Gedanken zur Woche 266, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2025)
Wenn so etwas wie ein SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHEZRIGKEIT in der katholischen Kirche oder in Teilen derselben begangen wird, kann leicht bei gutwilligen Menschen ein mulmiges Gefühl hochkommen oder gar richtige Wut hervorbrechen. Dies kann dann noch verstärkt auftreten, wenn zugleich der WEISSE SONNTAG als Tag der ersten Heiligen Kommunion gefeiert wird. Bei dieser geht es dann in der Regel um die Erstkommunion von Kindern.
Kaum ein Begriff wurde gerade in den Jahren seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil im kirchlichen Bereich so missbraucht, wie das Wort Barmherzigkeit oder auch das Wort Liebe.
Mit diesen Schlagworten wurde ungezählte Mal und ganz systematisch Partei für Täter ergriffen und gezielt Opfern weiteres Leid zugefügt. Es ging darum, „Barmherzigkeit“ und „Liebe“ für Täter zu praktizieren, wenn diese einem genehm waren, oder wenn man sich dafür etwas als Gegenleistung erhoffte. Allein schon so etwas wie Corpsgeist kann immer üble Folgen haben. Es droht eine Verdunkelung des Unrechtsbewusstseins und das Entwickeln und Verfestigung einer Unkultur im Sinne des „Eine Hand wäscht die andere“ oder auch „Ich gebe, damit du gibst“.
Ich erinnere mich, wie sich einmal vor Jahren anhand des Kriminalfilmes mit dem amerikanischen Originaltitel „Murder at the Presidio“ und dem Titel für die deutsche Synchronübersetzung „Tatort: Presidio“ ein Gespräch entwickelte, an dem ich beteiligt war. Man stimmte mir einhellig zu, dass Corpsgeist immer zu falschem Verhalten führen kann. Entweder man unterstützt in der ein oder anderen Weise ganz bewusst den bzw. die Täter. Es kann passieren, dass man zuerst einmal mehr unbewusst irgendwie verdrängt, was auf ein schuldhaftes Verhalten eines Kollegen, Verwandten, Kameraden oder Mitbruders hinweist. Erst wird etwas noch mehr oder minder naiv verdrängt, bevor man dann im betreffenden Kontext vielleicht ganz bewusst für den Täter, die Täterin bzw. Gruppe von Tätern bzw. Täterinnen handelt. Im Falle des besagten Krimis spielt sich so etwas im militärischen Milieu ab
Das geschieht und kann natürlich auch anderswo geschehen als nur im Militär, um bei „Tatort: Presidio“ zu bleiben. Bevor Vertreter konfessioneller Gemeinschaften nun eifrig den Finger auf so etwas wie für sie außenstehende Berufsgruppen, missliebige Ethnien oder politische Parteien richten, sollte vernehmbar akzeptiert werden, dass dies eben auch und nicht zuletzt in sich religiös-konfessionell definierenden Strukturen geschieht.
Erschütternde Enthüllungen kamen gerade in den letzten Jahren ans Licht. Schwer hat es mit den Südlichen Baptisten, dem Southern Baptist Convention, die größte protestantische Gemeinschaft in den USA, erwischt (siehe Gedanken zur Woche 114 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022)). Dass die betreffenden Skandale und Enthüllungen nicht zuletzt die anglikanische Staatskirche von England schwer getroffen haben (siehe allgemein Gedanken zur Woche 250-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2025)) hat dann auch gerade seine schwerwiegende politische Bewandtnis. Mit Justin Welby hatte exakt jener anglikanische Erzbischof von Canterbury zurückzutreten, welcher noch zuvor den jetzigen König Charles gekrönt hatte. Dabei war er nicht der einzige anglikanische Spitzenvertreter, den es in jüngster Zeit erwischt hat. Sein pensionierter Vorvorgänger als oberster Bischof der Staatskirche, George Carey, hatte auf die weitere Ausübung des Priesteramtes zu verzichten. Dabei sollte an dieser Stelle nicht verdrängt werden, dass sog. anglikanische Weihen weiterhin von der römisch-katholischen Kirche nicht anerkannt werden. Konvertierende bisherige anglikanische Geistliche müssen üblicherweise noch einmal geweiht werden. Dies war in den letzten Jahren sogar bei einer Reihe von einst anglikanischen Bischöfen der Fall. Lediglich Weihen, die vorher in altorientalischen, orthodoxen oder einer von Rom diesbezüglich eigens anerkannten altkatholischen Weihelinie gespendet wurden, werden anerkannt. Dies kam dann im Falle des Falles einem betreffenden Konvertiten aus dem Anglikanismus zugute. Unabhängig davon wird in Großbritannien die Abschaffung staatskirchlicher Privilegien für die anglikanische Kirche von England diskutiert. Nicht zuletzt der Umstand, dass 26 betreffende staatskirchliche Bischöfe automatisch dem Oberhaus angehören (siehe Gedanken zur Woche 255-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)), steht in der Kritik. Da war es dann um so mehr ein zusätzlicher, eben auch politisch relevanter Schlag, dass inzwischen auch der anglikanische Bischof von Liverpool, John Perumbalath, seinen Rücktritt zu erklären hatte. Bemerkenswerterweise war, als die Krise in Zusammenhang mit Enthüllungen von Missbrauch und dessen Vertuschung eskalierte, der sozialdemokratische Premierminister Keir Starmer gerade gegenüber Erzbischof Welby auf erkennbare Distanz gegangen. Auch seitens der konservativen Opposition und ihrer Parteiführung raffte man sich demonstrativ nicht zu irgendeiner Entlastungsoffensive für die Spitzenvertreter der anglikanischen Staatskirche auf. Gleiches ließ sich für die Führung der Liberaldemokraten in England wie im weiteren Großbritannien feststellen.
Die Verquickung von Politik, materiellem Wohlstand und Religion funktioniert also auch im Falle der anglikanischen Staatskirche von England immer weniger. Dies sollte auch römisch-katholischen Kirchenkreisen mit einer betonten Nähe zu weltlichen Machthabern und Wirtschaftsinteressen sehr zu denken geben.
Dabei hat natürlich auch die katholische Kirche ihre Missbrauchsskandale. In dieser Reihe wurde doch wiederholt schon deutlich in diese Richtung gewiesen. Offensichtlich übergehen amtliche Kirchenvertreter Aussagen über Fehlentwicklungen in der Kirche zugunsten von Tätern und auf Kosten von Opfern am liebsten mit Schweigen. Dies gilt auch für die so deutlichen Aussagen von Benedikt XVI. (siehe Gedanken zur Woche 63 – 10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 63-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2021); Gedanken zur Woche 78 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA UND WELTFRIEDENSTAG (2022); Gedanken zur Woche 239 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024) und mit Hinweis auch auf Papst Franziskus auch Gedanken zur Woche 193 – 1. ADVENTSONNTAG (2023) und Gedanken zur Woche 259 – 1. FASTENSONNTAG (2025)).
Dabei wird im CIC eigens vorgeschrieben, die Rechte von Minderjährigen und anderen besonders verletzlichen Personen auch im kirchlichen Gerichtswesen nach Kräften zu schützen und nicht solche Menschen gewissermaßen zu überrollen. In diesem Sinne sollen in den gegebenen Fällen eigens Eltern, Vormünder und Pfleger wirken.
So lautet Paragraph 1 von CIC-Canon/Kanon 1478:
„Minderjährige und solche, die des Vernunftgebrauches entbehren, können unbeschadet der Bestimmung von § 3, vor Gericht nur durch ihre Eltern, Vormünder oder Pfleger handeln.“
Im Ernstfall müssen die Rechte von Minderjährigen im kirchlichen Gerichtswesen auch gegenüber Eltern, Vormündern und Pflegern ausdrücklich geschützt werden, was durch Paragraph 2 dieses Canons/Kanons 1478 herausgestellt wird:
„Glaubt der Richter, dass die Rechte der Minderjährigen im Widerstreit mit den Rechten der Eltern, Vormünder oder Pfleger stehen oder dass diese die Rechte der Minderjährigen nicht ausreichend wahren können, so sollen sie vor Gericht durch einen vom Richter bestellten Vormund oder Pfleger handeln.“
Einen grundsätzlichen rechtlichen Eigenstand von Minderjährigen auch gegenüber ihren Eltern betont der schon in Paragraph 1 von Canon/Kanon 1478 erwähnte Paragraph 3 desselben Canons/Kanons:
„In geistlichen und mit diesen zusammenhängenden Sachen können Minderjährige, wenn sie den Vernunftgebrauch erlangt haben, ohne Zustimmung ihrer Eltern oder ihres Vormundes klagen und sich verantworten, und zwar selbständig, wenn sie das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, andernfalls durch einen vom Richter bestellten Pfleger.“
Schon gar nicht sollten Eltern und Vormünder helfen, Untaten, die an ihren Kindern bzw. Schutzbefohlenen begangen wurden, zu vertuschen. Dies darf auch und gerade dann nicht geschehen, wenn der (mutmaßliche) Täter bzw. die (mutmaßliche) Täterin Inhaber bzw. Inhaberin eines kirchlichen Amtes, einer kirchlichen Funktion oder einer kirchlichen Aufgabe ist. Dies gilt natürlich ebenso, wenn es sich um mehr als eine Täterin oder einen Täter handelt.
Gerade auch Minderjährige sollten dazu vor den Folgen ungerechter Urteile im kirchlichen Gerichtswesen geschützt werden. So hält Paragraph 3 von Canon/Kanon 1646 in Zusammenhang mit einer etwaigen Widereinsetzung in den vorigen Stand fest:
„Die erwähnten Fristen laufen nicht, solange der durch ein ungerechtes Urteil Verletzte minderjährig ist.“
1. Lesung: Apg 5,12-16
2. Lesung: Offb 1,9-11a.12-13.17-19
Evangelium: Joh 20,19-31
Gedanken zur Woche 266-b, Dr. Matthias Martin
2. OSTERWOCHE (2025)
Die Heiligen der kirchlichen Tradition haben jeweils ihre ganz eigene Aussagekraft. Dies gilt auch für die Heiligen, die uns besonders vorgestellt werden, wenn wir dem derzeit allgemein üblichen liturgischen Kalender für die 2./ZWEITE OSTERWOCHE in diesem Kalenderjahr 2025 folgen.
Natürlich geht es immer um die drei christlichen Grundtugenden von Glauben, Hoffnung und Liebe. Stets werden wir durch die Heiligen hingewiesen auf das doppelte Liebesgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Dies ist dann grundsätzlich nicht zu trennen vom sakramentalen Leben mit den nicht nur nach katholischer Überlieferung sieben Sakramenten von Taufe, Firmung, Eucharistie, Beichte/Buße, Ehe, Weihe und Krankensalbung.
Jede einzelne Heilige und jeder einzelne Heilige bietet aber doch besondere, eigene Akzente. Wie bei anderen konfessionellen oder religiösen Traditionen innerhalb wie außerhalb des Christentums hat sich auch im Katholizismus eine organisatorische Ausdifferenzierung und nicht zuletzt eine rechtliche Ausgestaltung ergeben. Umso mehr weist das tatsächliche Leben der katholischen Kirche und ihrer Angehörigen in Raum und Zeit eine Vielschichtigkeit auf, die man nicht verdrängen oder verleugnen sollte.
Dass es da auch zu innerkirchlichen Spannungen kommen kann, macht besonders augenfällig, ja dramatisch die heilige Katharina von Siena deutlich. Wie sehr die katholische Kirche und ihre unverfälschte Überlieferung Frauen beizeiten höher zu schätzen wusste, als viele heutzutage meinen, wird durch den Umstand ihres enormen kirchenpolitischen wie allgemeingesellschaftlichen Einflusses und natürlich die besonderen Ehren, die ihr von der katholischen Kirche zuerkannt wurden, deutlich. So wurde sie nicht nur mit der Heiligsprechung zur Ehre der Altäre erhoben. Vielmehr wurde sie längst kirchenamtlich als Kirchenlehrerin anerkannt wie auch als Schutzpatronin, als Mitpatronin Europas proklamiert.
Dabei stammte sie aus ganz einfachen Verhältnissen. Für Vertreter höhergestellter Kreise wie gerade der französischen Monarchie und ihre Parteigänger war das mehr oder minder „Mob und Pöbel“.
Die heilige Katharina von Siena hat sich davon aber nicht einschüchtern lassen. Zum einen schuf sie ein beachtliches literarisch-theologisches Werk. Davon nicht wirklich zu trennen wirkte sie zum anderen energisch in das gesellschaftliche, politische und kirchliche Tagesgeschehen hinein. Besonders bedeutsam wurde ihr starkes Einwirken auf Papst Gregor XI. (Pontifikat von bis 1370 bis 1378). Ihn konnte sie durch deutliche Vorstellungen dazu bewegen, die „Babylonische Gefangenschaft der Kirche/des Papsttums“ unter dem erdrückenden und korrumpierenden Einfluss Frankreich in Avignon durch eine Rückkehr des Papstsitzes nach Rom so weit wie möglich zu beenden.
Ihr als einer einfachen Frau gelang es, den Papst zum Handeln zu bewegen und zugleich der damaligen französischen Supermacht Paroli zu bieten! Dieses Wirken der heiligen Katharina von Siena verdeutlicht das grundsätzliche Gegenüber bis Spannungsverhältnis von hierarchischem oder verordnetem Amt auf der einen und Prophetentum/prophetischem Wirken auf der anderen Seite in der Kirche. Dieses Spannungsverhältnis tritt wohl besonders deutlich im alttestamentlichen Buch Amos zutage. Aber auch schon früher wird eine grundsätzliche Differenzierung deutlich. So tritt im Pentateuch der ersten fünf Bücher des Alten/Ersten Testaments Mose als der Prophet auf. Sein Bruder Aaron verkörpert den Priester, und er gilt in der Überlieferung als erster Hohepriester, ja als Vertreter eines erblichen Hohepriestertums. In den beiden Makkabäerbüchern sind es dann einfache Menschen aus dem Volk, die durch ihren Widerstand die überlieferte Religion, das Erbe der Väter, verteidigen. Priestern und Hohepriestern kommt dabei eine nicht so glorreiche bis peinliche Rolle zu. Dabei wird auch hier nicht die Abschaffung des Priestertums und des Tempeldienstes propagiert, sondern eine an der Überlieferung orientierte wahre Erneuerung.
Auf die einfachen Menschen werden wir dann gerade mit dem Gedenktag bzw. Festtag von Josef dem Arbeiter am 1. Mai gewiesen. Die Festlegung dieses Tages durch Papst Pius XII. war eine bewusste Akzentsetzung. Der heilige Josef wird hier eben als „der Arbeiter“ und nicht als selbständiger Handwerker oder Kleinunternehmer vorgestellt, der er wohl in etwa gewesen sein dürfte. Es ging theologisch und auch pastoral bis kirchenpolitisch darum, die Kirche in bewusster Auseinandersetzung mit allen Varianten des Kommunismus und ihren Unterstützern als die Kirche der kleinen Leute zu präsentieren.
Dabei zeigt sich diese Orientierung grundsätzlich in vielen Bereichen. Zum einen gibt es da die Sozialenzykliken und anderen in diese Richtung gehenden Stellungnahmen der Päpste und Einrichtungen der römischen Kurie. Dann gibt es da natürlich das so umfangreiche caritative Wirken der Kirche mit eigenen Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, Vereinen und Verbänden, welche hier ihren besonderen Schwerpunkt setzen. Man denke hier nicht zuletzt an katholische bzw. christliche Gewerkschaften in Geschichte und Gegenwart und an das Kolpingwerk.
Die Berücksichtigung finanziell schwächer gestellter Menschen wird auch im katholischen Verfahrensrecht, dem kanonischen Prozessrecht ausgesprochen.
Dies wird bereits in Kapitel II „Reihenfolge der Untersuchungen“ des Titels III „Gerichtsordnung“ von Teil I „Gerichtsverfahren im Allgemeinen“ des CIC etwas deutlich. So sprich der dortige Canon/Kanon 1464 ausdrücklich die Möglichkeit eines unentgeltlichen Rechtsschutzes an:
“Fragen der Sicherheitsleistung für die Gerichtskosten oder der Gewährung des unentgeltlichen Rechtsschutzes, der von vornherein bei Beginn des Verfahrens beansprucht worden ist, und andere derartige Fragen sind regelmäßig vor der Streitfestlegung zu entscheiden.“
Später ist dann Titel X der Sektion I „Ordentliche Streitverfahren“ im CIC mit den Worten überschrieben „Gerichtskosten und unentgeltlicher Rechtsschutz“. Im einzigen zu diesem Titel X gehörenden Canon/Kanon 1649 wird in Paragraph 1 u. a. festgelegt:
„Der Bischof, dem die Leitung des Gerichtes obliegt, soll Bestimmungen erlassen über:
…
3° die Gewährung des unentgeltlichen Rechtschutzes oder einer Ermäßigung der Gerichtskosten … .“
Dass schwächere wirtschaftliche Verhältnisse nicht zum Schaden für den Betroffenen bei Vorgängen im kirchlichen Gerichtswesen führen sollen, wird deutlich. Natürlich gilt es, solche gemachten Vorgaben auch im guten Sinne mit Leben zu erfüllen. Papier allein ist ja geduldig, und so etwas kann bedauerliche bis regelrecht skandalöse Folgen haben.
So dürfen ja Richter, Kirchenanwälte, Bandverteidiger, Beisitzer und Vernehmungsrichter laut Canon/Kanon 1448 nicht in einem Rechtstreit tätig werden, wenn sie wegen „Erwartung eines Gewinnes oder Vermeidung eines Verlustes irgendwie persönlich interessiert“ (siehe Gedanken zur Woche264 – PALMSONNTAG (2025)) sind.
Recht deutlich und für alle möglichen im kirchlichen Gerichtswesen ausgetragenen Auseinandersetzungen ist Canon 1456 des CIC formuliert. Geschenkannahme wird da grundsätzlich untersagt:
„Dem Richter und allen Gerichtspersonen ist verboten, gelegentlich ihrer gerichtlichen Tätigkeit irgendwelche Geschenke anzunehmen.“
Eine derartige Regelegung findet man auch in weltlichen Rechtsordnungen. Umso mehr sollte im kirchlichen Bereich einschließlich dem kirchlichen Gerichtswesen peinlich bemüht sein, jeden Anschein zu vermeiden, dass es sich besser betuchte da irgendwie richten könnten. Genauso verheerend ist der Eindruck, dass Gefälligkeiten wie Unfreundlichkeiten seitens kirchlicher Vertreter nach so etwas wie parteipolitischen Kriterien gewährt bzw. verweigert werden oder überhaupt dazu gedacht seien, es sich bei politisch einflussreichen Persönlichkeiten nett zu richten.
In diese Richtung weist grundsätzlich auch der CCEO für die Katholischen Ostkirchen. Im dortigen Canon/Kanon 1114 wird festgehalten:
„Den Richtern und allen anderen Mitarbeitern des Gerichts ist es verboten, aus Anlaß der Gerichtstätigkeit irgendwelche Geschenke anzunehmen.“
So etwas wie den Parallelkanon zum CIC-Canon/Kanon 1448 stellt CCEO-Canon/Kanon 1106 mit seinen zwei Paragraphen dar.
Gedanken zur Woche 265, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST VON OSTERN – AUFERSTEHUNG DES HERRN (2025)
Das Hochfest von OSTERN, das Hochfest von der AUFERSTEHUNG DES HERRN Jesus Christus steht im Mittelpunkt des christlichen Glaubens und damit verbundener Lebensentscheidungen.
Ausgehend von der beginnend mit den Frauen am Grab bezeugten Auferstehung hat sich doch ganz Einzigartiges entwickelt. Die Anhängerschaft eines von den römischen Machthabern unter mehr oder minder deutlichen Mitwirkung ihrer örtlichen Kollaborateure verurteilten und hingerichteten Mannes hat sich nicht verlaufen und ist nicht verschwunden. genaue Gegenteil geschah! Aus dieser kleinen und nach der Verurteilung und Kreuzigung so verschreckten Gruppe von Anhängerinnen und Anhängern Jesu von Nazarets entwickelte sich eine Weltreligion. Ja, es wurde nach allgemeinem Dafürhalten der Zahl ihrer Anhängerinnen und Anhänger nach sogar die größte Weltreligion.
Andere Bewegungen, die von charismatischen Personen ausgingen, sind immer wieder vergangen. Auch in neuester Zeit erlebte bzw. erlebt man es immer wieder, dass eine mehr oder minder religiöse Bewegung zunächst spektakulär von sich reden macht, Zulauf gewinnt und dann wieder abnimmt bis hin zu einer mehr oder minder handfest feststellbaren Auflösung, einem richtigen Erlöschen. Aus so mancher neureligiösen Bewegung der letzten Jahrzehnte ist, bildlich gesprochen, längst wieder die Luft heraus.
Dies gilt auch für die zahlreichen Einzelpersonen und Bewegungen der neuesten Zeit, die sich auf angebliche Erscheinungen in einem mehr oder minder christlichen Kontext beriefen bzw. berufen. Bekanntermaßen hat seit den sechziger Jahren eine regelrechte Inflation an vermeintlichen Erscheinungen gerade Mariens, der Mutter Jesu, und an Wundern entwickelt. Eine genauere Betrachtung von Einzelpersonen und Gruppen bis winzigen Grüppchen, die aus dem katholisch-traditionalistischen Unbehagen mit der Entwicklung der katholischen Weltkirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hervorgegangen sind, ist da interessant und kann als deutliche Warnung dienen. Immer wieder wurden da Behauptungen in Umlauf gesetzt, die selbst für Nichttheologinnen und Nichttheologen sehr leicht als im deutlichen Widerspruch zur allgemeineren christlichen Überlieferung und speziell zu traditionell katholischen Inhalten stehend durchschaut wurden. Die Erklärung einer oder gar mehr als einer Person zur zusätzlichen göttlichen Person zusätzlich zu der im von Ersten Konzil von Nicäa und dem Ersten Konzil von Konstantinopel ausgehenden Großen Glaubensbekenntnis bekannten Allerheiligsten Dreifaltigkeit von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist ist doch schon wirklich neuartig oder „kreativ“. Dies gilt auch für die Hereinnahme von Elementen einer zeitweise populäreren Ufologie oder die Behauptung, eine Frau neuer Zeit sei Wiedergeburt Mariens, der Mutter Jesu. Gar manche der betreffenden vermeintlichen Offenbarungsmedien und Gruppen oder Grüppchen verschwand in folgenden Jahren dann längst wieder von der Bildfläche. Warnungen des Apostolischen/Heiligen Stuhles wie seriöser Vertreter eines sehr traditionsbewussten Katholizismus sind also umso berechtigter.
