Übersetzung kann starken Einfluss auf die Diskussion und Beantwortung theologischer Fragen haben. Dies kann da Einfluss auf so grundsätzliche Fragen wie die nach dem Verhältnis Jesu Christi zum himmlischen Vater und nach der Natur Christi bzw. in Christus geeinten Naturen haben.

Einigermaßen verdeutlichen aber dürfte die angesprochene Aussendung der siebzig oder zweiundsiebzig Jünger durch Jesus von Nazaret die Notwendigkeit, dass man über Personal verfügte und dieses einsetzen konnte. Unabhängig von angeschnittenen Details finden sich schon in den vier, von den allermeisten sich selber als „christlich“ bezeichnenden Gruppierungen, anerkannten Evangelien Hinweise auf die Herausbildung von Ämtern und Strukturen in der Anhängerschaft Jesu von Nazarets. Das sich bildende Christentum entwickelte sich ganz rasch in eine Richtung, die augenscheinlich verhinderte, dass das Ganze als kurzlebiges Strohfeuer endete. Dies erging tatsächlich anderen religiösen Bewegungen so.

Die Personalauswahl und Personalführungen stellen eine umso größere und äußerst ernste Herausforderung vor. Vor einer falschen Verehrung von kirchlichen Amtsträgern ist nur eindringlich zu warnen. Man braucht sich nur an die letzten Jahrzehnte erinnern, um einzusehen, dass kirchliche Amtsträger Verheerendes anrichten können.
Da gilt es mit maximaler Transparenz gegenzusteuern.
Die Bibel kann dazu Anregungen bieten und in einem gewissermaßen antifundamentalistischen Sinn den Weg weisen.
Angefangen mit dem Buch Genesis und damit dem ersten Buch üblicher Bibelausgaben werden auch die Schattenseiten von Personen angesprochen, die sonst als so etwas wie die Helden der Handlung erscheinen. Die aufmerksame Lektüre biblischer Schriften kann da für Menschen aus so etwas wie der Durchschnittsbevölkerung deutliche Überraschungen bieten. Was es da zu lesen gibt, mag manchen Menschen heftig irritieren oder sogar entsetzen. Die Bibel ist eben kein Erbauungsbuch oder nettes Kinderbuch, für die sie manche halten.
Natürlich gab und gibt es die Versuchung und die vielfältigen Versuche, sich eine genehme Bibel zurechtzuzimmern.
In diesem Sinne mag etwa aus frühen Tagen der Christenheit Marcion/Markion in den Sinn kommen. Dieser schloss ja das gesamte Alte/Erste Testament und weite Teile von dem, was wir heute das Neue oder das Zweite Testament nennen, von der Bibel aus (siehe Gedanken zur Woche 96 – 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 174 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Später wurde man dann vorsichtiger. Da wurden dann nur bestimmte, für eine jeweilige Interessenlage besonders widerborstige alttestamentliche Schriften und Teile von solchen aus dem eigenen Kanon biblischer Schriften verbannt. Dies geschah im Bereich von Denominationen mit einer besonders intensiven Vernetzung mit Monarchien und Adel bezeichnenderweise gerade gegen alttestamentliche Schriften wie Jesus Sirach, auch genannt Ecclesiasticus, Tobit, seltener genannt Tobias, Judith und die beiden Makkabäerbücher (siehe allgemein Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 194 – 2. ADVENTSONNTAG (2023)).
Besonders dreiste Aktionen bot dann so etwas wie die Anglo-Elite in den neuerstandenen USA.
Gerade das Unternehmen des penetranten Sklavenhalters und US-Präsidenten Thomas Jefferson, sich buchstäblich sein ihm besonders genehmes Neue Testament zurechtzuschneiden, verdient da nachhaltige Wahrnehmung (siehe Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 178 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 197-b – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG sowie TAGE DER WEIHNACHTSZEIT (2024)). Ein anderes abschreckendes Beispiel stellt die Bibelausgabe in einer Form von Englisch dar, welche nordamerikanische Sklavenhalter unter Ausschluss des alttestamentlichen Buches Exodus herausbrachten (siehe Gedanken zur Woche 155 – 3. FASTENSONNTAG (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 178 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).

Da ist es dann umso interessanter, sich eingehend mit einer nicht solchermaßen verstümmelten Bibelausgabe bei aller natürlich vorhandenen Diskussionswürdigkeit bezüglich der Übersetzung zu beschäftigen.

So wird Abraham im Buch Genesis durchaus als Mensch mit persönlicher Schwäche dargestellt. Ein Höhepunkt ist da, wie er seine Ehefrau Sara/Sarah mit dem ahnungslosen ägyptischen Pharao verkuppelte (Gen 12,10-20). Sara/Sarah wird etwas später in Genesis als jemand dargestellt, die auch schon einmal selber grob die Unwahrheit sagt (Gen 18,12-15). Wie Jakob mit Hilfe seiner Mutter Rebekka zum Segen seines Vaters Isaak auf Kosten seines Bruders Esau als Haupterbe kam, ist eine eigene bemerkenswerte Geschichte (Gen 27,1-40). Ein eigenes für heutige christlich sozialisierte Leserinnen und Leser überraschendes Stück der Bibel mag schon kurz vorher die Erzählung vom Verkauf des Erstgeburtsrechtes von Esau an Jakob sein (Gen 25,27-34).
Später werden im Verlauf des Alten/Ersten Testaments gerade auch die dunklen Seiten Davids und Salomos aufgezeigt (siehe Gedanken zur Woche 68 – 15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 82 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Die zumindest Hinneigung des letzteren zum Polytheismus (siehe Gedanken zur Woche 20 – 17. SONNTAG IM JAHRESKREIS 2020)) wird mitunter als Beleg für die fortwährende Tendenz gesehen, den vielleicht in der Menschheit ursprünglich vorhandenen Monotheismus aufzugeben.
Nicht zuletzt wird man schon im Alten/Ersten Testament wiederholt fündig, wenn man kritische Aussagen zu offiziellen Religionsvertretern wie Priestern und Hohepriestern sucht. Auch dieses beginnt schon in den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch.
Am ehesten bekannt sind wohl noch Aussagen im Neuen/Testament über den Verrat an Jesus von Nazaret durch den Apostel Judas, der immerhin auch die Kasse verwaltete, und die dreifache Verleugnung durch Petrus als dem ersten der Apostel. Auch sonst wird im Neuen/Zweiten Testament immer wieder eine offene Sprache verwendet, wenn es um die Schwächen von Aposteln und dann um Missstände und Auseinandersetzungen in den ganz frühen Gemeinden ging.
Da ging es bei der Erstellung des Neuen/Zweiten Testaments offensichtlich um Transparenz und nicht um Vertuschung. Das hätte man gerade in den letzten Jahrzehnten doch stärker beherzigen sollen.

 

1. Lesung: Jes 66,10-14c
2. Lesung: Gal 6,14-18
Evangelium: Lk 10,1-12.17-20

 

 

 

 

Gedanken zur Woche 276-b, Dr. Matthias Martin
14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Wie zweischneidig und zugleich unverzichtbar wichtig Medien in einer modernen Gesellschaft wirken können, hat Leo XIV. auf eindrückliche Weise bestätigt. Er würdigte nämlich in klaren Worten die Arbeit all jener Journalisten und gerade auch Journalistinnen, welche sich für die Aufdeckung und Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen in der Kirche eingesetzt haben. Namentlich dankte er der mutigen peruanischen Journalistin Paola Ugaz, welche sich in besonderer Weise verdient gemacht hat um die Aufdeckung sexuellen Missbrauchs in dem einst so hofierten und innerkirchlich wie allgemeingesellschaftlich so gut vernetzten Sodalitium Christinae Vitae.
Der neugewählte Papst wird ja inzwischen selber gewürdigt, in früheren Jahren aktiv gegen diese Gruppierung vorgegangen zu sein. Seine jetzige Würdigung für Paola Gaz passt daher konsequent zu seinem eigenen bisherigen Wirken. Diese Würdigung ist als umso bemerkenswerter einzustufen, da sie gesandt wurde zur Aufführung eines Theaterstückes in der peruanischen Heimat der Investigativjournalistin, in dem ihr Wirken eindrucksvoll thematisiert wird.
Dies macht den päpstlichen Schritt umso richtungsweisender. In klaren Worten wird jeder Tolerierung sexuellen Missbrauchs in der Kirche eine klare Absage erteilt. Wer Tätern behilflich ist, egal aus welchem Grunde, kann sich umso weniger auf den Papst berufen. Es bleibt abzuwarten, wie auf dem Weg der Ahndung sexuellen und anderen Missbrauchs in der Kirche weiter vorgegangen wird. Wird nun endlich zumindest etwas unternommen gegen die Netzwerke von im Laufe der Zeit als Missbrauchsvertuscher und -förderer wie Missbrauchstäter in eigener Sache enttarnte Priester, Bischöfe, Kardinäle und Laienfunktionären? Krebsmetastasen in einem menschlichen Körper und Myzelstrukturen eines Hausschwammes in einem Gebäude verschwinden ja auch nicht von alleine. Da muss dafür etwas aktiv unternommen werden. Im kirchlichen Bereich weisen die Auflösung des Sodalitium Christianae Vitae und der Miles Christi in die richtige Richtung.

Ins Gedächtnis und im deutschen Sprachraum überhaupt ins Bewusstsein gerufen werden sollten auch die Auseinandersetzungen und der vielfältige Skandal in Zusammenhang mit dem „bemerkenswerten“ Wirken von Pater Carlos Urrutigoity. Immerhin wurde letztendlich mit Bischof Rogelio Livieres ein besonders uneinsichtiger Förderer von Urrutigoity durch Papst Franziskus seines Amtes enthoben. Vorangegangen war eine päpstliche Visitation. Der Bischof hatte den in Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen längst massiv in der Kritik stehenden Livieres nicht nur in seine paraguayische Diözese Cuidad del Este aufgenommen. Er hatte ihn in bewusster Provokation auch noch zum Generalvikar ernannt.
Schon vorher war dieser als ziemlich verhaltensauffällig aus der Priesterbruderschaft St. Pius X. ausgeschlossen worden. Deren damaliger Generaloberer, Weihbischof Bernard Fellay, warnte eindringlich vor Urrutigoity. Dies hinderte einen Bischof wie James Timlin in Pennsylvania nicht, mit größtmöglichem Zuvorkommen Urrutigoity mit seinen unmittelbaren Gefolgsleuten im Bereich der offiziellen kirchlichen Hierarchie und damit verbundenen Seelsorgestrukturen unterzubringen. Offensichtlich war man in betreffenden Teilen der kirchlichen Hierarchie auch in diesem Fall ganz versessen, Überläufer aus der Priesterbruderschaft St. Pius X. und deren Umfeld zu gewinnen. Dabei hatte man damit schon längst zumindest sehr zweifehlhafte Erfahrungen gemacht. Umgehend wurde die von Pater Urrutigoity gegründete Gesellschaft vom heiligen Johannes/Society of St. John kirchenamtlich anerkannt! Bischof Timlin wurde später überhaupt als notorischer Unterstützer von Missbrauchstätern im Klerus überführt. Sein Verhalten hatte wohl Bedeutung, dass es zur bahnbrechenden Untersuchung staatlicher Ermittlungsbehörden über sexuellen Missbrauch in den katholischen Diözesen im Staat Pennsylvania kam. In diesem Fall ist man den dabei engagierten Politikerinnen und Politikern, Ermittlerinnen und Ermittlern samt deren Unterstützern seitens der katholischen Kirche aufrichtigen Dank schuldig. Von den Ermittlungen und Enthüllungen in Pennsylvania aus entwickelte sich ein regelrechter Dammbruch bezüglich anderer Gebiete der USA und dortigen Kirchenstrukturen in Hinblick auf eine Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und eventuelle Entschädigungszahlungen. Beginnend mit den staatlichen Ermittlungen in Pennsylvania hatte dies dann auch internationale Auswirkungen. Die schon unter so skandalösen Umständen kirchenamtlich errichtete Gesellschaft vom Heiligen Johannes/SSJ musste schließlich für aufgelöst erklärt werden, sprich offiziell fallengelassen werden. Dies ergab immerhin schon einen etwas ermutigenden Präzedenzfall, der in Richtung der späteren Auflösung des Sodalitium Christiana Vitae und der Miles Christi wies. Der provokante Versuch, unter neuer Bezeichnung in Paraguay durchzustarten, endete dann ebenfalls im Skandal. Dass Rom hier zumindest ansatzweise eingriff, war für die damaligen Verhältnisse bemerkenswert.

Inzwischen lassen das Wirken mutiger Journalistinnen und Journalisten, Juristinnen und Juristen, von Opfern und Menschen auf deren Seite weitere Fortschritte in der Aufarbeitung und zumindest ansatzweisen Ahndung sexuellen Missbrauchs einschließlich eines damit wiederholt verbundenen finanziellen Fehlverhaltens erhoffen. Nicht zuletzt darf man auf ein konsequentes Vorgehen des neuen Papstes Leo XIV. hoffen.

Nicht zuletzt machte Papst Leo XIV. deutlich, wie wichtig tatsächliche Wirkungsfreiheit für Journalistinnen und Journalisten guten Willens ist. Wie in dieser Reihe „Gedanken zur Woche“ schon vor einiger Zeit angesprochen, erklärte Jesus von Nazaret, dass die Wahrheit und nicht die Vertuschung und keine Täter-Opfer-Umkehr frei macht.
Wir mögen uns hier auch an die Feststellung aus der Zeit der Kirchenväter erinnern, die insbesondere in Beziehung mit Papst Gregor I. gesehen wird (siehe Gedanken zur Woche 128 – 23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)):

„Besser ist, es gibt Skandal, als dass die Wahrheit zu kurz kommt.“

Die Würdigung Leos XIV. für Pressemitarbeiter und überhaupt eine freie Presse in Hinblick auf den Kampf gegen Missbrauch in der Kirche passt sehr gut auch zur Feststellung des heiligen Papstes X.:

„Ihr werdet umsonst Kirchen bauen, Schulen errichten und alle anderen guten Werke organisieren, wenn es Euch nicht gelingt, die Waffe der guten Presse gegen die schlechte Presse zur Geltung zu bringen.“

Eine gute Presse einschließlich natürlich Rundfunk, Fernsehen und moderne digitale Medien ist tatsächlich eine Presse, welche sich um Aufdeckung verbrecherischer Handlungen und Gerechtigkeit für die Opfer bemüht. Viel zu oft wurde und wird leider auch im kirchlichen Bereich offensichtlich das Gegenteil vertreten. Da wird dann gemeint, Medien müssten doch auf Seiten der Täter stehen, erst recht, wenn es sich hierbei um Laienfunktionäre, Diakone, Priester, Bischöfe und mitunter sogar um Kardinäle oder auch Partner in dem so schillernden Bereich der Ökumene handelt. Ein eigenes Feld sind die Verbindungen von Missbrauchstätern, ihren innerkirchlichen Förderern und der Politik einschließlich nicht zuletzt der vielfältigen Medienwelt.
In Missbrauchsskandale in der ein oder anderen Weise verstrickte Kirchenleute verfügten ja immer wieder über ganz hervorragende Kontakte eben auch in Politik und Medienwelt.
Umso mehr sind mutige Journalistinnen und Journalisten zu würdigen, die gegen so etwas angegangen sind. Die betreffenden Würdigungen durch Papst Leo XIV. haben eine enorme Bedeutung in Hinblick auf so etwas wie ein Berufsethos bei Medienarbeiterinnen und Medienmitarbeitern. So etwas sollte auch zu einem gereinigtem Politikverständnis verhelfen.
Politikerinnen und Politiker, die gemeinsame Sache mit Kirchenvertretern machen, die in Missbrauchsskandale verstrickt sind, erweisen der Kirche und natürlich den Opfern keinen guten Dienst. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Dasselbe gilt bezüglich Medienvertretern.
Natürlich will dann nachher wieder niemand von etwas gewusst haben, egal ob es um betreffende Gründer von durch Skandale verschlungene oder zumindest angeschlagene Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften oder um gewisse Bischöfe und Kardinäle geht.

 

 

 

Gedanken zur Woche 275, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2025)

Die besondere Bedeutung des HOCHFESTES (von) PETRUS UND PAULUS wird dadurch verdeutlicht, dass, wenn es auf einen Sonntag fällt, vor diesem den liturgischen Vorrang gewinnt. Ein solcher Vorrang dieses Hochfestes oder Festes I. Klasse gilt sowohl in dem Kalender für die Feier der Heiligen Messe im nachkonziliaren Ritus, dem Ritus Pauls VI. als auch in dem Kalender für die Feier der Heiligen Messe im tridentinischen Ritus, im Stile der Messe Gregors des Großen/Pius V./Johannes XXIII./Don Camillos/Ralph (Raoul) de Bricassarts (siehe allgemein Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 138-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 244 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2024)).
Wenn man sich vergegenwärtigt, dass gerade Petrus und Paulus gemeinsam für die Einheit der Kirche stehen, so ist dies doch ein ermutigendes Zeichen. Petrus und Paulus haben bei allen persönlichen Unterschieden in ihrem Lebens- einschließlich Ausbildungsweg und in ihren Temperamenten oder Charakteren untereinander die Einheit bewahrt und diese nach Möglichkeit unter den Jüngerinnen und Jüngern Jesu gefördert. Das Apostelkonzil, auch genannt Apostelkonvent, zu Jerusalem verdeutlicht dies (Apg 15,1-29 und Gal 2,1-10). Die Einheit in der Gemeinde und überhaupt sollen doch alle fördern, die irgendein kirchliches Amt, eine kirchliche Funktion oder Aufgabe innehaben. So passt es sehr gut, dass nach alter Tradition am 29. Juni als dem HOCHFEST PETRUS UND PAULUS in vielen Teilen der Weltkirche insbesondere Diakone und Priester geweiht werden. Diese sollen ja Diener der Einheit sein.
So kann man es als bedauerlich einstufen, dass eben dieses Hochfest von Petrus und Paulus etwa im gegenwärtigen österreichischen Staatsgebiet nicht mehr als staatlicher Feiertag anerkannt ist. Im österreichischen Konkordat von 1934 war eben dieses Hochfest vom 29. Juni wie alle Sonntage, der 1. Januar, die Hochfeste von der Erscheinung Christi am 6. Januar, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam, Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August, Allerheiligen am 1. November, Unbefleckte Empfängnis Mariens am 8. Dezember und der Weihnachtstag am 25. Dezember als vom Staat anerkannter Feiertag festgestellt bzw. bestätigt worden (
https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10009196&FassungVom=2024-01-01&Artikel=9&Paragraf=&Anlage=&Uebergangsrecht=&ShowPrintPreview=True und https://www.verfassungen.at/at18-34/konkordat33.htm). Der Ostersonntag und der Pfingstsonntag sind von diesem völkerrechtlichen Vertrag sowie innerstaatlicher Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Schutz des Sonntags her eben als Sonntage automatisch mitgeschützt. Eigens sind in dem eher zentralstaatlich organisierten jetzigen österreichischen Staatsverband der Ostermontag, der Pfingstmontag und der auch Stefanitag oder Stefanstag genannte Zweite Weihnachtsfeiertag als gesetzliche Feiertage bundesweit anerkannt (https://www.wien.gv.at/amtshelfer/feiertage/ und https://www.bmb.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/termine/feiertage.html). Der Tag des Hochfestes von Petrus und Paulus wurde in Österreich ganz im Gegensatz zu anderen Territorien und Staaten längst als gesetzlicher Feiertag abgeschafft. Die offizielle kirchliche Hierarchie hat dies akzeptiert. Wie der Verfasser dieses Beitrages bei seiner eigenen Priesterweihe am 29. Juni 2004 in St. Pölten erleben musste, hat dies durchaus handfeste Konsequenzen. Während ein in St. Pölten beheimatetes, mit ihm befreundetes und kirchliches engagiertes Ehepaar gemeinsam der vorhergehenden Diakonenweihe am 8. Dezember 2023 beiwohnen konnte, war dies bei der Priesterweihe eben am 29. Juni 2004 nicht möglich. Dieser Tag fiel auf einen Dienstag. Der berufstätige Ehemann musste seinen weltlichen Pflichten im Berufsleben nachkommen. Die Abschaffung des Hochfestes vom 29. Juni als einem gesetzlichen Feiertag in Österreich wie etwa mit der Ausnahme der Stadt Rom auch in Italien einschließlich Südtirols bedeutete ganz handfest den Verlust eines sozialen Besitzstandes. Dies wiegt umso schwerer, da etwa in Österreich der 29. Juni für alle ein gesetzlicher Feiertag war, ohne irgendeine Ausgrenzung aufgrund eigener Konfessionszugehörigkeit bzw. Nichtzugehörigkeit zu einer Konfession. Damit galt bei der verlorengegangenen Anerkennung des 29. Juni als einem gesetzlichen Feiertag dieselbe Gleichbehandlung wie etwa in Hinblick auf den 6. Januar (Erscheinung des Herrn), den 15. August (Aufnahme Mariens in den Himmel) und den 08. Dezember (Unbefleckte Empfängnis Mariens). Die Verteidigung eines solchen sozialen und letztlich auch kulturellen Besitzstandes sollte doch nicht zuletzt von Gewerkschaften und soweit vorhanden von Arbeitnehmerkammern /Arbeiterkammern/Arbeitskammern/Kammern für Arbeiter und Angestellte wahrgenommen werden. Auch alle anderen Arbeitnehmervereinigungen und auch für das kulturelle Leben tätige Organisationen sollten sich im Sinne der Verteidigung von traditionellen gesetzlichen Feiertagen angesprochen fühlen. Gerade in Ländern oder Gebieten mit einem entwickelten System von Richtungsgewerkschaften könnten sich eigens betreffende Gewerkschaften und Gewerkschaftsbünde bei der Verteidigung bzw. Wiederherstellung gesetzlicher Feiertage profilieren.
Dies können sich in diesem Bereich tätige oder irgendwie eingebundene Menschen nach der Wahl von Papst Leo XIV. wieder verstärkt bewusst machen. Er selber wies ja auf Leo XIII. als sein Vorbild. Auch und gerade nichtkonfessionelle Medien wiesen doch auf die Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ eben Papst Leos XIII. hin. In dieser wurden auch freie Zeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gefordert, damit diese ihr religiöses Leben pflegen können. In einem allgemeinen Sinne wird in Abschnitt 32 von „Rerum Novarum“ festgehalten:

„Der Staat ist ferner den Arbeitern in mehrfacher praktischer Richtung einen Schutz schuldig, und zwar zunächst in Hinsicht ihrer geistigen Güter.“

Dabei kann man den hier verwendeten Ausdruck „Arbeiter“ verstehen im Sinne von „Arbeiterinnen und Arbeiter“. Jede Ausgrenzung unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sollte strikt unterlassen werden. Natürlich sollten etwa auch alle sexuellen Übergriffe einschließlich sexistische Bemerkungen an den Arbeitsplätzen und in Zusammenhang mit Beschäftigungsverhältnissen unterbleiben. Dies gilt auch natürlich für den kirchlichen Bereich und kirchennahe Beschäftigungs- und Wirtschaftsstrukturen.
Sehr deutlich stellte doch Leo XIII. fest:

„Unter dieser Rücksicht sind alle Menschen gleich; kein Unterschied der Menschenwürde zwischen reich und arm, Herr und Diener, Fürst und Untertan, „denn derselbe ist der Herr aller“ (Röm 10,12). Keine Gewalt darf sich ungestraft an der Würde der Menschen vergreifen, … .“

Die hier zitierten Einzelaussagen sind natürlich im Sinne des generischen Maskulinums, also geschlechtsübergreifend zu verstehen. Manche und mancher verwendet in solchem Zusammenhang offensichtlich gerne Ausdrücke wie „allgemeiner Maskulin“ oder „umfassender Maskulin“.
Etwas später heißt es dann im selben Abschnitt:

„Hiermit ist die Grundlage der pflichtgemäßen Sonntagsruhe bezeichnet. Die Sonntagsruhe bedeutet nicht soviel wie Genuss einer trägen Untätigkeit. Noch weniger besteht sie in der Freiheit von Regel und Ordnung, und sie ist nicht dazu da, wozu sie manchen erwünscht ist, nämlich um Leichtsinn und Ausgelassenheit zu begünstigen oder um Gelegenheit zu überflüssigen Ausgaben zu schaffen. Sie ist vielmehr eine durch die Religion geheiligte Ruhe von der Arbeit. Die religiös geweihte Ruhe enthebt den Menschen den Geschäften des täglichen Lebens, der Last gewohnter Arbeit, um ihn aufzurufen zu Gedanken an die Güter des Jenseits und zu den Pflichten der Gottesverehrung.“

Dies fügt sich in die ganzheitliche Sicht des Menschseins ein, die in „Rerum Novarum“ durchklingt. Diese Enzyklika fügt sich ihrerseits doch ein in die ganze Reihe von unterschiedlichen Lehrschreiben und vielfältigen Handlungen Leos XIII. (siehe Gedanken zur Woche 271-b – OSTERWOCHE (2025) und Gedanken zur Woche 272 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2025)). Grundsätzlich mag man hier an seine starke Empfehlung des heiligen Thomas von Aquin und seines gewaltigen Gesamtwerkes denken. Unter Betonung der Vernunft thematisierte dieser Philosoph und Theologe ganz unterschiedliche Aspekte des Menschseins.

 

1. Lesung: Apg 12,1-11
2. Lesung: 2 Tim 4,6-8.17-18
Evangelium: Mt 16,13-19

 

 

 

Gedanken zur Woche 275-b, Dr. Matthias Martin
13. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Der Kampf gegen Korrumpierung und Irreführung ist im kirchlichen Leben eine dauernde Herausforderung. Es ist zugegebenermaßen eine undankbare bis gefährliche Tätigkeit. Sie ist aber eine dringend und fortwährend notwendige.
Wer sich in diesem guten Sinne engagiert, macht sich natürlich nicht beliebt bei Tätern und Profiteuren von Korruption und Missbrauch aller Art. Die Liebe zum Täter und die grundsätzliche Neigung, zu vertuschen und zu verdrängen, führt zur Aggressivität gegen diejenigen, die dabei als störend wahrgenommen werden. Opfer werden dann mit aller folgerichtigen Brutalität nach Möglichkeit zum Schweigen gebracht. Hand in Hand ging und geht das mit unmenschlicher Zerstörungstätigkeit gegen eben bereits geschädigte, gegen längst verletzte Menschen. Schädigungswille und zerstörerisches Verhalten richten sich darüber hinaus gegen all diejenigen, welche sich mit den Opfern innerkirchlichen Fehlverhaltens und nicht mit den Tätern und Täterinnen solidarisieren. Der kürzlich erschienene Bericht über (sexuellen) Missbrauch im Bistum, in der Diözese Würzburg verdeutlicht dies in besonders aufschlussreicher Weise (siehe Gedanken zur Woche 270 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)). Der Wunsch, klerikaler Täter vor negativen Konsequenzen und auch nur leichtesten Unannehmlichkeiten zu schützen, führte zu gezielter Ausgrenzung und Feindseligkeit gegen die im Bistums-/Diözesangebiet lebenden deutschen Heimatvertriebenen. Ganz offensichtlich hatte die in deren Kreisen einigermaßen vorhandene Bereitschaft, gegen klerikale und überhaupt gegen Missbrauchstäter auszusagen, zu einem destruktiven Unmut in den wohlsituierten und gut vernetzten Kreisen von Einheimischen geführt. Schon vor der Veröffentlichung des Würzburger Missbrauchsberichts wie anderer Berichte über sexuellen Missbrauch gerade in bundesdeutschen Bistümern/Diözesen war bei aufmerksamer Wahrnehmung deutlich geworden, dass eine wohlwollende Haltung gegenüber sexuellen Missbrauch einschließlich Massenvergewaltigungen Hand in Hand ging mit einer feindseligen Haltung gegenüber deutschen Heimatvertriebenen und mit ihnen besonders verbundenen Menschen und Einrichtungen. Ein besonders drastisches Beispiel dafür ist Kardinal Karl Lehmann, der ja längst sozusagen Länge mal Breite als zielstrebiger Missbrauchsermöglicher entlarvt ist. Über Massenvergewaltigungen durch die Rote Armee der Sowjetunion an wohlgemerkt auch zahllosen polnischen Frauen und Mädchen fand er keine kritischen oder gar verurteilenden Worte. Seine täterfreundlichen Tiraden mussten bei unbefangenen, um nicht zu sagen naiven Menschen den Eindruck erwecken, dass selbst an dem sowjetischen Massaker von Katyn mit der gerne übersehenen Ermordung auch von Priestern, das sowjetische Täterregime eines Josef Stalin und Lawrenti Beria völlig unschuldig sei. Da war es offensichtlich für einen Karl Lehmann wie gleichgesinnte katholische Kirchenmänner auch ganz unökumenisch völlig irrelevant, dass dem sowjetischen Massenmord von Katyn wohlgemerkt auch orthodoxe Priester zum Opfer gefallen waren. Ebenso hatten katholische Kirchenvertreter vom Schlage eines Karl Lehmann offensichtlich kein ökumenisches Problem damit, dass den sowjetischen Massenvergewaltigungen in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg wie zu anderen Gelegenheiten Frauen und Mädchen ganz unabhängig von ihrer konfessionellen oder religiösen Zugehörigkeit zum Opfer gefallen waren. Dementsprechend tobten sich die sowjetischen Besatzer unbestrittenermaßen noch in Afghanistan bis zum Zusammenbruch ihres Besatzungsregimes aus. Das eiskalte Schweigen bis hin zu offen zur Schau getragenen Sympathie mit den sowjetischen Tätern in so etwas wie westlichen Kirchenkreisen war sehr dazu angetan, Misstrauen bis offene Empörung in der muslimischen Welt zu fördern. Die Geschichte ist auch in diesem Zusammenhang alles andere als zu Ende. Gerade auch in muslimischen Bevölkerungsgruppen hat man immer wieder ein sehr ausgeprägtes und intaktes Langzeitgedächtnis.

Dass ein sowjetischer Spitzenmann wie Lawrenti Beria nicht nur ein ausgemachter Massenmörder, sondern auch ein außerordentlich hemmungsloser Vergewaltiger war, ist eine genau ins furchtbare Bild passende Tatsache. Höchstens ein paar besonders hartgesottene Loyalisten des einstigen sowjetischen Regimes und von Kirchenleuten wie etwa Karl Lehmann mögen dies noch bestreiten. Die andere Verteidigungsstrategie ist natürlich zu erklären, dass diese Verbrechen schon so lange zurücklägen und betreffende Folterer und Vergewaltiger auch bestimmt etwas Gutes getan hätten.
Bei missliebigen Menschen und Einrichtungen und gerade solchen, die man sich selber zynisch-eiskalt als Opfer herausgepickt hat, ist man da bei betreffenden Kirchenleuten und ihrer jeweiligen Klientel umso weniger verständnisvoll oder apologetisch.
Die Aufarbeitung des Zusammenhanges von innerkirchlichen Missbrauchsnetzwerken und wohlwollendem Verhalten gegenüber staatlich betriebenen Missbrauchsstrukturen einschließlich Massenvergewaltigern steht gerade für die katholische Kirche im großen Stile noch aus. Eine solche Geschichte unseliger und als Gift weiterwirkender Verquickung und Kollaboration ist natürlich über konfessionelle Grenzen hinweg eine Herausforderung. Wie es eine Ökumene der Opfer, des Leides und des Widerstandes gab und gibt, so gab und gibt es eben auch eine Ökumene der Täter und der Untaten. Die Verquickung staatlicher und kirchlicher bzw. konfessioneller Täterstrukturen in der einstigen „DDR“ ist da ein eigenes Thema, das noch intensiverer und möglichst auch strafrechtlicher Aufarbeitung harrt. Offensichtlich nahm die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringende und Angst und Schrecken verbreitende STASI doch gegenüber kirchlichen Missbrauchstätern eine auffallend wohlwollend-tolerante Haltung ein. Umgekehrt bemühten sich die Vertreter etablierter und von den politischen Machthabern hofierter konfessionellen Strukturen besonders eifrig, ihre Unterstützung für den „DDR“-Apparat zu verwirklichen und regelrecht zur Schau zu stellen. Was dem Verfasser dieses Beitrages von einem spirituellen Autor und Mitglied des Jesuitenordens des Papstes Franziskus über den Berliner Bischof Alfred Kardinal Bengsch mitgeteilt wurde, war haarsträubend und entlarvend. Eine ehrliche kirchliche Aufarbeitung tut eben auch in einem solchen Fall not.

Als ein Hoffnungszeichen kann man da die Wahl des bisherigen Kardinals Robert Prevost zum Papst sehen. Wie inzwischen berichtet wurde, hatte dieser offensichtlich schon als Bischof in Peru sich gegen das Sodalitium Christianae Vitae (SCV) (siehe Gedanken zur Woche 268 – 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025) und Gedanken zur Woche 270 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)) gestellt. Als Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe nutzte er dann seine neugewonnen Möglichkeiten, um in diesem Falle einigermaßen aufzuräumen. Wenn man dazu bedenkt, dass dieses nun päpstlicherseits für aufgelöst erklärte Sodalitium in lateinamerikanischen Staaten gesellschaftlich-politisch gut vernetzt gewesen sein dürfte, so ist das in der angeordneten zwangsweisen Auflösung gipfelnde päpstliche Vorgehen umso bemerkenswerter.
Auch die verfügte Auflösung der Miles Christi (siehe Gedanken zur Woche 268 – 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)) geht in diese Richtung. Auch hier haben mediale Präsenz und die Bildung von Seilschafften einen gewissen Gang von Gerechtigkeit nicht aufhalten können.

Auf einem solchen Weg gilt es weiter voranzuschreiten. Wenn man nur ganz kurz die rapiden Verluste an Zustimmung für die katholische Kirche auf dem amerikanischen Doppelkontinent betrachtet, ist dies schon rein praktisch eine bittere Notwendigkeit. Die Bewegung in Richtung einer Pentecostalisierung/Pentekostalisierung Lateinamerikas wie des Aufschwunges eher synkretistischer bis neopaganer Bewegungen oder Kulte und mitunter des Bevölkerungsanteils von Konfessionslosen lassen sich doch nicht leugnen. Dies gilt auch in Hinblick auf den eskalierenden Einbruch bei der katholischen Kirche in den USA und in Kanada. So etwas wie mitunter angewandte Buchführungstricks können daran nichts ändern (siehe Gedanken zur Woche 274-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS und HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2025)).

Im staatlichen Bereich können die in jüngster Zeit durch US-Staaten wie Louisiana verabschiedeten Gesetze zum verbesserten Schutz gerade von Kindern gegen sexuellen Missbrauch als Ermutigung und Ansporn gesehen werden. Dies wird offensichtlich auch in Kreisen so gesehen, welche sonst nicht so begeistert sind von US-Politik und den beiden dortigen Großparteien.
Auch die Tatsache, dass sich der britische Premierminister Keir Starmer dem öffentlichen Druck beugte und nun eine landesweite Untersuchung über den weitverbreiteten sexuellen Missbrauch an minderjährigen Mädchen ankündigte, ist doch bemerkenswert. Es ist zu hoffen, dass solch gute Ereignisse und Handlungen ganz allgemein und auch innerhalb der katholischen Kirche Schule machen. Den Netzwerken kirchlicher und nichtkirchlicher Täter und all ihrer Handlanger und Sympathisanten wird dies natürlich nicht gefallen.

 

 

 

Gedanken zur Woche 274, Dr. Matthias Martin
12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Die Zusammenlegung kirchlicher Einrichtungen kann immer wieder geschehen. Dies kann auf verschiedenen Ebenen des kirchlichen Lebens erfolgen. So können etwa Pfarrgemeinden zusammengelegt werden. Eine gewissermaßen mildere Form der Zusammenfassung ist auf dieser Ebene kirchlichen Lebens die Möglichkeit, dass mehr als eine Pfarrei ein und demselben Priester anvertraut wird. Auch können Pfarrverbände gebildet werden. Dabei bleiben die jeweiligen Pfarreien als eigene juristische Personen im Sinne des Kirchenrechts weiter bestehen. Dies gilt gerade in Hinblick auf das Pfarrvermögen und die damit verbundene Buchführung und überhaupt die jeweilige Rechenschaftslegung. Natürlich gilt es, betreffende Normen sowohl des kirchlichen wie des weltlichen Rechts getreulich zu beachten. Gerade Kirchenvertreter und Kirchenvertreterinnen, kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sollen auch in vermögensrechtlicher Hinsicht einschließlich Fragen der Buchführung Vorbilder an Gewissenhaftigkeit und Verlässlichkeit sein. Dies gilt auch und gerade heutzutage. Zum einen können doch Unregelmäßigkeiten aller Art durch die modernen Medien sehr rasch verbreitet und auch gebrandmarkt werden. Kirchenmänner sollten da nicht wehleidig bis heuchlerisch über „die Medien“ oder speziell „die Journalisten“ jammern. Wenn es ihnen genehm ist, bedienen sich Kirchenleute doch ständig gern selber der verschiedenen Medien. Gerade so manche Bischofskonferenz, ihre jeweiligen Vorsitzenden und Mitglieder in Europa setzen auch gerne unterschiedliche Medien ein, um Stimmung gegen missliebige Menschen und deren Strukturen oder Gemeinschaften zu machen. Solches Verhalten legen auch Laienfunktionäre und von ihnen vertretene bzw. angeführte Einrichtungen an den Tag, seien diese nun als Vereine, Verbände oder etwa als Stiftungen zu bezeichnen. Überhaupt präsentieren sich doch Kirchenleute gerne in den Medien. Dies geschieht etwa bei so etwas wie innerkirchlichen Wahlkämpfen. Ausdrücke wie „Bischofswahlkampf“ und „Kampf um die Mitra“ sind mancher und manchem vertraut. Medien wurden gerne auch mit der sehr manipulativen Absicht instrumentalisiert, das Fehlverhalten im kirchlichen Bereich zu beschönigen bis als völlig gerechtfertigt darzustellen. Ja bis in die jüngste Zeit wurde es von Kirchenvertretern und Kirchenvertreterinnen, betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unternommen, Opfer sexuellen Missbrauchs und auf ihrer Seite engagierte Menschen einzuschüchtern und zu diskreditieren. Man ist da zum Glück etwa in westlichen Ländern etwas kritischer und problembewusster geworden. Manche Politikerin und mancher Politiker möchten auch nicht mehr auf die eigene Verbandelung angesprochen werden mit klerikalen Gestalten wie Theodore McCarrick, Rembert Weakland, Karl Lehmann, Joachim Meißner, besonders kompromittierten Mitgliedern der Bischofskonferenz von England und Wales und so fort.
Da kommt im guten Sinne unabhängigen Medien eine umso wichtigere Funktion zu.
Eigens müssen sicher in Zukunft noch vermögensrechtliche Unregelmäßigkeiten bis mehr oder minder schwer kriminelle Handlungen im Bereich von Finanzen und Vermögensverwaltung in kirchlichen Einrichtungen in den Blick genommen werden. Da ergibt sich ein weites Feld für die Aufklärungstätigkeit durch Medien und Justiz. Die von Persönlichkeiten bis hin zu Joseph Kardinal Ratzinger bzw. Papst Benedikt XVI. beklagte Liebe zum Täter hat wohl auch in diesem Bereich starke Wurzeln geschlagen. Hier wie im Bereich des sexuellen Missbrauchs ist noch sehr viel aufzuarbeiten. Dazu zeigt die brutale Erfahrung, dass es mit der Veröffentlichung eines vermeintlich oder tatsächlich „unabhängigen Berichts“ noch lange nicht getan ist. Täter, ihre Handlanger, Unterstützer und vielfältigen Sympathisanten bleiben üblicherweise in Amt und Würden. Sie sorgen dafür, dass Kirchenämter mit ihnen genehmen Personen nachbesetzt werden. Ihnen unliebsame Missbrauchskritiker haben es zumindest in Teilen der Weltkirche weiterhin schwer. Man mag hier an Ausdrücke wie „Krebsgeschwür“, „Krankheitsherd“ und „Tumor“ aus dem medizinischen Bereich denken. Auch Bezeichnungen wie „Hausschwamm“, „Infektion eines Organismus“ und „Pilzbefall“ können in den Sinn kommen und haben als sprachliche Bilder ihre Berechtigung.

So ist eben auch auf pfarrlicher Ebene im guten Sinne größtmögliche Gewissenhaftigkeit zu verwirklichen. Dies gilt sowohl in Hinblick auf die Prävention gegen sexuellen Missbrauch, den Schutz des guten Rufes unbescholtener Menschen wie die vermögensrechtliche bzw. finanzielle Korrektheit.
Auf in einem guten Sinne praktischer Ebene ist dabei eine richtig verstandene Flexibilität legitim und mitunter bewusst ins Auge zu fassen. So können mehrere verschiedene Pfarreien einem Priester anvertraut werden. Eine enge Vernetzung zwischen verschiedenen Pfarreien wird eigens in Canon/Kanon 517 Paragraph 1 des gegenwärtigen CICs angesprochen. Dort ist nachzulesen:

„Wo die Umstände es erfordern, kann die Hirtensorge für eine oder für verschiedene Pfarreien zugleich mehreren Priestern solidarisch übertragen werden, jedoch mit der Maßgabe, dass einer von ihnen Leiter des seelsorglichen Wirkens sein muss, der nämlich die Zusammenarbeit zu leiten und dem Bischof gegenüber zu verantworten hat.“

Recht offenherzig wird das Problem des Priestermangels im darauffolgenden Paragraphen 2 dieses Canons/Kanons angesprochen:

„Wenn der Diözesanbischof wegen Priestermangels glaubt, einen Diakon oder eine andere Person, die nicht die Priesterweihe empfangen hat, oder eine Gemeinschaft von Personen an der Ausübung der Hirtensorge einer Pfarrei beteiligen zu müssen, hat er einen Priester zu bestimmen, der, mit den Vollmachten und Befugnissen eines Pfarrers ausgestattet, die Hirtensorge leitet.“

Bemerkenswert ist, dass hier die Problematik des Priestermangels ziemlich direkt beim Namen genannt wird. Es wird aber auch die starke Stellung des Diözesanbischofs deutlich. Dies mag man bedauern und etwa vor dem Hintergrund von Kirchenskandalen kritisieren. Der Ortsbischof aber ist eben im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils der Gesetzgeber und der Richter des Bistums, der Diözese. Zugleich ist er der Inhaber der Regierungsgewalt in dieser jeweiligen Ortskirche. So etwas wie einer Gewaltentrennung in den Diözesen, den Bistümern wurde durch das Zweite Vatikanische Konzil entgegen allen Legenden, diversem Klatsch und Trasch bis hin zu offenkundiger Zweckpropaganda eine klare Absage erteilt. Dies macht den Umgang mit bischöflichen Missbrauchstätern, Missbrauchsvertuschern und Tätersympathisanten nicht einfach. Nicht umsonst spielten ja inzwischen zusehends enttarnte Kirchenmänner wie Bernard Jan Alfrink und Julius Döpfner eine ziemlich führende Rolle auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Dies gilt gewissermaßen im Sinne von innerkirchlicher Fraktionsbildung im Weiteren auch für mit ihnen besonders verbundene Bischofskonferenzen. Hat man sich in Belgien mit seinen autonomen Regionen und Gemeinschaften seitens der örtlichen staatlichen Rechtspflege und Strafverfolgung in Hinblick auf das Krebsgeschwür des sexuellen Missbrauchs zumindest ansatzweise der ganzen Bischofskonferenz schon einmal etwas angenommen, so ist solches gerade gegenüber der französischen, der schweizerischen und der bundesdeutschen Bischofskonferenz sowie der von England und Wales bisher unterblieben.
Dabei wird in Abschnitt 27 der dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ in Hinblick auf die Position der (Diözesan-)Bischöfe erklärt erklärt:

„Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, … Diese Gewalt, die sie im Namen Christi persönlich ausüben, kommt ihnen als eigene, ordentliche und unmittelbare Gewalt zu, auch wenn ihr Vollzug letztlich von der höchsten kirchlichen Autorität geregelt wird und in Hinblick auf den Nutzen der Kirche oder der Gläubigen mit bestimmten Grenzen umschrieben werden kann. Kraft dieser Gewalt haben die Bischöfe das heilige Recht und vor dem Herrn die Pflicht, Gesetze für ihre Untergebenen zu erlassen, Urteile zu fällen und alles, was zur Ordnung des Gottesdienstes und des Apostolats gehört, zu regeln.“

Die Judikative, die Legislative und die Exekutive werden bezüglich der jeweiligen Ortskirche als völlig in einer Hand vereint vorgestellt. Die Umschreibung solcher monokratischen Gewalt durch Grenzen wird nur als eine Kannbestimmung angesprochen. Darüber hinaus finden sich zahlreiche weitere Stellen in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils, in denen bis in Einzelheiten kirchlichen Lebens hinein bischöfliche Führung und Macht propagiert wird.

 

1. Lesung: Sach 12,10-11; 13,1
2. Lesung: Gal 3,26-29
Evangelium: Lk 9,18-24

 

 

Gedanken zur Woche 274-b, Dr. Matthias Martin
12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS und HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2025)

Während des ganzen Jahres soll den Gläubigen verlässlich der Besuch von Gottesdiensten und der Empfang von Sakramenten und Sakramentalien sichergestellt werden. Dabei sind natürlich alle Gläubigen eingeladen, sich ihrerseits aktiv in das kirchliche Leben einzubringen. Jede und jeder möge sich im Rahmen der je eigenen persönlichen Fähigkeiten und Begrenztheiten aktiv beteiligen. Eine Pfarrei, ein Bistum, eine Kirchenprovinz und die Weltkirche sind doch nicht Veranstaltungen bloß von Haupt- und Nebenberuflern. Mit der Taufe und bekräftigt durch die Firmung sind in diesem Sinne eben alle gerufen.
Dabei ist die Würde und Freiheit jedes Einzelnen zu achten. So dürfen Gläubige nicht willkürlich von den Sakramenten ausgeschlossen und ihr guter Ruf darf nicht beschädigt werden. In Verletzung dieser Grundsätze aggressiv auftretende Geistliche wurden nicht selten irgendwann selber als Missbrauchstäter oder als Helfershelfer von Missbrauchstätern entlarvt.
Natürlich bleibt das gesamte weite Feld von Missbrauch in der Kirche ein Bereich, in dem alle gerufen sind, im Sinne von ehrlicher Aufarbeitung und Reinigung mitzuwirken. So hat kein kirchlicher Amtsträger das Recht, Gläubige und überhaupt irgendwelche Menschen anzustiften, zu lügen oder etwa beim Verschwindenlassen von Beweismitteln mitzuwirken. Im guten Sinne unverfälschter katholischer Tradition gilt dies auch für Politiker, Beamte und Angestellte in öffentlichen Behörden welcher Art im Einzelnen auch immer. Kirchliche Missbrauchstäter und Politik bzw. öffentliches Leben waren und sind oft auch noch immer stark miteinander verbunden. Natürlich ist hier nicht alles über einen Kamm zu scheren.
Das Voranschreiten der Missbrauchsaufarbeitung in den USA und Australien scheint wirklich ermutigend zu sein. Auch in Belgien und Kanada ist schon Bemerkenswertes vorangegangen. Da könnten und sollten etwa die Europäische Union, die Bundesrepublik und der österreichische Staatsverband ruhig manches davon aufgreifen.
Dabei sind natürlich Tricksereien kirchlicher Einrichtungen, etwa in den USA unter Ausnutzung dortiger allgemeiner und großzügiger Rechtsnormen, in ein Konkursverfahren zu flüchten, dazu angetan, kirchliche Glaubwürdigkeit weiter zu beschädigen. Fromme oder frömmelnde Worthülsen und dergleichen können daran nichts ändern. So etwas ist nur insgesamt dazu angetan, die katholische Kirche im Besondern und das Christentum im Allgemeinen als unglaubwürdig bis völlig heuchlerisch in Verruf zu bringen. Gerade in westlichen Ländern hat Religion, hat religiöses Leben überhaupt einen schweren Stand. Die Säkularisierung ist oftmals weit vorangeschritten. Der Kollaps von nomineller Volkskirche läuft rapide inzwischen auch im offiziellen Amtsbereich der ihrerseits kompromittierten polnischen Bischofskonferenz. In sonst so unterschiedlichen Ländern wie dem gegenwärtigen Tschechien und den Niederlanden stellen die Konfessionslosen, auch Konfessionsfreie genannt, längst die absolute Mehrheit der Bevölkerung. Einen rapiden Anstieg erzielte diese Bevölkerungsgruppe in zurückliegenden Jahren sowohl in England und Wales wie in Schottland. Die Entkirchlichung war im Kernbereich Spaniens, gewissermaßen dem spanischen Spanien, schon Ende der siebziger Jahre weit vorangeschritten. Nicht so heftig schlug dieser Trend in Südkatalonien und dem südlichen Baskenland durch, die ihrerseits zum bestehenden Königreich Spanien gehören. Analog verhält es sich im französischen Staatsgebiet. Dort sind gerade auch die Bretagne und Elsass-Lothringen noch am ehesten kirchlich geprägt. Beachtung verdienen in diesem Zusammenhang auch das nördliche Baskenland, Nordkatalonien, Korsika sowie noch stärker italienisch bzw. savoyisch und flämisch geprägte Gebiete.
Wie in Kanada, so wurde auch im französischen Staatsgebiet mit der Zusammenlegung nicht nur von Pfarreien, sondern sogar von Diözesen, von Bistümern begonnen. Dabei schreitet offensichtlich die Aufarbeitung und Ahndung inner- wie außerkirchlichen Missbrauchs auch in dem von der EU anerkannten französischen Staatsgebiet voran. Mancher Einzeltäter und manche Tätergruppe dürften dort wie anderswo unangenehm überrascht sein.
In den USA kommen auf eine Person, welche sich der katholischen Kirche anschließt, inzwischen mehr als acht Personen, welche sie verlassen. Genauer sollen es sich hierbei um 8,4 Personen handeln, welche sich so grundsätzlich von der katholischen Kirche distanzieren. Der Anteil der „Nones“ als Menschen, die sich in den USA als religionsungebunden, konfessionslos oder konfessionsfrei einstufen, stieg bereits deutlich an. Dies gilt beispielsweise auch heftig für Argentinien und damit dem Herkunftsland von Papst Franziskus. Dies wurde schon während seines Pontifikates unbestritten von Medien vermerkt.

Die Lage ist also allein in dieser Hinsicht sehr ernst. Sich in einer dogmatischen Position zu verschanzen, wonach es keinen Kirchenaustritt, sondern nur einen Eintritt in die Kirche gäbe, ist da keine Lösung. Der Spruch „Semel catholicus, semper catholicus“, zu Deutsch „Einmal katholisch, immer katholisch“, mag zwar markig klingen. Er ändert aber nichts an sehr deutlichen Trends und drastischen Tatsachen. Man kommt da sehr leicht zu dogmatischen Postulaten und pastoralen Wunschvorstellungen, welche mit den empirischen Gegebenheiten vor Ort wenig bis nichts zu tun haben.
Dabei wirkt sich der Grundsatz „Semel catholicus, semper catholicus – Einmal katholisch, immer katholisch“ auch sehr im katholischen Eherecht aus. In diesem Sinne lautet Canon/Kanon 1124 des jetzigen CICs:

„Die Eheschließung zwischen Getauften, von denen der eine in der katholischen Kirche getauft oder nach der Taufe in sie aufgenommen worden ist, der andere Partner aber einer Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft zugezählt wird, die nicht in voller Gemeinschaft mit der katholischen Kirche steht, ist ohne ausdrückliche Erlaubnis der zuständigen Autorität verboten.“

Eine Enttaufung oder irgendeine Art von Kirchenaustritt ist hier also nicht vorgesehen. Die Zahlenangaben in den päpstlichen Jahrbüchern kommen auf einer solchen Grundlage zustande. Da verwundert es dann wenig, wenn solche Zahlenangaben dann sehr im Widerspruch zu den Ergebnissen von Volkszählungen, empirischen Studien, Aussagen von Mitgliedern und Mitarbeitern örtlicher Bischofskonferenzen und dergleichen stehen.
In dieselbe Richtung weist auch sehr deutlich CIC-Canon/Kanon 1086 Paragraph 1:

„Ungültig ist eine Ehe zwischen zwei Personen, von denen eine in der katholischen Kirche getauft oder in sie aufgenommen wurde, die andere aber ungetauft ist.“

Also wird auch hier davon ausgegangen, dass niemand die katholische Kirche verlässt. Nach diesem Konzept kommt jemand, bildhaft gesprochen, in die katholische Kirche hinein, aber nicht mehr aus ihr hinaus. Daran ändert sich diesem Konzept zufolge auch nichts, wenn derjenige, welcher sich inzwischen einer anderen Konfession oder nichtchristlichen Religion angeschlossen hat, dort selber inzwischen zu einem religiösen Amtsträger berufen wurde bzw. in ein betreffendes religiöses Amt wie auch immer gekommen ist.
Betreffende Stellen im Kirchenrecht mögen überraschen. Sie können auch mit Erheiterung oder Verärgerung aufgenommen werden. Solche Positionierungen sollten aber doch bekannt sein. Von einer Bereinigung von Missverständnissen aus lässt sich ehrlicher Dialog führen. Man kann dann auch eher Diskussionsbeiträge in Richtung etwaiger Änderungen formulieren und einbringen.
Immerhin haben nach dem geltenden (offiziellen) Kirchenrecht doch alle Gläubigen bzw. irgendwie vorhandenen Mitglieder der katholischen Kirche auch das Recht, ihre Wünsche, Anregungen und Beschwerden vorzubringen. Ein kirchlicher Amtsträger oder eine kirchliche Behörde muss dazu nicht um Erlaubnis gefragt werden. Dies gilt gerade von einem bewusst katholisch-traditionellen Standpunkt aus.

 

 

 

Gedanken zur Woche 273, Dr. Matthias Martin
DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2025)

Dem DREIFALTIGKEITTSSONNTAG kommt in jedem Jahr eine zentrale Bedeutung zu. Dies gilt, egal ob man vom jeweiligen Kirchenjahr oder vom jeweiligen Kalenderjahr ausgeht.
In diesem Jahr kommt dem Hochfest vom DREIFALTIGKEITSSONNTAG aber erst recht eine besondere Bedeutung zu. Immerhin wird in diesem Kalenderjahr 2025 das 1700-jährige Jubiläum des ersten allgemeinen Konzils von Nicäa begangen.
Bei dieser so wichtigen Kirchenversammlung am Westrand des asiatischen Kontinents ging es gerade um das, was auf Deutsch gerne die Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit oder auch die Trinitätstheologie genannt wird.
Ganz besonders konzentrierte sich die Diskussion auf das Verhältnis von GOTT VATER und JESUS CHRISTUS/CHRISTUS zueinander. Anders gesagt, es ging fokussiert gerade um die Beziehung von erster göttlicher Person und zweiter göttlicher Person zueinander. Stehen sie genau auf einer Ebene und sind damit gleichen Wesens? Oder stehen sie als göttliche Wesen in einem gewissen Unterordnungsverhältnis, so dass die zweite göttliche Person nicht das gleiche Wesen wie die auf die ihre Weise (etwas) ranghöhere erste göttliche Person besäße. Dabei ist zu bedenken und gegen alle Unterstellungen und Verzerrungen zu verteidigen, dass eben auch für Arius und damit den Namensgeber des vermeintlichen wie tatsächlichen Arianismus Christus ein göttliches Wesen war. Christus wurde von authentischen Arianern als Weltenherrscher verehrt, durch den alles geworden ist. Offensichtlich erkannten auch Arius und seine Gefolgsleute und Schüler dieses in der nicänischen, in der im landläufigen Sinne trinitarisch orientierten Christenheit übliche Verständnis durchaus an. Dieses leitete sich gerade vom Prolog des Johannesevangeliums her. Betreffende Christusdarstellungen konnten von Arianer, wie von Nicäa-Anhängern verwendet werden. Allein deswegen lohnt ein Blick auf die Kirchenmosaiken von Ravenna und ihre eigene bemerkenswerte Geschichte (siehe Gedanken zur Woche 173-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). In seinem Sinne konnte auch Arius erklären, die Dreifaltigkeit zu bekennen. Sein Verständnis war aber bei genauerer Betrachtung ein anderes, als es das Glaubensbekenntnis von Nicäa ausdrückte.

In diesem Sinne war das Verhalten des damaligen römischen Alleinherrschers Konstantin nicht überraschend und vor allem in einem praktischen, realpolitischen Sinne nachvollziehbar. Nach und nach hatte er die Macht im ganzen Römischen Reich erobert. Zunächst hatte er den konkurrierenden Herrscher über den anderen Teil der westlichen Reichshälfte ausgeschaltet. Höhepunkt dieser spezifischen Auseinandersetzung war die berühmte Schlacht an der Milvischen Brücke. Diese ging nicht zuletzt auch in die bildende Kunst und damit auf eigene Weise in die Kunstgeschichte ein. Bei dieser Schlacht fand der bisherige Herrscher der Stadt Rom und anderer Teile der westlichen Hälfte des Römischen Reiches, Maxentius den Tod. Dieser war offensichtlich kein Christenverfolger (siehe Gedanken zur Woche 145-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2023)).
Bei dem in seinem Jahre lang vorhandenen Herrschaftsgebiet bestehenden innerchristlichen Auseinandersetzungen hat er vielleicht tatsächlich die führende kirchliche Stellung des Bischofs von Rom anerkannt und mit ihm konstruktiv bis sehr respektsvoll zusammengearbeitet. Innerchristliche Auseinandersetzungen bis hin zu Spaltungen begegnen uns doch schon im Neuen/Zweiten Testament. Selbst ein Blick in die ganz kurzen kanonischen Schriften des Judasbriefes, des Zweiten und des Dritten Johannesbriefes verdeutlichen dies. Auf der anderen Seite macht es sich für einen Herrscher mit imperialen Ansprüchen gut, wenn er da anstelle als ein Christenverfolger nun als religionspolitischer Friedensstifter auftrat. Die historische Interpretation kann so weit gehen, Maxentius als Förderer der Position des römischen Bischofs und einen Wegbereiter des Aufstiegs des Papsttums zu sehen. Unterschiedlichen Auslegungen, Spekulationen und Interpretationen steht auch hier ein weites Feld offen. Auf jeden Fall sollte man sich in Hinblick auf die lange Zeit so intensive Konstantin-Verherrlichung und die oftmalige Verteufelung des unterlegenen Maxentius ins Bewusstsein rufen: „Der Sieger schreibt die Geschichte“.
Der Sieger hieß bei dieser Auseinandersetzung Konstantin, und Maxentius war der Verlierer. Offensichtlich nahm bis zu seinem Lebensende Konstantin, oft genannt „der Große“, auch aktiv die überlieferte Funktion des „Pontifex Maximus“, also des obersten Priesters der überlieferten römischen Reichsreligion wahr. Derartiges konnte nur helfen, seine Position als Herrscher zu festigen und zu sichern.
Ihm ging es letztlich darum, das gesamte Römische Reich unter seine Kontrolle zu bekommen. Dazu besiegte er auch seinen vorübergehenden Bundesgenossen Licinius (siehe allgemein Gedanken zur Woche 236-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Zunächst hatten sich Konstantin und Licinius die Herrschaft in der Gesamtheit des Römischen Reiches dahingehend geteilt, dass Konstantin den Westen und Licinius den Osten regierte. Den solchermaßen besiegten Licinius ließ Konstantin später hinrichten.
Alle, die sich mit römischer Geschichte beschäftigt haben, kann dies an das Erste Triumvirat zwischen Pompeius, Crassus und eben Caesar erinnern. Nach dem Tod des Crassus im Kampf gegen die Parther eskalierte die Konkurrenzsituation zwischen Caesar und Pompeius. Dieser verlor die militärische Auseinandersetzung und alsbald auch sein Leben.
Man mag sich da auch an das Zweite Triumvirat zwischen Marcus Antonius, Lepidus und Octavian, den späteren Augustus erinnern. Lepidus wurde nach einiger Zeit durch Octavian und seine Gefolgschaft ausmanövriert. Marcus Antonius verlor seine militärische Auseinandersetzung und letztlich auch sein Leben. Er soll Selbstmord begangen haben.
Ähnlich ging es auch später im Römischen Reich zu. Der Aufstieg Konstantins, oft genannt „der Große“, ist dafür ein eindrucksvolles und warnendes Beispiel. Als Herrscher ließ er auch Familienangehörige bis hin zur jeweiligen offiziellen Ehefrau und einen Sohn hinrichten (siehe allgemein Gedanken zur Woche 85-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur 189-b – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Auch später ging es in seiner Dynastie ziemlich brutal zu (siehe allgemein Gedanken zur Woche 233-b - 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Umso weniger sollte gerade von christlicher Seite die sog. Konstantinische Wende einseitig glorifiziert werden. Eine Mahnung sollten nicht die Auseinandersetzungen zwischen den überlebenden Söhnen Konstantins sein. Zwischen diesen herrschte keineswegs nette brüderliche Eintracht. Vielmehr herrschte offene Rivalität. Aus dieser ging Constantius/Konstantius II. als Sieger und Alleinherrscher hervor. Er scheute sich auch nicht, auch Familienangehörige liquidieren zu lassen. Eigens stellte er sich ganz offen und energisch gegen das auf dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 verabschiedete trinitarische Glaubensbekenntnis (siehe Gedanken zur Woche 145-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2023)).
Dabei hatte sich schon Konstantin in Abkehr vom Glaubensbekenntniss von Nicäa zusehends dem Arianismus zugewandt. Schließlich ließ er sich unbestrittenermaßen auf dem Sterbebett von einem arianischen und nicht von einem nicäatreuen Geistlichen taufen (siehe ebd.; Gedanken zur Woche 66-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2021); Gedanken zur Woche 85-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 127-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Die Ergebnisse seiner bemerkenswerten und zunächst erfolgreichen Reichsreform des Römischen Reiches gingen dann gerade als Folge innerrömischer Auseinandersetzungen bis hin zu bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen augenscheinlich im Westen verloren. Gegen den Grundgedanken seiner eigenen Reichsreform hatte der einst das erste allgemeine Konzil nach Nicäa rufende Konstantin selber verstoßen. Er hatte ja sein Reich zwischen seinen drei noch lebenden Söhnen aufgeteilt. Erst einmal gab es also nicht einen Kaiser mit vier Reichspräfekten, zwei Heermeistern, zwei Stadtpräfekten für Konstantinopel und Rom, Ministern, Leitern der Reichsdiözesen und Provinzen unter ihm. Es war erst einmal die kaiserliche Herrschaft geteilt, bis sich der stramm arianische Constantius/Konstantius II. durchsetzte.
Später rangen dann gerade im westlichen Reichsteil unterschiedliche Kaiser, Gegenkaiser bzw. Usurpatoren miteinander. Interessengruppen im römischen Senat und Heer sowie in verschiedenen Städten spielten ihre eigene Rolle.