Auch politische Parteien und die mit ihnen verbundenen Ansprüche scheitern immer wieder vernehmlich. Dies geschieht für Außenstehende oft recht sang- und klanglos, da irgendein sich zum Parteigründer berufen fühlender Akteur eh keinen nennenswerten Anhang gewinnen konnte. Nicht umsonst unterstrich mein damaliger Geschichtslehrer in dem von mir besuchten unterfränkischen Gymnasium, dass irgendwo im Land ständig neue Parteien gegründet würden. Die meisten scheiterten sofort und vollständig. Wenn eine neugegründete Partei auch nur vorübergehend bei Wahlen nennenswert Erfolg erziele, um dann eh wieder zu verschwinden, sei dies schon bemerkenswert und lade ein, eigens betrachtet zu werden.
Hier wie dort wollen dann oft einstige Aktivisten bis Führungsgestalten solcher gescheiterten Unternehmungen nicht mehr auf ihre Beteiligung angesprochen werden. Da gilt eben immer wieder die Redensart „Nachher will es wieder keiner gewesen sein!“ oder „Nachher war’s wieder keiner!“
Beim Christentum verlief es ausgehend von der bezeugten Auferstehung Jesu Christi ganz anders. Das Christentum entwickelte sich und überlebte alle Diskriminierungen und Verfolgungen. Das Römische Reich, dessen Statthalter Pontius Pilatus Jesus zum Tode verurteilte und eben durch römische Soldaten hinrichten ließ, ist demgegenüber längst vergangen. Es bleibt da eine Frage für Historikerinnen und Historiker wie Freundinnen und Freunde staatsrechtlicher Nachforschungen und Diskussionen, wann dieses Römische Reich endete. Aber irgendwie gilt doch augenscheinlich: „Futsch ist futsch!“
Die mit den Römern gerade auch gegen Jesus von Nazaret zusammenarbeitenden Sadduzäer sind noch viel schneller von der Bildfläche verschwunden. Mit ihnen ging es schon in Zusammenhang mit dem Ersten Jüdischen Krieg, dem ersten großen jüdischen Aufstand, zu Ende. Das mag als eigene Warnung davor dienen, sich es mit weltlichen Machthabern als religiöse Gemeinschaft so nett einrichten zu wollen.
Kritische Distanz und intensive ehrliche Prüfung ist da eben immer wieder angesagt.
Dies betont die katholische Kirche auch in Hinblick auf Selig- und Heiligsprechungen. Ein eigener Bereich des außerkodikarischen Kirchenrechts ist Kanonisationsverfahren gewidmet.
Im CIC von 1983 wird darauf deutlich verwiesen. So lautet Paragraph 1 des dortigen Canons/Kanons 1403 ganz grundsätzlich:
„Die Verfahren zur Kanonisation der Diener Gottes werden durch besonderes päpstliches Gesetz geregelt.“
Auch auf das allgemeinere kodikarische Kirchenrecht wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich hingewiesen. So lautet Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanons 1403:
„In diesen Verfahren finden außerdem die Vorschriften dieses Gesetzbuches Anwendung sooft in diesem Gesetz auf das allgemeine Recht Bezug genommen wird oder es sich um Normen handelt, die aus der Natur der Sache auch auf diese Verfahren zutreffen.“
Irgendwelche Sonder- oder Neuoffenbarungen sind also auch hier nicht als rechtliche Norm oder Rechtsquelle vorgesehen.
Knapper ist es bezüglich Kanonisationsverfahren im CCEO für die Katholischen Ostkirchen gehalten. Dies Aussagerichtung aber ist offenkundig dieselbe. Canon/Kanon 1057 des CCEO hält nämlich fest:
„Bei Fällen von Dienern Gottes, damit sie unter die Heiligen gezählt werden, müssen die besonderen vom Papst festgesetzten Normen gewahrt werden.“
Im Besonderen wird damit auch in Hinblick auf den doch eher speziellen Bereich der Kanonisationsverfahren die volle Gemeinschaft der Katholischen Ostkirchen, auch genannt unierte/Unierte Kirchen und katholische orientalische Kirchen, mit dem Papst unterstrichen. Im weiteren Sinne weist auch dies auf die volle Einheit in der Glaubens- und Sittenlehre mit der so viel größeren Lateinischen Kirche im Rahmen der katholischen Weltkirche hin.
Sich besonders wichtig oder katholischer als der Papst fühlende Theologinnen und Theologen, Vereins- und Verbandsfunktionäre und -innen innerhalb der Lateinischen Kirche sollten also mit gegen Katholische Ostkirchen und ihre Gläubigen gerichteten Unterstellungen und Ausgrenzungen erst recht vorsichtig sein.
Dies gilt natürlich nicht nur zum Osterfest, sondern während des ganzen Jahres. So etwas ist eine Angelegenheit zu allen Jahreszeiten.
Osternacht:
1. Lesung: Gen 1,1-2,2 (oder 1,1.26-31a)
2. Lesung: Gen 22,1-18 (oder 22,1-2.9a.10-13.15-18)
3. Lesung: Ex 14,15-15,1
4. Lesung: Jes 54,5-14
5. Lesung: Jes 55,1-11
6. Lesung: Bar 3,9-15.32-4,4
7. Lesung: Ez 36,16-17a.18-28
8. Lesung: Röm 6,3-11
Evangelium: Lk 24,1-12
Ostersonntag:
1. Lesung: Apg 10,34a.37-43
2. Lesung: Kol 3,1-14 oder 1 Kor 5,6b-8
Evangelium: Joh 20,1-9 oder Lk 24,1-12;
bei der Abendmesse gegebenenfalls auch Lk 24,13-35
Gedanken zur Woche 265-b, Dr. Matthias Martin
OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2025)
Die Bedeutung des Hochfestes von OSTERN, dieses so herausragenden Festes I./Erster Klasse wird zusammen mit der besonderen Ausgestaltung der OSTERNACHT auch dadurch unterstrichen, dass mit ihm eine eigene Oktav, eben die OSTEROKTAV, verbunden ist.
Im Volksschott für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus von 1961 und damit aus der Amtszeit von Papst Johannes XXIII. heißt es zum OSTERMONTAG:
„Alle Tage der Osterwoche gelten der Liturgie als Festtage. Die Neugetauften wohnten in weißen Gewändern der Messe bei; deshalb beziehen sich die Texte der Meßfeier vielfach auf die in der hl. Taufe erlangte Wiedergeburt. Auch wir danken in diesen Tagen für die Gnade, die uns im Empfang der hl. Taufe zuteil geworden, und sind uns des neuen Lebens in Christus und der Reichtümer des Christenstandes bewußt.“
Die Wichtigkeit der OSTEROKTAV wird augenfällig in der deutschen Sprache verdeutlicht. So können die betreffenden folgenden Tage eigens mit zusammengesetzten Substantiven bezeichnet werden: OSTERDIENSTAG, OSTERMITTWOCH, OSTERDONNERSTAG, OSTERFREITAG und OSTERSAMSTAG. Der anschließende Sonntag wird traditionell ZWEITER SONNTAG DER OSTERZEIT wie auch WEISSER SONNTAG genannt. Auch andere Formulierungen und Schreibweisen sind dazu möglich. (siehe Gedanken zur Woche 210-b - OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2024)). Das Hochfest von OSTERN und die ganze OSTEROKTAV hat damit um so mehr allein schon in sprachlicher Hinsicht ihre besondere Bedeutung. Auch von daher mögen sich Menschen guten Willens angesprochen fühlen, für die Erhaltung der zugrundeliegenden religiösen Überlieferung einzutreten.
Eine eigene Herausforderung stellt dabei die Verteidigung des OSTERMONTAGS als öffentlichen Feiertag bzw. allgemein anerkannten arbeitsfreien Tag überall dort dar, wo er diesen Status besitzt. Hinzu kommt wie bei vergleichbaren besonderen Tagen die Möglichkeit, sich gerade in einem föderalen und konföderalen Staatsverband für eine Ausdehnung einer solchen Anerkennung einzusetzen, wenn diese in einigen Mitgliedsgebieten oder Teilstaaten eines solchen Staatswesen schon gegeben ist, in anderen aber noch nicht.
Das ist dann eben auch eine gute Gelegenheit für eine engagierte Zusammenarbeit zwischen konfessionellen Gemeinschaften einschließlich der katholischen Kirche und Gewerkschaften einschließlich und Arbeitnehmerorganisationen. Hinzu kommen, soweit vorhanden natürlich, je nachdem Arbeiterkammern, Arbeitnehmer- oder Arbeitskammern (siehe Gedanken zur Woche 115-b – PFINGSTMONTAG und 10. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 161 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 73 – HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DER HIMMEL und 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Dies gilt natürlich auch unabhängig davon, welche Art von Gewerkschaftswesen in einer Region oder einem Staatsverband vorhanden ist. Besonders in EU-Mitgliedsländern wie Frankreich, Spanien, Italien und Belgien ist das System von Richtungsgewerkschaften traditionell besonders stark verankert. Je nach kulturellem Raum und historischer Region gibt es immer wieder auch innerhalb solcher EU-Mitgliedsländer noch einmal erhebliche Unterschiede.
Die über die jetzigen Grenzen der dortigen Autonomieregion Baskenland hinaus tätigen baskischnationalen Gewerkschaften sind im jetzigen Königreich Spanien eine eigene ernstzunehmende Größe. Die Autonomieregion Andalusien weist markante Eigenheiten in Hinblick auf die Gewerkschaften auf. Es gibt einen eigenen ernstzunehmenden galicischen/galizischen Gewerkschaftsbund, der seinerseits auch international organisiert ist. Überhaupt zeichnen sich die Gewerkschaften im derzeitigen Königreich Spanien durch eine für Außenstehende oft überraschende Vielfalt aus.
In Hinblick auf das derzeitige französische Staatsgebiet können bezüglich Gewerkschaften gerade die Besonderheiten in der Bretagne, in Elsass-Lothringen und in Korsika samt so etwas wie Vorposten am Festland ins Auge springen. Genau Korsika, die Bretagne und Elsass-Lothringen sollen von Charle De Gaulles als relevante Kandidaten für eine Abspaltung vom französischen Staatsverband eingestuft worden sein (siehe allgemein Gedanken zur Woche 212-b – 3. OSTERWOCHE (2024)).
Für Menschen von außerhalb war eigens vor Jahrzehnten das italienische System von Richtungsgewerkschaften für Überraschungen gut.
In Belgien ist natürlich die durch die aufeinander folgenden Staatsreformen immer mehr ausgeweitete Eigenständigkeit der den Staatsverband miteinander bildenden Regionen und Gemeinschaften eigens zu beachten. Auch in parteipolitischer Hinsicht weisen diese ein jeweils ganz eigenes Profil auf. Die beabsichtigte Auflösung der schon zusehends geschwächten Parlamentskammer des Senats liegt auf dieser Linie einer schon weit vorangeschrittenen Auseinanderentwicklung der Regionen und Gemeinschaften in Belgien.
Jeweils ist aus der örtlichen Situation im christlichen Sinne das Beste zu machen.
Die grundsätzliche Offenheit der Kirche für Parteien, parteiähnliche Gruppierungen und Gewerkschaften wird dabei auch im Kirchenrecht, wenn auch nur kurz angesprochen.
So lautet in Hinblick auf die Kleriker Canon/Kanon 287, Paragraph 2 knapp und grundsätzlich:
„In politischen Parteien und an der Leitung von Gewerkschaften dürfen sie nicht aktiv teilnehmen, außer dies ist nach dem Urteil der zuständigen kirchlichen Autorität erforderlich, um die Rechte der Kirche zu schützen oder das allgemeine Wohl zu fördern.“
Es wird hier also weder eine bestimmte parteipolitische Richtung bevorzugt, noch eigens zurückgewiesen oder gar verurteilt. Dieser Kirchenrechtsparagraph ist in Hinblick auf Parteien und Gewerkschaften ganz im Sinne von Gleichbehandlung formuliert. Dies hat auch seine starke Relevanz in Hinblick auf Studentenverbindungen und akademische Clubs, denen mehr oder minder häufig die ein oder andere politische Nähe nachgesagt wird. Tatsächlich ist im Kirchenrecht nirgends die Mitgliedschaft in konfessionell ungebundenen Studentenverbindungen und akademischen Clubs untersagt. Gerade in Österreich mag einer Leserin, einem Leser sowieso spontan der Begriff der „Äquidistanz“ in den Sinn kommen.
Keine partei- oder gewerkschaftspolitische Ausgrenzung oder Bevorzugung wird auch in Paragraph 1 dieses CIC-Canons/Kanons 287 ausgesprochen:
„Die Kleriker haben die Bewahrung von Frieden und Eintracht, die auf Gerechtigkeit beruhen, unter den Menschen so weit als möglich immer zu fördern.“
Abgerundet werden diese Regelungen zu einer partei- und gewerkschaftspolitischen Offenheit durch den anschließenden Canon/Kanon 288. Dort wird u. a. festgehalten, dass die ständigen Diakone nicht an den zitierten Paragraphen 2 von Canon/Kanon 287 gebunden seien, „wenn nicht das Partikularrecht anderes bestimmt.“
In Hinblick auf das Partikularrecht sind dabei natürlich die Warnungen vor dessen Entwicklungen zu bedenken, welche mitunter schon vor Jahrzehnten öffentlich gemacht wurden. Auch in eher tagespolitischen Angelegenheiten neigen Bischofskonferenzen nicht zuletzt in EU-Mitgliedsländern zu unterschiedlichen Orientierungen. Dazu ist natürlich die grundsätzliche Einheit in den Fragen der Glaubens- und Sittenlehre innerhalb der katholischen Weltkirche zu beachten. Ebenso ist eine grundsätzliche rechtliche Einheit zwischen den Ortskirchen nicht leichtfertig zu übergehen. Der CIC wie zahlreiche Dokumente des außerkodikarischen Kirchenrechts wurden für die gesamte weltweite Lateinische Kirche und nicht nur für bestimmte Ortskirchen veröffentlicht und in Kraft gesetzt. Von staatlicher Rechtsordnung her wurde in diesem Gesamtzusammenhang auch schon der Grundsatz zitiert „Bundesrecht bricht Länderrecht“. Eine von anderen Bischofskonferenzen deutlich abweichende Ausrichtung im Verhältnis zu weltlichen Einrichtungen wie etwa politischen Parteien mit einem angeblichen Wesensinhalt des Christentums zu begründen, ist daher sehr problematisch. Erst recht zumindest fragwürdig wird dies, wenn betreffende Bischofskonferenzen geografisch direkt nebeneinander liegen.
In dieselbe Richtung wie im CIC werden wir überdies im CCEO gewiesen. Dabei werden auch die verfassungsrechtlichen Grundgegebenheiten der Katholischen Ostkirchen klar angeschnitten.
So besagt der CCEO-Canon/Kanon 384:
§ 1. Als Diener der Versöhnung aller in der Liebe Christi sollen sich die Kleriker eifrig bemühen, Frieden, Einheit und Einmütigkeit zu fördern, gestützt auf die Gerechtigkeit unter den Menschen.
§ 2. In politischen Parteien und in der Leitung von Gewerkschaften dürfen sie nicht aktiv beteiligt sein, wenn dies nicht nach dem Urteil des Eparchialbischofs bzw., wenn es das Partikularrecht so verlangt, des Patriarchen oder einer anderen Autorität der Schutz der Rechte der Kirche oder die Förderung des Gemeinwohls erforderlich macht.“
Gedanken zur Woche 264, Dr. Matthias Martin
PALMSONNTAG (2025)
Dem PALMSONNTAG kommt sowohl im eigentlichen kirchlichen Leben wie im weiteren gesellschaftlich-kulturellen Leben eine besondere Bedeutung zu. Das Verteilen, manchmal auch der Verkauf, und die öffentlich sichtbare Mitnahme von Palmbuschen oder Palmzweigen hebt diesen Tag schon optisch hervor. Mitunter wird der Einzug Jesu von Nazaret auf einem Esel in Jerusalem nachgestellt. Auch außerhalb des Christentums begegnen uns ganz generell die Verbindung von religiösen Inhalten und schauspielerischem Wirken, Theaterwesen und filmischem Schaffen. Natürlich ist hier jeweils zwischen den unterschiedlichen Religionen, Konfessionen, kulturellen Einzelüberlieferungen und dergleichen zu unterscheiden. Schon in äußerlichen Angelegenheiten können sich die Aufzweigungen oder Aufsplitterungen einer größeren konfessionellen Überlieferung deutlich unterscheiden. Dies ist etwa gut sichtbar bei den so unterschiedlichen konfessionellen Gemeinschaften, die irgendwie als Mennoniten bezeichnet werden. Tragen die einen bewusst Kleidung, die direkt auf das 18. Jahrhundert verweist, so sind „progressive“ Mennoniten üblicherweise anhand ihrer Kleidung nicht von der Mehrheitsbevölkerung oder Durchschnittsbevölkerung ihrer Umgebung zu unterscheiden. Irgendwie dazu passend neigt man in solchen Kreisen dazu, sich dieser Umgebung auch in der Alltagssprache und dann irgendwann in der Gottesdienstsprache anzupassen. Dies lässt sich in so unterschiedlichen Staatswesen wie den USA/Vereinigten Staaten von Amerika und Belize feststellen. Mennonitische Gruppen, die sich auf einen solchen Weg der Assimilierung begeben haben, tendieren dann auch dazu, den strikten Pazifismus mit der Wehrdienstverweigerung aufzuweichen bis überhaupt aufzugeben.
Ich erinnere mich, wie während meiner Tätigkeit als Priester im Bistum Dallas (Staat Texas) ein wohlsituierter römisch-katholischer Gesprächspartner während einer Veranstaltung mit dem damaligen Bischof des Bistums Tyler voller Bewunderung vom mennonitischen Zweig seiner Familie oder gewissermaßen Verwandtschaft sprach. Dort habe man strikt das überlieferte Erbe bewahrt. Die betreffenden Verwandten sprächen immer noch Deutsch. Zum anderen lehnten sie weiterhin als konservative Mennoniten den Dienst an der Waffe konsequent ab. Ein Vertreter dieses Familienzweiges sei während des Zweiten Weltkrieges bei diesen konservativen Mennoniten Bischof gewesen. Als ein Neffe von ihm in die US-Streitkräfte eintrat, habe er ihn umgehend exkommuniziert. Als dieser Neffe nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die Gemeinschaft zurückkehren wollte, habe ihm sein eigener bischöflicher Onkel dies rigoros verweigert. Er habe ihm vorgeworfen, sich als es gepasst habe, die Militäruniform angezogen zu haben. Dies habe wohl auf Frauen Eindruck gemacht. Nun wolle dieser Neffe das wohl einfach abhaken. Das sei nicht zu akzeptieren. Für den Neffen aus solcher konservativen mennonitischen Familie gab es keine Rekonziliation, schon gar nicht bei seinem bzw. über seinen bischöflich-mennonitischen Onkel. Wie gesagt, mein US-amerikanischer Gesprächspartner sprach voller Bewunderung von solchem konservativen Mennonitentum und seinen unbeugsamen Vertretern. Die Geschichte des Mennonitentums ist dabei typisch für die große Spaltungsfreudigkeit unter Gruppierungen in der Täufertradition des 16. Jahrhunderts und generell in dem so vielfältigen Gesamtphänomen des „Protestantismus“.
Natürlich gehen dort auch die Meinungen und Lehraussagen zum filmischen Wirken im Allgemeinen und bezüglich religiöser Inhalte im Besonderen weit auseinander und können auch direkt im Widerspruch zueinanderstehen.
Dementsprechend gibt es „Protestanten“, welche Verfilmungen zu neutestamentlichen Stoffen ausdrücklich befürworten oder gar selber durchführen. Andere lehnen dies ausdrücklich ab. Dies mag man sich am PALMSONNTAG und während der KARWOCHE/HEILIGEN WOCHE bewusst halten.
In Verfilmungen zum irdischen Wirken Jesu bzw. Verfilmungen zum Textmaterial von Evangelien wird diesem Einzug in Jerusalem nämlich eigene Aufmerksamkeit geschenkt.
Dann stellt der PALMSONNTAG natürlich grundsätzlich den Beginn der KARWOCHE dar, welche auch die HEILIGE WOCHE genannt wird. Gerade in romanischen Sprachen, aber etwa auch im Amerikanischen, begegnet uns diese Bezeichnung (siehe Gedanken zur Woche 158 – PALMSONNTAG (2023)).
Dabei wird das überlieferte Ereignis eines mehr oder minder triumphalen Einzuges Jesu von Nazarets in Jerusalem mitunter als Versinnbildlichung der Schnelllebigkeit politisch-gesellschaftlicher Stimmungen gesehen. Wenige Tage nach diesem auch in modernen Verfilmungen gerne als triumphal dargestellten Einzuges in der Heiligen Stadt wurde Jesus festgenommen, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Gerne wird es dabei so interpretiert oder dargestellt, dass sich die Meinung der Bevölkerung oder einer Mehrheit der Bevölkerung feindselig gegen ihn gewandt habe. Nun ja. Es gibt nicht umsonst Formulierungen oder Sprichworte wie „So vergänglich ist der Ruhm der Welt“, „So vergeht der Ruhm der Welt“ oder „Oh wie schnell vergeht der Ruhm der Welt“ und „Wer mit dem Zeitgeist verheiratet ist, kann schnell verwitwet sein“. Man mag da auch an die Warnung denken, dass, wenn man dem Zeitgeist hinterhereile, dieser schon am nächsten Hauseck angelangt sein könne.