 

1. Lesung: Spr 8,22-31
2. Lesung: Röm 5,1-5
Evangelium: Joh 16,12-15

 

 

Gedanken zur Woche 273-b, Dr. Matthias Martin
11. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2025)

Beim HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRSTI, anders gesagt dem Fest I. Klasse von FRONLEICHNAM, haben wir die interessante Lage vor uns, dass hier zum einen ein Kernelement, ein Wesensbestandteil katholischer Glaubens- und Sittenlehre bezeugt wird, und zum anderen ein kulturelles Erbe und gemeinschaftliche Verhaltensmuster gepflegt werden, welche über konfessionelle Grenzen hinweg auf Interesse stoßen. Ja das Hochfest von FRONLEICHNAM, vom LEIB UND BLUT CHRISTI findet auch außerhalb des Christentums wohlwollende Aufmerksamkeit.
So haben noch recht traditionelle katholische Fronleichnamsprozessionen Angehörigen nichtchristlicher Religionsgemeinschaften Anregungen vermittelt, wie man bei sich selber Prozessionen gestalten und durchführen kann. Bemerkenswert sind auch positive Rückmeldungen aus dem so vielfältigen Gesamtbereich des „Protestantismus“, gerade aus dem mehr oder minder lutherisch-hochkirchlichen Milieu.
Die in Zusammenhang mit FRONLEICHNAM geschaffenen Texte, Musikstücke, Textilien und mehr oder minder metallenen Kunstwerke stellen für sich ja bemerkenswerte Elemente des kulturellen Erbes der Menschheit dar. Wesentliche Texte für das Fronleichnamsfest einschließlich des Hymnus „Adoro te devote“ hat der große dominikanische Kirchenlehrer Thomas von Aquin verfasst.
Es sollte wieder mehr dem Vergessen entrissen werden, dass es eine Frau war, welche den Anstoß zur Einführung des HOCHFESTES VON FRONLEICHNAM gab. Das war eben die heilige Juliana von Lüttich, auch genannt von Kornelienberg (siehe Gedanken zur Woche 13-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2020) und Gedanken zur Woche 167-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2023)). Wichtige Unterstützung erhielt sie dabei von einer anderen Frau. Dies war die selige Eva von Lüttich (siehe ebd.). Damit verdeutlicht dieses Hochfest eigens, welch bedeutende Stellung Frauen in den Zeiten des Mittelalters in katholisch dominierten Gebieten gewinnen konnten. Generell mögen dazu einfallen deutsche Reichsäbtissinnen, bedeutende Äbtissinnen in den christlichen Königreichen der Iberischen Halbinsel, Ordens- und Klostergründerinnen. Klangvolle Namen wie die der heiligen Margareta von Schottland, der heiligen Mathilde, der heiligen Kaiserinnen Adelheid und Kunigunde und Johanna von Orléans mögen eigens in den Sinn kommen. Auch eine selige Margaret Pole aus dem von manchem noch dem Mittelalter zugerechneten 16. Jahrhundert verdient Beachtung. Sie verkörpert auf eigene Weise die Verbindung von persönlicher Glaubensstärke, politischer Standfestigkeit und breiterer gesellschaftlicher Ausstrahlung. Ihre eigene Bedeutung hatten mutige Frauen sowohl bei vortridentinischen Reformbestrebungen in der katholischen Kirche wie dann in jener Zeit, welche sowohl die Zeit der Gegenreformation als auch die Zeit der katholischen Erneuerung oder kurz die katholische Erneuerung genannt wird.
Jede dieser hier genannten Frauen und natürlich noch unzählige andere verdienten es, (wieder) stärker in den Blick genommen zu werden.
Parallel dazu ist es gut und wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass gerade im katholischen Eherecht wie im Strafrecht Frau und Mann einander gleichberechtigt sind. Natürlich ist Papier geduldig, und die schönsten geschriebenen und gesprochenen Formulierungen helfen wenig, wenn sie nicht umgesetzt werden. Das ist in Zeiten der so weit verbreiteten Sympathie mit Tätern und Feindseligkeit gegenüber Opfern im kirchlichen Bereich eine bedrängende Tatsache.
Was Kirchenmänner Schreckliches anrichten können, kommt jetzt allmählich auch bezüglich eines Julius Döpfner definitiv ans Licht. Dabei geht es da nicht nur um das eh so umfangreiche wie furchtbare Feld des sexuellen Missbrauchs. Auch wirtschaftlich-finanzielles Fehlverhalten ist da endlich intensiv in den Blick zu nehmen und nach Möglichkeit aufzuarbeiten. Ich erinnere mich, wie bereits während meiner eigenen Schulzeit in Döpfners ursprünglichem Bistum Würzburg über etwaige materielle Zuwendungen an die Vertreter ärmerer Ortskirchen durch jemanden wie Döpfner und dafür erwartetes bzw. geleistetes Wohlverhalten gesprochen wurde. Wie weit liegen bzw. lagen hier Fälle von Simonie, von Bestechlichkeit im kirchlichen Amt vor? Aktive und passive Bestechlichkeit wurden ja wohl nicht umsonst in der Reform des kirchlichen Strafrechts durch Papst Franziskus berücksichtigt.
Immerhin wird in Paragraph 1 von Canon/Kanon 1377 des CIC in seiner durch Papst Franziskus reformierten Fassung festgehalten:

„Wer irgendetwas schenkt oder verspricht, damit jemand, der ein Amt oder eine Aufgabe in der Kirche ausübt, etwas unrechtmäßig tut oder unterlässt, soll nach der Vorschrift des can. 1336 §§ 2-4 mit einer gerechten Strafe belegt werden; ebenso soll, wer diese Geschenke oder Versprechen nimmt, bei der Verpflichtung, den Schaden wiedergutzumachen, nach der Schwere der Straftat bestraft werden, die Amtsenthebung nicht ausgenommen.“

Bei dem ausdrücklich angeführten Canon/Kanon 1336 geht es in seiner jetzigen Form um Sühnestrafen (siehe Gedanken zur Woche 234-b – 24. WOCHE IM JAHREKSREIS (2024)).
Die Aufarbeitung des ganzen Geflechtes von finanziellen Versprechungen, Vorteilsannahme, unlauterer Begünstigung und dergleichen sollte wie das Geflecht von sexuellem Missbrauch und betreffender Vertuschung und Diskreditierung von Opfern endlich intensiv im kirchlichen Bereich angegangen werden. Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen und Hasstiraden gegen diese zu verbreiten, sollte man sich unangenehmer Wahrheiten im Inneren der Kirche stellen. Es war schon auffällig, wie sehr seitens der Anhängerschaft des jetzigen Erzbischofs von München-Freising und damit aktuellen Nachfolgers des immer mehr entlarvten Julius Kardinal Döpfner, Reinhard Kardinal Marx, zur Papstwahl recht unverhohlen finanziell „argumentiert“ wurde. Welche Gespräche haben da vielleicht hinter den Kulissen stattgefunden? Eine ehrliche Aufarbeitung bei so einer Angelegenheit zu wünschen wird ja wohl keine Sünde sein.

Natürlich stellt sich dazu die Frage, inwieweit bei betont missbrauchsfreundlichen Bischöfen einschließlich solchen im Kardinalsrang und ihren klerikalen Schützlingen überhaupt so etwas wie eine gültige Weiheintention in betreffenden Fällen vorlag? Ging es da nicht vielleicht doch oftmals um das Ausleben eines eigenen sexuellen Sadismus, verbunden mit dem Wunsch, Gesinnungsfreunde möglichst umfassend in Kirchenämtern unterzubringen? Da gegen die Schützlinge, Vertrauenspersonen von so abschreckenden und eben zusehends auch kirchenamtlich entlarvten Pro-Missbrauchskardinälen wie Bernard Alfrink, Karl Lehmann, Joachim Meissner, Julius Döpfner und so fort wie auch betreffender Bischöfe bisher nicht vorgegangen wurde, ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass die bösen Gewächse im Inneren der Kirche weiterwuchern.
Dabei ist zu bedenken, dass es für Weiheanfechtungen laut Kirchenrecht keine Verjährung gibt!
So heißt es sehr deutlich in Canon/Kanon 1492 Paragraph 1 des jetzigen CIC:

„Jeder Klageanspruch erlischt durch Verjährung nach Maßgabe des Rechtes oder auf andere rechtmäßige Weise, ausgenommen Personenstandsklagen, die niemals erlöschen.“

Weihenichtigkeitsprozesse gehören zu den Personenstandsverfahren. Bereits in Punkt 1 des Paragraphen 1 von Canon/Kanon 1425 werden die Verfahren bezüglich Gültigkeit der Weihe und der Ehe gemeinsam genannt (siehe Gedanken zur Woche 255 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)).
Abgerundet wird dies in Hinblick auf die fortdauernde Möglichkeit der Einrede im katholischen Prozesswesen durch den anschließenden Paragraphen 2 des Canons/Kanons 1492:

„Unbeschadet des can 1462 kann eine Einrede immer vorgebracht werden und besitzt ihrer Natur nach dauernden Charakter.“

In der Gesamtheit des angeführten CIC-Canon/Kanon 1462 wird zugesichert, dass prozessausschließende Einreden vor der Streitfestlegung für einen kirchlichen Prozesses wie auch später eingebracht werden können.
Die Gültigkeit betreffender Weihen anzufechten ist im kodikarischen Kirchenrecht ausdrücklich vorgesehen. So sichert Canon/Kanon 1643 des CIC zu:

„Niemals erwachsen in Rechtskraft Personenstandsverfahren, einschließlich der Verfahren zur Trennung der Ehegatten.“

 

 

 

Gedanken zur Woche 272, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von PFINGSTEN (2025)

Die weltweit so beachtete Wahl von Robert Prevost zum neuen Papst hat offensichtlich erneutes Interesse am kirchlichen Leben und an der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche hervorgerufen. Hier und dort blickt man aufmerksam auf seine Aussagen und Handlungen seit seiner Wahl zum Papst mit dem Namen Leo XIV. Ebenso analysiert und kommentiert man seine Aussagen und Handlungen vor dieser Papstwahl.
Es bleibt zu hoffen, dass dies auch die Teilnahme an Gottesdiensten und anderen Akten kirchlichen Lebens fördert.
So ist ja PFINGSTEN ausdrücklich ein Hochfest. Es ist zum einen das HOCHFEST des Heiligen Geistes als der dritten göttlichen Person in der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Zum anderen gilt PFINGSTEN sehr oft als der Geburtstag der Kirche und auch als Beginn der Weltmission (siehe Gedanken zur Woche 23 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 61 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2021); Gedanken zur Woche 115 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2022); Gedanken zur Woche 166 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2023) und Gedanken zur Woche 217 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2024)).
Damit gehört PFINGSTEN wie WEIHNACHTEN und OSTERN zu den höchsten Festen der Christenheit. Tatsächlich aber erfreut sich PFINGSTEN irgendwie wesentlich geringerer Beliebtheit als diese beiden anderen Hochfeste. Es spielt im allgemeinen gesellschaftlichen und im kulturellen Leben eine viel kleinere Rolle (siehe eigens Gedanken zur Woche 12 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2020)).
Da bleibt zu hoffen, dass umso mehr viele Menschen zum diesjährigen Pfingstfest mit offenem Herzen und einem wachen Geist eilen werden. Die Kirchentüren stehen in diesem Sinne wirklich offen.
Darüber hinaus darf die Annahme des Papstnamens Leo XIV. auch als Anregung aufgegriffen werden, sich mit Interesse früheren Päpsten mit diesem Namen zuzuwenden. Dies ist in populären Medien zumindest ansatzweise bezüglich des von 1878 bis 1903 amtierenden Leos XIII. geschehen. Immer wieder wurde insbesondere seine tatsächlich so bedeutsame Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ erwähnt. Aber dieses fünfundzwanzigjährige Pontifikat brachte natürlich im guten Sinne noch viel mehr hervor. Mag der eine Leo XIII. als den großen Diplomaten sehen, der in Zusammenarbeit mit einem evangelischen Christen wie Otto von Bismarck für Entspannung und Frieden arbeitete, so mag ein anderer Leo XIII. gerade als Förderer der Herz-Jesu-Verehrung, der Marienverehrung und des Rosenkranzes sehen. In den Bereich der Politik mit einer Förderung von Selbstbestimmung anhand der schottischen Nation wie auch in den mehr innertheologischen Bereich weist eine so aussagekräftige Enzyklika wie „Caritatis Studium“ (siehe
https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_25071898_caritatis-studium.html und Gedanken zur Woche 242-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). „Affari vos“ steht einerseits sowohl für eine positive Haltung der Kirche zu Bildung und Unterricht und verdeutlicht andererseits die kritische Stellung gegenüber dem britischen Empire und überhaupt britischer Herrschaft (siehe ebd. und https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_08121897_affari-vos.html).

Vielfältige Anregungen und Rückschlüsse für unsere heutige Zeit und den persönlichen Einsatz als Christin und als Christ lassen sich da gewinnen. Genauso lassen sich aber auch die schon vor Leo XIII. mit diesem Namen wirkenden Päpste betrachten. Auch hier kann man immer wieder Interessantes entdecken.
Das gilt gerade auch für Papst Leo XII. mit seinem Pontifikat von 1823 bis 1829. Geboren als Annibale della Genga entwickelte er auf seinem Lebensweg eine intensive Beziehung mit dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, dem Ersten Deutschen Reich und seinen gerade unter auswärtigen Einflüssen auseinanderstrebenden Territorien. Hier wurde er beizeiten selber Opfer der mit der Französischen Revolution wieder eskalierenden französischen Expansionspolitik. Seinen rechtmäßigen Nuntiatursitz in Köln konnte er wegen der französischen Besatzung nicht beziehen. Später dann zeigte ihm gegenüber Napoleon ein feindseliges Verhalten. Offensichtlich waren die Charakterstärke und der Diensteifer des späteren Papstes dem Gewaltherrscher aus Korsika unangenehm aufgefallen. Besonders oft übersehen wird der Einsatz des späteren Leos XII. schon vor seiner Wahl zum Papst für die Förderung von so etwas wie Volksbildung. Seine eigenen hervorragenden Deutschkenntnisse nutze er auch als Papst. Dies geschah beispielsweise, als es darum ging, die gemäßigten Angehörigen der Richtung der Manharter oder Hagleitnerianer wieder in das volle kirchliche Leben zu integrieren
Als Papst dann setzte er sich tatsächlich gerade für die Verbesserung des Schul- und des Universitätswesens ein. Überhaupt waren ihm Bildungseinrichtungen ein großes Anliegen. Eigens förderte er die vatikanische Bibliothek und verband dies mit einem eigenen künstlerisch-kulturellen Akzent. Sein Engagement erstreckte sich bis hin zu eigenen Gesellschaften bzw. Akademien des künstlerischen und wissenschaftlichen Lebens. Anerkennend wird in dem Werk „Einführung in die kirchenrechtliche Methode“ von Georg May und Anna Egler auf seine Konstitution „Quod divina sapientia“ zur Förderung des Studiums des Kirchenrechts hingewiesen. Dabei hatte Papst Leo XII. eigens das Gebiet des Kirchenstaates im Blick.
Damit verdeutlichte er beharrlich, dass es um ein gutes Verhältnis von Glauben und Vernunft, von Bildung, Wissenschaft und Kirche gehen sollte. Fideistische oder nur Emotionen betonende Engführung war Leo XII. offensichtlich fremd. Dabei war er nämlich auch sehr um die Verlebendigung des religiösen Lebens wie der angewandten Nächstenliebe bemüht. Dazu diente eigens das Heilige Jahr 1825. Wie überliefert wird, schritt er selber den betreffenden Prozessionen barfuß voran. Eigens setzte er sich für die Stärkung des Ordenswesens ein. Dieses befand sich nach dem Sturz Napoleons bereits in einer Phase des Wiederaufstiegs und der Erneuerung.

Zugleich stellte sich Leo XII. energisch Angriffen auf den Kirchenstaat, welche oft Hand in Hand mit italienisch-nationalistischen Umtrieben gingen, entgegen. Dafür wurde er durch eine so effiziente wie rücksichtslose feindliche Propaganda ziemlich niedergemacht. Wenn man sich heutzutage aber vergegenwärtigt, wie aus dem italienischen Nationalismus des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts ein Benito Mussolini, ein Vorbild Adolf Hitlers, erwuchs (siehe Gedanken zur Woche 80-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 156-b - 4. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESMUTTER MARIA (2023), so mag man Papst Leo XII. gegenüber diesbezüglich eigene Dankbarkeit empfinden. Leo XII. stand ein für die Verteidigung der verschiedenen Sprachen und Staaten auf der Apenninenhalbinsel, auf Sardinien und Sizilien und in Padanien (siehe Gedanken zur Woche 30 – 27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 71-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 150-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 173-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).

Verteidigte Papst Leo XII. auf seine Weise das Existenzrecht bestehender Völker, sprachlich-kultureller Gemeinschaften und über den eigenen Kirchenstaat hinaus auch von Staaten, so wirkte er auch aufgeschlossen für die diplomatische Anerkennung von Staaten, die erst kürzlich ihre Unabhängigkeit erlangt hatten, und er entwickelte nach Möglichkeit eine freundliche Zusammenarbeit mit ihnen. Dies zeigte sich in den Weiten Mittel- und Südamerikas, wo eben erst das spanische und das portugiesische und im Falle Haitis das französische Kolonialjoch abgeschüttelt worden war.

 

1. Lesung: Apg 2,1-11
2. Lesung: 1 Kor 12,3b-7.12-13 oder Röm 8,8-17
Evangelium: Joh 20,19-23 oder Joh 14,15-16.23b-26

 

 

Gedanken zur Woche 272-b, Dr. Matthias Martin
PFINGSTMONTAG und 10. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Gerade der PFINGSTMONTAG macht deutlich, wie sehr die verschiedenen Kirchen eigenen Rechts mit unterschiedlichen liturgischen Traditionen, theologische und spirituelle Überlieferungen gemeinsam die eine katholische Weltkirche bilden. So ist der PFINGSTMONTAG natürlich ein so wichtiger Bestandteil des Hochfestes, des Festes I./Erster Klasse von Pfingsten. Der in den jeweils ersten Konzilien von Nicäa (325) und Konstantinopel (381) durch das dort verabschiedete und dann gerade in Hinblick auf den Heiligen Geist ergänzte Glaubensbekenntnis ausgedrückte Glaube besagt ja, dass man an die eine Göttliche Dreifaltigkeit, die Dreieinigkeit von GOTT VATER, GOTT SOHN UND GOTT HEILIGEM GEIST glaubt. Diese drei göttlichen Personen werden als gleichen Wesens bzw. als wesenseins bekannt. Es wird ihnen derselbe oder gleiche Wesensstand zugesprochen. In Hinblick auf Macht, Herrlichkeit und Glorie werden sie gleichermaßen verehrt.
Allein schon von daher kommt dem Hochfest/Fest I. Klasse von PFINGSTEN diese enorme Bedeutung im Kirchenjahr zu. Als Hochfest des HEILIGEN GEISTES ist es eben das besondere Hochfest einer der drei wesensgleichen oder wesenseinen göttlichen Personen, die alle, bildhaft gesprochen, auf einer Ebene ohne Abstufungen stehen.
Damit des Guten nicht genug! PFIGNSTEN wird doch sehr oft auch als Geburtstag der Kirche und im Weiteren als Beginn der allgemeinen Mission, der Weltmission gesehen. So ist es umso folgerichtiger, dass dieses Hochfest mit dem PFINGSTMONTAG einen zweiten Tag des Feierns und der Freude, des Gottesdienstes und vielfältiger Begegnungsmöglichkeiten hat. In dieser Hinsicht steht das Hochfest von PFINGSTEN auf einer Ebene mit dem Hochfest von WEIHNACHTEN und dem von OSTERN.
Dabei wird an PFINGSTMONTAG infolge einer Initiative des auch sonst so eifrigen Marienverehrers Papst Franziskus eigens auch der Gedenktag MARIA, MUTTER DER KIRCHE gefeiert. Die Kirche wird ja gesehen als der vom Heiligen Geist belebte mystische Leib Christi. Kirche ist von ihrem Selbstverständnis her nicht einfach zu sehen als eine soziologische, philosophische, juristische oder etwa wirtschaftlich-finanzielle Größe. Die Beziehung zwischen Marialogie und Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit springt ihrerseits ins Auge. So ist ja Maria die irdische Mutter Jesu Christi, die Mutter Jesu von Nazarets. Einer ihrer Ehrentitel lautet „Braut des Heiligen Geistes“. Natürlich wird sie auch schlichtweg „Mutter Christi“ genannt. Weitere Ehrentitel sind beispielsweise „Mutter der göttlichen Gnade“, „Mutter des Schöpfers“ „Mutter des Erlösers“ und „Tempel des Heiligen Geistes“. Der trinitarische Bezug ist überdeutlich. Umso passender mag es erscheinen, den Gedenktag von MARIA, MUTTER DER KIRCHE über den PFINGSTMONTAG eigens so stark mit HOCHFEST VON PFINGSTEN zu verbinden.
Die Einheit der Weltkirche wird dabei sogar betont in der Mitteilung im Direktorium des Bistums, der Diözese St. Pölten 2024/2025:

„Mit Dekret vom 11. Februar 2018 (Prot. N. 10/18) hat das Dikasterium (früher Kongregation) für den Gottesdienst und die Sakramentenspendung die liturgische Feier der seligen Jungfrau Maria als Mutter der Kirche im Rang eines G im Römischen Generalkalender eingeführt.
Als Termin hierfür ist gesamtkirchlich der Pfingstmontag vorgesehen.“

Nicht nur vom rein liturgischen Standpunkt her lohnt es sich, diesen Mitteilungstext aufmerksam Wort für Wort durchzulesen. Da wird in Klammer ausdrücklich die Protokollnummer für das betreffende Dekret angegeben. Schon in meinem Studium an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Innsbruck wurde sehr betont, dass ein römisches Dokument ohne die betreffende Protokollnummer nicht nur nicht gültig sei, sondern überhaupt nicht existiere. Einmal fragte ich dort im Privatissimum/Oberseminar vorsichtig in Zusammenhang mit der damals beharrlichen und aggressiv vorgetragenen Behauptung, es läge auch ohne eine solche Protokollnummer ein gültiges und für alle Katholikinnen und Katholiken ohne jede Ausnahme verbindliches Dokument der römischen Kurie vor, in welcher Besucher von Gottesdiensten bei Priesterbruderschaft St. Pius X. mit der Exkommunikation bedroht würden, ob sich vielleicht etwas an dieser Notwendigkeit der Protokollnummer für römische Dokumente irgendetwas geändert habe. Der Assistent des Lehrstuhles für Kirchenrecht fragte mit zumindest Billigung des anwesenden Lehrstuhlinhabers zurück, ob ich in Zukunft gedächte, öfters oder immer solche überflüssigen Fragen zu stellen. Natürlich sei ein betreffendes Dokument ohne Protokollnummer auch weiterhin als nichtexistent zu betrachten. Von verschiedener Seite wurden von da an aber immerhin bestätigt, dass die Aggressivität und Beharrlichkeit, mit der von interessierter Seite diese angebliche Gültigkeit dieses gar nicht existierenden Dokumentes behauptet wurde, doch nahegelegt habe, für alle Fälle einmal bei wirklich kundiger Stelle nachzufragen. Es gibt ja das Sprichwort „Fragen schadet nicht“ und auch die Redensart „Lieber zu viel gefrag,als zu wenig“. Auf weltkirchlicher Ebene mussten alsbald betreffende Gegner der Priesterbruderschaft St. Pius X. ausdrücklich einräumen, dass dieses von ihnen einstweilen so heftig behauptete Dokument tatsächlich in keinster Weise existiere.
Die verbindliche Regelung mit der Protokollnummer für römische Dokumente hat also ihre gute Berechtigung und sollte nicht in Abrede gestellt werden. Ganz generell ist Katholkinnen und Katholiken, allen Menschen, die irgendwie mit der katholischen Kirche zu tun haben bzw. sich für sie interessieren, zu empfehlen, sich nicht so leicht etwas aufschwatzen zu lassen. Im Fall des Falles ist es beispielsweise überhaupt zweifelhaft, ob der jeweilige Papst in einer Privataudienz einem nicht allzu ranghohen Mitarbeiter seines diplomatischen Dienstes wirklich umstürzende Dinge mitgeteilt und ob diese angebliche Privataudienz überhaupt stattgefunden habe. Auch die angebliche mündliche Aussage des jeweils amtierenden Papstes nach einer Audienz beim Hinausgehen an einen Bischofskonferenzvorsitzenden darf grundsätzlich als kirchenrechtlich irrelevant angesehen werden. Mitunter muss die Tatsächlichkeit einer solchen Aussage sowieso in Zweifel gezogen werden. Auch entscheiden angebliche Privatoffenbarungen einer oder eines Heiligen nicht Kirchenrechtsfälle oder kirchliche Personalentscheidungen. Ebenso sind weder der Vorsitzende einer Regentenkonferenz, also der Konferenz von Leitern von Priesterseminarien, noch der Generalvikar einer Diözese für Bischofsernennungen zuständig. Von einer solchen Person gemachte Versprechungen bezüglich der Berufung ins Bischofsamt hätte man auch früher schon kühl distanziert begegnen können. Immer wieder kann ein Blick in das Kirchenrecht Unsicherheiten und die Ausnutzung von Gutgläubigkeit verhindern.
Hierzu ist nicht zuletzt das kirchliche Verfahrensrecht oder Prozessrecht sehr aufschlussreich, wie wir es im CIC finden. Für einen ganz normalen kirchlichen Prozess in erster Instanz muss es bereits immer wieder ein richterliches Dekret geben, das eigene Kriterien erfüllen muss. Ladungen müssen schriftlich formuliert und ordentlich zugestellt werden. Dasselbe gilt für Urteile. Der Richter bzw. das Richterkollegium haben ihr Urteil anhand von dem zu bilden, was sich tatsächlich in den Gerichtsakten findet. So lautet Paragraph 2 von 1608 des geltenden CIC in Hinblick auf die Urteilsfällung:

„Die Gewissheit muss der Richter dem entnehmen, was aufgrund der Gerichtsakten bewiesen ist.“

Dem Notar kommt in einem kirchlichen Gerichtsverfahren große Bedeutung zu. Er bzw. sie ist weit mehr als eine normale Schreibkraft. Der Notar an einem kirchlichen Gericht kann auch eine Frau sein.
Dann ist ja in der oben zitierten Mitteilung zu lesen vom „Dikasterium (früher Kongregation) für den Gottesdienst und die Sakramentenspendung“. Dies weist eigens auf die durch Papst Franziskus durchgeführte Reform der römischen oder päpstlichen Kurie hin. In der betreffenden Apostolischen Konstitution „Praedicate Evangelium“ vom 19. März 2022 (
https://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_constitutions/documents/20220319-costituzione-ap-praedicate-evangelium.html) wurde für bisherige Kongregationen die Bezeichnung Dikasterium bzw. Dikasterien eingeführt.

 

 

 

Gedanken zur Woche 271, Dr. Matthias Martin
7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)

Kaum gewählt, hat Papst Leo XIV. bereits eine Reihe bemerkenswerter Akzente gesetzt. So legte er ganz bewusst Wert darauf, nicht nur Oberhaupt der weltweiten katholischen Kirche, sondern eben auch und nicht zuletzt Bischof von Rom zu sein. Die historische Entwicklung des Papsttums lässt sich ja nicht vom Amt des Bischofs von Rom trennen. Gerade weil solches heutzutage sehr oft übersehen wird und in der öffentlichen Wahrnehmung verloren geht, ist es umso wichtiger, dies immer wieder nach besten Kräften ins Gedächtnis zu rücken. Wie schon sein unmittelbarer Vorgänger Papst Franziskus, so legt auch Papst Leo XIV. wieder Wert auf den Titel „Patriarch des Westens“. Dieser wird auf Deutsch manchmal auch mit „Patriarch des Abendlandes“ wiedergegeben. Ist dieser Titel, egal in welcher Wiedergabe, auch weniger in der Öffentlichkeit geläufig, so hat er doch seine eigene theologisch-kirchenrechtliche wie mehr kulturelle Bedeutung.
Mit solchem Erbe sollte nicht leichtfertig umgegangen werden. So betonten etwa frühe Päpste, dass den drei besonders alten Patriarchaten von Alexandrien, Antiochien und Rom eine herausragende Bedeutung zukomme. Erst deutlich später stieg in Zusammenhang mit der politischen bis militärischen Entwicklung Konstantinopel in den Rang eines vierten Patriarchates auf. Das im Jahre 451 tagende Konzil von Chalcedon erhob dann Jerusalem zum fünften Patriachat. Von daher ergab sich die „Pentarchie“ in der Großkirche mit eben fünf Patriarchaten.
In Zusammenhang mit der römischen Besatzungspolitik und den sich dagegen richtenden jüdischen Aufständen war ja Jerusalem vorher ganz zerstört worden. Dies geschah im Wesentlichen bereits mit der Niederwerfung des ersten jüdischen Aufstandes, als römische Truppen unter dem General und späteren Kaiser Titus Jerusalem eroberten. Es ist unter Persönlichkeiten, welche sich genauer mit diesen Vorgängen beschäftigen, inzwischen ziemlich unbestritten, dass die Darstellung von Flavius Josephus den einseitigen Versuch darstellt, Titus in einem allzu positiven Licht erscheinen zu lassen. Immerhin stand Josephus inzwischen dem flavischen Kaiserhaus so nahe, dass er die Namensform „Flavius“ sogar zum Bestandteil seines eigenen Namens gemacht hatte. Er befand sich als Überläufer, welcher sich zunächst selber am jüdischen Aufstand gegen die Römer beteiligt, dann aber erfolgreich die Seiten gewechselt hatte, in einem Klientelverhältnis eben zu diesem römischen Herrscherhaus der Flavier. Die so freundliche Darstellung des Titus gerade in Zusammenhang mit der Eroberung Jerusalems und auch der Zerstörung des dortigen Tempels ist offensichtlich ein bemerkenswerter Fall von Geschichtsklitterung.
Dass mit diesem ganz generell nicht zu spaßen war, ist ganz offenkundig. Der erste dieser Flavier, welcher römischer Kaiser wurde, hatte sich in Zusammenhang mit dem Sturz und Selbstmord des Nero in einem innerrömischen Bürgerkrieg gegen seine Konkurrenten durchgesetzt. Bei einem solchen Bürgerkrieg ging es um die Vernichtung des Gegners bzw. der Gegner. Bereits die Verfolgungsmaßnahmen des Sulla gegen seine römischen Gegner gelten für manche als Vorbilder für totalitäre Systeme des zwanzigsten Jahrhunderts (siehe Gedanken zur Woche 103 – 2. FASTENSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 233 – 23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Auch sonst war Vespasian als Begründer des flavischen Kaiserhauses sicher nicht zart besaitet. Sein Aufstieg in der römischen Armee macht dies deutlich. Nach der kurzen Herrschaft seines Sohnes und direkten Nachfolgers Titus übernahm dann mit Domitian der dritte und letzte Vertreter des flavischen Hauses die Herrschaft im Römischen Reich. Dieser tat sich durch eigene Grausamkeit nach innen und Aggression nach außen hervor. Mit seiner Herrschaft ist eigens die Verfolgung der Christen wie auch anderer Gruppen von Menschen verbunden.
Umgekehrt legten auch solche Herrscher Wert darauf, freundlich dargestellt zu werden. Wer sich in den Dienst einer solchen Imagepflege oder Politik stellte, konnte dafür stattlich entlohnt werden. Wie neuere Verfilmungen ins Bild setzten, schaffte es der Verräter an seinen einstigen Mitkämpfern und Landsleuten Josephus sogar, zu einem eigenen Nahverhältnis zu dieser siegreichen Dynastie der Flavier zu kommen. Gerade solcher Handlanger aus unterworfenen Völker bedienten sich Eroberer und Besatzer auch in späterer Zeit noch gerne. Passend dazu wird längst die reißerische Darstellung des Flavius Josephus über den (angeblichen) Massenselbstmord der Verteidiger von Masada und der bei ihnen aushaltenden Zivilisten längst massiv in Zweifel gezogen und bis hin mit sarkastischen Bemerkungen bedacht. Ein Satz über das Ende bei Masada wie „Die archäologischen Befunde lassen sich nicht spannungsfrei mit den Angaben des Josephus kombinieren“ ist da noch vergleichsweise zurückhaltend. Es drängt sich gerade in Hinblick auf die Darstellung des Endes jüdischer Widerstandskämpfer bei Masada der Verdacht, auf, dass diese von Flavius Josephus bewusst als blutrünstige Wüstlinge oder Psychopaten dargestellt wurden, welche angeblich systematisch sogar ihre eigenen Frauen und Kinder töteten bzw. töten ließen. Dass sich ein Überläufer wie (Flavius) Josephus von solchen vermeintlich enthemmten Gestalten distanzierte, indem er die Seiten in Richtung der Römer wechselte, sollte wohl als besonders verständlich erscheinen.
Immer wieder mag da der Satz einfallen „Der Sieger schreibt die Geschichte“ oder „Die Sieger schreiben die Geschichte“. Dies galt natürlich auch zu anderen Zeiten und gerade heutzutage verwenden Machthaber einschließlich mehr oder minder demokratisch gewählte Regierungen gern viel Geld, Drohungen und Versprechungen, auf dass sie möglichst positiv dargestellt werden.
Ein eigenes Phänomen stellt da die oströmisch-byzantinische Propaganda dar, in deren Dienst auch die jeweilige kaiserliche Kirchenpolitik gestellt wurde. Der in diesem Zusammenhang gerne als vorbildlicher „christliche“ Herrscher dargestellte Justinian I. etwa war ein brutaler Gewaltherrscher, der auch vor Genozid nicht zurückschreckte (siehe Gedanken zur Woche 71-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 81 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 106 – 5. FASTENSONNTAG (2022); Gedanken zur Woche 133 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 233-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).

Umso wichtiger ist natürlich, dass sich gerade in unserer Zeit Kirchenvertreter Machthabern entgegenstellen. Immerhin setzte der jetzt neugewählte Papst Leo XIV. schon als Kardinal Robert Prevost in diesem Sinne Akzente. Man mag ja über die Einzelheiten diskutieren. Es geht aber hierbei um eine grundsätzliche Herausforderung. Kirchenvertreter und gerade solche in Spitzenpositionen sollen den Mut haben, eben den Mächtigen ihrer Zeit entgegenzutreten. Dabei ist es eigens anzuerkennen, wie kritisch sich der jetzige US-Vizepräsident über den letzten Irakkrieg mit seinen eben nicht zuletzt europäischen Akteuren äußerte. Von seiner Kritik nahm er auch eigene US-Landsleute nicht aus. Manchem selbsternannten Superkatholiken, der sich damals als Kriegshetzer hervortat, hielt er da seinerseits den Spiegel vor. Es bleibt dem gegenwärtigen US-Vizepräsidenten eigens zu danken, dass er auch auf die üble Rolle europäischer Regime hinwies. In unseren Breiten wurde gerne übersehen und ansonsten verdrängt, dass sich eine ganze Reihe europäischer Staaten am Überfall auf den Irak und dessen erfolgende Teilung beteiligten. Insbesondere das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, kurz Großbritannien, und Polen spielten da eine so üble wie brutale Rolle. Die etwa von polnischer Seite für sich geforderte dauernde Kontrolle und Ausbeutung irakischer Ölfelder wäre ohne drastische „Bevölkerungsreduktion“ vor Ort gar nicht möglich gewesen. Nicht umsonst sprach man alsbald seitens der britischen Friedensbewegung als von sechs bis sieben Millionen irakischen Kriegsopfern! Wie schwerwiegend solches einzustufen ist, betonte eigens damals schon einer meiner kirchlichen Vorgesetzten. Das Blutbad an den Menschen im Irak war damals aber bei weitem noch nicht zu Ende.
Eine glaubwürdige Aufarbeitung auch in Form von Kriegsverbrecherprozessen und Entschädigungsleistungen steht noch aus. Die kritischen Aussagen von JD Vance und die Bereitschaft des jetzigen Papstes, sich kritisch gegenüber Machthabern zu äußern, bieten da immerhin interessante Anknüpfungspunkte.

 

1. Lesung: Apg 7,55-60
2. Lesung: Offb 22,12-14.16-17.20
Evangelium: Joh 17,20-26

 

 

 

Gedanken zur Woche 271-b, Dr. Matthias Martin
7. OSTERWOCHE (2025)

Es ist ja schon immerhin etwas, dass die Medien nach der Wahl von Papst Leo XIV. darauf hinwiesen, dass sein hauptsächliches Namensvorbild Papst Leo XIII. Verfasser der ersten Sozialenzyklika ist. Diese Enzyklika „Rerum Novarum“ gewann tatsächlich Anerkennung über die sichtbare katholische Kirche hinaus. Das Einfordern von sozialer Gerechtigkeit einschließlich menschenwürdige Löhne und der Möglichkeit für Arbeitnehmer, sich frei in Gewerkschaften zu organisieren in Verbindung mit dem Eintreten für eine Autonomie der Familien in ihrer Lebensgestaltung und Entscheidungsfreiräumen für die einzelnen Arbeitnehmer stieß auf Interesse eben auch außerhalb katholischer Kirchenmauern. Grundlage für diesen außerordentlichen Erfolg der Enzyklika war sicher, dass dort stark Wert auf eine naturrechtliche Argumentation gelegt wird. Nach katholischer Überzeugung kommt auch dem Naturrecht enorme Bedeutung zu. Ja, nach katholischem Verständnis gibt es zwei Quellen des göttlichen Rechts, des ius divinum. Die eine Quelle ist die positive Offenbarung, das ius divinum positivum. Die andere Quelle ist eben das Naturrecht, das ius divinum naturale.
Die traditionelle katholische Soziallehre legt eben über „Rerum Novarum“ hinaus stark Wert auf eine nicht bloß innertheologische Argumentation. Betont das Naturrecht ganz grundsätzlich die Menschenwürde unabhängig von Muttersprache, sozialem Stand, wirtschaftlichen Verhältnissen, ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe und so fort, so ist das Naturrecht und dieses betreffende Erkenntnisse auch Ausdruck der grundsätzlichen Vernunftbegabtheit des Menschen. Die menschliche Vernunft hatte in klassisch gewordener Weise der Kirchenlehrer und Dominikanermönch Thomas von Aquin herausgestellt. In diese Richtung wies auch sein Lehrer und Ordensmitbruder Albert der Deutsche, der ebenfalls als Kirchenlehrer anerkannt ist.
In seiner Enzyklika „Aeterni Patris“ vom 04. August 1879 (
https://www.stjosef.at/dokumente/aeterni_patris.htm und https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_04081879_aeterni-patris.html) hatte Leo XIII. zu Erneuerung und Pflege der christlichen Philosophie aufgerufen. Er betonte die Wichtigkeit der Scholastiker und besonders die des Thomas von Aquin. Ihn empfahl er aufs Wärmste. Auch sonst pflegte Leo XIII. eine am Naturrecht und überhaupt an so etwas wie an allgemeiner Vernunft orientierte Argumentation. Seine eher staats- oder gesellschaftstheoretischen Enzykliken „Diuturnum Illud“, kurz „Diuturnum“ (https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_29061881_diuturnum.html), „Immortale Dei“ (https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_01111885_immortale-dei.html) und „Libertas praestantissimum“ , kurz „Libertas“ (https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_20061888_libertas.html), können auch heutzutage noch zum Nachdenken und zu intensiven Gesprächen anregen.
Auf der Linie einer den engeren kirchlichen Bereich überschreitenden umfassenden Betonung vernünftiger Argumentation mit einem starken Akzent eben auf dem Naturrecht lagen auch andere Lehrschreiben und überhaupt Aktivitäten Papst Leos XIII. Dazu passte auch sein Eintreten für ein starkes und kompetentes katholisches Bildungswesen und die an Katholikinnen und Katholiken gerichtete Ermutigung, sich intellektuell und kulturell zu engagieren.
Umfassend und konsequent trat dieser Papst fideistischen Positionen einschließlich einem fundamentalistischen Biblizismus entgegen.
Dies zeigte sich auch in seiner Argumentation für eine berechtigte Selbstverwaltung der katholischen Kirche in der modernen Gesellschaft und gegenüber den jeweiligen staatlichen Systemen. Hier verzichtete er ausdrücklich auf so etwas wie klerikale oder papalistische Allmachtsphantasien. Dazu passt etwa die bemerkenswerte Zusammenarbeit Leos XIII. mit dem deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck (siehe Gedanken zur Woche 137-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 140 – 1. ADVENTSONNTAG (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 190-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Dieser war ja wie der Kaiser des kleindeutschen Reiches, Wilhelm I. ein bekennender protestantischer Christ.
Leo XIII. unterstützte die Lehre von der katholischen Kirche als einer Societas perfecta. Diese Lehre ist leider oft missverstanden bis bewusst böswillig verzerrt worden. Diese stark naturrechtlich und soziologisch orientierte Position besagt nämlich keineswegs, dass die Mitglieder der Kirche oder ihre geweihten Amtsträger oder zumindest Teile von diesen moralisch perfekt wären. Dies ist ganz und gar nicht gemeint. Wie das Konzil von Trient betonte, unterliegen auch kirchliche Amtsträger der Erbsünde. Auch ein Papst ist grundsätzlich als sündiger Mensch zu betrachten, der zur Beichte gehen soll und der Gnade Gottes bedarf. Schon gar nicht bedeutet die Lehre von der katholischen Kirche als einer Societas perfecta, dass es bei kirchlichen Straftätern zu keiner Strafverfolgung kommen sollte. Eine einseitige „Liebe zum Täter“ hat sich erst in etwa seit Ende der fünfziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts stärker in der Kirche verbreitet. Eine täterfreundliche Orientierung wurde dann gerade nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sehr oft zur innerkirchlichen Handlungsmaxime, nicht zuletzt in der Personalpolitik, gerade auch in deutschsprachigen Bistümern Mitteleuropas.
Die Lehre von der Societas perfecta betont vielmehr, dass die katholische Kirche als eine solchermaßen eben „vollkommene Gesellschaft“ über alle Mittel verfügt, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Ein Hineinregieren der weltlichen Macht, etwa in Gestalt von König und Adel, sei umso weniger gerechtfertigt. geht bei der Societas-perfecta-Lehre um die Verteidigung kirchlicher Eigenständigkeit. Die Verquickung von Königtum, Adel und kirchlichen Ämtern hatte tatsächlich etwa im französischen Machtbereich katastrophale Folgen für die Kirche (siehe Gedanken zur Woche 127-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 190 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Dabei hatten sich in klaren Worten eigens das Fünfte Laterankonzil und dann grundsätzlich auch das Konzil von Trient wie so manches päpstliche Dokument gegen solche Fehlentwicklungen und Missbräuche ausgesprochen.
Das Ius Publicum Ecclesiasticum vertrat in umfassender Form die Grundsatzposition, dass die katholische Kirche eine von staatskirchlichen Bedrückungen möglichst freie Societas perfecta sei. Bedeutende katholische Gelehrte wie Kardinal Alfredo Ottaviani (1890 bis 1979) wirkten für eine Aktualisierung und möglichst gute Ausformulierung der Lehre vom Ius publicum Ecclesiasticum bzw. der Societas perfecta. U. a. verfasste Ottaviani schon vor seiner Kardinalserhebung das zweibändige Werk „Institutiones Iuris Publici Ecclesiastici“. Von Felice Cavagnis (1841 bis 1906) stammte neben anderem das Lehrbuch „Institutiones Iuris Publici Ecclesiastici“. Auch dieser bedeutende Kirchenrechtler wurde mit der Berufung in das Kardinalskollegium ausgezeichnet.
Nirgends ging es hier darum, kirchliche Straftäter vor einer Strafverfolgung zu bewahren. Gerade Kardinal Ottaviani war als regelrechter moralisch-ethischer Rigorist bekannt. Seine Warnungen vor kirchlichen Fehlentwicklungen haben sich leider nur allzu bewahrheitet.
Umso mehr gilt es hier aufzuarbeiten.
Die eventuelle Auflösung ganzer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften hat in Zusammenhang mit Missbrauchsskandalen immerhin jetzt begonnen (siehe Gedanken zur Woche 268 – 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025) und Gedanken zur Woche 270 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)). Auch das innerkirchliche Strafrecht wurde immerhin schon etwas (wieder) verschärft (siehe Gedanken zur Woche 234-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 236 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 238-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 239 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024) und Gedanken zur Woche 267-b – 3. OSTERWOCHE (2025)). Hier wie dort sollte wohl noch ein Zahn zugelegt werden.
Medienberichte und eigene Untersuchungsberichte haben längst zutage gefördert, welche zielstrebige Politik Kardinäle wie Bernard Jan Alfrink, Karl Lehmann, Joachim Meisner und Julius Döpfner zugunsten von Missbrauchstätern und gegen deren Opfer verwirklicht haben. Ihr personalpolitischer Einfluss wurde von unterschiedlicher Seite beizeiten als gewaltig wahrgenommen. Dieser Einfluss ist daher als umso katastrophaler einzustufen. Wird dies nicht endlich hartnäckig und ehrlich ohne weiteres Schönreden und Entschuldigen angegangen, so werden diese Probleme noch über Generationen weiterwuchern. Es fragt sich schon jetzt, was von den von diesen Herren betroffenen Ortskirchen überhaupt noch übrigbleibt.

 

 

Gedanken zur Woche 270, Dr. Matthias Martin
6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)

Wenn man aufmerksam gerade amerikanische und in einem weiten, pluralistischen Sinne englischsprachige Medien verfolgt, so kam die Wahl von Kardinal Robert Prevost OSA zum Nachfolger des Apostels Petrus nicht ganz überraschend. Der Verfasser dieses Beitrages hatte selber in seiner Art Stammkneipe zur Mittagszeit am Tag der Wahl von Papst Leo XIV. gemeint, es wäre durchaus denkbar, dass dieser gebürtige US-Amerikaner, welcher lange Zeit in Peru und auch über Jahre als Generaloberer der Augustiner wirkte, zum Papst gewählt würde. Verbunden damit war vor Ort die Warnung, die Einstufung seitens österreichischer Medien des längst emeritierten früheren Erzbischofs von Wien und einstigen Vorsitzenden der österreichischen Bischofskonferenz, Christoph Kardinal Schönborn OP, als (vermeintlicher) Favorit bei der Papstwahl der Sache nach nicht allzu ernst zu nehmen.
Wie der weitere Gang der Dinge bestätigte, so waren derartige Schreibereien oder wie immer man so etwas bezeichnen will, eher Ausdruck lokalpatriotischen Wunschdenkens oder einfach eine auf einen Mangel an Faktenkenntnis und eigenem Nachdenken im Publikum abzielende Geschäftstaktik. Der weitere Gang der Ereignisse hat diese im guten Sinne kritische Einschätzung ja wohl klar und deutlich bestätigt. Gewisse Schreiberlinge wollen wohl nicht mehr an ihre kürzlich noch so deutlich geäußerten angeblichen „Expertenmeinungen“ erinnert werden. Das gilt auch in Hinblick auf den einigermaßen deutlichen Wahlkampf aus der Richtung des ja in verschiedener Hinsicht tatsächlich selber umstrittenen Erzbischofs von München-Freising, Reinhard Kardinal Marx. Offensichtlich hatte man in örtlichen bundesdeutschen und gerade bayerischen Medien samt dem einen oder anderen auf dieser Linie liegenden angeblichen „Vatikanexperten“ gedacht, gewisse Gegebenheiten handstreichartig herbeischreiben und herbeireden zu können. Wie auch bei manch anderem innerkirchlichen Wahlkampf und bei Wahlkämpfen im außerkirchlichen Bereich wurde da wohl versucht, einen Bandwagon-Effekt zu erzielen. Einen solchen Mitläufereffekt zu erzielen, hieße, dass sich bisher unentschlossene oder sogar mit anderen Kandidaten sympathisierende Wähler dem eigenen Wunschkandidaten anschlössen, weil man ihnen weisgemacht hätte, die Wahl sei eh schon so gut wie entschieden, natürlich im Sinne des eigenen, solchermaßen hochgejubelten Wunschkandidaten. Wer gehört denn schon gerne zu den vermeintlichen Verlierern? Dazu stünde bei so einem sehr kleinen und damit gut zu überschauenden Wählerkreis wie den wahlberechtigten Kardinälen zu befürchten, selber oder die eigene Ortskirche, Ordensgemeinschaft oder innerkirchliche Strömung bekäme gegebenenfalls die Rache des Siegers zu spüren. Dies gilt gerade in Hinblick auf eine Person wie dem früheren Vorsitzenden der bundesdeutschen Bischofskonferenz Reinhard Marx, dessen Wut- bis Hassausbrüche gefürchtet sind. Dabei ließ die zeitliche Abfolge der betreffenden medialen Vorstöße sogar den Begriff „Operation Feuerstoß“ in den Sinn kommen. Eine solche Operation ist in einem betreffenden Falle so etwas wie die terminlich zugespitzte Ausgabe des Versuches, einen Bandwagon-Effekt, einen Mitläufereffekt zu erzielen.
Unmittelbar bevor das eigentliche Konklave mit der Kappung der Kommunikation zur Außenwelt begann, wurde massiv besagter Kardinal Marx noch einmal als vermeintlicher Favorit präsentiert. Sollten etwa die wahlberechtigten Kardinäle mit einem solchermaßen provozierten oder konstruierten Eindruck in die Isolation des Konklaves gehen, wo sie eben nicht mehr für Gegendarstellungen und irgendwelche anderslautenden Einschätzungen aus der Weltkirche und internationalen Medien erreichbar wären? Wie es bei einer militärischen Aktion mit einer „Operation Feuerstoß“ angezielt ist, wären die gegnerischen Formationen durcheinander gebracht bis zerschlagen. Der Gegner kann sich nicht mehr rechtzeitig neu formieren und reorganisieren. Wohl nicht umsonst begegnet uns im Neuen/Zweiten Testament auch die Welt des Militärs einschließlich Kriegerisches in den Gleichnissen.
Dabei war die Erwartung, einen betreffenden bundesdeutschen Kardinal in die Favoritenposition hieven so können, schon etwas wagemutig oder naiv. Da mag wiederum die Feststellung des großen Schriftstellers Heinrich Heine in den Sinn kommen, dass die Deutschen im Reich der Träume regierten.
Schließlich hatten sowohl Kardinal Marx als auch der noch im Amt befindliche Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, Papst Franziskus infolge ihrer Verstrickungen in Missbrauchsskandale ihren jeweiligen Rücktritt anzubieten gehabt. Die gewaltige Finanzkraft etwa der Erzdiözese München-Freising hat auch gewiss kein Kirchenvertreter wie der dortige Erzbischof erarbeitet, sondern die so zahlreichen Kirchensteuerzahlerinnen und Kirchensteuerzahler sowie die für kirchliche Einrichtungen so äußerst spendable Haltung der Öffentlichen Hand in der Bundesrepublik und da nicht zuletzt des Freistaates Bayern. Ihrerseits zeichnen sich ja gerade die örtlichen Bischöfe durch eine ausgeprägte bis kämpferische Loyalität im Sinne der politischen Machthaber aus.
Andererseits haben die Kirchenaustrittszahlen längst sowohl im Erzbistum München-Freising wie im Erzbistum Köln ein vor wenigen Jahren noch als undenkbar angesehenes Niveau erreicht. Dabei sollte man im Hinblick auf die Auflösung volkskirchlicher Strukturen im Freistaat Bayern am besten auch einige wenige Jahre zurückblicken.
Als am 08. Februar 1998 der Volksentscheid über die Reform oder Abschaffung des Bayerischen Senats als zweiter Parlamentskammer im Freistaat stattfand, stimmten 69,2 Prozent für die Abschaffung des Senats. Dabei hatten sowohl die offizielle katholische Kirche wie die evangelisch-lutherische Kirche im Freistaat sich vernehmlich für die Erhaltung des Senats ausgesprochen. Mit dessen Abschaffung fielen nämlich auch die fünf Sitze für Kirchen und andere Religionsgemeinschaften weg. Schon vor dem 01. Januar 2000 als so etwas wie einem Stichtag war also die Entkirchlichung des einstmals so katholisch geprägten Freistaates Bayern ziemlich vorangeschritten. Die Situation hat sich seitdem offenkundig verschärft und die Entwicklung gerade in der Amtszeit von Erzbischof Marx in München-Freising beschleunigt. Dies zeigt sich auch darin, dass inzwischen mit betreffenden Anpassungen im bayerischen bzw. den Freistaat Bayern betreffenden Konkordatsrecht mit dem Abbau von theologischen Fakultäten und Lehrstühlen begonnen wurde.
Dazu besitzt auch der doch erst kürzlich erschienene Untersuchungsbericht über sexuellen Missbrauch im Bistum Würzburg seine eigene Bisanz (
https://ukam-wue.de/veroeffentlichungen-links.html), die schon als „vernichtend“ eingestuft wurde. Zum einen geht es da natürlich um ein Bistum, eine Diözese der Bayerischen Bischofskonferenz. Und dann sind allein die dort offensichtlich getroffenen Feststellungen über das Wirken des Würzburger Bischofs und späteren Erzbischofs von München-Freising Julius Döpfner mehr als entlarvend. Wo blieb bisher etwa die konsequente Aufarbeitung eines solchen unsäglichen Erbes im Erzbistum, der Erzdiözese München-Freising durch den dortigen jetzigen Erzbischof, eben besagten Reinhard Kardinal Marx? Solches und Ähnliches können sich eben auch wahlberechtigte Kardinäle beim jüngsten Konklave in Rom gedacht haben.

Bezeichnenderweise soll sich doch demgegenüber der neugewählte Papst Leo XIV. als Bischof in Peru den Ruf erworben haben, gegenüber Missbrauchsopfern und nicht gegenüber kirchlichen Tätern besonders aufgeschlossen gewesen zu sein. Passend dazu ist auch nicht bekannt, dass er sich für das ja inzwischen in Zusammenhang mit Missbrauchsskandalen für aufgelöst erklärte Sodalitium Christianae Vitae, kurz Soldalitium eben aus Peru (siehe Gedanken zur Woche 268 – 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)), eingesetzt hätte. Das hat der neugewählte Papst offensichtlich ganz und gar nicht getan. Dies tat Robert Kardinal Prevost OSA wohl auch nicht in seiner Eigenschaft als Leiter des Dikasteriums für die Bischöfe an der Römischen Kurie und als Präsident der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika.
Umso mehr darf man hoffnungsfroh auf das nun beginnende Pontifikat Papst Leos XIV. blicken. In auf ihre Weise interessierten kirchlichen Kreisen mag sich da längst zumindest ein mulmiges Gefühl bis stärkere Angst entwickelt haben.

 

1. Lesung: Apg 15,1-2.22-29
2. Lesung: Offb 21,10-14.22-23
Evangelium: Joh 14,23-29

 

 

 

Gedanken zur Woche 270-b, Dr. Matthias Martin
6. OSTERWOCHE einschließlich HOCHFEST von der HIMMELFAHRT CHRISTI/CHRISTI HIMMELFAHRT (2025)

Der bisherige Lebensweg von Papst Leo XIV. bietet eine ganze Reihe interessanter Hinweise und auch eigener Denkanstöße. Solches mag helfen, Missverständnisse abzubauen und zu aktivem gutem Handeln anspornen.
Da ist etwa die Tatsache, dass der spätere Papst zunächst einmal Mathematik studierte und in diesem Fach einen akademischen Abschluss erwarb. Nun ist ja Mathematik so etwas wie ein klassisches Kernfach unter den MINT-Fächern der Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft(en) und Technik. Zugleich beschäftigte er sich eingehend mit klassischen Sprachen der jüdisch-christlichen Überlieferung. Dies weist ganz stark in Richtung von so etwas wie einem klassischen Bildungsideal, traditionell abendländischer Kulturüberlieferung. Es springt der aufmerksamen Beobachterin, dem aufmerksamen Beobachter ins Auge, dass die mathematischen Disziplinen von Arithmetik und Geometrie zu den Sieben Freien Künsten zählen. Im Besonderen sind Arithmetik und Geometrie Teil des sog. Quadriviums innerhalb dieser Sieben Freien Künste. Mit dem diesem Quadrivium vorgeschalteten Triviums wird der Studierende gerade mit klassischen Sprachen und Autoren bekannt gemacht. Dazu passt sehr gut das frühe Interesse von Robert F. Prevost für die Schriften des heiligen Augustinus. Dieser ist ja nicht nur in einem mehr innerkonfessionellen Sinn Kirchenlehrer, Glaubenszeuge oder etwa ein Kirchenvater. Der heilige Bischof Augustinus gehört vielmehr ganz allgemein zu den herausragenden Autoren im kulturellen Erbe der Menschheit. Seine Schriften wie die Confessiones (Bekenntnisse) und De Civitate Dei (Vom Gottesstaat/ Der Gottesstaat) begegnen uns heute noch im Lehrbetrieb bis in US-amerikanische Eliteuniversitäten hinein. Blickt man in Übersichtwerke über die Philosophiegeschichte, so besitzt dort Augustinus seinen eigenen bedeutenden Platz, wird ihm immer wieder ziemlich viel Platz eingeräumt.
Der junge Robert Prevost und jetziger Papst hat also schon ganz früh klar Position bezogen für intellektuelles Wirken und für eine Offenheit in Hinblick auf wissenschaftliche Tätigkeit. Er wies damit jede fideistische Position mit ihrer Herabwürdigung der Vernunft und damit verbundener intellektueller Bemühungen in der Kirche zurück. Dies stellt nicht zuletzt einen klaren Kontrapunkt dar gegenüber der in der Zeit seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil so beliebten Überbetonung emotionaler Orientierungen, so etwas wie charismatischer Einseitigkeiten bis hin zur emotional vorgetragener Verteidigung kirchlicher Missbrauchstäter, diese seien doch etwa „liebe“ Mitbrüder und dergleichen.
Dazu passt auch die Lehrtätigkeit des jetzigen Papstes im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Der offensichtlich als besonderes Vorbild für Leo XIV. bei der Namenswahl dienende Papst Leo XIII. mit seinem Pontifikat von 1878 bis 1903 war ein besonderer Freund und Förderer von Bildung und Wissenschaften. Wenn es um das katholische Bildungswesen ging, scheute er beispielsweise auch nicht den Konflikt mit dem damals so furchterregenden Britischem Empire. Seine in diesem Zusammenhang veröffentlichte Enzyklika „Affari vos“ macht dies deutlich. Auch darin machte Leo XIII., der heute vor allem als Papst der ersten Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ bekannt ist, deutlich, dass es der Kirche um die einfachen Menschen und die unterdrückten bis hin von Ausrottung bedrohten Völker zu gehen hat, anstatt sich etwa imperialistischen Machthabern samt britischem Königshaus anzudienen (siehe Gedanken zur 242-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Schließlich dann engagierte sich unser neuer Papst gerade im Kirchenrecht, in der Kanonistik. Dort erwarb er alsbald ein Doktorat. Auch auf seinem weiteren Weg wirkte er mit kirchenrechtlichem Akzent, nicht zuletzt eben als Dozent für Kirchenrecht. Das passt zum Interesse für klassische Sprachen. Latein ist ja immer noch die Sprache für das (katholische) Kirchenrecht. So nimmt man etwa in unseren Breiten üblicherweise die zweisprachige lateinisch-deutsche Ausgabe des CODEX IURIS CANONICI, abgekürzt CIC, für die Lateinische Kirche und des CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM, abgekürzt CCEO, für die Katholischen Ostkirchen zur Hand, wenn man sich ernsthaft mit kirchenrechtlichen Angelegenheiten beschäftigt. 

Auf das Kirchenrecht wie Bildung und Wissenschaft werden wir eben auch durch den Lebensweg des jetzigen Papstes Leos XIV. hingewiesen.
Dabei passt seine Aufgeschlossenheit bis Begeisterung für nichtenglische Sprachen wiederum sehr gut zu Papst Leo XIII. Dieser betonte etwa eigens bei seinem Eintreten für die Katholischen Ostkirchen deren Bedeutung für die Pflege alter Sprachen. Seinerseits erwarb sich der jetzige Papst Leo XIV. auf der Grundlage seiner Lateinkenntnisse eine enorme Kompetenz in modernen romanischen Sprachen wie dem Italienischen und dem Spanischen. Dass er mit diesem Profil dann auch noch so rasch zum Papst gewählt wurde, unterstreicht die Bedeutung solcher nichtenglischen Sprachen. Das Spanische ist doch eine Weltsprache und die Königliche spanische Akademie für die Sprache hat ihre eigene Bedeutung (siehe Gedanken zur Woche 262 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2025)). Die internationale Bedeutung des Italienischen wird ganz gezielt durch den italienischen Staatsapparat gefördert (siehe Gedanken zur Woche 267 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)). Auch die Bedeutung von in hiesigen Breiten ganz besonders gerne ignorierten romanischen Sprachen wie dem Galicischen/Galizischen und dem Katalanischen wurde längst auf offizieller EU-Ebene anerkannt.
Zum multilingualen Profil von Papst Leo XIV. passen seine bemerkenswerten Deutschkenntnisse. Es wurde von verschiedener Seite bereits betont, er könne wohl besser Deutsch als so mancher etwa in der Bundesrepublik und in Österreich mit offiziell Deutsch als Muttersprache.
Dabei weist eigens die Annahme der peruanischen Staatsbürgerschaft durch den jetzigen Papst Leo XIV. in Richtung eines starken Interesses an unterschiedlichen Sprachen. Schon vor Jahrzehnten waren im großen Peru zusammen mit dem Spanischen die indigenen Sprachen des Ketschua und des Aimara/Aymara als offizielle Sprachen anerkannt. Inzwischen hat in Peru wie in anderen Staaten die Anerkennung weiterer indigener Sprachen bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Hand in Hand geht damit oft ein Ausbau indigener Selbstverwaltung.
Seinerseits soll Robert Prevost ziemlich eifrig das Ketschua gelernt haben.

Das Interesse an Sprachen passt auch sehr gut zu seiner Ordensmitgliedschaft, den Augustinern. Diese betreiben auf verschiedenen Ebenen Bildungseinrichtungen. Mit ihrem Provinzsitz im unterfränkischen Würzburg engagierte sich die deutsche Augustinerprovinz lange mit einem eigenen Schwerpunkt in der Ostkirchenökumene, kurz genannt auch Ostökumene. Da ist ja Sprachkompetenz angesagt, egal ob es um alte Sprachen aus dem Orient oder mehr moderne Sprachen geht, wie Belarusisch/Weißrussisch, Bulgarisch, Estnisch, Georgisch, Griechisch, Makedonisch/Mazedonisch, Montenegrinisch, Rumänisch, Russisch, Serbisch, Ukrainisch. Auch können hier Kenntnisse in so verschiedenen Varianten des Arabischen und des Kurdischen und im Finnischen und Ungarischen nicht schaden. Die Wahl des früheren Generaloberen des Augustinerordens Robert F. Prevost zum Papst kann als Anregung aufgegriffen werden, sich katholischerseits mit erneuertem Interesse den getrennten Ostkirchen einschließlich den altorientalischen Kirchen und nicht zuletzt den Katholischen Ostkirchen, den katholischen orientalischen Kirchen zuzuwenden.
Natürlich sind alle Menschen guten Willens auch eingeladen, sich die Bedeutung der Herz Jesu-Verehrung zu vergegenwärtigen. Darauf weist das Papstwappen Leos XIV. augenfällig hin. Sein offensichtliches Vorbild Leo XIII. hatte in seinem Pontifikat die Welt dem Heiligsten Herzen Jesu geweiht. Auch sonst förderte er eifrig die Herz-Jesu-Verehrung. In seiner Enzyklika „Annum Sacrum“ stellte Leo XIII. dabei heraus, dass er sich damit in einer Reihe mit päpstlichen Vorgängern befand (https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_25051899_annum-sacrum.html). Die Herz-Jesu-Verehrung besitzt auch ihre ganz eigene Bedeutung für das kulturelle Wirken, etwa in Hinblick auf Literatur und bildende Künste. Auf dieses wies ich eigens im Rahmen der ersten Heiligen Messe hin, welche ich als Kaplan im texanischen Dallas zelebrierte.