Dabei ist natürlich auch bei dieser Gelegenheit zu bedenken, dass das Judentum schon in neutestamentlicher Zeit längst in einander befehdende Gruppen und Strömungen aufgespalten war. Die jetzigen aktuellen innenpolitischen Auseinandersetzungen in Israel sind da umso mehr nichts Neues. Die Auseinandersetzungen in Zusammenhang mit dem Makkabäeraufstand und der Herausbildung der Hasmonäerdynastie werden mitunter als ein primär innerjüdischer Konflikt gesehen, in welchen zunächst einmal die Seleukidendynastie mit ihrem Reich hineingezogen worden sei (siehe Gedanken zur Woche 209 – PALMSONNTAG (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 238-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Natürlich sollen wir uns in unserer Zeit bemühen, Konflikte friedlich zu lösen. Dies betrifft sowohl den staatlichen bis multinationalen Bereich wie das eher innerkirchliche Leben.
Dazu soll nicht zuletzt die Justiz dienen. Nicht umsonst gibt es eben auch das kirchliche Gerichts- oder Prozesswesen. Dabei müsste dort jede Tätigkeit hohen, ja höchsten Ansprüchen genügen. Dies gilt gerade in unserer Zeit. Dass die kirchliche Entwicklung seit den sechziger Jahren sehr negativ war, ist kein Geheimnis mehr. Das Fehlverhalten kirchlicher Mitarbeiter und erst recht kirchlicher Führungskräfte kann leicht die Runde machen. Bedienen sich Kirchenvertreter gerne der verschiedenen modernen Medien, so können solche auch unangenehme Dinge über sie berichten und verbreiten.
Sicher sind die Festlegungen in einem CIC-Canon/Kanon wie Canon/Kanon 1448 ernst zu nehmen und sollten nicht leichtfertig abgetan werden.
So lautet doch der Paragraph 1 dieses Canons/Kanons 1448:
„Der Richter darf in keinem Rechtsstreit tätig werden, an dem er aufgrund von Blutsverwandtschaft oder Schwägerschaft in der geraden Linie und bis zum vierten Grad der Seitenlinie, ferner aufgrund von Vormundschaft oder Pflegschaft, freundschaftlichem Verkehr, feindlicher Einstellung, Erwartung eines Gewinnes oder Vermeidung eines Verlustes irgendwie persönlich interessiert ist.“
Auch der sich anschließende Paragraph 2 verdient konsequente Beachtung:
„Unter denselben Umständen müssen sich Kirchenanwalt, Bandverteidiger, Beisitzer und Vernehmungsrichter ihrer Ämter enthalten.“
(Partei-)Politische Stellungnahmen von Kirchenvertretern bis hin zu einer ganzen Bischofskonferenz können da sehr leicht problematisch bis für die kirchliche Rechtspflege wirklich belastend werden. Kann man denn noch erwarten, dass ein kirchlicher Richter, ein Kirchenanwalt, Bandverteidiger, Beisitzer oder Vernehmungsrichter noch unvoreingenommen handelt, wenn er selber Aussagen getroffen hat, mit denen ein Mensch, der eine Prozesspartei darstellt oder vertritt, politisch unterstützt oder aber angegriffen bis auch in kirchenrechtlich relevanter Hinsicht ausgegrenzt wird? Schon vor Jahrzehnten war doch war es als Vorwurf oder aber als Lob zu vernehmen, dass parteipolitische Loyalitäten bei Eheprozessen in einem bundesdeutschen Bistum, einer solchen Diözese, eine wichtige bis entscheidende Rolle spielen könnten.
Solchen Hinweisen ehrlich und konsequent nachzugehen, könnte wohl kirchlicher Glaubwürdigkeit einen guten, wenn auch nicht einfachen Dienst erweisen.
1. Lesung: Jes 50,4-7
2. Lesung: Phil 2,6-11
Evangelium: Lk 22,14-23,56
Gedanken zur Woche 264-b, Dr. Matthias Martin
HEILIGE WOCHE/KARWOCHE (2025)
Dramaturgisch stellt die HEILIGE WOCHE, im deutschen Sprachraum meist KARWOCHE genannt, einen ziemlichen Höhepunkt im Kirchenjahr dar.
Es beginnt doch mit PALMSONNTAG, an welchem des Einzuges Jesu in Jerusalem gedacht wird. Es folgt das letzte Abendmahl mit seiner ganz eigenen Darstellung in dem ja auch sonst gegenüber den anderen neutestamentlichen Evangelien so eigenständigen Johannesevangelium. Die berühmten Abschiedsreden finden wir eben nur dort. Anders aber als in den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas wie auch im Ersten Korintherbrief finden wir dort eben keinen (eucharistischen) Einsetzungsbericht (siehe Gedanken zur Woche 230 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
Wie üblich gibt es auch für das offensichtliche Nichtvorhandensein eines (eucharistischen) Einsetzungsberichts im johanneischen Letzten Abendmahl recht unterschiedliche Erklärungsversuche.
Ganz verschieden wird auch die an das Letzte Abendmahl folgende neutestamentlich Überlieferung interpretiert. Welche Rolle spielte der nach allgemeinem Dafürhalten Verräter im Apostelkreis, Judas Iskariot, nun wirklich? Wie sind seine Person und sein Wirken auch in theologisch-heilsgeschichtlicher Hinsicht zu interpretieren? Die einschlägigen Diskussionen und Mutmaßungen gehen bis dahin, dass etwa in einer moderneren Verfilmung ein römischer Ermittler den Verdacht äußert, bei Judas Iskariot habe es sich um eine Art Doppelagenten im Sinne des Jesus von Nazaret gehandelt.
Bekanntlich besonders umstritten ist die Einordnung des römischen Statthalters Pontius Pilatus. War er ein zynisches Scheusal oder ein Mann guten Willens oder etwas dazwischen? Unter Einbeziehung apokrypher Schriften, die also zumindest von den meisten christlichen Konfessionen und dergleichen nicht als Teil der Bibel anerkannt sind, kann man auch heutzutage sogar die Verehrung des Pontius Pilatus als eines dann ausdrücklich zum Christentum bekehrten und dieses bis in den Tod bekennenden Heiligen finden. Andere sehen ihn völlig konträr dazu als ein besonders abschreckendes Beispiel für einen Vertreter des römischen Ausbeutungs- und Unterdrückungsapparates. Es kann uns auch der Vorwurf begegnen, genau die Angehörigen der Familie dieses Pontius Pilatus seien verräterische prorömische Kollaborateure und Verräter an ihrer samnitischen Herkunft gewesen (siehe Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021) und Gedanken zur Woche 106 – 5. FASTENSONNTAG (2022)).
Wie ist etwa die so im Johannesevangelium überlieferte Frage des Pontius Pilatus an Jesus während dieses Prozesses zu verstehen „(Joh 18,38) … Was ist Wahrheit?“
War es das zynische Abkanzeln des Angeklagten durch einen rücksichtlosen Machtmenschen? Oder hat sich zwischen beiden, also Pontius Pilatus und Jesus von Nazaret, ein ernsthaftes Gespräch bis hin zu einer gewissermaßen philosophischen Diskussion entwickelt? Oder war es gar Ausdruck eines ehrlichen Ringens eines Mannes, der selber bedrängt bis der Verzweiflung nahe war. Dann hätte diese Frage des Pontius Pilatus in etwa die Bedeutung, dass dieser von Jesus Rat suchte, wie er sich denn überhaupt in dieser schlimmen Situation verhalten solle.
Welche Rolle spielte die damalige innenpolitische Lage des Römischen Reiches? Hatte sich Pontius Pilatus wirklich selber in eine gefährdete Situation begeben, als er sich dem dann gestürzten und hingerichteten Prätorianerpräfekten Sejanus/Seianus freundlich gesinnt gezeigt hatte? Der blutige Aufstieg und Fall des Sejanus/Seianus ist ja auch Thema in Historienfilmen und nicht nur einer kleinen Gruppe von Althistorikerinnen und Althistorikern, Religionswissenschaftlerinnen und Religionswissenschaftlern und dergleichen etwas bekannt. Hing über Pontius Pilatus nun als römischen Statthalter das Damoklesschwert, demnächst selber als Angehöriger der in Ungnade gefallenen Sejanus-Fraktion seine Stellung oder gar sein Leben zu verlieren? Wollte er mit einer Verurteilung wie der des Jesus von Nazaret sich selber schützen, indem er eine klare kaisertreue Härte zur Schau stellte?
Welche Rolle und Bedeutung hatten demgegenüber die in der neutestamentlichen Überlieferung auftretenden jüdischen Ankläger Jesu? Sicher ist, dass es längst vielfältige innerjüdische Spannungen bis offensichtlich auch Gewalttätigkeiten gab.
Der Prozess Jesu mit Verurteilung zum Tode und Kreuzigung wird ähnlich wie der Prozess, die Verurteilung und anschließende Hinrichtung des Sokrates gerne als Mahnung aufgegriffen und herausgestellt, sich gegen den Missbrauch der Justiz einschließlich etwaiger politischer Verflechtungen zu stellen.
Da sollte man natürlich gerade in der Kirche mit ihrem Verwaltungs- und ihrem Gerichtswesen besonders bemüht sein, in diesem Sinne möglichst makellos dazustehen. Tatsächlich wird doch im Kirchenrecht immer wieder ein sehr hoher Selbstanspruch formuliert. Dies findet sich im CIC für die Lateinische Kirche, im CCEO für die Katholischen Ostkirchen wie im außerkodikarischen Kirchenrecht. Immer wieder äußerten sich auch Päpste in Ansprachen in diesem Sinne.
So sollte Fairness und Sorgfalt etwa in jedem kirchlichen Strafprozess im guten Sinne strikt verwirklicht werden. Dies hat bereits bei den Voruntersuchungen bzw. der Voruntersuchung zu beginnen, wie CIC-Canon/Kanon 1717 deutlich macht (siehe Gedanken zur Woche 259-b – 1. FASTENWOCHE (2025)).
In Paragraph 1 des nachfolgenden Canons/Kanons 1718 heißt es dann unter klarem Hinweis auf das Vorhandensein von Spruch- und Tatstrafen im lateinischen Kirchenrecht ernsthaft:
„Wenn genügend Anhaltspunkte gesammelt sind, hat der Ordinarius zu entscheiden, ob:
1°ein Verfahren zum Zweck der Verhängung oder der Feststellung einer Strafe eingeleitet werden kann;
2°dies unter Beachtung von can. 1341 tunlich ist;
3°ein gerichtliches Verfahren stattfinden muss oder ob, falls gesetzlich nicht verboten, mittels eines außergerichtlichen Dekretes vorzugehen ist.“
Der angeführte Canon/Kanon 1341 betont, dass auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg zur Verhängung oder Feststellung von Strafen voranzuschreiten ist, wenn andere Möglichkeiten nicht erfolgversprechend sind (siehe Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Die strenge Orientierung an der Wahrheit und zugleich die sich nicht zuletzt im Erlass von Dekreten verwirklichende Wichtigkeit von Schriftlichkeit im kirchlichen Prozess-/Verfahrenswesen wird dann eigens in Paragraph 2 des Canons/Kanons 1718 akzentuiert:
„Der Ordinarius soll das in § 1 erwähnte Dekret aufheben oder ändern, wenn ihm aufgrund neuer Anhaltspunkte richtig erscheint, eine andere Entscheidung zu treffen.“
Leichtfertigkeit und zweifelhaften Gefälligkeiten sollte kein Raum gelassen werden. Vielmehr wird immer wieder Ernsthaftigkeit und strenge Redlichkeit verbunden mit Beharrlichkeit angemahnt oder in Aussicht gestellt. In diese Richtung geht auch Paragraph 3 dieses CIC-Canons/Kanons 1718:
„Bei Erlass der in §§ 1 und 2 erwähnten Dekrete soll der Ordinarius, falls er dies für klug erachtet, zwei Richter oder andere rechtskundige Personen anhören.“
Dabei soll nicht aus den Augen gelassen werden, dass Gläubige doch das Recht haben, sich jederzeit direkt an den Apostolischen/Heiligen Stuhl zu wenden. Dieses Recht steht ihnen gemäß Canon/Kanon 1417 Paragraph 1 „in jeder Gerichtsinstanz und in jedem Prozessabschnitt“ zu (siehe Gedanken zur Woche 249-b – WEIHNACHTSOKTAV einschließlich HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA sowie anschließende TAGE DER WEIHNACHTSZEIT (2024-2025)). Dieses Grundrecht gilt für das kirchliche Verfahrensrecht und überhaupt mit Blick auf das ganze kirchliche Leben. Es existiert völlig unabhängig vom Wohlwollen oder Missfallen örtlicher Kirchenvertreter oder wie auch immer.
Dabei soll schon bei der Voruntersuchung zu einem möglichen kirchlichen Strafprozess wie auf dem Weg zu einer solchen Voruntersuchung hin und beim Abschluss einer solchen Voruntersuchung mit den damit verbundenen Dokumenten sorgfältig umgegangen werden. Dies verdeutlicht im CIC Canon 1719:
„Die Voruntersuchungsakten und die Dekrete des Ordinarius, mit denen die Voruntersuchung eingeleitet oder abgeschlossen wird, sowie alle Vorgänge, die der Voruntersuchung vorausgehen, sind, falls sie für einen Strafprozess nicht notwendig sind, im Geheimarchiv der Kurie abzulegen.“
Gedanken zur Woche 263, Dr. Matthias Martin
5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2025)
Es hat seinen eigenen Zeichencharakter, wenn auf den 5./FÜNFTEN FASTENSONNTAG, der ja auch PASSIONSSONNTAG genannt wird, der (besondere) „Gebetstag für die verfolgten Christinnen und Christen“ fällt.
Die Hoffnung etwa nach dem Fall des Eisernen Vorhanges in Europa, es würden nun alle Bedrängnisse und Konflikte ein Ende finden, haben sich als, gelinde gesagt, naiv erwiesen. Dazu waren diese Hoffnungen ziemlich eurozentisch und haben wohl gerade noch ein bisschen den nordamerikanischen Kontinent im Blick behalten. Dabei hatte etwa der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. schon in seinem Interviewbuch „Zur Lage des Glaubens“ vor jeder forschrittsoptimistischen Naivität gewarnt und auf die fortdauernd reale Macht des Bösen als Theologe hingewiesen. Auch wenn man es nicht theologisch anging, hatte man allen Grund, skeptisch zu sein. Man braucht nicht von theologischen Annahmen oder Ausdrücken auszugehen wie Erbsünde, Gefallenheit der menschlichen Natur oder Hinneigung des Menschen zur Sünde, um gegenüber so etwas wie innerweltlichen Heilsbehauptungen oder so etwas wie auf die irdische Geschichte bezogene Erlösungsverheißungen skeptisch zu sein.
Geht man die Sache grundsätzlich historisch an, so stellt man fest, dass zumindest irgendjemand wiederholt meinte, nun hätten irdische Konflikte ein Ende. Auch nur ein dauernder weltweiter Friedenszustand ist aber jeweils nicht eingetreten. Sowohl das offizielle Ende des Ersten als auch des Zweiten Weltkrieges leiteten zu neuen blutigen Konflikten über. Im Nahen Osten etwa kam es umgehend zu Gemetzeln, als nach Ende des Ersten Weltkrieges die alliierten Hauptsiegermächte Großbritannien und Frankreich daran gingen, die im berüchtigten Sykes-Picot -Abkommen heimlich vereinbarte Aufteilung des Nahen Ostens auch tatsächlich durchzusetzen. Dabei schreckte Großbritannien mit seiner anglikanischen Staatskirche nicht vor dem erstmals angewandten Luftterror zur Unterwerfung des heutigen Iraks zurück. Auch Giftgas wurde ja ganz offensichtlich eingesetzt. Dabei hatte beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit dem Erzbischof von Canterbury der höchste Geistliche eben der anglikanischen Staatskirche erklärt, Großbritannien führe einen „Holy War“, also einen „Heiligen Krieg“.
Ja richtig, dieser Spitzenvertreter einer angeblich so christlichen Gruppierung wie der anglikanischen Staatskirche zu Großbritannien mit allen Ausdifferenzierungen bezüglich Schottland, Wales und der damals noch insgesamt besetzten Insel von Irland tat dies wenige Jahre, nachdem im Burenkrieg dieses angeblich so christliche Britische Empire die ersten Konzentrationslager einsetzte, und während es über Jahre hinweg die tasmanische Urbevölkerung auf dem australischen Kontinent ausrottete (siehe Gedanken zur Woche 65-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2021) und Gedanken zur Woche 175-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Nach Ende des Ersten Weltkrieges führte das Britische Empire gewissermaßen routinemäßig mit seiner Luftwaffe Terrorangriffe gegen einheimische Völker in Asien und Afrika durch. Dies dürfte dem Ansehen des Christentums einen nicht wieder gutzumachenden Schaden zugefügt haben. Eine ernsthafte Aufarbeitung britischerseits ist nicht einmal ansatzweise erfolgt. So wundert es umso weniger, dass nach dem Ende dann des Zweiten Weltkrieges alsbald neue Kolonialkriege ausbrachen.
Dabei schreckte auch das unter dem Banner seines spezifischen Laizismus so feindselig gegen die katholische Kirche eingestellte Frankreich nicht davor zurück, sich etwa in seinen so brutalen Kriegen in Indochina (siehe Gedanken zur Woche 73-b – 20. WOCHE IM JARHESKREIS (2021) und Algerien (siehe Gedanken zur Woche 185-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 212-b – 3. OSTERWOCHE (2024)) ein „christliches“ Mäntelchen umzuhängen. Zwar gab es dagegen dann doch manchen Protest gerade aus katholischen Kreisen (siehe ebd.), aber das war dann höchstens so etwas wie eine mehr oder minder bedingte Schadensbegrenzung.
So ist es unbestritten, dass die Konflikte etwa im Nahen Osten seit dem Ausgang des Ersten Weltkrieges kein Ende mehr nahmen. Dies wurde mit Auswirkungen, deren Ende nicht abzusehen ist, dadurch gefördert, dass gerade die einstweilen so siegriechen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien alles taten, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Dies taten sie auch in anderen Weltgegenden. Die Diskreditierung des Christentums etwa in Myanmar, auch genannt Burma und wohl seltener als Birma bezeichnet, durch die britische Politik mit ihrem gezielten Einsatz örtlicher vermeintlich so „christlicher“ Handlanger ist dazu ein eigenes Thema.
Die Warnungen Lenin, schon vor den Hauptsiegermächten des Ersten Weltkrieges hatten doch einiges für sich, wie der weitere Verlauf der Geschichte bewies und beweist (siehe Gedanken zur Woche 244 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2024)).
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es mit bewaffneten Konflikten und brutalen Verfolgungen von Menschen weiter. Die gezielte Vertreibung einheimischer Bevölkerung erreichte neue Dimensionen.
Die nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Zusammenhang mit offizieller Dekolonialisierung erfolgten Grenzziehungen in Afrika legten die Grundlage für weitere Konflikte. Afrika erwies sich auch in den Jahren nach 1990 als besonders konfliktgeplagter Kontinent.
Ist der Biafra-Krieg mancher und manchem noch im Gedächtnis, so kam es in Nigeria in den letzten Jahren zu einer gerade gegen Christinnen und Christen gerichteten Eskalation der Gewalt. Von ganz verschiedenen Persönlichkeiten wurde mit Nigeria der offiziell bevölkerungsreichste Staat Afrikas überhaupt als koloniale Fehlgründung bezeichnet.
Die SEATO, das Schwesterbündnis der NATO für Südostasien, hat sich längst aufgelöst. Es hatte weder seine Schutzstaaten Laos, Kambodscha und Südvietnam verteidigen noch den Verlust des östlichen Landesteiles seines Mitgliedes Pakistan verhindern können. In Laos und Kambodscha kam es zur Machtergreifung von Kommunisten. In Kambodscha fielen diese unter Mitwirkung ihrer ausländischen Genossen einschließlich eines Grenzkrieges zwischen China und Rot-Vietnam übereinander her. Die Republik Südvietnam wurde ganz ausradiert. Das einstige Ost-Pakistan ist längst als Volksrepublik Bangladesch ein international anerkannter eigener Staat.
Auch CENTO, das andere Schwesterbündnis der NATO, an welchem gerade Pakistan ebenfalls beteiligt war, CENTO, löste sich auf.
So wundert es nicht, dass inzwischen offen über eine Auflösung der NATO spekuliert wird. In Afghanistan wie in Mali haben ja die Interventionstruppen aus westlichen Ländern und da gerade aus europäischen NATO- bzw. EU-Mitgliedsstaaten besonders augenfällig jeweils ein Debakel erlitten.
Hier wie dort gibt es kein „Ende der Geschichte“.
Man kann sich bis heute in der Internationalen Gemeinschaft nicht einmal dazu einigen, wie viele Staaten es überhaupt gibt. s kann man anhand der drei Staaten gut ersehen, aus welchen in den letzten drei Jahren die Texte für den Ökumenischen Weltgebetstag (der Frauen) kamen: Cookinseln/Cook Inseln, Palästina und Taiwan. Es ist bis heute in der Internationalen Gemeinschaft keineswegs selbstverständlich, diese drei Staatswesen anzuerkennen und mit ihnen diplomatische Beziehungen zu unterhalten, wie dies jeweils der Heilige/Apostolische Stuhl tut. Kriege, Territorialstreitigkeiten und auch Verfolgungen von Christinnen und Christen hören ganz generell nicht auf.
Innerhalb der Kirche ist es auch nicht so gut gelaufen, wie viele es in Zusammenhang insbesondere mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil erwartet hatten. Das „neue Pfingsten“ für die Kirche ist ausgeblieben. Die Warnungen einst als Unglückspropheten gescholtener Menschen haben sich oft bewahrheitet. Die rapiden Einbrüche bei den Kirchensuchern, Ordens- und Priesterberufungen sind doch längst kein Geheimnis mehr. Ungezählte Menschen haben die katholische Kirche in die eine oder andere Richtung verlassen. Schon seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts spricht man infolge der Massenübertritte bisheriger Katholkinnen und Katholiken zu Pfingstkirchen von der „Pentecostalisierung/Pentekostalisierung Lateinamerikas“.
Ein eigenes Problem stellen die Missbrauchsskandale dar. Es ist klar, dass die katholische Kirche nicht allein davon betroffen ist. Aber sie betreffende Meldungen sorgen eben doch immer wieder für eigenes Aufsehen.
Immer wieder wird ein innerkirchliches härteres Durchgreifen von inner- wie außerhalb der offiziellen kirchlichen Strukturen stehenden Menschen gefordert. Wer meint, das kirchliche Strafrecht müsse nach der ersten Bewegung in diese Richtung weiter verschärft werden, steht mit dieser Forderung nicht allein (siehe Gedanken zur Woche 234-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 236 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 245 – 1. ADVENTSONNTAG (2024) und Gedanken zur Woche 247 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024)). Der Verfasser dieses Beitrages meinte schon zur Zeit des sog. Kirchenvolksbegehrens in Österreich, dass der konsequente Aufbau einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit nötig sei.
1. Lesung: Jes 43,16-21 oder Ez 37,12b-14
2. Lesung: Phil 3,8-14 oder Röm 8,8-11
Evangelium: Joh 8,1-11 oder Joh 11,1-45
Gedanken zur Woche 263-b, Dr. Matthias Martin
5. FASTENWOCHE (2025)
Die Fastenzeit bezeichnet in christlicher Überlieferung eine Zeit besonderer Anstrengung.
Natürlich wäre es naiv, anzunehmen, dass auch nur die sich irgendwie noch nominell zur Kirche bekennenden Katholikinnen und Katholiken in so etwas wie heiligem Streben vereint wären. Längst hat sich ja gerade in westlichen Ländern weitgehende Säkularisierung durchgesetzt. Hinzu kommt die Pluralisierung des religiösen Lebens, welche eine Auswahlspiritualität und selektive Lebenspraxis auch bei Katholikinnen und Katholiken sehr gefördert hat.
Schon vor Jahrzehnten wurde dies von mancher Dozentin und manchem Dozenten an einer theologischen Fakultät wie in der katholischen Erwachsenenbildung thematisiert. Das erneute Hervortreten vor- oder außerchristlicher Frömmigkeitselemente einschließlich liturgischer Praktiken auch bei Menschen, die sich nicht offiziell von der katholischen Kirche losgesagt haben, ist etwa in Weiten Lateinamerikas, der Karibik und Afrikas keine Seltenheit. Parallel und oft wiederum in bewusster Konkurrenzsituation dazu geschieht eine massenweise Hinwendung von Katholikinnen und Katholiken zu evangelikalen und pfingstkirchlichen/pfingstlerischen Gemeinschaften mit einer solchen theologischen Orientierung.
Dass dies in mehr oder weniger kirchenamtlichen Veröffentlichungen wie dem Päpstlichen Jahrbuch und einem Statistischen Jahrbuch der Kirche in der Regel bis heute grundsätzlich keine Berücksichtigung findet, führt dann zu Irritationen und Spannungen. Wie kann es denn dazu kommen, dass die katholische Kirche zumindest außerhalb Europas ein deutliches bis rapides Wachstum verzeichne, wenn sogar örtliche bzw. nationale Bischofskonferenzen von erheblichen Mitgliederverlusten ausgehen sowie Volkszählungen und großangelegte Befragungen und eingehende Studien sehr deutlich in diese Richtung weisen? Öffentlich zugängliche Statistiken können sich bezüglich der konfessionellen Zusammensetzung der Bevölkerung in betroffenen Ländern in diesem Zusammenhang deutlich widersprechen. Dass dies auch anderen konfessionellen Gemeinschaften wie etwa den mehr oder minder offiziellen Anglikanern und Altkatholiken so geht, ist für die katholische Kirche kein Grund, einen falschen Triumphalismus zu veranstalten. Der Umstand, dass es in den meisten Ländern kein eigenes staatliches Kirchenaustrittsrecht gibt, verleitet bei manchen kirchenamtlichen Stellen dazu, so zu tun, als ob es eben in den Ländern des amerikanischen Doppelkontinents und Afrikas niemand seit den sechziger Jahren die katholische Kirche verlassen hätte, es die Probleme von Massenübertritten zu evangelikalen, pfingstkirchlichen/pfingstlerischen und mitunter anderen Gemeinschaften, sowie Zuzug zum Gesamtbereich von Ablehnung jeder Konfessionszugehörigkeit und erklärtem Atheismus und Agnostizismus wie Repaganisierungsprozesse nicht gäbe. Es werden in betreffenden Fällen nur die Eintritte in die katholische Kirche öffentlich gezählt, nicht aber das so zahlreiche Verlassen der Gemeinschaft. Das offizielle Kirchenrecht spricht nur davon, dass jemand durch die Taufe oder durch einen späteren Akt in die katholische Kirche aufgenommen werde. So etwas wie ein Kirchenaustritt, ein statistisch zu Buche schlagendes Verlassen der katholischen Kirche ist nicht vorgesehen.
Ein eigenes Phänomen stellen dazu Gemeinschaften dar, die vom Amerikanischen her „unabhängige katholische Gemeinschaften“ oder „unabhängige katholische Kirchen“ genannt werden. schillernden Phänomene von Sedisvakantismus, modernen Gegenpäpsten und ähnlichem gehören in diese Richtung (siehe Gedanken zur Woche 77-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 133-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 226 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
Dabei ist es doch bemerkenswert, welche enorme Bedeutung längst gerade pfingstkirchliche und evangelikale Gemeinschaften und Bewegungen etwa bei demokratischen Wahlen erlangt haben, und wie der Einfluss der katholischen Kirche eben auch in Ländern Lateinamerikas längst deutlich schwächer geworden ist. Ohne Massenübertritte auf Kosten der katholischen Kirche wäre so etwas wirklich nicht möglich. Auch so mancher in der katholischen Kirche geweihte Priester hat diese verlassen, um sich in einer anderen konfessionellen Gemeinschaft zu betätigen, eine solche (mit-)zugründen oder gar fortan außerhalb des Christentums zu wirken.
Dabei soll man doch bei solch ernsthaften Angelegenheiten möglichst exakt vorgehen. Selbsttäuschung bringt keine Lösung. In diese Richtung mahnte schon Joseph Kardinal Ratzinger vor seiner Wahl zum Papst, und er stand damit unter ernsthaften Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens nicht allein.
Dabei legt doch beispielsweise das kirchliche Prozessrecht seinerseits streng Wert auf Präzision.
So sind gemäß Kirchenrecht bei Streitverfahren im Bereich der kirchlichen Gerichtsbarkeit die Streitpunkte verlässlich festzulegen. Dementsprechend hält Paragraph 1 von Canon/Kanon 1513 im CIC von 1983 grundsätzlich fest:
„Die Streitfestlegung geschieht dadurch, dass durch richterliches Dekret die Streitpunkte genau bestimmt werden, die sich aus den Anträgen und Erwiderungen der Parteien ergeben.“
Wie hier schon angedeutet wird, ist das Verteidigungsrecht und die Gleichberechtigung von Prozessparteien vor einem kirchlichen Gericht zu achten. Jede Willkür und Diskriminierung sollten ausgeschlossen sein. Jeder Ortsordinarius und alle kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten sich in diesem Sinne nach besten Kräften bemühen. Auf Gleichberechtigung und Verteidigungsrecht der unterschiedlichen Prozessparteien wird dann eigens in Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanons 1513 hingewiesen:
„Die Anträge und Erwiderungen der Parteien können, außer in der Klageschrift, entweder bei der Erwiderung auf die Ladung oder in mündlichen Erklärungen vor dem Richter zum Ausdruck gebracht werden; in schwierigeren Fällen sind jedoch vom Richter die Parteien gemeinsam zur Festlegung des Streitpunktes oder der Streitpunkte zu laden, auf die im Urteil Antwort zu geben ist.“
In Hinblick auf die Möglichkeit für eine Prozesspartei, sich unabhängig auch von der eigenen gesellschaftlichen oder innerkirchlichen Stellung zur Wehr zu setzen und nicht im Laufe des Verfahrens übergangen oder hintergangen zu werden, werden diese Festlegungen abgerundet durch Paragraph 3 dieses Canons/Kanons 1513:
„Das richterliche Dekret ist den Parteien bekannt zu geben; sofern sie ihm nicht bereits zugestimmt haben, können sie innerhalb von zehn Tagen beim Richter eine Abänderung beantragen; diese Frage muss durch richterliches Dekret auf schnellstem Weg entschieden werden.“
Hierzu ist nicht zuletzt auch Canon/Kanon 1516 zu beachten. Auch hier werden wiederum bezüglich gesellschaftlicher und innerkirchlicher Stellung von Betroffenen, parteipolitischen und verwandtschaftlichen Beziehungen, ethnischer Herkunft und Geschlecht keine Unterschiede gemacht oder Privilegierungen ausgesprochen. Umso mehr ist eben auch dieser eher knappe Canon/Kanon 1516 des CICs im Blick zu behalten:
„Nach erfolgter Streitfestlegung hat der Richter eine angemessene Frist zur Vorlage und Ergänzung der Beweise zu setzen.“
Dabei ist eine betreffende richterliche Streitfestlegung jeweils eine ernste Angelegenheit. Auch in Hinblick auf eine mögliche Abänderung ist die Gleichrangigkeit der Prozessparteien vorurteilsfrei zu wahren. Dies wird durch Canon/Kanon 1514 verdeutlicht:
„Gültig können die einmal festgelegten Streitpunkte nur aus schwerwiegendem Grund durch ein neues Dekret auf Antrag einer Partei und nach Anhören der übrigen Beteiligten und Abwägen ihrer Gründe geändert werden.“
Der Rechtssicherheit sollte im kirchlichen Prozesswesen eigens die Ladung dienen. Umso mehr legt sich auch in diesem Punkt ein möglichst undiskriminierendes und vorurteilsfreies Vorgehen nahe. So lautet Canon/Kanon 1517 lapidar:
„Der Prozesslauf beginnt mit der Ladung; er wird aber nicht nur durch die Fällung eines Endurteils, sondern auch auf andere vom Recht vorgesehene Weisen beendet.“
Auch in Hinblick auf das Erlöschen eines (inner-)kirchlichen Prozesses als Folge eines Nichthandelns von beteiligten Parteien werden diese als grundsätzlich ohne Vorbedingungen gleichberechtigt dargestellt. Dies sollte durch Canon/Kanon 1520 deutlich genug gemacht sein:
„Wird sechs Monate lang von den Parteien, ohne dass sie daran gehindert sind, keine Prozesshandlung gesetzt; so erlischt der Prozesslauf. Ein Partikulargesetz kann andere Erlöschensfristen festlegen.“
Dabei ist natürlich nicht aus den Augen zu lassen, dass die nachkonziliare partikularrechtliche Gesetzgebung nicht unumstritten ist (siehe Gedanken zur Woche 247 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 255 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)).
Gedanken zur Woche 262, Dr. Matthias Martin
4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2025)
Gerade der 4./VIERTE FASTENSONNTAG verdeutlicht, wie sehr Kommunikation auf unterschiedliche Weise geschehen kann. Zum einen kann diese, kann die Übermittlung von Information, nonverbal durch optische Signale geschehen. Am VIERTEN FASTENSONNTAG können Diakone und Priester ja rosafarbenen liturgische Gewänder tragen. Dies ist sonst nur für einen weiteren Sonntag im kirchlichen Jahreskreis vorgesehen. Es handelt sich hierbei um den 3./DRITTEN ADVENTSONNTAG.
Dann kann Kommunikation auch verbal erfolgen. Dies kann in Gestalt des gesprochenen wie des geschriebenen Wortes geschehen. In neuester Zeit erlangte natürlich das Internet in all seinen Verzweigungen eine gewaltige Bedeutung, sowohl in Hinblick auf das geschriebene wie das gesprochene Wort, bildhafte Darstellungen und die Verbreitung ganzer Filmproduktionen. So kann man auch im Internet vernehmen, dass sowohl der VIERTE FASTENSONNTAG als auch der DRITTE ADVENTSONNTAG jeweils durch einen besonderen lateinischen Namen ausgezeichnet sind. Wird der Dritte ADVENTSONNTAG lateinisch GAUDETE genannt, so ist der lateinische Name für den VIERTEN FASTENSONNTAG seinerseits LAETARE (siehe Gedanken zur Woche 207 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2024); Gedanken zur Woche 208 – 5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2024); Gedanken zur Woche 219-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2024) und Gedanken zur Woche 247 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024)).
Die Bedeutung des Lateinischen ist dabei auf internationaler Ebene nicht zu leugnen. Man vergegenwärtige sich nur die Bezeichnung „Lateinamerika“ für Südamerika und größere Teile des nordamerikanischen Kontinents. Spanisch, auch Kastilisch oder aber Castellano genannt, wird vielleicht inzwischen von mehr Menschen als Mutter- oder Erstsprache gesprochen als all die so unterschiedlichen Varianten von English. Dabei ist bei all den Varianten von Spanisch von einer größeren Einheitlichkeit als bei den in Hinblick auf Wortschatz, Aussprache, Schreibweise und auch Grammatik so unterschiedlichen Varianten und Untervarianten von Englisch auszugehen. Immerhin gibt es für das Spanische die Königliche spanische Akademie für die Sprache. Diese setzt sich für die korrekte Verwendung der spanischen Sprache ein. Sie verfügt über eigene Büros, Abteilungen, Mitgliedsakademien und weitere Einrichtungen. U. a. wurde eine neue Grammatik der spanischen Sprache herausgegeben. Besonders wichtig ist die Herausgabe eigener Wörterbücher.
Eine vergleichbare Einrichtung für die englischsprachige Welt oder was immer man dafür halten will, gibt es nicht. In der Schreibweise schon weichen etwa das britische und das amerikanische Englisch/Amerikanisch voneinander ab. Das schottische Englisch erfreut sich einer eigenen Normierung und weist wichtige Eigenheiten etwa für die Bereiche Rechtspflege und Verhältnis Kirche-Staat auf. Eigenheiten hat auch das walisische Englisch zu bieten. Was der eine als Variante von Englisch bezeichnet, kann für den anderen eine eigene Sprache sein. Mit manchen US-amerikanischen Katholiken kann man sich auf jeden Fall über den Umstand unterhalten, dass das schottische Englisch auf der einen Seite und britisches oder englisches Englisch auf der anderen Seite nicht dasselbe ist. Da kann man auch die Meinung vernehmen, dass der Umstand, dass amerikanisches Englisch, eh auch Amerikanisch genannt, nicht längst als eine eigene offizielle Sprache in betonter Abgrenzung zu anderen Formen von Englisch proklamiert oder anerkannt ist, lediglich auf Desinteresse auf politisch-gesellschaftlicher Ebene zurückzuführen sei.
US-Bundesstaaten legen dabei eh Wert auf ihre Eigenheiten in der Gesetzessprache und dergleichen. Das begegnet einem dann etwa, wenn man sich in einem US-Bundesstaat auf eine Führerscheinprüfung vorbereitet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Pfarrei äußern sich dann auch schon einmal über solche amtsprachlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten wohlgemerkt innerhalb der USA.
Dabei kommt ja schriftlichen Festlegungen nicht zuletzt im kirchlichen Prozesswesen zentrale Bedeutung zu. Immer wieder bedarf es ausdrücklich eines schriftlichen Dokumentes, muss etwas schriftlich eingereicht bzw. festgehalten werden.
So wird im CIC von 1983 das Kapitel I von Teil II „Streitverfahren“, Sektion I „Ordentliches Streitverfahren“ in Buch VII „Prozesse“ mit der Formulierung „Einleitende Klageschrift“ überschrieben.
Dort wird grundsätzlich in Canon/Kanon 1501 festgehalten:
„Der Richter kann über keine Sache befinden, sofern nicht ein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechender Klageantrag von jemandem, der ein rechtliches Interesse geltend machen kann, oder vom Kirchenanwalt vorliegt.“
Die Notwendigkeit von Schriftlichkeit im kirchlichen Gerichtswesen betont sehr klar CIC-Canon/Kanon 1502:
„Wer jemanden belangen will, muss eine Klageschrift bei dem zuständigen Richter einreichen, in der der Streitgegenstand vorzutragen und der richterliche Dienst zu beantragen ist.“
Die betreffenden Angelegenheiten müssen also deutlich in schriftlicher Form festgehalten und vorgelegt werden. Bloßes Hörensagen und vertrauliches Gerede verbunden vielleicht mit innerkirchlicher Karriereunterstützung oder eine solche betreffende Zusage sind völlig unzureichend. Ebenso sind parteipolitische oder ethnisch-abstammungsmäßige Ausschließungsgründe ganz offensichtlich unstatthaft. Entgegenstehende Sonderregelungen oder diese zitierten Rechtsgrundsätze aufweichenden Bestimmungen für das Gebiet etwa einer bestimmten Bischofskonferenz sind nicht einmal andeutungsweise vorgesehen. Natürlich gilt es auch hier, solche niedergeschriebenen und offiziell in Kraft getretenen Rechtsbestimmungen auch glaubwürdig und beständig mit Leben zu erfüllen.
Dass eine Klageschrift bis in Einzelheiten hinein verlässlich genaue Angaben enthalten muss, unterstreicht eigens Canon/Kanon 1504:
„Die Klageschrift mit der der Prozess eingeleitet wird, muss:
1° zum Ausdruck bringen, bei welchem Richter die Klage erhoben worden wird, was und von wem etwas begehrt wird;
2° angeben, auf welches Recht und, wenigstens allgemein, auf welche Tatsachen und welche Beweismittel sich der Kläger zum Nachweis seiner Klagebehauptung stützt;
3° vom Kläger oder von seinem Prozessbevollmächtigten unterschrieben werden mit Angabe von Tag, Monat und Jahr sowie des Ortes, wo der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter wohnt oder zur Entgegenahme gerichtlicher Zustellungen erreichbar zu sein erklärt;
4° den Wohnsitz oder Nebenwohnsitz des Beklagten angeben.“
Dabei ist eben in Punkt 3 ausdrücklich die Rede von der „Entgegennahme gerichtlicher Zustellungen“.
Vergleichbares findet sich auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen.
So ist parallel zur Formulierung im CIC der Artikel I von Kapitel I des Titels XXV „Streitverfahren“ im CCEO überschrieben mit „Einleitende Klageschrift“.
Canon/Kanon 1185 des CCEO lautet dann:
„Wer jemanden belangen will, muß eine einleitende Klageschrift beim zuständigen Richter vorlegen, in welcher der Streitgegenstand dargelegt und der Dienst des Richters erbeten wird.“
Auch im CCEO werden dabei schon in Hinblick auf eine solche Klageschrift genaue und verlässliche Einzelangaben verlangt. Dementsprechend hält CCEO-Canon/Kanon 1187 fest:
„Die einleitende Klageschrift muß:
1° zum Ausdruck bringen, vor welchem Richter das Verfahren vorgebracht wird, was beantragt wird und von wem es beantragt wird;
2° angeben, auf welches Recht und, mindestens im allgemeinen, auf welche Tatsachen und Beweismittel sich der Kläger stützt, um das nachzuweisen, was behauptet wird;
3° unterschrieben werden vom Kläger oder von seinem Vertreter unter Angabe von Tag, Monat und Jahr sowie des Ortes, wo der Kläger oder sein Vertreter ihren Wohnsitz haben oder erklärt haben, sich zur Annahme von Gerichtsakten aufzuhalten;
4° den Wohnsitz oder Quasi-Wohnsitz der belangten Partei angeben.“
Parallel zur Formulierung in Punkt 3 des CIC-Canons/Kanons 1504 ist hier in Punkt 3 in der deutschen Fassung die Rede von „Gerichtsakten“ und ihrer „Annahme“.
1. Lesung: Jos 5,9a.10-12 oder 1 Sam 16,1b.6-7.10-13b
2. Lesung: 2 Kor 5,17-21 oder Eph 5,8-14
Evangelium: Lk 15,1-3.11-32 oder Joh 9,1-41
Gedanken zur Woche 262-b, Dr. Matthias Martin
4. FASTENWOCHE (2025)
Wenn man in die 4./VIERTE FASTENWOCHE eintritt, dann hat man seit dem ASCHERMITTWOCH schon einen Gutteil des Weges zur KARWOCHE/HEILIGEN WOCHE und zum höchsten Fest der Christenheit, eben OSTERN, geschafft. Der Blick richtet sich schon auf den 5./FÜNFTEN FASTENSONNTAG, der auch der PASSIONSSONNTAG genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 208 – 5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2024)), wie auf den PALMSONNTAG als dem Beginn der KARWOCH/HEILIGEN WOCHE.
Hoffentlich wurden jeweils schon die bisher vergangenen Tage der Fastenzeit gut genutzt. Dies stellt ja ein Angebot wie eine Herausforderung sowohl für Individuen, Familien, kleinere Gruppen wie etwa auch für Pfarreien und Bistümer/Diözesen dar. Dabei macht es das gesellschaftliche Klima gerade in westlichen Ländern nicht leicht, gute Fastenvorsätze auch tatsächlich und beharrlich in die Tat umzusetzen. Der Konsum weitgehend legalisierter Drogen wie Alkohol und Nikotin gehört doch oftmals zum guten Ton. Die Verbreitung solcher gesundheitsschädigender und auch die jeweiligen Staats- und Sozialhaushalte belastenden Genussmittel ist so schwerwiegend, dass sie auch Volksdrogen genannt werden. Hinzu kommt der so breite wie schwerwiegende Bereich von Medikamentenabhängigkeit. Diese wurde längst in den USA von führenden Vertretern beider großen Parteien als ernste Problematik erkannt, anstatt sie einfach unter den Teppich zu kehren (siehe Gedanken zur Woche 105 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2022)). Dabei sind ja die Politiker aus den beiden Großparteien in den USA sonst keineswegs dafür bekannt, besonders konsensorientiert zu sein. Vielmehr erlebte man dort doch gerade wieder in den letzten Jahren eine bereitwillige Neigung zu offener Konfrontation, welche sich auch in die US-Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt. Wenn nun namentlich der Missbrauch von Opioiden von Politikern beider großer US-Parteien, angefangen vom jeweiligen Präsidenten konsensual angegangen wurde, so sollte dies doch zu denken geben. Offensichtlich handelt es sich bei solcher Suchtproblematik um ein derart schwerwiegendes Thema, dass dahinter Parteipolitik und persönliche Wahltaktik zurückstehen sollten. Gerade neue unbestrittene und höchstens aus geschäftlichen Gründen gerne nach Möglichkeit totgeschwiegene Forschungsergebnisse bestätigen dazu immer mehr, wie schwerwiegend auch der Alkoholkonsum und das Rauchen gesundheitliche Schäden anrichten und damit ebenso das gesamte Sozialsystem heftig belasten.