 

 

 

Gedanken zur Woche 269, Dr. Matthias Martin
5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)

Dass der Gedenktag des als Heiligen verehrten Papstes Johannes I. in diesem Jahr nach dem derzeit üblichen liturgischen Kalender mit dem 11. Mai 2025 auf den 4./VIERTEN SONNTAG DER OSTERZEIT fällt, kann in verschiedener Hinsicht als so etwas wie ein Fingerzeig gesehen werden. Daran ändert die Tatsache nichts, dass dieser Heiligengedenktag durch den betreffenden Sonntag litugisch verdrängt wird. Dies gilt erst recht, wenn dieser Sonntag ein Sonntag der Osterzeit und damit ein Sonntag dieser besonderen Festzeit der Christenheit ist. Egal, was nun in der Liturgie eigens begangen wird, und was etwa ein Geistlicher in der Predigt anspricht, so sind die Katholikinnen und Katholiken auch in Zusammenhang mit einem solchen  Tag eingeladen, den unterschiedlichen Anregungen und Hinweisen aus Bibel, Überlieferung und gegenwärtiger kirchlicher Praxis mit wachem Verstande nachzugehen.

Da ist zum einen der Hinweis auf die Vielfalt von Sprachen, in welcher einst Papst Johannes I. mit seiner Amtszeit als Bischof von Rom von 523 bis 526 wirkte. Papst Johannes I. wirkte ja in der Zeit der ostgotischen Herrschaft auf der Apenninenhalbinsel samt dem Hauptteil Siziliens und in Padanien und Dalmatien. Dazu standen Teile des heutigen Ungarns, Österreichs, der Schweiz sowie des okzitanisch-provenzalischen Raumes unter ostgotischer Herrschaft. Ja der politische Hauptgegenüber Johannes I. war der legendäre und auch sehr in die Sagenwelt eingegangene König Theoderich der Große. Dieser führte auch für das Reich der Westgoten die Regentschaft. Dessen Gebiet schloss sich damals im okzitanisch-provenzalischen Raum westlich an das ostgotische Territorium an und umfasste den Großteil der Iberischen Halbinsel. Lediglich Gebiete von Basken, Kantabrern und der wie die Goten ebenfalls germanischen Sueben/Sweben, auch genannt Sueven oder Suawen, gehörten in der betreffenden Zeit auf der Iberischen Halbinsel damals nicht zum westgotischen Staatsverband.
Die Balearen unterstanden interessanterweise der Herrschaft der Vandalen mit ihrem eigenen Königreich. Einst hatten diese Vandalen vorübergehend Rom besetzt und Papst Leo I., auch genannt der Große, eine Übereinkunft geschlossen. Der Umstand, dass die Vandalen sich an diese Übereinkunft hielten, verdeutlicht, dass man ihnen sehr in der späteren Überlieferung Unrecht getan. Auch hier gilt auf seine Weise „Der Sieger schreibt die Geschichte“. Ihrerseits besaßen die Vandalen ihre eigene Sprache. In den letzten Jahren gab es umfangreiche Bemühungen, diese so weit als möglich zu rekonstruieren. Die Vandalen waren ja in der Zwischenzeit mit Ausnahme des in Schlesien verbliebenen Teils Opfer eines oströmisch-byzantinischen Genozids geworden (siehe Gedanken zur Woche 35-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 102-b – 1. FASTENWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 137-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Das wirkte sich natürlich auch sehr zerstörerisch auf die vandalische Sprache und gesamte Kultur aus (siehe allgemein Gedanken zur Woche 106 – 5. FASTENSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 133 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). In der Zeit vom heiligen Johannes I. war es aber eben noch nicht so weit. Dementsprechend besaß das Vandalische noch große Bedeutung, gerade im westlichen Mittelmeerraum.
Berühmt wurde natürlich die Übersetzung der Bibel ins Gotische durch Bischof Wulfila oder Ulfilas/Ulfila. Die konnte auch im schulischen Geschichtsunterricht wie in den allgemeinen Massenmedien Berücksichtigung finden. Möglicherweise hat sich Bischof und Bibelübersetzer Wulfila/Ulfila(s) auch im mehr schulischen Sinne für die Pflege gotischer Sprache engagiert. Auf der Krim hielt sich gotische Sprache besonders lange (siehe Gedanken zur Woche 139-b – 34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Zumindest vor wenigen Jahren gab es offensichtlich Versuche, das Gotische als Sprache wiederzubeleben.
Dann war natürlich in jener Zeit das Latein sehr bedeutsam. Nicht zu vergessen ist die Entwicklung von unterschiedlichen Formen des Vulgärlateins. Im oströmischen-byzantinischen Bereich setzte sich zusehends eine Form von Griechisch durch, auch wenn das Kaisertum in Konstantinopel den Anspruch nicht aufgab, das römische Kaisertum zu verkörpern. Dabei erhielten sich jenseits der Hauptform von Griechisch in seiner jeweiligen Entwicklungsform auch andere Formen griechischer Sprache. Das Dorische etwa hat sich als eigene Sprache ganz im Sinne des Sprichwortes „Totgesagte leben länger“ bis heute erhalten. Eine vom offiziellen Griechisch des jetzigen EU-Mitgliedes Griechenland auch in der Grammatik deutlich unterschiedene altgriechische Sprache hielt sich in Anatolien und fand jüngst wieder Aufmerksamkeit. Dies verstärkt die Tendenz, „Griechisch“ eben als einen von verschiedenen Zweigen indogermanischer Sprachen wie die der baltischen, germanischen, keltischen, romanischen, slawischen und auch der iranischen und die indoarischen Sprachen zu sehen, die ihrerseits als solche Zweige jeweils eine Reihe von Sprachen und nicht nur eine einzige Sprache umfassen. Nicht zuletzt darf für die Zeit Johannes I. das so eigenständige Illyrisch nicht vergessen werden, gerade wenn man Südosteuropa in den Blick nehmen möchte. Immerhin wird doch Illyrisch als Muttersprache des modernen Albanisch gesehen.

Sprachkompetenz ist natürlich auch in unserer Zeit gefordert. Dabei gibt es keine Beschränkung auf nur eine bestimmte Sprache.
Dies wird nicht zuletzt im Kirchenrecht angesprochen. Sowohl im Sakramentenrecht wie im Verfahrensrecht begegnet uns das sehr direkt.
In Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanons 983 wird ausdrücklich betont, dass auch ein beim Bußsakrament eventuell eingesetzter Dolmetscher an das Beichtgeheimnis gebunden ist. Bei dessen Verletzung wird auch er laut Canon/Kanon 1386 Paragraph 2, mit Strafe bedroht, „die Exkommunikation nicht ausgenommen“ (siehe Gedanken zur Woche 239 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
CIC-Canon/Kanon 990 lautet dann unter ausdrücklichem Verweis auf den erwähnten Paragraph 2 von Canon/Kanon 983:

„Niemand darf daran gehindert werden, mithilfe eines Dolmetschers zu beichten; dabei sind aber Missbräuche und Ärgernisse zu vermeiden und die Vorschrift des can. 983, § 2 zu beachten.“

Auch in Hinblick auf die Eheschließung wird die mögliche Tätigkeit eines Dolmetschers im CIC ausdrücklich angesprochen. So wird in Canon/Kanon 1106 des CIC ausdrücklich festgehalten:

„Eine Ehe kann mithilfe eines Dolmetschers geschlossen werden; ihr darf der Pfarrer jedoch nur assistieren, wenn die Zuverlässigkeit des Dolmetschers für ihn feststeht.“

Dolmetscher können nicht zuletzt auch im kirchlichen Gerichtswesen zum Einsatz kommen.
So wird in Canon/Kanon 1649 Punkt 2 auch der Erlass von Bestimmungen über die Honorare für Dolmetscher durch den örtlichen Bischof angesprochen.
Recht grundsätzlich und zugleich universal lautet Canon/Kanon 1471 des CICs:

„Spricht jemand, der zu befragen ist, eine dem Richter oder den Parteien unbekannte Sprache, so ist ein vom Richter bestimmter vereidigter Dolmetscher beizuziehen. Die Aussagen sind aber schriftlich in der Originalsprache zu protokollieren unter Beifügung der Übersetzung. Ein Dolmetscher ist ferner bei der Befragung eines Tauben oder Stummen beizuziehen, wenn der Richter es nicht etwa vorzieht, seine Fragen schriftlich beantworten zu lassen.“

Menschen mit körperlichen Problemen wie Taubheit und Stummsein und dergleichen sollte doch gerade hilfsbereites Entgegenkommen erwiesen werden. Auch in diese Richtung weist der zitierte Canon/Kanon.
Dabei wird die generelle Offenheit für die verschiedenen Sprachen auch im Weiteren deutlich ausgesprochen. So wird in Zusammenhang mit Berufungsverfahren in Canon/Kanon 1474 Paragraph 2 festgehalten:

„Sind die Akten in einer dem Obergericht unbekannten Sprache abgefasst, so sind sie in eine andere diesem Gericht geläufige Sprache zu übersetzen, wobei Vorkehrungen zu treffen sind, dass eine verlässliche Übersetzung gewährleistet wird.“

Auch hier wieder wird keine Sprache oder Gruppe von Sprachen ausgeschlossen. Auch wird keine bestimmte Sprache bevorzugt oder gar mit einem Alleingeltungsgrundsatz favorisiert.
Immerhin wurde jüngst im Bereich der weltlichen Justiz die irische Form des Gälischen, das Irische, nach Jahrhunderten wieder als Sprache vor Gericht in Nordirland zugelassen. In Wales ist das Walisische eh schon seit Jahren mit dem Englischen gleichberechtigt. Auch das mit dem Walisischen so eng verwandte Kornisch erfuhr in Großbritannien längst offizielle Anerkennung. In Schottland erfreuen sich auch das Gälische und das Schottische/Scots offizieller Anerkennung, Überhaupt ist das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland sprachlich wesentlich vielfältiger, als man sich etwa im deutschsprachigen Mitteleuropa oft denkt. Schon vor Jahren, war zu lesen, dass in Großbritannien hunderte verschiedener Sprachen gesprochen werden. Selbst für Teile Londons wurde festgestellt, dass sich das Englische dort längst auf dem Rückzug befände. Für das Bemühen um Sprachkompetenz ist das ein sehr deutlicher, ja überdeutlicher Hinweis. Dies betrifft dann eben auch das kirchliche Leben einschließlich dem kirchlichen Gerichtswesen.

 

1. Lesung: Apg 14,21b-27
2. Lesung: Offb 21,1-5a
Evangelium: Joh 13,31-33a.34-35

 

 

 

Gedanken zur Woche 269-b, Dr. Matthias Martin
5. OSTERWOCHE (2025)

Die Osterzeit soll im besondren Maße eine Zeit der Freude für Christinnen und Christen sein. Das liturgische Weiß verdeutlicht dies augenfällig. immerhin haben die Osterzeit und die Zählung in "Wochen der Osterzeit" ihren Ursprung und ihre Bezeichnungen doch vom Osterfest als dem höchsten Fest der Christenheit. Das Bekenntnis an die Auferstehung Jesu Christi bleibt Dreh- und Angelpunkt des chrisltichen Glaubens und seiner Verkündigung.
Dabei ist eben nicht zu vergessen, dass Jesus von Nazaret durch Kollaborateure des Römischen Reiches festgesetzt und angeklagt wurde. Es war dann in Gestalt des Pontius Pilatus der römische Statthalter, welcher Jesus von Nazaret zum Tode verurteilte. Die Kreuzigung führten, wie oft auch malerisch und in Filmen dargestellt ist, römische Soldaten durch (siehe allgemein Gedanken zur Woche 127 – 22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Betreffende Brutalität war nichts Außergewöhnliches in der römischen Herrschaftspraxis. Jesus von Nazaret war dabei keineswegs etwa deren einziges jüdische Opfer.
Ihm wurde kein Berufungsrecht, keine Einrede und keine Nichtigkeitsbeschwerde zugebilligt. Ihm wie anderen Opfern römischer Machtausübung stand kein Anwalt und kein Prozessbevollmächtigter zur Seite oder gar zumindest ein bisschen schützend vor ihm. Wie gesagt, so etwas war typisch für die Behandlung von Menschen, die nicht als römische Bürger anerkannt wurden. In so mancher sonst vielleicht ganz interessant gemachten Verfilmung kann man da in die falsche Richtung geleitet werden.
Dabei ist die Nennung des Pontius Pilatus schon eine zu unterschiedlichen Interpretationen und auch Missverständnissen Anlass gebende Tatsache. Zusammen mit Pontius Pilatus wird ja auch Maria, die Mutter Jesu, im Glaubensbekenntnis genannt. Selbst im eher kurzen sog. Apostolischen Glaubensbekenntnis, dem Apostolikum, werden einander Maria und Pontius Pilatus gegenübergestellt. Es werden menschlich personifiziert zwei Wege angezeigt, die als Grundoptionen zur Wahl stehen.
Maria steht für das Ja zu Gottes Anruf und die konsequente Verwirklichung der Gottes- und Nächstenliebe. Auch während des Prozesses, der Hinrichtung Jesu und nach seiner Bestattung versuchte sie nicht, sich irgendwie mit den Machthabern zu arrangieren. Vielmehr stand sie ganz offen und gewissermaßen undiplomatisch zu ihrem Sohn. Das war ein wirklich geradliniges Verhalten.
Das abschreckende Gegenbeispiel bietet Pontius Pilatus. Er war gerade auch nach dem Urteil moderner Historiker der brutale und verschlagene Karrierist. Offensichtlich hat dies ziemlich zu seiner Familie gepasst. Mit ihrer samnitischen Herkunft hatte sich diese beizeiten der aufstrebenden römischen Macht angedient (siehe Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021) und Gedanken zur Woche 174 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Auch in anderen Religionen wird die Wahl zwischen Gut und Böse als die zwei existentiellen Wegen herausgestellt und mitunter recht bildhaft thematisiert.
Diese Wahl zwischen der moralisch richtigen Entscheidung und der damit verbundenen guten Tat bzw. den guten Taten auf der einen Seite und der moralisch schlechten Entscheidung mit der damit verbundenen bösen Tat bzw. den bösen Taten auf der anderen Seite wird uns anhand Maria und Pontius Pilatus in der christlichen Überlieferung eigens vor Augen gestellt.
Im Laufe der Zeit betonte dann gerade die Philosophie der Aufklärung, diese dauernde Verpflichtung, moralisch-ethisch an sich zu arbeiten und nach Möglichkeit Gutes zu tun. Mag man da bei allem guten Willen immer wieder doch zu optimistisch gewesen sein, so teilt man in gut gemeintem aufklärerischem Streben doch dieses Grundanliegen mit sonst unterschiedlichen Religionen. Schon antike Philosophen und Philosophenschulen wiesen in diese Grundrichtung. Man mag da gerade etwa an Aristoteles und die von ihm ausgehende peripatetische Schule der Philosophie wie die ihrerseits so vielschichtige antike Stoa denken. Nicht zuletzt von diesen beiden tiefen und breiten philosophischen Überlieferungen haben christliche und andere Gemeinschaften viele Anregungen bekommen. Umgekehrt hat das Christentum wie schon vorher das Judentum die Philosophie sehr befruchtet.

Immer geht es darum, gegen eigene Fehlorientierungen und böse Taten so gut man kann zu arbeiten. Eigene Fehlentscheidungen sind konsequent zu korrigieren.
Dies gilt eben auch für das katholische Verfahrensrecht und Prozesswesen.
So stellt Paragraph 2 von Canon/Kanon 1645 des CIC fest, dass „die offensichtliche Ungerechtigkeit eines Urteils“ dann anzuerkennen ist, wenn

„1° sich das Urteil auf Beweise, die sich später als falsch erwiesen haben, derart stützt, dass ohne diese Beweise der Urteilstenor nicht aufrechtzuerhalten ist;
2° später Urkunden aufgefunden worden sind, die neue und eine gegenteilige Entscheidung fordernde Tatsachen unzweifelhaft beweisen;
3° ein Urteil aufgrund arglistiger Täuschung einer Partei zum Schaden der anderen Partei ergangen ist;
4° eine nicht rein prozessuale Gesetzesvorschrift offenkundig vernachlässigt worden ist;
5° das Urteil einer früheren Entscheidung widerstreitet, die in Rechtskraft erwachsen ist.“

Nach Canon/Kanon 1646 darf der Betroffene jeweils „die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ innerhalb bestimmter Fristen beantragen. Laut Paragraph 1 dieses CIC-Canons/Kanons ist dieser Antrag bei dem Richter zu stellen, „der das Urteil gefällt hat“, wenn sich um in den Punkten 1 bis 3 von Canon/Kanon 1645, Paragraph 2 erwähnte Gründe handelt. Liegt etwas von den in den Punkten 4 bis 5 von Canon/Kanon 1645 erwähnten Gründen vor, so ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „beim Berufungsgericht zu beantragen“.

Bereits Paragraph 1 von Canon/Kanon 1645 hält lapidar fest:

„Gegen ein in Rechtskraft erwachsenes Urteil gibt es die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, vorausgesetzt die Ungerechtigkeit steht offenkundig fest.“

Gegen Unrecht sich zu wehren und die eigenen Rechte zu verteidigen ist jeder Mensch in der katholischen Kirche berechtigt. Nicht zuletzt hat, wie in dieser Reihe „Gedanken zur Woche“ herausgestellt wurde, jede Katholikin und jeder Katholik das Recht auf den Schutz des eigenen guten Rufes. So darf sich ja auch jede Katholikin und jeder Katholik generell an den Papst wenden. Solche grundsätzlichen Rechte gelten auch für innerkirchliche Prozesse. All dies ist gemäß Kirchenrecht völlig unabhängig vom Wohlwollen eines Ortsordinarius oder anderen, namentlich auf örtlicher und regionaler Ebene tätigen, Kirchenvertreters sowie mit ihnen verquickten politischen Akteuren. So hält doch Canon/Kanon 1476 fest, dass „jeder, ob getauft oder ungetauft, … vor Gericht als Kläger auftreten“ kann (siehe Gedanken zur Woche 247-b – 2. ADVENTWOCHE (2024)).

Das Berufungsrecht seinerseits ist laut CIC gerade im katholischen Gerichtswesen als so etwas wie ein allgemeines Grundrecht zu respektieren.
In diesem Sinne hält Canon/Kanon 1628 des CIC umfassend fest:

„Eine Partei, die sich durch ein Urteil beschwert fühlt, und in gleicher Weise der Kirchenanwalt und der Bandverteidiger in Verfahren, in denen ihre Beteiligung gefordert ist, haben das Recht, gegen ein Urteil Berufung an den höheren Richter unter Beachtung der Vorschrift des can. 1629 einzulegen.“

Generell kommt sowohl Kirchenanwälten wie Bandverteidigern im katholischen Verfahrensrecht eine große und immer wieder deutlich werdende Bedeutung zu. Demgegenüber dient der in Canon/Kanon 1628 angeführte Canon/Kanon 1629 der Präzisierung für bestimmte Fälle oder Gegebenheiten. Letzterer Canon/Kanon 1629 lautet nämlich:

„Berufung kann nicht eingelegt werden gegen:
1° ein Urteil des Papstes oder der Apostolischen Signatur;
2° ein nichtiges Urteil, außer die Berufung wird gemäß can. 1625 mit der Nichtigkeitsbeschwerde verbunden;
3° ein rechtskräftig gewordenes Urteil;
4° das Dekret eines Richters oder das Zwischenurteil, die nicht die Wirkung eines Endurteils haben, außer die Berufung wird mit der Berufung gegen das Endurteil verbunden;
5° ein Urteil oder ein Dekret in einer Sache, in der das Recht eine Entscheidung auf schnellstem Weg vorschreibt.“

In besagtem Canon/Kanon 1625 geht es darum, dass eine Nichtigkeitsbeschwerde zusammen mit der Berufung innerhalb jeweils einer bestimmten Frist eingelegt werden kann.

 

 

 

Gedanken zur Woche 268, Dr. Matthias Martin
4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)

Das in aller Welt beachtete Scheiden von Franziskus aus dem irdischen Leben und der WELTGEBETSTAG FÜR GEISTLICHE BERUFE kann man in einem starken Zusammenhang miteinander sehen.
Da war zum einen Franziskus der erste Papst aus den Reihen des von Ignatius von Loyola gegründeten Jesuitenordens, der Societas Jesu, abgekürzt SJ. Diese gehören gewissermaßen zur Gruppe der Orden von Regularklerikern (siehe Gedanken zur Woche 171-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 175-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Öffentlich gut wahrnehmbar traf sich Franziskus auch während seines Pontifikates etwa auf Auslandsreisen mit Mitjesuiten. In diesem Sinne sicherte die Wahl von Jorge Bergoglio zum Papst dem Jesuitenorden eine erneute Aufmerksamkeit. Grundsätzliche Schwierigkeiten, die diese Gemeinschaft innerhalb der katholischen Weltkirche betreffen, lassen sich aber nicht leugnen. Auch hier ist wieder vor kurzsichtiger Betrachtung wie vor Strohfeuereffekten zu warnen.
Dabei ist der Jesuitenorden seit den Tagen des Zweiten Vatikanischen Konzils wie so viele andere Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften in eine schwere Krise geraten. Längst wird ja überhaupt von einer Krise des Ordenslebens gesprochen und geschrieben (siehe Gedanken zur Woche 20-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 52-b – 3. FASTENWOCHE (2021) und Gedanken zur Woche 172-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Immer wieder hört und liest man von Klosterschließungen und sogar vom „Klostersterben“ bis hin zum Sterben von Ordensgemeinschaften. Die Mitgliederzahlen weisen auch beim Jesuitenorden drastisch nach unten. Eine diesbezüglich immer wieder behauptete Trendwende hat nicht stattgefunden. Wie andere Orden kam es bei den Jesuiten zur Schließung von Niederlassungen und Zusammenlegung von Strukturen.

Mitunter kam es auf weltkirchlicher Ebene schon vor Jahren überhaupt zur Zusammenlegung oder Fusion von Instituten des geweihten Lebens, die umgangssprachlich sehr oft Orden, Ordensinstitute oder Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften genannt werden.
Mitunter wurde auch die Auflösung von Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens in Zusammenhang mit Missbrauchsskandalen überlegt bzw. gefordert. Besonders heftig geschah dies bei den Legionären Christi, der Congregatio Legionariorum Christi, abgekürzt LC. Es mag in Zusammenhang mit Skandalen, wenn auch hier mehr im wirtschaftlich-finanziellen Bereich, nicht zuletzt auch der ebenfalls weiter existierende Deutsche Orden, lateinisch Ordo Fratrum Domus Hospitalis Sanctae Mariae Teutonicorum in Jerusalem/Ordo Teutonicus mit seiner Abkürzung OT in den Sinn kommen.
Dabei ließ noch Papst Franziskus zwei Gruppierungen im Bereich der Orden- und ordensähnlichen Gemeinschaften in den letzten Monaten seines Lebens auflösen. Dies traf zum einen das aus Peru kommende Sodalitium Christianae Vitae, abgekürzt SCV, und manchmal einfach Soldalitium oder ganz ähnlich genannt (siehe
https://www.vaticannews.va/de/welt/news/2025-04/gemeinschaft-sodalitium-christianae-vitae-aufgelost.html und https://www.katholisch.de/artikel/60935-die-aufloesung-der-bewegung-sodalicio-durch-den-vatikan-laesst-hoffen). Die gleiche konsequente Verurteilung traf die Miles Christi, abgekürzt MC, aus Argentinien (siehe https://de.catholicnewsagency.com/news/19083/vatikan-lost-argentinische-gemeinschaft-miles-christi-auf und https://zenit.org/2025/03/09/vatican-dissolves-miles-christi-religious-institute-amid-ongoing-scandals/).
Verschiedentlich wurde die Hoffnung ausgedrückt, dass in Zukunft überhaupt konsequenter gegen Gruppierungen einschließlich Ordensgemeinschaften in der katholischen Kirche vorgegangen werde, in denen es systematischen Missbrauch gab bzw. gibt.

Dabei besitzen Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften eine ernstzunehmende Selbstverwaltung unter dem Dach der Weltkirche. Dies sollte nicht unterschätzt oder gar einfach negiert werden. Immer wieder wirft sich da wie in Hinblick auf Diözesen/Bistümer und ähnliche ortskirchliche Strukturen die vielschichtige Frage von drohendem und bereits durchgeführten Machtmissbrauch auf. Gerade Papst Franziskus hat doch vielfältiges Fehlverhalten von kirchlichen Mitarbeitern und da nicht zuletzt von Geistlichen immer wieder thematisiert. Sehr gerne wurden und werden solche Stellungnahmen dann nach Möglichkeit totgeschwiegen oder verzerrt dargestellt. Da stellt es eine drängende Aufgabe für seinen Nachfolger dar, beim Kampf gegen Missbrauch aller Art in der Kirche und auch in Hinblick auf Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften beharrlich an der Sache dran zu bleiben. Wegen ihrer vielfältigen Bedeutung samt Selbstverwaltung sind eben auch weiterhin Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften nicht aus den Augen zu verlieren.
So lautet Canon/Kanon 620 in Teil III „Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens“ in Buch II „Volk Gottes“ des gegenwärtigen CICs:

„Höhere Obere sind jene, die ein ganzes Institut oder eine Provinz oder einen ihr gleichgestellten Teil desselben oder eine rechtlich selbständige Niederlassung leiten; desgleichen deren Stellvertreter. Dazu kommen der Abtprimas und der Obere einer monastischen Kongregation, die jedoch nicht die ganze Vollmacht haben, die das allgemeine Recht den höheren Oberen zuteilt.“

Im CIC-Canon/Kanon 622 werden dann eigens die obersten Leiter kirchenrechtlich einigermaßen abgesichert. Dabei wird ausdrücklich auf das Eigenrecht solcher Gemeinschaften hingewiesen und ihnen auch damit so etwas wie innerkirchliche Autonomie zugebilligt. Dieser Canon/Kanon 622 lautet nämlich:

„Der oberste Leiter hat Vollmacht über alle Provinzen, Niederlassungen und Mitglieder des Instituts, die gemäß dem Eigenrecht auszuüben ist; die übrigen Oberen haben Vollmacht innerhalb der Grenzen ihres Amtes.“

Vergleichbar dazu hält Canon/Kanon 418 des CCEO für die Katholischen Ostkirchen in Paragraph 1 fest:

„Höhere Obere sind der Präses einer monastischen Konföderation, der Obere eines Klosters eigenen Rechts, der Generalobere eines Ordens oder einer Kongregation, der Provinzobere, deren Vikare sowie andere, die Gewalt so wie die Provinzoberen haben, wie auch diejenigen, die zwischenzeitlich rechtmäßig das Amt übernehmen, wenn es die vorgenannten nicht gibt.“

Ordensstrukturen sind von Rechts wegen vorgesehen, als juristische Personen anerkannt zu sein.
CIC-Canon/Kanon 634 macht diesbezüglich in Paragraph 1 klar:

„Institute, Provinzen und Niederlassungen sind als juristische Personen von Rechts wegen fähig, Vermögen zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern, sofern nicht diese Fähigkeit in den Konstitutionen ausgeschlossen oder eingeschränkt ist.“

Mit dem ausdrücklichen Verweis auf die jeweiligen Konstitutionen wird auch hier wieder die Bedeutung des Eigensrechts der betreffenden Gemeinschaften betont. Parallel zu diesem Canon/Kanon 634 steht im CCEO Canon/Kanon 423 (siehe Gedanken zur Woche 148-b – 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). In Hinblick auf das Eigenrecht und die gerade das Vermögen betreffende Selbstverwaltung besitzt dazu der CCEO-Canon/Kanon 424 Bedeutung:

„Im Typikon bzw. in den Statuten müssen Normen über den Gebrauch und die Verwaltung der Güter festgesetzt werden, um die eigene Armut zu fördern, zum Ausdruck zu bringen und zu schützen.“

Wie die Diözesen bzw. Eparchien und ihnen gleichgestellte Ortskirchen sind also auch selbständige Klöster, Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften einschließlich Gesellschaften des apostolischen Lebens auf effiziente Weise im Auge zu behalten oder erst einmal richtig in den Blick zu nehmen mit dem festen Vorsatz, gegen eventuelle Missstände auch wirklich vorzugehen.

 

1. Lesung: Apg 13,14.43b-52
2. Lesung: Offb 7,9.14b-17
Evangelium: Joh 10,27-30

 

 

 

Gedanken zur Woche 268-b, Dr. Matthias Martin
4. OSTERWOCHE (2025)

Die Welt schreitet voran. Alle Bemühungen von Kirchenvertretern einschließlich des jeweiligen Papstes, friedliche Lösungen zu erzielen, sind oft wenig erfolgreich.
Dabei sollte nicht die Aufmerksamkeit auf Europa beschränkt bleiben. Tatsächlich sind die Berichterstattung in den Medien und die Aktivitäten von Politikern oft doch eurozentristisch.
Tatsächlich spricht einiges dafür, dass in dem auf dem afrikanischen Kontinent gelegenen Sudan und im asiatischen Myanmar, auch genannt Burma und seltener Birma, derzeit die blutigsten Konflikte stattfinden. Auch die Lage in dem so bevölkerungsreichen Äthiopien ist von einer dauerhaften Friedenslösung weit entfernt. Die dortigen brutalen Auseinandersetzungen haben bereits zu Spaltungsvorgängen in der nonchalcedonensisch-altorientalischen Nationalkirche von Äthiopien geführt. Überhaupt gefährden politische bis militärische Konflikte den Zusammenhalt traditioneller Landeskirchen. Die Auf- und Absplitterungen im Anglikanismus sind oft in einem solchen Zusammenhang zu sehen. Auch das Auseinanderbrechen der United Methodist Church, der Evangelisch-Methodistischen Kirche, spiegelt politische Entwicklungen wider. Da ist auf der einen Seite das Streben im afrikanischen Bereich, sich auch im religiösen Leben stärker von nordamerikanischer und europäischer Bevormundung zu emanzipieren. Da ist auf der anderen Seite die Eskalation der gesellschaftlich-innenpolitischen Lage in den USA. Eigens verdienen Spannungen bis gewaltsame Konflikte zwischen Bevölkerungsgruppen in afrikanischen Ländern Beachtung und sollten nicht unterschätzt und schon gar nicht geleugnet werden. So kam es sowohl zwischen Methodisten in Nigeria im Rahmen der neuen Spaltungsvorgänge wie zwischen Anglikanern gerade in Uganda zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
Tendenzen zur Desintegration des ganzen Staatswesens zeigen sich nicht zuletzt in Südafrika. Die enormen Probleme bei der Stromversorgung sind nur ein Teil der drastischen Niedergangstendenzen. Von verschiedener Seite war ja schon am Anfang der neunziger Jahre beim damaligen politischen Übergang eine Yugoslawisierung/Jugoslawisierung des gesamten Südafrika erwartet worden. Dies geschah damals nicht. Es wurden sogar die in den Jahrzehnten zuvor von der Republik Südafrika offiziell für unabhängig erklärten Staatswesen von Bophuthatswana, Ciskei, Transkei und Venda gewissermaßen nach Südafrika „heimgeholt“. Das Gemeinwesen oder Territorium von KwaNdebele/Kwandebele konnte für die Republik von Südafrika eigens gesichert werden.
Die internationale Anerkennung für die Unabhängigkeit Eritreas und des Südsudans können gerade auf dem afrikanischen Kontinent als Ermutigung für separatistische Bestrebungen und dergleichen gesehen werden. Damit wurden starke Präzedenzfälle geschaffen, dass die Grenzen aus der Zeit der offiziellen Befreiung von europäischen Kolonialmächten doch verändert werden können. Da verwundert es dann nicht, wenn eine Auflösung etwa des südafrikanischen Staates, der Bundesstaaten von Nigeria und Äthiopien von manchen erwartet wird. Kommt es dazu vielleicht wieder zu einer Eskalation in Angola und Mozambique? Gerade im Falle Südafrikas könnten westliche Mächte wie auch Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga geneigt sein, ein Auseinanderbrechen dieses Gründungsmitgliedes der BRICS und damit eines politischen Partners Russlands und Chinas mit Wohlwollen zu betrachten. Daraus könnte, wie die Geschichte verdeutlicht, rasch eine aktive Unterstützung einer oder verschiedener separatistischer Bewegungen werden. Gerade einstige Zivilbedienstete und Militärangehörige der einstweilen von Südafrika „heimgeholten“ Republiken Bophuthatswana, Ciskei, Transkei und Venda bekunden ihre starke Unzufriedenheit mit der jetzigen Situation.

Für die katholische Kirche stellt sich die Herausforderung, eine Beschädigung kirchlichen Lebens und der kirchlichen Einheit durch solche Konflikte zu verhindern oder zumindest einzuschränken.

Auf die eritreische Unabhängigkeit hat man päpstlicherseits längst über die diplomatische Anerkennung hinaus sehr positiv reagiert. Schon recht bald nach seiner Wahl zum Papst schuf der auch sonst handlungsfreudige Papst Franziskus die Eritreisch-Katholische Kirche als Kirche eigenen Rechts im Rang einer metropolitanen Kirche (siehe Gedanken zur Woche 125 – 20. SONNTAG IM JAHRESRKEIS und VORABEND von AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2022) und Gedanken zur Woche 228-b – 18. WOCHE IM JAHRESKEIS (2024)).

Eine gewisse Flexibilität lässt sich dabei bei internen Angelegenheiten in der katholischen Kirche immer wieder feststellen. Dies gilt auch für das kirchliche Verfahrensrecht.
So wurde inzwischen grundsätzlich die Möglichkeit eines kürzeren Eheprozesses beim Bischof geschaffen. Auch besteht die Möglichkeit, dass ein Eheprozess anhand von Urkunden geführt wird. Betreffende Canones/Kanones finden sich sowohl im CIC für die Lateinische Kirche wie im CCEO für die Katholischen Ostkirchen.
Ordensgemeinschaften kommt generell eine Stellung im katholischen Verfahrensrecht zu.
Der gesamte und recht umfangreiche CIC-Canon/Kanon 1427 handelt dabei unter wiederholtem Hinweis auf etwaiges Eigenrecht betreffender Gemeinschaften davon:

„§ 1. Für Streitsachen zwischen Ordensleuten oder Niederlassungen desselben klerikalen Ordensinstitutes päpstlichen Rechtes ist, sofern in den Konstitutionen nichts anderes vorgesehen ist, der Provinzial oder, wenn es sich um ein rechtlich selbständiges Mönchskloster handelt, der örtliche Abt Richter erster Instanz.
§ 2. Unbeschadet einer abweichenden Bestimmung der Konstitutionen entscheidet über Streitsachen zwischen zwei Provinzen in erster Instanz der oberste Leiter persönlich oder durch einen Delegierten; Streitsachen zwischen zwei Mönchsklöstern entscheidet der Abtpräses der Mönchskongregation.
§ 3. Entsteht jedoch ein Rechtsstreit zwischen Ordensleuten oder juristischen Personen verschiedener Ordensinstitute oder auch zwischen Ordensleuten desselben klerikalen Institutes diözesanen Rechtes oder eines laikalen Institutes, ferner zwischen einem Ordensangehörigen und einem Weltkleriker oder einem Laien oder einer nichtklösterlichen juristischen Person, so entscheidet in erster Instanz das Diözesangericht.“

Hier klingt auch etwas von der Vielfalt katholischen Ordenslebens an. Das kann als Anregung zu einer eingehenderen persönlichen Beschäftigung mit diesem ja auch in Hinblick auf das gesellschaftliche Entwicklungen, Bildungswesen, Wissenschaft und Kultur wie etwaige Konflikte zwischen Kirche und Staat allgemein wichtigen Themenfeld angesehen werden.
Natürlich darf die in Paragraph 3 dieses Canons/Kanons 1427 formulierte starke Stellung der Diözesen/Bistümer mit ihren Bischöfen bei betreffenden Rechtsfällen hinterfragt werden. Immer wieder haben doch eigene Untersuchungsberichte wie Medien das Versagen bis gezielt bösartige Verhalten von Bischöfen und anderen Diözesanvertretern entlarvt. Bei solchen Enthüllungen ist noch kein Ende abzusehen. Sollte man nicht da die Autonomie von Ordensgemeinschaften wieder stärker fördern? Es gab in der katholischen Kirche ja auch eine Zeit vor dieser durch das Zweite Vatikanische Konzil propagierten Machtkonzentration in den Händen der Ortsbischöfe.
Einen Ansatz in Richtung eines wieder stärkeren Schutzes von Ordensgemeinschaften vor örtlichen Bischöfen enthält Paragraph 3 von Canon/Kanon 1405 (siehe Gedanken zur Woche 260-b – 2. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HEILIGEN JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2025)). Im dortigen Punkt 2 wird versichert, dass die Römische Rota „über den Abtprimas oder Abtpräses einer monastischen Kongregation sowie den obersten Leiter von Ordensinstituten päpstlichen Rechtes“ Recht zu sprechen hat. In Punkt 3 dieses Canons/Kanons wird dies nach Nennung von Diözesen auch in Hinblick auf „sonstige natürliche und juristische Personen in der Kirche, die keinen Oberen unterhalb des Papstes haben“ erklärt.
In die Richtung eines gewissen Schutzes für Ordensgemeinschaften geht auch Punkt 3 des Canons/Kanons 1438 ebenfalls im CIC, wonach gilt:

„in Prozessen, die vor dem Provinzoberen verhandelt worden sind, ist zweite Instanz das Gericht des obersten Leiters; in Prozessen, die vor dem örtlichen Abt verhandelt worden sind, ist die zweite Instanz das Gericht des Abtpräses der Mönchskongregation.“ 

Wie bis in Filmproduktionen hinein thematisiert wird, hat das Hineinwirken von Bischöfen gerade in Frauenklöstern bzw. -orden in den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzils Leid geschaffen. Von Nordamerika bis Europa ausgehend waren dann in allerjüngster Zeit Auseinandersetzungen zwischen Bischöfen und Frauenklöstern fortdauerndes Thema für die Medien. Natürlich darf der sexuelle Missbrauch von Ordensfrauen durch männliche Kleriker nicht vergessen werden. Auch da spielte offensichtlich so mancher Ortsbischof eine üble Rolle. Umso mehr gilt es, Ordensleuten und da gerade weiblichen, einen möglichst effizienten rechtlichen Rückhalt in der Kirche auch gegenüber örtlichen Bischöfen und ihren Generalvikaren zu sichern.

 

 

 

Gedanken zur Woche 267, Dr. Matthias Martin
3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2025)


Gerade in Zeiten wie diesen mag Menschen ein Satz in den Sinn kommen wie "Der Mensch denkt, und Gott lenkt".
Das Hinübergehen von Papst Franziskus in die Ewigkeit in den frühen Stunden von Ostermontag war dann doch für sehr viele Menschen überraschend. Noch am Vortag, dem Ostersonntag, war auch in seriösen Medien gemeint worden, Papst Franziskus befände sich auf dem vielleicht langwierigen Weg der Besserung, aber eben doch auf dem Weg einer gesundheitlichen Besserung. Seine vorübergehende Entlassung aus dem Krankenhaus hatte ungezählte Menschen mit Freude und neuer Hoffnung erfüllt. Gerade dann am letzten Tag seines irdischen Lebens hatte Franziskus wieder einmal bemerkenswerte Akzente gesetzt. Seine wenn auch reduzierte Mitwirkung an den Osterfeierlichkeiten am Petersplatz verdeutlichten seine Stellung als religiöses Oberhaupt, als erster Bischof der katholischen Kirche hier auf Erden. Sein offizielles Zusammentreffen mit dem US-Vizepräsidenten JD Vance unterstrich seine Stellung in der Internationalen Gemeinschaft als Staatsoberhaupt des Vatikanstaates und auch als Verkörperung des Völkerrechtssubjektes eigener Art, des auch Apostolischer Stuhl genannten Heiligen Stuhls.

Bis zuletzt wurde er seinem Ruf gerecht, ein energischer und zäher Arbeiter im Weinberg des Herrn zu sein. Diesen bemerkenswerten Ruf hat er sich bei um Objektivität bemühten Beobachterinnen und Beobachtern über Jahrzehnte erworben. In diesem Sinne stellte seine Amtstätigkeit als Papst die konsequente Fortsetzung seiner Ausbildung zum Chemietechniker und der damit verbundenen Tätigkeit, seines nicht immer einfachen Weges im Jesuitenorden, seines Wirkens als Weihbischof und dann als Erzbischof von Buenos Aires sowie Vorsitzenden der argentinischen Bischoskonferenz dar.
Überhaupt lohnt sich eine eingehende Beschäftigung mit seinem so erfüllten Lebensweg. Sich auf billige Schlagworte und Schlagzeilen zu beschränken greift zu kurz. Dass er etwa die Ausbildung zum Chemietechniker absolvierte und in diesem Beruf auch tatsächlich arbeitete, besitzt eigene Aussagekraft. Offensichtlich war es für ihn gut und richtig, sich im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich zu engagieren. Auch als Papst dann betonte er den Wert und die Würde intensiver Bildung und gediegener Wissensvermittlung. Schon seit seinen jungen Jahren wies er damit jede fideistische Versuchung für Katholikinnen und Katholiken zurück. Dies mag man als Ansporn aufgreifen, sich selber im Rahmen je eigener Möglichkeiten mit den Wissenschaften zu beschäftigen oder ihnen zumindest doch wohlwollend gegenüberzustehen.
Dabei ist es eben wichtig, nicht irgendwelchen vermeintlich oder tatsächlich populären Schlagworten auf den Leim zu gehen. So war Franziskus eben ganz und gar nicht der erste nichteuropäische Papst. Jener war nach katholischem Verständnis doch Petrus, auch genannt Simon Petrus, und damit überhaupt der erste aller jemals amtierenden Päpste. Zu dessen Herkommen aus dem westasiatischen Bereich erhalten wir eine Fülle von Hinweisen allein schon in den Schriften, die katholischerseits als das Neue Testament überliefert wurden und manchmal auch das Zweite Testament genannt werden.
Dem gewissermaßen westasiatischen Papst Petrus folgten weitere Päpste aus nichteuropäischen Gegenden. Dabei spielten Westasien wie Afrika eine nicht zu leugnende Rolle. Dies führte tatsächlich auch zu Diskussionen, wieweit welcher Papst etwa berberischer Herkunft gewesen sei.
Aufmerksame Zeitgenossen fanden es auch bemerkenswert, dass Jorge Bergoglio und damit der spätere Papst von Geburt an nicht nur die argentinische, sondern auch die italienische Staatsbürgerschaft besaß. Tatsächlich bemüht sich der italienische Staat beharrlich, die Bande zu Menschen italienischer Herkunft wie den Erhalt und das Gedeihen italienischer Sprache und Kultur außerhalb seiner Grenzen zu fördern. Diese Politik wird nachhaltig verfolgt, egal wie in Italien gerade einmal Wahlergebnisse ausfallen, oder wer welches Staatsamt bekleidet. Es gibt eigene Vertretungsorgane der Italienerinnen und Italiener im Ausland (
https://consbasilea.esteri.it/de/chi-siamo/la-rete-consolare/vertretungsorgane-der-italienerinnen-und-italiener-im-ausland/). Der Generalrat der Italiener im Ausland – Consiglio Generale degli Italiani all’Estero (https://www.cgieonline.it/) ist eigens bemerkenswert. Es wird seitens des italienischen Staates nach Kräften Sorge dafür getragen, dass Auslandsitalienerinnen und Auslanditaliener an italienischen Wahlen teilnehmen können. Dafür gibt es sogar eine eigene Wahlkreiseinteilung. Über alle innen- wie außenpolitischen Krisen und wirtschaftlich-finanziellen Probleme der jüngeren Zeit hinweg wurde dieser Kurs durchgehalten.
Auch darauf macht der nun in die Ewigkeit abberufene Papst Menschen aufmerksam. Dies gilt umso mehr, da er eben auch als Papst die Beziehungen zu seinen Verwandten im Gebiet der derzeitigen Republik Italien pflegte.


Überhaupt war Papst Franziskus jemand, der eindringlich vor Oberflächlichkeit und Konsumismus warnte. Er war jemand, der die Beschäftigung mit der Literatur ausdrücklich ans Herz legte (siehe Gedanken zur Woche 253-b – 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)). Man mag sich hierbei wie bei seiner Warnung vor mangelndem Geschichtsbewusstsein (siehe Gedanken zur Woche 248-b – 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)) namentlich an den großen Literaten George Orwell und seine düsteren Warnungen erinnert fühlen.
In das größere Bild der Verteidigung des überlieferten Erbes passen sehr gut seine Ausrufung des Jahres des Heiligen Josefs vom 08. Dezember 2020 bis zum 08. Dezember 2021 (siehe Gedanken zur Woche 57 - 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG bis 4. OSTERWOCHE (2021); Gedanken zur Woche 110 - 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022) und Gedanken zur Woche 227 - 17. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG FÜR GROSSELTERN UND SENIOREN (2024)) und des jetzt stattfindenden Heiligen Jahres (siehe ebd. und Gedanken zur Woche 227-b - 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Die Aufrufe von Papst Franziskus zur Beschäftigung mit Literatur und Geschichte mögen sich gerade jene zu Herzen nehmen, die immer wieder behauptet haben, doch so sehr seine loyalen Parteigänger zu sein. Wie schon im Neuen/Zweiten Testament gewarnt wird, soll man nicht jemanden einschließlich Gott nur mit schönen Worten ehren, sondern vielmehr aktiv nach Kräften Gutes tun und Böses meiden.


Das Eintreten für die Schwachen war für Papst Franziskus überhaupt in enormer Breite und Tiefe bis zuletzt sein persönliches Anliegen. So hat sich ihm gemäß die Kirche fortwährend ganz generell für die Armen und Ausgegrenzten einzusetzen. Hand in Hand ging diese grundsätzliche Orientierung bei Franziskus mit seiner unerschütterlichen Opposition gegen die Abtreibung. Da konnte er sehr undiplomatisch werden und äußerte sich wiederholt in diesem Sinne. An Abtreibungen beteiligte Personen setzte er sogar mit bezahlten Auftragskillern gleich. Er ließ sich von dieser klaren Position weder durch Regierungen und einflussreiche Medien noch durch die Einfältigkeit vieler Katholikinnen und Katholiken abbringen. Dort wie bei anderen Menschen plappert man doch immer wieder nur allzu gerne nach, was man von einer veröffentlichten Meinung einschließlich Akteuren in den Sozialen Medien vorgesetzt bekommt.
Auch sonst handelte er in diesem Sinne. Die Beziehung zur Republik Taiwan hielt er anders als andere aufrecht. Ausdrücklich anerkannte er den Staat Palästina. Wiederholt äußerte er sich besonders vernehmlich im Sinne der Palästinenser und überhaupt zugunsten von Flüchtlingen und Vertriebenen.
Bis in personalpolitische Aktivitäten hinein wie die Berufung von Kardinälen stellte er sich an die Seite von Staaten wie Ost-Timor/Timor-Leste, Singapur, Südkorea, Tonga, Kap Verden und die Mongolei. Davon ließ er sich weder von den solche Länder einst unterjochenden Kolonialmächten und ihren diversen Handlangern noch von gegenwärtigen kommunistischen Regimen und dergleichen abbringen. Dazu passte auch seine Reisetätigkeit.
Nicht vergessen sollte natürlich auch die päpstliche Tätigkeit in Hinblick auf Konkordate und andere Verträge sowie allgemein bezüglich diplomatischer Beziehungen zu Ländern in verschiedenen Teilen der Welt. In Afrika widerstand Papst Franziskus damit insbesondere der (einstigen) Kolonialmacht Frankreich. Aber auch vor Großbritannien, Belgien und Portugal etwa knickte er in einem solchem globalen Rahmen überhaupt nicht ein.

 

1. Lesung: Apg 5,27-b-32.40b-41
2. Lesung: Offb 5,11-14
Evangelium: Joh 21,1-19

 

 

 

Gedanken zur Woche 267-b, Dr. Matthias Martin
3. OSTERWOCHE (2025)

Wenn wir im Monat Mai voranschreiten, dann mögen wir nicht zuletzt die Gebetsanliegen im Auge behalten, welche uns noch Papst Franziskus eben für diesen Monat Mai des Jahres 2025 mitgegeben hat. Sie sind ein eigener bemerkenswerter Teil seines so umfangreichen Erbes. Genau diese Gebetsanliegen passen sehr gut zu seinem Eintreten für die einfachen arbeitenden Menschen in aller Welt.
Tatsächlich lauten diese Gebetsanliegen doch:

„Für die Arbeitsbedingungen“

und

„Beten wir, dass die Arbeit hilft, dass jede Person sich verwirklicht, die Familien einen würdigen Unterhalt finden und die Gesellschaft menschlicher werden kann.“

Da wird zum einen einmal ganz allgemein auf die notwendigen Bemühungen um sichere Verhältnisse am Arbeitsplatz hingewiesen. Die Bedeutung von Gewerkschaften, anderen Arbeitnehmervereinigungen und so etwas wie öffentlich-rechtlich definierten Gremien für die Wahrnehmung von Arbeitnehmerbelangen kann hier ganz spontan deutlich werden. Gerade auch in solchen Bereichen mögen sich Katholikinnen und Katholiken einbringen. Einzelfragen wie die Fortentwicklung des Gewerkschaftswesens in einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ändern daran grundsätzlich einmal nichts.
Bemerkenswert ist die Betonung des Selbststandes des Individuums und der Familien. Der Einsatz für die Familien und ihre berechtigte Autonomie gegenüber politischen Strukturen und wirtschaftlichen Interessen ist eben im Sinne der traditionellen katholischen Soziallehre unverzichtbar. Das betonte schon die erste Sozialenzyklika „Rerum Novarum“, die Papst Leo XIII. im Jahre 1891 veröffentlichte (
https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_15051891_rerum-novarum.html und https://homepage.univie.ac.at/christian.sitte/PAkrems/zerbs/volkswirtschaft_I/beispiele/wio_b06.html). Zu deren vierzigstem Jubiläum erschien dann passenderweise von Papst Pius XI. mit „Quadragesimo Anno“ die nächste Sozialenzyklika (https://www.vatican.va/content/pius-xi/en/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_19310515_quadragesimo-anno.html und https://homepage.univie.ac.at/christian.sitte/PAkrems/zerbs/volkswirtschaft_I/beispiele/wio_b07.html).
Der Einsatz für Ehe und Familie war für Papst Franziskus ein brennendes Anliegen. Dass dies oft in der veröffentlichten Meinung übergangen wurde, war bedauerlich, ja destruktiv. Es ändert aber nichts an der Tatsache.

Ebenso war Papst Franziskus doch ein großer Marienverehrer und zugleich jemand, der stark dem heiligem Josef Anerkennung zollte und dies in seinem Pontifikat deutlich machte. Auch hier kann man immer wieder nur vor öffentlicher Oberflächlichkeit und Irreführung warnen.

Immer wieder geht es eben darum, auch und gerade bei Rückschlägen Beharrlichkeit zu verwirklichen. Es geht um Nachhaltigkeit und nicht um (vermeintlich) tolle Schlagzeilen und den oft so ganz kurzlebigen Applaus gegenwärtiger Machthaber.

Franziskus hat dies in vielfältiger Weise verwirklicht.

Da war sein tiefgründiges kulturelles Interesse. Friedrich Hölderlin hat er als seinen Lieblingsdichter bekannt und gerne zitiert. Davon ließ er sich nicht von irgendwelchen Beurteilungen, Zensurwünschen und Subventionspraktiken politischer Strukturen abbringen. Bis hin zur damaligen deutschen Bundeskanzlerin haben sich dann sogar Politikerinnen und Politikerinnen bei diesen Dingen eher etwas nach ihm gerichtet. Dies ergab sich auch in Hinblick auf die besondere Wertschätzung von Franziskus für den Dirigenten Wilhelm Furtwängler. Da soll der heimgegangene Papst gerade betreffende Wagner-Aufführungen geschätzt haben. Es ist nicht bekannt, dass er sich dabei um aktuelle vermeintliche oder tatsächliche Meinungsumfragen oder um Stellungnahmen in diversen Medien gekümmert habe.
Diese Selbständigkeit und zugleich Beharrlichkeit im eigenen Handeln zeigte Papst Franziskus auch in ganz anderen Bereichen.

Da mögen vielen Menschen seine Aktivitäten in Richtung Palästina in den Sinn kommen. Schließlich war er der Papst, welcher ausdrücklich die grundsätzlich uneingeschränkte Anerkennung des Staates Palästina mit vollen gegenseitigen diplomatischen Beziehungen erklärte. Die traditionelle päpstliche Unterstützung des Heiligen/Apostolischen Stuhles für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten setzte er fort. Seinen Besuch im Heiligen Land nutzte er zu einer besonders publikumswirksamen Unterstützung für palästinensische Anliegen. Beschimpfungen nicht zuletzt von US-Politikern, verbunden mit Angriffen ganz generell gegen die völkerrechtliche bzw. diplomatische Stellung des Heiligen Stuhles wie auch den international anerkannten Status des Vatikanstaates mit dem Papst als Staatsoberhaupt konnten ihn davon nicht abbringen. Als dann der jüngste aller bisherigen Gaza-Kriege ausbrach, erwies Papst Franziskus den Menschen in Gaza eine ganz außerordentliche Anteilnahme. Es wird berichtet, er habe täglich (!) mit Angehörigen der dortigen katholischen Minderheit telefoniert. Dies setzte er offensichtlich fort bis zum Ende, als seine Kräfte immer schwächer wurden. Bei seinem letzten öffentlichen Auftreten als Oberhaupt der Kirche, das ja zugleich ein wirkliches Staatsoberhaupt und die Verkörperung eines Völkerrechtssubjektes eigener Art ist, forderte er einen Waffenstillstand zugunsten der Menschen im Gazagebiet. Diese so außerordentlich persönliche Beziehung von Papst Franziskus mit den dortigen Menschen wurde immerhin einigermaßen in den internationalen Medien gewürdigt. 

Dabei sollte man aber auch seinen leidenschaftlichen Einsatz für die Republik Südsudan und deren vielfältige Völker und Kulturen nicht vergessen. Wie in dieser Reihe „Gedanken zur Woche“ dargestellt, verband er dieses geschickt mit seinem Eintreten für eine möglichste Eigenständigkeit Schottlands unter Berücksichtigung der presbyterianischen Nationalkirche Schottlands. Nicht umsonst schritt die Zusammenarbeit mit dieser international so wichtigen Denomination während seines Pontifikates deutlich voran. Papst Franziskus ließ sich auch in Hinblick auf Schottland durch Rückschläge nicht entmutigen. Als die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands im Jahr 2014 noch nicht die von der überwältigenden Mehrheit der dortigen Katholiken unterstütze Unabhängigkeit erbrachte, hielt Papst Franziskus auch hier Kurs. Gegen allen Druck und entgegen probritischen Desinformationen stärkte er weiter der schottischen Bischofskonferenz und engagierten Laien in Schottland den Rücken. Er förderte weiterhin die auch politisch eminent wichtige Zusammenarbeit mit der offiziellen presbyterianischen Nationalkirche. Mit der gemeinsamen Reise in die Republik Südsudan verhalf er doch eigens deren Moderator zu einem vielbeachteten internationalen Auftritt. Die schottische katholische Bischofskonferenz behielt ihren Status als direkt dem Papst zugeordnete nationale Bischofskonferenz und wurde nicht einer von (pro-)britischer Seite kolportierten großbritischen Bischofskonferenz geopfert!
Genauso hat Papst Franziskus auch in Nordirland Kurs gehalten. Dieses wurde in Treue zu seinen Vorgängern als Teil der einen irischen Ortskirche innerhalb der katholischen Weltkirche verteidigt. Das katholische Irland verfügt weiterhin über eine einheitliche Bischofskonferenz mit einem einzigen Nationalprimas für ganz Irland. Papst Franziskus durfte es erleben, dass in seinem Pontifikat mit Michelle O‘Neill erstmals eine bekennende Katholikin das Amt der Ministerpräsidentin in Nordirland übernehmen konnte. Der Nordirlandkonflikt als solcher ist ja keineswegs zu Ende. Dies wurde deutlich, als nun in aller Öffentlichkeit mit Unterstützung führender unionistischer Politiker Anhänger der britischen Monarchie in Nordirland den toten Papst verhöhnten. Sie machten dabei nicht nur ihre Feindschaft gegen den Papst und sein Amt deutlich, sondern auch, dass katholisches Leben in Nordirland mit seinen Kirchengebäuden, Ordensschwestern bis hin zu Rosenkränzen überhaupt zu verschwinden hätte. Es bleibt zu hoffen, dass hier wie dort der nächste Papst das Stehvermögen von Franziskus „erbt“.
Dies gilt beispielsweise auch in Hinblick auf die Verteidigung der vollen diplomatischen Beziehungen mit der Republik Taiwan sowie die Bereinigung noch anstehender Schwierigkeiten mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. und den mit dieser verbundenen Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, Laienorganisationen und Bildungseinrichtungen.


Besonders quälend bleibt sicher die Auseinandersetzung mit dem Krebsgeschwür des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Die unter Papst Franziskus verfügte Verschärfung des kirchlichen Strafrechts und zahlreiche päpstliche Stellungnahmen weisen in eine richtige Richtung. Wie aber in „Gedanken zur Woche“ mit ausnahmslos zustimmenden Rückmeldungen bereits verdeutlicht wurde, sind kirchenrechtliche Nachbesserungen möglich bis wünschenswert, und überhaupt weitere Maßnahmen immer wieder zu ergreifen.

 

 

 

Gedanken zur Woche 266, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2025)

Wenn so etwas wie ein SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT in der katholischen Kirche oder in Teilen derselben begangen wird, kann leicht bei gutwilligen Menschen ein mulmiges Gefühl hochkommen oder gar richtige Wut hervorbrechen. Dies kann dann noch verstärkt auftreten, wenn zugleich der WEISSE SONNTAG als Tag der ersten Heiligen Kommunion gefeiert wird. Bei dieser geht es dann in der Regel um die Erstkommunion von Kindern.
Kaum ein Begriff wurde gerade in den Jahren seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil im kirchlichen Bereich so missbraucht, wie das Wort Barmherzigkeit oder auch das Wort Liebe.
Mit diesen Schlagworten wurde ungezählte Mal und ganz systematisch Partei für Täter ergriffen und gezielt Opfern weiteres Leid zugefügt. Es ging darum, „Barmherzigkeit“ und „Liebe“ für Täter zu praktizieren, wenn diese einem genehm waren, oder wenn man sich dafür etwas als Gegenleistung erhoffte. Allein schon so etwas wie Corpsgeist kann immer üble Folgen haben. Es droht eine Verdunkelung des Unrechtsbewusstseins und das Entwickeln und Verfestigung einer Unkultur im Sinne des „Eine Hand wäscht die andere“ oder auch „Ich gebe, damit du gibst“.
Ich erinnere mich, wie sich einmal vor Jahren anhand des Kriminalfilmes mit dem amerikanischen Originaltitel „Murder at the Presidio“ und dem Titel für die deutsche Synchronübersetzung „Tatort: Presidio“ ein Gespräch entwickelte, an dem ich beteiligt war. Man stimmte mir einhellig zu, dass Corpsgeist immer zu falschem Verhalten führen kann. Entweder man unterstützt in der ein oder anderen Weise ganz bewusst den bzw. die Täter. Es kann passieren, dass man zuerst einmal mehr unbewusst irgendwie verdrängt, was auf ein schuldhaftes Verhalten eines Kollegen, Verwandten, Kameraden oder Mitbruders hinweist. Erst wird etwas noch mehr oder minder naiv verdrängt, bevor man dann im betreffenden Kontext vielleicht ganz bewusst für den Täter, die Täterin bzw. Gruppe von Tätern bzw. Täterinnen handelt. Im Falle des besagten Krimis spielt sich so etwas im militärischen Milieu ab
Das geschieht und kann natürlich auch anderswo geschehen als nur im Militär, um bei „Tatort: Presidio“ zu bleiben. Bevor Vertreter konfessioneller Gemeinschaften nun eifrig den Finger auf so etwas wie für sie außenstehende Berufsgruppen, missliebige Ethnien oder politische Parteien richten, sollte vernehmbar akzeptiert werden, dass dies eben auch und nicht zuletzt in sich religiös-konfessionell definierenden Strukturen geschieht.
Erschütternde Enthüllungen kamen gerade in den letzten Jahren ans Licht. Schwer hat es mit den Südlichen Baptisten, dem Southern Baptist Convention, die größte protestantische Gemeinschaft in den USA, erwischt (siehe Gedanken zur Woche 114 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022)). Dass die betreffenden Skandale und Enthüllungen nicht zuletzt die anglikanische Staatskirche von England schwer getroffen haben (siehe allgemein Gedanken zur Woche 250-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2025)) hat dann auch gerade seine schwerwiegende politische Bewandtnis. Mit Justin Welby hatte exakt jener anglikanische Erzbischof von Canterbury zurückzutreten, welcher noch zuvor den jetzigen König Charles gekrönt hatte. Dabei war er nicht der einzige anglikanische Spitzenvertreter, den es in jüngster Zeit erwischt hat. Sein pensionierter Vorvorgänger als oberster Bischof der Staatskirche, George Carey, hatte auf die weitere Ausübung des Priesteramtes zu verzichten. Dabei sollte an dieser Stelle nicht verdrängt werden, dass sog. anglikanische Weihen weiterhin von der römisch-katholischen Kirche nicht anerkannt werden. Konvertierende bisherige anglikanische Geistliche müssen üblicherweise noch einmal geweiht werden. Dies war in den letzten Jahren sogar bei einer Reihe von einst anglikanischen Bischöfen der Fall. Lediglich Weihen, die vorher in altorientalischen, orthodoxen oder einer von Rom diesbezüglich eigens anerkannten altkatholischen Weihelinie gespendet wurden, werden anerkannt. Dies kam dann im Falle des Falles einem betreffenden Konvertiten aus dem Anglikanismus zugute. Unabhängig davon wird in Großbritannien die Abschaffung staatskirchlicher Privilegien für die anglikanische Kirche von England diskutiert. Nicht zuletzt der Umstand, dass 26 betreffende staatskirchliche Bischöfe automatisch dem Oberhaus angehören (siehe Gedanken zur Woche 255-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)), steht in der Kritik. Da war es dann um so mehr ein zusätzlicher, eben auch politisch relevanter Schlag, dass inzwischen auch der anglikanische Bischof von Liverpool, John Perumbalath, seinen Rücktritt zu erklären hatte. Bemerkenswerterweise war, als die Krise in Zusammenhang mit Enthüllungen von Missbrauch und dessen Vertuschung eskalierte, der sozialdemokratische Premierminister Keir Starmer gerade gegenüber Erzbischof Welby auf erkennbare Distanz gegangen. Auch seitens der konservativen Opposition und ihrer Parteiführung raffte man sich demonstrativ nicht zu irgendeiner Entlastungsoffensive für die Spitzenvertreter der anglikanischen Staatskirche auf. Gleiches ließ sich für die Führung der Liberaldemokraten in England wie im weiteren Großbritannien feststellen.
Die Verquickung von Politik, materiellem Wohlstand und Religion funktioniert also auch im Falle der anglikanischen Staatskirche von England immer weniger. Dies sollte auch römisch-katholischen Kirchenkreisen mit einer betonten Nähe zu weltlichen Machthabern und Wirtschaftsinteressen sehr zu denken geben.
Dabei hat natürlich auch die katholische Kirche ihre Missbrauchsskandale. In dieser Reihe wurde doch wiederholt schon deutlich in diese Richtung gewiesen. Offensichtlich übergehen amtliche Kirchenvertreter Aussagen über Fehlentwicklungen in der Kirche zugunsten von Tätern und auf Kosten von Opfern am liebsten mit Schweigen. Dies gilt auch für die so deutlichen Aussagen von Benedikt XVI. (siehe Gedanken zur Woche 63 – 10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 63-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2021); Gedanken zur Woche 78 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA UND WELTFRIEDENSTAG (2022); Gedanken zur Woche 239 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024) und mit Hinweis auch auf Papst Franziskus auch Gedanken zur Woche 193 – 1. ADVENTSONNTAG (2023) und Gedanken zur Woche 259 – 1. FASTENSONNTAG (2025)).

Dabei wird im CIC eigens vorgeschrieben, die Rechte von Minderjährigen und anderen besonders verletzlichen Personen auch im kirchlichen Gerichtswesen nach Kräften zu schützen und nicht solche Menschen gewissermaßen zu überrollen. In diesem Sinne sollen in den gegebenen Fällen eigens Eltern, Vormünder und Pfleger wirken.
So lautet Paragraph 1 von CIC-Canon/Kanon 1478:

„Minderjährige und solche, die des Vernunftgebrauches entbehren, können unbeschadet der Bestimmung von § 3, vor Gericht nur durch ihre Eltern, Vormünder oder Pfleger handeln.“

Im Ernstfall müssen die Rechte von Minderjährigen im kirchlichen Gerichtswesen auch gegenüber Eltern, Vormündern und Pflegern ausdrücklich geschützt werden, was durch Paragraph 2 dieses Canons/Kanons 1478 herausgestellt wird:

„Glaubt der Richter, dass die Rechte der Minderjährigen im Widerstreit mit den Rechten der Eltern, Vormünder oder Pfleger stehen oder dass diese die Rechte der Minderjährigen nicht ausreichend wahren können, so sollen sie vor Gericht durch einen vom Richter bestellten Vormund oder Pfleger handeln.“

Einen grundsätzlichen rechtlichen Eigenstand von Minderjährigen auch gegenüber ihren Eltern betont der schon in Paragraph 1 von Canon/Kanon 1478 erwähnte Paragraph 3 desselben Canons/Kanons:

„In geistlichen und mit diesen zusammenhängenden Sachen können Minderjährige, wenn sie den Vernunftgebrauch erlangt haben, ohne Zustimmung ihrer Eltern oder ihres Vormundes klagen und sich verantworten, und zwar selbständig, wenn sie das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, andernfalls durch einen vom Richter bestellten Pfleger.“

Schon gar nicht sollten Eltern und Vormünder helfen, Untaten, die an ihren Kindern bzw. Schutzbefohlenen begangen wurden, zu vertuschen. Dies darf auch und gerade dann nicht geschehen, wenn der (mutmaßliche) Täter bzw. die (mutmaßliche) Täterin Inhaber bzw. Inhaberin eines kirchlichen Amtes, einer kirchlichen Funktion oder einer kirchlichen Aufgabe ist. Dies gilt natürlich ebenso, wenn es sich um mehr als eine Täterin oder einen Täter handelt.
Gerade auch Minderjährige sollten dazu vor den Folgen ungerechter Urteile im kirchlichen Gerichtswesen geschützt werden. So hält Paragraph 3 von Canon/Kanon 1646 in Zusammenhang mit einer etwaigen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fest:

„Die erwähnten Fristen laufen nicht, solange der durch ein ungerechtes Urteil Verletzte minderjährig ist.“

 

1. Lesung: Apg 5,12-16
2. Lesung: Offb 1,9-11a.12-13.17-19
Evangelium: Joh 20,19-31

 

 

 

Gedanken zur Woche 266-b, Dr. Matthias Martin
2. OSTERWOCHE (2025)

Die Heiligen der kirchlichen Tradition haben jeweils ihre ganz eigene Aussagekraft. Dies gilt auch für die Heiligen, die uns besonders vorgestellt werden, wenn wir dem derzeit allgemein üblichen liturgischen Kalender für die 2./ZWEITE OSTERWOCHE in diesem Kalenderjahr 2025 folgen.
Natürlich geht es immer um die drei christlichen Grundtugenden von Glauben, Hoffnung und Liebe. Stets werden wir durch die Heiligen hingewiesen auf das doppelte Liebesgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Dies ist dann grundsätzlich nicht zu trennen vom sakramentalen Leben mit den nicht nur nach katholischer Überlieferung sieben Sakramenten von Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte/Buße, Ehe, Weihe und Krankensalbung.
Jede einzelne Heilige und jeder einzelne Heilige bietet aber doch besondere, eigene Akzente. Wie bei anderen konfessionellen oder religiösen Traditionen innerhalb wie außerhalb des Christentums hat sich auch im Katholizismus eine organisatorische Ausdifferenzierung und nicht zuletzt eine rechtliche Ausgestaltung ergeben. Umso mehr weist das tatsächliche Leben der katholischen Kirche und ihrer Angehörigen in Raum und Zeit eine Vielschichtigkeit auf, die man nicht verdrängen oder verleugnen sollte.

Dass es da auch zu innerkirchlichen Spannungen kommen kann, macht besonders augenfällig, ja dramatisch die heilige Katharina von Siena deutlich. Wie sehr die katholische Kirche und ihre unverfälschte Überlieferung Frauen beizeiten höher zu schätzen wusste, als viele heutzutage meinen, wird durch den Umstand ihres enormen kirchenpolitischen wie allgemeingesellschaftlichen Einflusses und natürlich die besonderen Ehren, die ihr von der katholischen Kirche zuerkannt wurden, deutlich. So wurde sie nicht nur mit der Heiligsprechung zur Ehre der Altäre erhoben. Vielmehr wurde sie längst kirchenamtlich als Kirchenlehrerin anerkannt wie auch als Schutzpatronin, als Mitpatronin Europas proklamiert.

Dabei stammte sie aus ganz einfachen Verhältnissen. Für Vertreter höhergestellter Kreise wie gerade der französischen Monarchie und ihre Parteigänger war das mehr oder minder „Mob und Pöbel“.
Die heilige Katharina von Siena hat sich davon aber nicht einschüchtern lassen. Zum einen schuf sie ein beachtliches literarisch-theologisches Werk. Davon nicht wirklich zu trennen wirkte sie zum anderen energisch in das gesellschaftliche, politische und kirchliche Tagesgeschehen hinein. Besonders bedeutsam wurde ihr starkes Einwirken auf Papst Gregor XI. (Pontifikat von bis 1370 bis 1378). Ihn konnte sie durch deutliche Vorstellungen dazu bewegen, die „Babylonische Gefangenschaft der Kirche/des Papsttums“ unter dem erdrückenden und korrumpierenden Einfluss Frankreich in Avignon durch eine Rückkehr des Papstsitzes nach Rom so weit wie möglich zu beenden.
Ihr als einer einfachen Frau gelang es, den Papst zum Handeln zu bewegen und zugleich der damaligen französischen Supermacht Paroli zu bieten! Dieses Wirken der heiligen Katharina von Siena verdeutlicht das grundsätzliche Gegenüber bis Spannungsverhältnis von hierarchischem oder verordnetem Amt auf der einen und Prophetentum/prophetischem Wirken auf der anderen Seite in der Kirche. Dieses Spannungsverhältnis tritt wohl besonders deutlich im alttestamentlichen Buch Amos zutage. Aber auch schon früher wird eine grundsätzliche Differenzierung deutlich. So tritt im Pentateuch der ersten fünf Bücher des Alten/Ersten Testaments Mose als der Prophet auf. Sein Bruder Aaron verkörpert den Priester, und er gilt in der Überlieferung als erster Hohepriester, ja als Vertreter eines erblichen Hohepriestertums. In den beiden Makkabäerbüchern sind es dann einfache Menschen aus dem Volk, die durch ihren Widerstand die überlieferte Religion, das Erbe der Väter, verteidigen. Priestern und Hohepriestern kommt dabei eine nicht so glorreiche bis peinliche Rolle zu. Dabei wird auch hier nicht die Abschaffung des Priestertums und des Tempeldienstes propagiert, sondern eine an der Überlieferung orientierte wahre Erneuerung.

Auf die einfachen Menschen werden wir dann gerade mit dem Gedenktag bzw. Festtag von Josef dem Arbeiter am 1. Mai gewiesen. Die Festlegung dieses Tages durch Papst Pius XII. war eine bewusste Akzentsetzung. Der heilige Josef wird hier eben als „der Arbeiter“ und nicht als selbständiger Handwerker oder Kleinunternehmer vorgestellt, der er wohl in etwa gewesen sein dürfte. Es ging theologisch und auch pastoral bis kirchenpolitisch darum, die Kirche in bewusster Auseinandersetzung mit allen Varianten des Kommunismus und ihren Unterstützern als die Kirche der kleinen Leute zu präsentieren.
Dabei zeigt sich diese Orientierung grundsätzlich in vielen Bereichen. Zum einen gibt es da die Sozialenzykliken und anderen in diese Richtung gehenden Stellungnahmen der Päpste und Einrichtungen der römischen Kurie. Dann gibt es da natürlich das so umfangreiche caritative Wirken der Kirche mit eigenen Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, Vereinen und Verbänden, welche hier ihren besonderen Schwerpunkt setzen. Man denke hier nicht zuletzt an katholische bzw. christliche Gewerkschaften in Geschichte und Gegenwart und an das Kolpingwerk.

Die Berücksichtigung finanziell schwächer gestellter Menschen wird auch im katholischen Verfahrensrecht, dem kanonischen Prozessrecht ausgesprochen.
Dies wird bereits in Kapitel II „Reihenfolge der Untersuchungen“ des Titels III „Gerichtsordnung“ von Teil I „Gerichtsverfahren im Allgemeinen“ des CIC etwas deutlich. So sprich der dortige Canon/Kanon 1464 ausdrücklich die Möglichkeit eines unentgeltlichen Rechtsschutzes an:

“Fragen der Sicherheitsleistung für die Gerichtskosten oder der Gewährung des unentgeltlichen Rechtsschutzes, der von vornherein bei Beginn des Verfahrens beansprucht worden ist, und andere derartige Fragen sind regelmäßig vor der Streitfestlegung zu entscheiden.“

Später ist dann Titel X der Sektion I „Ordentliche Streitverfahren“ im CIC mit den Worten überschrieben „Gerichtskosten und unentgeltlicher Rechtsschutz“. Im einzigen zu diesem Titel X gehörenden Canon/Kanon 1649 wird in Paragraph 1 u. a. festgelegt:

„Der Bischof, dem die Leitung des Gerichtes obliegt, soll Bestimmungen erlassen über:
…
3° die Gewährung des unentgeltlichen Rechtschutzes oder einer Ermäßigung der Gerichtskosten … .“

Dass schwächere wirtschaftliche Verhältnisse nicht zum Schaden für den Betroffenen bei Vorgängen im kirchlichen Gerichtswesen führen sollen, wird deutlich. Natürlich gilt es, solche gemachten Vorgaben auch im guten Sinne mit Leben zu erfüllen. Papier allein ist ja geduldig, und so etwas kann bedauerliche bis regelrecht skandalöse Folgen haben.
So dürfen ja Richter, Kirchenanwälte, Bandverteidiger, Beisitzer und Vernehmungsrichter laut Canon/Kanon 1448 nicht in einem Rechtstreit tätig werden, wenn sie wegen „Erwartung eines Gewinnes oder Vermeidung eines Verlustes irgendwie persönlich interessiert“ (siehe Gedanken zur Woche 264 – PALMSONNTAG (2025)) sind.
Recht deutlich und für alle möglichen im kirchlichen Gerichtswesen ausgetragenen Auseinandersetzungen ist Canon 1456 des CIC formuliert. Geschenkannahme wird da grundsätzlich untersagt:

„Dem Richter und allen Gerichtspersonen ist verboten, gelegentlich ihrer gerichtlichen Tätigkeit irgendwelche Geschenke anzunehmen.“

Eine derartige Regelung findet man auch in weltlichen Rechtsordnungen. Umso mehr sollte man im kirchlichen Bereich einschließlich dem kirchlichen Gerichtswesen peinlich bemüht sein, jeden Anschein zu vermeiden, dass es sich besser betuchte da irgendwie richten könnten. Genauso verheerend ist der Eindruck, dass Gefälligkeiten wie Unfreundlichkeiten seitens kirchlicher Vertreter nach so etwas wie parteipolitischen Kriterien gewährt bzw. verweigert werden oder überhaupt dazu gedacht seien, es sich bei politisch einflussreichen Persönlichkeiten nett zu richten.

In diese Richtung weist grundsätzlich auch der CCEO für die Katholischen Ostkirchen. Im dortigen Canon/Kanon 1114 wird festgehalten:

„Den Richtern und allen anderen Mitarbeitern des Gerichts ist es verboten, aus Anlaß der Gerichtstätigkeit irgendwelche Geschenke anzunehmen.“ 

So etwas wie den Parallelkanon zum CIC-Canon/Kanon 1448 stellt CCEO-Canon/Kanon 1106 mit seinen zwei Paragraphen dar.

 

 

 

Gedanken zur Woche 265, Dr. Matthias Martin

HOCHFEST VON OSTERN – AUFERSTEHUNG DES HERRN (2025)

Das Hochfest von OSTERN, das Hochfest von der AUFERSTEHUNG DES HERRN Jesus Christus steht im Mittelpunkt des christlichen Glaubens und damit verbundener Lebensentscheidungen.

Ausgehend von der beginnend mit den Frauen am Grab bezeugten Auferstehung hat sich doch ganz Einzigartiges entwickelt. Die Anhängerschaft eines von den römischen Machthabern unter mehr oder minder deutlichen Mitwirkung ihrer örtlichen Kollaborateure verurteilten und hingerichteten Mannes hat sich nicht verlaufen und ist nicht verschwunden. genaue Gegenteil geschah! Aus dieser kleinen und nach der Verurteilung und Kreuzigung so verschreckten Gruppe von Anhängerinnen und Anhängern Jesu von Nazarets entwickelte sich eine Weltreligion. Ja, es wurde nach allgemeinem Dafürhalten der Zahl ihrer Anhängerinnen und Anhänger nach sogar die größte Weltreligion.
Andere Bewegungen, die von charismatischen Personen ausgingen, sind immer wieder vergangen. Auch in neuester Zeit erlebte bzw. erlebt man es immer wieder, dass eine mehr oder minder religiöse Bewegung zunächst spektakulär von sich reden macht, Zulauf gewinnt und dann wieder abnimmt bis hin zu einer mehr oder minder handfest feststellbaren Auflösung, einem richtigen Erlöschen. Aus so mancher neureligiösen Bewegung der letzten Jahrzehnte ist, bildlich gesprochen, längst wieder die Luft heraus.
Dies gilt auch für die zahlreichen Einzelpersonen und Bewegungen der neuesten Zeit, die sich auf angebliche Erscheinungen in einem mehr oder minder christlichen Kontext beriefen bzw. berufen. Bekanntermaßen hat seit den sechziger Jahren eine regelrechte Inflation an vermeintlichen Erscheinungen gerade Mariens, der Mutter Jesu, und an Wundern entwickelt. Eine genauere Betrachtung von Einzelpersonen und Gruppen bis winzigen Grüppchen, die aus dem katholisch-traditionalistischen Unbehagen mit der Entwicklung der katholischen Weltkirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hervorgegangen sind, ist da interessant und kann als deutliche Warnung dienen. Immer wieder wurden da Behauptungen in Umlauf gesetzt, die selbst für Nichttheologinnen und Nichttheologen sehr leicht als im deutlichen Widerspruch zur allgemeineren christlichen Überlieferung und speziell zu traditionell katholischen Inhalten stehend durchschaut wurden. Die Erklärung einer oder gar mehr als einer Person zur zusätzlichen göttlichen Person zusätzlich zu der im von Ersten Konzil von Nicäa und dem Ersten Konzil von Konstantinopel ausgehenden Großen Glaubensbekenntnis bekannten Allerheiligsten Dreifaltigkeit von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist ist doch schon wirklich neuartig oder „kreativ“. Dies gilt auch für die Hereinnahme von Elementen einer zeitweise populäreren Ufologie oder die Behauptung, eine Frau neuer Zeit sei Wiedergeburt Mariens, der Mutter Jesu. Gar manche der betreffenden vermeintlichen Offenbarungsmedien und Gruppen oder Grüppchen verschwand in folgenden Jahren dann längst wieder von der Bildfläche. Warnungen des Apostolischen/Heiligen Stuhles wie seriöser Vertreter eines sehr traditionsbewussten Katholizismus sind also umso berechtigter. 

Auch politische Parteien und die mit ihnen verbundenen Ansprüche scheitern immer wieder vernehmlich. Dies geschieht für Außenstehende oft recht sang- und klanglos, da irgendein sich zum Parteigründer berufen fühlender Akteur eh keinen nennenswerten Anhang gewinnen konnte. Nicht umsonst unterstrich mein damaliger Geschichtslehrer in dem von mir besuchten unterfränkischen Gymnasium, dass irgendwo im Land ständig neue Parteien gegründet würden. Die meisten scheiterten sofort und vollständig. Wenn eine neugegründete Partei auch nur vorübergehend bei Wahlen nennenswert Erfolg erziele, um dann eh wieder zu verschwinden, sei dies schon bemerkenswert und lade ein, eigens betrachtet zu werden.

Hier wie dort wollen dann oft einstige Aktivisten bis Führungsgestalten solcher gescheiterten Unternehmungen nicht mehr auf ihre Beteiligung angesprochen werden. Da gilt eben immer wieder die Redensart „Nachher will es wieder keiner gewesen sein!“ oder „Nachher war’s wieder keiner!“ 

 

Beim Christentum verlief es ausgehend von der bezeugten Auferstehung Jesu Christi ganz anders. Das Christentum entwickelte sich und überlebte alle Diskriminierungen und Verfolgungen. Das Römische Reich, dessen Statthalter Pontius Pilatus Jesus zum Tode verurteilte und eben durch römische Soldaten hinrichten ließ, ist demgegenüber längst vergangen. Es bleibt da eine Frage für Historikerinnen und Historiker wie Freundinnen und Freunde staatsrechtlicher Nachforschungen und Diskussionen, wann dieses Römische Reich endete. Aber irgendwie gilt doch augenscheinlich: „Futsch ist futsch!“

Die mit den Römern gerade auch gegen Jesus von Nazaret zusammenarbeitenden Sadduzäer sind noch viel schneller von der Bildfläche verschwunden. Mit ihnen ging es schon in Zusammenhang mit dem Ersten Jüdischen Krieg, dem ersten großen jüdischen Aufstand, zu Ende. Das mag als eigene Warnung davor dienen, sich es mit weltlichen Machthabern als religiöse Gemeinschaft so nett einrichten zu wollen.

Kritische Distanz und intensive ehrliche Prüfung ist da eben immer wieder angesagt.
Dies betont die katholische Kirche auch in Hinblick auf Selig- und Heiligsprechungen. Ein eigener Bereich des außerkodikarischen Kirchenrechts ist Kanonisationsverfahren gewidmet.
Im CIC von 1983 wird darauf deutlich verwiesen. So lautet Paragraph 1 des dortigen Canons/Kanons 1403 ganz grundsätzlich:

„Die Verfahren zur Kanonisation der Diener Gottes werden durch besonderes päpstliches Gesetz geregelt.“

Auch auf das allgemeinere kodikarische Kirchenrecht wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen. So lautet Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanons 1403:

„In diesen Verfahren finden außerdem die Vorschriften dieses Gesetzbuches Anwendung sooft in diesem Gesetz auf das allgemeine Recht Bezug genommen wird oder es sich um Normen handelt, die aus der Natur der Sache auch auf diese Verfahren zutreffen.“

Irgendwelche Sonder- oder Neuoffenbarungen sind also auch hier nicht als rechtliche Norm oder Rechtsquelle vorgesehen.

Knapper ist es bezüglich Kanonisationsverfahren im CCEO für die Katholischen Ostkirchen gehalten. Dies Aussagerichtung aber ist offenkundig dieselbe. Canon/Kanon 1057 des CCEO hält nämlich fest:

„Bei Fällen von Dienern Gottes, damit sie unter die Heiligen gezählt werden, müssen die besonderen vom Papst festgesetzten Normen gewahrt werden.“

Im Besonderen wird damit auch in Hinblick auf den doch eher speziellen Bereich der Kanonisationsverfahren die volle Gemeinschaft der Katholischen Ostkirchen, auch genannt unierte/Unierte Kirchen und katholische orientalische Kirchen, mit dem Papst unterstrichen. Im weiteren Sinne weist auch dies auf die volle Einheit in der Glaubens- und Sittenlehre mit der so viel größeren Lateinischen Kirche im Rahmen der katholischen Weltkirche hin.
Sich besonders wichtig oder katholischer als der Papst fühlende Theologinnen und Theologen, Vereins- und Verbandsfunktionäre und -innen innerhalb der Lateinischen Kirche sollten also mit gegen Katholische Ostkirchen und ihre Gläubigen gerichteten Unterstellungen und Ausgrenzungen erst recht vorsichtig sein.
Dies gilt natürlich nicht nur zum Osterfest, sondern während des ganzen Jahres. So etwas ist eine Angelegenheit zu allen Jahreszeiten.

 

Osternacht:
1. Lesung: Gen 1,1-2,2 (oder 1,1.26-31a)
2. Lesung: Gen 22,1-18 (oder 22,1-2.9a.10-13.15-18)
3. Lesung: Ex 14,15-15,1
4. Lesung: Jes 54,5-14
5. Lesung: Jes 55,1-11
6. Lesung: Bar 3,9-15.32-4,4
7. Lesung: Ez 36,16-17a.18-28
8. Lesung: Röm 6,3-11
Evangelium: Lk 24,1-12

Ostersonntag:
1. Lesung: Apg 10,34a.37-43
2. Lesung: Kol 3,1-14 oder 1 Kor 5,6b-8
Evangelium: Joh 20,1-9 oder Lk 24,1-12;
bei der Abendmesse gegebenenfalls auch Lk 24,13-35

 

 

 

Gedanken zur Woche 265-b, Dr. Matthias Martin
OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2025)

Die Bedeutung des Hochfestes von OSTERN, dieses so herausragenden Festes I./Erster Klasse wird zusammen mit der besonderen Ausgestaltung der OSTERNACHT auch dadurch unterstrichen, dass mit ihm eine eigene Oktav, eben die OSTEROKTAV, verbunden ist.
Im Volksschott für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus von 1961 und damit aus der Amtszeit von Papst Johannes XXIII. heißt es zum OSTERMONTAG:

„Alle Tage der Osterwoche gelten der Liturgie als Festtage. Die Neugetauften wohnten in weißen Gewändern der Messe bei; deshalb beziehen sich die Texte der Meßfeier vielfach auf die in der hl. Taufe erlangte Wiedergeburt. Auch wir danken in diesen Tagen für die Gnade, die uns im Empfang der hl. Taufe zuteil geworden, und sind uns des neuen Lebens in Christus und der Reichtümer des Christenstandes bewußt.“ 

Die Wichtigkeit der OSTEROKTAV wird augenfällig in der deutschen Sprache verdeutlicht. So können die betreffenden folgenden Tage eigens mit zusammengesetzten Substantiven bezeichnet werden: OSTERDIENSTAG, OSTERMITTWOCH, OSTERDONNERSTAG, OSTERFREITAG und OSTERSAMSTAG. Der anschließende Sonntag wird traditionell ZWEITER SONNTAG DER OSTERZEIT wie auch WEISSER SONNTAG genannt. Auch andere Formulierungen und Schreibweisen sind dazu möglich. (siehe Gedanken zur Woche 210-b - OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2024)). Das Hochfest von OSTERN und die ganze OSTEROKTAV hat damit um so mehr allein schon in sprachlicher Hinsicht ihre besondere Bedeutung. Auch von daher mögen sich Menschen guten Willens angesprochen fühlen, für die Erhaltung der zugrundeliegenden religiösen Überlieferung einzutreten.

Eine eigene Herausforderung stellt dabei die Verteidigung des OSTERMONTAGS als öffentlichen Feiertag bzw. allgemein anerkannten arbeitsfreien Tag überall dort dar, wo er diesen Status besitzt. Hinzu kommt wie bei vergleichbaren besonderen Tagen die Möglichkeit, sich gerade in einem föderalen und konföderalen Staatsverband für eine Ausdehnung einer solchen Anerkennung einzusetzen, wenn diese in einigen Mitgliedsgebieten oder Teilstaaten eines solchen Staatswesen schon gegeben ist, in anderen aber noch nicht.

Das ist dann eben auch eine gute Gelegenheit für eine engagierte Zusammenarbeit zwischen konfessionellen Gemeinschaften einschließlich der katholischen Kirche und Gewerkschaften einschließlich und Arbeitnehmerorganisationen. Hinzu kommen, soweit vorhanden natürlich, je nachdem Arbeiterkammern, Arbeitnehmer- oder Arbeitskammern (siehe Gedanken zur Woche 115-b – PFINGSTMONTAG und 10. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 161 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 73 – HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DER HIMMEL und 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Dies gilt natürlich auch unabhängig davon, welche Art von Gewerkschaftswesen in einer Region oder einem Staatsverband vorhanden ist. Besonders in EU-Mitgliedsländern wie Frankreich, Spanien, Italien und Belgien ist das System von Richtungsgewerkschaften traditionell besonders stark verankert. Je nach kulturellem Raum und historischer Region gibt es immer wieder auch innerhalb solcher EU-Mitgliedsländer noch einmal erhebliche Unterschiede.
Die über die jetzigen Grenzen der dortigen Autonomieregion Baskenland hinaus tätigen baskischnationalen Gewerkschaften sind im jetzigen Königreich Spanien eine eigene ernstzunehmende Größe. Die Autonomieregion Andalusien weist markante Eigenheiten in Hinblick auf die Gewerkschaften auf. Es gibt einen eigenen ernstzunehmenden galicischen/galizischen Gewerkschaftsbund, der seinerseits auch international organisiert ist. Überhaupt zeichnen sich die Gewerkschaften im derzeitigen Königreich Spanien durch eine für Außenstehende oft überraschende Vielfalt aus.
In Hinblick auf das derzeitige französische Staatsgebiet können bezüglich Gewerkschaften gerade die Besonderheiten in der Bretagne, in Elsass-Lothringen und in Korsika samt so etwas wie Vorposten am Festland ins Auge springen. Genau Korsika, die Bretagne und Elsass-Lothringen sollen von Charle De Gaulles als relevante Kandidaten für eine Abspaltung vom französischen Staatsverband eingestuft worden sein (siehe allgemein Gedanken zur Woche 212-b – 3. OSTERWOCHE (2024)).
Für Menschen von außerhalb war eigens vor Jahrzehnten das italienische System von Richtungsgewerkschaften für Überraschungen gut.
In Belgien ist natürlich die durch die aufeinander folgenden Staatsreformen immer mehr ausgeweitete Eigenständigkeit der den Staatsverband miteinander bildenden Regionen und Gemeinschaften eigens zu beachten. Auch in parteipolitischer Hinsicht weisen diese ein jeweils ganz eigenes Profil auf. Die beabsichtigte Auflösung der schon zusehends geschwächten Parlamentskammer des Senats liegt auf dieser Linie einer schon weit vorangeschrittenen Auseinanderentwicklung der Regionen und Gemeinschaften in Belgien.

Jeweils ist aus der örtlichen Situation im christlichen Sinne das Beste zu machen.
Die grundsätzliche Offenheit der Kirche für Parteien, parteiähnliche Gruppierungen und Gewerkschaften wird dabei auch im Kirchenrecht, wenn auch nur kurz angesprochen.
So lautet in Hinblick auf die Kleriker Canon/Kanon 287, Paragraph 2 knapp und grundsätzlich:

„In politischen Parteien und an der Leitung von Gewerkschaften dürfen sie nicht aktiv teilnehmen, außer dies ist nach dem Urteil der zuständigen kirchlichen Autorität erforderlich, um die Rechte der Kirche zu schützen oder das allgemeine Wohl zu fördern.“

Es wird hier also weder eine bestimmte parteipolitische Richtung bevorzugt, noch eigens zurückgewiesen oder gar verurteilt. Dieser Kirchenrechtsparagraph ist in Hinblick auf Parteien und Gewerkschaften ganz im Sinne von Gleichbehandlung formuliert. Dies hat auch seine starke Relevanz in Hinblick auf Studentenverbindungen und akademische Clubs, denen mehr oder minder häufig die ein oder andere politische Nähe nachgesagt wird. Tatsächlich ist im Kirchenrecht nirgends die Mitgliedschaft in konfessionell ungebundenen Studentenverbindungen und akademischen Clubs untersagt. Gerade in Österreich mag einer Leserin, einem Leser sowieso spontan der Begriff der „Äquidistanz“ in den Sinn kommen.
Keine partei- oder gewerkschaftspolitische Ausgrenzung oder Bevorzugung wird auch in Paragraph 1 dieses CIC-Canons/Kanons 287 ausgesprochen:

„Die Kleriker haben die Bewahrung von Frieden und Eintracht, die auf Gerechtigkeit beruhen, unter den Menschen so weit als möglich immer zu fördern.“

Abgerundet werden diese Regelungen zu einer partei- und gewerkschaftspolitischen Offenheit durch den anschließenden Canon/Kanon 288. Dort wird u. a. festgehalten, dass die ständigen Diakone nicht an den zitierten Paragraphen 2 von Canon/Kanon 287 gebunden seien, „wenn nicht das Partikularrecht anderes bestimmt.“
In Hinblick auf das Partikularrecht sind dabei natürlich die Warnungen vor dessen Entwicklungen zu bedenken, welche mitunter schon vor Jahrzehnten öffentlich gemacht wurden. Auch in eher tagespolitischen Angelegenheiten neigen Bischofskonferenzen nicht zuletzt in EU-Mitgliedsländern zu unterschiedlichen Orientierungen. Dazu ist natürlich die grundsätzliche Einheit in den Fragen der Glaubens- und Sittenlehre innerhalb der katholischen Weltkirche zu beachten. Ebenso ist eine grundsätzliche rechtliche Einheit zwischen den Ortskirchen nicht leichtfertig zu übergehen. Der CIC wie zahlreiche Dokumente des außerkodikarischen Kirchenrechts wurden für die gesamte weltweite Lateinische Kirche und nicht nur für bestimmte Ortskirchen veröffentlicht und in Kraft gesetzt. Von staatlicher Rechtsordnung her wurde in diesem Gesamtzusammenhang auch schon der Grundsatz zitiert „Bundesrecht bricht Länderrecht“. Eine von anderen Bischofskonferenzen deutlich abweichende Ausrichtung im Verhältnis zu weltlichen Einrichtungen wie etwa politischen Parteien mit einem angeblichen Wesensinhalt des Christentums zu begründen, ist daher sehr problematisch. Erst recht zumindest fragwürdig wird dies, wenn betreffende Bischofskonferenzen geografisch direkt nebeneinander liegen.

In dieselbe Richtung wie im CIC werden wir überdies im CCEO gewiesen. Dabei werden auch die verfassungsrechtlichen Grundgegebenheiten der Katholischen Ostkirchen klar angeschnitten.
So besagt der CCEO-Canon/Kanon 384:

§ 1. Als Diener der Versöhnung aller in der Liebe Christi sollen sich die Kleriker eifrig bemühen, Frieden, Einheit und Einmütigkeit zu fördern, gestützt auf die Gerechtigkeit unter den Menschen.
§ 2. In politischen Parteien und in der Leitung von Gewerkschaften dürfen sie nicht aktiv beteiligt sein, wenn dies nicht nach dem Urteil des Eparchialbischofs bzw., wenn es das Partikularrecht so verlangt, des Patriarchen oder einer anderen Autorität der Schutz der Rechte der Kirche oder die Förderung des Gemeinwohls erforderlich macht.“

 

 

 

Gedanken zur Woche 264, Dr. Matthias Martin
PALMSONNTAG (2025)

Dem PALMSONNTAG kommt sowohl im eigentlichen kirchlichen Leben wie im weiteren gesellschaftlich-kulturellen Leben eine besondere Bedeutung zu. Das Verteilen, manchmal auch der Verkauf, und die öffentlich sichtbare Mitnahme von Palmbuschen oder Palmzweigen hebt diesen Tag schon optisch hervor. Mitunter wird der Einzug Jesu von Nazaret auf einem Esel in Jerusalem nachgestellt. Auch außerhalb des Christentums begegnen uns ganz generell die Verbindung von religiösen Inhalten und schauspielerischem Wirken, Theaterwesen und filmischem Schaffen. Natürlich ist hier jeweils zwischen den unterschiedlichen Religionen, Konfessionen, kulturellen Einzelüberlieferungen und dergleichen zu unterscheiden. Schon in äußerlichen Angelegenheiten können sich die Aufzweigungen oder Aufsplitterungen einer größeren konfessionellen Überlieferung deutlich unterscheiden. Dies ist etwa gut sichtbar bei den so unterschiedlichen konfessionellen Gemeinschaften, die irgendwie als Mennoniten bezeichnet werden. Tragen die einen bewusst Kleidung, die direkt auf das 18. Jahrhundert verweist, so sind „progressive“ Mennoniten üblicherweise anhand ihrer Kleidung nicht von der Mehrheitsbevölkerung oder Durchschnittsbevölkerung ihrer Umgebung zu unterscheiden. Irgendwie dazu passend neigt man in solchen Kreisen dazu, sich dieser Umgebung auch in der Alltagssprache und dann irgendwann in der Gottesdienstsprache anzupassen. Dies lässt sich in so unterschiedlichen Staatswesen wie den USA/Vereinigten Staaten von Amerika und Belize feststellen. Mennonitische Gruppen, die sich auf einen solchen Weg der Assimilierung begeben haben, tendieren dann auch dazu, den strikten Pazifismus mit der Wehrdienstverweigerung aufzuweichen bis überhaupt aufzugeben.
Ich erinnere mich, wie während meiner Tätigkeit als Priester im Bistum Dallas (Staat Texas) ein wohlsituierter römisch-katholischer Gesprächspartner während einer Veranstaltung mit dem damaligen Bischof des Bistums Tyler voller Bewunderung vom mennonitischen Zweig seiner Familie oder gewissermaßen Verwandtschaft sprach. Dort habe man strikt das überlieferte Erbe bewahrt. Die betreffenden Verwandten sprächen immer noch Deutsch. Zum anderen lehnten sie weiterhin als konservative Mennoniten den Dienst an der Waffe konsequent ab. Ein Vertreter dieses Familienzweiges sei während des Zweiten Weltkrieges bei diesen konservativen Mennoniten Bischof gewesen. Als ein Neffe von ihm in die US-Streitkräfte eintrat, habe er ihn umgehend exkommuniziert. Als dieser Neffe nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die Gemeinschaft zurückkehren wollte, habe ihm sein eigener bischöflicher Onkel dies rigoros verweigert. Er habe ihm vorgeworfen, sich als es gepasst habe, die Militäruniform angezogen zu haben. Dies habe wohl auf Frauen Eindruck gemacht. Nun wolle dieser Neffe das wohl einfach abhaken. Das sei nicht zu akzeptieren. Für den Neffen aus solcher konservativen mennonitischen Familie gab es keine Rekonziliation, schon gar nicht bei seinem bzw. über seinen bischöflich-mennonitischen Onkel. Wie gesagt, mein US-amerikanischer Gesprächspartner sprach voller Bewunderung von solchem konservativen Mennonitentum und seinen unbeugsamen Vertretern. Die Geschichte des Mennonitentums ist dabei typisch für die große Spaltungsfreudigkeit unter Gruppierungen in der Täufertradition des 16. Jahrhunderts und generell in dem so vielfältigen Gesamtphänomen des „Protestantismus“.
Natürlich gehen dort auch die Meinungen und Lehraussagen zum filmischen Wirken im Allgemeinen und bezüglich religiöser Inhalte im Besonderen weit auseinander und können auch direkt im Widerspruch zueinanderstehen.
Dementsprechend gibt es „Protestanten“, welche Verfilmungen zu neutestamentlichen Stoffen ausdrücklich befürworten oder gar selber durchführen. Andere lehnen dies ausdrücklich ab. Dies mag man sich am PALMSONNTAG und während der KARWOCHE/HEILIGEN WOCHE bewusst halten.
In Verfilmungen zum irdischen Wirken Jesu bzw. Verfilmungen zum Textmaterial von Evangelien wird diesem Einzug in Jerusalem nämlich eigene Aufmerksamkeit geschenkt.
Dann stellt der PALMSONNTAG natürlich grundsätzlich den Beginn der KARWOCHE dar, welche auch die HEILIGE WOCHE genannt wird. Gerade in romanischen Sprachen, aber etwa auch im Amerikanischen, begegnet uns diese Bezeichnung (siehe Gedanken zur Woche 158 – PALMSONNTAG (2023)).

Dabei wird das überlieferte Ereignis eines mehr oder minder triumphalen Einzuges Jesu von Nazarets in Jerusalem mitunter als Versinnbildlichung der Schnelllebigkeit politisch-gesellschaftlicher Stimmungen gesehen. Wenige Tage nach diesem auch in modernen Verfilmungen gerne als triumphal dargestellten Einzuges in der Heiligen Stadt wurde Jesus festgenommen, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Gerne wird es dabei so interpretiert oder dargestellt, dass sich die Meinung der Bevölkerung oder einer Mehrheit der Bevölkerung feindselig gegen ihn gewandt habe. Nun ja. Es gibt nicht umsonst Formulierungen oder Sprichworte wie „So vergänglich ist der Ruhm der Welt“, „So vergeht der Ruhm der Welt“ oder „Oh wie schnell vergeht der Ruhm der Welt“ und „Wer mit dem Zeitgeist verheiratet ist, kann schnell verwitwet sein“. Man mag da auch an die Warnung denken, dass, wenn man dem Zeitgeist hinterhereile, dieser schon am nächsten Hauseck angelangt sein könne.
Dabei ist natürlich auch bei dieser Gelegenheit zu bedenken, dass das Judentum schon in neutestamentlicher Zeit längst in einander befehdende Gruppen und Strömungen aufgespalten war. Die jetzigen aktuellen innenpolitischen Auseinandersetzungen in Israel sind da umso mehr nichts Neues. Die Auseinandersetzungen in Zusammenhang mit dem Makkabäeraufstand und der Herausbildung der Hasmonäerdynastie werden mitunter als ein primär innerjüdischer Konflikt gesehen, in welchen zunächst einmal die Seleukidendynastie mit ihrem Reich hineingezogen worden sei (siehe Gedanken zur Woche 209 – PALMSONNTAG (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 238-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).

Natürlich sollen wir uns in unserer Zeit bemühen, Konflikte friedlich zu lösen. Dies betrifft sowohl den staatlichen bis multinationalen Bereich wie das eher innerkirchliche Leben.

Dazu soll nicht zuletzt die Justiz dienen. Nicht umsonst gibt es eben auch das kirchliche Gerichts- oder Prozesswesen. Dabei müsste dort jede Tätigkeit hohen, ja höchsten Ansprüchen genügen. Dies gilt gerade in unserer Zeit. Dass die kirchliche Entwicklung seit den sechziger Jahren sehr negativ war, ist kein Geheimnis mehr. Das Fehlverhalten kirchlicher Mitarbeiter und erst recht kirchlicher Führungskräfte kann leicht die Runde machen. Bedienen sich Kirchenvertreter gerne der verschiedenen modernen Medien, so können solche auch unangenehme Dinge über sie berichten und verbreiten.

Sicher sind die Festlegungen in einem CIC-Canon/Kanon wie Canon/Kanon 1448 ernst zu nehmen und sollten nicht leichtfertig abgetan werden.
So lautet doch der Paragraph 1 dieses Canons/Kanons 1448:

„Der Richter darf in keinem Rechtsstreit tätig werden, an dem er aufgrund von Blutsverwandtschaft oder Schwägerschaft in der geraden Linie und bis zum vierten Grad der Seitenlinie, ferner aufgrund von Vormundschaft oder Pflegschaft, freundschaftlichem Verkehr, feindlicher Einstellung, Erwartung eines Gewinnes oder Vermeidung eines Verlustes irgendwie persönlich interessiert ist.“

Auch der sich anschließende Paragraph 2 verdient konsequente Beachtung:

„Unter denselben Umständen müssen sich Kirchenanwalt, Bandverteidiger, Beisitzer und Vernehmungsrichter ihrer Ämter enthalten.“

(Partei-)Politische Stellungnahmen von Kirchenvertretern bis hin zu einer ganzen Bischofskonferenz können da sehr leicht problematisch bis für die kirchliche Rechtspflege wirklich belastend werden. Kann man denn noch erwarten, dass ein kirchlicher Richter, ein Kirchenanwalt, Bandverteidiger, Beisitzer oder Vernehmungsrichter noch unvoreingenommen handelt, wenn er selber Aussagen getroffen hat, mit denen ein Mensch, der eine Prozesspartei darstellt oder vertritt, politisch unterstützt oder aber angegriffen bis auch in kirchenrechtlich relevanter Hinsicht ausgegrenzt wird? Schon vor Jahrzehnten war doch war es als Vorwurf oder aber als Lob zu vernehmen, dass parteipolitische Loyalitäten bei Eheprozessen in einem bundesdeutschen Bistum, einer solchen Diözese, eine wichtige bis entscheidende Rolle spielen könnten.
Solchen Hinweisen ehrlich und konsequent nachzugehen, könnte wohl kirchlicher Glaubwürdigkeit einen guten, wenn auch nicht einfachen Dienst erweisen.

 

1. Lesung: Jes 50,4-7
2. Lesung: Phil 2,6-11
Evangelium: Lk 22,14-23,56

 

 

 

Gedanken zur Woche 264-b, Dr. Matthias Martin
HEILIGE WOCHE/KARWOCHE (2025)

Dramaturgisch stellt die HEILIGE WOCHE, im deutschen Sprachraum meist KARWOCHE genannt, einen ziemlichen Höhepunkt im Kirchenjahr dar.
Es beginnt doch mit PALMSONNTAG, an welchem des Einzuges Jesu in Jerusalem gedacht wird. Es folgt das letzte Abendmahl mit seiner ganz eigenen Darstellung in dem ja auch sonst gegenüber den anderen neutestamentlichen Evangelien so eigenständigen Johannesevangelium. Die berühmten Abschiedsreden finden wir eben nur dort. Anders aber als in den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas wie auch im Ersten Korintherbrief finden wir dort eben keinen (eucharistischen) Einsetzungsbericht (siehe Gedanken zur Woche 230 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
Wie üblich gibt es auch für das offensichtliche Nichtvorhandensein eines (eucharistischen) Einsetzungsberichts im johanneischen Letzten Abendmahl recht unterschiedliche Erklärungsversuche.
Ganz verschieden wird auch die an das Letzte Abendmahl folgende neutestamentlich Überlieferung interpretiert. Welche Rolle spielte der nach allgemeinem Dafürhalten Verräter im Apostelkreis, Judas Iskariot, nun wirklich? Wie sind seine Person und sein Wirken auch in theologisch-heilsgeschichtlicher Hinsicht zu interpretieren? Die einschlägigen Diskussionen und Mutmaßungen gehen bis dahin, dass etwa in einer moderneren Verfilmung ein römischer Ermittler den Verdacht äußert, bei Judas Iskariot habe es sich um eine Art Doppelagenten im Sinne des Jesus von Nazaret gehandelt.
Bekanntlich besonders umstritten ist die Einordnung des römischen Statthalters Pontius Pilatus. War er ein zynisches Scheusal oder ein Mann guten Willens oder etwas dazwischen? Unter Einbeziehung apokrypher Schriften, die also zumindest von den meisten christlichen Konfessionen und dergleichen nicht als Teil der Bibel anerkannt sind, kann man auch heutzutage sogar die Verehrung des Pontius Pilatus als eines dann ausdrücklich zum Christentum bekehrten und dieses bis in den Tod bekennenden Heiligen finden. Andere sehen ihn völlig konträr dazu als ein besonders abschreckendes Beispiel für einen Vertreter des römischen Ausbeutungs- und Unterdrückungsapparates. Es kann uns auch der Vorwurf begegnen, genau die Angehörigen der Familie dieses Pontius Pilatus seien verräterische prorömische Kollaborateure und Verräter an ihrer samnitischen Herkunft gewesen (siehe Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021) und Gedanken zur Woche 106 – 5. FASTENSONNTAG (2022)).
Wie ist etwa die so im Johannesevangelium überlieferte Frage des Pontius Pilatus an Jesus während dieses Prozesses zu verstehen „(Joh 18,38) … Was ist Wahrheit?“
War es das zynische Abkanzeln des Angeklagten durch einen rücksichtlosen Machtmenschen? Oder hat sich zwischen beiden, also Pontius Pilatus und Jesus von Nazaret, ein ernsthaftes Gespräch bis hin zu einer gewissermaßen philosophischen Diskussion entwickelt? Oder war es gar Ausdruck eines ehrlichen Ringens eines Mannes, der selber bedrängt bis der Verzweiflung nahe war. Dann hätte diese Frage des Pontius Pilatus in etwa die Bedeutung, dass dieser von Jesus Rat suchte, wie er sich denn überhaupt in dieser schlimmen Situation verhalten solle.
Welche Rolle spielte die damalige innenpolitische Lage des Römischen Reiches? Hatte sich Pontius Pilatus wirklich selber in eine gefährdete Situation begeben, als er sich dem dann gestürzten und hingerichteten Prätorianerpräfekten Sejanus/Seianus freundlich gesinnt gezeigt hatte? Der blutige Aufstieg und Fall des Sejanus/Seianus ist ja auch Thema in Historienfilmen und nicht nur einer kleinen Gruppe von Althistorikerinnen und Althistorikern, Religionswissenschaftlerinnen und Religionswissenschaftlern und dergleichen etwas bekannt. Hing über Pontius Pilatus nun als römischen Statthalter das Damoklesschwert, demnächst selber als Angehöriger der in Ungnade gefallenen Sejanus-Fraktion seine Stellung oder gar sein Leben zu verlieren? Wollte er mit einer Verurteilung wie der des Jesus von Nazaret sich selber schützen, indem er eine klare kaisertreue Härte zur Schau stellte?
Welche Rolle und Bedeutung hatten demgegenüber die in der neutestamentlichen Überlieferung auftretenden jüdischen Ankläger Jesu? Sicher ist, dass es längst vielfältige innerjüdische Spannungen bis offensichtlich auch Gewalttätigkeiten gab.

Der Prozess Jesu mit Verurteilung zum Tode und Kreuzigung wird ähnlich wie der Prozess, die Verurteilung und anschließende Hinrichtung des Sokrates gerne als Mahnung aufgegriffen und herausgestellt, sich gegen den Missbrauch der Justiz einschließlich etwaiger politischer Verflechtungen zu stellen.

Da sollte man natürlich gerade in der Kirche mit ihrem Verwaltungs- und ihrem Gerichtswesen besonders bemüht sein, in diesem Sinne möglichst makellos dazustehen. Tatsächlich wird doch im Kirchenrecht immer wieder ein sehr hoher Selbstanspruch formuliert. Dies findet sich im CIC für die Lateinische Kirche, im CCEO für die Katholischen Ostkirchen wie im außerkodikarischen Kirchenrecht. Immer wieder äußerten sich auch Päpste in Ansprachen in diesem Sinne.

So sollte Fairness und Sorgfalt etwa in jedem kirchlichen Strafprozess im guten Sinne strikt verwirklicht werden. Dies hat bereits bei den Voruntersuchungen bzw. der Voruntersuchung zu beginnen, wie CIC-Canon/Kanon 1717 deutlich macht (siehe Gedanken zur Woche 259-b – 1. FASTENWOCHE (2025)).
In Paragraph 1 des nachfolgenden Canons/Kanons 1718 heißt es dann unter klarem Hinweis auf das Vorhandensein von Spruch- und Tatstrafen im lateinischen Kirchenrecht ernsthaft:

„Wenn genügend Anhaltspunkte gesammelt sind, hat der Ordinarius zu entscheiden, ob:
1°ein Verfahren zum Zweck der Verhängung oder der Feststellung einer Strafe eingeleitet werden kann;
2°dies unter Beachtung von can. 1341 tunlich ist;
3°ein gerichtliches Verfahren stattfinden muss oder ob, falls gesetzlich nicht verboten, mittels eines außergerichtlichen Dekretes vorzugehen ist.“

Der angeführte Canon/Kanon 1341 betont, dass auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg zur Verhängung oder Feststellung von Strafen voranzuschreiten ist, wenn andere Möglichkeiten nicht erfolgversprechend sind (siehe Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).

Die strenge Orientierung an der Wahrheit und zugleich die sich nicht zuletzt im Erlass von Dekreten verwirklichende Wichtigkeit von Schriftlichkeit im kirchlichen Prozess-/Verfahrenswesen wird dann eigens in Paragraph 2 des Canons/Kanons 1718 akzentuiert:

„Der Ordinarius soll das in § 1 erwähnte Dekret aufheben oder ändern, wenn ihm aufgrund neuer Anhaltspunkte richtig erscheint, eine andere Entscheidung zu treffen.“

Leichtfertigkeit und zweifelhaften Gefälligkeiten sollte kein Raum gelassen werden. Vielmehr wird immer wieder Ernsthaftigkeit und strenge Redlichkeit verbunden mit Beharrlichkeit angemahnt oder in Aussicht gestellt. In diese Richtung geht auch Paragraph 3 dieses CIC-Canons/Kanons 1718:

„Bei Erlass der in §§ 1 und 2 erwähnten Dekrete soll der Ordinarius, falls er dies für klug erachtet, zwei Richter oder andere rechtskundige Personen anhören.“ 

Dabei soll nicht aus den Augen gelassen werden, dass Gläubige doch das Recht haben, sich jederzeit direkt an den Apostolischen/Heiligen Stuhl zu wenden. Dieses Recht steht ihnen gemäß Canon/Kanon 1417 Paragraph 1 „in jeder Gerichtsinstanz und in jedem Prozessabschnitt“ zu (siehe Gedanken zur Woche 249-b – WEIHNACHTSOKTAV einschließlich HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA sowie anschließende TAGE DER WEIHNACHTSZEIT (2024-2025)). Dieses Grundrecht gilt für das kirchliche Verfahrensrecht und überhaupt mit Blick auf das ganze kirchliche Leben. Es existiert völlig unabhängig vom Wohlwollen oder Missfallen örtlicher Kirchenvertreter oder wie auch immer.

Dabei soll schon bei der Voruntersuchung zu einem möglichen kirchlichen Strafprozess wie auf dem Weg zu einer solchen Voruntersuchung hin und beim Abschluss einer solchen Voruntersuchung mit den damit verbundenen Dokumenten sorgfältig umgegangen werden. Dies verdeutlicht im CIC Canon 1719:

„Die Voruntersuchungsakten und die Dekrete des Ordinarius, mit denen die Voruntersuchung eingeleitet oder abgeschlossen wird, sowie alle Vorgänge, die der Voruntersuchung vorausgehen, sind, falls sie für einen Strafprozess nicht notwendig sind, im Geheimarchiv der Kurie abzulegen.“

 

 

 

Gedanken zur Woche 263, Dr. Matthias Martin
5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2025)

Es hat seinen eigenen Zeichencharakter, wenn auf den 5./FÜNFTEN FASTENSONNTAG, der ja auch PASSIONSSONNTAG genannt wird, der (besondere) „Gebetstag für die verfolgten Christinnen und Christen“ fällt.
Die Hoffnung etwa nach dem Fall des Eisernen Vorhanges in Europa, es würden nun alle Bedrängnisse und Konflikte ein Ende finden, haben sich als, gelinde gesagt, naiv erwiesen. Dazu waren diese Hoffnungen ziemlich eurozentisch und haben wohl gerade noch ein bisschen den nordamerikanischen Kontinent im Blick behalten. Dabei hatte etwa der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. schon in seinem Interviewbuch „Zur Lage des Glaubens“ vor jeder forschrittsoptimistischen Naivität gewarnt und auf die fortdauernd reale Macht des Bösen als Theologe hingewiesen. Auch wenn man es nicht theologisch anging, hatte man allen Grund, skeptisch zu sein. Man braucht nicht von theologischen Annahmen oder Ausdrücken auszugehen wie Erbsünde, Gefallenheit der menschlichen Natur oder Hinneigung des Menschen zur Sünde, um gegenüber so etwas wie innerweltlichen Heilsbehauptungen oder so etwas wie auf die irdische Geschichte bezogene Erlösungsverheißungen skeptisch zu sein.
Geht man die Sache grundsätzlich historisch an, so stellt man fest, dass zumindest irgendjemand wiederholt meinte, nun hätten irdische Konflikte ein Ende. Auch nur ein dauernder weltweiter Friedenszustand ist aber jeweils nicht eingetreten. Sowohl das offizielle Ende des Ersten als auch des Zweiten Weltkrieges leiteten zu neuen blutigen Konflikten über. Im Nahen Osten etwa kam es umgehend zu Gemetzeln, als nach Ende des Ersten Weltkrieges die alliierten Hauptsiegermächte Großbritannien und Frankreich daran gingen, die im berüchtigten Sykes-Picot -Abkommen heimlich vereinbarte Aufteilung des Nahen Ostens auch tatsächlich durchzusetzen. Dabei schreckte Großbritannien mit seiner anglikanischen Staatskirche nicht vor dem erstmals angewandten Luftterror zur Unterwerfung des heutigen Iraks zurück. Auch Giftgas wurde ja ganz offensichtlich eingesetzt. Dabei hatte beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit dem Erzbischof von Canterbury der höchste Geistliche eben der anglikanischen Staatskirche erklärt, Großbritannien führe einen „Holy War“, also einen „Heiligen Krieg“.
Ja richtig, dieser Spitzenvertreter einer angeblich so christlichen Gruppierung wie der anglikanischen Staatskirche zu Großbritannien mit allen Ausdifferenzierungen bezüglich Schottland, Wales und der damals noch insgesamt besetzten Insel von Irland tat dies wenige Jahre, nachdem im Burenkrieg dieses angeblich so christliche Britische Empire die ersten Konzentrationslager einsetzte, und während es über Jahre hinweg die tasmanische Urbevölkerung auf dem australischen Kontinent ausrottete (siehe Gedanken zur Woche 65-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2021) und Gedanken zur Woche 175-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Nach Ende des Ersten Weltkrieges führte das Britische Empire gewissermaßen routinemäßig mit seiner Luftwaffe Terrorangriffe gegen einheimische Völker in Asien und Afrika durch. Dies dürfte dem Ansehen des Christentums einen nicht wieder gutzumachenden Schaden zugefügt haben. Eine ernsthafte Aufarbeitung britischerseits ist nicht einmal ansatzweise erfolgt. So wundert es umso weniger, dass nach dem Ende dann des Zweiten Weltkrieges alsbald neue Kolonialkriege ausbrachen.
Dabei schreckte auch das unter dem Banner seines spezifischen Laizismus so feindselig gegen die katholische Kirche eingestellte Frankreich nicht davor zurück, sich etwa in seinen so brutalen Kriegen in Indochina (siehe Gedanken zur Woche 73-b – 20. WOCHE IM JARHESKREIS (2021) und Algerien (siehe Gedanken zur Woche 185-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 212-b – 3. OSTERWOCHE (2024)) ein „christliches“ Mäntelchen umzuhängen. Zwar gab es dagegen dann doch manchen Protest gerade aus katholischen Kreisen (siehe ebd.), aber das war dann höchstens so etwas wie eine mehr oder minder bedingte Schadensbegrenzung.
So ist es unbestritten, dass die Konflikte etwa im Nahen Osten seit dem Ausgang des Ersten Weltkrieges kein Ende mehr nahmen. Dies wurde mit Auswirkungen, deren Ende nicht abzusehen ist, dadurch gefördert, dass gerade die einstweilen so siegriechen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien alles taten, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Dies taten sie auch in anderen Weltgegenden. Die Diskreditierung des Christentums etwa in Myanmar, auch genannt Burma und wohl seltener als Birma bezeichnet, durch die britische Politik mit ihrem gezielten Einsatz örtlicher vermeintlich so „christlicher“ Handlanger ist dazu ein eigenes Thema.
Die Warnungen Lenin, schon vor den Hauptsiegermächten des Ersten Weltkrieges hatten doch einiges für sich, wie der weitere Verlauf der Geschichte bewies und beweist (siehe Gedanken zur Woche 244 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2024)).
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es mit bewaffneten Konflikten und brutalen Verfolgungen von Menschen weiter. Die gezielte Vertreibung einheimischer Bevölkerung erreichte neue Dimensionen.
Die nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Zusammenhang mit offizieller Dekolonialisierung erfolgten Grenzziehungen in Afrika legten die Grundlage für weitere Konflikte. Afrika erwies sich auch in den Jahren nach 1990 als besonders konfliktgeplagter Kontinent.
Ist der Biafra-Krieg mancher und manchem noch im Gedächtnis, so kam es in Nigeria in den letzten Jahren zu einer gerade gegen Christinnen und Christen gerichteten Eskalation der Gewalt. Von ganz verschiedenen Persönlichkeiten wurde mit Nigeria der offiziell bevölkerungsreichste Staat Afrikas überhaupt als koloniale Fehlgründung bezeichnet.

Die SEATO, das Schwesterbündnis der NATO für Südostasien, hat sich längst aufgelöst. Es hatte weder seine Schutzstaaten Laos, Kambodscha und Südvietnam verteidigen noch den Verlust des östlichen Landesteiles seines Mitgliedes Pakistan verhindern können. In Laos und Kambodscha kam es zur Machtergreifung von Kommunisten. In Kambodscha fielen diese unter Mitwirkung ihrer ausländischen Genossen einschließlich eines Grenzkrieges zwischen China und Rot-Vietnam übereinander her. Die Republik Südvietnam wurde ganz ausradiert. Das einstige Ost-Pakistan ist längst als Volksrepublik Bangladesch ein international anerkannter eigener Staat.

Auch CENTO, das andere Schwesterbündnis der NATO, an welchem gerade Pakistan ebenfalls beteiligt war, CENTO, löste sich auf.
So wundert es nicht, dass inzwischen offen über eine Auflösung der NATO spekuliert wird. In Afghanistan wie in Mali haben ja die Interventionstruppen aus westlichen Ländern und da gerade aus europäischen NATO- bzw. EU-Mitgliedsstaaten besonders augenfällig jeweils ein Debakel erlitten.
Hier wie dort gibt es kein „Ende der Geschichte“.
Man kann sich bis heute in der Internationalen Gemeinschaft nicht einmal dazu einigen, wie viele Staaten es überhaupt gibt. s kann man anhand der drei Staaten gut ersehen, aus welchen in den letzten drei Jahren die Texte für den Ökumenischen Weltgebetstag (der Frauen) kamen: Cookinseln/Cook Inseln, Palästina und Taiwan. Es ist bis heute in der Internationalen Gemeinschaft keineswegs selbstverständlich, diese drei Staatswesen anzuerkennen und mit ihnen diplomatische Beziehungen zu unterhalten, wie dies jeweils der Heilige/Apostolische Stuhl tut. Kriege, Territorialstreitigkeiten und auch Verfolgungen von Christinnen und Christen hören ganz generell nicht auf. 

Innerhalb der Kirche ist es auch nicht so gut gelaufen, wie viele es in Zusammenhang insbesondere mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erwartet hatten. Das „neue Pfingsten“ für die Kirche ist ausgeblieben. Die Warnungen einst als Unglückspropheten gescholtener Menschen haben sich oft bewahrheitet. Die rapiden Einbrüche bei den Kirchensuchern, Ordens- und Priesterberufungen sind doch längst kein Geheimnis mehr. Ungezählte Menschen haben die katholische Kirche in die eine oder andere Richtung verlassen. Schon seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts spricht man infolge der Massenübertritte bisheriger Katholkinnen und Katholiken zu Pfingstkirchen von der „Pentecostalisierung/Pentekostalisierung Lateinamerikas“.

Ein eigenes Problem stellen die Missbrauchsskandale dar. Es ist klar, dass die katholische Kirche nicht allein davon betroffen ist. Aber sie betreffende Meldungen sorgen eben doch immer wieder für eigenes Aufsehen.
Immer wieder wird ein innerkirchliches härteres Durchgreifen von inner- wie außerhalb der offiziellen kirchlichen Strukturen stehenden Menschen gefordert. Wer meint, das kirchliche Strafrecht müsse nach der ersten Bewegung in diese Richtung weiter verschärft werden, steht mit dieser Forderung nicht allein (siehe Gedanken zur Woche 234-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 236 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 245 – 1. ADVENTSONNTAG (2024) und Gedanken zur Woche 247 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024)). Der Verfasser dieses Beitrages meinte schon zur Zeit des sog. Kirchenvolksbegehrens in Österreich, dass der konsequente Aufbau einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit nötig sei.

 

1. Lesung: Jes 43,16-21 oder Ez 37,12b-14
2. Lesung: Phil 3,8-14 oder Röm 8,8-11
Evangelium: Joh 8,1-11 oder Joh 11,1-45

 

 

 

Gedanken zur Woche 263-b, Dr. Matthias Martin
5. FASTENWOCHE (2025)

Die Fastenzeit bezeichnet in christlicher Überlieferung eine Zeit besonderer Anstrengung.

Natürlich wäre es naiv, anzunehmen, dass auch nur die sich irgendwie noch nominell zur Kirche bekennenden Katholikinnen und Katholiken in so etwas wie heiligem Streben vereint wären. Längst hat sich ja gerade in westlichen Ländern weitgehende Säkularisierung durchgesetzt. Hinzu kommt die Pluralisierung des religiösen Lebens, welche eine Auswahlspiritualität und selektive Lebenspraxis auch bei Katholikinnen und Katholiken sehr gefördert hat.
Schon vor Jahrzehnten wurde dies von mancher Dozentin und manchem Dozenten an einer theologischen Fakultät wie in der katholischen Erwachsenenbildung thematisiert. Das erneute Hervortreten vor- oder außerchristlicher Frömmigkeitselemente einschließlich liturgischer Praktiken auch bei Menschen, die sich nicht offiziell von der katholischen Kirche losgesagt haben, ist etwa in Weiten Lateinamerikas, der Karibik und Afrikas keine Seltenheit. Parallel und oft wiederum in bewusster Konkurrenzsituation dazu geschieht eine massenweise Hinwendung von Katholikinnen und Katholiken zu evangelikalen und pfingstkirchlichen/pfingstlerischen Gemeinschaften mit einer solchen theologischen Orientierung.