Ein eigenes spannungsgeladenes Feld stellt der Medienkonsum dar. Wie sehr das Fernsehen zu Manipulation bis hin zu totalitärer Gleichschaltung benutzt werden kann, thematisiert nicht zuletzt der klassische und so düstere Zukunftsroman „1984“ von George Orwell. Die Manipulation bis hin zu so etwas wie totalitärer Gleichschaltung durch Konsumverhalten und deren bewusste Förderung durch die Führungskreise einer Gesellschaft stellt uns allgemein der andere Klassiker warnender Zukunftsromane vor Augen, eben von Aldous Huxley „Brave new world/Schöne neue Welt“.
Natürlich können neue Technologien zu guten Zwecken eingesetzt werden. Man denke hier nur an den gesamten Bereich der Medizin, an die Kranken- und die Altenpflege. Auch im Medienbereich kann damit Gutes getan werden, etwa zur Förderung von geistigem Austausch wie von gezielten Fortbildungsaktivitäten. Es drohen aber eben auch ganz stark Manipulation und so etwas wie enthemmte Überwachung. Dass neue Technologien eine ernste Herausforderung darstellen, dass sie so etwas wie ein globales zweischneidiges Schwert sind, hat auch Papst Franziskus bereits betont.
Auf dieser Linie liegt, dass er als päpstliche Gebetsanliegen für den Monat April im Jahre 2025 formuliert hat:
„Für den Gebrauch der neuen Technologien“
und
„Beten wir, dass der Gebrauch der neuen Technologien nicht die menschlichen Beziehungen ersetzt, die Würde der Personen respektiert und hilft, uns den Krisen unserer Zeit zu stellen.“
Wir sind ja stets zum guten Bemühen aufgefordert. Die Fastenzeit mag da ein Abschnitt im Jahreskreis sein, in welchem wir uns dies etwas intensiver bewusst machen. Der Verzicht auf Genussmittel kann dabei recht hilfreich sein. Dazu kann solcher natürlich auch helfen, eigentlich unnötige Kosten zu vermeiden und Geld zu sparen. Solches gesparte Geld kann dann umso mehr für gute Zwecke eingesetzt werden.
Beharrlichkeit ist natürlich gerade im Leben der Kirche als geistlicher Gemeinschaft angesagt, die sichtbar hier auf Erden in Raum und Zeit wirkt.
In diesem Sinne sollte nicht zuletzt auch das kirchliche Gerichtswesen, das kirchliche Prozesswesen wirken. Willkür und Leichtfertigkeit sollten hier strikt vermieden werden. In jeder menschlichen Gemeinschaft bedarf es einer gewissen Ordnung. Dies gilt eben auch für die Kirche, egal ob man selber dazu einen eher philosophisch-soziologischen oder einen mehr (inner-)theologischen Zugang bevorzugt.
Der Verlässlichkeit dient dabei gerade das im kirchlichen Prozessrecht immer wieder vertretene Prinzip der Schriftlichkeit, welche mit der Forderung verbunden ist, parteiisches Verhalten strikt zu vermeiden.
So hat schon die Annahme oder auch Ablehnung einer notwendigen Klageschrift ihrerseits schriftlich, und zwar durch ein Dekret zu erfolgen.
Dazu wird in Paragraph 1 von Canon/Kanon 1505 des CIC grundsätzlich festgehalten:
„Nachdem der Einzelrichter oder der Vorsitzende des Kollegialgerichtes geprüft hat, dass die Streitsache in seine Zuständigkeit fällt und dass der Kläger prozessual rollenfähig ist, muss er durch Dekret baldmöglichst die Klageschrift annehmen oder ablehnen.“
Säumigkeit und jede Art von Willkür sollten Richter im kirchlichen Gerichts-/Prozesswesen unterlassen. Gegen derartiges Fehlverhalten wird jeder eventuellen Prozesspartei im Kirchenrecht ein Recht auf Gegenwehr zugestanden.
Dazu sollte nicht zuletzt Canon/Kanon 1506 im CIC dienen:
„Wenn der Richter zur Klageschrift innerhalb eines Monats seit ihrer Einreichung nicht durch Dekret entschieden hat, dass sie angenommen oder gemäß can. 1505 abgewiesen ist, kann die Partei darauf dringen, dass der Richter seinen Dienst leistet; bleibt der Richter dessen ungeachtet untätig, so gilt nach erfolglosem Ablauf von zehn Tagen seit der Anmahnung die Klageschrift als angenommen.“
Wenn nun immer wieder Ausdrücke wie „Partei“ oder „Prozesspartei“ auch im Kirchenrecht verwendet werden, so sollte dies keineswegs in einem parteipolitischen Sinne missverstanden werden. Schon gar nicht rechtfertigt dies einen parteipolitisch motivierten Missbrauch seitens kirchlicher Amtsträger oder Funktionäre einschließlich etwaiger Richter im kirchlichen Prozesswesen.
Die Möglichkeit sich als jemand, der eine Klageschrift eingereicht hat, bei Ablehnung direkt zumindest etwas zur Wehr zu setzen, wird bereits in Paragraph 4 des vorhergehenden Canon/Kanons 1505 zugestanden:
„Gegen die Ablehnung der Klageschrift steht einer Partei stets das Recht zu, innerhalb einer Nutzfirst von zehn Tagen eine begründete Beschwerde entweder an das Berufungsgericht einzulegen oder an das Richterkollegium, falls die Klageschrift vom Vorsitzenden abgewiesen worden ist; die Frage der Klageschriftablehnung ist aber auf schnellstem Weg endgültig zu entscheiden.“
Überhaupt kann eine Klageschrift im Sinne des Kirchenrechts nicht einfach so abgelehnt werden. Auch die einem Ortsordinarius oder einer Bischofskonferenz vielleicht missliebige ethnische, parteipolitische, vereinsrechtliche oder gewerkschaftliche Zugehörigkeit dürften hier keine Rolle spielen. In diesem Sinne legt Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanons 1505 recht deutlich fest (zu den Punkten 1 bis 3 von Canon/Kanon 1504 siehe Gedanken zur Woche 262 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2025)):
„§ 2. Eine Klageschrift kann nur abgelehnt werden, wenn:
1° der Richter oder das Gericht nicht zuständig ist;
2° zweifelsfrei feststeht, dass der Kläger nicht prozessual rollenfähig ist;
3° die Vorschriften des can. 1504, nn. 1-3 nicht eingehalten worden sind;
4° aus der Klageschrift sicher hervorgeht, dass das Klagebegehren jeder Grundlage entbehrt und keine Möglichkeit besteht, dass sich aus dem Verfahren irgendeine Grundlage ergibt.“
Gedanken zur Woche 261, Dr. Matthias Martin
3. FASTENSONNTAG (2025)
Wenn der DRITTE FASTENSONNTAG erreicht wird, dann sind wir in der Fastenzeit schon ein gutes Stück vorangekommen. Den ASCHERMITTWOCH wie den ERSTEN und den ZWEITEN FASTNESONNTAG haben wir damit in diesem Kirchenjahr schon hinter uns. Es steht dann unmittelbar der VIERTE FASTENSONNTAG, der eigens auch (Sonntag) LAETARE genannt wird, bevor (siehe Gedanken zur Woche 156 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2023) und Gedanken zur Woche 207 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2024)). Es folgt der auch PASSIONSSONNTAG genannte FÜNFTE FASTENSONNTAG (siehe Gedanken zur Woche 208 – 5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2024)) und schließlich als Beginn der KARWOCHE oder HEILIGEN WOCHE der PALMSONNTAG.
Spontan mag bei diesem DRITTEN FASTENSONNTAG etwa die Redensart in den Sinn kommen „Aller guten Dinge sind drei.“
Die Zahl DREI/3 hat natürlich innerhalb des Christentums ihre besonders starke und gewissermaßen ins Auge springende Bedeutung. Die Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit stellt erheblich das Wesenselement dar, welches das Christentum als eigenständige religiöse Überlieferung auszeichnet. Durch ein trinitarisches Grundverständnis hebt sich das Christentum mehr oder minder deutlich von anderen abrahamitischen Religionen ab.
Dabei kann uns eine mehr oder minder ausformulierte Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit in unterschiedlicher Form begegnen. Im offiziellen Christentum hat sich die Lehre von der Wesensgleichheit der drei göttlichen Personen von Vater, Sohn und Heiligem Geist durchgesetzt. Mancher spricht bzw. schreibt hier auch von Wesenseinheit. Das halten manche wiederum für bedenklich bis gefährlich, da das Wort wesenseins bzw. Wesenseinheit den Eigenstand der drei göttlichen Personen zu verwischen drohe und zumindest in die Richtung eines modalistischen oder sabellianischen Verständnisses ginge. Für das theologische Verständnis von den drei wesensgleichen göttlichen Personen steht insbesondere das Große Glaubensbekenntnis, wie es mit dem ersten allgemeinen Konzil von Nicäa im Jahre 325 seinen Ausgang nahm und mit dem zweiten allgemeinen Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 seinen zumindest einstweiligen Abschluss fand. Später entwickelte sich dann die Kontroverse, ob man in Hinblick auf den Heiligen Geist nicht anstelle von „der vom Vater ausgeht/der aus dem Vater hervorgeht“, nicht lieber sagen und schreiben sollte „der vom Vater und vom Sohn ausgeht/der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“. Von der lateinischen Sprache her wird die damit verbundene Diskussion oder Auseinandersetzung gerne der Filioque-Streit genannt (siehe Gedanken zur Woche 217 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2024)). Er spielte eine wichtige Rolle für die große Spaltung jener Zweige der Christenheit, die man meistens die katholische Kirche und die orthodoxe Kirche nennt. Trinitarisch in der systematischen Theologie und im öffentlichen Bekenntnis ist man aber hier wie dort. Dies trifft auch für die altorientalischen Kirchen zu, welche der Formulierung des Konzils von Chalcedon des Jahres 451 über die zwei in Jesus Christus vereinten Naturen nicht folgen wollten oder früher oder später davon Abstand nahmen. Diese Kirchen werden deswegen auch gerne vorchalcedonensische Kirchen genannt. Diese Formulierung deutet an, dass hier das erwähnte, von den beiden ersten allgemeinen Konzilien herkommend, Große Glaubensbekenntnis wie auch die Beschlussfassung des dritten allgemeinen Konzils von Ephesus des Jahres 431 nicht das Problem darstellen.
Um unnötige Polemiken und Verletzungen und nachkonziliaren Übereifer zu vermeiden, soll hier betont werden, dass die (römisch-)katholische Kirche die in diesen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften gespendeten Taufen wie auch Weihen anerkennt. Mitunter gibt es auch schon Vereinbarungen zwischen dem päpstlichen Rom und mit ihm in voller Kirchengemeinschaft stehenden kirchlichen Einrichtungen auf der einen Seite und solchen Kirchen auf der anderen Seite über eine zumindest eingeschränkte wechselseitige Zulassung zum Empfang von Sakramenten. Hier sind die jeweiligen Verhältnisse nach dem aktuellen Stand der Dinge gewissenhaft in den Blick zu nehmen.
Recht deutlich hat sich das Verhältnis auch zwischen der (römisch-)katholischen Kirche und der allerdings intern zwischenzeitlich gespaltenen vorephesinischen Überlieferung gebessert. Dort hatte man mit dem dritten allgemeinen Konzil von Ephesus seine besonderen Probleme, blieb aber christlich und sozusagen auf etwas eigene Weise trinitarisch.
Die Form des Bekenntnisses, wonach Der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn ausgeht, hat sich im westlichen Christentum im Wesentlichen durchgesetzt. Natürlich weichen auch hier die zehntausenden voneinander unabhängigen und gerne generalisierend „protestantisch“ genannten Gemeinschaften voneinander ab. Betonen dort die einen demonstrativ ihre Zustimmung zu alten christlichen Bekenntnissen, so unterlassen dies andere. Manche „protestantische“ Gemeinschaft lehnt auch eigens formulierte Glaubensbekenntnisse aus Prinzip ab. Natürlich ist dann auch an dieser Stelle daran zu erinnern, dass in diesem so vielfältigen Gesamtbereich von „Protestantismus“ auch die Erklärungsmodelle in Hinblick auf die Allerheiligste Dreifaltigkeit auseinandergehen.
Mitunter wird ja dort mehr oder minder deutlich ein modalistischer Erklärungsversuch vertreten. Demnach gäbe es eine göttliche Person, die im Laufe der Heilsgeschichte/Geschichte jeweils als Vater, als Sohn oder als Heiliger Geist erscheine. Von daher gäbe es eine Dreifaltigkeit in den Wirkweisen, den modi, und nicht in den Personen wie es etwa im Großen Glaubensbekenntnis formuliert ist. Die Richtung begegnet in ernstzunehmender und wohl wachsender zahlenmäßiger Stärke gerade bei den Oneness-Pfingstlern/Einssein-Pfingstlern und ihren wiederum unterschiedlichen bis untereinander verfeindeten Gemeinschaften (siehe Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTSONNTAG (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023) und Gedanken zur Woche 213-b – 4. OSTERWOCHE (2024)).
Auch das zahlenmäßig wesentlich schwächere und doch auf seine Weise so spaltungsfreudige Phänomen genannt „Altkatholizismus“ ist in der Frage des Filioque im Glaubensbekenntnis wie in anderen Angelegenheiten der Glaubens- und Sittenlehre und bei deren Umsetzung in Gemeindepraxis ganz offensichtlich keine einheitliche Größe. Auch hier ist die jeweilige Gemeinschaft eigens in den Blick zu nehmen und im Sinne eines christlichen Miteinanders auf Vorurteile und verletzende Verallgemeinerungen zu verzichten.
Natürlich ist auch bei Vertretern oder mutmaßlichen Anhängern einer semimodalistischen Erklärung der trinitarischen Frage (siehe Gedanken zur Woche 166-b – PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 172 – 14. SONNTAG IM JAHRESRKEIS (2023) und Gedanken zur Woche 217 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2024)) im guten Sinne vorurteilsfrei vorzugehen.
Dies gilt ebenso in Hinblick auf den unitarischen oder sozinianischen Ansatz für die trinitarische Frage und ihn unterstützende Gruppierungen und Einzelpersonen. Dort wird ja wesentlich schärfer als etwa bei Arius von einer deutlichen Unterordnung Jesu unter den göttlichen Vater anstelle von jeder Wesensgleichheit, Wesenseinheit oder auch nur Wesensähnlichkeit ausgegangen (siehe Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023) und Gedanken zur Woche 217 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2024)).
Aber auch in solchen konfessionellen Gemeinschaften betont man die Zugehörigkeit zum Christentum.
Dabei begegnet die Dreizahl auch bei anderen Gelegenheiten.
Denken wir nur an die drei göttlichen/theologischen Tugenden oder christlichen Grundtugenden von Glauben, Hoffnung und Liebe nach dem Ersten Korintherbrief.
Gerade solche christlichen Grundtugenden sollten wir in der Fastenzeit wie auch sonst während des Jahres nach Kräften pflegen. Die wie auch immer unterteilte Bibel und eine unverfälschte katholische Überlieferung bieten dazu immer wieder Anregungen. Auf so etwas kann man bei all ihren Gemeinsamkeiten mit anderen religiösen und philosophischen Überlieferungen zurückgreifen. Hass und Polemik sollten gemieden werden.
1. Lesung: Ex 3,1-8a.13-15 oder Ex 17,3-7
2. Lesung: 1 Kor 10,1-6.10-12 oder Röm 5,1-2.5-8
Evangelium: Lk 13,1-9 oder Joh 4,5-42
Gedanken zur Woche 261-b, Dr. Matthias Martin
3. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2025)
Egal, welche Texte aus biblischen Büchern von einem Direktorium eines Bistums/einer Diözese oder von anderer Stelle als Tageslesung bzw. Tageslesungen und als Tagesevangelium vorgelegt werden, so ist es doch unerlässlich, nach besten Kräften immer wieder das größere Ganze der Bibel in den Blick zu nehmen. Zu diesem gehört auch der jeweilige kulturell-geschichtlich-geistige Hintergrund. Von daher lädt das Interesse an biblischen Texten zur Beschäftigung mit Geschichte, Archäologie, Sprachwissenschaften und Philosophie mit ihren verschiedenen Aufzweigungen, Teildisziplinen und Hilfswissenschaften ein. Was der eine dann einer profanen Wissenschaft oder Wissenschaftsdisziplin zuordnen mag, ist für den anderen vielleicht eh Teil von Theologie, ist für ihn innerhalb einer theologischen Disziplin zu behandeln. Eine solchermaßen angesprochene theologische Disziplin kann etwa Biblische Einleitungswissenschaften, Exegese, Kirchengeschichte oder Kirchenrecht sein. Auch die Fächer systematischer Theologie wie Dogmatik und Moraltheologie lassen sich nicht von sprachwissenschaftlichen Angelegenheiten und einem historisch-kulturellen Kontext trennen (siehe Gedanken zur Woche 202 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 208-b – 5. FASTENWOCHE (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 214-b – 5. Osterwoche (2024) und Gedanken zur Woche 225 – 15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). So ist ja jeder Kirchenlehrer, Papst, Märtyrer und dergleichen eine historische Persönlichkeit.
Gleiches gilt für Philosophen und Menschen, mit denen Philosophen in irgendeiner Weise zu tun hatten, von denen sie Anregungen und Hilfe oder aber Bedrängnis und Beschimpfungen empfingen. Das Schicksal des attischen Philosophen Sokrates spiegelt die damaligen heftigen Auseinandersetzungen im Stadtstaat von Athen wider. Gemäßigten bis erklärtermaßen prospartanischen Kräften standen athenische Nationalisten gegenüber. Schon vorher hatte es ja auch im athenischen oder attischen Stadtstadt eine Gesetzgebung gegen Mischehen mit Menschen aus anderen Gegenden dessen gegeben, was vereinfachend bis irreführend mitunter „Griechenland“ genannt wird. Ein Opfer solcher Auseinandersetzungen wurde offensichtlich der sich mit seinem attischen oder athenischen Vaterland identifizierende Sokrates. Dies mag als sehr deutliche Warnung vor einer verklärenden Griechenlandromantik und neuzeitlicher griechischer Nationalmythologie dienen. Andere sehen nicht ohne Grund das Schicksal des Sokrates als Beispiel für den Missbrauch politischer Macht und die Herrschaft eines enthemmten Pöbels.
Ähnliches begegnet uns, wenn wir auch nur kurz einen Blick auf das irdische Schicksal des Jesus von Nazaret werfen. Längst ist unbestritten, dass dieses in seinen je eigenen geschichtlichen Kontext wie einem vielfältigen geistig-kulturellem Umfeld zu sehen ist. Möchte man einfach einmal so das Neue/Zweite Testament lesen, so hilft es, wenn man etwas informiert ist über damalige Herrschaftsverhältnisse im Heiligen Land und dessen Umgebung. Da stößt man auf (römische) Statthalter, Klientelkönige/Klientelfürsten, das römische Kaisertum und damit verbundenes Beamtenwesen und Militär, einschließlich politisch-militärische Strukturen wie die Dekapolis und generell (römische) Provinzen. Die Macht des römischen Imperiums konnte sich dementsprechend auf unterschiedlichen Wegen auswirken, ziemlich direkt über einen Staathalter wie Pontius Pilatus etwa oder mehr indirekt über einen Klientelherrscher in Roms Diensten wie der einmal „der Große“ und andere Male „Kindermörder von Bethlehem“ genannte Herodes. In der Weihnachtsgeschichte nach Lukas wird dessen hegemonialer Oberherr Augustus sogar ausdrücklich beim Namen genannt. Folgen wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung, so können wir lesen:
„(Lk 2,1) Es geschah aber in jenen Tagen, dass Kaiser Augustus den Befehlt erließ, den ganzen Erdkreis in Steuerlisten einzutragen. (2) Diese Aufzeichnung war die erste; damals war Quirinius Statthalter von Syrien.“
Kurz vorher wird die lukanische Erzählung von der Ankündigung der Geburt Johannes des Täufers nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung mit den Worten eingeleitet:
„(Lk 1,5) Es gab in den Tagen des Herodes, des Königs von Judäa, einen Priester namens Zacharias, der zur Abteilung des Abija gehörte … .“
Handfeste politische Machtverhältnisse und auch finanzielle Interessen werden angesprochen. Manche und mancher interessierte sich inzwischen eigens, wie das mit der Eintragung in Steuerlisten unter Augustus vonstatten gegangen sein dürfte. Es wird beim Lesen des Neuen/Zweiten Testaments sehr deutlich, dass schon damals das Judentum keine einheitliche Größe war und sich alsbald innerhalb des Christentums Spaltungsvorgänge entwickelten. Ebenso wird im Verlauf einer betreffenden Lektüre zumindest angedeutet, dass so etwas wie heidnische Religion im Römischen Reich und in den unter seinem starken Einfluss stehenden Gebieten und überhaupt das dortige religiöse Leben keine einheitliche Größe war. Gerade auch hier kam es sehr stark auf örtliche Gegebenheiten an. Der Apostel Paulus knüpfte daran an. Besonders bekannt ist dabei seine Missionstätigkeit in Athen. Dazu wird er, wiederum nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung, in der Apostelgeschichte zitiert:
„(Apg 17,22b) Männer von Athen, nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromm. (23) Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch.“
Wenige Verse vorher heißt es:
„(Apg 17,16) Während Paulus in Athen auf sie wartete, wurde sein Geist von heftigem Zorn erfasst; denn er sah die Stadt voll von Götzenbildern. (17) Er redete in der Synagoge mit den Juden und Gottesfürchtigen und auf dem Markt sprach er täglich mit denen, die er gerade antraf. (18) Einige von den epikureischen und stoischen Philosophen diskutierten mit ihm … .“
Uns wird also ein sehr geraffter Überblick über die religiöse Vielfalt in der einstigen Hauptstadt des Attischen Seebundes und dann attischen Reiches und schließlich wieder einfachen Stadtstaates geboten. Ausdrücklich wird auf die großen philosophischen Richtungen der Epikureer und der Stoiker hingewiesen. Offensichtlich hat Paulus nicht zuletzt mit ihnen aktiv das Gespräch gesucht. Gerade die Stoa, die ihrerseits ausdifferenzierte philosophische Richtung des Stoizismus, und das junge Christentum begegneten sich im Laufe der Zeit recht intensiv. Der angenommene Briefwechsel zwischen dem Apostel Paulus und dem stoischen Philosophen Seneca ist aber nicht authentisch, sondern eine spätere literarische Produktion.