Dass dies in mehr oder weniger kirchenamtlichen Veröffentlichungen wie dem Päpstlichen Jahrbuch und einem Statistischen Jahrbuch der Kirche in der Regel bis heute grundsätzlich keine Berücksichtigung findet, führt dann zu Irritationen und Spannungen. Wie kann es denn dazu kommen, dass die katholische Kirche zumindest außerhalb Europas ein deutliches bis rapides Wachstum verzeichne, wenn sogar örtliche bzw. nationale Bischofskonferenzen von erheblichen Mitgliederverlusten ausgehen sowie Volkszählungen und großangelegte Befragungen und eingehende Studien sehr deutlich in diese Richtung weisen? Öffentlich zugängliche Statistiken können sich bezüglich der konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerung in betroffenen Ländern in diesem Zusammenhang deutlich widersprechen. Dass dies auch anderen konfessionellen Gemeinschaften wie etwa den mehr oder minder offiziellen Anglikanern und Altkatholiken so geht, ist für die katholische Kirche kein Grund, einen falschen Triumphalismus zu veranstalten. Der Umstand, dass es in den meisten Ländern kein eigenes staatliches Kirchenaustrittsrecht gibt, verleitet bei manchen kirchenamtlichen Stellen dazu, so zu tun, als ob es eben in den Ländern des amerikanischen Doppelkontinents und Afrikas niemand seit den sechziger Jahren die katholische Kirche verlassen hätte, es die Probleme von Massenübertritten zu evangelikalen, pfingstkirchlichen/pfingstlerischen und mitunter anderen Gemeinschaften, sowie Zuzug zum Gesamtbereich von Ablehnung jeder Konfessionszugehörigkeit und erklärtem Atheismus und Agnostizismus wie Repaganisierungsprozesse nicht gäbe. Es werden in betreffenden Fällen nur die Eintritte in die katholische Kirche öffentlich gezählt, nicht aber das so zahlreiche Verlassen der Gemeinschaft. Das offizielle Kirchenrecht spricht nur davon, dass jemand durch die Taufe oder durch einen späteren Akt in die katholische Kirche aufgenommen werde. So etwas wie ein Kirchenaustritt, ein statistisch zu Buche schlagendes Verlassen der katholischen Kirche ist nicht vorgesehen.

Ein eigenes Phänomen stellen dazu Gemeinschaften dar, die vom Amerikanischen her „unabhängige katholische Gemeinschaften“ oder „unabhängige katholische Kirchen“ genannt werden. schillernden Phänomene von Sedisvakantismus, modernen Gegenpäpsten und ähnlichem gehören in diese Richtung (siehe Gedanken zur Woche 77-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 133-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 226 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
Dabei ist es doch bemerkenswert, welche enorme Bedeutung längst gerade pfingstkirchliche und evangelikale Gemeinschaften und Bewegungen etwa bei demokratischen Wahlen erlangt haben, und wie der Einfluss der katholischen Kirche eben auch in Ländern Lateinamerikas längst deutlich schwächer geworden ist. Ohne Massenübertritte auf Kosten der katholischen Kirche wäre so etwas wirklich nicht möglich. Auch so mancher in der katholischen Kirche geweihte Priester hat diese verlassen, um sich in einer anderen konfessionellen Gemeinschaft zu betätigen, eine solche (mit-)zugründen oder gar fortan außerhalb des Christentums zu wirken. 

Dabei soll man doch bei solch ernsthaften Angelegenheiten möglichst exakt vorgehen. Selbsttäuschung bringt keine Lösung. In diese Richtung mahnte schon Joseph Kardinal Ratzinger vor seiner Wahl zum Papst, und er stand damit unter ernsthaften Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens nicht allein.
Dabei legt doch beispielsweise das kirchliche Prozessrecht seinerseits streng Wert auf Präzision.
So sind gemäß Kirchenrecht bei Streitverfahren im Bereich der kirchlichen Gerichtsbarkeit die Streitpunkte verlässlich festzulegen. Dementsprechend hält Paragraph 1 von Canon/Kanon 1513 im CIC von 1983 grundsätzlich fest:

„Die Streitfestlegung geschieht dadurch, dass durch richterliches Dekret die Streitpunkte genau bestimmt werden, die sich aus den Anträgen und Erwiderungen der Parteien ergeben.“

Wie hier schon angedeutet wird, ist das Verteidigungsrecht und die Gleichberechtigung von Prozessparteien vor einem kirchlichen Gericht zu achten. Jede Willkür und Diskriminierung sollten ausgeschlossen sein. Jeder Ortsordinarius und alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten sich in diesem Sinne nach besten Kräften bemühen. Auf Gleichberechtigung und Verteidigungsrecht der unterschiedlichen Prozessparteien wird dann eigens in Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanons 1513 hingewiesen:

„Die Anträge und Erwiderungen der Parteien können, außer in der Klageschrift, entweder bei der Erwiderung auf die Ladung oder in mündlichen Erklärungen vor dem Richter zum Ausdruck gebracht werden; in schwierigeren Fällen sind jedoch vom Richter die Parteien gemeinsam zur Festlegung des Streitpunktes oder der Streitpunkte zu laden, auf die im Urteil Antwort zu geben ist.“

In Hinblick auf die Möglichkeit für eine Prozesspartei, sich unabhängig auch von der eigenen gesellschaftlichen oder innerkirchlichen Stellung zur Wehr zu setzen und nicht im Laufe des Verfahrens übergangen oder hintergangen zu werden, werden diese Festlegungen abgerundet durch Paragraph 3 dieses Canons/Kanons 1513:

„Das richterliche Dekret ist den Parteien bekannt zu geben; sofern sie ihm nicht bereits zugestimmt haben, können sie innerhalb von zehn Tagen beim Richter eine Abänderung beantragen; diese Frage muss durch richterliches Dekret auf schnellstem Weg entschieden werden.“

Hierzu ist nicht zuletzt auch Canon/Kanon 1516 zu beachten. Auch hier werden wiederum bezüglich gesellschaftlicher und innerkirchlicher Stellung von Betroffenen, parteipolitischen und verwandtschaftlichen Beziehungen, ethnischer Herkunft und Geschlecht keine Unterschiede gemacht oder Privilegierungen ausgesprochen. Umso mehr ist eben auch dieser eher knappe Canon/Kanon 1516 des CICs im Blick zu behalten:

„Nach erfolgter Streitfestlegung hat der Richter eine angemessene Frist zur Vorlage und Ergänzung der Beweise zu setzen.“

Dabei ist eine betreffende richterliche Streitfestlegung jeweils eine ernste Angelegenheit. Auch in Hinblick auf eine mögliche Abänderung ist die Gleichrangigkeit der Prozessparteien vorurteilsfrei zu wahren. Dies wird durch Canon/Kanon 1514 verdeutlicht:

„Gültig können die einmal festgelegten Streitpunkte nur aus schwerwiegendem Grund durch ein neues Dekret auf Antrag einer Partei und nach Anhören der übrigen Beteiligten und Abwägen ihrer Gründe geändert werden.“

Der Rechtssicherheit sollte im kirchlichen Prozesswesen eigens die Ladung dienen. Umso mehr legt sich auch in diesem Punkt ein möglichst undiskriminierendes und vorurteilsfreies Vorgehen nahe. So lautet Canon/Kanon 1517 lapidar:

„Der Prozesslauf beginnt mit der Ladung; er wird aber nicht nur durch die Fällung eines Endurteils, sondern auch auf andere vom Recht vorgesehene Weisen beendet.“

Auch in Hinblick auf das Erlöschen eines (inner-)kirchlichen Prozesses als Folge eines Nichthandelns von beteiligten Parteien werden diese als grundsätzlich ohne Vorbedingungen gleichberechtigt dargestellt. Dies sollte durch Canon/Kanon 1520 deutlich genug gemacht sein:

„Wird sechs Monate lang von den Parteien, ohne dass sie daran gehindert sind, keine Prozesshandlung gesetzt; so erlischt der Prozesslauf. Ein Partikulargesetz kann andere Erlöschensfristen festlegen.“

Dabei ist natürlich nicht aus den Augen zu lassen, dass die nachkonziliare partikularrechtliche Gesetzgebung nicht unumstritten ist (siehe Gedanken zur Woche 247 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 255 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)).

 

 

 

Gedanken zur Woche 262, Dr. Matthias Martin
4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2025)

Gerade der 4./VIERTE FASTENSONNTAG verdeutlicht, wie sehr Kommunikation auf unterschiedliche Weise geschehen kann. Zum einen kann diese, kann die Übermittlung von Information, nonverbal durch optische Signale geschehen. Am VIERTEN FASTENSONNTAG können Diakone und Priester ja rosafarbenen liturgische Gewänder tragen. Dies ist sonst nur für einen weiteren Sonntag im kirchlichen Jahreskreis vorgesehen. Es handelt sich hierbei um den 3./DRITTEN ADVENTSONNTAG.
Dann kann Kommunikation auch verbal erfolgen. Dies kann in Gestalt des gesprochenen wie des geschriebenen Wortes geschehen. In neuester Zeit erlangte natürlich das Internet in all seinen Verzweigungen eine gewaltige Bedeutung, sowohl in Hinblick auf das geschriebene wie das gesprochene Wort, bildhafte Darstellungen und die Verbreitung ganzer Filmproduktionen. So kann man auch im Internet vernehmen, dass sowohl der VIERTE FASTENSONNTAG als auch der DRITTE ADVENTSONNTAG jeweils durch einen besonderen lateinischen Namen ausgezeichnet sind. Wird der Dritte ADVENTSONNTAG lateinisch GAUDETE genannt, so ist der lateinische Name für den VIERTEN FASTENSONNTAG seinerseits LAETARE (siehe Gedanken zur Woche 207 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2024); Gedanken zur Woche 208 – 5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2024); Gedanken zur Woche 219-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2024) und Gedanken zur Woche 247 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024)).
Die Bedeutung des Lateinischen ist dabei auf internationaler Ebene nicht zu leugnen. Man vergegenwärtige sich nur die Bezeichnung „Lateinamerika“ für Südamerika und größere Teile des nordamerikanischen Kontinents. Spanisch, auch Kastilisch oder aber Castellano genannt, wird vielleicht inzwischen von mehr Menschen als Mutter- oder Erstsprache gesprochen als all die so unterschiedlichen Varianten von English. Dabei ist bei all den Varianten von Spanisch von einer größeren Einheitlichkeit als bei den in Hinblick auf Wortschatz, Aussprache, Schreibweise und auch Grammatik so unterschiedlichen Varianten und Untervarianten von Englisch auszugehen. Immerhin gibt es für das Spanische die Königliche spanische Akademie für die Sprache. Diese setzt sich für die korrekte Verwendung der spanischen Sprache ein. Sie verfügt über eigene Büros, Abteilungen, Mitgliedsakademien und weitere Einrichtungen. U. a. wurde eine neue Grammatik der spanischen Sprache herausgegeben. Besonders wichtig ist die Herausgabe eigener Wörterbücher.
Eine vergleichbare Einrichtung für die englischsprachige Welt oder was immer man dafür halten will, gibt es nicht. In der Schreibweise schon weichen etwa das britische und das amerikanische Englisch/Amerikanisch voneinander ab. Das schottische Englisch erfreut sich einer eigenen Normierung und weist wichtige Eigenheiten etwa für die Bereiche Rechtspflege und Verhältnis Kirche-Staat auf. Eigenheiten hat auch das walisische Englisch zu bieten. Was der eine als Variante von Englisch bezeichnet, kann für den anderen eine eigene Sprache sein. Mit manchen US-amerikanischen Katholiken kann man sich auf jeden Fall über den Umstand unterhalten, dass das schottische Englisch auf der einen Seite und britisches oder englisches Englisch auf der anderen Seite nicht dasselbe ist. Da kann man auch die Meinung vernehmen, dass der Umstand, dass amerikanisches Englisch, eh auch Amerikanisch genannt, nicht längst als eine eigene offizielle Sprache in betonter Abgrenzung zu anderen Formen von Englisch proklamiert oder anerkannt ist, lediglich auf Desinteresse auf politisch-gesellschaftlicher Ebene zurückzuführen sei.
US-Bundesstaaten legen dabei eh Wert auf ihre Eigenheiten in der Gesetzessprache und dergleichen. Das begegnet einem dann etwa, wenn man sich in einem US-Bundesstaat auf eine Führerscheinprüfung vorbereitet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Pfarrei äußern sich dann auch schon einmal über solche amtsprachlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten wohlgemerkt innerhalb der USA.

Dabei kommt ja schriftlichen Festlegungen nicht zuletzt im kirchlichen Prozesswesen zentrale Bedeutung zu. Immer wieder bedarf es ausdrücklich eines schriftlichen Dokumentes, muss etwas schriftlich eingereicht bzw. festgehalten werden.

So wird im CIC von 1983 das Kapitel I von Teil II „Streitverfahren“, Sektion I „Ordentliches Streitverfahren“ in Buch VII „Prozesse“ mit der Formulierung „Einleitende Klageschrift“ überschrieben.
Dort wird grundsätzlich in Canon/Kanon 1501 festgehalten:

„Der Richter kann über keine Sache befinden, sofern nicht ein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechender Klageantrag von jemandem, der ein rechtliches Interesse geltend machen kann, oder vom Kirchenanwalt vorliegt.“

Die Notwendigkeit von Schriftlichkeit im kirchlichen Gerichtswesen betont sehr klar CIC-Canon/Kanon 1502:

„Wer jemanden belangen will, muss eine Klageschrift bei dem zuständigen Richter einreichen, in der der Streitgegenstand vorzutragen und der richterliche Dienst zu beantragen ist.“

Die betreffenden Angelegenheiten müssen also deutlich in schriftlicher Form festgehalten und vorgelegt werden. Bloßes Hörensagen und vertrauliches Gerede verbunden vielleicht mit innerkirchlicher Karriereunterstützung oder eine solche betreffende Zusage sind völlig unzureichend. Ebenso sind parteipolitische oder ethnisch-abstammungsmäßige Ausschließungsgründe ganz offensichtlich unstatthaft. Entgegenstehende Sonderregelungen oder diese zitierten Rechtsgrundsätze aufweichenden Bestimmungen für das Gebiet etwa einer bestimmten Bischofskonferenz sind nicht einmal andeutungsweise vorgesehen. Natürlich gilt es auch hier, solche niedergeschriebenen und offiziell in Kraft getretenen Rechtsbestimmungen auch glaubwürdig und beständig mit Leben zu erfüllen.
Dass eine Klageschrift bis in Einzelheiten hinein verlässlich genaue Angaben enthalten muss, unterstreicht eigens Canon/Kanon 1504:

„Die Klageschrift mit der der Prozess eingeleitet wird, muss:
1° zum Ausdruck bringen, bei welchem Richter die Klage erhoben worden wird, was und von wem etwas begehrt wird;
2° angeben, auf welches Recht und, wenigstens allgemein, auf welche Tatsachen und welche Beweismittel sich der Kläger zum Nachweis seiner Klagebehauptung stützt;
3° vom Kläger oder von seinem Prozessbevollmächtigten unterschrieben werden mit Angabe von Tag, Monat und Jahr sowie des Ortes, wo der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter wohnt oder zur Entgegenahme gerichtlicher Zustellungen erreichbar zu sein erklärt;
4° den Wohnsitz oder Nebenwohnsitz des Beklagten angeben.“

Dabei ist eben in Punkt 3 ausdrücklich die Rede von der „Entgegennahme gerichtlicher Zustellungen“.
Vergleichbares findet sich auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen.
So ist parallel zur Formulierung im CIC der Artikel I von Kapitel I des Titels XXV „Streitverfahren“ im CCEO überschrieben mit „Einleitende Klageschrift“.
Canon/Kanon 1185 des CCEO lautet dann:

„Wer jemanden belangen will, muß eine einleitende Klageschrift beim zuständigen Richter vorlegen, in welcher der Streitgegenstand dargelegt und der Dienst des Richters erbeten wird.“

Auch im CCEO werden dabei schon in Hinblick auf eine solche Klageschrift genaue und verlässliche Einzelangaben verlangt. Dementsprechend hält CCEO-Canon/Kanon 1187 fest:

„Die einleitende Klageschrift muß:
1° zum Ausdruck bringen, vor welchem Richter das Verfahren vorgebracht wird, was beantragt wird und von wem es beantragt wird;
2° angeben, auf welches Recht und, mindestens im allgemeinen, auf welche Tatsachen und Beweismittel sich der Kläger stützt, um das nachzuweisen, was behauptet wird;
3° unterschrieben werden vom Kläger oder von seinem Vertreter unter Angabe von Tag, Monat und Jahr sowie des Ortes, wo der Kläger oder sein Vertreter ihren Wohnsitz haben oder erklärt haben, sich zur Annahme von Gerichtsakten aufzuhalten;
4° den Wohnsitz oder Quasi-Wohnsitz der belangten Partei angeben.“ 

Parallel zur Formulierung in Punkt 3 des CIC-Canons/Kanons 1504 ist hier in Punkt 3 in der deutschen Fassung die Rede von „Gerichtsakten“ und ihrer „Annahme“.

 

1. Lesung: Jos 5,9a.10-12 oder 1 Sam 16,1b.6-7.10-13b
2. Lesung: 2 Kor 5,17-21 oder Eph 5,8-14
Evangelium: Lk 15,1-3.11-32 oder Joh 9,1-41

 

 

 

Gedanken zur Woche 262-b, Dr. Matthias Martin
4. FASTENWOCHE (2025)

Wenn man in die 4./VIERTE FASTENWOCHE eintritt, dann hat man seit dem ASCHERMITTWOCH schon einen Gutteil des Weges zur KARWOCHE/HEILIGEN WOCHE und zum höchsten Fest der Christenheit, eben OSTERN, geschafft. Der Blick richtet sich schon auf den 5./FÜNFTEN FASTENSONNTAG, der auch der PASSIONSSONNTAG genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 208 – 5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2024)), wie auf den PALMSONNTAG als dem Beginn der KARWOCH/HEILIGEN WOCHE.
Hoffentlich wurden jeweils schon die bisher vergangenen Tage der Fastenzeit gut genutzt. Dies stellt ja ein Angebot wie eine Herausforderung sowohl für Individuen, Familien, kleinere Gruppen wie etwa auch für Pfarreien und Bistümer/Diözesen dar. Dabei macht es das gesellschaftliche Klima gerade in westlichen Ländern nicht leicht, gute Fastenvorsätze auch tatsächlich und beharrlich in die Tat umzusetzen. Der Konsum weitgehend legalisierter Drogen wie Alkohol und Nikotin gehört doch oftmals zum guten Ton. Die Verbreitung solcher gesundheitsschädigender und auch die jeweiligen Staats- und Sozialhaushalte belastenden Genussmittel ist so schwerwiegend, dass sie auch Volksdrogen genannt werden. Hinzu kommt der so breite wie schwerwiegende Bereich von Medikamentenabhängigkeit. Diese wurde längst in den USA von führenden Vertretern beider großen Parteien als ernste Problematik erkannt, anstatt sie einfach unter den Teppich zu kehren (siehe Gedanken zur Woche 105 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2022)). Dabei sind ja die Politiker aus den beiden Großparteien in den USA sonst keineswegs dafür bekannt, besonders konsensorientiert zu sein. Vielmehr erlebte man dort doch gerade wieder in den letzten Jahren eine bereitwillige Neigung zu offener Konfrontation, welche sich auch in die US-Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt. Wenn nun namentlich der Missbrauch von Opioiden von Politikern beider großer US-Parteien, angefangen vom jeweiligen Präsidenten konsensual angegangen wurde, so sollte dies doch zu denken geben. Offensichtlich handelt es sich bei solcher Suchtproblematik um ein derart schwerwiegendes Thema, dass dahinter Parteipolitik und persönliche Wahltaktik zurückstehen sollten. Gerade neue unbestrittene und höchstens aus geschäftlichen Gründen gerne nach Möglichkeit totgeschwiegene Forschungsergebnisse bestätigen dazu immer mehr, wie schwerwiegend auch der Alkoholkonsum und das Rauchen gesundheitliche Schäden anrichten und damit ebenso das gesamte Sozialsystem heftig belasten.

Ein eigenes spannungsgeladenes Feld stellt der Medienkonsum dar. Wie sehr das Fernsehen zu Manipulation bis hin zu totalitärer Gleichschaltung benutzt werden kann, thematisiert nicht zuletzt der klassische und so düstere Zukunftsroman „1984“ von George Orwell. Die Manipulation bis hin zu so etwas wie totalitärer Gleichschaltung durch Konsumverhalten und deren bewusste Förderung durch die Führungskreise einer Gesellschaft stellt uns allgemein der andere Klassiker warnender Zukunftsromane vor Augen, eben von Aldous Huxley „Brave new world/Schöne neue Welt“.
Natürlich können neue Technologien zu guten Zwecken eingesetzt werden. Man denke hier nur an den gesamten Bereich der Medizin, an die Kranken- und die Altenpflege. Auch im Medienbereich kann damit Gutes getan werden, etwa zur Förderung von geistigem Austausch wie von gezielten Fortbildungsaktivitäten. Es drohen aber eben auch ganz stark Manipulation und so etwas wie enthemmte Überwachung. Dass neue Technologien eine ernste Herausforderung darstellen, dass sie so etwas wie ein globales zweischneidiges Schwert sind, hat auch Papst Franziskus bereits betont.
Auf dieser Linie liegt, dass er als päpstliche Gebetsanliegen für den Monat April im Jahre 2025 formuliert hat:

„Für den Gebrauch der neuen Technologien“

und

„Beten wir, dass der Gebrauch der neuen Technologien nicht die menschlichen Beziehungen ersetzt, die Würde der Personen respektiert und hilft, uns den Krisen unserer Zeit zu stellen.“ 

Wir sind ja stets zum guten Bemühen aufgefordert. Die Fastenzeit mag da ein Abschnitt im Jahreskreis sein, in welchem wir uns dies etwas intensiver bewusst machen. Der Verzicht auf Genussmittel kann dabei recht hilfreich sein. Dazu kann solcher natürlich auch helfen, eigentlich unnötige Kosten zu vermeiden und Geld zu sparen. Solches gesparte Geld kann dann umso mehr für gute Zwecke eingesetzt werden.

Beharrlichkeit ist natürlich gerade im Leben der Kirche als geistlicher Gemeinschaft angesagt, die sichtbar hier auf Erden in Raum und Zeit wirkt.
In diesem Sinne sollte nicht zuletzt auch das kirchliche Gerichtswesen, das kirchliche Prozesswesen wirken. Willkür und Leichtfertigkeit sollten hier strikt vermieden werden. In jeder menschlichen Gemeinschaft bedarf es einer gewissen Ordnung. Dies gilt eben auch für die Kirche, egal ob man selber dazu einen eher philosophisch-soziologischen oder einen mehr (inner-)theologischen Zugang bevorzugt.
Der Verlässlichkeit dient dabei gerade das im kirchlichen Prozessrecht immer wieder vertretene Prinzip der Schriftlichkeit, welche mit der Forderung verbunden ist, parteiisches Verhalten strikt zu vermeiden.
So hat schon die Annahme oder auch Ablehnung einer notwendigen Klageschrift ihrerseits schriftlich, und zwar durch ein Dekret zu erfolgen.
Dazu wird in Paragraph 1 von Canon/Kanon 1505 des CIC grundsätzlich festgehalten:

„Nachdem der Einzelrichter oder der Vorsitzende des Kollegialgerichtes geprüft hat, dass die Streitsache in seine Zuständigkeit fällt und dass der Kläger prozessual rollenfähig ist, muss er durch Dekret baldmöglichst die Klageschrift annehmen oder ablehnen.“

Säumigkeit und jede Art von Willkür sollten Richter im kirchlichen Gerichts-/Prozesswesen unterlassen. Gegen derartiges Fehlverhalten wird jeder eventuellen Prozesspartei im Kirchenrecht ein Recht auf Gegenwehr zugestanden.
Dazu sollte nicht zuletzt Canon/Kanon 1506 im CIC dienen:

„Wenn der Richter zur Klageschrift innerhalb eines Monats seit ihrer Einreichung nicht durch Dekret entschieden hat, dass sie angenommen oder gemäß can. 1505 abgewiesen ist, kann die Partei darauf dringen, dass der Richter seinen Dienst leistet; bleibt der Richter dessen ungeachtet untätig, so gilt nach erfolglosem Ablauf von zehn Tagen seit der Anmahnung die Klageschrift als angenommen.“

Wenn nun immer wieder Ausdrücke wie „Partei“ oder „Prozesspartei“ auch im Kirchenrecht verwendet werden, so sollte dies keineswegs in einem parteipolitischen Sinne missverstanden werden. Schon gar nicht rechtfertigt dies einen parteipolitisch motivierten Missbrauch seitens kirchlicher Amtsträger oder Funktionäre einschließlich etwaiger Richter im kirchlichen Prozesswesen.
Die Möglichkeit sich als jemand, der eine Klageschrift eingereicht hat, bei Ablehnung direkt zumindest etwas zur Wehr zu setzen, wird bereits in Paragraph 4 des vorhergehenden Canon/Kanons 1505 zugestanden:

„Gegen die Ablehnung der Klageschrift steht einer Partei stets das Recht zu, innerhalb einer Nutzfirst von zehn Tagen eine begründete Beschwerde entweder an das Berufungsgericht einzulegen oder an das Richterkollegium, falls die Klageschrift vom Vorsitzenden abgewiesen worden ist; die Frage der Klageschriftablehnung ist aber auf schnellstem Weg endgültig zu entscheiden.“

Überhaupt kann eine Klageschrift im Sinne des Kirchenrechts nicht einfach so abgelehnt werden. Auch die einem Ortsordinarius oder einer Bischofskonferenz vielleicht missliebige ethnische, parteipolitische, vereinsrechtliche oder gewerkschaftliche Zugehörigkeit dürften hier keine Rolle spielen. In diesem Sinne legt Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanons 1505 recht deutlich fest (zu den Punkten 1 bis 3 von Canon/Kanon 1504 siehe Gedanken zur Woche 262 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2025)):

„§ 2. Eine Klageschrift kann nur abgelehnt werden, wenn:
1° der Richter oder das Gericht nicht zuständig ist;
2° zweifelsfrei feststeht, dass der Kläger nicht prozessual rollenfähig ist;
3° die Vorschriften des can. 1504, nn. 1-3 nicht eingehalten worden sind;
4° aus der Klageschrift sicher hervorgeht, dass das Klagebegehren jeder Grundlage entbehrt und keine Möglichkeit besteht, dass sich aus dem Verfahren irgendeine Grundlage ergibt.“

 

 

 

Gedanken zur Woche 261, Dr. Matthias Martin
3. FASTENSONNTAG (2025)

Wenn der DRITTE FASTENSONNTAG erreicht wird, dann sind wir in der Fastenzeit schon ein gutes Stück vorangekommen. Den ASCHERMITTWOCH wie den ERSTEN und den ZWEITEN FASTNESONNTAG haben wir damit in diesem Kirchenjahr schon hinter uns. Es steht dann unmittelbar der VIERTE FASTENSONNTAG, der eigens auch (Sonntag) LAETARE genannt wird, bevor (siehe Gedanken zur Woche 156 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2023) und Gedanken zur Woche 207 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2024)). Es folgt der auch PASSIONSSONNTAG genannte FÜNFTE FASTENSONNTAG (siehe Gedanken zur Woche 208 – 5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2024)) und schließlich als Beginn der KARWOCHE oder HEILIGEN WOCHE der PALMSONNTAG.
Spontan mag bei diesem DRITTEN FASTENSONNTAG etwa die Redensart in den Sinn kommen „Aller guten Dinge sind drei.“
Die Zahl DREI/3 hat natürlich innerhalb des Christentums ihre besonders starke und gewissermaßen ins Auge springende Bedeutung. Die Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit stellt erheblich das Wesenselement dar, welches das Christentum als eigenständige religiöse Überlieferung auszeichnet. Durch ein trinitarisches Grundverständnis hebt sich das Christentum mehr oder minder deutlich von anderen abrahamitischen Religionen ab.
Dabei kann uns eine mehr oder minder ausformulierte Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in unterschiedlicher Form begegnen. Im offiziellen Christentum hat sich die Lehre von der Wesensgleichheit der drei göttlichen Personen von Vater, Sohn und Heiligem Geist durchgesetzt. Mancher spricht bzw. schreibt hier auch von Wesenseinheit. Das halten manche wiederum für bedenklich bis gefährlich, da das Wort wesenseins bzw. Wesenseinheit den Eigenstand der drei göttlichen Personen zu verwischen drohe und zumindest in die Richtung eines modalistischen oder sabellianischen Verständnisses ginge. Für das theologische Verständnis von den drei wesensgleichen göttlichen Personen steht insbesondere das Große Glaubensbekenntnis, wie es mit dem ersten allgemeinen Konzil von Nicäa im Jahre 325 seinen Ausgang nahm und mit dem zweiten allgemeinen Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 seinen zumindest einstweiligen Abschluss fand. Später entwickelte sich dann die Kontroverse, ob man in Hinblick auf den Heiligen Geist nicht anstelle von „der vom Vater ausgeht/der aus dem Vater hervorgeht“, nicht lieber sagen und schreiben sollte „der vom Vater und vom Sohn ausgeht/der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“. Von der lateinischen Sprache her wird die damit verbundene Diskussion oder Auseinandersetzung gerne der Filioque-Streit genannt (siehe Gedanken zur Woche 217 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2024)). Er spielte eine wichtige Rolle für die große Spaltung jener Zweige der Christenheit, die man meistens die katholische Kirche und die orthodoxe Kirche nennt. Trinitarisch in der systematischen Theologie und im öffentlichen Bekenntnis ist man aber hier wie dort. Dies trifft auch für die altorientalischen Kirchen zu, welche der Formulierung des Konzils von Chalcedon des Jahres 451 über die zwei in Jesus Christus vereinten Naturen nicht folgen wollten oder früher oder später davon Abstand nahmen. Diese Kirchen werden deswegen auch gerne vorchalcedonensische Kirchen genannt. Diese Formulierung deutet an, dass hier das erwähnte, von den beiden ersten allgemeinen Konzilien herkommend, Große Glaubensbekenntnis wie auch die Beschlussfassung des dritten allgemeinen Konzils von Ephesus des Jahres 431 nicht das Problem darstellen.
Um unnötige Polemiken und Verletzungen und nachkonziliaren Übereifer zu vermeiden, soll hier betont werden, dass die (römisch-)katholische Kirche die in diesen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften gespendeten Taufen wie auch Weihen anerkennt. Mitunter gibt es auch schon Vereinbarungen zwischen dem päpstlichen Rom und mit ihm in voller Kirchengemeinschaft stehenden kirchlichen Einrichtungen auf der einen Seite und solchen Kirchen auf der anderen Seite über eine zumindest eingeschränkte wechselseitige Zulassung zum Empfang von Sakramenten. Hier sind die jeweiligen Verhältnisse nach dem aktuellen Stand der Dinge gewissenhaft in den Blick zu nehmen.
Recht deutlich hat sich das Verhältnis auch zwischen der (römisch-)katholischen Kirche und der allerdings intern zwischenzeitlich gespaltenen vorephesinischen Überlieferung gebessert. Dort hatte man mit dem dritten allgemeinen Konzil von Ephesus seine besonderen Probleme, blieb aber christlich und sozusagen auf etwas eigene Weise trinitarisch.

Die Form des Bekenntnisses, wonach Der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn ausgeht, hat sich im westlichen Christentum im Wesentlichen durchgesetzt. Natürlich weichen auch hier die zehntausenden voneinander unabhängigen und gerne generalisierend „protestantisch“ genannten Gemeinschaften voneinander ab. Betonen dort die einen demonstrativ ihre Zustimmung zu alten christlichen Bekenntnissen, so unterlassen dies andere. Manche „protestantische“ Gemeinschaft lehnt auch eigens formulierte Glaubensbekenntnisse aus Prinzip ab. Natürlich ist dann auch an dieser Stelle daran zu erinnern, dass in diesem so vielfältigen Gesamtbereich von „Protestantismus“ auch die Erklärungsmodelle in Hinblick auf die Allerheiligste Dreifaltigkeit auseinandergehen.

Mitunter wird ja dort mehr oder minder deutlich ein modalistischer Erklärungsversuch vertreten. Demnach gäbe es eine göttliche Person, die im Laufe der Heilsgeschichte/Geschichte jeweils als Vater, als Sohn oder als Heiliger Geist erscheine. Von daher gäbe es eine Dreifaltigkeit in den Wirkweisen, den modi, und nicht in den Personen wie es etwa im Großen Glaubensbekenntnis formuliert ist. Die Richtung begegnet in ernstzunehmender und wohl wachsender zahlenmäßiger Stärke gerade bei den Oneness-Pfingstlern/Einssein-Pfingstlern und ihren wiederum unterschiedlichen bis untereinander verfeindeten Gemeinschaften (siehe Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTSONNTAG (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023) und Gedanken zur Woche 213-b – 4. OSTERWOCHE (2024)).
Auch das zahlenmäßig wesentlich schwächere und doch auf seine Weise so spaltungsfreudige Phänomen genannt „Altkatholizismus“ ist in der Frage des Filioque im Glaubensbekenntnis wie in anderen Angelegenheiten der Glaubens- und Sittenlehre und bei deren Umsetzung in Gemeindepraxis ganz offensichtlich keine einheitliche Größe. Auch hier ist die jeweilige Gemeinschaft eigens in den Blick zu nehmen und im Sinne eines christlichen Miteinanders auf Vorurteile und verletzende Verallgemeinerungen zu verzichten.

Natürlich ist auch bei Vertretern oder mutmaßlichen Anhängern einer semimodalistischen Erklärung der trinitarischen Frage (siehe Gedanken zur Woche 166-b – PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 172 – 14. SONNTAG IM JAHRESRKEIS (2023) und Gedanken zur Woche 217 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2024)) im guten Sinne vorurteilsfrei vorzugehen.

Dies gilt ebenso in Hinblick auf den unitarischen oder sozinianischen Ansatz für die trinitarische Frage und ihn unterstützende Gruppierungen und Einzelpersonen. Dort wird ja wesentlich schärfer als etwa bei Arius von einer deutlichen Unterordnung Jesu unter den göttlichen Vater anstelle von jeder Wesensgleichheit, Wesenseinheit oder auch nur Wesensähnlichkeit ausgegangen (siehe Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023) und Gedanken zur Woche 217 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2024)).
Aber auch in solchen konfessionellen Gemeinschaften betont man die Zugehörigkeit zum Christentum. 

Dabei begegnet die Dreizahl auch bei anderen Gelegenheiten.
Denken wir nur an die drei göttlichen/theologischen Tugenden oder christlichen Grundtugenden von Glauben, Hoffnung und Liebe nach dem Ersten Korintherbrief.

Gerade solche christlichen Grundtugenden sollten wir in der Fastenzeit wie auch sonst während des Jahres nach Kräften pflegen. Die wie auch immer unterteilte Bibel und eine unverfälschte katholische Überlieferung bieten dazu immer wieder Anregungen. Auf so etwas kann man bei all ihren Gemeinsamkeiten mit anderen religiösen und philosophischen Überlieferungen zurückgreifen. Hass und Polemik sollten gemieden werden.

 

1. Lesung: Ex 3,1-8a.13-15 oder Ex 17,3-7
2. Lesung: 1 Kor 10,1-6.10-12 oder Röm 5,1-2.5-8
Evangelium: Lk 13,1-9 oder Joh 4,5-42

 

 

 

Gedanken zur Woche 261-b, Dr. Matthias Martin
3. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2025)

Egal, welche Texte aus biblischen Büchern von einem Direktorium eines Bistums/einer Diözese oder von anderer Stelle als Tageslesung bzw. Tageslesungen und als Tagesevangelium vorgelegt werden, so ist es doch unerlässlich, nach besten Kräften immer wieder das größere Ganze der Bibel in den Blick zu nehmen. Zu diesem gehört auch der jeweilige kulturell-geschichtlich-geistige Hintergrund. Von daher lädt das Interesse an biblischen Texten zur Beschäftigung mit Geschichte, Archäologie, Sprachwissenschaften und Philosophie mit ihren verschiedenen Aufzweigungen, Teildisziplinen und Hilfswissenschaften ein. Was der eine dann einer profanen Wissenschaft oder Wissenschaftsdisziplin zuordnen mag, ist für den anderen vielleicht eh Teil von Theologie, ist für ihn innerhalb einer theologischen Disziplin zu behandeln. Eine solchermaßen angesprochene theologische Disziplin kann etwa Biblische Einleitungswissenschaften, Exegese, Kirchengeschichte oder Kirchenrecht sein. Auch die Fächer systematischer Theologie wie Dogmatik und Moraltheologie lassen sich nicht von sprachwissenschaftlichen Angelegenheiten und einem historisch-kulturellen Kontext trennen (siehe Gedanken zur Woche 202 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 208-b – 5. FASTENWOCHE (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 214-b – 5. Osterwoche (2024) und Gedanken zur Woche 225 – 15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). So ist ja jeder Kirchenlehrer, Papst, Märtyrer und dergleichen eine historische Persönlichkeit.
Gleiches gilt für Philosophen und Menschen, mit denen Philosophen in irgendeiner Weise zu tun hatten, von denen sie Anregungen und Hilfe oder aber Bedrängnis und Beschimpfungen empfingen. Das Schicksal des attischen Philosophen Sokrates spiegelt die damaligen heftigen Auseinandersetzungen im Stadtstaat von Athen wider. Gemäßigten bis erklärtermaßen prospartanischen Kräften standen athenische Nationalisten gegenüber. Schon vorher hatte es ja auch im athenischen oder attischen Stadtstadt eine Gesetzgebung gegen Mischehen mit Menschen aus anderen Gegenden dessen gegeben, was vereinfachend bis irreführend mitunter „Griechenland“ genannt wird. Ein Opfer solcher Auseinandersetzungen wurde offensichtlich der sich mit seinem attischen oder athenischen Vaterland identifizierende Sokrates. Dies mag als sehr deutliche Warnung vor einer verklärenden Griechenlandromantik und neuzeitlicher griechischer Nationalmythologie dienen. Andere sehen nicht ohne Grund das Schicksal des Sokrates als Beispiel für den Missbrauch politischer Macht und die Herrschaft eines enthemmten Pöbels.
Ähnliches begegnet uns, wenn wir auch nur kurz einen Blick auf das irdische Schicksal des Jesus von Nazaret werfen. Längst ist unbestritten, dass dieses in seinen je eigenen geschichtlichen Kontext wie einem vielfältigen geistig-kulturellem Umfeld zu sehen ist. Möchte man einfach einmal so das Neue/Zweite Testament lesen, so hilft es, wenn man etwas informiert ist über damalige Herrschaftsverhältnisse im Heiligen Land und dessen Umgebung. Da stößt man auf (römische) Statthalter, Klientelkönige/Klientelfürsten, das römische Kaisertum und damit verbundenes Beamtenwesen und Militär, einschließlich politisch-militärische Strukturen wie die Dekapolis und generell (römische) Provinzen. Die Macht des römischen Imperiums konnte sich dementsprechend auf unterschiedlichen Wegen auswirken, ziemlich direkt über einen Staathalter wie Pontius Pilatus etwa oder mehr indirekt über einen Klientelherrscher in Roms Diensten wie der einmal „der Große“ und andere Male „Kindermörder von Bethlehem“ genannte Herodes. In der Weihnachtsgeschichte nach Lukas wird dessen hegemonialer Oberherr Augustus sogar ausdrücklich beim Namen genannt. Folgen wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung, so können wir lesen:

„(Lk 2,1) Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehlt erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen. (2) Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirinius Statthalter von Syrien.“

Kurz vorher wird die lukanische Erzählung von der Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung mit den Worten eingeleitet:

„(Lk 1,5) Es gab in den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa, einen Priester namens Zacharias, der zur Abteilung des Abija gehörte … .“

Handfeste politische Machtverhältnisse und auch finanzielle Interessen werden angesprochen. Manche und mancher interessierte sich inzwischen eigens, wie das mit der Eintragung in Steuerlisten unter Augustus vonstatten gegangen sein dürfte. Es wird beim Lesen des Neuen/Zweiten Testaments sehr deutlich, dass schon damals das Judentum keine einheitliche Größe war und sich alsbald innerhalb des Christentums Spaltungsvorgänge entwickelten. Ebenso wird im Verlauf einer betreffenden Lektüre zumindest angedeutet, dass so etwas wie heidnische Religion im Römischen Reich und in den unter seinem starken Einfluss stehenden Gebieten und überhaupt das dortige religiöse Leben keine einheitliche Größe war. Gerade auch hier kam es sehr stark auf örtliche Gegebenheiten an. Der Apostel Paulus knüpfte daran an. Besonders bekannt ist dabei seine Missionstätigkeit in Athen. Dazu wird er, wiederum nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung, in der Apostelgeschichte zitiert:

„(Apg 17,22b) Männer von Athen, nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromm. (23) Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch.“

Wenige Verse vorher heißt es:

„(Apg 17,16) Während Paulus in Athen auf sie wartete, wurde sein Geist von heftigem Zorn erfasst; denn er sah die Stadt voll von Götzenbildern. (17) Er redete in der Synagoge mit den Juden und Gottesfürchtigen und auf dem Markt sprach er täglich mit denen, die er gerade antraf. (18) Einige von den epikureischen und stoischen Philosophen diskutierten mit ihm … .“

Uns wird also ein sehr geraffter Überblick über die religiöse Vielfalt in der einstigen Hauptstadt des Attischen Seebundes und dann attischen Reiches und schließlich wieder einfachen Stadtstaates geboten. Ausdrücklich wird auf die großen philosophischen Richtungen der Epikureer und der Stoiker hingewiesen. Offensichtlich hat Paulus nicht zuletzt mit ihnen aktiv das Gespräch gesucht. Gerade die Stoa, die ihrerseits ausdifferenzierte philosophische Richtung des Stoizismus, und das junge Christentum begegneten sich im Laufe der Zeit recht intensiv. Der angenommene Briefwechsel zwischen dem Apostel Paulus und dem stoischen Philosophen Seneca ist aber nicht authentisch, sondern eine spätere literarische Produktion.
Nicht zuletzt verdient der Hinweis auf eine lebendige jüdische Präsenz im damaligen Athen Beachtung. Es war ja bereits die Zeit einer starken jüdischen Diaspora in Ländern rund um das Mittelmeer bis in das Parthische Reich hinein. Einige Menschen aus dem so vielfältigen Heidentum wandten sich ihrerseits dem Judentum zu, sei es als Gottesfürchtige oder überhaupt als Proselyten. Scheinbar war das Verhalten jüdischer Vertreter und ihrer Sympathisanten in Athen Paulus gegenüber keineswegs feindselig, sondern irgendwie dialogbereit. Man konnte wohl durchaus miteinander reden.
Zum Schmunzeln mag die etwas mentalitätsgeschichtliche oder völkerkundliche Aussage in der Apostelgeschichte anlässlich der missionarischen Tätigkeit des Paulus in Athen anregen:

„(Apg 17,21) Alle Athener und die Fremden dort taten nichts lieber, als die letzten Neuigkeiten zu erzählen oder zu hören.“

Nicht zuletzt in Hinblick auf die Bedeutung von Frauen im Urchristentum verdient der letzte Vers in der Apostelgesichte über das missionarische Wirken des Paulus in Athen Beachtung. Zugleich verdeutlicht die eigene Erwähnung von Dionysios dem Areopagiten, dass die römische Unterwerfung und Beherrschung von „griechischen“ Staatswesen kein überall blitzartiger, sondern ein vielschichtiger und örtlich recht unterschiedlicher Vorgang war:

„(Apg 17,34) Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig, unter ihnen auch Dionysius, der Areopagit, außerdem eine Frau namens Damaris und noch andere mit ihnen.“ 

Es ist zu beachten, dass die einzige Person unter den Bekehrten, die zusammen mit dem immerhin offensichtlich als Amtsträger lebenden Dionysius namentlich erwähnt wird, eine Frau ist! Alle möglichen Männer werden nur knapp zusammengefasst und ohne Nennung ihrer Namen erwähnt.

Natürlich richtet die Erwähnung, dass es sich bei dem bekehrten Dionysius um einen Areopagiten gehandelt habe, den Blick auf die eigene athenische Verfassungsgeschichte. Zugleich mag es das Interesse daran fördern, wie denn in einzelnen Gebieten oder Stadtstaaten die römische Machtausdehnung schneller oder langsamer, brutaler oder etwas diplomatischer voran ging.

 

 

 

Gedanken zur Woche 260, Dr. Matthias Martin
2. FASTENSONNTAG (2025)

Die Fastenzeit ist allmählich etwas vorgerückt. Viele Menschen haben sich wohl den einen oder anderen Fastenvorsatz gemacht. Die menschliche Erfahrung verdeutlicht dabei, dass natürlich gute Vorsätze leichter gemacht als umgesetzt werden. Dies gilt für die Vorsätze zu Silvester bzw. Neujahr wie für Fastenvorsätze und auch für andere Vorsätze.
Es ist aber trotzdem gut und richtig, sich immer wieder aufzuraffen und eigene Sünden und Fehler wie die mögliche Verstärkung guter Eigenschaften und Verhaltensweisen anzugehen.
Die Fastenzeit ist immerhin noch etwas im sozio-kulturellen Gedächtnis westlicher Gesellschaften wahrnehmbar. Dazu kommen immer wieder Anregungen aus verschiedenen Richtungen, etwa durch Berichte in den Medien über andere Länder wie durch Kontakte zu Menschen aus anderen Kulturkreisen, welche entweder persönlich oder bereits deren Vorfahren im Rahmen verschiedener Arten von Zuwanderung in unsere Umgebung gekommen sind. Ganz verschiedene Religionen und kulturelle Überlieferungen kennen ja so etwas wie Fastenregeln und besondere Empfehlungen oder Anweisungen für eine besonders verantwortete Lebensgestaltung zu bestimmten Zeiten. Auch bei Fastenregelungen und allgemeine Anregungen für Selbstbeschränkung im Lebensstil und etwaigen Konsumverzicht begegnet uns rasch so etwas wie eine eigene multikulturelle Vielfalt. Eigens sollte solche Vielfalt in der menschlichen Begegnung immer wieder ein Anstoß sein, dass man sich selber etwas zusammenreißt. Von Rückschlägen sollte man sich nicht so einfach entmutigen lassen.
Selbstdisziplin kann immer wieder als Hinweis auf Glaubwürdigkeit der eigenen Person und einer Personengruppe wahrgenommen werden, für die man selber mehr oder minder steht. Außenstehende nehmen jemanden, dem sie begegnen, ja immer wieder gerne als Repräsentanten einer größeren bis sehr großen Gruppe wahr. Dies mag einem betroffenen Individuum oder einer Familie dabei gar nicht selber bewusst sein, oder es mag für den bzw. die Betreffenden sogar etwas unangenehm sein. Umgekehrt neigen ja Menschen ihrerseits dann dazu, vom Verhalten einer Einzelperson oder ganz weniger Individuen auf die Angehörigen einer größeren Gemeinschaft oder Anzahl von Menschen zu schließen.
Benimmt sich ein Einzelner etwa unter Alkohol- oder Drogeneinfluss deutlich daneben, so kann dies leicht das Ansehen einer ganzen Gruppe oder kulturellen oder religiösen Überlieferung in Mitleidenschaft ziehen.
Umso mehr mögen sich nicht zuletzt Katholikinnen und Katholiken stets ihrer eigenen Verantwortung bewusst sein. Sie sind gewissermaßen die Visitenkarten der Kirche, geben der Gemeinschaft der Glaubenden vor Ort ein Gesicht.
Bei Geistlichen und anderen festangestellten Mitarbeitern kirchlicher Strukturen und Inhabern kirchlicher Ehrenämter wirkt das natürlich umso schwerer. Ein Amt, eine Funktion, eine Aufgabe, die jemandem übertragen wurde, soll man immer wieder bewusst als ernste Verpflichtung wahrnehmen. Aber es vertreten eben alle Getauften ein Stück weit die Kirche. Durch den Empfang des Sakramentes der Firmung wird dies noch einmal bekräftigt.
Dass alle dementsprechend berufen sind, ein im moralischen Sinne gutes Leben zu führen, wird in Aussagen des kirchlichen Lehramtes zur Glaubens- und Sittenlehre immer wieder thematisiert. Es wird auch mit verschiedenen Akzenten im Kirchenrecht verdeutlicht.
So können grundsätzliche alle Menschen bei kirchlichen Prozessen als Zeuginnen und Zeugen in Frage kommen. Dies ist eben nicht auf Geistliche und Ordensleute oder wen auch immer begeschränkt.
In Canon/Kanon 1547 des CIC wird ganz grundsätzlich die Bedeutung von Zeugenaussagen angesprochen:

„Der Zeugenbeweis ist in jedwedem Verfahren zulässig. Er steht unter der Leitung des Richters.“

Der Hinweis auf die dabei geforderte Tätigkeit des Richters verdeutlicht die Ernsthaftigkeit und unterstreicht, dass wer damit zu tun hat, keineswegs leichtfertig handeln soll. Dieser Grundgedanke wird im Folgenden entfaltet .Dabei wird bezüglich dem Recht zur Zurückhaltung oder Verweigerung einer Aussage in einer Weise differenziert, dass dies an weltliche Rechtsordnungen erinnern kann. Dementsprechend lautet der etwas umfangreichere Canon/Kanin 1548 im CIC:

„§ 1. Die Zeugen müssen dem Richter auf sein rechtmäßiges Befragen wahrheitsgemäß antworten.“

Im sich daran anschließenden Paragraphen 2 des Canons/Kanons 1548 kommt es dann zu der angedeuteten Ausdifferenzierung in Hinblick auf eine Aussagepflicht oder das Recht, eine Aussage zu verweigern:

„Unbeschadet der Vorschrift des can. 1550, § 2, n. 2 sind von der Beantwortungspflicht ausgenommen:
1° Kleriker hinsichtlich dessen, was ihnen aufgrund ihres geistlichen Amtes bekannt geworden ist; Beamte, Ärzte, Hebammen, Anwälte, Notare und andere Personen, die zur Wahrung des Amtsgeheimnisses selbst aufgrund beratender Tätigkeit verpflichtet sind, hinsichtlich der dieser Schweigepflicht unterliegenden Angelegenheiten;
2° wer aus seiner Aussage für sich, seinen Ehegatten oder seine nächsten Blutsverwandten oder Verschwägerten Rufschädigung, gefährliche Belästigungen oder sonstige schwere Schäden befürchtet.“

Hier klingt nicht zuletzt die besondere Wertschätzung von Ehe und Familie an, wie sie immer wieder in der katholischen Überlieferung zu finden ist.
Der ausdrücklich erwähnte Punkt 2 im zweiten Paragraphen von Canon/Kanon 1550 dürfte Menschen, die sich aktiv am kirchlichen Leben beteiligen oder sich irgendwie etwas dafür interessieren, wenig überraschen. Auch bei der Beschäftigung mit der allgemeinen Geschichte mag man auf diese Thematik gestoßen sein. Es wird doch direkt auf das so wichtige Beichtgeheimnis angezielt. In Paragraph 2 von CIC-Canon/Kanon 1550 ist nämlich zu lesen, dass:

„Als zeugnisunfähig gelten:
...
2° Priester hinsichtlich jedweder Kenntnis, die sie aus der sakramentalen Beichte gewonnen haben, selbst wenn der Pönitent deren Offenbarung verlangt hat; sogar das, was von irgendwem und auf irgendeine Weise gelegentlich einer Beichte gehört worden ist, kann nicht einmal als Anhaltspunkt für die Wahrheit entgegengenommen werden.“

Weitere als zeugnisunfähig geltende Personengruppen werden demensprechend bereits in Punkt 1 genannt:

"die Streitparteien oder jene, die in ihrem Namen vor Gericht auftreten, ferner der Richter und seine Gehilfen, der Anwalt und wer sonst noch den Parteien in derselben Sache Beistand leistet oder geleistet hat;“.

Wie an anderen Stellen des kanonischen Rechts wird hier also kein Unterschied zwischen den beteiligten Parteien und in ihrem Namen auftretenden Menschen gemacht. Vielmehr werden eine grundsätzliche Gleichberechtigung und Gleichbehandlung angemahnt.
Schon im vorgehenden CIC-Canon/Kanon 1549 wird ganz grundsätzlich in Hinblick auf Zeugen die Gleichbehandlung knapp angesprochen. Dort heißt es nämlich lapidar:

„Jeder kann Zeuge sein, sofern er vom Recht nicht ausdrücklich oder teilweise ausgeschlossen wird.“

Gleichheit sollte auch in Hinblick auf den Schutz von Zeugen gegenüber Einschüchterung, Belästigung und Repressalien verwirklicht werden.
So lautet Canon/Kanon 1559 im CIC:

„Der Vernehmung der Zeugen dürfen die Parteien nicht beiwohnen, außer dem Richter scheint, besonders wenn es um eine Sache des privaten Wohls geht, ihre Zulassung angezeigt. Jedoch können ihre Anwälte oder Prozessbevollmächtigten bei der Vernehmung zugegen sein, sofern der Richter nicht wegen sachlicher und persönlicher Umstände meint, es sei geheim vorzugehen.“

Respektvolle Gleichbehandlung und Rechtsschutz sind auch im unmittelbar nachfolgenden CIC-Canon/Kanon 1560 angesagt:

„§ 1. Die Zeugen sind einzeln je für sich zu vernehmen.
§ 2. Weichen die Zeugen untereinander oder von einer Partei in einer schwerwiegenden Sache ab, so kann der Richter sie einander gegenüberstellen, wobei Streit und Ärgernis nach Möglichkeit zu vermeiden sind.“

 

1. Lesung: Gen 15,5-12.17-18
2. Lesung: Phil 3,17-41 (oder 3,20-4,1)
Evangelium: Lk 9,28b-36

 

 

 

Gedanken zur Woche 260-b, Dr. Matthias Martin
2. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HEILIGEN JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2025)

Gerade die Fastenzeit sollen Christinnen und Christen nutzen, auf dass sie Böses meiden und Gutes tun. Gilt dies natürlich für das ganze Jahr, so mag die durch kirchliche Überlieferung, ja konfessionelle Grenzen überschreitende Überlieferung, ausgedrückte ernste Natur der Fastenzeit dazu eigens anregen.
Überlieferung und angewandte Liturgie einschließlich Heiligengedenktage und Leseordnung bieten vielerlei Anregungen und Bestärkungen. Je nach biblischer Schrift und einzelner Stelle eines biblischen Buches können Formulierungen, die wir jeweils finden, einmal mehr abstrakt und einmal eher gegenständlich sein. So verhält es sich auch bei außerbiblischer Literatur. Generell begegnet uns in biblischen Schriften eine Sprache, die heutigen Menschen sehr oft etwas fremd ist. Die Zeiten haben sich sowieso grundlegend geändert. In westlichen Gesellschaften und auch andernorts herrscht längst nicht mehr der landwirtschaftliche Bereich einschließlich Weinbau und Fischerei vor. In diesem Sektor tätige Menschen stellen in vielen gerade westlichen Staaten nur noch eine kleine Minderheit dar. Reisemöglichkeiten und Medien haben revolutionäre Umbrüche erlebt. Solche Veränderungen schreiten gerade heutzutage in rasanter Geschwindigkeit voran. Auch so etwas wie die Staatenwelt hat sich wiederholt enorm verändert. Sowohl das Erste oder Altbabylonische Reich wie das Neubabylonische Reich sind längst vergangen. Das Assyrische Reich wurde mit aller Härte regelrecht ausradiert vom Angesicht der Erde. Reich, Sprache und Kultur der Hethiter, Elamiter, Phrygier und anderer Völker wurden längst vom Staub der Geschichte überdeckt, um dann erst nach Jahrhunderten bis Jahrtausenden wieder etwas ausgegraben zu werden. Dass es im Alten Ägypten Pharaonen gab und sich einst über weite Gebiete das Römische Reich und dann etwa das Hunnenreich erstreckte, kennen einige Menschen am ehesten von Filmen her. Akademische Disziplinen, die sich mit solchen alten Kulturen und Sprachen beschäftigen, werden gerne „Orchideenstudien“ und „Exotenfächer“ genannt. Die Form von altem Griechisch, welche durch die Eroberungszüge Alexanders, genannt der Große, zur Weltsprache aufstieg, ist als gesprochene Sprache längst ausgestorben. Dieser allgemein feststellbare Vorgang wurde in der Zwischenzeit so eingestuft, als ob etwa die jetzige Weltsprache Englisch in ein paar Jahrhunderten fast und dann ganz ausgestorben wäre. Latein gilt seinerseits als „tote Sprache“. Längst beklagen sich Vertreter von den unterschiedlichen Varianten vom Englischen, dass in ihrem Bereich dieses bzw. diese von anderen Sprachen oder einer bestimmten anderen Sprache verdrängt werden. Dies kann man von Miami im nordamerikanischen Florida über Belfast in Nordirland bis in Stadtviertel der britischen Hauptstadt London hinein vernehmen. Passend dazu sind die großen Kolonialreiche Frankreichs und Großbritanniens wie die Kolonialreiche von Portugal, den Niederlanden und Belgien nach dem Zweiten Weltkrieg zerfallen. Das gleiche Schicksal erlitten auch die Sowjetunion, Jugoslawien/Yugoslawien und die Tschechoslowakei. Spaniens Kolonialreich kollabierte weitgehend schon im 19. Jahrhundert. Gerade wie lange es noch das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland gibt, ist unklar. Unklar ist generell, wann und wo der nächste Staat die Unabhängigkeit erlangt.
Das Weltbild in Hinblick auf die Stellung des Menschen im Universum ist schon gar nicht mehr das, was es einmal war. Ständig kommt es in der Astronomie und nicht zuletzt in der Astrophysik zu neuen Entdeckungen und der Entwicklung neuer Hypothesen und Theorien. Egal welches Weltbild jemand sich zu eigen gemacht hat, bzw. welchen Hypothesen und Theorien jemand mehr oder minder folgt, so kann er bzw. sie gerade in unseren Breiten es unternehmen, solche Ansichten mit Hilfe moderner Medien zu verbreiten. Umgekehrt können etwa über die modernen Sozialen Medien die Gegenmeinungen heftig auf ihn/sie einprasseln. Dies geht leider immer wieder auch bis hin zu persönlichen Untergriffen und regelrechten Diffamierungskampagnen. Dabei sollte stets die Würde jedes einzelnen Menschen geachtet werden, unabhängig von Herkunft, sozialer Stellung und persönlicher Positionierung in den angeschnittenen Themenfeldern.

Leider benehmen sich kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht immer richtig. Ja auch aus dieser Richtung kann es doch zu schwerwiegenden Verfehlungen kommen. Solche Verfehlungen können vielfältig und mitunter schwerwiegend sein.
Dass sich im Sinne katholischen Verständnisses auch hohe bis höchste Kirchenvertreter schlecht benehmen können, wird grundsätzlich im Kirchenrecht vorausgesetzt.
Dies wird schon deutlich, wenn man sich einmal Canon/Kanon 1405 des CIC durchliest (siehe auch Gedanken zur Woche 259 – 1. FASTENSONNTAG (2025)). Dabei bekommt man schon in diesem einen Canon/Kanon des Kirchenrechts eine ganze Reihe von Stichworten zum hierarchischen Aufbau der katholischen Kirche geboten. Zugleich wird hier die Spitzenposition des Papstes innerhalb der katholischen Kirche verdeutlicht:

„§ 1. Nur der Papst selbst ist zuständig für die in can. 1401 erwähnten Verfahren:
1° von Staatsoberhäuptern;
2° von Kardinälen;
3° von Gesandten des Apostolischen Stuhles und von Bischöfen, bei Letzteren aber nur in Strafsachen;
4° in anderen Angelegenheiten, die er selbst an sich gezogen hat.
§ 2. Ein Richter kann nicht ohne vorherigen päpstlichen Auftrag über eine Rechtshandlung oder eine Urkunde befinden, die vom Papst in besonderer Form bestätigt worden sind.“

Handlungsbedarf ist dementsprechend auch für höchste römische Gerichte im kirchlichen Sinne zu erwarten. So lautet Paragraph 3 dieses CIC-Canon/Kanons 1405:

„Der Römischen Rota ist die Rechtsprechung vorbehalten:
1° über Bischöfe in Streitsachen, unter Wahrung der Vorschrift des can. 1419, § 2;
2° über den Abtprimas oder den Abtpräses einer monastischen Kongregation sowie den obersten Leiter von Ordensinstituten päpstlichen Rechtes;
3° über Diözesen oder sonstige natürliche und juristische Personen in der Kirche, die keinen Oberen unterhalt des Papstes haben.“

Auch in solchen Angelegenheiten finden wir parallele Festlegungen im CCEO für die Katholischen Ostkirchen.
So lautet Canon/Kanon 1060 eben des CCEO:

„§ 1. Nur der Papst hat das Recht zu urteilen:
1° über Patriarchen;
2° über Bischöfe in Strafsachen;
3° über jene, die das höchste Staatsamt innehaben;
4° über andere Sachen, die er selbst an sein Gericht gezogen hat.“

Mit Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Eigenheiten der Katholischen Ostkirchen wird auch in Paragraph 2 dieses CCEO-Canons/Kanons 1060 die Frage nach der Ahndung des eventuellen Fehlverhaltens hoher Kirchenvertreter behandelt:

„Ausgenommen die Bischöfe, die innerhalb der Grenzen des Territoriums einer patriarchalen Kirche ihre Gewalt ausüben, wird über die anderen Bischöfe in Streitsachen von dem vom Papst dafür benannten Gericht Recht gesprochen, vorbehaltlich des can. 1066 § 2.“

Wiederum ganz parallel zur Formulierung im CIC lautet dann Paragraph 3 von Canon/Kanon 1060 im CCEO:

„Der Richter kann nicht über eine vom Papst in besonderer Form bestätigte Rechtshandlung oder Urkunde entscheiden, wenn nicht dessen Auftrag vorangegangen ist.“

Damit wird auch für solche eher speziellen Fälle auch im CCEO der Jurisdiktionsprimat des Papstes und überhaupt die Einheit der katholischen Weltkirche verdeutlicht. Umso mehr sollten die Angehörigen der verschiedenen Kirchen eigenen Rechts in solidarischer Verbundenheit herzlich zusammenstehen und sich nicht etwa von politischer Seite auseinanderdividieren lassen.
In Verbindung mit der Thematisierung der verfassungsrechtlichen Akzente der Katholischen Ostkirchen wird gleichfalls in Paragraph 1 von Canon/Kanon 1062 der päpstliche Jurisdiktionsprimat berücksichtigt:

„Die Synode der Bischöfe der patriarchalen Kirche ist, unbeschadet der Zuständigkeit des Apostolischen Stuhls, das höchste Gericht innerhalb der Grenzen des Territoriums dieser Kirche.“

 

 

 

 

 

Gedanken zur Woche 259, Dr. Matthias Martin
1. FASTENSONNTAG (2025)

Natürlich stellt der ASCHERMITTWOCH den Beginn der vorösterlichen Fastenzeit dar. Mit ihm endet gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum die Zeit des Faschings, die Karnevalszeit, und beginnt eben die Fastenzeit, die uns hinführt zum höchsten Fest der Christenheit, hin zu Ostern.
Am besten man beginnt schon am ASCHERMITTWOCH, sich ernsthaft einer innerer Erneuerung, einer Neuausrichtung des eigenen Lebens zu widmen, um sich eben möglichst gut auf die Kartage und das Osterfest vorzubereiten. Auch wenn die Fastenregelungen im offiziellen Bereich der katholischen Kirche anders als in anderen großen religiösen Überlieferungen und konfessionellen Gemeinschaften sehr reduziert wurden, so stellt der ASCHERMITTWOCH auch heute noch einen Einschnitt dar, wenn man zumindest den nachkonziliaren offiziellen kirchlichen Regelungen folgt. Wie der KARFREITAG gilt eben auch der ASCHERMITTWOCH immer noch als Fast- und Abstinenztag. Die Tage unmittelbar nach dem ASCHERMITTWOCH werden ausdrücklich auf ihn bezogen. So kann man dann eben vom „Donnerstag nach Aschermittwoch“, vom „Freitag nach Aschermittwoch“ und vom „Samstag nach Aschermittwoch“ lesen, wenn man sich mit dem Verlauf des Kirchenjahres beschäftigt.
Es folgt der 1. FASTENSONNTAG. Diesen Tag möge man eigens im religiösen Sinne nutzen. Der Besuch der Heiligen Messe, Nachdenken, Besinnung und Meditation wie das Lesen in der Bibel bieten sich hier etwa an. Das Nachdenken, die Besinnung kann sich gerade auf die unmittelbar zurückliegenden Tage seit ASCHERMITTWOCH beziehen. Wie hat die Fastenzeit für mich begonnen? Wie ist man in die vorösterliche Zeit der Buße und Besinnung hineingestartet?

Menschen haben ja grundsätzlich ihre Schwächen, ihre vielfältigen Unzulänglichkeiten. Da ist es umso besser, eigens Tage wie den ASCHERMITTWOCH und den ERSTEN FASTENSONNTAG zu nutzen, sich eigenes Fehlverhalten bewusst zu machen und gezielt dagegen anzugehen. Gerade all die sind dazu aufgerufen, welche in der Kirche eine offizielle Funktion, ein Amt oder bestimmte Aufgabe wahrnehmen. Auch solche Personen sind nicht frei von Fehlern. Dies wird ja auch im offiziellen, im gewissermaßen kirchenamtlichen Kirchenrecht so gesehen. So werden Amtsträger ja nicht von kirchlichen Strafprozessen und Kirchenstrafen ausgenommen. An einer interessanten Stelle wird eigens das Augenmerk auf hohe kirchliche Amtsträger gerichtet. So wird in Paragraph 1 des CIC-Canon/Kanons 1405 erklärt, dass kirchliche Prozessverfahren gegen Kardinäle und Gesandte des Apostolischen Stuhles dem Papst vorbehalten sein sollen. Bei Bischöfen gilt diese Reservierung zugunsten päpstlichen Handelns nur in Strafsachen. Damit wird in diesem Canon/Kanon 1405 des CIC ins Auge springend bestätigt, dass man auch bei Kardinälen, Gesandten des Apostolischen Stuhles und Bischöfen von der ernsten Möglichkeit persönlichen Fehlverhaltens auszugehen hat und dieses demensprechend zu ahnden ist. Die kodikarische Formulierung besagt das genaue Gegenteil von einer gerade in nachkonziliarer Zeit innerkirchlich so gerne vertretenen Immunität kirchlicher und da gerade besonders hoher Amtsträger vor rechtlichen Folgen bei eigenem Fehlverhalten. In dieselbe Richtung wie dieser Canon/Kanon 1405 des CIC werden wir durch den Canon/Kanon 1060 des CCEO gewiesen. Damit wird hier auch die Zugehörigkeit der Katholischen Ostkirchen zur katholischen Weltkirche mit dem Papst verdeutlicht.
Dabei erkennt die katholische Kirche ausdrücklich die Zuständigkeit weltlicher Justiz- und Polizeiorgane an. Die Befreiung kirchlicher Mitarbeiter einschließlich geweihter Amtsträger von der Zuständigkeit weltlicher Polizei und Justiz wird im CIC und CCEO ausdrücklich nicht vertreten. Auch bei Verhandlungen mit Staaten und staatsähnlichen Einrichtungen wie in laufenden diplomatischen Beziehungen einschließlich der Durchführung diplomatischer Notenwechsel wird so eine Sonderstellung keineswegs verlangt. Kirchliches Prozesswesen soll keine Konkurrenz und kein Störfaktor gegen legitime weltliche Gerichtsbarkeit und mit ihr verbundenen Arbeitsvorgängen sein. Diesbezüglich wird längst keine besondere Gerichtsbarkeit für Geistliche und andere kirchliche Mitarbeiter mehr gefordert. Dort, wo früher einmal solche Forderungen erhoben und gegebenenfalls mehr oder minder durchgesetzt wurden, waren bzw. sind die Zeitumstände zu beachten. Die verschiedenen Stände und andere Gruppen innerhalb einer Gesellschaft hatten jeweils ihre eigenen Rechte und Pflichten. Immer wieder gab es auch besondere Gerichtsbarkeiten. Dies konnte auch in Hinblick auf ethnische Herkunft und dergleichen gelten. In den letzten Jahrhunderten wurde dies immer mehr zurückgedrängt. Strafrecht und Steuerverpflichtungen gelten grundsätzlich für alle in einem Staatswesen. Gerade in westlichen Ländern wird dies als selbstverständliche Grundposition zumindest gegenüber der Öffentlichkeit so vertreten.
Die kirchliche Gerichtsbarkeit hat sich nur mit theologisch-innerkirchlich relevanten Angelegenheiten zu beschäftigen, die außerhalb des Gewissensbereichs zu greifen sind. Eine strafrechtliche Vorzugsbehandlung von Kirchenvertretern im Alltagsleben oder etwa eine Vorzugsbehandlung bei Verkehrskontrollen wird in keinster Weise durch lehramtliche Dokumente und das Kirchenrecht vertreten. Kirchliche Mitarbeiter, die etwa kriminelle Handlungen begehen oder vielleicht im angetrunkenen Zustand Auto fahren, sind genauso wie andere Menschen zur Rechenschaft zu ziehen.
Das kirchliche Gerichtswesen hat sich demgegenüber nur mit der innerkirchlichen Ordnung zu beschäftigen.
So lautet der in Canon/Kanon 1405 ausdrücklich erwähnte Canon/Kanon 1401:

„Kraft eigenen und ausschließlichen Rechtes entscheidet die Kirche:
1° in Streitsachen, die geistliche und damit verbundene Angelegenheiten zum Gegenstand haben;
2° über die Verletzung kirchlicher Gesetze sowie über alle sündhaften Handlungen, soweit es dabei um Feststellung von Schuld und um Verhängung von Kirchenstrafen geht.“

Von einer Außerkraftsetzung oder Schwächung normaler Strafverfolgung in Hinblick auf kriminelle oder zumindest fahrlässige Kirchenmitarbeiter ist hier also in keiner Weise die Rede! Gerade Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus haben ein konsequentes Vorgehen gegen kirchliche Straftäter angemahnt. Gerade manch fromme Katholikin und manch frommer Katholik wünschen eine besonders konsequente Strafverfolgung gegenüber Kirchenvertretern. Diese müssten doch besonders hohen Ansprüchen gerecht werden, da die Kirche selber offiziell solche vertritt. Überhaupt sollten Kirchenvertreter Vorbilder sein und nicht Personen, die es sich bei eigenem Fehlverhalten besonders gut richten können. Dass umstrittene bis kriminelle Bischöfe und Kardinäle im Kirchenvolk sehr unbeliebt sind, ist als gegeben anzuerkennen. Immer wieder wird gerade in Hinblick auf Vorkommnisse in kirchlichen Strukturen etwa in Mitteleuropa von praktizierenden Katholikinnen und Katholiken ein konsequenteres und härteres Vorgehen gefordert.
In die Richtung einer richtigen Selbstbeschränkung für die kirchliche Gerichtsbarkeit oder kirchliches Gerichtswesen geht schon Canon/Kanon 1400 des CIC:

„§ 1. Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind:
1° die Verfolgung oder Schutz von Rechten natürlicher oder juristischer Personen oder die Feststellung rechtserheblicher Tatbestände;
2° Straftaten im Hinblick auf die Verhängung oder Feststellung einer Strafe.
§ 2. Streitigkeiten jedoch, die sich aus einer Maßnahme der ausführenden Gewalt ergeben, können nur einem Oberen oder einem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden.“

Grundsätzlich parallel dazu heißt es in Canon/Kanon 1055 des CCEOs:

„§ 1. Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind:
1°die Verfolgung oder der Schutz der Rechte von physischen oder juristischen Personen oder auch die Klärung rechtlicher Tatbestände;
2° Delikte, was die Auferlegung einer Strafe angeht.
§ 2. Für aus einem Akt der ausführenden Leitungsgewalt entstandene Streitigkeiten aber ist nur die höhere Autorität nach Maßgabe der cann. 996-1006 zuständig.“

Eine Art kirchenrechtliche oder juristische Narrenfreiheit oder gar bewusste Straffreiheit für kirchliche Mitarbeiter lässt sich von daher nicht argumentativ begründen oder als vermeintlich authentische christliche bzw. katholische Position ableiten. Was tatsächlich Tag für Tag in kirchlichen Strukturen geschieht, ist natürlich eine eigene so vielfältige wie oft problematische Angelegenheit. Diesbezüglicher Handlungsbedarf bleibt weiterhin gegeben und sollte nicht abgestritten oder beiseite geschoben werden.

 

1. Lesung: Dtn 26,4-10
2. Lesung: Röm 10,8-13
Evangelium: Lk 4,1-13

 

 

 

Gedanken zur Woche 259-b, Dr. Matthias Martin
1. FASTENWOCHE (2025)

Natürlich soll die Fastenzeit genützt werden, das eigene Leben zu erneuern. Die Überlieferungen vieler verschiedener Konfessionen und Religionen weisen uns ja stets in die Richtung persönlichen Konsumverzichts. Solche Regelungen und Empfehlungen können sich auf das ganze Jahr wie auch auf bestimmte Zeiten in einem Jahreskreis beziehen. Der Beginn der Fastenzeit in der eigenen Überlieferung mag da zu etwas wie einem Rundgang durch die Weltreligionen und einzelne religiöse Gemeinschaften anregen (siehe Gedanken zur Woche 101-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2022)). Allein dies schon mag kritisches Nachdenken anregen, ob denn der so heftig konsumorientierte Weg, wie er in westlichen Gesellschaften begegnet, der richtige Weg ist. Die Lockerungen zum Thema persönlicher Verzicht innerhalb der offiziellen katholischen Kirchenstrukturen wurden schon früh kritisch beurteilt. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass überlegte und konsequent verwirklichte persönliche Einschränkungen die Selbstdisziplin und allgemein die Gesundheit förderten. Mitunter wurde auch eine ökumenische Argumentation eingebracht. Dies geschah einmal mehr in Richtung von Makroökumene und manchmal mehr in Richtung von Mikroökumene. In ersterem Falle legt man grundsätzlich Wert auf die Entspannung und Verbesserung des Verhältnisses zu außerchristlichen Gemeinschaften und so etwas wie ganzen Weltreligionen Wert. In zweitem Fall steht das Verhältnis zwischen jeweiligen christlichen Gemeinschaften im Blickpunkt. Wegen eskalierender innerkirchlicher Konflikte wurde schon in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts mitunter von Katholikinnen und Katholiken auch eine innerkirchliche Ökumene angemahnt. Ganz offensichtlich ist es aber nicht gelungen, hier zumindest so etwas wie Deeskalation zu erreichen. Dabei verdient gerade der längst in die hunderte Millionen gehende Massenübertritt von Katholikinnen und Katholiken zu Pfingstkirchen und evangelikalen Gemeinschaften Beachtung. Verdrängung und Verspottung bringen hier keine Lösung. So etwas fördert auch eine Realitätsverweigerung in der innerchristlichen Ökumene. Dazu geht man bei Nichtanerkennung solcher Massenübertritte deutlich von völlig unrealistischen pastoralen Verhältnissen in weiten Teilen der Welt aus. Tatsächlich werden betreffende (Massen-)Übertritte, wenn sie zu Lasten der katholischen Kirche in Veröffentlichungen von deren Stellen sehr gerne als nichtexistent behandelt. Dies gilt auch in Hinblick auf die Übertritte von Katholikinnen und Katholiken zu eher synkretistischen, paganen oder neopaganen Kulten. So gehen dann die Zahlenangaben auch zwischen dem Päpstlichen Jahrbuch und Volkszählungen und überhaupt verschiedene statistischen Erhebungen gerade in Hinblick auf Lateinamerika deutlich auseinander. Übertritte zu Pfingstkirchen und evangelikalen Gemeinschaften spielen aber auch in Subsahara-Ländern eine in der Realität nicht zu verleugnende Rolle. Sowohl Übertritte von Katholikinnen und Katholiken zu anderen christlichen Gemeinschaften wie der Weg aus der katholischen Kirche heraus in Richtung des Gesamtbereichs von Konfessionslosigkeit ist längst eine Massenerscheinung in Ländern Nordamerikas.
Schon seit Jahren stellt der Zweig der Pfingstkirchen in der weltweiten christlichen Ökumene nach dem (römisch-)katholischen Bereich den zweitgrößten Zweig dar. Die brutale Verfolgung auch von Pfingstkirchen in kommunistischen Regimen hat daran nichts ändern können. Pfingstkirchen und evangelikale Gemeinschaften zeichnen sich in der Regel durch klare moralische Forderungen aus. Nicht selten steht man dem Alkohol- und Nikotinkonsum kritisch bis völlig ablehnend gegenüber. Dies kann etwa am Anfang der Fastenzeit als ernster Anstoß für Katholikinnen und Katholiken dienen, selbstkritisch die eigene Lebensführung zu hinterfragen. Natürlich verdienen auch die ostkirchlichen Überlieferungen bezüglich Selbstbeschränkung und Verzicht beim Konsum Beachtung und können ihrerseits als Anregung, als eigene Ermutigung dienen. Jeweils eigene Größen stellen auch in Hinblick der Verwirklichung einer anspruchsvollen christlichen Lebensführung Hutterer, Amische/Amishe und die Kleine Kirche dar. Letztere ist allen vorschnellen Allgemeinplätzen und gegen alle Zweckpropaganda ja keineswegs ausgestorben (siehe Gedanken zur Woche 211 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2024) und Gedanken zur Woche 221 – 11. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Insbesondere wenn man sich etwas bei französischsprachigen Veröffentlichungen umsieht, so gewinnt man den Eindruck, dass die Kleine Kirche nicht nur weiterhin eine beachtliche Stabilität aufweist, sondern etwa bei Mischehen eigener Anhänger mit Mitgliedern der offiziellen katholischen Kirche sogar Neumitglieder gewinnen kann. Offensichtlich hat die Kleine Kirche die strengen, noch aus der Zeit von Papst Pius XII. herrührenden, Fastenregelungen beibehalten. Das von ihren Gründern so erbittert bekämpfte napoleonische Regime ist längst vergangen. Gleiches gilt für die ebenfalls in den Hochburgen der Kleinen Kirche und deren Umfeld so bekämpfte orleonidische Herrschaft des sogenannten Bürgerkönigs Louis Philippe/Louis-Philippe. Die daran anschließende Zweite Republik bestand noch kürzer und das Zweite Kaiserreich mit dem seinerseits so brutalen wie verschlagenen Napoleon III. (siehe Gedanken 87 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2021); Gedanken zur Woche 95 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 112-b – 5. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 142-b – 3. ADVENTWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 174-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 249-b – WEIHNACHTSOKTAV einschließlich HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA einschließlich TAGE DER WEIHNACHTSOKTAV (2024-2025)) brach nach seiner Niederlage in dem von ihm selber angezettelten Krieg gegen Preußen und dessen Verbündete zusammen. Mit der ihrerseits hochimperialistischen Dritten Republik ging es 1940 allmählich zu Ende. Es folgte der Staat, das Regime von Vichy. Verbunden mit bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen erfolgte der Übergang zur Vierten Republik. Diese brach dann nach der bereits erfolgten Niederlage im französischen Indochinakrieg als Folge der französischen Verluste und des Nichtsieges im Algerienkrieg zusammen. Die noch existierende Fünfte Republik hat schon manche Wandlung und mehr als eine Krise durchgemacht. Das französische Kolonialreich ist weitgehend von der Landkarte verschwunden. Schon Charles De Gaulle befürchtete, dass die Bretagne, Korsika und Elsass-Lothringen als nächstes die französische Herrschaft abschütteln könnten. Die Kleine Kirche mit ihrer gegenüber dem französischen Staat zumindest so distanzierten Haltung ist geblieben.
Erhalten geblieben sind auch Hutterer und Amische. Seit Jahrzehnten erleben sie stürmisches Wachstum. Dabei sind sie ihrem Grundsatz treu geblieben, sich nicht der US-amerikanischen und der kanadischen Durchschnittsgesellschaft anzupassen. Dies ist bei beiden Gemeinschaften gerade an der Verteidigung der deutschen Sprache wie der strikten Verweigerung des Dienstes an der Waffe im Angesicht der US-amerikanischen und der kanadischen Staatsmacht wie dem vielfältigen Anglisierungsdruck zu sehen. Allen gutgemeinten bis manchmal ziemlich beleidigenden Ratschlägen zum Trotze pflegen Hutterer und Amische ihren traditionellen Lebensstil mit all den Einschränkungen und aller Kritik, welches das mit sich bringt.
Von dem so tapferen und auf seine Weise so erfolgreichen Durchhalten solcher Gemeinschaften wie den Hutterern, den Amischen und der Kleinen Kirche kann man auch in der katholischen Kirche Anregung und Ermutigung annehmen. Eigene Identität zu verteidigen ist gerade in neuerer und neuester Zeit eine Herausforderung. Dies darf natürlich nicht missbraucht werden als Rechtfertigung von Korruption und Missbrauch im eigenen kirchlichen Bereich. Vielmehr sollten bei der Zurückweisung von Missbrauch aller Art doch gerade Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertreter mit gutem Beispiel vorangehen. In diesem Sinne sind die Möglichkeiten kirchlicher Selbstverwaltung einschließlich kirchlicher Gerichtsbarkeit nach besten Kräften einzusetzen.
Welch ernste Verpflichtung die fortdauernde Bekämpfung von strafbaren Handlungen im eigenen Bereich und Vermeidung jeder Willkür für kirchliche Obere darstellt, verdeutlicht Canon/Kanon 1717 des CIC. Dort ist nachzulesen:

„§ 1. Erhält der Ordinarius eine wenigstens wahrscheinliche Kenntnis davon, dass eine Straftat begangen worden ist, so soll er selbst oder durch eine andere geeignete Person vorsichtige Erkundigungen über den Tatbestand, die näheren Umstände und die strafrechtliche Zurechenbarkeit einziehen, außer dies erscheint als gänzlich überflüssig.
§ 2. Es muss vorgebeugt werden, dass nicht aufgrund dieser Voruntersuchung jemandes guter Ruf in Gefahr gerät.
§ 3. Der Voruntersuchungsrichter hat dieselben Vollmachten und Pflichten wie der Vernehmungsrichter im Prozess; in einem späteren Strafprozess kann er nicht als Richter tätig sein.“

 

 

 

Gedanken zur Woche 258, Dr. Matthias Martin
8. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Der letzte Sonntag der Faschingszeit, der letzte Sonntag der Zeit des Karnevals, ist ein guter Anlass, innezuhalten. Ganz generell sollen wir ja im christlichen Sinne den Sonntag zum Gottesdienst nutzen.
Es bedarf keiner tiefschürferenden theologischen oder religionswissenschaftlichen Kenntnisse, um zu wissen, dass wir in der Heiligen Messe ernsthaft zu Gott beten, unsere Sünden bedenken und im Sinne aufrichtiger Reue um Vergebung bitten sollen. Nicht umsonst wird die Heilige Messe gerne in zwei Hauptteile untergliedert: den Wortgottesdienst und die Eucharistiefeier. Manchmal wird auch die Heilige Messe in ihrer Gesamtheit Eucharistiefeier genannt. Eingerahmt werden diese beiden Hauptteile, wenn man so will, von der Eröffnung und dem Abschluss oder Schlussteil. Bezeichnenderweise finden wir das Allgemeine Schuldbekenntnis wie das Kyrie als besonderen Anruf des Erbarmens Gottes bereits vorne in der Eröffnung, dem Anfangsteil der Heiligen Messe. Die Bedeutung von Ernsthaftigkeit und Reue über eigene Sünden wird damit auch im nachkonziliaren/Nachkonziliaren Ritus, der Messe Pauls VI. verdeutlicht. Die Heilige Messe Pius V. oder Gregors des Großen (siehe Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 138-b - 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 244 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2024)) hat dazu eigene Akzente zu bieten. Da ist zu Beginn das heute oft noch im Gedächtnis von Katholikinnen und Katholiken zumindest als Stichwort vorhandene Stufengebet. Dieses besteht insbesondere aus Versen aus dem Buch der Psalmen. Damit wird hier schon ganz zu Beginn der Messfeier eine intensive Rückbindung an den ersten und größeren Hauptteil der Bibel, eben das Alte oder Erste Testament vorgenommen. Gerade in unserer Zeit ist es wichtig, immer wieder auf dieses Alte/Erste Testament hinzuweisen, da doch das Bewusstsein für so etwas wie die Gesamtheit der Bibel ziemlich geschwunden ist und überhaupt auch in kirchlichen Kreisen ziemlich theologische Irritationen grassieren. Da verdient natürlich auch der Introitus genannte Teil der Heiligen Messe nach dem Tridentinischen Ritus Beachtung. In ihm spielt oft ein Vers wiederum aus dem Buch der Psalmen eine entscheidende Rolle. Es kann aber auch etwas aus einem anderen biblischen Buch genommen werden. Manchmal werden auch Worte aus der außerbiblischen christlichen Überlieferung an dieser Stelle geboten. Mit diesem Introitus wird eben die zentrale Stellung der Bibel im liturgischen Jahreskreis und da eben gerade die des Alten/Ersten Testaments insgesamt verdeutlicht. Auf das Alte/Erste Testament und da besonders umfangreich auf das Buch der Psalmen werden wir in der Tridentinischen Liturgie auch im weiteren Messverlauf immer wieder hingewiesen. Grundsätzlich gibt es auch hier einen Wortgottesdienst, der im Volksschott aus der Zeit von Papst Johannes XXIII. „Lehrgottesdienst“ genannt wird. Diese starke Akzentsetzung in Hinblick auf das Alte/Erste Testament gilt natürlich nicht zuletzt für das Gebet des Geistlichen vor dem Evangelium und den Händewaschungspsalm. Im erwähnten Volksschott wird die eigentliche Eucharistiefeier dann „Opfermesse“ genannt.
Auf jeden Fall sind wir eingeladen, auch den letzten Sonntag der Faschingszeit und damit den Sonntag vor Beginn der Fastenzeit zum Besuch der Heiligen Messe zu nutzen. Hier können wir gerade im Rahmen einer Heiligen Messe an diesem Tag zurückblicken. Da mag uns manches in den Sinn kommen, was wir in der zurückliegenden Zeit falsch gemacht oder an Gutem unterlassen haben. Dafür können wir Gott um Vergebung anrufen, die Heiligen und generell Brüder und Schwestern im Glauben um ihre Fürbitte bitten. Natürlich sind wir eingeladen, uns vorzunehmen, für die zu Ende gehende Faschingszeit dies und jenes an schlechten Handlungen bewusst zu unterlassen und hier und da um so eifriger Gutes zu tun. In diesem Sinne können wir geistig den Blick schon etwas richten auf die kommenden Tage bis Aschermittwoch.
Einen in Hinblick auf mehr oder minder legale Drogen wie Alkohol und Nikotin enthaltsamen Lebensstil zu pflegen, fördert eh die eigene Gesundheit. Wegen der schädlichen Folgen des Passivrauchens ist gerade der möglichste Verzicht auf das Rauchen auch gut für die Gesundheit derjenigen Menschen, die sich jeweils in der eigenen Nähe aufhalten. Textilien und Zimmereinrichtungen werden beim Verzicht auf das Rauchen davor bewahrt, einen schlechten Geruch anzunehmen und gar zu stinken. Die Gefahr von Bränden sowohl in geschlossenen Räumen wie unter freiem Himmel reduziert sich, je mehr Menschen davon Abstand nehmen, sich eine anzuzünden, sei es eine Zigarre, eine Zigarette, eine Pfeife oder ein Zigarillo. Verzicht auf Alkoholkonsum ist jeweils ein persönlicher Beitrag für die Sicherheit im Straßenverkehr wie am Arbeitsplatz. Nicht umsonst erlebte man es in den letzten Jahren, dass Promillegrenzen für Autofahrerinnen und Autofahrer gesenkt wurden. Natürlich spart Zurückhaltung beim betreffenden Konsum gutes Geld. Wer gerade auf umfangreicheren Alkoholkonsum verzichtet, reduziert die Gefahr, sich in der zu Ende gehenden Faschingszeit noch eine peinliche bis verheerende Blöße zu geben. Darauf werden wir immerhin schon im Alten/Ersten Testament an mehr als einer Stelle aufmerksam gemacht. Man blicke dazu nur in die Bücher Genesis, Judit und Jesus Sirach. Gerade kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten sich um ein vorbildliches Verhalten bemühen. Gerade heutzutage überzieht man von dieser Seite her missliebige Menschen doch so gerne mit Hass und Häme, wenn man glaubt, sie an einem schwachen Punkt erwischt zu haben. Bei missliebigen Menschen und ganzen Bevölkerungsgruppen wird fortwährend regelrecht ein Überrigorismus praktiziert. Umso schwerwiegender ist es dann, wenn man selber in einer peinlichen oder gar schlimmeren Situation erwischt wird. Im guten Sinne kann man auch feststellen, dass doch Vorgesetzte für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Offizierinnen und Offiziere für ihre Soldatinnen und Soldaten bzw. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamtinnen gute Vorbilder sein sollen. Dies gilt generell für alle, die in Staat, Kirche und Gesellschaft ein bezahltes Amt oder Ehrenamt innehaben in Hinblick auf die jeweilige Bevölkerung bzw. jeweiligen Kirchenmitglieder.

Jedes dieser genannten biblischen Bücher wie auch die anderen Schriften des Alten/Ersten und des Neuen/Zweiten Testaments sind es natürlich während des ganzen Jahres Wert, in den Blick genommen zu werden. Aber es ist doch bemerkenswert, dass nach der heutzutage meistens verwendeten Leseordnung für diesen Sonntag im Jahreskreis Verse aus dem Buch Jesus Sirach mit seinem Ehrennamen Ecclesiasticus als Erste Lesung vorgesehen sind.
Hier geht es gerade um das praktische Verhalten des Menschen. Dies geschieht in einer Weise, die unabhängig von einer eigenen konfessionellen Zugehörigkeit zum Nachdenken und hoffentlich zum guten Tun anregen kann. Im Neuen/Zweiten Testament geht gerade der Jakobusbrief in eine solche weisheitliche Richtung.
Vor falschem Verhalten warnt auf eigene Weise auch das lukanische Sonntagsevangelium, wenn man der betreffenden Leseordnung weiter folgt. Hier ist der theologische, ja theistische Charakter der Aussage deutlicher als immer wieder in weistheitlicher Literatur. Wir haben es hier ja mit Versen aus einem der vier neutestamentlichen Evangelien zu tun. Dabei kann das Wort, wonach man einen Baum an seinen Früchten erkennt und von Disteln keine Feigen gepflückt und von einen Dornstrauch keine Trauben geerntet werden, noch eher als so etwas wie ein allgemeinmenschlicher Gedankengang verstanden werden. Gerade die Verse in den Versen 43 bis 45 des sechsten Kapitels des Lukasevangeliums können auch Menschen außerhalb christlicher Kirchen oder Denominationen ansprechen. In diesem verbindenden Sinne möchte ich sie als durchaus weisheitlich bezeichnen.

So mögen gerade Katholikinnen und Katholiken in würdiger Weise die Faschingszeit beenden und in die Fastenzeit übergehen. Sie mögen möglichst glaubwürdig den christlichen Glauben im Strom unverfälschter und unkorrumpierter kirchlicher Überlieferung in einer solchen Zeit bezeugen. Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, mögen sie sich eher selber an der Nase fassen und von daher sich immer wieder bemühen, Gutes zu verwirklichen und allerlei Böses zu unterlassen. Das mag dann auch für ihre Mitmenschen ein Anstoß im positiv-konstruktiven Sinne sein, sich zu öffnen für ein christliches Leben.

 

1. Lesung: Sir 27,4-7
2. Lesung: 1 Kor 15,54-58
Evangelium: Lk 6,39-45

 

 

 

Gedanken zur Woche 258-b, Dr. Matthias Martin
8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2025)

Der ASCHERMITTWOCH unterteilt im Jahre 2025 die Arbeitswoche in eine verkürzte achte Woche im kirchlichen Jahreskreis und den Beginn der Fastenzeit. Der ASCHERMITTWOCH seinerseits besitzt seine eigene Position in der Volkskultur, und da nicht zuletzt im kulinarischen Bereich. Dabei wurde bedauerlicherweise das von vielen Menschen eben am ASCHERMIWTTOCH gerne abgehaltene Fischessen sehr oft sinnentleert. Ein betreffendes Mahl wird oft als kulinarischer Genuss begangen und nicht als ernsthafter Vorgang eben zu Beginn der Fastenzeit. Gerade in Ländern und Territorien mit dem Problem der Überernährung ist es eine pastorale Herausforderung, Menschen möglichst wieder den Sinn der Fastenzeit im Allgemeinen und des ASCHERMITTWOCHS im Besonderen zu vermitteln. Die Kirche könnte damit auch einen Beitrag zur Gesundheit in der Bevölkerung in einem allgemeinmenschlichen Sinne leisten.
Dass sich die Kirche auch allgemeinen gesellschaftlichen Herausforderungen zu stellen und Menschen über Konfessionsgrenzen hinweg Unterstützung bieten soll, betonte ja immer wieder gerade Papst Franziskus. In diese Richtung weisen auch seine beiden Gebetsanliegen, die Papst Franziskus beizeiten für März 2025 der Weltkirche vorgelegt hat. Diese lauten nämlich:

„Für Familien in Krisen“

und

„Beten wir, dass zerbrochene Familien durch Vergebung die Heilung ihrer Wunden finden können, indem sie auch in ihren Unterschieden den Reichtum der anderen wiederentdecken.“

Zerrüttete Familien stellen oft gerade für dort lebende Frauen eine enorme Belastung dar. Gewalttätige Ehemänner, Lebensgefährten und Väter sind leider keine Ausnahmeerscheinungen. Die von der katholischen Sakramentenlehre, päpstlichen Lehrschreiben zu Ehe und Familie wie dem Kirchenrecht geforderte völlige Gleichberechtigung beider Brautleute und dann Ehepartner wird in vielen Ländern auch recht offiziell missachtet. Ein eigenes umfangreiches und tiefgründiges Problem stellt die in westlichen Ländern offensichtlich oft defizitäre Strafverfolgung bei Gewalt gegen Frauen und überhaupt bei sexuellen Übergriffen dar. Natürlich soll die Kirche gerade auf Seiten von Menschen stehen, die sich in einer schwachen Position, in einer bedrängten Situation befinden. Dies ist eine Daueraufgabe, die sehr oft stillen Durchhaltewillen und starken Mut erfordert. Schnelle und „coole“ Schlagzeilen verspricht ein solcher Dienst eben sehr oft nicht. Da ist es wie mit der innerkirchlichen Missbrauchsbekämpfung und gerade auch der so bitter notwendigen konsequenten Missbrauchsprävention. Aber der kirchliche Dienst sollte eben kein Selbstbedienungsladen für seine unterschiedlichen Akteure sein, in welchem man es sich möglichst gemütlich einrichten kann. Aufgeschlossene Menschen sind immer wieder überrascht, wie sehr die Kirche seit den frühen Jahrhunderten die grundlegende Freiheit beider Partner bei der Eheschließung und ihre fortwährende Gleichberechtigung vertreten hat. Päpstliche Dokumente, Konzilsbeschlüsse früherer Jahrhunderte und Canones/Kanones des Kirchenrechts können da immer wieder für spontane Zustimmung sorgen. Selbstverständlich darf man auch in diesem Problembereich nicht so naiv sein, zu meinen, Kirchenvertreter und Kirchenvertreterinnen hätten sich da ganz im Sinne solcher inhaltlichen Positionierungen stets makellos benommen und sich heldenmütig etwa auf die Seite bedrängter Ehefrauen gestellt und Mächtigen ihrer Zeit bis hin zu ganzen Machtsystemen die Stirn geboten. Unter den Bischöfen Englands stand der heilige Bischof John Fisher in seiner todesmutigen Opposition gegen den brutalen Heinrich VIII. allein und ging ohne jeden Mitbischof letztlich ins Martyrium. Auch in seiner Auseinandersetzung mit Napoleon Bonaparte wegen dessen Ehescheidung und neuer Eheschließung konnte sich Pius VII. beileibe nicht auf alle Bischöfe und Kardinäle verlassen. Auch hier waren es oft gerade einfache Ordensleute und im landläufigen Sinne Laien, welche mutig in unterschiedlicher Weise sich dem Willen des Machthabers und seiner Handlanger widersetzten.

Da mag es eine eigene Ermutigung und ein Ansporn in unserer Zeit sein, gerade für bedrängte Frauen Partei zu ergreifen, dass in diesem Jahr 2025 am FREITAG NACH ASCHERMITTWOCH, dem 7. März, der ÖKUMENISCHE WELTGEBETSTAG DER FRAUEN stattfindet, der manchmal auch kurz der ÖKUMENISCHE WELTGEBETSTAG genannt wird. Auch Männer sollen sich da ja angesprochen fühlen.
In diesem Jahr kommen die Texte für dieses in einem langfristigen Sinne so wichtige Ereignis von den Cookinseln/Cook Inseln. Der Heilige oder Apostolische Stuhl hat bereits vor Jahren diesen Staat anerkannt und diplomatische Beziehungen aufgenommen (
https://holyseemission.org/contents/mission/diplomatic-relations-of-the-holy-see.php und https://www.vatican.va/news_services/press/documentazione/documents/corpo-diplomatico/corpo-diplomatico_stati_elenco_en.html). Der Heilige/Apostolische Stuhl hat damit auch zugunsten der Cookinseln/Cook Inseln einen klaren Standpunkt in Hinblick von dessen Unabhängigkeit eingenommen und dies konsequent durchgehalten. Im zurückliegenden Jahr 2023 kamen die Texte für den ÖKUMENISCHEN WETLGEBETSTAG (DER FRAUEN) aus der Republik Taiwan (siehe Gedanken zur Woche 155-b – 3. FASTENWOCHE (2023) und Gedanken zur Woche 237-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Auch dies stellt eine starke Übereinstimmung mit der Position des Heiligen/Apostolischen Stuhls dar. Dieser hält ja an den vollen diplomatischen Beziehungen mit der Republik Taiwan fest, die einhergehen mit herzlichen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem taiwanesischen Staatswesen und der taiwanesischen Gesellschaft im täglichen Leben. Zur Intensivität und Vielfalt der Beziehung zwischen der katholischen Kirche und der Republik Taiwan passt sehr gut, dass im jeweiligen Jahr verbunden mit dem ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) gerade auch Speiserezepte aus der Republik Taiwan international verbreitet wurden. Insgesamt trug der ÖKUMENISCHE WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) des Jahres 2023 dazu bei, auf taiwanesische Kultur und die Bedeutung Taiwans für die weltweite Christenheit über Konfessionsgrenzen hinaus hinzuweisen.
Dieser umfassende und nachhaltige Effekt darf auch in Hinblick auf den ÖKUMENISCHEN GEBETSTAG (DER FRAUEN) des Jahres 2025 und für das ganze Staatswesen der Cookinseln/Cook Inseln angenommen werden. Dazu gehört auch der poltisch-diplomatische Akzent. Der Apostolische Stuhl darf sich als Völkerrechtssubjekt eigener Art bestätigt sehen in seiner diplomatischen Anerkennung sowohl der Republik Taiwan wie der Cookinseln/Cook Inseln.
Eine Bestätigung eigener Art für traditionelle katholische Positionen war der Umstand, dass schon die Texte einschließlich liturgische Vorschläge für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) für das Jahr 2022 ganz offiziell aus England, Wales und Nordirland kamen. Die dazu erarbeiteten und versandten Texte bestätigten die kritische Haltung engagierter Katholikinnen und Katholiken einschließlich solcher, die aktiv in der irisch-republikanischen Bewegung, der walisischen und der schottischen Nationalbewegung aktiv sind, gegenüber dem Vereinigten Königreich (siehe Gedanken zur Woche 104-b - 3. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2022)).
An dieser Stelle sei nur daran erinnert, dass es weiterhin für die katholische Kirche nur ein Irland mit einer gemeinsamen Bischofskonferenz, einem gemeinsamen (National-)Primas und einer für ganz Irland zuständigen Nuntiatur gibt. Genauso haben sich gerade Katholikinnen und Katholiken in den nationalen Bewegungen von Wales und Schottland und auch für die Bewahrung nicht zuletzt der keltischen Sprachen engagiert. Weiterhin weigert sich die insbesondere durch den Heiligen/Apostolischen Stuhl vertretene katholische Kirche auch, eine britische Bischofskonferenz zu Lasten schottischer, walisischer und englischer Identität zu errichten. Schon gar nicht kommt eine Anpassung der Bistums-/Diözesangrenzen und des Umfangs der irischen Bischofskonferenz an die gegenwärtig noch vorhandene Spaltungsgrenze zwischen Nordirland und dem Hauptteil Irlands in Frage.

Ganz in einem gut traditionell-katholischen Sinne kamen bereits die Texte für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) von 2021 aus der Republik Vanuatu, deren jetziges Staatsgebiet einst von den Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien gemeinsam unterjocht und ausgebeutet wurde (siehe Gedanken zur Woche 237-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Auch zur Republik Vanuatu unterhält der Heilige oder Apostolische Stuhl volle diplomatische Beziehungen (https://holyseemission.org/contents/mission/diplomatic-relations-of-the-holy-see.php; https://www.visahq.com/vatican/embassy/vanuatu/ und https://www.vatican.va/news_services/press/documentazione/documents/corpo-diplomatico/corpo-diplomatico_stati_elenco_en.html).
Dies gilt auch in Hinblick auf Palästina, aus dem die Texte für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) 2024 kamen (siehe Gedanken zur Woche 226-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)) und für die Republik Zimbabwe. Frauen aus dieser einstigen britischen Kolonie hatten die Texte schon für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) 2020 erarbeitet und der weltweiten Christenheit zur Verfügung gestellt.

 

 

 

Gedanken zur Woche 257, Dr. Matthias Martin
7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Zumindest recht bekannt dem Namen nach ist wohl die Bergpredigt nach Matthäus. Dabei ist davon auszugehen, dass sich zwar mitunter jemand gerne auf den „Geist der Bergpredigt“ oder wie auch immer beruft, eine eingehendere Beschäftigung und eine von daher rührende Vertrautheit mit dem Text der matthäischen Bergpredigt, wie wir sie vom fünften bis einschließlich zum siebten Kapitel des Matthäusevangeliums finden, sehr oft offensichtlich nicht gegeben ist. So kommt es vor, dass ein einzelner Vers der am Beginn dieser großen Bergpredigt zu findenden Seligpreisungen (Mt 5,3-12) zitiert wird. Verse über Verzicht auf Vergeltung und Feindesliebe (Mt 5,38-48) (siehe Gedanken zur Woche 152 – 7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)) werden gerne in einer das Alte/Erste Testament diskreditierenden Weise und das dann auch nur sehr bruchstückhaft angeführt. Man sollte vielleicht gar nicht von zitieren sprechen. Oft wird dies sogar in der offenkundigen Absicht unternommen, um Hass geben jüdische Menschen und ihnen freundlich gesinnte Personen zu schüren. Dass unter Berufung auf Feindesliebe und Verzicht auf Vergeltung Hass gegen Mitmenschen geschürt wird, sich für sich schon bizarr.
Erst recht sollte man sich doch vergegenwärtigen, dass gerade in der Bergpredigt die fortdauernde Geltung des Alten/Ersten Testaments und Bedeutung von Gesetz und Propheten betont wird, wie dies insbesondere schon in Kapitel Fünf des Matthäusevangeliums geschieht (Mt 5,17-19) (siehe Gedanken zur Woche 27 – 24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 61 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2021) und Gedanken zur Woche 71 – 18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Schon gar nicht werden üblicherweise die ziemlich rigorosen Aussagen zu Ehebruch und Ehescheidung, wie sie in der matthäischen großen Bergpredigt zu finden sind, berücksichtigt (Mt 5,27-32). Schon gar nicht macht man sich üblicherweise die Mühe, zu überlegen, inwieweit gerade solche neutestamentlichen Verse durch eine etwaige Einstufung der Entlassung eines Ehepartners aus der Ehe als sehr verwerfliche Handlung nicht jede Wiederheirat eines solchen einmal schon aus der Ehe entlassenen Menschen als Ehebruch brandmarken. Liegt da nicht dann eine Verunmöglichung einer gültigen neuen Eheschließung bei dem bzw. der Betroffenen vor?
Das aber sind unangenehme Fragen und Angelegenheiten, die offensichtlich nicht zeitgeistkonform sind. Umso mehr aber sollte eben allein schon die ganze matthäische Bergpredigt vor tagespolitischem und überhaupt zeitgeistigem Missbrauch möglichst bewahrt bleiben.
Dies gilt natürlich eben auch für die kleinere lukanische Bergpredigt (Lk 6,20-49), egal ob man diese etwa als „Feldrede“, als „lukanische Bergpredigt“, als „kleine Bergpredigt nach Lukas“ oder wie auch immer bezeichnet.
Dabei ist natürlich grundsätzlich der Aufruf zu Deeskalation, Verständigung und Verzicht auf Rache und Vergeltung zu beherzigen.

Dies wird auch im gegenwärtigen katholischen Kirchenrecht aufgegriffen und zumindest etwas ausformuliert.
Gütliche Verständigung anstelle nicht zuletzt von gerichtlichen Auseinandersetzungen sollen gerade offizielle Kirchenvertreter nach Möglichkeit fördern. Da legt es sich natürlich nahe, dass insbesondere Bischöfe und ranghohe Laienvertreter bei gesellschaftlichen Konflikten nicht noch Öl ins Feuer gießen, um sich zu profilieren und irgendwelche Gefälligkeiten von wichtigen Stellen zu erlangen.
Tatsächlich lautet doch Paragraph 1 von Canon/Kanon 1446 des CIC ohne Einschränkung etwa bezüglich einer Bischofskonferenz oder einer Kirchenprovinz:

„Alle Gläubigen, vor allem aber die Bischöfe, sollen eifrig bemüht sein, dass Rechtsstreitigkeiten im Gottesvolk ohne Beeinträchtigung der Gerechtigkeit nach Möglichkeit vermieden und baldmöglichst friedlich beigelegt werden.“

Von der Vertuschung schwerer Straftaten wie etwa des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und Erwachsenen ist hier ganz offensichtlich ganz und gar nicht die Rede! Auch das Unterdrucksetzen und Einschüchtern von Missbrauchsopfern und mit ihnen freundschaftlich oder familiär verbundenen Menschen wird hier nicht gutgeheißen! Ebenso wird den Betroffenen wie anderen Gläubigen keineswegs das Recht abgesprochen, vernehmlich ihre Meinung zu äußern, ihre Anliegen und Beschwerden vorzubringen und eben gegebenenfalls vor weltlichen oder kirchlichen Gerichten und anderen Einrichtungen den Rechtsweg zu beschreiten.
Gerade das Recht, den Rechtsweg zu beschreiten wird in Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanons 1446 ausdrücklich bei aller Ermutigung zur Verständigung bestätigt:

„Wann immer der Richter irgendeine Aussicht auf Erfolg erkennt, soll er es zu Beginn eines Rechtsstreites und auch zu jedem anderen Zeitpunkt nicht unterlassen, die Streitteile zu ermuntern und ihnen behilflich zu sein, dass sie in gemeinsamer Überlegung für eine der Billigkeit entsprechende Beilegung des Streites sorgen; er soll ihnen dazu geeignete Wege aufzeigen und sich auch angesehener Personen zur Vermittlung bedienen.“

Von einer Besserstellung offizieller kirchlicher Mitarbeiter einschließlich geweihter Amtsträger ist hier bezeichnenderweise nicht die Rede. Vielmehr wird von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit betroffener Menschen ausgegangen. Standesdünkel, in der Weltkirche dazu eh kritisierte parteipolitische Bevorzugungen und Freunderlwirtschaft, werden hier nicht gutgeheißen! Schon gar nicht wird hier eine Art Weißwaschung von Straftätern etwa im Bereich von sexuellem Missbrauch und Vermögensvergehen propagiert.
Dies wird abgerundet durch Paragraph 3 eben dieses CIC-Canons/Kanons 1446:

„Wenn der Rechtsstreit um das private Wohl der Parteien geht, soll der Richter erwägen, ob der Streit nützlicherweise durch Vergleich oder Schiedsspruch gemäß cann. 1713-1716 beendet werden kann.“

„Vergleich“ und „Schiedsspruch“ heißen nicht Demütigung oder persönliche Schädigung einer etwa offiziellen Kirchenvertretern missliebigen Person oder einer von ihnen weniger geschätzten Partei.
In diese Richtung weisen auch ganz stark die angeführten Canones/Kanones 1713 bis 1716 des CIC. Die Würde des Menschen ist unteilbar und nicht abhängig von einer weltlichen Regierung, einer politischen Partei, einer Gewerkschaftsorganisation und auch nicht von einer Bischofskonferenz und von keinem Laiengremium. Dies gilt auch bezüglich des Strebens nach der Wahrheit und der grundsätzlichen Verpflichtung, Opfern von Unrecht nach besten Kräften Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und gegen Tatsachenverdrehungen und Vertuschung anzukämpfen.
In diesem Sinne ist dann auch CIC-Canon/Kanon 1713 zu verstehen:

„Zur Vermeidung gerichtlicher Streitigkeiten ist es zweckmäßig, einen Vergleich, das heißt eine gütliche Beilegung herbeizuführen; Der Rechtsstreit kann auch einem oder mehreren Schiedsrichtern übertragen werden.“

Die Gleichrangigkeit der Parteien und deren Respektierung wird eigens in Canon/Kanon 1714 unterstrichen:

„Für den Vergleich, den Schiedsvertrag und das Schiedsverfahren gelten die Regeln, die die Parteien vereinbart haben, oder, wenn solche Regeln nicht bestehen, das etwa von der Bischofskonferenz erlassene Gesetz oder das am Ort der Vereinbarung geltende weltliche Recht.“

Die Regelkompetenz wird hier wohlgemerkt den untereinander gleichberechtigten Konfliktparteien, kurz Parteien, zugeiwesen. Die Regelungskompetenz der etwaigen Bischofskonferenz ist äußerstenfalls als subsidiär zu betrachten. Die weltliche Rechtsordnung ihrerseits darf dabei auch hier nicht willkürlich missachtet werden, egal welchen öffentlichen Auftretens ein Bischofskonferenzvorsitzender sich befleißigt oder wie im Einzelfall das Fehlverhalten kirchlicher Mitarbeiter versucht wird, zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen. Dazu wird im anerkennenden Sinne auch in Paragraph 1 des Canons/Kanons 1716 ausdrücklich auf „das weltliche Recht“ bezüglich der „Wirkung eines Schiedsspruches“ hingewiesen.
Auch eine Bischofskonferenz und ihre einzelnen Mitglieder sollte es sich hier wie bei anderen Gelegenheiten nicht zu einfach machen.

 

1. Lesung: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23
2. Lesung: 1 Kor 15,45-49
Evangelium: Lk 6,27-38

 

 

 

Gedanken zur Woche 257-b, Dr. Matthias Martin
7. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Natürlich ist wie der CIC für die Lateinische Kirche auch der CCEO für die Katholischen Ostkirchen zu beachten, wenn es um das Rechtswesen der einen katholischen Weltkirche geht. Bei allen legitimen Akzentunterschieden im spirituellen, im liturgischen, im theologischen und eben auch im kanonischen/kanonisitschen Erbe bilden die betreffenden Kirchen eigenen Rechts ja zusammen die eine katholische Kirche, ergeben gemeinsam erst die katholische Weltkirche.
Das Begehen des Marien-Samstags mag dies wieder verdeutlichen. Die Marienverehrung ist ja in östlichen Traditionen des Christentums besonders ausgeprägt. Dies lässt sich sowohl für den vorchalcedonensischen Zweig wie für die chalcedonensischen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften feststellen. Anders gesagt lässt sich feststellen, dass sowohl bei den die sieben ersten allgemeinen Konzilien anerkennenden Orthodoxen wie bei altorientalischen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften mit üblicherweise nur drei anerkannten allgemeinen Konzilien wie es auf die Koptische Kirche zutrifft, die Marienverehrung sehr ausgeprägt ist und einen sichtbaren Niederschlag auch im kulturellen Leben wie den bildenden Künsten findet.
Infolge der völligen Übereinstimmung in der Glaubens- und Sittenlehre anerkennen ihrerseits alle Kirchen eigenen Rechts innerhalb der katholischen Weltkirche ausdrücklich auch die dogmatischen Verkündigungen von 1854 über die Unbefleckte Empfängnis Mariens und von 1950 über die Leibhaftige Aufnahme Mariens in den Himmel an. Bezeichnenderweise war die dogmatische Verkündigung von 1854 auf dem dann von 1869 bis 1870 tagenden Ersten Vatikanischen Konzil überhaupt kein Streitpunkt (mehr), ja anders als so vieles andere auch kein Diskussionspunkt. Ebenso war der Inhalt der dogmatischen Verkündigung des Jahres 1950 auf dem von 1962 bis 1965 tagenden Zweiten Vatikanischen Konzil kein Streitpunkt. In Abschnitt 62 der dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ über die Kirche etwa heißt es sogar:

„Die Mutterschaft Marias in der Gnadenökonomie dauert unaufhörlich fort, von der Zustimmung an, die sie bei der Verkündigung gläubig gab und unter dem Kreuz ohne Zögern festhielt, bis zur ewigen Vollendung der Auserwählten. In den Himmel aufgenommen, hat sie diesen heilbringenden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fährt durch ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken.“

Bezeichnenderweise wird in der offiziellen Anmerkung zu diesen Worten gerade auf östliche Theologen einschließlich dem über Konfessionsgrenzen hinweg so geschätzten Johannes von Damaskus verwiesen. Es ist auch in Hinblick auf Maria davon die Rede, dass sie „in den Himmel aufgenommen“ wurde und eben nicht selber in den Himmel aufgefahren ist. Diese Klarstellung besitzt natürlich für die ganze katholische Kirche mit ihren verschiedenen Kirchen eigenen Rechts ihre Bedeutung. Es kommt ja gerade im deutschen Sprachbereich immer wieder zu Verwirrungen oder problematischen Formulierungen (siehe Gedanken zur Woche 23-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023)).

Gelten diese theologischen Klarstellungen grundsätzlich für die ganze katholische Weltkirche, so hat natürlich auch der Apostel Matthias seine globale Bedeutung. Seine nachträgliche Berufung in den Apostelkreis wird sogar ausdrücklich in der Apostelgeschichte des Neuen/Zweiten Testaments (Apg 1,15-26) erzählt. Die Apostelgeschichte wird ja ihrerseits von den allermeisten sich „christlich“ nennenden Denominationen und dergleichen anerkannt. Natürlich kann man auch hier nicht für alle mehr oder weniger als „protestantisch“ bezeichneten Denominationen oder wie auch immer sprechen.
Die überlieferte Übertragung der Reliquien des heiligen Matthias nach Augusta Treverorum, in das heutige Trier, als einer der Teilhauptstädte des damaligen Römischen Reiches weist jedenfalls eigens auf die diocletianische Reichsreform und ihre Fortführung durch Kaiser Konstantin nach dessen Aufstieg zum Herrscher im Römischen Reich hin (siehe Gedanken zur Woche 50-b – 1. FASTENWOCHE (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 60 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2021) und Pfarrbrief vom Februar 2025 der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau (
https://www.stein.dsp.at/dl/skNpJmMJKnlLmJqx4kJK/Pfarrbrief_Februar_2025_3__pdf))).

In die Richtung der einen Weltkirche werden wir dann auch durch den heiligen Gregor von Narek gewiesen. Durch ihn, sein Erbe und die ihm erwiesene Verehrung werden wir insbesondere in Richtung der Ostkirchen gewiesen und gerade eben auch der mit dem Apostolischen/Heiligen Stuhl in voller Einheit stehenden Katholischen Ostkirchen. Der heilige Gregor Narek gehörte der armenischen Kirche an. Die armenische Tradition ist bis heute lebendig, sowohl in der Armenisch-Apostolischen Kirche als auch in der kleineren Armenisch-Katholischen Kirche (siehe Gedanken zur Woche 116-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2022) und Gedanken zur Woche 118-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2022) und speziell zur Armenisch-Apostolischen Kirche auch Gedanken zur Woche 187 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und zur Armenisch-Katholischen Kirche 239-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Seine Erhebung zum Kirchenlehrer durch Papst Franziskus bedeutete eine erneute klare Zurückweisung von jedem Fideismus. Schließlich war der heilige Gregor von Narek nicht nur ein wichtiger theologischer Autor und eine Persönlichkeit in einer wichtigen Klosterschule. Er verfasste auch bemerkenswerte Schriften zu so unterschiedlichen Bereichen wie der Literatur, der Musik und auch zu Mathematik und Astronomie. Zu beachten ist, dass ihn Papst Franziskus genau am 12. April 2015 zum Kirchenlehrer erhob, was der Gedenktag des der Türkei vorgeworfenen Völkermordes an den Armeniern ist. Die Erhebung des Armeniers Gregor von Narek zum Kirchenlehrer durch Papst Franziskus war also mehr als eine schallende Ohrfeige für protürkische Politiker und Parteien, gerade in Ländern der Europäischen Union. Es war ein direkter Schlag in deren Gesicht. Ganz offensichtlich entschied man sich im Wesentlichen bei den solchermaßen Betroffenen diese mehr als peinliche Angelegenheit durch Stillschweigen und Wegducken auszusitzen. Der Vorgang von fortdauernder Bestätigung des Rangs als Kirchenlehrer für den heiligen Gregor von Narek wiegt umso schwerer und ist umso bemerkenswerter, da dieser Heilige offiziell nicht in Kirchengemeinschaft mit dem päpstlichen Rom stand. Im Direktorium des Bistums, der Diözese St. Pölten 2024/2025 steht dazu aus römisch-katholischer Sicht zu lesen:

„Er ist somit der erste Kirchenlehrer, der zu Lebzeiten nicht in Gemeinschaft mit der Kirche in Rom stand.“

Genau dieser armenische Geistliche wurde seitens des päpstlichen Roms als Heiliger und darüber hinaus sogar Kirchenlehrer anerkannt!

Dabei sollen sich Christinnen und Christen ganz generell untereinander um Verständigung bemühen. So gibt es die Regelung zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten nicht nur im CIC für die Lateinische Kirche (siehe Gedanken zur Woche 257 – 7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)), sondern eben auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen. So handeln dort die Canones/Kanones 1164 bis einschließlich 1184 von der „Vermeidung von Gerichtsverfahren“.
Dabei wird eine Verletzung etwa eines rechtsstaatlichen Strafrechts ausgeschlossen. Immerhin lautet doch CCEO-Canon/Kanon 1164:

„Beim Vergleich muß das weltliche Recht des Ortes gewahrt werden, wo der Vergleich eingegangen wird.“

Hintertürchen und Ausreden etwa zugunsten von Missbrauchstätern und Wirtschaftskriminellen im kirchlichen Bereich sollte auch der daran anschließende Paragraph 1 Canon/Kanon 1165 eigens ausschließen:

„Ein Vergleich kann nicht gültig zustandekommen bei Angelegenheiten hinsichtlich solcher Sachen oder solcher Rechte, die das öffentliche Wohl angehen, und hinsichtlich anderer Angelegenheiten, über welche die Parteien nicht frei verfügen können.“

Wie im CIC, so werden auch im CCEO in diesem Zusammenhang nicht bestimmten Parteien mehr Rechte als anderen eingeräumt. Dies ist als rechtliches Grundprinzip zu respektieren und zu verwirklichen unabhängig vom Gutdünken eines einzelnen Bischofs, einer Bischofskonferenz und eines Laiengremiums. Solche Gleichrangigkeit wird auch im CCEO Canon/Kanon 1168 vertreten:

„§ 1. Diejenigen, die eine Streitigkeit miteinander haben, können schriftlich vereinbaren, daß sie von Schiedsrichtern entschieden wird.
§ 2. Dasselbe können diejenigen schriftlich vereinbaren, die einen Vertrag miteinander eingehen oder eingegangen sind, was Streitigkeiten betrifft, die möglicherweise aus diesem Vertrag hervorgehen werden.“

 

 

 

Gedanken zur Woche 256, Dr. Matthias Martin
6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Das Kalender- wie das Kirchenjahr schreiten voran. Nun sind ja beide tatsächlich enger miteinander verbunden als sich viele denken mögen. Schließlich geht doch der das „normale“ Kalenderjahr einteilende Kalender auf einen besonders bedeutenden Papst der katholischen Erneuerung zurück, Gregor XIII. (Pontifikat von 1572 bis 1585). Gerne wird bei ihm auch von einem der führenden Persönlichkeiten oder Päpste der Gegenreformation gesprochen. Die Wortwahl kann verschieden sein. Seinerseits hat das Lehramt der katholischen Kirche keine Festlegung getroffen, welche Formulierung zu bevorzugen sei.
Es gibt ja bis heute auch keine verbindliche Festlegung, wie etwa die so gerne angeführten Epochen Antike/Altertum, Mittelalter und Neuzeit zeitlich voneinander abzugrenzen sind, wann eine dieser Epochen begonnen haben sollte, und wann man von ihrem Ende auszugehen habe.
War es früher recht beliebt, ganz konkret die Absetzung des angeblich letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus im Jahre 476 n. Chr. durch den germanischen Heerführer Odoaker als Ende der Antike, als Abschluss des Altertums und damit als Beginn des Mittelalters zu sehen, so sieht man dies längst nicht mehr so. Längst wird wohl wieder stärker wahrgenommen, dass dieser Romulus Augustulus zum einen eh die Marionette in den Händen seines eigenen intriganten Vaters Orestes und zum anderen schon gar nicht mehr allgemein anerkannt war. Um den gerade von Ostrom-Konstantinopel anerkannten nominellen weströmischen Kaiser Julius Nepos zumindest auf der Apenninenhalbinsel und in Padanien stürzen zu können, hatte dieser Orestes der Hilfe germanischer Truppen bedurft, die offiziell in weströmischem Dienst standen. Dabei konnte er nicht einmal damit Julius Nepos ganz ausschalten. Vielmehr konnte dieser in seine Hochburg und mutmaßliche Herkunftsregion Dalmatien fliehen und dort bis zu seiner Ermordung im Jahre 480 nicht zuletzt durch Ostrom-Konstantinopel und das dortige Kaisertum anerkannt noch regieren. Dementsprechend wird mitunter überhaupt dieses Todesjahr des Julius Nepos 480 n. Chr. als Ende des Weströmischen Reiches gesehen oder vorsichtiger zumindest gemeint, dass einiges für ein Ende des Weströmischen Reiches zu diesem Zeitpunkt spräche. Man kann auch mitunter die Meinung vernehmen, etwa mit der Niederlage des Syagrius im Jahre 486 und der Annexion seines bisherigen Herrschaftsgebietes im eher nordwestlichen Gallien durch die aufstrebenden Franken sei das Weströmische Reich zum Ende gekommen.
Sollte man sich überhaupt einigen, wann denn nun das Weströmische Reich zu Ende gegangen sei, so ist damit noch lange nicht geklärt, ob dieses angenommene Ende denn auch das Ende des Altertums, den Abschluss der Antike und den Beginn des Mittelalters bedeute. Schließlich gab es ja auch weiterhin unter germanischem Schutz etwa den römischen Senat in Rom. Ravenna fungierte weiterhin als Herrschaftssitz für die Apenninenhalbinsel und Padanien mit mehr oder minder starkem Einfluss bis zum Donaulauf hin. Auch Theoderich der Große, der mit seinen Ostgoten zugegebenermaßen blutig die Herrschaft von Odoaker übernahm, legte sowohl Wert auf die Zusammenarbeit mit dem Kaiser in Konstantinopel wie auf ein freundliches Verhältnis zur katholischen Kirche gerade im eigenen Herrschaftsbereich. Welcher Bedeutung kommt für eine Epocheneinteilung etwa dem Vordringen des ebenfalls germanischen Volkes der Langobarden in die padanische Poebene und auf die Apenninenhalbinsel zu? Die Durchsetzung des am Großen Glaubensbekenntnis von Nicäa und Konstantinopel orientierten Katholizismus unter der katholischerseits als Seliger bzw. Heiligen verehrten Theodelinde/Theodelinda/Theudelinde gilt manchem bzw. mancher als zumindest das Ende eines noch offiziellen Arianismus. Andere legen auch hier mehr Wert auf den Übertritt des westgotischen Herrschers Rekkared zum katholischen Glauben (siehe Gedanken zur Woche 25-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und zu Theodelinde/Theodelinda/Theudelinde auch Gedanken zur Woche 250-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2025)).
Sieht mancher erst das Ende der Antike, des Altertums, mit dem zwölften bis dreizehnten Jahrhundert nach Christus gegeben, so meinen andere, dieser Epochenwechsel habe schon im zweiten oder dritten Jahrhundert stattgefunden mit dem Beginn konsequenterer germanischer (Gegen-)Angriffe auf das Römische Reich. Mitunter kann man hierzu auch vernehmen, es habe sich hierbei um den Beginn der „germanischen Gegenoffensive“ gegen das selber betreffende Gebiete vorher erst unterwerfende Römische Reich gehandelt.