Nicht zuletzt verdient der Hinweis auf eine lebendige jüdische Präsenz im damaligen Athen Beachtung. Es war ja bereits die Zeit einer starken jüdischen Diaspora in Ländern rund um das Mittelmeer bis in das Parthische Reich hinein. Einige Menschen aus dem so vielfältigen Heidentum wandten sich ihrerseits dem Judentum zu, sei es als Gottesfürchtige oder überhaupt als Proselyten. Scheinbar war das Verhalten jüdischer Vertreter und ihrer Sympathisanten in Athen Paulus gegenüber keineswegs feindselig, sondern irgendwie dialogbereit. Man konnte wohl durchaus miteinander reden.
Zum Schmunzeln mag die etwas mentalitätsgeschichtliche oder völkerkundliche Aussage in der Apostelgeschichte anlässlich der missionarischen Tätigkeit des Paulus in Athen anregen:
„(Apg 17,21) Alle Athener und die Fremden dort taten nichts lieber, als die letzten Neuigkeiten zu erzählen oder zu hören.“
Nicht zuletzt in Hinblick auf die Bedeutung von Frauen im Urchristentum verdient der letzte Vers in der Apostelgesichte über das missionarische Wirken des Paulus in Athen Beachtung. Zugleich verdeutlicht die eigene Erwähnung von Dionysios dem Areopagiten, dass die römische Unterwerfung und Beherrschung von „griechischen“ Staatswesen kein überall blitzartiger, sondern ein vielschichtiger und örtlich recht unterschiedlicher Vorgang war:
„(Apg 17,34) Einige Männer aber schlossen sich ihm an und wurden gläubig, unter ihnen auch Dionysius, der Areopagit, außerdem eine Frau namens Damaris und noch andere mit ihnen.“
Es ist zu beachten, dass die einzige Person unter den Bekehrten, die zusammen mit dem immerhin offensichtlich als Amtsträger lebenden Dionysius namentlich erwähnt wird, eine Frau ist! Alle möglichen Männer werden nur knapp zusammengefasst und ohne Nennung ihrer Namen erwähnt.
Natürlich richtet die Erwähnung, dass es sich bei dem bekehrten Dionysius um einen Areopagiten gehandelt habe, den Blick auf die eigene athenische Verfassungsgeschichte. Zugleich mag es das Interesse daran fördern, wie denn in einzelnen Gebieten oder Stadtstaaten die römische Machtausdehnung schneller oder langsamer, brutaler oder etwas diplomatischer voran ging.
Gedanken zur Woche 260, Dr. Matthias Martin
2. FASTENSONNTAG (2025)
Die Fastenzeit ist allmählich etwas vorgerückt. Viele Menschen haben sich wohl den einen oder anderen Fastenvorsatz gemacht. Die menschliche Erfahrung verdeutlicht dabei, dass natürlich gute Vorsätze leichter gemacht als umgesetzt werden. Dies gilt für die Vorsätze zu Silvester bzw. Neujahr wie für Fastenvorsätze und auch für andere Vorsätze.
Es ist aber trotzdem gut und richtig, sich immer wieder aufzuraffen und eigene Sünden und Fehler wie die mögliche Verstärkung guter Eigenschaften und Verhaltensweisen anzugehen.
Die Fastenzeit ist immerhin noch etwas im sozio-kulturellen Gedächtnis westlicher Gesellschaften wahrnehmbar. Dazu kommen immer wieder Anregungen aus verschiedenen Richtungen, etwa durch Berichte in den Medien über andere Länder wie durch Kontakte zu Menschen aus anderen Kulturkreisen, welche entweder persönlich oder bereits deren Vorfahren im Rahmen verschiedener Arten von Zuwanderung in unsere Umgebung gekommen sind. Ganz verschiedene Religionen und kulturelle Überlieferungen kennen ja so etwas wie Fastenregeln und besondere Empfehlungen oder Anweisungen für eine besonders verantwortete Lebensgestaltung zu bestimmten Zeiten. Auch bei Fastenregelungen und allgemeine Anregungen für Selbstbeschränkung im Lebensstil und etwaigen Konsumverzicht begegnet uns rasch so etwas wie eine eigene multikulturelle Vielfalt. Eigens sollte solche Vielfalt in der menschlichen Begegnung immer wieder ein Anstoß sein, dass man sich selber etwas zusammenreißt. Von Rückschlägen sollte man sich nicht so einfach entmutigen lassen.
Selbstdisziplin kann immer wieder als Hinweis auf Glaubwürdigkeit der eigenen Person und einer Personengruppe wahrgenommen werden, für die man selber mehr oder minder steht. Außenstehende nehmen jemanden, dem sie begegnen, ja immer wieder gerne als Repräsentanten einer größeren bis sehr großen Gruppe wahr. Dies mag einem betroffenen Individuum oder einer Familie dabei gar nicht selber bewusst sein, oder es mag für den bzw. die Betreffenden sogar etwas unangenehm sein. Umgekehrt neigen ja Menschen ihrerseits dann dazu, vom Verhalten einer Einzelperson oder ganz weniger Individuen auf die Angehörigen einer größeren Gemeinschaft oder Anzahl von Menschen zu schließen.
Benimmt sich ein Einzelner etwa unter Alkohol- oder Drogeneinfluss deutlich daneben, so kann dies leicht das Ansehen einer ganzen Gruppe oder kulturellen oder religiösen Überlieferung in Mitleidenschaft ziehen.
Umso mehr mögen sich nicht zuletzt Katholikinnen und Katholiken stets ihrer eigenen Verantwortung bewusst sein. Sie sind gewissermaßen die Visitenkarten der Kirche, geben der Gemeinschaft der Glaubenden vor Ort ein Gesicht.
Bei Geistlichen und anderen festangestellten Mitarbeitern kirchlicher Strukturen und Inhabern kirchlicher Ehrenämter wirkt das natürlich umso schwerer. Ein Amt, eine Funktion, eine Aufgabe, die jemandem übertragen wurde, soll man immer wieder bewusst als ernste Verpflichtung wahrnehmen. Aber es vertreten eben alle Getauften ein Stück weit die Kirche. Durch den Empfang des Sakramentes der Firmung wird dies noch einmal bekräftigt.
Dass alle dementsprechend berufen sind, ein im moralischen Sinne gutes Leben zu führen, wird in Aussagen des kirchlichen Lehramtes zur Glaubens- und Sittenlehre immer wieder thematisiert. Es wird auch mit verschiedenen Akzenten im Kirchenrecht verdeutlicht.
So können grundsätzliche alle Menschen bei kirchlichen Prozessen als Zeuginnen und Zeugen in Frage kommen. Dies ist eben nicht auf Geistliche und Ordensleute oder wen auch immer begeschränkt.
In Canon/Kanon 1547 des CIC wird ganz grundsätzlich die Bedeutung von Zeugenaussagen angesprochen:
„Der Zeugenbeweis ist in jedwedem Verfahren zulässig. Er steht unter der Leitung des Richters.“
Der Hinweis auf die dabei geforderte Tätigkeit des Richters verdeutlicht die Ernsthaftigkeit und unterstreicht, dass wer damit zu tun hat, keineswegs leichtfertig handeln soll. Dieser Grundgedanke wird im Folgenden entfaltet .Dabei wird bezüglich dem Recht zur Zurückhaltung oder Verweigerung einer Aussage in einer Weise differenziert, dass dies an weltliche Rechtsordnungen erinnern kann. Dementsprechend lautet der etwas umfangreichere Canon/Kanin 1548 im CIC:
„§ 1. Die Zeugen müssen dem Richter auf sein rechtmäßiges Befragen wahrheitsgemäß antworten.“
Im sich daran anschließenden Paragraphen 2 des Canons/Kanons 1548 kommt es dann zu der angedeuteten Ausdifferenzierung in Hinblick auf eine Aussagepflicht oder das Recht, eine Aussage zu verweigern:
„Unbeschadet der Vorschrift des can. 1550, § 2, n. 2 sind von der Beantwortungspflicht ausgenommen:
1° Kleriker hinsichtlich dessen, was ihnen aufgrund ihres geistlichen Amtes bekannt geworden ist; Beamte, Ärzte, Hebammen, Anwälte, Notare und andere Personen, die zur Wahrung des Amtsgeheimnisses selbst aufgrund beratender Tätigkeit verpflichtet sind, hinsichtlich der dieser Schweigepflicht unterliegenden Angelegenheiten;
2° wer aus seiner Aussage für sich, seinen Ehegatten oder seine nächsten Blutsverwandten oder Verschwägerten Rufschädigung, gefährliche Belästigungen oder sonstige schwere Schäden befürchtet.“
Hier klingt nicht zuletzt die besondere Wertschätzung von Ehe und Familie an, wie sie immer wieder in der katholischen Überlieferung zu finden ist.
Der ausdrücklich erwähnte Punkt 2 im zweiten Paragraphen von Canon/Kanon 1550 dürfte Menschen, die sich aktiv am kirchlichen Leben beteiligen oder sich irgendwie etwas dafür interessieren, wenig überraschen. Auch bei der Beschäftigung mit der allgemeinen Geschichte mag man auf diese Thematik gestoßen sein. Es wird doch direkt auf das so wichtige Beichtgeheimnis angezielt. In Paragraph 2 von CIC-Canon/Kanon 1550 ist nämlich zu lesen, dass:
„Als zeugnisunfähig gelten:
...
2° Priester hinsichtlich jedweder Kenntnis, die sie aus der sakramentalen Beichte gewonnen haben, selbst wenn der Pönitent deren Offenbarung verlangt hat; sogar das, was von irgendwem und auf irgendeine Weise gelegentlich einer Beichte gehört worden ist, kann nicht einmal als Anhaltspunkt für die Wahrheit entgegengenommen werden.“
Weitere als zeugnisunfähig geltende Personengruppen werden demensprechend bereits in Punkt 1 genannt:
"die Streitparteien oder jene, die in ihrem Namen vor Gericht auftreten, ferner der Richter und seine Gehilfen, der Anwalt und wer sonst noch den Parteien in derselben Sache Beistand leistet oder geleistet hat;“.
Wie an anderen Stellen des kanonischen Rechts wird hier also kein Unterschied zwischen den beteiligten Parteien und in ihrem Namen auftretenden Menschen gemacht. Vielmehr werden eine grundsätzliche Gleichberechtigung und Gleichbehandlung angemahnt.
Schon im vorgehenden CIC-Canon/Kanon 1549 wird ganz grundsätzlich in Hinblick auf Zeugen die Gleichbehandlung knapp angesprochen. Dort heißt es nämlich lapidar:
„Jeder kann Zeuge sein, sofern er vom Recht nicht ausdrücklich oder teilweise ausgeschlossen wird.“
Gleichheit sollte auch in Hinblick auf den Schutz von Zeugen gegenüber Einschüchterung, Belästigung und Repressalien verwirklicht werden.
So lautet Canon/Kanon 1559 im CIC:
„Der Vernehmung der Zeugen dürfen die Parteien nicht beiwohnen, außer dem Richter scheint, besonders wenn es um eine Sache des privaten Wohls geht, ihre Zulassung angezeigt. Jedoch können ihre Anwälte oder Prozessbevollmächtigten bei der Vernehmung zugegen sein, sofern der Richter nicht wegen sachlicher und persönlicher Umstände meint, es sei geheim vorzugehen.“
Respektvolle Gleichbehandlung und Rechtsschutz sind auch im unmittelbar nachfolgenden CIC-Canon/Kanon 1560 angesagt:
„§ 1. Die Zeugen sind einzeln je für sich zu vernehmen.
§ 2. Weichen die Zeugen untereinander oder von einer Partei in einer schwerwiegenden Sache ab, so kann der Richter sie einander gegenüberstellen, wobei Streit und Ärgernis nach Möglichkeit zu vermeiden sind.“
1. Lesung: Gen 15,5-12.17-18
2. Lesung: Phil 3,17-41 (oder 3,20-4,1)
Evangelium: Lk 9,28b-36
Gedanken zur Woche 260-b, Dr. Matthias Martin
2. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HEILIGEN JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2025)
Gerade die Fastenzeit sollen Christinnen und Christen nutzen, auf dass sie Böses meiden und Gutes tun. Gilt dies natürlich für das ganze Jahr, so mag die durch kirchliche Überlieferung, ja konfessionelle Grenzen überschreitende Überlieferung, ausgedrückte ernste Natur der Fastenzeit dazu eigens anregen.
Überlieferung und angewandte Liturgie einschließlich Heiligengedenktage und Leseordnung bieten vielerlei Anregungen und Bestärkungen. Je nach biblischer Schrift und einzelner Stelle eines biblischen Buches können Formulierungen, die wir jeweils finden, einmal mehr abstrakt und einmal eher gegenständlich sein. So verhält es sich auch bei außerbiblischer Literatur. Generell begegnet uns in biblischen Schriften eine Sprache, die heutigen Menschen sehr oft etwas fremd ist. Die Zeiten haben sich sowieso grundlegend geändert. In westlichen Gesellschaften und auch andernorts herrscht längst nicht mehr der landwirtschaftliche Bereich einschließlich Weinbau und Fischerei vor. In diesem Sektor tätige Menschen stellen in vielen gerade westlichen Staaten nur noch eine kleine Minderheit dar. Reisemöglichkeiten und Medien haben revolutionäre Umbrüche erlebt. Solche Veränderungen schreiten gerade heutzutage in rasanter Geschwindigkeit voran. Auch so etwas wie die Staatenwelt hat sich wiederholt enorm verändert. Sowohl das Erste oder Altbabylonische Reich wie das Neubabylonische Reich sind längst vergangen. Das Assyrische Reich wurde mit aller Härte regelrecht ausradiert vom Angesicht der Erde. Reich, Sprache und Kultur der Hetiter, Elamiter, Phrygier und anderer Völker wurden längst vom Staub der Geschichte überdeckt, um dann erst nach Jahrhunderten bis Jahrtausenden wieder etwas ausgegraben zu werden. Dass es im Alten Ägypten Pharaonen gab und sich einst über weite Gebiete das Römische Reich und dann etwa das Hunnenreich erstreckte, kennen einige Menschen am ehesten von Filmen her. Akademische Disziplinen, die sich mit solchen alten Kulturen und Sprachen beschäftigen, werden gerne „Orchideenstudien“ und „Exotenfächer“ genannt. Die Form von altem Griechisch, welche durch die Eroberungszüge Alexanders, genannt der Große, zur Weltsprache aufstieg, ist als gesprochene Sprache längst ausgestorben. Dieser allgemein feststellbare Vorgang wurde in der Zwischenzeit so eingestuft, als ob etwa die jetzige Weltsprache Englisch in ein paar Jahrhunderten fast und dann ganz ausgestorben wäre. Latein gilt seinerseits als „tote Sprache“. Längst beklagen sich Vertreter von den unterschiedlichen Varianten vom Englischen, dass in ihrem Bereich dieses bzw. diese von anderen Sprachen oder einer bestimmten anderen Sprache verdrängt werden. Dies kann man von Miami im nordamerikanischen Florida über Belfast in Nordirland bis in Stadtviertel der britischen Hauptstadt London hinein vernehmen. Passend dazu sind die großen Kolonialreiche Frankreichs und Großbritanniens wie die Kolonialreiche von Portugal, den Niederlanden und Belgien nach dem Zweiten Weltkrieg zerfallen. Das gleiche Schicksal erlitten auch die Sowjetunion, Jugoslawien/Yugoslawien und die Tschechoslowakei. Spaniens Kolonialreich kollabierte weitgehend schon im 19. Jahrhundert. Gerade wie lange es noch das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland gibt, ist unklar. Unklar ist generell, wann und wo der nächste Staat die Unabhängigkeit erlangt.
Das Weltbild in Hinblick auf die Stellung des Menschen im Universum ist schon gar nicht mehr das, was es einmal war. Ständig kommt es in der Astronomie und nicht zuletzt in der Astrophysik zu neuen Entdeckungen und der Entwicklung neuer Hypothesen und Theorien. Egal welches Weltbild jemand sich zu eigen gemacht hat, bzw. welchen Hypothesen und Theorien jemand mehr oder minder folgt, so kann er bzw. sie gerade in unseren Breiten es unternehmen, solche Ansichten mit Hilfe moderner Medien zu verbreiten. Umgekehrt können etwa über die modernen Sozialen Medien die Gegenmeinungen heftig auf ihn/sie einprasseln. Dies geht leider immer wieder auch bis hin zu persönlichen Untergriffen und regelrechten Diffamierungskampagnen. Dabei sollte stets die Würde jedes einzelnen Menschen geachtet werden, unabhängig von Herkunft, sozialer Stellung und persönlicher Positionierung in den angeschnittenen Themenfeldern.
Leider benehmen sich kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht immer richtig. Ja auch aus dieser Richtung kann es doch zu schwerwiegenden Verfehlungen kommen. Solche Verfehlungen können vielfältig und mitunter schwerwiegend sein.
Dass sich im Sinne katholischen Verständnisses auch hohe bis höchste Kirchenvertreter schlecht benehmen können, wird grundsätzlich im Kirchenrecht vorausgesetzt.
Dies wird schon deutlich, wenn man sich einmal Canon/Kanon 1405 des CIC durchliest (siehe auch Gedanken zur Woche 259 – 1. FASTENSONNTAG (2025)). Dabei bekommt man schon in diesem einen Canon/Kanon des Kirchenrechts eine ganze Reihe von Stichworten zum hierarchischen Aufbau der katholischen Kirche geboten. Zugleich wird hier die Spitzenposition des Papstes innerhalb der katholischen Kirche verdeutlicht:
„§ 1. Nur der Papst selbst ist zuständig für die in can. 1401 erwähnten Verfahren:
1° von Staatsoberhäuptern;
2° von Kardinälen;
3° von Gesandten des Apostolischen Stuhles und von Bischöfen, bei Letzteren aber nur in Strafsachen;
4° in anderen Angelegenheiten, die er selbst an sich gezogen hat.
§ 2. Ein Richter kann nicht ohne vorherigen päpstlichen Auftrag über eine Rechtshandlung oder eine Urkunde befinden, die vom Papst in besonderer Form bestätigt worden sind.“
Handlungsbedarf ist dementsprechend auch für höchste römische Gerichte im kirchlichen Sinne zu erwarten. So lautet Paragraph 3 dieses CIC-Canon/Kanons 1405:
„Der Römischen Rota ist die Rechtsprechung vorbehalten:
1° über Bischöfe in Streitsachen, unter Wahrung der Vorschrift des can. 1419, § 2;
2° über den Abtprimas oder den Abtpräses einer monastischen Kongregation sowie den obersten Leiter von Ordensinstituten päpstlichen Rechtes;
3° über Diözesen oder sonstige natürliche und juristische Personen in der Kirche, die keinen Oberen unterhalt des Papstes haben.“
Auch in solchen Angelegenheiten finden wir parallele Festlegungen im CCEO für die Katholischen Ostkirchen.
So lautet Canon/Kanon 1060 eben des CCEO:
„§ 1. Nur der Papst hat das Recht zu urteilen:
1° über Patriarchen;
2° über Bischöfe in Strafsachen;
3° über jene, die das höchste Staatsamt innehaben;
4° über andere Sachen, die er selbst an sein Gericht gezogen hat.“
Mit Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Eigenheiten der Katholischen Ostkirchen wird auch in Paragraph 2 dieses CCEO-Canons/Kanons 1060 die Frage nach der Ahndung des eventuellen Fehlverhaltens hoher Kirchenvertreter behandelt:
„Ausgenommen die Bischöfe, die innerhalb der Grenzen des Territoriums einer patriarchalen Kirche ihre Gewalt ausüben, wird über die anderen Bischöfe in Streitsachen von dem vom Papst dafür benannten Gericht Recht gesprochen, vorbehaltlich des can. 1066 § 2.“
Wiederum ganz parallel zur Formulierung im CIC lautet dann Paragraph 3 von Canon/Kanon 1060 im CCEO:
„Der Richter kann nicht über eine vom Papst in besonderer Form bestätigte Rechtshandlung oder Urkunde entscheiden, wenn nicht dessen Auftrag vorangegangen ist.“
Damit wird auch für solche eher speziellen Fälle auch im CCEO der Jurisdiktionsprimat des Papstes und überhaupt die Einheit der katholischen Weltkirche verdeutlicht. Umso mehr sollten die Angehörigen der verschiedenen Kirchen eigenen Rechts in solidarischer Verbundenheit herzlich zusammenstehen und sich nicht etwa von politischer Seite auseinanderdividieren lassen.
In Verbindung mit der Thematisierung der verfassungsrechtlichen Akzente der Katholischen Ostkirchen wird gleichfalls in Paragraph 1 von Canon/Kanon 1062 der päpstliche Jurisdiktionsprimat berücksichtigt:
„Die Synode der Bischöfe der patriarchalen Kirche ist, unbeschadet der Zuständigkeit des Apostolischen Stuhls, das höchste Gericht innerhalb der Grenzen des Territoriums dieser Kirche.“
Gedanken zur Woche 259, Dr. Matthias Martin
1. FASTENSONNTAG (2025)
Natürlich stellt der ASCHERMITTWOCH den Beginn der vorösterlichen Fastenzeit dar. Mit ihm endet gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum die Zeit des Faschings, die Karnevalszeit, und beginnt eben die Fastenzeit, die uns hinführt zum höchsten Fest der Christenheit, hin zu Ostern.
Am besten man beginnt schon am ASCHERMITTWOCH, sich ernsthaft einer innerer Erneuerung, einer Neuausrichtung des eigenen Lebens zu widmen, um sich eben möglichst gut auf die Kartage und das Osterfest vorzubereiten. Auch wenn die Fastenregelungen im offiziellen Bereich der katholischen Kirche anders als in anderen großen religiösen Überlieferungen und konfessionellen Gemeinschaften sehr reduziert wurden, so stellt der ASCHERMITTWOCH auch heute noch einen Einschnitt dar, wenn man zumindest den nachkonziliaren offiziellen kirchlichen Regelungen folgt. Wie der KARFREITAG gilt eben auch der ASCHERMITTWOCH immer noch als Fast- und Abstinenztag. Die Tage unmittelbar nach dem ASCHERMITTWOCH werden ausdrücklich auf ihn bezogen. So kann man dann eben vom „Donnerstag nach Aschermittwoch“, vom „Freitag nach Aschermittwoch“ und vom „Samstag nach Aschermittwoch“ lesen, wenn man sich mit dem Verlauf des Kirchenjahres beschäftigt.
Es folgt der 1. FASTENSONNTAG. Diesen Tag möge man eigens im religiösen Sinne nutzen. Der Besuch der Heiligen Messe, Nachdenken, Besinnung und Meditation wie das Lesen in der Bibel bieten sich hier etwa an. Das Nachdenken, die Besinnung kann sich gerade auf die unmittelbar zurückliegenden Tage seit ASCHERMITTWOCH beziehen. Wie hat die Fastenzeit für mich begonnen? Wie ist man in die vorösterliche Zeit der Buße und Besinnung hineingestartet?
Menschen haben ja grundsätzlich ihre Schwächen, ihre vielfältigen Unzulänglichkeiten. Da ist es umso besser, eigens Tage wie den ASCHERMITTWOCH und den ERSTEN FASTENSONNTAG zu nutzen, sich eigenes Fehlverhalten bewusst zu machen und gezielt dagegen anzugehen. Gerade all die sind dazu aufgerufen, welche in der Kirche eine offizielle Funktion, ein Amt oder bestimmte Aufgabe wahrnehmen. Auch solche Personen sind nicht frei von Fehlern. Dies wird ja auch im offiziellen, im gewissermaßen kirchenamtlichen Kirchenrecht so gesehen. So werden Amtsträger ja nicht von kirchlichen Strafprozessen und Kirchenstrafen ausgenommen. An einer interessanten Stelle wird eigens das Augenmerk auf hohe kirchliche Amtsträger gerichtet. So wird in Paragraph 1 des CIC-Canon/Kanons 1405 erklärt, dass kirchliche Prozessverfahren gegen Kardinäle und Gesandte des Apostolischen Stuhles dem Papst vorbehalten sein sollen. Bei Bischöfen gilt diese Reservierung zugunsten päpstlichen Handelns nur in Strafsachen. Damit wird in diesem Canon/Kanon 1405 des CIC ins Auge springend bestätigt, dass man auch bei Kardinälen, Gesandten des Apostolischen Stuhles und Bischöfen von der ernsten Möglichkeit persönlichen Fehlverhaltens auszugehen hat und dieses demensprechend zu ahnden ist. Die kodikarische Formulierung besagt das genaue Gegenteil von einer gerade in nachkonziliarer Zeit innerkirchlich so gerne vertretenen Immunität kirchlicher und da gerade besonders hoher Amtsträger vor rechtlichen Folgen bei eigenem Fehlverhalten. In dieselbe Richtung wie dieser Canon/Kanon 1405 des CIC werden wir durch den Canon/Kanon 1060 des CCEO gewiesen. Damit wird hier auch die Zugehörigkeit der Katholischen Ostkirchen zur katholischen Weltkirche mit dem Papst verdeutlicht.
Dabei erkennt die katholische Kirche ausdrücklich die Zuständigkeit weltlicher Justiz- und Polizeiorgane an. Die Befreiung kirchlicher Mitarbeiter einschließlich geweihter Amtsträger von der Zuständigkeit weltlicher Polizei und Justiz wird im CIC und CCEO ausdrücklich nicht vertreten. Auch bei Verhandlungen mit Staaten und staatsähnlichen Einrichtungen wie in laufenden diplomatischen Beziehungen einschließlich der Durchführung diplomatischer Notenwechsel wird so eine Sonderstellung keineswegs verlangt. Kirchliches Prozesswesen soll keine Konkurrenz und kein Störfaktor gegen legitime weltliche Gerichtsbarkeit und mit ihr verbundenen Arbeitsvorgängen sein. Diesbezüglich wird längst keine besondere Gerichtsbarkeit für Geistliche und andere kirchliche Mitarbeiter mehr gefordert. Dort, wo früher einmal solche Forderungen erhoben und gegebenenfalls mehr oder minder durchgesetzt wurden, waren bzw. sind die Zeitumstände zu beachten. Die verschiedenen Stände und andere Gruppen innerhalb einer Gesellschaft hatten jeweils ihre eigenen Rechte und Pflichten. Immer wieder gab es auch besondere Gerichtsbarkeiten. Dies konnte auch in Hinblick auf ethnische Herkunft und dergleichen gelten. In den letzten Jahrhunderten wurde dies immer mehr zurückgedrängt. Strafrecht und Steuerverpflichtungen gelten grundsätzlich für alle in einem Staatswesen. Gerade in westlichen Ländern wird dies als selbstverständliche Grundposition zumindest gegenüber der Öffentlichkeit so vertreten.
Die kirchliche Gerichtsbarkeit hat sich nur mit theologisch-innerkirchlich relevanten Angelegenheiten zu beschäftigen, die außerhalb des Gewissensbereichs zu greifen sind. Eine strafrechtliche Vorzugsbehandlung von Kirchenvertretern im Alltagsleben oder etwa eine Vorzugsbehandlung bei Verkehrskontrollen wird in keinster Weise durch lehramtliche Dokumente und das Kirchenrecht vertreten. Kirchliche Mitarbeiter, die etwa kriminelle Handlungen begehen oder vielleicht im angetrunkenen Zustand Auto fahren, sind genauso wie andere Menschen zur Rechenschaft zu ziehen.
Das kirchliche Gerichtswesen hat sich demgegenüber nur mit der innerkirchlichen Ordnung zu beschäftigen.
So lautet der in Canon/Kanon 1405 ausdrücklich erwähnte Canon/Kanon 1401:
„Kraft eigenen und ausschließlichen Rechtes entscheidet die Kirche:
1° in Streitsachen, die geistliche und damit verbundene Angelegenheiten zum Gegenstand haben;
2° über die Verletzung kirchlicher Gesetze sowie über alle sündhaften Handlungen, soweit es dabei um Feststellung von Schuld und um Verhängung von Kirchenstrafen geht.“
Von einer Außerkraftsetzung oder Schwächung normaler Strafverfolgung in Hinblick auf kriminelle oder zumindest fahrlässige Kirchenmitarbeiter ist hier also in keiner Weise die Rede! Gerade Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus haben ein konsequentes Vorgehen gegen kirchliche Straftäter angemahnt. Gerade manch fromme Katholikin und manch frommer Katholik wünschen eine besonders konsequente Strafverfolgung gegenüber Kirchenvertretern. Diese müssten doch besonders hohen Ansprüchen gerecht werden, da die Kirche selber offiziell solche vertritt. Überhaupt sollten Kirchenvertreter Vorbilder sein und nicht Personen, die es sich bei eigenem Fehlverhalten besonders gut richten können. Dass umstrittene bis kriminelle Bischöfe und Kardinäle im Kirchenvolk sehr unbeliebt sind, ist als gegeben anzuerkennen. Immer wieder wird gerade in Hinblick auf Vorkommnisse in kirchlichen Strukturen etwa in Mitteleuropa von praktizierenden Katholikinnen und Katholiken ein konsequenteres und härteres Vorgehen gefordert.
In die Richtung einer richtigen Selbstbeschränkung für die kirchliche Gerichtsbarkeit oder kirchliches Gerichtswesen geht schon Canon/Kanon 1400 des CIC:
„§ 1. Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind:
1° die Verfolgung oder Schutz von Rechten natürlicher oder juristischer Personen oder die Feststellung rechtserheblicher Tatbestände;
2° Straftaten im Hinblick auf die Verhängung oder Feststellung einer Strafe.
§ 2. Streitigkeiten jedoch, die sich aus einer Maßnahme der ausführenden Gewalt ergeben, können nur einem Oberen oder einem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt werden.“
Grundsätzlich parallel dazu heißt es in Canon/Kanon 1055 des CCEOs:
„§ 1. Gegenstand eines Gerichtsverfahrens sind:
1°die Verfolgung oder der Schutz der Rechte von physischen oder juristischen Personen oder auch die Klärung rechtlicher Tatbestände;
2° Delikte, was die Auferlegung einer Strafe angeht.
§ 2. Für aus einem Akt der ausführenden Leitungsgewalt entstandene Streitigkeiten aber ist nur die höhere Autorität nach Maßgabe der cann. 996-1006 zuständig.“
Eine Art kirchenrechtliche oder juristische Narrenfreiheit oder gar bewusste Straffreiheit für kirchliche Mitarbeiter lässt sich von daher nicht argumentativ begründen oder als vermeintlich authentische christliche bzw. katholische Position ableiten. Was tatsächlich Tag für Tag in kirchlichen Strukturen geschieht, ist natürlich eine eigene so vielfältige wie oft problematische Angelegenheit. Diesbezüglicher Handlungsbedarf bleibt weiterhin gegeben und sollte nicht abgestritten oder beiseite geschoben werden.
1. Lesung: Dtn 26,4-10
2. Lesung: Röm 10,8-13
Evangelium: Lk 4,1-13
Gedanken zur Woche 259-b, Dr. Matthias Martin
1. FASTENWOCHE (2025)
Natürlich soll die Fastenzeit genützt werden, das eigene Leben zu erneuern. Die Überlieferungen vieler verschiedener Konfessionen und Religionen weisen uns ja stets in die Richtung persönlichen Konsumverzichts. Solche Regelungen und Empfehlungen können sich auf das ganze Jahr wie auch auf bestimmte Zeiten in einem Jahreskreis beziehen. Der Beginn der Fastenzeit in der eigenen Überlieferung mag da zu etwas wie einem Rundgang durch die Weltreligionen und einzelne religiöse Gemeinschaften anregen (siehe Gedanken zur Woche 101-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2022)). Allein dies schon mag kritisches Nachdenken anregen, ob denn der so heftig konsumorientierte Weg, wie er in westlichen Gesellschaften begegnet, der richtige Weg ist. Die Lockerungen zum Thema persönlicher Verzicht innerhalb der offiziellen katholischen Kirchenstrukturen wurden schon früh kritisch beurteilt. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass überlegte und konsequent verwirklichte persönliche Einschränkungen die Selbstdisziplin und allgemein die Gesundheit förderten. Mitunter wurde auch eine ökumenische Argumentation eingebracht. Dies geschah einmal mehr in Richtung von Makroökumene und manchmal mehr in Richtung von Mikroökumene. In ersterem Falle legt man grundsätzlich Wert auf die Entspannung und Verbesserung des Verhältnisses zu außerchristlichen Gemeinschaften und so etwas wie ganzen Weltreligionen Wert. In zweitem Fall steht das Verhältnis zwischen jeweiligen christlichen Gemeinschaften im Blickpunkt. Wegen eskalierender innerkirchlicher Konflikte wurde schon in den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts mitunter von Katholikinnen und Katholiken auch eine innerkirchliche Ökumene angemahnt. Ganz offensichtlich ist es aber nicht gelungen, hier zumindest so etwas wie Deeskalation zu erreichen. Dabei verdient gerade der längst in die hunderte Millionen gehende Massenübertritt von Katholikinnen und Katholiken zu Pfingstkirchen und evangelikalen Gemeinschaften Beachtung. Verdrängung und Verspottung bringen hier keine Lösung. So etwas fördert auch eine Realitätsverweigerung in der innerchristlichen Ökumene. Dazu geht man bei Nichtanerkennung solcher Massenübertritte deutlich von völlig unrealistischen pastoralen Verhältnissen in weiten Teilen der Welt aus. Tatsächlich werden betreffende (Massen-)Übertritte, wenn sie zu Lasten der katholischen Kirche in Veröffentlichungen von deren Stellen sehr gerne als nichtexistent behandelt. Dies gilt auch in Hinblick auf die Übertritte von Katholikinnen und Katholiken zu eher synkretistischen, paganen oder neopaganen Kulten. So gehen dann die Zahlenangaben auch zwischen dem Päpstlichen Jahrbuch und Volkszählungen und überhaupt verschiedene statistischen Erhebungen gerade in Hinblick auf Lateinamerika deutlich auseinander. Übertritte zu Pfingstkirchen und evangelikalen Gemeinschaften spielen aber auch in Subsahara-Ländern eine in der Realität nicht zu verleugnende Rolle. Sowohl Übertritte von Katholikinnen und Katholiken zu anderen christlichen Gemeinschaften wie der Weg aus der katholischen Kirche heraus in Richtung des Gesamtbereichs von Konfessionslosigkeit ist längst eine Massenerscheinung in Ländern Nordamerikas.
Schon seit Jahren stellt der Zweig der Pfingstkirchen in der weltweiten christlichen Ökumene nach dem (römisch-)katholischen Bereich den zweitgrößten Zweig dar. Die brutale Verfolgung auch von Pfingstkirchen in kommunistischen Regimen hat daran nichts ändern können. Pfingstkirchen und evangelikale Gemeinschaften zeichnen sich in der Regel durch klare moralische Forderungen aus. Nicht selten steht man dem Alkohol- und Nikotinkonsum kritisch bis völlig ablehnend gegenüber. Dies kann etwa am Anfang der Fastenzeit als ernster Anstoß für Katholikinnen und Katholiken dienen, selbstkritisch die eigene Lebensführung zu hinterfragen. Natürlich verdienen auch die ostkirchlichen Überlieferungen bezüglich Selbstbeschränkung und Verzicht beim Konsum Beachtung und können ihrerseits als Anregung, als eigene Ermutigung dienen. Jeweils eigene Größen stellen auch in Hinblick der Verwirklichung einer anspruchsvollen christlichen Lebensführung Hutterer, Amische/Amishe und die Kleine Kirche dar. Letztere ist allen vorschnellen Allgemeinplätzen und gegen alle Zweckpropaganda ja keineswegs ausgestorben (siehe Gedanken zur Woche 211 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2024) und Gedanken zur Woche 221 – 11. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Insbesondere wenn man sich etwas bei französischsprachigen Veröffentlichungen umsieht, so gewinnt man den Eindruck, dass die Kleine Kirche nicht nur weiterhin eine beachtliche Stabilität aufweist, sondern etwa bei Mischehen eigener Anhänger mit Mitgliedern der offiziellen katholischen Kirche sogar Neumitglieder gewinnen kann. Offensichtlich hat die Kleine Kirche die strengen, noch aus der Zeit von Papst Pius XII. herrührenden, Fastenregelungen beibehalten. Das von ihren Gründern so erbittert bekämpfte napoleonische Regime ist längst vergangen. Gleiches gilt für die ebenfalls in den Hochburgen der Kleinen Kirche und deren Umfeld so bekämpfte orleonidische Herrschaft des sogenannten Bürgerkönigs Louis Philippe/Louis-Philippe. Die daran anschließende Zweite Republik bestand noch kürzer und das Zweite Kaiserreich mit dem seinerseits so brutalen wie verschlagenen Napoleon III. (siehe Gedanken 87 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2021); Gedanken zur Woche 95 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 112-b – 5. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 142-b – 3. ADVENTWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 174-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 249-b – WEIHNACHTSOKTAV einschließlich HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA einschließlich TAGE DER WEIHNACHTSOKTAV (2024-2025)) brach nach seiner Niederlage in dem von ihm selber angezettelten Krieg gegen Preußen und dessen Verbündete zusammen. Mit der ihrerseits hochimperialistischen Dritten Republik ging es 1940 allmählich zu Ende. Es folgte der Staat, das Regime von Vichy. Verbunden mit bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen erfolgte der Übergang zur Vierten Republik. Diese brach dann nach der bereits erfolgten Niederlage im französischen Indochinakrieg als Folge der französischen Verluste und des Nichtsieges im Algerienkrieg zusammen. Die noch existierende Fünfte Republik hat schon manche Wandlung und mehr als eine Krise durchgemacht. Das französische Kolonialreich ist weitgehend von der Landkarte verschwunden. Schon Charles De Gaulle befürchtete, dass die Bretagne, Korsika und Elsass-Lothringen als nächstes die französische Herrschaft abschütteln könnten. Die Kleine Kirche mit ihrer gegenüber dem französischen Staat zumindest so distanzierten Haltung ist geblieben.
Erhalten geblieben sind auch Hutterer und Amische. Seit Jahrzehnten erleben sie stürmisches Wachstum. Dabei sind sie ihrem Grundsatz treu geblieben, sich nicht der US-amerikanischen und der kanadischen Durchschnittsgesellschaft anzupassen. Dies ist bei beiden Gemeinschaften gerade an der Verteidigung der deutschen Sprache wie der strikten Verweigerung des Dienstes an der Waffe im Angesicht der US-amerikanischen und der kanadischen Staatsmacht wie dem vielfältigen Anglisierungsdruck zu sehen. Allen gutgemeinten bis manchmal ziemlich beleidigenden Ratschlägen zum Trotze pflegen Hutterer und Amische ihren traditionellen Lebensstil mit all den Einschränkungen und aller Kritik, welches das mit sich bringt.
Von dem so tapferen und auf seine Weise so erfolgreichen Durchhalten solcher Gemeinschaften wie den Hutterern, den Amischen und der Kleinen Kirche kann man auch in der katholischen Kirche Anregung und Ermutigung annehmen. Eigene Identität zu verteidigen ist gerade in neuerer und neuester Zeit eine Herausforderung. Dies darf natürlich nicht missbraucht werden als Rechtfertigung von Korruption und Missbrauch im eigenen kirchlichen Bereich. Vielmehr sollten bei der Zurückweisung von Missbrauch aller Art doch gerade Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertreter mit gutem Beispiel vorangehen. In diesem Sinne sind die Möglichkeiten kirchlicher Selbstverwaltung einschließlich kirchlicher Gerichtsbarkeit nach besten Kräften einzusetzen.
Welch ernste Verpflichtung die fortdauernde Bekämpfung von strafbaren Handlungen im eigenen Bereich und Vermeidung jeder Willkür für kirchliche Obere darstellt, verdeutlicht Canon/Kanon 1717 des CIC. Dort ist nachzulesen:
„§ 1. Erhält der Ordinarius eine wenigstens wahrscheinliche Kenntnis davon, dass eine Straftat begangen worden ist, so soll er selbst oder durch eine andere geeignete Person vorsichtige Erkundigungen über den Tatbestand, die näheren Umstände und die strafrechtliche Zurechenbarkeit einziehen, außer dies erscheint als gänzlich überflüssig.
§ 2. Es muss vorgebeugt werden, dass nicht aufgrund dieser Voruntersuchung jemandes guter Ruf in Gefahr gerät.
§ 3. Der Voruntersuchungsrichter hat dieselben Vollmachten und Pflichten wie der Vernehmungsrichter im Prozess; in einem späteren Strafprozess kann er nicht als Richter tätig sein.“
Gedanken zur Woche 258, Dr. Matthias Martin
8. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)
Der letzte Sonntag der Faschingszeit, der letzte Sonntag der Zeit des Karnevals, ist ein guter Anlass, innezuhalten. Ganz generell sollen wir ja im christlichen Sinne den Sonntag zum Gottesdienst nutzen.
Es bedarf keiner tiefschürferenden theologischen oder religionswissenschaftlichen Kenntnisse, um zu wissen, dass wir in der Heiligen Messe ernsthaft zu Gott beten, unsere Sünden bedenken und im Sinne aufrichtiger Reue um Vergebung bitten sollen. Nicht umsonst wird die Heilige Messe gerne in zwei Hauptteile untergliedert: den Wortgottesdienst und die Eucharistiefeier. Manchmal wird auch die Heilige Messe in ihrer Gesamtheit Eucharistiefeier genannt. Eingerahmt werden diese beiden Hauptteile, wenn man so will, von der Eröffnung und dem Abschluss oder Schlussteil. Bezeichnenderweise finden wir das Allgemeine Schuldbekenntnis wie das Kyrie als besonderen Anruf des Erbarmens Gottes bereits vorne in der Eröffnung, dem Anfangsteil der Heiligen Messe. Die Bedeutung von Ernsthaftigkeit und Reue über eigene Sünden wird damit auch im nachkonziliaren/Nachkonziliaren Ritus, der Messe Pauls VI. verdeutlicht. Die Heilige Messe Pius V. oder Gregors des Großen (siehe Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 138-b - 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 244 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2024)) hat dazu eigene Akzente zu bieten. Da ist zu Beginn das heute oft noch im Gedächtnis von Katholikinnen und Katholiken zumindest als Stichwort vorhandene Stufengebet. Dieses besteht insbesondere aus Versen aus dem Buch der Psalmen. Damit wird hier schon ganz zu Beginn der Messfeier eine intensive Rückbindung an den ersten und größeren Hauptteil der Bibel, eben das Alte oder Erste Testament vorgenommen. Gerade in unserer Zeit ist es wichtig, immer wieder auf dieses Alte/Erste Testament hinzuweisen, da doch das Bewusstsein für so etwas wie die Gesamtheit der Bibel ziemlich geschwunden ist und überhaupt auch in kirchlichen Kreisen ziemlich theologische Irritationen grassieren. Da verdient natürlich auch der Introitus genannte Teil der Heiligen Messe nach dem Tridentinischen Ritus Beachtung. In ihm spielt oft ein Vers wiederum aus dem Buch der Psalmen eine entscheidende Rolle. Es kann aber auch etwas aus einem anderen biblischen Buch genommen werden. Manchmal werden auch Worte aus der außerbiblischen christlichen Überlieferung an dieser Stelle geboten. Mit diesem Introitus wird eben die zentrale Stellung der Bibel im liturgischen Jahreskreis und da eben gerade die des Alten/Ersten Testaments insgesamt verdeutlicht. Auf das Alte/Erste Testament und da besonders umfangreich auf das Buch der Psalmen werden wir in der Tridentinischen Liturgie auch im weiteren Messverlauf immer wieder hingewiesen. Grundsätzlich gibt es auch hier einen Wortgottesdienst, der im Volksschott aus der Zeit von Papst Johannes XXIII. „Lehrgottesdienst“ genannt wird. Diese starke Akzentsetzung in Hinblick auf das Alte/Erste Testament gilt natürlich nicht zuletzt für das Gebet des Geistlichen vor dem Evangelium und den Händewaschungspsalm. Im erwähnten Volksschott wird die eigentliche Eucharistiefeier dann „Opfermesse“ genannt.