Genauso wird der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit sehr unterschiedlich angenommen. Lange Zeit galt aus europäischer Sicht die Wiederentdeckung Amerikas durch Kolumbus/Columbus im Jahre 1492 als die große Epochengrenze. Ja mancher spitzte den Epochenwechsel vom Mittelalter zur Neuzeit auf den Moment zu, an dem der Mann am Ausguck der Flottille unter dem Kommando des Columbus/Kolumbus Land in Sicht vermeldete. Nicht zuletzt der Umstand, dass gerne „Wikinger“ genannte Menschen vorher schon längst Nordamerika erreicht und gerade auf dem zu Nordamerika gehörendem Grönland dauernde Siedlungen samt einem mit dem Papst in Rom in voller Kirchengemeinschaft stehenden Bischofssitz errichtet hatten (siehe Gedanken zur Woche 128-b - 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), wird als Argument angeführt, diese Entdeckung von Columbus/Kolumbus solle doch nicht überbewertet werden. Bedeutete nicht vielmehr dann gerade die aus europäischer Sicht erfolgte Entdeckung des Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama in der Zeit von 1497 bis 1498 einen epochemachenden Durchbruch? Kommt nicht bereits davor der Tätigkeit Heinrichs der Seefahrers (Lebenszeit von 1394 bis 1460) entscheidende Bedeutung für den Start übergreifender Entdeckungs- und Kolonisierungstätigkeit seitens europäischer Mächte zu?

Dabei wird inzwischen selbst in westlichen Ländern das Wirken dieses Heinrichs des Seefahrers längst nicht mehr so enthusiastisch gutgeheißen wie wohl in früheren Zeiten. Inzwischen wird er zusehends auch als Person gesehen, die gerade in furchtbarer Weise den internationalen Sklavenhandel unter offensichtlicher Korrumpierung kirchlicher Kreise massiv ausgeweitet hat. Überhaupt gewann das angebliche so christliche Portugal eine enorme Bedeutung im internationalen Sklavenhandel. Dabei hatte das päpstliche Lehramt längst Sklaverei und Sklavenhandel in deutlichen Worten verurteilt (siehe Gedanken zur Woche 26-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 48-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 76-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 155 – 3. FASTENSONNTAG (2023)).
Manch einer kann sich noch an die erbitterten Unabhängigkeitskämpfe erinnern, die Angola einschließlich Cabinda/Kabinda, Mozambique und Guinea-Bissau noch bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zur Befreiung von der portugiesischen Kolonialherrschaft durchzufechten hatten. Vom Kollaps der portugiesischen Herrschaft profitierten dann auch Kap Verde und S
ão Tomé und Principe in Hinblick auf die Erlangung ihrer Unabhängigkeit. Insbesondere infolge vorübergehender indonesischer Besetzung war der Weg der ebenfalls einst portugiesischen Kolonie Osttimor/Timor-Leste in die tatsächliche und international anerkannte Unabhängigkeit besonders verwickelt. Die Herrschaft Portugals in ihren Kolonialbesitzungen auf dem indischen Subkontinent mit Goa darunter hatte schon vorher Indien unter dem Einsatz seiner Streitkräfte im Jahre 1961 gewaltsam beendet. Im Falle des an der ostchinesischen Küste gelegenen Macaos zog es dann das längst seiner erwähnten Kolonien entledigte Portugal vor, im Rahmen einer friedlichen Übereinkunft mit China ohne weitere Gewalt den Rückzug anzutreten, anstatt eine weitere militärische Niederlage zu provozieren. Dabei hatte schon der heilige Papst X. den Konflikt mit dem damaligen großen portugiesischen Kolonialreich nicht gescheut (siehe allgemein Gedanken zur Woche 178-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).

Die Dekolonialisierung hatte hier wie in anderen Fällen lange gedauert. Dass dieser Prozess überhaupt voranging, war ungezählten Menschen in den unterworfenen Gebieten zu verdanken, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens zum aktiven Widerstand bereit waren. Der katholische Weltjugendtag im Jahre 2023 in Lissabon wurde kirchlicherseits dazu genutzt, sich von portugiesischer Kolonialnostalgie und damit verbundener grenzüberschreitender Rechtfertigungspropaganda vernehmlich zu distanzieren. Eine diesbezüglich irreführende Briefmarke wurde zur Klarstellung durch den Vatikan spektakulär zurückgezogen!
Dabei sollte man sich gerade bei einer solchen Gelegenheit daran erinnern, dass der Apostolische Stuhl, auch genannte Heiliger Stuhl, gerne die in den letzten Jahrzehnten unabhängig gewordenen Staaten anerkannte und mit ihnen auf Gegenseitigkeit volle diplomatische Beziehungen aufnahm (siehe Gedanken zur Woche 228-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 194 – 2. ADVENTSONNTAG (2023)). So hatte sich der Heilige/Apostolische auch schon in Hinblick auf die Staaten Lateinamerikas verhalten, die bereits im 19. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit von Spanien und Portugal erkämpften.

 

1. Lesung: Jer 17,5-8
2. Lesung: 1 Kor 15,12.16-20
Evangelium: Lk 6,17-18a.20-26

 

 

 

Gedanken zur Woche 256-b, Dr. Matthias Martin
6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)

Die „normale“ Zeit im Kirchenjahr, wenn nicht besondere Feste und Hochfeste und auch bestimmte Gedenktage direkt auf dem Programm stehen, mag für viele besonders geeignet sein, den Blick auf den fortlaufenden Text der Bibel, bestehend bekanntlich aus den verschiedenen Büchern des Alten/Ersten und des Neuen/Zweiten Testamentes zu richten.
Die jetzt übliche Leseordnung bietet uns dazu „Bahnenlesungen“. Wir sind damit eingeladen, auf der sinnbildlichen Bahn des Lesens bzw. Hörens etwa des biblischen Buches, aus dem die aufeinanderfolgenden Tageslesungen und dem, aus welchem die aufeinanderfolgenden Evangelien vom Tage genommen sind, voranzuschreiten.
Ganz grundsätzlich sollen wir ja aufgeschlossen sein für die Gesamtheit der Bibel. In diesem Sinne kann man auch sehr gerne diese lesen, unabhängig von einer bestimmten Leserordnung. Genauso sind wir eingeladen, ja im christlichen Sinne aufgefordert, während unseres Weges im irdischen Leben gute Werke zu tun. Dabei mag man als Anregung natürlich auch solche Einteilungen als Anregung heranziehen, wie sie von der Bibel her entwickelt und uns dann durch die kirchliche Tradition überliefert wurden. Denken wird da immer wieder gut und gerne an die Liste der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit und der sieben Werke der geistigen Barmherzigkeit, die manchmal auch die sieben Werke der geistlichen Barmherzigkeit in der lebendigen deutschen Sprache genannt werden.
Natürlich sind es auch die ihrerseits in einer Art Telegrammstil verfassten sog. Fünf Gebote der Kirche wert, in den Blick genommen und ohne Engherzigkeit und Missgunst beherzigt zu werden. Im Sinne einer Warnung kann die Liste der sieben Hauptsünden, vor allem früher gerne die sieben Todsünden genannt, nützlich sein.
Dabei ist natürlich nach besten Kräften auf Rechthaberei und so etwas wie destruktive Kritiklust gegenüber anderen Menschen zu verzichten. Kann schon aus so umfangreichen Texten wie denen biblischer Bücher ganz Unterschiedliches herausgelesen oder in sie hineingelesen werden, so gilt dies natürlich erst recht bei so ganz knapp gefassten bis nur stichwortartigen Auflistungen.
Es ist dabei auch nicht aus den Augen zu verlieren, dass gerade in der Theologie wie in der Politik ein und dasselbe Wort ganz verschiedene Bedeutungen haben kann. Ja diese in der Menschheitsfamilie oder einer auch nur einer bestimmten sprachlichen Gemeinschaft mit einem Wort oder Begriff verbundenen Inhalte können sogar direkt etwas entgegengesetzt sein. Schon zu Beginn meines Studiums der Politikwissenschaft wurde ich mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen von Dozentenseite ausdrücklich auf derartiges hingewiesen. Eigens um sprachliche Differenzierung und damit verbundene Klärung hat sich die damalige US-Administration von Präsident Barack Obama etwas verdient gemacht (siehe Gedanken zur Woche 109 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2022)).
Die Gemeinschaft der Hutterer mit ihrem starken Festhalten an Gewaltlosigkeit einschließlich Wehrdienstverweigerung wie Gütergemeinschaft hin legt in deutlicher Weise Wert darauf, nicht als „kommunistisch“ bezeichnet zu werden. Im Durchhalten von Gütergemeinschaft sind diese Christinnen und Christen konsequenter als tatsächliche kommunistische Regime. In der seinerzeit eben erst gebildeten Sowjetunion hatte es sehr schnell die „besonderen Geschäfte“ oder „Spezialgeschäfte“ gegeben, in denen nur die Privilegierten des Systems samt Familienangehörigen einkaufen konnte. Derartiges kam dann offensichtlich gegen Ende der Sowjetunion stärker auch international ins Blickfeld. In dem berühmten Werk George Orwells „Animal Farm“, zu Deutsch „Farm der Tiere“, setzt sich dieser bekanntlich offen mit der Entwicklung der Sowjetunion vom Kampf gegen das gewalttätige und korrupte zaristische System und dessen Sturz an auseinander. Da wird das so etwas wie ein Regierungsprinzip darstellende ursprüngliche Motto in dieser selbstregierten Farm der Tiere dahingehend ergänzt, dass es dann heißt:

„Alle Tiere sind gleich,
aber manche sind gleicher.“

In dieser scharfen literarischen Abrechnung mit dem sowjetischen System heißt es eben nicht mehr einfach „Alle Tiere sind gleich.“ Wer sich etwas mit Geschichte beschäftigt hat, kann die literarisch-fiktiven Hauptgestalten aus „Farm der Tiere“ den betreffenden Personen der tatsächlichen Geschichte der Menschheit zuordnen. Dies gilt auch in Hinblick auf jeweilige gewissermaßen gesellschaftliche Gruppen in der Erzählung und eben in der tatsächlichen Geschichte. Eine eigene heftige Kritik und düstere Warnung gegenüber allem, was mit dem sowjetischen Kommunismus zu tun hat, sprach George Orwell dann auch in seinem noch berühmteren Roman „1984“ aus. Hierbei wird die Gefahr totalitärerer Entwicklungen und Elemente im gesellschaftlich-politischen Leben auf literarisch-fiktionale Weise in allgemeinerer Form thematisiert. Dabei sollten gerade auch die in Richtung von Details gehenden Anspielungen auf das britische Herrschaftssystem mit seiner Medienmacht nicht außer Acht gelassen werden. Bezeichnenderweise war ja Großbritannien im Zweiten Weltkrieg mit der Sowjetunion unter Josef Stalin verbündet. In Hinblick auf die Massenvertreibungen mit ihren unzähligen Todesopfern aus Gebieten im dann sowjetischen Macht- oder Einflussbereich nahmen britische Vertreter regelrecht die Funktion von erbarmungslosen Scharfmachern ein. Noch, als während in der Endphase des Chinesischen Bürgerkrieges der antikommunistische Widerstand auf dem chinesischen Festland in vielfältiger Weise andauerte, anerkannte Großbritannien bereits das kommunistische Regime nun in Peking. In „Mein Katalonien“ wiederum geht es gerade um die brutalen Erfahrungen, die ein Unterstützer der selber so heterogenen Volksfront wie George Orwell im Spanischen Bürgerkrieg mit sowjetischen Kommunisten und ihren örtlichen Handlangern machen musste (siehe allgemein Gedanken zur Woche 248-b – 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)).

Zum Beispiel haben sich die Hutterer konsequent gegen die Bezeichnung als „Kommunisten“ verwahrt. Ein leitender Vertreter der Hutterer meinte etwa in einer Art Interview für eine gefilmte Dokumentation, dass sie als Hutterer bei ihrem System des Gemeinbesitzes eben alles andere als Kommunisten seien. Sie lehnten jede Gewalt und jeden Zwang ab. Bei ihnen könne auch jeder aus der Gemeinschaft gehen, der dies wünsche. Unterstützt wurden und werden sie dabei auch von informierten Außenstehenden. Ökumenisch interessierte Katholiken etwa betonen, dass die Hutterer doch nie Dutzende von Millionen Menschen umgebracht hätten. Sie wegen (vermeintlicher) Gemeinsamkeiten in Hinblick auf Gemeinwirtschaft und Gütergemeinschaft als „Kommunisten“ zu bezeichnen, sei ihnen gegenüber ein schweres Unrecht.
Christen mit oft als konservativ bezeichneten Positionen in der Glaubens- und Sittenlehre bis hin zur Befürwortung der Tridentinischen Liturgie betonen dazu passend auch manchmal, dass man mit dem Begriff „konservativ“ oder „Konservative“ vorsichtig sein müsse. So wurden schließlich gerade im letzten Jahrzehnt der dann zerfallenden Sowjetunion mitunter die kommunistischen Hardliner bezeichnet, die sich selbst gegen zurückhaltende Wirtschaftsreformen aussprachen. Wenn man selbst als „konservativ“ bezeichnet werde, wolle man mit letzteren Gestalten auf keinen Fall etwas zu tun haben oder damit gar in einen Topf geworfen werden.

Die Vermeidung von Missverständnissen und die Förderung guten, differenzierten Denkens, Redens und Handelns ist eben eine Daueraufgabe. Gerade Katholikinnen und Katholiken, aber überhaupt Menschen unabhängig von Herkunft, sozialem Stand und eigener konfessionell-religiöser Zuordnung sollten sich in diesem Sinne bemühen. Auch die Beschäftigung mit der Bibel und den so unterschiedlichen Auslegungen und davon wiederum gewonnenen Ableitungen kann dazu wertvolle Anregungen geben. Gute Selbstdisziplin etwa in der Meidung legaler und illegaler Drogen kann dies unterstützen.

 

 

 

Gedanken zur Woche 255, Dr. Matthias Martin
5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Die Erzählung im Lukasevangelium vom wunderbaren Fischfang und der Berufung der ersten Jünger stellt innerhalb der drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und eben Lukas mehr oder minder einen Sonderfall dar. Während das Matthäusevangelium (Mt 4,18-22) und das Markusevangelium (Mk 1,16-20) hier weitgehend übereinstimmen, wird uns eben im Lukasevangelium weitgehend, demensprechend lukanisches Sondergut geboten (eben Lk 5,1-11). Wie auch sonst nimmt das Johannesevangelium auch hier eine Sonderstellung ein. Es bietet ja dermaßen viel eigenes Material. So ist im Vergleich zu den drei anderen Evangelien eben so etwas wie johanneisches Sondergut die Regel. Es sind eher Übereinstimmungen des Johannesevangeliums mit einem oder mehr als einem der synoptischen Evangelien als Besonderheiten wahrzunehmen denn als der Regelfall anzunehmen.
Innerhalb der lukanischen Version von einem wunderbaren Fischfang und der Berufung der ersten Jünger ist eigens zu beachten, dass Simon, der später so oft Petrus genannt wird, ganz ausdrücklich seine eigene Sündhaftigkeit einräumt und dies dazu in Gegenwart einer Gruppe anderer Personen.
Folgen wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung, so können wir dazu lesen:

„(Lk 5,8) Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!“

In der älteren deutschen Einheitsübersetzung ist an dieser Stelle zu lesen:

„(Lk 5,8) Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder.“

Es ist interessant, dass an dieser oft wenig bis nicht beachteten Stelle des Neuen/Zweiten Testaments Simon Petrus oder einfach Petrus ausdrücklich eigene Schwächen eingesteht. Er selber und die lukanische Überlieferung versuchen auch hier nicht, ihn als strahlenden Helden ohne Fehl und Makel zu präsentieren. Seinerseits greift dies offensichtlich Jesus von Nazaret positiv auf, ohne in irgendeiner Weise zur Vertuschung solcher Schwächen aufzufordern. In der neuen deutschen Einheitsübersetzung heißt es nämlich alsbald:

„(Lk 5,10) … Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“

In der alten oder älteren deutschen Einheitsübersetzung können wir das Gleiche lesen:

„(Lk 5,10) … Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“

Es ist doch interessant, dass mit solch ermutigenden Worten exklusiv Simon (Petrus) angesprochen wird, nachdem er eben so vernehmlich seine eigene Sündhaftigkeit eingeräumt hatte. Offensichtlich geht es also keineswegs darum, eigene Stärken vorzuspielen, sondern ehrlich eigene Unzulänglichkeiten einzuräumen. Von solcher Ehrlichkeit aus kann dann weiter vorgegangen werden, ganz im Sinne dieser besonderen Berufung des Petrus.
Nun ist Petrus nicht irgendeine neutestamentliche Person. Er ist nach römisch-katholischem Verständnis der erste Papst, dem sich die anderen Vertreter der Urkirche unterzuordnen gehabt hätten. Auch in Denominationen oder Bewegungen außerhalb der römisch-katholischen Kirche wurde und wird dem Simon Petrus eine besondere Bedeutung zuerkannt.
Er verkörpert also so etwas wie kirchliches Personal und gerade auch kirchliches Führungspersonal schlechthin. Er verkörpert es, indem er eben jemand ist, der eigene Schwächen einräumt, Fehler nicht zu vertuschen versucht. Denken wir da gerade an die massive Überlieferung von der dreimaligen Verleugnung durch Simon Petrus am Abend der Festnahme Jesu und der anschließenden ausdrückliche Reue des Simon Petrus. Diese Handlung in Gegenwart anderer Menschen geschieht demnach anstellte eines Versuches, eine Ausrede für das eigene Fehlverhalten zu finden, die Peinlichkeit irgendwie zu vertuschen.
Umso mehr sollte man sich doch in unserer Zeit in kirchlichen Kreisen um ehrliche Aufarbeitung des Fehlverhaltens kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließlich des Fehlverhaltens von Bundesgenossinnen und Bundesgenossen des kirchlichen Apparates, der eigenen offiziellen konfessionellen Strukturen, bemühen. Vertuschung und Ausreden sollten ganz und gar nicht auf dem Programm stehen. Das Kirchenrecht und natürlich ganz besonders und nachhaltig dessen tatsächliche Umsetzung sollten in diese Richtung gestaltet sein. Dass Amtsträger sich bis etwa im Kardinalsrang sich in einem gerade moralischen Sinne schweren Fehlverhaltens schuldig machen, steht außer Frage. Man denke da nur an so wichtige (seinerzeitige) Kardinäle wie Theodore McCarrick, Bernard Alfrink, Joachim Meisner und Karl Lehmann (siehe Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Ebenso können natürlich da in einem üblen Sinne auch Erzbischöfe wie Rembert Weakland und Robert Zollitsch in den Sinn kommen (siehe Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Solches ließe sich mit weiteren kirchlichen Würdenträgern einschließlich Gründern neuerer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften (siehe Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) fortsetzen.

Der Empfang einer sakramentalen Weihe schützt eben nicht vor Fehlverhalten und Schwächen des Weiheempfängers. Immer wieder stellt sich ja auch die Frage, inwieweit überhaupt eine Weihe gültig empfangen wurde. Lag in einem bestimmten Fall etwa überhaupt eine richtige Weiheintention vor? Oder stand der Weihekandidat selber unter einem Druck, den es im Sinne traditionellen katholischen Verständnisses von der sakramentalen Weihe wie der Würde und Entscheidungsfreiheit der Person hätte nicht geben dürfen? Oder handelte der jeweilige Weihekandidat vielleicht in gezielt böser Absicht? Offensichtlich gelang es ja dem polnischen Auslandsgeheimdienst in der Zeit des alten kommunistischen Ostblocks, einen seiner hauptamtlichen Kadermänner unter Vorspiegelung einer religiösen Berufung samt Weihe zum Priestertum in die engste Umgebung von Papst Johannes Paul II. einzuschleusen. Niedere Motive dürften auch bei anderen Weihempfängern mehr als einmal eine Rolle gespielt haben, so mitunter das Ziel, umso leichter eigene sexuelle Neigungen bis hin zu regelrechtem sexuellem Sadismus leichter und gerade auch ungestraft ausleben zu können.
So stellt sich wiederholt die Frage nach einer (eventuellen) Weihenichtigkeit bzw. Weiheannullierung.

Wie leicht festzustellen ist, gibt es sowohl im gegenwärtigen CIC für die Lateinische Kirche mit den Canones/Kanones 1708 bis 1712 und im CCEO für die Katholischen Ostkirchen mit den Canones/Kanones 1385 bis 1387 je einen eigenen Titel bzw. ein eigens Kapitel zu Weihenichtigkeitsverfahren (siehe Gedanken zur Woche 254 – FEST DARSTELLUNG DES HERRN/LICHTMESS (2025)). Darüber hinaus sind natürlich in beiden kirchlichen Gesetzbüchern gerade in der heutigen schweren Kirchenkrise weitere Canones/Kanones in den Blick zu nehmen, wenn es um diese Thematik geht.
So lautet Paragraph 1 von Canon/Kanon 1425 im CIC:

„Unter Verwerfung jeder gegenteiligen Gewohnheit sind dem Kollegialgericht von drei Richtern vorbehalten:
1° Streitsachen, die a) das Band der heiligen Weihe oder b) das Band der Ehe betreffen unter Wahrung der Vorschriften der cann. 1686 [1688] und 1688 [1690];
2° Strafsachen a) bei Straftaten, die die Strafe der Entlassung aus dem geistlichen Stand zur Folge haben können; b) zur Verhängung oder Feststellung der Exkommunikation."

Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es dazu nützlich, einen Blick in das von Stephan Haering und Jürgen Platen verfasste Vorwort zur neunten Auflage der lateinisch-deutschen Ausgabe des CIC zu werfen. Die in dieser Beitragsreihe zu verschiedenen Anlässen gemachten Feststellungen über die häufigen bis unüberschaubaren Veränderungen im kirchenrechtlichen Bereich letztlich bestätigend ist dort u. a. zu lesen:

„Bei cc. 1425 § 1, 1639 § 2, 1694 und 1700 § 1 wird auf der Anpassung bedürftige Verweisungen aufmerksam gemacht, die sich aus der Änderung des Eheprozessrechtes durch das Motu proprio Mitis Iudex Dominus Jesus zwingend ergeben, aber vom Gesetzgeber selbst nicht aufgegriffen worden sind.“

Man mag sich da nicht zuletzt an die seinerzeitigen kritischen Worte Georg Mays in seinem Beitrag zum Handbuch der Kirchengeschichte über die nachkonziliare Entwicklung des Kirchenrechts erinnert fühlen (siehe Gedanken zur Woche 247 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024)).

 

1. Lesung: Jes 6,1-2a.3-8
2. Lesung: 1 Kor 15,1-11 (oder 15,3-8.11)
Evangelium: Lk 5,1-11

 

 

 

Gedanken zur Woche 255-b, Dr. Matthias Martin
5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Gerade ein Fest wie das gemeinsame des hl. Cyrill oder Konstantins und des hl. Methodius kann ein guter Anstoß sein, sich die Gesamtheit der katholischen Weltkirche als der globalen Gemeinschaft der verschiedenen Kirchen eigenen Rechts mit ihrem vielfältigen liturgischen, kanonistischen, spirituellen, theologisch-systematischen wie allgemeinkulturellem Erbe bewusst zu machen. Es sollte nicht vergessen werden und ist wohl wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen, dass einst Papst Johannes Paul II. diese beiden herausragenden Glaubensboten mit einer eigenen Enzyklika ehrte und ausdrücklich zu Mitpatronen oder Schutzpatronen Europas erhob. Zumindest etwas bekannt ist der Umstand, dass der Papst jeweils nicht ein religiöses Oberhaupt, sondern eben auch ein Staatsoberhaupt ist. Eine Vereinigung von zwei betreffenden Spitzenpositionen findet sich auch sonst einige Male in der Internationalen Gemeinschaft. Besonders augenfällig ist dies in der sog. christlichen wie in der sog. islamischen Welt zu sehen. In einem traditionell buddhistisch geprägten Staat wie dem Königreich Thailand gibt es gerade anhand des öffentlichen/Öffentlichen Religionsrechts eine eigene starke Verbindung von religiösem und staatlich-politischem Leben. In der Republik Sri Lanka stellt die dort vorherrschende eigene buddhistische Überlieferung eine nicht wegzudenkende Größe auch im staatlich-politischen Leben dar. Die Bedeutung des wiederum besonders akzentuierten Buddhismus der birmanischen Mehrheit in Myanmar, auch genannt Burma und mitunter Birma, wurde zurecht wiederholt angesprochen und diskutiert.
Die Machtverteilung in der Republik Libanon auf der Grundlage des Nationalpaktes von 1943 und der jeweiligen Staatsverfassung weist im Sinne von nationaler Unabhängigkeit, fortdauernder Kooperation und beabsichtigter Gleichberechtigung im Staatswesen über die konfessionellen Gemeinschaften bzw. konfessionelle Zugehörigkeiten Ämter im Staatswesen zu und soll einen ausgewogenen Proporz garantieren. In Andorra, das u. a. ja Vollmitglied der Vereinten Nationen/UN, des Europarates wie weiterer internationaler Organisationen ist, ist der katholische Bischof von Urgell eines der beiden Staatsoberhäupter (siehe Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA UND WELTFRIEDENSTAG (2022); Gedanken zur Woche 142 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 195 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2023)).
Besonders ausgeprägt ist die Verflechtung von einer offiziellen religiösen Gemeinschaft und dem Staat im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, umgangssprachlich gerne Großbritannien oder auch nur England genannt. Einigermaßen bekannt sein dürfte, dass der König automatisch das Oberhaupt der Staatskirche von England ist. Diese Church of England ist auch als solche aktiv und dauernd präsent auf der Insel Man und den Kanalinseln obwohl diese staatsrechtlich weder zu England, zu Großbritannien oder zum Vereinigten, Königreich gehören. Dieses staatskirchliche Konstrukt trägt damit zur Anbindung an den britischen Staatsapparat bei. Weniger bekannt ist, dass 26 ihrer Bischöfe automatisch ihren Sitz im Oberhaus haben und dort so etwas wie eine eigene Fraktion bilden. Demgegenüber wird anderen konfessionellen oder religiösen Gemeinschaften als solchen kein einziger Sitz zuerkannt!

Die Verbindung von Konfession oder Religion und Staat ist also keine Besonderheit des Papsttums. Was den Papst in der Internationalen Gemeinschaft einzigartig macht, ist der gerade von bundesdeutschen Politikern und mit ihnen verbundenen „Expertinnen“ und „Experten“ so gerne verdrängte Umstand, dass der Papst zusätzlich zu seiner Stellung als religiöses Oberhaupt und Staatsoberhaupt auch noch die Verkörperung des Völkerrechtssubjektes eigener Art, dieses Völkerrechtssubjektes sui generis ist, welches sowohl „Heiliger Stuhl“ als auch „Apostolischer Stuhl“ genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 204-b – 1. FASTENWOCHE (2024)).
Allgemein wurde die Abfassung und Veröffentlichung der Enzyklika „Slavorum Apostoli“ zu Ehren der heiligen Cyrill und Methodius (
https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_19850602_slavorum-apostoli.html) und deren Erhebung zu (Mit-)Patronen Europas als Vorstoß gegen den kommunistischen Ostblock im Besonderen und den Kommunismus als weltweitem Phänomen im Allgemeinen wahrgenommen. Diese päpstlichen Handlungen stellten eine Stärkung der unierten Kirchen, der Katholischen Ostkirchen dar, und zwar gerade der mit einem ostmitteleuropäischen oder osteuropäischen Hintergrund. Dazu lag dies auf einer Linie mit anderen Positionierungen wie der öffentlichen Verwendung der ukrainischen Sprache durch Papst Johannes Paul II., die fortwährende Anerkennung antikommunistischer Exilregierungen, die Unterstützung betreffender Exilseminare gerade in Rom und die ablehnende Haltung zu kommunistischer Einflussnahme etwa in südlichen Ländern, welche gerne Entwicklungs- und Schwellenländer genannt werden. Auch die Selig- und Heiligsprechungen insbesondere ukrainischer und vietnamesischer Märtyrer passen dazu. Eigens zeichnete er die im Widerstreit mit dem kommunistischen Nordkorea ihre Existenz behauptende Republik Südkorea aus, indem er dort erstmals außerhalb Roms eine Heiligsprechung vornahm. Nicht vergessen werden sollte auch die Aufrechterhaltung der vollen diplomatischen Beziehungen mit der Republik Taiwan. Der Apostolische Stuhl und die katholischen Bischöfe von Taiwan sicherten sich eigene Bedeutung bei der Verteidigung der staatlichen Eigenständigkeit Taiwans und der Pflege seiner nationalen Identität.

Natürlich sehen sich wie die Lateinische Kirche auch die anderen Kirchen eigenen Rechts vielfältigen Herausforderung ausgesetzt. So lautet parallel zu Canon/Kanon 1425 Paragraph 1 des CIC (siehe Gedanken zur Woche 255 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)) Paragraph 1 von Canon/Kanon 1084 eben des CCEO:

„Dem Kollegialgericht von drei Richtern sind vorbehalten:
1° Sachen hinsichtlich des Bandes der heiligen Weihe;
2° Sachen hinsichtlich des Ehebandes, unbeschadet der cann. 1372-1374;
3° Strafsachen hinsichtlich Delikten, welche die Strafe der großen Exkommunikation, der Amtsenthebung, der Rückführung in einen geringeren Grad oder der Absetzung mit sich bringen;
4° im Partikularrecht der eigenen Kirche eigenen Rechts festgelegte Sachen.“

Verschiedene Eigenheiten der Katholischen Ostkirchen, dieser zahlreichen Kirchen eigenen Rechts, an der Seite der Lateinischen Kirche eigenen Rechts im Rahmen der Gesamtheit der katholischen Weltkirche scheinen hier etwas auf. Da ist die Ausdifferenzierung in kleine und große Exkommunikation eben im Recht dieser Kirchen eigenen Rechts. Ganz grundsätzlich wird mit dem zitierten Punkt 4 auf die größere Bedeutung des Partikularrechts bei diesen Kirchen eigenen Rechts hingewiesen. Diese vertreten ja unterschiedliche liturgische wie kanonistische/kanonische Überlieferungen, weisen ein je eigenes kulturelles, spirituelles und theologisches Erbe auf. Diese legitime Vielfalt wird durch das Kirchenrecht und eine Vielzahl päpstlicher und anderer kirchlicher Dokumente wie etwa Konzilsbeschlüssen verteidigt und ausdrücklich gewürdigt.
Die volle Einheit der verschiedenen Kirchen eigenen Rechts in der Glaubens- und Sittenlehre einschließlich in Fragen der Sakramentenspendung und des Sakramentenempfangs wird eben auch in Zusammenhang mit dem Paragraph 1 des CCEO-Canons/Kanons 1084 verdeutlicht. In der Anmerkung in der lateinischen-deutschen Ausgabe des CCEO von Ludger Müller und seines Mitarbeiters Martin Krutzler zu Punkt 2 dieses CCEO-Canons/Kanons 1084 ist entsprechend zum Vorwort zur neunten lateinisch-deutschen Ausgabe des CIC zu lesen:

„Nach dem Inkrafttreten des MP Mitis et misericors Iesus (15.8.2015) muß es heißen: „cc. 1374-1376.““

Der durch päpstliches Schreiben Papst Johannes Pauls II. vom 12./13. Mai 1992 eingeführte „Welttag der Kranken“ oder „Weltkrankentag“ (https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/letters/1992.index.html) sollte natürlich auch in der ganzen Weltkirche mit ihren verschiedenen Kirchen eigenen Rechts beherzigt werden.
Ganz grundsätzlich sollen sich Christinnen und Christen ja der aus diesem oder jenem Grunde Notleidenden annehmen. Dies soll auch dann gelten, wenn keine staatliche oder staatsnahe Entlohnung bzw. Refundierung in Aussicht steht, die vielleicht gar noch satten Nettogewinn verspricht. Demensprechend darf es auch nicht an finanziellen Gegebenheiten scheitern, dass jemand über das kirchliche Prozesswesen zu ihrem bzw. seinem Recht kommt. Christliche Solidarität gilt es auch und nicht zuletzt zu Gunsten von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen zu verwirklichen, die international und regional keine starke bis gar keine Lobby haben.

 

 

 

Gedanken zur Woche 254, Dr. Matthias Martin
FEST DARSTELLUNG DES HERRN/LICHTMESS (2025)

Unumstritten war und ist sie ja nicht, die sog. Liturgiereform im Bereich der Lateinischen Kirche, welche Ende der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts im Wesentlichen ihren Ausgang nahm. Die darauf fußende Messliturgie wird nach dem damals amtierenden Papst mit seinem Pontifikat von 1963 bis 1978 ja auch die Liturgie oder die Messe Pauls VI. genannt. Kritiker derselben, gerade wenn es zugleich um Anhänger der bis dahin allgemein verbreiteten Tridentinischen Liturgie handelt, sind keineswegs ausgestorben. Männer und Frauen aus ihren Reihen konnten gerade in jüngster Zeit bei demokratischen Wahlen beachtliche Erfolge feiern. Zu denken braucht man nur an den Mitgründerstaat sowohl der Vereinten Nationen, der Organisation Amerikanischer Staaten, abgekürzt OAS, wie der Gruppe der G20-Staaten Argentinien mit der dortigen Wahl einer engagierten Anhängerin der Priesterbruderschaft St. Pius X. zur Vizepräsidentin. Frau Victoria Villarruel stand auch im Wahlkampf inmitten aller gegen sie gerichteten Angriffe unerschütterlich zu ihrer theologischen Orientierung und damit verbundenen religiösen Praxis. Natürlich verdienen auch die jüngsten Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika/USA diesbezüglich Beachtung und laden eindringlich zu genaueren Nachforschungen ein. Wie die bereits veröffentlichten Personalentscheidungen des wiedergewählten Präsidenten Donald Trump belegen, spielte die Unterstützung betont traditionsorientierter katholischer Kreise bis hin zu kantigen, um nicht zu sagen radikalen Sedisvakantisten eine Rolle. Donald Trump weiß diese zu schätzen und zu honorieren. Intellektuell herausfordernd wie kirchenpolitisch interessant sind da nicht zuletzt Aussagen seines Vizepräsidenten JD Vance. Da fällt mir eher spontan ein Ausdruck ein wie „(katholischer) Traditionalist in einer Novus-Ordo-Gemeinde“, wie er nicht zuletzt in Hinblick auf eine Person oder Rolle in Spielfilmen begegnen könnte.
In Ländern wie Frankreich, Italien und der Schweiz war es schon vorher längst ohne ernste Probleme für Anhänger der Alten oder Tridentinischen Liturgie möglich, bei Wahlen erfolgreich zu sein und in wichtige bis höchste politische Ämter zu gelangen. Eigene Bedeutung konnten Freunde der Alten Messe oder Tridentinischen Liturgie längst auch bei den britischen Konservativen gewinnen. Dies passt dazu ins größere Bild der rapiden Auflösungserscheinungen der anglikanischen Staatskirche von England und ihrer eh schon längst zahlenmäßig schwachen bis kaum wahrnehmbaren Filialgründungen oder Tochterkirchen in Nordirland, Schottland und Wales.
Gegner der traditionellen katholischen Liturgie haben wiederholt ihre Frustration und ihre Ängste vor einem weiteren Bedeutungsgewinn der Tridentinischen Liturgie/Messe geäußert.
Aber die nachkonziliare Liturgie und der mit ihr verbundene liturgische Kalender haben auf jeden Fall ihre eigene Aussagekraft.

Da ist es eben eigens bemerkenswert, dass am ersten Sonntag des Monates Februar 2025 eigens der „Tag des geweihten Lebens“ begangen wird. Eben gerade in der nachkonziliaren Messliturgie kann dies gerade in den Fürbitten berücksichtigt werden.
Sehr gut dazu passen die Gebetsanliegen des Papstes für diesen Februar 2025.
Von diesen lautet das erste sehr allgemein:

„Für Berufungen zum Priestertum und Ordensleben“

Spezieller ist dann das zweite Gebetsanliegen von Papst Franziskus formuliert. Dieses geht ganz offensichtlich auf die Krise bei den Berufungen zum Ordensleben und Priestertum ein. Immer lautet dieses zweite Gebetsanliegen des Papstes in seiner deutschen Ausgabe doch:

„Beten wir, dass die kirchliche Gemeinschaft das Verlangen und die Zweifel junger Menschen aufnimmt, die den Ruf zum Dienst in der Sendung Christi im Priestertum und Ordensleben spüren.“

Leicht erhältliche Zahlenangaben und generell Medienberichte bestätigten diese umfassende Krise immer wieder.
Hinweise, die in diese Richtung gehen, finden wir auch im allmeinen Kirchenrecht, wie es in den beiden Codices des CIC und des CCEO vorliegt. Dies gilt nicht zuletzt bezüglich des (kirchlichen) Prozessrechtes.
So handelt im CIC eigens Titel II von Teil III in Sektion II des Buches VII „Prozesse“ mit den Canones/Kanones 1708 bis einschließlich 1712 von „Weihenichtigkeitsverfahren“. Im CCEO geht es in Kapitel II des Titels XXVI „Besondere Arten von Verfahren“ mit den Canones/Kanones 1385 bis einschließlich 1387 um „Verfahren zur Nichtigkeitserklärung der heiligen Weihe“.

Dabei grenzt Canon/Kanon 1708 des CIC das Recht, die Gültigkeit einer (sakramentalen) Weihe anzufechten eigens ein. Dabei wird auch etwas in Richtung des kirchlichen Verfassungsrechtes gewiesen. So wird dort festgelegt:

„Das Recht, die Gültigkeit einer heiligen Weihe anzufechten, hat der Kleriker selbst oder der Ordinarius, dem der Kleriker untersteht oder in dessen Diözese er geweiht worden ist.“

Damit wird auch das Recht auf eine freie Wahl des eigenen Lebensstandes unterstrichen. Niemand soll doch zum Leben als Kleriker und zum Empfang einer betreffenden Weihe gezwungen werden (siehe Gedanken zur Woche 121 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 147-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Sollte jemand, sei es durch Familienangehörige oder durch wen oder was auch immer, in so etwas hineingedrängt worden sein, so sollte er umso mehr die Möglichkeit wahrnehmen können, diesen üblen Umstand zu korrigieren.
Parallel zum CIC-Canon/Kanon 1708 findet sich im CCEO der dortige Canon/Kanon 1385:

„Das Recht, die Gültigkeit der heiligen Weihe anzufechten, haben entweder der Kleriker selbst oder der Hierarch, dem der Kleriker untersteht oder in dessen Eparchie er geweiht worden ist.“

Die Orientierung am Verfassungsrecht und der Terminologie der Katholischen Ostkirchen ist hier offenkundig.

Das Recht, auf Dauer den eigenen Lebensstand auch unter Einsatz eines Weihenichtigkeitsverfahren zu wählen, wird gerade am Ende des betreffenden Titels II des CIC zumindest formell abgesichert. Hier lautet nämlich Canon/Kanon 1712:

„Nach dem zweiten Urteil, das die Nichtigkeit der heiligen Weihe bestätigt hat, verliert der Kleriker sämtliche dem Klerikerstand eigenen Rechte und wird von allen Pflichten frei.“

Familienangehörige sollten es also umso mehr unterlassen, jemanden in ein Priesterseminar oder in eine Ordens- bzw. ordensähnliche Gemeinschaft hineindrängen zu wollen.
Dies wird auch im CCEO deutlich gemacht. Im letzten Canon/Kanon des dortigen Kapitels II, Canon/Kanon 1387 wird dementsprechend festgehalten:

„Nach dem zweiten Urteil, das die Nichtigkeit der heiligen Weihe bestätigt hat, verliert der Kleriker alle dem Klerikerstand eigenen Rechte und wird von allen Verpflichtungen dieses Standes befreit.“

Dabei wird auch für den Fall eines Weihenichtigkeitsverfahrens im CCEO eigens die Zugehörigkeit zur katholischen Weltkirche mit der auch in der Lateinischen Kirche bekannten Unterstellung unter der Apostolischen oder Heiligen Stuhl mit dessen Römischen Kurie deutlich gemacht. Gegen anderslautende Behauptungen lässt sich nämlich im CCEO-Canon/Kanon 1386 Paragraph 1 nachlesen:

„Die Klageschrift zur Anfechtung der Gültigkeit der heiligen Weihe muß an das zuständige Dikasterium der Römischen Kurie gesandt werden, das entscheidet, ob das Verfahren von ihm selbst oder von einem von ihm benannten Gericht zu behandeln ist.“

Der Grundgedanke der Beziehung der Katholischen Ostkirchen zur Römischen Kurie und des Integriertseins in das allgemeine katholische Rechtswesen wird in Paragraph 2 dieses CCEO-Canons/Kanons 1386 fortgeführt:

„Wenn das Dikasterium das Verfahren an ein Gericht verwiesen hat, müssen, wenn nicht die Sache der Natur der Sache dem entgegensteht, die Kanones über das Gerichtswesen im Allgemeinen und über das ordentliche Streitverfahren gewahrt werden, nicht aber die Kanones über das summarische Streitverfahren.“

 

1. Lesung: Mal 3,1-4
2. Lesung: Hebr 2,11-12.13c-18
Evangelium: Lk 2,22-40 (oder 2,22-32)

 

 

 

Gedanken zur Woche 254-b, Dr. Matthias Martin
4. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Heiligengedenktage besitzen doch in mehrfache Hinsicht eine bemerkenswerte Aussagekraft. Sie können jeweils in verschiedener Hinsicht wertvolle Anregungen vermitteln.

Ganz allgemein kann der jeweilige Gedenktag eines bestimmten Heiligen, eines bestimmten Heiligen oder auch einer Gruppe von Heiligen dazu anregen, sich mit dem geschichtlichen Hintergrund, dem jeweiligen historischen Umfeld zu beschäftigen. Jede in der katholischen Kirche als selig oder heilig verehrte Person ist ja grundsätzlich als eine Person im großen Gesamtzusammenhang der Menschheitsgeschichte zu sehen, ist selber als eine historische Person zu sehen. Natürlich kann die Quellenlage immer wieder schwierig bis sehr schwierig sein.

Das ist ja aber auch sonst immer wieder der Fall, wenn es um irgendeine historische Angelegenheit geht. Wie es etwa zum Verschwinden der Neandertaler/Neanderthaler gekommen sein soll, wird ganz unterschiedlich erklärt. Ja, ob es überhaupt ein solches Verschwinden in einem negativ-tragischen Sinne gegeben habe, wird von manchem ausdrücklich in Abrede gestellt. Es gibt ja auch die Meinung, Neadertaler/Neanderthaler hätten sich vielmehr erfolgreich mit einem anderen Zweig von Menschen vermischt und in einer solchen großen gemeinsamen Linie gemeinsam fortgepflanzt. Nach diesem Verständnis wären mehr oder minder die meisten der heute lebenden Menschen zumindest teilweise auch Nachkommen der Neandertaler und sicherten so deren enorme Erfolgsgeschichte anstelle eines ansonsten mehr oder minder deutlich angenommenen tragischen Scheiterns.
Bereits in der Antike und inmitten offensichtlich schon der Umgebung des oft „der Große“ genannten makedonischen Königs Alexander war umstritten, welche Bedeutung er denn nun wirklich für den Sieg über das persische Reich aufzuweisen habe. Wäre nicht vielmehr dafür viel wichtiger die Person seines Vater Philipp II. von Makedonien. Dieser habe doch das damals so schlagkräftige Makedonische Heer geschaffen. Außerdem habe er durch seine Siege insbesondere über die griechischen Gegner erst einmal so etwas wie eine makedonische Großmacht geschaffen. Alexander habe auf diesem Weg nur weitermarschieren brauchen. Mitunter wird auch dem angenommenen Versagen bis hin zu ausdrücklich vorgeworfener Feigheit des Alexander gegenüberstehenden persischen Großkönigs Darius/Dareios III. eine entscheidende Bedeutung für den Ausgang des damaligen Konflikts zugesprochen.
Für die Zeit schon vorher im Nahen Osten stellt sich sowohl in Hinblick auf den Untergang des Reiches von Mitanni wie des neuassyrischen Reiches die Frage, welche Rolle interne Konflikte gespielt und welche Bedeutung die auswärtigen Gegner tatsächlich gehabt hätten. Wie wichtig wurde tatsächlich etwa ein Bündnis wie das zwischen Medern und Neubabyloniern gegen Assyrien? Wie wichtig war hier wie dort vielleicht die eine oder andere Hofintrige?
Die Diskussion um Alexander von Makedonien und seine persönliche Bedeutung ist ein starkes Beispiel für das mehr oder minder intensive Aufeinandertreffen strukturalistischer und personalistischer Positionen zu geschichtlichen Themen. Sind es eben Strukturen, die vielleicht über Jahrhunderte bis Jahrtausende grundgelegt wurden, denen entscheidende Bedeutung zukommt? Oder sind es nicht doch irgendwie (Einzel-)Personen?
Immer wieder werden Einzelfragen in Hinblick auf den Gang der Geschichte diskutiert. Kamen etwa schon die Phönizier bzw. Karthager nach Amerika? Oder schafften das dann vielleicht die Römer? Wurde der Zweite Punische Krieg tatsächlich durch Verrat und Obstruktion in den karthagischen Reihen entschieden? Offensichtlich hintertrieb ja eine mächtige Richtung im Großen Rat oder dem Senat von Karthago die Anstrengungen von Hannibal und ihm loyal verbundener Kommandanten. Wie weit aber ging dies? Die Römer hatten auf jeden Fall kein Interesse, ihren letztendlichen Sieg auch noch karthagischen Verrätern bzw. ihren dortigen nützlichen Idioten zuzuschreiben. Hatten sie etwa selber den Plan Hasdrubals, zu seinem Bruder Hannibal auf der Apenninenhalbinsel zu ziehen herausgefunden, oder lagen ihnen da Informationen von ihnen „freundlicher“ karthagischer Seite vor? Wie verhielt es sich etwa mit der doch recht plötzlichen Eroberung des so wichtigen Neukarthago/Carthago Nova durch die Römer? Hatten da die vielleicht doch nicht so leistungsfähigen Römer einen so wichtigen Erfolg einfach wieder der Uneinigkeit bis Verrat in den gegnerischen Reihen zu verdanken?

Gerne wird in Zusammenhang mit angeblichen oder tatsächlichen archäologischen Entdeckungen oder Funden schriftlicher Quellen die Behauptung verbreitet, die Geschichte einer Epoche, eines Krieges oder eines Volkes müsse nun „neugeschrieben“ werden. Andere sind da dann jeweils skeptisch, bis hin zum Vorwurf, derartige versuchte Sensationsmeldungen seien Effekthascherei oder Geschäftemacherei.
Oft wird ja der Grundsatz anerkannt „Der Sieger schreibt die Geschichte“. Zugespitzt wird darauf in dem international für Aufsehen sorgenden Filmwerk „Braveheart“ hingewiesen. Nicht umsonst wurde „Braveheart“ mit einer ganzen Reihe von Oscars und anderen internationalen Auszeichnungen gewürdigt. Die Meinungen gehen aber dann doch sehr oft erheblich auseinander, wieweit in welchem Falle durch welchen Sieger oder wen auch immer dann aber eine Manipulation in der Darstellung und Überlieferung stattgefunden habe oder nicht. Hat man irgendeinem Sieger selber etwas zu verdanken, dann will man ihm doch nicht in einem schlechten Licht dastehen lassen. Das fiele doch auf einen selber zurück. Die einstweiligen Sieger haben ja doch einmal ihnen gefällige Leute, um nicht zu sagen Handlanger, in betreffenden Positionen installiert. Da mag spontan aus dem Zukunftsroman „1984“ George Orwells das Motto in den Sinn kommen „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit“ (siehe allgemein Gedanken zur Woche 248-b – 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)).
Immerhin kann man sich jetzt etwas kritisch über die einst so siegreichen Römer äußern und darauf hinweisen, dass aus ihren Reihen stammende Autoren wohl ziemlich Zweckpropaganda betreiben und zugleich etwa das schriftliche Erbe Karthagos gezielt vernichtet wurde, um die damit verbundene karthagische Sicht der Geschichte auszutilgen.

Dabei können wie in der Profangeschichte natürlich auch die Meinungen und ganze Theorien auseinandergehen, wenn es um das Leben von Seligen und Heiligen geht.
Auf jeden Fall ist es doch interessant, anhand des Martyriums des heiligen Paul Miki und seiner Gefährten der Frage nachzugehen, welche Bedeutung tatsächlich englischer oder gerade niederländisch-calvinistischer Intrigen für den Ausbruch der gezielt die Katholikinnen und Katholiken treffenden Christenverfolgung in Japan zukam.
Der heilige Blasius mag natürlich ganz generell einen Anstoß geben, sich mit armenischer Sprache, Geschichte und Kultur zu beschäftigen. Die heilige Agatha weist ganz grundsätzlich auf die römischen Christenverfolgungen hin. Anhand dieser frühchristlichen Märtyrerin wird wieder die umfassende Frage nach der Bedeutung von Frauen in der frühen Kirche und für diese aufgeworfen. Stehen Märtyrer wie der heilige Blasius, die heilige Agatha, der heilige Paul Miki und Gefährten für ein konfrontatives Verhältnis von Kirche und Staat, so stehen der heilige Ansgar und der heilige Rabanus Maurus für die Unterstützung der Kirche durch ein Staatswesen, die über bloße Toleranz sogar hinausgeht. Sie weisen uns in Richtung von dem, was gerne fränkische Landeskirche und deutsches Reichskirchenwesen oder Reichskirchensystem genannt wird.
Mit der heiligen Josefine Bakhita können wir der furchtbaren britisch-französischen Kolonialpolitik gewahr werden, der auch die Heimat dieser Heiligen zum Opfer fiel. Die Folgen bis auf den heutigen Tag verdienten es, auch in unseren Breiten endlich stärker wahrgenommen zu werden.

Natürlich haben Heilige ganz generell ihren ganz großen Platz im kulturellen Leben und überhaupt im kulturellen Erbe der Menschheit. Texte, welche eine bestimmte Heilige, einen bestimmten Heiligen preisen, können eine bemerkenswerte Bedeutung als Sprachdokumente aufweisen. Ein dahingehendes Interesse von Sprachwissenschaftern und dergleichen kommt dann nicht überraschend. Auch betreffendes Liedgut fällt immer wieder auf. Marienlieder und ganze Marienmessen etwa können gerade Musikliebhaber und Musikwissenschafter unabhängig von deren konfessioneller Zugehörigkeit ansprechen.
Genauso haben Selige und Heilige in der bildenden Kunst ihre so starke wie vielfältige Stellung. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Pfarrkirche zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau. Da wird der Pfarrpatron Nikolaus sowohl figürlich wie auf Bildern dargestellt. Es handelt sich bei diesen Bildern sowohl um Glasfenster aus dem zwanzigsten Jahrhundert wie etwa ein barockes Ölgemälde. Besuchern fällt immer wieder auf, wie unterschiedlich die Glasfenster mit Heiligendarstellungen gestaltet sind. Der Beginn des 20. Jahrhunderts und die Mitte der dreißiger Jahre haben da ihre jeweils eigenen kunstgeschichtlichen Spuren hinterlassen. Sanftmütigkeit in ruhigen Farben und abgerundeten Formen von Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts steht grellen Farben mit kantigen Formen aus der konflikterfüllten späteren Zeit gegenüber (siehe Gedanken zur Woche 126-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).

 

 

 

Gedanken zur Woche 253, Dr. Matthias Martin
3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2025)

Wenn die Kirche oder welche religiöse Gemeinschaft bzw. Organisation auch immer einen SONNTAG DES WORTES GOTTES begeht, dann mögen Menschen spontan denken, es handle sich hierbei, was man auch immer für das „Wort Gottes“ halten mag, um eine rein religiöse Angelegenheit.
Da hat man sich aber schon einmal zu fragen, was denn „religiös“ oder „Religion“ überhaupt zu bedeuten hat. Es gibt da zumindest sehr unterschiedliche Vorstellungen und Definitionsversuche. Mancher mag sogar meinen, dass betreffende Vorstellungen und Definitionen ja sogar entgegensetzt zueinander sein können. Längst war zu vernehmen, es gäbe in so etwas wie der akademischen Welt etwas über sechzig Definitionen dazu, was Religion sei. Der eine sieht Religion als sehr individuelle Angelegenheit, die sich in erster Linie im Herzen des Einzelnen abspielt. Andere betonen den sozialen-genossenschaftlich-kollektiven Charakter. Hier wird immer wieder Wert auf die Überlieferung über Generationen hinweg gelegt wie das Vorhandensein von organisatorischen Strukturen. Genauso gehen die Anschauungen weit auseinander und können auch hart aufeinanderprallen, welche Rolle denn ethische Vorstellungen und eher praktische Verhaltensweisen denn bei Religion zu spielen hätten. Wird bei den einen bewusst die Bedeutung von ethischen Inhalten und so etwas wie Moral in Hinblick auf Religion gern kleingeredet bis überhaupt ziemlich negiert, so gibt es auch die entgegengesetzte Grundposition in natürlich einer Bandbreite von Variationen und Möglichkeiten der Formulierung. Demnach wird der Wert von Religion gerade oder gar ziemlich ausschließlich daran bemessen, inwieweit eine Religion oder Konfession gute ethische Inhalte vermittle und ihre Gefolgsleute in diesem Sinne anleite. Dies weist gerne in eine empiristische bis positivistische Richtung mit der Betonung möglichst gut belegbarer harter Fakten.
Genauso gehen die Anschauungen ganz erheblich auseinander, welche Bedeutung rituellen Handlungen, grundsätzlich so etwas wie Liturgie zugewiesen werden solle. Dies berührt sich ganz besonders direkt mit dem Fragenbereich, ob Religion (eher) eine Sache des Individuums im Inneren seines Herzens oder die eines wohlorganisierten Kollektives zu sein habe.
Geht es bei Religion eher um mehr oder minder abstrakte Gedankengänge oder mehr um kulturelle Ausdrucksformen und vielleicht gerade auch als ethisch angesehene Handlungen?
Meinen die einen, es bedürfe, um von Religion sprechen zu können, eines Gottesbildes, so wird von anderer Seite eingewandt, es könne Religion auch ohne bestimmtes Gottesbild, ohne eine formulierte Gotteslehre geben.
Welche Bedeutung sollte denn überhaupt rationaler Reflexion bis hin zu bewusstem Philosophieren zugewiesen werden, wenn es um Religion geht? Vertritt der Eine da einen Fideismus, wonach in der Religion nur der Glaube oder ein Grundgefühl des Herzens zu zählen habe, so betont der Andere da rationale Überprüfung, philosophische Reflexion bis hin zu einer angenommenen Unverzichtbarkeit von so etwas für authentische anstelle von unverantwortlich-oberflächlicher Religiosität. Dementsprechend stellt sich die Frage, inwieweit eine religiöse Gemeinschaft Bildung fördern solle. Sollten nicht zumindest grundlegende Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben in Hinblick auf Religion und von dieser her gefördert werden?
Nicht zuletzt stellt sich die Frage, welche Bedeutung einer mehr oder minder umfangreichen Verschriftlichung zukomme oder welche Aufmerksamkeit einer solchen zugeiwesen werden solle. Auch hier finden bei Religionen und innerhalb von solchen bei so etwas wie Konfessionen ganz unterschiedliche Erscheinungsformen.

So gibt es Religionen ohne schriftliche Überlieferungen und solche, in denen auf Verschriftlichung bewusst starker Wert gelegt wird. Christentum, Islam und Judentum etwa werden gerne Buchreligionen genannt. In diesem Zusammenhang begegnen uns auch Ausdrücke wie Buchbesitzer und Leute des Buches.

Für Christen stellt sich da aber die ehrlicherweise nicht zu leugnende Frage, was denn überhaupt zur Bibel zu zählen sei. Der Kanon biblischer Schriften variiert zwischen sich als christlich bezeichnender Gemeinschaften ganz erheblich (siehe Gedanken zur Woche 182-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 236-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 243 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2024)). Besonders schillernd geht es da in dem ja auch sonst so inhaltlich und in den praktischen Vollzügen so vielfältigen und in zehntausende Denominationen aufgespaltenen Gesamtphänomen des „Protestantismus“ zu (siehe ebd. und Gedanken zur Woche 178 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Betonen die einen ganz erheblich die Bedeutung des Alten/Ersten Testaments, so weisen zumindest einige dies generell zurück bis hin zur dauernden Tätigkeit betreffender Denominationen gegen die Anerkennung des Alten/Ersten Testaments. Auch bezüglich einzelner oder Gruppen alttestamentlicher Bücher können die Meinungen eigens zwischen protestantischen Denominationen erheblich auseinander gehen.

Nicht zuletzt die katholische Kirche ihrerseits entwickelte eine Betonung von Verschriftlichung. Frühchristliche Synoden und dann Konzilien befassten sich mit dem biblischen Kanon. Unter Zurückdrängung von Gewohnheitsrecht wurde gesatztes, positives Recht geschaffen und fortentwickelt. Natürlich wurden generell Synoden- und Konzilsbeschlüsse sowie Glaubensbekenntnisse schriftlich fixiert. Bezüglich päpstlicher Lehr- und Leitungstätigkeit wurde ein eigenes Schriftwesen entwickelt. Man denke hier nur an Arten von Dokumenten wie Breven, Apostolischen Konstitutionen und Enzykliken.
Auf Urkunden wird gerade im katholischen Gerichtswesen, im Prozessrecht Wert gelegt.
So wird in Canon/Kanon 1539 des CIC ganz grundsätzlich für das Gerichtswesen in der katholischen Kirche festgehalten:

„In jeder Art von Verfahren ist der Beweis durch öffentliche und private Urkunden zulässig.“

Im direkt anschließenden Canon/Kanon 1540 wird dann klarstellend fortgeführt:

„§1. Öffentliche kirchliche Urkunden sind jene, die eine Amtsperson in Ausübung ihres Amtes in der Kirche und unter Beachtung der rechtlich vorgeschriebenen Förmlichkeiten ausgestellt hat.
§ 2. Öffentliche weltliche Urkunden sind jene, die nach den Gesetzen des jeweiligen Ortes als solche rechtlich anerkannt werden.
§. 3. Sonstige Urkunden sind private Urkunden.“

Parallele Festlegungen finden wir im CCEO für die Katholischen Ostkirchen.
So lautet dort ganz grundsätzlich Canon/Kanon 1220:

„Bei jeder Art von Verfahren ist der Beweis durch Urkunden zulässig, sowohl durch öffentliche als auch durch private.“

Eine dem soeben zitierten CIC-Canon/Kanon 1539 Art von Ausdifferenzierung bezüglich Urkunden finden wir in Canon/Kanon 1221 des CCEO:

„§ 1. Öffentliche kirchliche Urkunden sind jene, die eine Person aufgrund ihres öffentlichen Amtes in der Kirche ausgestellt hat unter Wahrung der im Recht vorgeschriebenen Förmlichkeiten.
§ 2. Öffentliche weltliche Urkunden sind jene, die gemäß dem weltlichen Recht als solche angesehen werden.
§ 3. Die anderen Urkunden sind private.“

Gerade anhand von Paragraph 2, eben sowohl des CIC-Canons/Kanons 1540 wie des CCEO-Canons/Kanons 1221, stellt sich unwillkürlich natürlich die Frage, welchen Staat man überhaupt anerkennt. In Hinblick auf bestimmte Staaten und einzelne Territorien stellt sich eigens die Frage, welche von etwa zwei konkurrierenden Regierungen oder Staatsoberhäuptern und mit diesen verbundene Verwaltungseinrichtungen man als legitim betrachtet. Dann sind da natürlich weiterhin die normalen territorialen Dispute, die sich auch im Bereich der Herstellung und Verbreitung von Landkarten und von Dokumenten auswirken, einschließlich etwa in Visaangelegenheiten.
Es ist ja eine ins Auge springenden Tatsache, dass man sich in der Internationalen Gemeinschaft nicht annährend darauf einigen kann, wie viele Staaten es überhaupt gibt. Auch die der Frage, wer etwa als Staatsoberhaupt bzw. Regierung eines bestimmten Staates im Falle hierzu konkurrierender Ansprüche und Strukturen anzuerkennen ist, stellt sich weiterhin. Bei normalen territorialen Disputen gibt es sowieso kein „Ende der Geschichte“.

 

1. Lesung: Neh 8,2-4a.5-6.8-10
2. Lesung: 1 Kor 12,12-31a (oder 12,12-14.27)
Evangelium: Lk 1,1-4;4,14-21

 

 

 

Gedanken zur Woche 253-b, Dr. Matthias Martin
3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Die Seligen und Heiligen stehen für vorbildliches Verhalten, für das, was gerne Tugenden genannt wird. Es gibt hier nun bekanntlich die drei Christlichen Grundtugenden, die eigens die Göttlichen oder die Theologischen Tugenden genannt werden. Hierbei handelt es sich um Glauben, Hoffnung und Liebe (siehe Gedanken zur Woche 104 -3. FASTENSONNTAG (2022)). Dann gibt es auch die Kardinaltugenden, welche mit der Philosophie und überhaupt insbesondere der Kultur des mediterranen Altertums in Beziehung stehen. Eine besondere Bedeutung wird hierbei dem attischen Philosophen Platon zugewiesen. In diesem Sinne gibt es die vier Philosophischen Tugenden Klugheit/Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung.
Diese Tugenden für sich aber sind doch recht abstrakt. Da können eben Selige und Heilige schon anschaulicher als Vorbilder dienen. Sie haben in dieser Welt auf ihrem jeweiligen Lebensweg als Menschen mit Fleisch und Blut gewirkt. Grundsätzlich ist jede bzw. jeder von ihnen in einem theologischen Sinne als eine konkrete historische Persönlichkeit zu betrachten. Dabei kann in bestimmten Fällen die Quellenlage sehr schwierig sein. Natürlich ist auch umstritten, was an einschlägiger Überlieferung über bestimmte Selige und Heilige mehr oder minder authentisch ist und was nicht. So verhält es sich auch mit Reliquien, egal wem diese zugewiesen werden. Johannes der Täufer etwa kann nicht mehr als einen Kopf gehabt haben. Der Erzmärtyrer Stephanus kann nun wirklich nicht von einem dann von jemandem seinerseits als Heiligem verehrten Bischof vor einer christlichen Kirche als ein Findelkind gefunden worden sein. Zur Zeit der Geburt des heiligen Stephanus gab es ja noch gar kein Christentum und dementsprechend kein christliches Kirchengebäude und keinen Bischof, der ein Findelkind entdecken konnte. Auch konnte der heilige Paulus nicht in einer Kirche gepredigt haben, welche erst Jahrhunderte nach der neutestamentlichen Zeit gebaut wurde. Auch mag man sich hier bitte bewusst sein, dass der heilige Apostel Paulus als sog. Völkerapostel das Christentum erst ja in betreffenden Gegenden verbreitet und er also gewiss nicht auf christliche Infrastruktur mit einem Kirchengebäude in einem betreffenden Territorium zurückgreifen konnte. Anders als es gerade in nordamerikanischen Protestantenkreisen und bei manchem Politiker behauptet wird, hat Jesus von Nazaret bestimmt kein Englisch gesprochen. Diese Sprache mit all ihren Varianten, Verzweigungen, Kontakt- und Übergangsprachen entstand erst Jahrhunderte später. Egal, ob man nun diese oder jene Varianten oder eine sprachliche Abzweigung oder ein Lokalidiom dem so vielfältigen Bereich von Englisch oder von Englishes im Plural zurechnet oder nicht (siehe Gedanken zur Woche 109 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2022)), so wurde in keiner von diesen irgendein biblisches Buch auf einem der alten Papyri oder auf anderen Beschreibmaterialien niedergeschrieben. Abgesehen von hartgesottenen Verschwörungstheoretikern und dergleichen wird man anerkennen, dass weder in den Schriftrollen von Qumran am Toten Meer noch in der Bibliothek von Nag Hammadi oder in den alten Handschriften im Katharinenkloster am Berg Sinai etwas „englisches“ vorzufinden war. Englisch in allen Varianten und möglichen Abzweigungen und mehr oder minder eigenständigen Fortentwicklungen gab es eben noch mehrere Jahrhunderte nicht. Keiner der Kirchenväter oder Mitarbeiter frühchristlicher Synoden und Konzilien hinterließ uns etwas in irgendeiner Art von „Englisch“.
Andere Fragen sind nicht so leicht zu klären oder einfach eindeutig zu beantworten. Derartiges gilt aber auch für die Profangeschichte bzw. dort einzuordnende Ereignisse und Personen. Mancher und manche hat vielleicht schon etwas über die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Datierungen altägyptischer Dynastien mitbekommen. Wie waren die beiden römischen Herrscher Caligula und Nero nun wirklich verwandt? War die Schlacht von Beacula/Bäcula des Jahres 208 v. Chr. als Teil des Zweiten Punischen Krieges ein karthagischer oder ein römischer Sieg oder ein Patt? Handelt es sich bei wüsten Vorwürfen, wie sie in mehr oder als Geschichtsschreibung zu bezeichnenden Überlieferungen verbreitet wurden, zu Kaiser Tiberius und den Kaiserinnen Messalina und Theodora um historische Gegebenheiten oder um eine Schmierkampagne bis hin zu Ausgeburten von Männerphantasien? Wo lag wirklich Vinland (siehe Gedanken zur Woche 128-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), und bis wohin kamen die gerne als Wikinger bezeichneten Seefahrer in Nordamerika? Die Diskussionspunkte oder Fragen ließen sich natürlich fortsetzen.
So ist es eben auch mit Punkten der als Kirchengeschichte bezeichneten Angelegenheiten.

Die heilige Ordensgründerin Angela Merici (ca. 1470/75-1540) und der längst offiziell zum Kirchenlehrer erhobene Thomas von Aquin (ca. 1225-1274) sind aber nun als historische Persönlichkeiten doch wirklich gut belegt. Beide stehen für ein positives Verhältnis von Glauben und Vernunft, für ein gutes Zusammenwirken von Kirche und Bildung und Wissenschaft. Die heilige Angela Merici verdeutlicht, dass es seinerseits das kirchliche Leben nur fördert, wenn in nachhaltiger Weise Mädchen und Frauen gefördert werden. Natürlich steht sie mit besonderem Akzent für die starke und unverzichtbare Stellung von Frauen im Ordensleben, gerade wenn man dieses katholisch traditionell angeht und nicht irgendwelche Verzerrungen oder Pervertierungen unterstützt.
Die Bildung ist ja ganz überhaupt ein christliches Grundanliegen. Daran erinnerte Papst Franziskus er als in einem umfangreicheren Brief vom 17. Juli 2024 die Bedeutung der Literatur in der Bildung herausstrich (
https://www.vatican.va/content/francesco/de/letters/2024/documents/20240717-lettera-ruolo-letteratura-formazione.html ). Dass dies nicht auf die Ausbildung von Priestern beschränkt ist, verdeutlichte er gleich mit dem ersten Abschnitt dieses Schreibens:

„1. Ursprünglich hatte ich einen Titel formuliert, der sich auf die Ausbildung von Priestern bezog, aber dann dachte ich, dass man diese Punkte analog auch über die Ausbildung aller pastoralen Mitarbeiter und aller Christen sagen kann. Ich beziehe mich auf den Wert der Lektüre von Romanen und Gedichten auf dem Weg der persönlichen Reifung.“

Dabei wird er durchaus kritisch gegenüber der zeitgenössischen Gesellschaft und naiver Fortschrittsgläubigkeit. So muntert er bezüglich der Literatur u. a. bereits im zweiten Abschnitt auf:

„2. … Und vielleicht eröffnet uns die Lektüre neue innere Räume, die uns helfen, uns nicht in jenen wenigen zwanghaften Ideen zu verschließen, die uns unerbittlich gefangen halten. Vor der Allgegenwart von Medien, sozialen Netzwerken, Mobiltelefonen und anderen Geräten war dies eine häufige Erfahrung, und diejenigen, die sie gemacht haben, wissen, wovon ich spreche. Das ist nicht etwas Überholtes.“

Dies passt sehr gut zu seiner Warnung vor ideologischer Indoktrination in Zusammenhang mit Geschichtsvergessenheit der Zerstörung kulturellen Erbes (Gedanken zur Woche 248-b - 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)).

Kritikerinnen und Kritiker an gängigen sog. Mainstream-Medien mögen sich eigens bestätigt fühlen durch päpstliche Worte wie:

„4. Dies führt mich dazu, die Tatsache sehr positiv zu bewerten, dass wir zumindest in einigen Priesterseminaren die Besessenheit von Bildschirmen – und von den giftigen, oberflächlichen und gewalttätigen Fake News – überwinden und der Literatur Zeit widmen, Momente der ruhigen und freien Lektüre, um über diese Bücher, neue oder alte, die uns weiterhin so viel sagen, zu sprechen.“

Eigens ist hier zu beachten dieser ausdrückliche und ermutigende Hinweis auf alte Bücher, generell auf ältere Literatur. Dabei stellen solche Worte auch eine eigene Anerkennung für eine betont traditionelle katholische Priesteraus- und -fortbildung dar. Dort wird ja starker Wert auf Buchlektüre anstelle bloßen Bildschirmkonsums gelegt.

Dies gilt auch für die weiteren Ausführungen des Papstes in dem recht umfangreichen Schreiben. Dabei betont er eigens die ausdrückliche Wertschätzung für die verschiedenen „alten und neuen Kulturen“ im Sinne der unverfälschten katholischen Überlieferung der Geschichte.
Die Bedeutung eines Autors wie George Orwell mit seinem so umfangreichen wie tiefgehenden Gesamtwerk wurde über die Jahre gerade in betont traditionsorientierten katholischen Kreisen bestätigt. In einem Gespräch bekommt man da gerne die Aussagekraft gerade eines Werkes wie des warnenden Zukunftsromans „1984“ unterstrichen (siehe Gedanken zur Woche 248-b – 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)).
Natürlich verdienen gerade in unserer so konfliktgeladenen Zeit auch Autoren wie etwa Aldous Huxley und John Ronald Reuel/J. R. R. Tolkien intensive Beachtung. Letzterer war bezeichnenderweise ein unerschütterlicher Bekenner der katholischen Tradition. Dies zeigte sich offenkundig in seinem Eintreten für die vorkonziliare Liturgie.

 

 

 

Gedanken zur Woche 252, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)

Das (Kalender-)Jahr 2025 ist nun schon wirklich in die Gänge gekommen. Dieses Jahr ist eben nach der allgemein üblichen Zeitrechnung nicht einfach halt irgendein Jahr. Es bietet uns im Sinne des Dezimalsystems eine halbrunde Jahreszahl. Nun werden ja die Jahre allgemein nach "vor Christus/vor Christi Geburt" und "nach Christus/nach Christi Geburt" gezählt, abgekürzt "v. Chr." und "n. Chr.". Der Bezug zum Christentum als einer hsitorischen Religion ist offenkundig. Hinzu kommt, dass der längst in der Internationalen Gemeinschaft allgemein verwendete Kalender ja auf den großen Papst der Gegenreformation, dieser Epoche der katholischen Erneuerung, Papst Gregor XIII. (Pontifikat von 1572 bis 1585) (siehe allgemein Gedanken zur Woche 214-b - 5. OSTERWOCHE (2024) und Gedanken zur Woche 221-b - 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)) zurückgeht und als "gregorianischer/Gregorianischer Kalender" bezeichnet wird (siehe Gedanken zur Woche 193 - 1. ADVENTSONNTAG (2023) und Gedanken zur Woche 195-b - 3. ADVENTWOCHE (2023)).
Man bleibt also seitens der katholischen Kirche auf der Basis eigener Überlieferung, wenn man so ein eher rundes Jahr, das wie das Jahr 2025 ein Vierteljahrhundert bezeichnet, auch eigens kirchlich-theologisch-pastoral akzentuiert. Ein normales oder ordentliches Heiliges Jahr findet eben passend zur christlichen Zeitrechnung im Allgemeinen und dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender im Besonderen alle 25 Jahre statt.

Leider ist auch in unseren Breiten längst verdrängt worden, dass eben dieser allgemein übliche und etwa in den Vereinten Nationen und im Europarat gar nicht angezweifelte oder diskutierte Kalender eben einem der besonders wichtigen Päpste der Gegenreformation wie der Geschichte des so langlebigen Kirchenstaates zu verdanken ist. Einst haben sich gerade im Gebiet des Ersten Deutschen Reiches/Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation noch Gegner ausdrücklich gegen diesen Kalender gewandt und seine Einführung in ihren Gebieten über Generationen abgelehnt, eben wegen seiner päpstlich-gegenreformatorischen Herkunft. Heutzutage ist all dies längst in Vergessenheit geraten. Gleiches gilt für solche Tatsachen wie der Umstand, dass sowohl Nikolaus Kopernikus wie George Lemaître, der "Vater der Urknalltheorie", beide katholische Priester waren, die von antikatholischen Zeitgenossen umso heftiger attackiert wurden.

Die Meldung, wonach der Apostolische Stuhl, auch genannt der Heilige Stuhl, eigens Georges Lemaître, der leider weitgehenden Nichtbeachtung entreißen will, verdient umso mehr Beachtung. Ganz allgemein ist Papst Franziskus zuzustimmen, wenn er vor Geschichtsvergessenheit warnt und historisches Interesse gerade für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anmahnt. Dabei sind natürlich Geschichtswissenschaft und geschichtliche Allgemeinbildung nicht zu trennen von allen möglichen anderen Wissenschaften und ganz generell von den unterschiedlichen menschlichen Tätigkeiten und Wirkungsfeldern. Jeder Text ist eine historische Quelle, egal ob es sich um einen Aufsatz zu Fragen der Astrophysik, ein Lehrbuch der Mathematik, einen juristischen Text bis hin zu einer großen Gesetzessammlung, ein einzelnes Gedicht oder einen ganzen Roman handelt. Ausdrücke wie „Rechtsgeschichte“, „Philosophiegeschichte“, „Mathematikgeschichte“, „Kunstgeschichte“, „Wissenschaftsgeschichte“ und eben auch „Theologiegeschichte“ und „Kirchengeschichte“ weisen in diese Richtung. Dies gilt auch für Ausdrücke wie „Geschichte der deutschen Sprache“, „Entwicklung der romanischen Sprachen“ und „Herausbildung unterschiedlicher Maya-Sprachen/Mayasprachen“ und so weiter. In jedem Text, ob ganz kurz oder auch sehr lang, spiegelt sich etwas von der Entwicklung, eben der Geschichte der menschlichen Sprache wider. Ebenso gehören Funde aller Art zur Geschichte der Menschheit und ihrem Gesamterben.
Die Beschäftigung mit der geistigen Überlieferung und gerade auch sprachlichen Entwicklungen kann wirklich helfen, theologische Fehlschlüsse zu vermeiden und Missverständnisse auch im Zusammenleben konfessioneller Gemeinschaften abzubauen. Dies gilt ebenso für den so großen wie konfliktgeladenen Gesamtbereich der Politik.

Befasst man sich näher und möglichst vorurteilsfrei mit theologischen Ausdrücken wie „Unbefleckte Empfängnis Mariens“, „Messopfer“ und „Ablass“, so kann sich ein Schreckgespenst oder Ärgernis in eine entspannte Angelegenheit verwandeln oder gewissermaßen im guten Sinne in Wohlgefallen auflösen.

In diesem Sinne lohnt sich dann eben auch ein Blick auf die Verkündigungsbulle von Papst Franziskus für das HEILIGE JAHR 2025. Auch dieses päpstliche Dokument wurde von traditionell dominierenden Medien geflissentlich übergangen. Dabei wird uns hier allein schon natürlich ein Dokument menschlicher Sprache und nicht zuletzt ein offizielles Schreiben von jemanden geboten, der eben in der Internationalen Gemeinschaft als Staatsoberhaupt wie als Verkörperung eines Völkerrechtssubjektes eigener Art anerkannt ist. Dies sind doch unleugbar Eigenschaften, die auf den Papst zutreffen.

Nicht umsonst wurde auf die Verkündigungsbulle „Spes non confundit“ des Papstes für das Heilige Jahr 2025 ausdrücklich auf Seite 1 der deutschen Ausgabe des OSSERVATORE ROMANO hingewiesen (ungezeichnet, In dieser Ausgabe (Nummer 20/21 (54. Jahrgang – 17. Mai 2024))!

Darin betont Franziskus, dass „der Papst nach alter Tradition alle fünfundzwanzig Jahre“ (Papst Franziskus, SPES NON CONFUNDIT. Verkündigungsbulle des ordentlichen Jubiläums des Jahres 2025. Ebd., Seite 7) ein Heiliges Jahr ausruft. Man sollte nicht übergehen, wie kritisch sich der Papst mit Entwicklungen in der gegenwärtigen Gesellschaft auseinandersetzt. Ja, er entwickelt solch kritische Formulierungen vom Neuen/Zweiten Testament her und bindet jene an dieses zurück.
Es wird deutlich, wie Papst Franziskus nicht nur vor Geschichtsvergessenheit warnt, sondern selber Geschichtsbewusstsein und Verankerung gerade in der Geschichte der Kirche praktiziert. So weist er ausdrücklich anerkennend auf Papst Bonifaz VIII. (Pontifikat von 1294 bis 1303) als Papst hin, welcher das erste Heilige Jahr ausrief. Papst Franziskus schreibt anerkennend dazu:

"Gerne denke ich daran, dass der Verkündigung des ersten Heiligen Jahres im Jahr 1300 ein von der Volksfrömmigkeit getragener Weg der Gnade vorausging. In der Tat dürfen wir die verschiedenen Formen nicht vergessen, in denen die Gnade der Vergebung über das heilige, gläubige Gottesvolk in reichem Maße ausgegossen wurde“ (ebd., Seite 7-8).

Ausdrücklich verweist er auf die Ablassgewährung durch Papst Honorius III. (Pontifikat von 1216 bis 1227), welche dieser auf Anregung des heiligen Franziskus/Franz von Assisi gewährte (siehe Gedanken zur Woche 228 – 18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Eigens wird auf die besondere Bedeutung der Wallfahrten zum Heiligen Jakobus nach Santiago de Compostela eben auch für die Entwicklung des Heiligen Jahres hingewiesen. Ausdrücklich ermutigt der Papst die Menschen, welche in Zusammenhang mit dem heiligen Jahr unterwegs sind, die traditionellen Pilgerwege gerade in Rom zu benutzen und generell zum "Betrachten der Schöpfung und der Kunstwerke" (Seite ebd., 8).

Ausdrücklich betont er die historische Kontinuität der katholischen Kirche und ihr gesamtes liturgisches und theologisches Erbe. Dabei erinnert er dann, dass er selber am 13. Mai 2015 ein außerordentliches Heiliges Jahr ausrief.

Seiner Linie der Verurteilung von Abtreibung und einer klaren Ermutigung zu Kindern bleibt Papst Franziskus auch in der Verkündigungsbulle für dieses Heilige Jahr treu. So mahnt er eigens in diesem Schreiben:

„9. Hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken bedeutet auch, eine begeisterte Lebenseinstellung zu haben, die es weiterzugeben gilt. Leider müssen wir mit Bedauern feststellen, dass es in vielen Situationen an einer solchen Sichtweise mangelt. Die erste Folge ist der Verlust des Wunsches, das Leben weiterzugeben. Aufgrund hektischer Lebensrhythmen, Zukunftsängste, fehlender Garantien für einen Arbeitsplatz und eine angemessene soziale Absicherung sowie aufgrund von Gesellschaftsmodellen, in denen statt der Pflege menschlicher Beziehungen das Streben nach Profit die Agenda bestimmt, erleben wir in verschiedenen Ländern einen besorgniserregenden Rückgang der Geburtenrate.“

Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine Umweltenzyklika „Laudato si“ führt Franziskus weiter aus:

„Dementgegen in anderen Zusammenhängen „die Schuld dem Bevölkerungszuwachs und nicht dem extremen und selektiven Konsumverhalten einiger anzulasten, eine Art [ist], sich den Problemen nicht zu stellen“" (ebd., Seite 8).

Wie nicht anders zu erwarten, wurden diese grundlegenden Aussagen „großzügig“ gerade in sog. Mainstream-Medien als nichtexistent behandelt. Umso wichtiger ist es, die Aussagen und Handlungen des Papstes immer wieder selber möglichst direkt in Augenschein zu nehmen, egal ob es sich etwa um seine besonders scharfe Verurteilung von Abtreibungen und jeder Form von Kinderfeindlichkeit, seine Unterstützung für die Republik Taiwan und den Staat Palästina oder seinen Einsatz für Kultur, Bildung und Wissenschaft einschließlich der Wertschätzung für das alttestamentliche Buch Jesus Sirach geht.

 

1. Lesung: Jes 62,1-5
2. Lesung: 1 Kor 12,4-11
Evangelium: Joh 2,1-11

 

 

 

Gedanken zur Woche 252-b, Dr. Matthias Martin
2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Heilige, und da nicht zuletzt Märtyrer, sind ein gutes Beispiel dafür, dass man dieselbe Person oder denselben Gegenstand, dieselbe Angelegenheit aus unterschiedlichen Blickwinkeln her betrachten kann. Mit unterschiedlichen Fragestellungen und wissenschaftlichen Methoden kann man an sie herangehen. Dementsprechend können auch verschiedene Rückschlüsse gezogen werden, auch wenn diese sich im jeweiligen Gesamtzusammenhang nicht zu widersprechen brauchen.
Dies gilt dann eben auch, wenn man anhand der derzeit mehr oder minder vorherrschenden liturgischen Einteilung die Heiligen der Zweiten Woche im Jahreskreis etwas in den Blick nimmt. Da ist es eigens interessant, den heiligen Fabian und den heiligen Sebastian nebeneinander zu stellen. Beide starben der Überlieferung nach als Opfer römischer Christenverfolgungen.
Das Augenmerk mag umso mehr auf diese beiden Märtyrer gerichtet werden, da sie zusammen sowohl in der Einteilung des Kirchenjahres für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus, welcher neuerdings auch „außerordentliche Form des Römischen Ritus“ oder auch „außerordentlicher römischer (Mess-)Ritus“ genannt wird, als auch nach der Kalenderordnung für die Liturgie im nachkonzilaren/Nachkonziliaren Ritus zusammen jeweils am 20. Januar gefeiert werden. Das kann ja schon einmal eigens als Element des katholischen Miteinanders für die Anhänger, Liebhaber oder Zelebranten der verschiedenen liturgischen Formen in der katholischen Kirche aufgegriffen werden. So eine Anregung, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen ist in unserer so konfliktreichen Zeit schon für sich genommen gut und wertvoll.

Dem heiligen Fabian wird als Bischof von Rom, auch Papst genannt, eine Amtszeit von 236 bis 250 n. Chr. zugeschrieben. Er soll eines der ersten Opfer der so durchdachten wie nach menschlichem Ermessen für die kurze Zeit ihrer Dauer so erfolgreiche Verfolgung durch den römischen Kaiser Decius gewesen sein. Dieser verstand sich darauf, heimtückische Schläge gegen mehr oder minder arglose Opfer mit erbarmungsloser Präzision durchzuführen. So war er selber durch eine Art Putsch gegen Imperator Philippus Arabs an die Macht gekommen. Decius hatte sich zunächst in das besondere Vertrauen seines späteren kaiserlichen Opfers eingeschlichen. Die so gewonnene Position nutze er dann, um sich mit den ihn unterstützenden Truppenteilen gegen den in diesem Fall zunächst arglosen Philippus Arabs zu wenden, ihn nicht nur zu entmachten, sondern ihn zusammen mit anderen Menschen einschließlich Mitgliedern von dessen Familie zu töten. Als nächstes großes Ziel kamen dann für den gewalttätigen wie heimtückischen Decius eben die Christen dran. Dies führte zur ersten reichsweiten systematischen Christenverfolgung. Eben auch da bewies er wieder so etwas wie mörderische und zugleich treffsichere Präzision. In ganz kurzer Zeit wurden dem Christentum schwere Wunden geschlagen. Gerade die Problematik der einstweilen unter dem Druck der Verfolgung vom christlichen Glauben abgefallenen Lapsi führte umgehend zu schweren innerkirchlichen Konflikten, als viele dieser Lapsi nach dem Tod des Gewaltherrschers Decius mit seiner so treffsicheren Christenverfolgung zum Christentum zurückkehren wollten. Damit hatte Decius im Inneren seines Gegners Probleme provoziert, was heutige lebende Menschen an Strategie und einschlägige Erfolge moderner totalitärer oder zumindest autoritärer Regime des 20. Jahrhunderts erinnern mag. Insbesondere kam es zur Abspaltung der rigoristischen Gemeinschaft oder Gegenkirche der Novatianer (siehe Gedanken zur Woche 242 – 32. SONNTAG im Jahreskreis (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 214 – 5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)).
Man kann sich nicht vorstellen, was weiter passiert wäre, wenn dieser eben auf so brutale Weise so erfolgreiche Christenverfolger Decius länger regiert hätte und nicht nach kurzer Zeit bereits im Jahre 251 in der Schlacht gegen das germanische Volk der Goten getötet worden wäre (siehe Gedanken zur Woche 129-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 202-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).

Der heilige Fabian als prominentes Opfer dieser decischen Christenverfolgung hatte seinerseits enorme Bedeutung gewonnen durch die organisatorische Strukturierung der Kirche von Rom. Er kümmerte sich offensichtlich eigens auch um kirchliche Begräbnisstätten. Sein Andenken ist aber bei weitem nicht so populär wie das des heiligen Sebastian. Dieser ist durch die überlieferte Art seines Leidens gerade in die Geschichte und Gegenwart der bildenden Künste eingegangen. Eine solche Popularität der bildlichen Darstellungen sowohl zweidimensionaler wie dreidimensionaler Art lässt sich beim heiligen Fabian nicht annährend feststellen. Dies gilt auch in Hinblick auf die sieben Hauptkirchen Roms. Eine von ihnen ist dem heiligen Sebastian geweiht. Eine dem heiligen römischen Bischof Fabian geweihte Hauptkirche finden wir hier nicht. Paralleles lässt sich auch für die Pfarrkirche von Stein an der Donau feststellen. Da kann man leicht eine Statue des heiligen Sebastian am neugotischen Seitenaltar entdecken. Eine Statue oder ein Bild des heiligen Fabian lassen sich in dieser dem heiligen Nikolaus geweihten Pfarrkirche nicht finden!
Es wird deutlich, dass Heilige nicht zuletzt eine bedeutende Stellung in der Kunstgeschichte einnehmen. Die einem Heiligen wie dem heiligen Sebastian gewidmeten Kunstwerke stellen einen gewaltigen Fundus für kunstgeschichtliche Nachforschungen und Erörterungen dar. Dies gilt unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit damit befasster Menschen. Wie anhand der Pfarrkirche von Stein an der Donau deutlich wird, kann dies auch zur Diskussion um so etwas wie die Wertigkeit bestimmter Kunststile führen. Gemeinhin wird die Neugotik gerade in Mitteleuropa kritisch bis ausdrücklich negativ betrachtet. Mitunter regelrecht vernichtend wird die teilweise Neugotisierung der Steiner Pfarrkirche von Anfang des 20. Jahrhunderts beurteilt. Aber es gibt dazu auch freundlichere Meinungen nicht zuletzt im Bereich der Ökumene der christlichen Konfessionen. Auf jeden Fall bieten betreffende Kunstwerke in einem Kirchengebäude fortwährend Anregungen, sich mit Ästhetik und Kunstphilosophie zu beschäftigen.
Dann haben Heilige auch ihre nicht zu verdrängende Bedeutung für die Musik und deren fortdauernde Entwicklung. Ein einzelner Heiliger kann eigens auch bezüglich seiner Stellung im musikalischen Erbe und zeitgenössischem musikalischen Schaffen betrachtet werden.

Natürlich stellen sie immer wieder eine Herausforderung dar, wenn es um die hoffentlich möglichst wissenschaftliche und unpolemische Diskussion historischer Quellen und da gerade schriftlicher geht. Da sind wir dann eben sehr rasch in der Diplomatik oder Urkundenlehre und der gesamten Sprachwissenschaft mit ihren Zweigen wie etwa der Amerikanistik, der Anglistik, der Germanistik, der Romanistik, der Albanologie oder Albanistik, der Keltologie, natürlich der Slawistik mit all ihren Auffächerungen und so weiter. Von dort kommt man auch zu Sprachphilosophie und Vergleichender Literaturwissenschaft und kann von dorther wiederum Impulse aufgreifen.

Natürlich haben Heilige ihre eigene Stellung in der Geschichte, mit der sich ja auch die Archäologie mit ihren verschiedenen Zweigen beschäftigt. Das Wirken und Sterben des heiligen Fabian ist offensichtlich ziemlich unstrittig. Die Verehrung des heiligen Sebastian und die damit verbundene kulturelle Überlieferung können eigens zur Beschäftigung mit der Zeit des römischen Kaisers Diocletian, der von ihm geschaffenen Tetrarchie wie der mit ihm verbundenen Christenverfolgung anregen. Deren Opfer wurde der Überlieferung zufolge auch der heilige Sebastian.
In dem im Rahmen der nachkonziliaren Ordnung verwendeten deutschen Messbuch etwa heißt es zum Gedenktag des heiligen Sebastian:

„Er wurde in Rom zu Beginn der Diokletianischen Verfolgung Märtyrer. Die Legende berichtet von seiner Herkunft aus Mailand und schmückt sein Leben und Sterben reich aus. Schon im 4 Jh. kannte man sein Grab an der Via Appia („ad catacumbas“).“

Auch Theaterwesen und Filmkunst sind inhaltlich mit Heiligen verbunden. Nicht umsonst erfreuen sich etwa Theaterwissenschaften und auch Filmwissenschaft bei Katholiken wie Nichtkatholiken eigenen Interesses.
Eine Kirche wie die römische Hauptkirche zum heiligen Sebastian ist ihrerseits auch in architektonischer Hinsicht beachtlich. Ihre Einfügung in das Gesamtensemble der Stadt Rom ist ein eigener Punkt, der zur Beschäftigung einlädt.

 

 

 

Gedanken zur Woche 251, Dr. Matthias Martin
TAUFE DES HERRN (2025)

Wenn recht am Anfang eines Kalenderjahres eigens das Hochfest/Fest I. Klasse der TAUFE DES HERRN begangen wird, so kann man diesem Umstand eine symbolische Aussagekraft zubilligen. Dazu passt dann, wenn dieses Hochfest/Fest I. Klasse nach der meist verwendeten liturgischen Einteilung am Beginn der Ersten Woche im Jahreskreis steht.

Es geht da jeweils um einen Beginn, egal ob man mehr allgemeingesellschaftlich auf das Kalenderjahr im Sinne des gregorianischen/Gregorianischen Kalenders oder mehr in einem eher innerkirchlich-liturgischen Sinne auf so etwas wie das Kirchenjahr blickt. Es gilt jeweils, nach besten Kräften durchzustarten und den Blick nach vorne zu richten. Dabei soll man natürlich nicht sein Herkommen, seine eigenen Wurzeln vergessen und das auf uns gekommene Erbe vernachlässigen. Nicht umsonst hat erst kürzlich kein geringerer als Papst Franziskus gemahnt, sich nicht vom Erbe früherer Generationen abzutrennen und dadurch umso leichter manipulierbar zu werden (siehe Gedanken zur Woche 248-b – 4 ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie der WEIHNACHTSOKTAV (2024)). Dazu passt auch seine ausdrückliche Würdigung des heiligen Papstes Pius X. (siehe Gedanken zur Woche 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024) und Gedanken zur Woche 218 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2024)). Gerade Anhänger französischer Machtpolitik mag es eigens auch ärgern, wie Papst Franziskus ebenso seinen Vorgänger Pius VII. in starken Worten würdigte (siehe Gedanken zur Woche 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024)). Dabei ist Papst Franziskus doch auch sonst bereit, sich von Ansprüchen aus der französischen Politik und profranzösischen Einseitigkeiten zu distanzieren.
Dabei muss man nicht Anhänger einer bestimmten Konfession oder einer besonderen theologischen Überlieferung sein, um Leistungen früherer Generationen zu würdigen und gegen das Vergessen und Verdrängen aufzutreten.

Die Taufe ihrerseits ist ja auch nicht nur nach einem römisch-katholischen Verständnis das Sakrament des Beginns. Diese stellt die Eintrittspforte zum sakramentalen Leben dar. Allgemeiner formuliert ist sie der Beginn einer ausdrücklichen Kirchenmitgliedschaft. Der Empfang der Taufe sollte nicht als ein mehr oder minder folkloristisches Familienereignis unterschätzt werden. Allein schon die Bezeichnung als eines der sieben Sakramente nach altorientalischer, orthodoxer und (römisch-)katholischer Einteilung macht dies deutlich. Dazu gibt es ja zumindest auch Teile des so differenziert zu betrachtenden und schillernden Phänomens des Anglikanismus oder Anglikanertums, welche von dieser Siebenerzählung bei den Sakramenten ausgehen. Auch kann man erwarten, generell bei den in die Zehntausenden gehenden als „protestantisch“ bezeichneten Denominationen oder voneinander unabhängigen konfessionellen Gemeinschaften hier und da diese Einteilung bzw. eine Akzeptanz für diese zu finden.
Die Bedeutung der Taufe wird dann dadurch noch unterstrichen, dass sie etwa in katholischer Tradition eigens auch als eines der „sacramenta maiora“ oder eben „größeren Sakramente“ bezeichnet wird (siehe Gedanken zur Woche 44 – TAUFE DES HERRN (2021)).

Auf verschiedenen Synoden und Konzilien beschäftigte man sich mit dem Sakrament der Taufe und wies auf dieses hin. In diesem Sinne wirkten Päpste wie der heilige Stefan/Stephan I. mit seiner Amtszeit von 254 bis 257 und Kirchenlehrer bzw. Kirchenväter wie der heilige Augustinus.
Das Zweite Laterankonzil vom Jahre 1139 formulierte in Canon/Kanon 23 sehr scharf und nach allgemeinerem heutigem Dafürhalten wohl zu aggressiv:

„Diejenigen aber, die sich heuchlerisch mit dem Schein von Religiosität umgeben und das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn, die Taufe der Kinder, das Priestertum und die übrigen kirchlichen Weihen sowie die rechtmäßigen Eheschließungen verurteilen, verstoßen wir als Häretiker aus der Kirche Gottes, verurteilen sie und gebieten, daß sie durch die äußeren Gewalten gezüchtigt werden. Auch ihre Verteidiger binden wir mit dem Band derselben Verurteilung.“

Dies wirft natürlich die Frage auf, inwieweit Beschlüsse eines allgemeinen Konzils auf Dauer verbindlich sind. Inwieweit können sie tatsächlich inhaltlich geändert oder annulliert werden? Können allgemeine/Allgemeine Konzilien etwa irren? Wie und durch wen sind dann im Falle des Falles solche Irrtümer festzustellen und gegebenenfalls zu korrigieren? Ich erinnere mich an meine Zeit als Schüler am Gymnasium im unterfränkischen Marktheidenfeld. Damals wurde bei religiös interessierten und in der katholischen Kirche engagierten Schülerinnen und Schülern durchaus darüber gesprochen, dass die Erklärung über die Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanischen Konzils direkt dem Vierten Laterankonzil widerspräche. Stellen wie die oben zitierte aus dem Zweiten Laterankonzil könnten als zusätzliche Stellen oder Beschlüsse gegen ein Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils wie eben die Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“ verstanden oder angeführt werden.

Dabei geht es in diesem Fragepunkt eben wohlgemerkt nicht inhaltlich um Sakramentenlehre und auch nicht um die Stellung der Taufe als eines der Sakramente und auch nicht um die Frage der Kindertaufe. Es geht vielmehr um die brisante und vielschichtige Frage nach dem Verhältnis von Kirche und weltlicher Gewalt, von Religion und Staat. Wieweit dürfen, sollen oder müssen sich weltlich-staatliche Strukturen in theologische Auseinandersetzungen einbringen. Wer darf wem bei einem Gegenüber von weltlicher Macht und Religion, von so etwas wie Kirche und Staat dem Anderen Vorschriften machen oder Befehle erteilen? Es verdient hier Beachtung, dass etwa der so wichtige Reformator Ulrich/Huldrych Zwingli für die allgemeine Todesstrafe gegen die als Wiedertäufer beschimpften Kritiker der Taufe von Kleinkindern eintrat und dies nach Kräften in seinem Machtzentrum Zürich umsetzte (siehe Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)).
Die Zugehörigkeit der Taufe zu genau sieben (kirchlichen) Sakramenten wurde dann schon lange vor dem Wüten Zwinglis auf dem Zweiten Konzil von Lyon des Jahres 1274 bestätigt (siehe Gedanken zur Woche 83 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)), auf dem man sich insbesondere bemühte, das Schisma der orthodoxen Kirche, der irgendwie getrennten Ostkirche, zu beseitigen und hier kirchliche Einheit wiederherzustellen. Leider misslang dieses so wichtige Unterfangen.
Das gleiche Schicksal traf die Unionsbemühungen des Konzils von (Basel – Ferrara -) Florenz im 15. Jahrhundert. Dabei wurde auch auf diesem Konzil die Siebenzahl der Sakramente und die Sakramentalität der Taufe bestätigt (siehe Gedanken zur Woche 88 – 1. ADVENTSONNTAG (2021)).
geschah dann ebenso auf dem Konzil von Trient in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (siehe Gedanken zur Woche 223 – 13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)), wobei dieses Konzil sich ja insbesondere mit so vielfältigen und längst in sich aufgespaltenen Phänomen des „Protestantismus“, der in sich so zerstrittenen „reformatorischen Bewegung“ oder wie man immer sagen und schreiben will, auseinanderzusetzen hatte.
In Hinblick auf Einheit unter Christinnen und Christen war da das Zweite Laterankonzil noch erfolgreicher gewesen. es hatte immerhin die Folgen der zwiespältigen Papstwahl von Innozenz II. und Anaklet/Anaclet II. und des daraus resultierenden Schismas bereinigen können.

Ihrerseits darf die Taufe von der katholischen Überlieferung her als besonderes Sakrament der Einheit betrachtet werden. So werden ja, wie schon der erwähnte und immerhin in der römisch-katholischen Kirche als Heiliger anerkannte Stefan/Stephan I. betonte, auch die in getrennten Gemeinschaften oder Kirchen gespendeten Taufen als gültig anerkannt. Gerade zum Hochfest von der TAUFE DES HERRN mag man sich bei Katholikinnen und Katholiken darauf besinnen, dass dementsprechend zur katholischen Kirche kommende Konvertitinnen und Konvertiten grundsätzlich nicht noch einmal zu taufen sind. Einst wurden ja sogar von Arianern gespendete Taufen durch die römische Kirche ausdrücklich als gültig anerkannt (siehe Gedanken zur Woche 35-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)).

 

1. Lesung: Jes 42,5a.1-4.6-7 oder Jes 40,1-5.9-11
2. Lesung: Apg 10,34-38 oder Tit 2,11-14;3,4-7
Evangelium: Lk 3,15-16.21-22

 

 

 

Gedanken zur Woche 251-b, Dr. Matthias Martin
1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)

Die erste Woche Im liturgischen Jahreskreis nach der meist verwendeten liturgischen Einteilung mag ein Anstoß sein, darüber nachzudenken, worin man sich im anbrechenden Kalenderjahr hin orientieren will. Es sind ja zugleich auch noch nach dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender Tage mitten im Monat Januar, eben als dem ersten Monat des Kalenderjahres.
Nun ist es eine offenkundige Tatsache, dass gute Vorsätze, die man sich zur Jahreswende, um den Gedenktag des heiligen Papstes Silvester I. am 31. Dezember herum also, gemacht hat, sehr oft sehr schnell aufgegeben werden. Ja man kann sogar vernehmen, dass dies bei einem ernstzunehmenden Prozentsatz in einer westlichen Gesellschaft dann bereits am 1. Januar als dem ersten Tag im neuen Kalenderjahr geschieht. Da macht es dann keinen Unterschied, ob man den 1. Januar als OKTAVTAG VON WEIHNACHTEN oder als HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und vielleicht noch als kirchlich mehr oder minder mitgetragenen WELTFRIEDENSTAG im Blick hat. Selbstverständlich ist es natürlich gut und richtig, sich an diesem ersten Tag in einem Kalenderjahr sowohl noch einmal ganz bewusst das Hochfest von WEIHNACHTEN und einen mit diesem verbundenen und durch die Kirche überlieferten Festkreis bewusst zu machen. Genauso ist es gut und richtig, einen Blick auf die Allerseligste Jungfrau Maria mit ihren verschiedenen Ehrentiteln zu richten. Mit ihrer Bereitschaft, dem Ruf Gottes zu folgen, sich davon durch keine irdische Verführung und weltliche Macht abbringen zu lassen, kann die Mutter Jesu immer als hervorragendes Vorbild dienen. Und zu Beginn eines Jahres kann dies ein umso nützlicherer Wegweiser sein. Dazu passt dann auch, dass an diesem Tag der WELTFRIEDENSTAG begangen wird. Die Wenigsten können direkt in die Weltpolitik hineinwirken. Aber Frieden beginnt im Kleinen. Den Verzicht auf persönliche Beleidigungen und ruppige Bemerkungen gegenüber Menschen der eigenen engeren bis engsten Umgebung durchzuhalten, ist schon eine beachtliche Leistung. Liebe und Güte im eigenen Bereich zu verwirklichen, kann eine beachtliche Ausstrahlung gewinnen. Im Kleinen gilt es doch Liebe und Güte, praktische Hilfsbereitschaft umzusetzen.
Heilige wie der heilige Konrad von Parzham, die heilige Thérése von Lisieux/Theresia vom Kinde Jesu, der heilige Joseph/Josef, der heilige Thomas Morus, die heilige Elisabeth von Thüringen, die heilige Anna und der heilige Joachim wie andere als heilig anerkannte Ehepaare etwa können für solche oft nach irdischen Maßstäben unscheinbare Bewährung oder eben gar Heiligkeit im Alltag Vorbilder sein. Natürlich mag man da auch an betont biblische Persönlichkeiten wie das Ehepaar Aquila und Priscilla/Priska/Priszilla im Neuen/Zweiten Testament und an Tobit sowie an Ruth im Alten/Ersten Testament denken. Nach jeder dieser beiden zuletzt genannten Persönlichkeiten ist sogar je ein eigenes alttestamentarisches Buch benannt.

Durch solche Bewährung im Alltag wird Frieden geschaffen, wird ganz generell Gutes in dieser Welt verwirklicht. Das geschieht dann eben sehr oft ganz unspektakulär. Solches unspektakuläre bis verborgene Wirken ist dann wahre Nachfolge Christi. Vergegenwärtigen wir uns, dass die meiste irdische Lebenszeit zu den „verborgenen Jahren Jesu in Nazaret“ zählte bzw. zählt.
Ein Durchgang durch das Lukasevangelium mag dies veranschaulichen.
Da werden zunächst einmal die Geburt Johannes des Täufers und Jesu angekündigt (Lk 1,5-38). Es folgt die auch in Hinblick auf die Stellung von Frauen so bemerkenswerte Begegnung Marias und ihrer Verwandten Elisabeth (Lk 1,39-56). Dies bezüglich ist dann auch die Erzählung von der Geburt Johannes des Täufers eigens interessant (Lk 1,57-79). Gegen Ende dieses Teils des Lukasevangeliums finden wir dann einen versmäßigen Hinweis auf die gewissermaßen verborgenen, unspektakulären Jahre Johannes des Täufers. Da ist nämlich zu lesen, wenn man der neuen deutschen Einheitsübersetzung folgt:

„(Lk 1,80) Das Kind wuchs heran und wurde stark im Geist. Und es lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem es seinen Auftrag für Israel erhielt.“

Es folgt nun eine ähnlich der Verkündigungsszene besonders bekannte Stelle, nämlich die lukanische Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1-21) einschließlich der Erzählung von der Darstellung des Herrn, auch genannt Darbringung im Tempel oder Jesu Opferung im Tempel (Lk 2,22-39). Es kann in der Christenheit offensichtlich auch Begegnung des Herrn genannt werden. An deren Ende finden wir ganz ähnlich wie bei der Stelle über die Geburt Johannes des Täufers einen Vers über die vor der Öffentlichkeit verborgene Zeit Jesu von Nazarets:

„(Lk 2,40) Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit und Gottes Gnade ruhte auf ihm.“

Wohl besonders bemerkenswert bezüglich dieser die meiste irdische Lebenszeit Jesu umspannenden eher verborgenen Jahre sind dann die zwei Verse am Ende der Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41-51):

„(Lk 2,51) Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen. (52) Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.“

Erst dann folgt im Verlauf des Lukasevangeliums das öffentliche Auftreten Johannes des Täufers (Lk 3,1-22) einschließlich der von ihn durchgeführten Taufe Jesu (Lk 3,21-22).
Finden wir ein Glasfenster mit der Darstellung des noch sehr jungen Jesus mit Josef/Joseph bei handwerklicher Tätigkeit an der Nordseite der Steiner Pfarrkirche, so ist die Taufe Jesu durch Johannes auf einem Gemälde des Kremser Schmidt/Martin Johann Schmidt das Thema, das jetzt im Altarraum sehr nahe dem neugotischen Hauptaltar angebracht ist. An den Fenstern der Südseite des Chorraumes ist neben anderen eine Darstellung der Heiligen Familie zu sehen.
Im Anschluss an die beiden lukanischen Verse von der Taufe Jesu ist dann ganz bemerkenswert zu lesen:

„(Lk 3,23) Jesus war, als er zum ersten Mal öffentlich auftrat, etwa dreißig Jahre alt. Er galt als Sohn Josefs …“

Es folgt eine Aufzählung von Persönlichkeiten zum Stammbaum des Josef (Lk 3,23c-38).
Erst dann wird mit einer vorgeschalteten lukanischen Version der Erzählung von der Versuchung Jesu (Lk 4,1-13) zum öffentlichen Wirken Jesu übergeleitet. Folgen wir also strikt dem Neuen/Zweiten Testament und da gerade dem Lukasevangelium mit der direkten Aussage von dreißig Lebensjahren vor Beginn der öffentlichen Tätigkeit Jesu, so wird eben klar, dass der allergrößte Teil dieser Lebenszeit sozusagen ziemlich unspektakulär verlief. geschah da so etwas wie gewöhnlicher Alltag im Leben Jesu von Nazarets. Er hat sich auch darin nach christlicher Überzeugung bewährt und auch gerade böse Worte und Taten unterlassen. So ist er gerade auch schon darin das besondere Vorbild, umso mehr, wenn man sich selber christlicher Überlieferung verbunden fühlt.

Dieser Überlieferung sollten sich doch gerade all die verbunden fühlen, die im christlichen Sinne getauft sind. Dies mag dann eben ein Anstoß sein, in den oben erwähnten Tagen der Ersten/1. Woche im (liturgischen) Jahreskreis etwa zu überlegen, was mit den guten Vorsätzen vom 31. Dezember, von Silvester her geworden ist. Hat man sie vielleicht vorschnell fallengelassen? Waren sie etwa überzogen, und sollte man nicht realistischere Vorsätze noch in diesen Januartagen fassen und umzusetzen beginnen? Oder blickt man bei der Umsetzung von Silvester- bzw. Neujahrsvorsätzen in den zurückliegenden Tagen des neuen Kalenderjahres bereits auf Erfolge zurück und kann dies als eigene Ermutigung und guten Ansporn vergegenwärtigen?
Auf jeden Fall sind wir alle immer eingeladen, uns zu besinnen, selber im guten Sinne durchzustarten und bisherige Fehlorientierungen in Gedanken, Worten und Werken anzugehen. Es heißt ja sogar, dass ein guter Mann, eine gute Frau jeden Morgen ein neues Leben anfängt.
Rückschläge sollen uns dann umso weniger entmutigen, sondern uns erst recht im richtigen Sinne anspornen.

 

 

 

Gedanken zur Woche 250, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN (2025)

Wenn eine Reihe bezüglich ihrer Ausgaben die Nummer 250 erreicht hat, so ist dies keine Selbstverständlichkeit. Manches Veröffentlichungsorgan, Medium oder wie auch immer brachte es offensichtlich im Laufe der Zeit nur auf eine Ausgabe. Andere erreichten nicht eine zweistellige Zahl an Folgen. Wenn sich die Erscheinungszeit dann schon auf fast fünf Jahre erstreckt, so ist dies seinerseits beachtlich. Manches Staatswesen einschließlich gewissermaßen Pseudo-Staaten und Übergangsregime ist nicht so alt geworden. Manche politische Partei und parteiähnliche Einrichtung haben sich da schon längst wieder aufgelöst oder einfach ihre Aktivitäten eingestellt. Man kann also umso mehr einmal etwas innehalten und die zurückliegende Zeit bedenken. Dies gilt erst recht, wenn man sich, wie es ja jetzt der Fall ist, am Beginn eines neuen Kalenderjahres nach dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender und damit beim Abschluss des vorhergehenden Kalenderjahres befindet.

Tatsächlich wurde diese Reihe ja begonnen als Ersatz für die infolge des damaligen sog. Shutdowns einstweilen nicht mehr für Gottesdienstbesucher anbietbaren Sonntagspredigten. Dementsprechend war „Gedanken zur Woche“ zunächst einmal eher als kurzfristige Sache gedacht (seihe Gedanken zur Woche 100 – 7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Positive Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Dazu gehörten auch Ermutigungen, doch anstelle nur eines Beitrages pro Woche nun zwei zu erstellen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Bereits mit der Nummer 7 begann diese Erweiterung So erschien dann sowohl „Gedanken zur Woche 7 – SONNTAG DER OSTERZEIT (2020)“ als auch „Gedanken zur Woche 7-b – 3. OSTERWOCHE (2020)“. Besondere Turbulenzen brachte natürlich meine erste COVID 19-Erkrankung samt wochenlangem Krankenhausaufenthalt. Letztlich aber konnte „Gedanken zur Woche“ fortgesetzt werden, und das auch wieder mit zwei Beiträgen für jede Woche.
Im Auf und Ab mit Corona/COVID 19 und den damit verbundenen und immer wieder veränderten staatlichen und kirchlichen Regelungen wurde auch mit der Herausgabe des (neuen) Pfarrbriefes begonnen. Für Dezember 2020 erschien dessen erste Ausgabe. Im betreffenden Leitartikel zitierte ich in Hinblick auf Notwendigkeit intensiver wie seriöser Öffentlichkeitsarbeit den von mir so verehrten heiligen Papst Pius X. (
https://www.stein.dsp.at/dl/qkkKJmMJKKKoNJqx4KkJK/Pfarrbrief_Dez__2020_pdf):

„Ihr werdet umsonst Kirchen bauen, Schulen errichten und alle anderen guten Werke organisieren, wenn es Euch nicht gelingt, die Waffe der guten Presse gegen die schlechte Presse zur Geltung zu bringen.“

Dass ich mit meiner betonten Wertschätzung für den heiligen Papst Pius X. nicht in einem schlechten Sinne von gestern bin, bestätigten in der Zwischenzeit kein geringerer als der gegenwärtige Papst Franziskus und das offizielle Zeitungsorgan des Vatikans, der OSSERVATORE ROMANO (siehe Gedanken zur Woche 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024); Gedanken zur Woche 218 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2024) und Gedanken zur Woche 230-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Der Pfarrbrief von Sankt/St. Nikolaus in Stein an der Donau erscheint nun seinerseits elfmal im Jahr (siehe
https://www.stein.dsp.at/pfarre/30240265/pfarrbrief). Normalerweise wird eine monatliche Ausgabe geboten. Für die sommerliche Zeit von Juli-August erscheint eine Ausgabe. Dabei deckt dieser Pfarrbrief, decken diese Pfarrnachrichten Bereiche ab, die in „Gedanken zur Woche“ nicht so behandelt werden, wie Termine, Hinweise zu einzelnen Veranstaltungen und die Veröffentlichung von Fotomaterial.
Wie Leserinnen und Leser von „Gedanken zur Woche“ feststellen konnten, geht es in dieser Artikelreihe mehr um grundsätzliche Angelegenheiten. Dies wurde auch über die von der Diözese, dem Bistum St. Pölten ausgehende Umstellung der Homepage/Start- bzw. Heimseite hinweg fortgesetzt.
Natürlich ließen sich mitunter so etwas wie brisante und kontroverse aktuelle Bezüge nicht vermeiden. Dass der Kollaps kirchlicher Strukturen gerade in westlichen Ländern voranschreitet und sich im kirchlichen Bereich ereignende Skandale wiederholt bis fortwährend für Empörung sorgen, ist ja wohl kein Geheimnis. In dieser Reihe „Gedanken zur Woche“ wurde betont, dass das Fehlverhalten kirchlicher Vertreter schonungslos aufgearbeitet werden muss. Gerade im Sinne einer traditionsorientierten katholischen Theologie und Praxis und in Treue dazu ist so etwas das Gebot der Stunde und überhaupt eine grundsätzliche Verpflichtung. Ja, vom Kampf gegen jede Form von Missbrauch in der Kirche hätte man nie abweichen dürfen. Bezüglich der mitunter ziemlich direkten Worte in „Gedanken zur Woche“ gab es bezeichnenderweise auch keinen grundsätzlichen Widerspruch, höchstens so etwas wie den einen oder anderen Beschwichtigungsversuch im Sinne, der seit Jahren doch immer wieder zu vernehmenden Zusicherung, auch wenn es irgendwelche schlimmen Vorfälle gegeben habe, so gehöre dies jetzt der Vergangenheit an und man arbeite jetzt ganz toll auf. Umgekehrt gab es bezeichnenderweise auch die eher kritische Meinung, in einer Reihe wie „Gedanken zur Woche“ solle Kritik noch grundsätzlicher oder umfassender geäußert werden. Ich selber solle da auch nicht so naiv sein in Hinblick etwa kirchliche Amtsträger und ihre politischen Bundesgenossen, ihre diversen Spezeln oder Kumpels.

Dabei wurde in „Gedanken zur Woche“ Wert auf die Eigenständigkeit und die Grundrechte insbesondere der Menschen innerhalb der (sichtbaren) katholischen Kirche gelegt. Es gibt eben nichts, was sexuellen Missbrauch und dessen Unterstützung durch kirchliche Mitarbeiter bis in den Kardinalsrang rechtfertigt. Umso mehr, da die katholische Kirche wie andere christliche Konfessionen in allen möglichen Fragen hohe moralische oder ethische Maßstäbe propagieren, sind betreffende Ausreden und Rechtfertigungsversuche zurückzuweisen. Folgt man offiziellem Kirchenrecht und so etwas wie einer traditionellen und nicht zurecht gebogenen Glaubens- und Sittenlehre, so ist verbrecherisches Verhalten auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass die Täter doch auch irgendwo irgendetwas Gutes getan hätten. Eine solche „Argumentation“ hebelt letztlich jedes Strafrecht aus und führt ein ernstzunehmendes Disziplinarrecht ad absurdum. Welcher Täter im Laufe der Geschichte hat nicht irgendwann einmal sich zu irgendjemandem nett verhalten, irgendetwas zumindest vermeintlich Gutes getan? Kein Mensch hat fortwährend Böses getan, wenn man nur an den Satz denkt „Wer schläft, sündigt nicht.“ Während man seine Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Notdurft befriedigt, tut man im landläufigen Sinne üblicherweise auch nichts Böses. Brutale Gewaltherrscher seit der Antike etwa haben oft beeindruckende Bauwerke bis hin zu Verkehrswegen und mitunter Bewässerungsanlagen geschaffen. Akzeptiert man die Ausrede zugunsten innerkirchlicher Missbrauchstäter und ihrer Unterstützer, diese hätten doch auch irgendetwas Gutes getan, so müsste dies konsequenterweise für sämtliche potentiellen Täter gelten und eben nicht nur für eine bestimmte Gruppe von Tätern.
Dazu steht, wie in „Gedanken zur Woche“ betont und belegt wurde, allen Gläubigen in der Kirche das Recht, ihre Wünsche, Anliegen und Beschwerden gegenüber den Hirten der Kirche, wenn man dies so nennen will, ausdrücklich zu äußern. Alle Menschen haben doch einen Anspruch auf den Schutz ihrer Würde und die Achtung ihrer Unverletzlichkeit. Gerade offizielle Kirchenvertreter sind hier gefordert. Die verheerenden pastoralen Auswirkungen von Täterfreundlichkeit sind vom empirischen Standpunkt her offenkundig. Eine Untat ist eine Untat, Verbrechen ist Verbrechen, und ein Opfer ist ein Opfer. Dies gilt auch und nicht zuletzt in Hinblick auf so etwas wie kirchliche Täter und jedwede sie unterstützende Strukturen. Diese können mehr innerkirchlich oder mehr im allgemeinen Sinne gesellschaftlich-politisch sein. Das Recht zum Widerstand kann zur moralischen Pflicht zum Widerstand werden. Auch weiterhin sind Inhalte des Kirchenrechts im Blick zu halten, wenn es um Ermächtigung gegen Missbrauch geht, um Stärkung zum guten Widerstand.

In „Gedanken zur Woche“ wurde auch solches angesprochen. Genauso ging es natürlich auch etwa um die Ermutigung zu einem positiven Engagement im so weiten Bereich von Wissenschaft, Bildung und Kultur. Auch in diesem Bereich ist dementsprechend nicht zuletzt dümmliche bis heimtückische Frauenfeindlichkeit weiterhin zu bekämpfen, wie wiederholt angesprochen wurde. Gegen alle ideologischen Versuchungen wie den Fideismus in all seinen Erscheinungsformen wurde passend dazu ein positives Verhältnis von Glauben und Vernunft, von Kirche und Wissenschaften unterstützt. Dies bezieht sich nicht zuletzt auf das Verhältnis von Theologie und Philosophie mit all den verschiedenen Wissenschaften außerhalb von so etwas wie einem engeren theologischen Bereich.
Dabei ist natürlich all solches irgendwie im Rahmen umfassenderer lokaler, regionaler und globaler Entwicklungen zu sehen. Naivität ist nirgends wünschenswert. Manchmal kollabieren etwa politische Gegebenheiten schneller als gedacht.
Für die Fortführung von „Gedanken zur Woche“ wird der Stoff nicht ausgehen!

 

1. Lesung: Sir 24,1-2.8-12
2. Lesung: Eph 1,3-6.15-18
Evangelium: Joh 1,1-18 (oder 1,1-5.9-14)

 

 

 

Gedanken zur Woche 250-b, Dr. Matthias Martin
TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2025)

Zu Beginn eines neuen Kalenderjahres mag man sich besonders angeregt fühlen, über die kommende Zeit nachzudenken. Was wird wohl die nähere, was wird wohl die weitere, die fernere Zukunft jeder und jedem Einzelnen von uns, unseren Familien, örtlichen Gemeinschaften bis hin zu der ganzen Menschheit bringen.
Ein Blick auf die durch den bei uns zurzeit üblichen liturgischen Kalender in der ersten ganzen Woche des Jahres 2025 besonders auf dem Programm stehenden kirchlichen Ereignisse und Heiligen mag für sich schon bestätigten, dass sich die Gegebenheiten weiter entwickeln. Von einem „Ende der Geschichte“ konnte und kann man nicht ernsthaft sprechen.
Die Zeiten haben sich ja wirklich seit den Tagen des heiligen Bischofs Valentin von Rätien geändert. Wann er genau geboren wurde, ist wohl unklar. Auch sein Todesjahr ist im Einzelnen nicht sicher. In der Ausgabe aus dem Jahre 2008 des Übersichtswerkes „Der große Namenstagskalender“ von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht ist über diesen heiligen Valentin nachzulesen:

„Er starb am 7. Januar um 475.“

Es war auf jeden Fall die Zeit, in welcher so etwas wie die Auflösung des Weströmischen Reiches stattfand. Das vermeintlich unüberwindliche Imperium befand sich im offenkundigen Fall. Längst hatte dieses Römische Reich gar keine Kraft mehr, irgendwelche Christenverfolgungen durchzuführen. Der Freiheit von Christinnen und Christen kamen nicht zuletzt die Spaltungen in den führenden römischen Kreisen bis hin zu wiederholten bürgerkriegsartigen Konflikten zugute. Vordringende Germanenvölker und ihre Verbündeten zeigten keine Ambitionen zur Christenverfolgung. Zur Entspannung trug wohl auch bei, dass die katholische Kirche selbst Taufen anerkannte, die von bzw. bei Arianern gespendet worden waren. Das konnte hilfreich sein, germanische Völker und ihre Staatswesen in die katholische Kirche zu integrieren. Als spektakulärer Fall ist hierbei insbesondere der Weg des Westgotenreiches zu nennen. Auch die theologische Integration von Sweben/Sueben mit ihrem Siedlungsgebiet auf der Iberischen Halbinsel und der Burgunder verdient dabei Beachtung. Gerade eine Frau, die selige oder heilige Theodelinde, Theodelinda oder Theudelinde, wurde wichtig für die Verbreitung des Katholizismus und die Festigung einer damit verbundenen religiösen Orientierung unter den Langobarden auf der Apenninenhalbinsel und in Padanien (siehe Gedanken zur Woche 25-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)). Dies verdeutlicht, welche Bedeutung in so etwas wie dem katholischen Gesamtbereich in Kirche und Politik auch damals Frauen gewinnen konnten. Dabei mag hierzu jemand gerne von Spätantike oder auch von Frühmittelalter sprechen. Bezüglich solcher Einteilungen gibt es ja keine verbindlichen Festlegungen, schon gar nicht durch das kirchliche Lehramt. Blöde und herabwürdigende Bemerkungen über Frauen sollte man aber auf jeden Fall unterlassen, und so mancher Mann täte gut daran, typische Männerphantasien zu zügeln.

In diesem Sinne wird zumindest nichts Negatives oder Destruktives über den heiligen Raimund von Peñafort berichtet. Mit seiner Lebenszeit von in etwa 1175 oder 1180 bis zum 06. Januar 1275 steht er gerade für den damaligen Aufbruch im Ordensleben. Zu Hilfe kam ihm dabei offensichtlich nicht zuletzt sein Studium der Rechtswissenschaft. Solches verdeutlicht wieder einmal den Wert guter Bildung eben auch für den kirchlichen Bereich. Verbunden ist dies mit der Notwendigkeit, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Der heilige Raimond von Peñafort handelte danach, dass die Zeit nicht stillsteht und es eben kein Ende der Geschichte gibt.
Der damalige rapide Aufstieg seines Dominikanerordens und auch die Entwicklung des Ordens der Mercedarier, des Ordo Beatae Mariae (Virginis) de Mercede redemptionis captivorum, zeugen davon. Noch im 13. Jahrhundert entstand ein weiblicher Zweig von Mercedarierinnen. Hiervon entwickelten sich verschiedene Zweige. Im Laufe der Zeit wurden diese gerne als Kongregationen im Sinne des Kirchenrechts für Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften organisiert. Es sollte nicht übersehen werden, dass auch für den männlichen Hauptzweig der Mercedarier die Zeit nicht stehen blieb. So entstanden mit eigenem Generaloberen die Unbeschuhten Mercedarier, der Ordo Patrum Excalceatorum Beatae Mariae (Virginis) de Mercede oder kürzer Mercedarii Discalceati. Auch am mercedarischen Ordenswesen in seiner Vielfalt gingen die Verfolgungen etwa in Zusammenhang mit der Französischen Revolution und der blutigen sog. Italienischen Einigung wie der Klosterstürme in Spanien nicht spurlos vorüber. Nicht zuletzt hier erwuchsen aus der Bereitschaft zum Widerspruch bemerkenswerte Früchte.

Dass Zeiten der Krise und des Umbruchs auch neue Möglichkeiten für die Kirche eröffnen können, verdeutlicht gerade der heilige Severin. So leitete auch dank seines Wirkens die Ära der Völkerwanderung mit dem Fall des Weströmischen Reiches eine neue Epoche nicht zuletzt für die Kirche ein (siehe Gedanken zur Woche 198-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und Gedanken zur Woche 233-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Das bestätigten eindrucksvoll jene christliche Persönlichkeiten, die beizeiten festgestellt hatten, das das Christentum zumindest sehr gut ohne Römisches Reich zurecht kommen könne und sich die Pflege eines möglichst konstruktiven Verhältnisses mit germanischen Völkern, ihren Verbündeten und führenden Vertretern nahelege.
Regelrecht drastisch hatten sich längst die Goten in den Auseinandersetzungen mit dem Römischen Reich als wertvolle Helfer für bedrängte Christen erwiesen (siehe Gedanken zur Woche 44-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 66-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2021)).

Die Offenheit zu den Völkern der Erde mit ihren Kulturen jenseits von Grenzen wie denen des Römischen Reiches verdeutlicht schon das Hochfest/Fest I. Klasse von der ERSCHEINUNG DES HERRN. In unseren Breiten ist dieses Hochfest /Fest I. Klasse im Besonderen mit der beliebten Sternsingeraktion verbunden. Es waren eben diese Gelehrten, diese Sterndeuter, welche aus dem Osten der Überlieferung zufolge den Weg zur Krippe in Bethlehem fanden. In Brauchtum und bildender Kunst bis Hochkultur hat dies einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dies wirkt sich bis in das filmische Schaffen hinein aus. Dabei wird immer wieder herausgestellt, dass diese Gelehrten oder Sterndeuter stellvertretend für Völker des Erdkreises und nicht nur für eine Ethnie stehen. Dabei werden sie im biblischen Text keineswegs als „Könige“ bezeichnet (siehe Gedanken zur Woche 43-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2021)). Das mag gerade Anhängern und direkten Nutznießern monarchistischer Staatskirchenstrukturen heftig missfallen. Es ist aber so! Daran ändert auch die Schaffung angeblicher Bibelübersetzungen wie der berüchtigten King-James-Bibel/King James Bible als mitunter besonders geschickt eingesetzter Propagandamittel nichts.

Beschleunigt durch Missbrauchs- und damit verbundene Vertuschungsskandale schreitet gerade der Zerfall der anglikanischen Staatskirche von England rapide voran. Die bei allen Unterschieden untereinander nominell lutherischen Staatskirchen in Skandinavien samt Grönland einschließlich denen von Island und den Färöer-Inseln erleben ihrerseits fortwährende Schrumpfungsvorgänge. Als am stabilsten wird noch die Staatskirche auf den Färöer-Inseln angesehen. Dabei blickt diese 2007 offiziell im Rahmen des Verselbständigungsprozesses von Dänemark anerkannte ganz besondere Staatskirche auf eine eigene Geschichte und gewissermaßen Vorgeschichte eines guten Verhältnisses zur katholischen Kirche zurück.
Dazu passt auch das gute Verhältnis der katholischen Kirche zur nationalen korsischen Bewegung. ser erwies erst kürzlich Papst Franziskus mit seinem Besuch Korsikas Referenz. Die Propagandaveranstaltung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Zusammenhang mit der Wiedereröffnung von Notre Dame in Paris hat Franziskus demgegenüber vielsagend geschnitten.


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