Auf jeden Fall sind wir eingeladen, auch den letzten Sonntag der Faschingszeit und damit den Sonntag vor Beginn der Fastenzeit zum Besuch der Heiligen Messe zu nutzen. Hier können wir gerade im Rahmen einer Heiligen Messe an diesem Tag zurückblicken. Da mag uns manches in den Sinn kommen, was wir in der zurückliegenden Zeit falsch gemacht oder an Gutem unterlassen haben. Dafür können wir Gott um Vergebung anrufen, die Heiligen und generell Brüder und Schwestern im Glauben um ihre Fürbitte bitten. Natürlich sind wir eingeladen, uns vorzunehmen, für die zu Ende gehende Faschingszeit dies und jenes an schlechten Handlungen bewusst zu unterlassen und hier und da um so eifriger Gutes zu tun. In diesem Sinne können wir geistig den Blick schon etwas richten auf die kommenden Tage bis Aschermittwoch.
Einen in Hinblick auf mehr oder minder legale Drogen wie Alkohol und Nikotin enthaltsamen Lebensstil zu pflegen, fördert eh die eigene Gesundheit. Wegen der schädlichen Folgen des Passivrauchens ist gerade der möglichste Verzicht auf das Rauchen auch gut für die Gesundheit derjenigen Menschen, die sich jeweils in der eigenen Nähe aufhalten. Textilien und Zimmereinrichtungen werden beim Verzicht auf das Rauchen davor bewahrt, einen schlechten Geruch anzunehmen und gar zu stinken. Die Gefahr von Bränden sowohl in geschlossenen Räumen wie unter freiem Himmel reduziert sich, je mehr Menschen davon Abstand nehmen, sich eine anzuzünden, sei es eine Zigarre, eine Zigarette, eine Pfeife oder ein Zigarillo. Verzicht auf Alkoholkonsum ist jeweils ein persönlicher Beitrag für die Sicherheit im Straßenverkehr wie am Arbeitsplatz. Nicht umsonst erlebte man es in den letzten Jahren, dass Promillegrenzen für Autofahrerinnen und Autofahrer gesenkt wurden. Natürlich spart Zurückhaltung beim betreffenden Konsum gutes Geld. Wer gerade auf umfangreicheren Alkoholkonsum verzichtet, reduziert die Gefahr, sich in der zu Ende gehenden Faschingszeit noch eine peinliche bis verheerende Blöße zu geben. Darauf werden wir immerhin schon im Alten/Ersten Testament an mehr als einer Stelle aufmerksam gemacht. Man blicke dazu nur in die Bücher Genesis, Judit und Jesus Sirach. Gerade kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten sich um ein vorbildliches Verhalten bemühen. Gerade heutzutage überzieht man von dieser Seite her missliebige Menschen doch so gerne mit Hass und Häme, wenn man glaubt, sie an einem schwachen Punkt erwischt zu haben. Bei missliebigen Menschen und ganzen Bevölkerungsgruppen wird fortwährend regelrecht ein Überrigorismus praktiziert. Umso schwerwiegender ist es dann, wenn man selber in einer peinlichen oder gar schlimmeren Situation erwischt wird. Im guten Sinne kann man auch feststellen, dass doch Vorgesetzte für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Offizierinnen und Offiziere für ihre Soldatinnen und Soldaten bzw. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamtinnen gute Vorbilder sein sollen. Dies gilt generell für alle, die in Staat, Kirche und Gesellschaft ein bezahltes Amt oder Ehrenamt innehaben in Hinblick auf die jeweilige Bevölkerung bzw. jeweiligen Kirchenmitglieder.
Jedes dieser genannten biblischen Bücher wie auch die anderen Schriften des Alten/Ersten und des Neuen/Zweiten Testaments sind es natürlich während des ganzen Jahres Wert, in den Blick genommen zu werden. Aber es ist doch bemerkenswert, dass nach der heutzutage meistens verwendeten Leseordnung für diesen Sonntag im Jahreskreis Verse aus dem Buch Jesus Sirach mit seinem Ehrennamen Ecclesiasticus als Erste Lesung vorgesehen sind.
Hier geht es gerade um das praktische Verhalten des Menschen. Dies geschieht in einer Weise, die unabhängig von einer eigenen konfessionellen Zugehörigkeit zum Nachdenken und hoffentlich zum guten Tun anregen kann. Im Neuen/Zweiten Testament geht gerade der Jakobusbrief in eine solche weisheitliche Richtung.
Vor falschem Verhalten warnt auf eigene Weise auch das lukanische Sonntagsevangelium, wenn man der betreffenden Leseordnung weiter folgt. Hier ist der theologische, ja theistische Charakter der Aussage deutlicher als immer wieder in weistheitlicher Literatur. Wir haben es hier ja mit Versen aus einem der vier neutestamentlichen Evangelien zu tun. Dabei kann das Wort, wonach man einen Baum an seinen Früchten erkennt und von Disteln keine Feigen gepflückt und von einen Dornstrauch keine Trauben geerntet werden, noch eher als so etwas wie ein allgemeinmenschlicher Gedankengang verstanden werden. Gerade die Verse in den Versen 43 bis 45 des sechsten Kapitels des Lukasevangeliums können auch Menschen außerhalb christlicher Kirchen oder Denominationen ansprechen. In diesem verbindenden Sinne möchte ich sie als durchaus weisheitlich bezeichnen.
So mögen gerade Katholikinnen und Katholiken in würdiger Weise die Faschingszeit beenden und in die Fastenzeit übergehen. Sie mögen möglichst glaubwürdig den christlichen Glauben im Strom unverfälschter und unkorrumpierter kirchlicher Überlieferung in einer solchen Zeit bezeugen. Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, mögen sie sich eher selber an der Nase fassen und von daher sich immer wieder bemühen, Gutes zu verwirklichen und allerlei Böses zu unterlassen. Das mag dann auch für ihre Mitmenschen ein Anstoß im positiv-konstruktiven Sinne sein, sich zu öffnen für ein christliches Leben.
1. Lesung: Sir 27,4-7
2. Lesung: 1 Kor 15,54-58
Evangelium: Lk 6,39-45
Gedanken zur Woche 258-b, Dr. Matthias Martin
8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2025)
Der ASCHERMITTWOCH unterteilt im Jahre 2025 die Arbeitswoche in eine verkürzte achte Woche im kirchlichen Jahreskreis und den Beginn der Fastenzeit. Der ASCHERMITTWOCH seinerseits besitzt seine eigene Position in der Volkskultur, und da nicht zuletzt im kulinarischen Bereich. Dabei wurde bedauerlicherweise das von vielen Menschen eben am ASCHERMIWTTOCH gerne abgehaltene Fischessen sehr oft sinnentleert. Ein betreffendes Mahl wird oft als kulinarischer Genuss begangen und nicht als ernsthafter Vorgang eben zu Beginn der Fastenzeit. Gerade in Ländern und Territorien mit dem Problem der Überernährung ist es eine pastorale Herausforderung, Menschen möglichst wieder den Sinn der Fastenzeit im Allgemeinen und des ASCHERMITTWOCHS im Besonderen zu vermitteln. Die Kirche könnte damit auch einen Beitrag zur Gesundheit in der Bevölkerung in einem allgemeinmenschlichen Sinne leisten.
Dass sich die Kirche auch allgemeinen gesellschaftlichen Herausforderungen zu stellen und Menschen über Konfessionsgrenzen hinweg Unterstützung bieten soll, betonte ja immer wieder gerade Papst Franziskus. In diese Richtung weisen auch seine beiden Gebetsanliegen, die Papst Franziskus beizeiten für März 2025 der Weltkirche vorgelegt hat. Diese lauten nämlich:
„Für Familien in Krisen“
und
„Beten wir, dass zerbrochene Familien durch Vergebung die Heilung ihrer Wunden finden können, indem sie auch in ihren Unterschieden den Reichtum der anderen wiederentdecken.“
Zerrüttete Familien stellen oft gerade für dort lebende Frauen eine enorme Belastung dar. Gewalttätige Ehemänner, Lebensgefährten und Väter sind leider keine Ausnahmeerscheinungen. Die von der katholischen Sakramentenlehre, päpstlichen Lehrschreiben zu Ehe und Familie wie dem Kirchenrecht geforderte völlige Gleichberechtigung beider Brautleute und dann Ehepartner wird in vielen Ländern auch recht offiziell missachtet. Ein eigenes umfangreiches und tiefgründiges Problem stellt die in westlichen Ländern offensichtlich oft defizitäre Strafverfolgung bei Gewalt gegen Frauen und überhaupt bei sexuellen Übergriffen dar. Natürlich soll die Kirche gerade auf Seiten von Menschen stehen, die sich in einer schwachen Position, in einer bedrängten Situation befinden. Dies ist eine Daueraufgabe, die sehr oft stillen Durchhaltewillen und starken Mut erfordert. Schnelle und „coole“ Schlagzeilen verspricht ein solcher Dienst eben sehr oft nicht. Da ist es wie mit der innerkirchlichen Missbrauchsbekämpfung und gerade auch der so bitter notwendigen konsequenten Missbrauchsprävention. Aber der kirchliche Dienst sollte eben kein Selbstbedienungsladen für seine unterschiedlichen Akteure sein, in welchem man es sich möglichst gemütlich einrichten kann. Aufgeschlossene Menschen sind immer wieder überrascht, wie sehr die Kirche seit den frühen Jahrhunderten die grundlegende Freiheit beider Partner bei der Eheschließung und ihre fortwährende Gleichberechtigung vertreten hat. Päpstliche Dokumente, Konzilsbeschlüsse früherer Jahrhunderte und Canones/Kanones des Kirchenrechts können da immer wieder für spontane Zustimmung sorgen. Selbstverständlich darf man auch in diesem Problembereich nicht so naiv sein, zu meinen, Kirchenvertreter und Kirchenvertreterinnen hätten sich da ganz im Sinne solcher inhaltlichen Positionierungen stets makellos benommen und sich heldenmütig etwa auf die Seite bedrängter Ehefrauen gestellt und Mächtigen ihrer Zeit bis hin zu ganzen Machtsystemen die Stirn geboten. Unter den Bischöfen Englands stand der heilige Bischof John Fisher in seiner todesmutigen Opposition gegen den brutalen Heinrich VIII. allein und ging ohne jeden Mitbischof letztlich ins Martyrium. Auch in seiner Auseinandersetzung mit Napoleon Bonaparte wegen dessen Ehescheidung und neuer Eheschließung konnte sich Pius VII. beileibe nicht auf alle Bischöfe und Kardinäle verlassen. Auch hier waren es oft gerade einfache Ordensleute und im landläufigen Sinne Laien, welche mutig in unterschiedlicher Weise sich dem Willen des Machthabers und seiner Handlanger widersetzten.
Da mag es eine eigene Ermutigung und ein Ansporn in unserer Zeit sein, gerade für bedrängte Frauen Partei zu ergreifen, dass in diesem Jahr 2025 am FREITAG NACH ASCHERMITTWOCH, dem 7. März, der ÖKUMENISCHE WELTGEBETSTAG DER FRAUEN stattfindet, der manchmal auch kurz der ÖKUMENISCHE WELTGEBETSTAG genannt wird. Auch Männer sollen sich da ja angesprochen fühlen.
In diesem Jahr kommen die Texte für dieses in einem langfristigen Sinne so wichtige Ereignis von den Cookinseln/Cook Inseln. Der Heilige oder Apostolische Stuhl hat bereits vor Jahren diesen Staat anerkannt und diplomatische Beziehungen aufgenommen (https://holyseemission.org/contents/mission/diplomatic-relations-of-the-holy-see.php und https://www.vatican.va/news_services/press/documentazione/documents/corpo-diplomatico/corpo-diplomatico_stati_elenco_en.html). Der Heilige/Apostolische Stuhl hat damit auch zugunsten der Cookinseln/Cook Inseln einen klaren Standpunkt in Hinblick von dessen Unabhängigkeit eingenommen und dies konsequent durchgehalten. Im zurückliegenden Jahr 2023 kamen die Texte für den ÖKUMENISCHEN WETLGEBETSTAG (DER FRAUEN) aus der Republik Taiwan (siehe Gedanken zur Woche 155-b – 3. FASTENWOCHE (2023) und Gedanken zur Woche 237-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Auch dies stellt eine starke Übereinstimmung mit der Position des Heiligen/Apostolischen Stuhls dar. Dieser hält ja an den vollen diplomatischen Beziehungen mit der Republik Taiwan fest, die einhergehen mit herzlichen Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem taiwanesischen Staatswesen und der taiwanesischen Gesellschaft im täglichen Leben. Zur Intensivität und Vielfalt der Beziehung zwischen der katholischen Kirche und der Republik Taiwan passt sehr gut, dass im jeweiligen Jahr verbunden mit dem ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) gerade auch Speiserezepte aus der Republik Taiwan international verbreitet wurden. Insgesamt trug der ÖKUMENISCHE WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) des Jahres 2023 dazu bei, auf taiwanesische Kultur und die Bedeutung Taiwans für die weltweite Christenheit über Konfessionsgrenzen hinaus hinzuweisen.
Dieser umfassende und nachhaltige Effekt darf auch in Hinblick auf den ÖKUMENISCHEN GEBETSTAG (DER FRAUEN) des Jahres 2025 und für das ganze Staatswesen der Cookinseln/Cook Inseln angenommen werden. Dazu gehört auch der poltisch-diplomatische Akzent. Der Apostolische Stuhl darf sich als Völkerrechtssubjekt eigener Art bestätigt sehen in seiner diplomatischen Anerkennung sowohl der Republik Taiwan wie der Cookinseln/Cook Inseln.
Eine Bestätigung eigener Art für traditionelle katholische Positionen war der Umstand, dass schon die Texte einschließlich liturgische Vorschläge für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) für das Jahr 2022 ganz offiziell aus England, Wales und Nordirland kamen. Die dazu erarbeiteten und versandten Texte bestätigten die kritische Haltung engagierter Katholikinnen und Katholiken einschließlich solcher, die aktiv in der irisch-republikanischen Bewegung, der walisischen und der schottischen Nationalbewegung aktiv sind, gegenüber dem Vereinigten Königreich (siehe Gedanken zur Woche 104-b - 3. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2022)).
An dieser Stelle sei nur daran erinnert, dass es weiterhin für die katholische Kirche nur ein Irland mit einer gemeinsamen Bischofskonferenz, einem gemeinsamen (National-)Primas und einer für ganz Irland zuständigen Nuntiatur gibt. Genauso haben sich gerade Katholikinnen und Katholiken in den nationalen Bewegungen von Wales und Schottland und auch für die Bewahrung nicht zuletzt der keltischen Sprachen engagiert. Weiterhin weigert sich die insbesondere durch den Heiligen/Apostolischen Stuhl vertretene katholische Kirche auch, eine britische Bischofskonferenz zu Lasten schottischer, walisischer und englischer Identität zu errichten. Schon gar nicht kommt eine Anpassung der Bistums-/Diözesangrenzen und des Umfangs der irischen Bischofskonferenz an die gegenwärtig noch vorhandene Spaltungsgrenze zwischen Nordirland und dem Hauptteil Irlands in Frage.
Ganz in einem gut traditionell-katholischen Sinne kamen bereits die Texte für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) von 2021 aus der Republik Vanuatu, deren jetziges Staatsgebiet einst von den Kolonialmächten Frankreich und Großbritannien gemeinsam unterjocht und ausgebeutet wurde (siehe Gedanken zur Woche 237-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Auch zur Republik Vanuatu unterhält der Heilige oder Apostolische Stuhl volle diplomatische Beziehungen (https://holyseemission.org/contents/mission/diplomatic-relations-of-the-holy-see.php; https://www.visahq.com/vatican/embassy/vanuatu/ und https://www.vatican.va/news_services/press/documentazione/documents/corpo-diplomatico/corpo-diplomatico_stati_elenco_en.html).
Dies gilt auch in Hinblick auf Palästina, aus dem die Texte für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) 2024 kamen (siehe Gedanken zur Woche 226-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)) und für die Republik Zimbabwe. Frauen aus dieser einstigen britischen Kolonie hatten die Texte schon für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) 2020 erarbeitet und der weltweiten Christenheit zur Verfügung gestellt.
Gedanken zur Woche 257, Dr. Matthias Martin
7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)
Zumindest recht bekannt dem Namen nach ist wohl die Bergpredigt nach Matthäus. Dabei ist davon auszugehen, dass sich zwar mitunter jemand gerne auf den „Geist der Bergpredigt“ oder wie auch immer beruft, eine eingehendere Beschäftigung und eine von daher rührende Vertrautheit mit dem Text der matthäischen Bergpredigt, wie wir sie vom fünften bis einschließlich zum siebten Kapitel des Matthäusevangeliums finden, sehr oft offensichtlich nicht gegeben ist. So kommt es vor, dass ein einzelner Vers der am Beginn dieser großen Bergpredigt zu findenden Seligpreisungen (Mt 5,3-12) zitiert wird. Verse über Verzicht auf Vergeltung und Feindesliebe (Mt 5,38-48) (siehe Gedanken zur Woche 152 – 7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)) werden gerne in einer das Alte/Erste Testament diskreditierenden Weise und das dann auch nur sehr bruchstückhaft angeführt. Man sollte vielleicht gar nicht von zitieren sprechen. Oft wird dies sogar in der offenkundigen Absicht unternommen, um Hass geben jüdische Menschen und ihnen freundlich gesinnte Personen zu schüren. Dass unter Berufung auf Feindesliebe und Verzicht auf Vergeltung Hass gegen Mitmenschen geschürt wird, sich für sich schon bizarr.
Erst recht sollte man sich doch vergegenwärtigen, dass gerade in der Bergpredigt die fortdauernde Geltung des Alten/Ersten Testaments und Bedeutung von Gesetz und Propheten betont wird, wie dies insbesondere schon in Kapitel Fünf des Matthäusevangeliums geschieht (Mt 5,17-19) (siehe Gedanken zur Woche 27 – 24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 61 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2021) und Gedanken zur Woche 71 – 18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Schon gar nicht werden üblicherweise die ziemlich rigorosen Aussagen zu Ehebruch und Ehescheidung, wie sie in der matthäischen großen Bergpredigt zu finden sind, berücksichtigt (Mt 5,27-32). Schon gar nicht macht man sich üblicherweise die Mühe, zu überlegen, inwieweit gerade solche neutestamentlichen Verse durch eine etwaige Einstufung der Entlassung eines Ehepartners aus der Ehe als sehr verwerfliche Handlung nicht jede Wiederheirat eines solchen einmal schon aus der Ehe entlassenen Menschen als Ehebruch brandmarken. Liegt da nicht dann eine Verunmöglichung einer gültigen neuen Eheschließung bei dem bzw. der Betroffenen vor?
Das aber sind unangenehme Fragen und Angelegenheiten, die offensichtlich nicht zeitgeistkonform sind. Umso mehr aber sollte eben allein schon die ganze matthäische Bergpredigt vor tagespolitischem und überhaupt zeitgeistigem Missbrauch möglichst bewahrt bleiben.
Dies gilt natürlich eben auch für die kleinere lukanische Bergpredigt (Lk 6,20-49), egal ob man diese etwa als „Feldrede“, als „lukanische Bergpredigt“, als „kleine Bergpredigt nach Lukas“ oder wie auch immer bezeichnet.
Dabei ist natürlich grundsätzlich der Aufruf zu Deeskalation, Verständigung und Verzicht auf Rache und Vergeltung zu beherzigen.
Dies wird auch im gegenwärtigen katholischen Kirchenrecht aufgegriffen und zumindest etwas ausformuliert.
Gütliche Verständigung anstelle nicht zuletzt von gerichtlichen Auseinandersetzungen sollen gerade offizielle Kirchenvertreter nach Möglichkeit fördern. Da legt es sich natürlich nahe, dass insbesondere Bischöfe und ranghohe Laienvertreter bei gesellschaftlichen Konflikten nicht noch Öl ins Feuer gießen, um sich zu profilieren und irgendwelche Gefälligkeiten von wichtigen Stellen zu erlangen.
Tatsächlich lautet doch Paragraph 1 von Canon/Kanon 1446 des CIC ohne Einschränkung etwa bezüglich einer Bischofskonferenz oder einer Kirchenprovinz:
„Alle Gläubigen, vor allem aber die Bischöfe, sollen eifrig bemüht sein, dass Rechtsstreitigkeiten im Gottesvolk ohne Beeinträchtigung der Gerechtigkeit nach Möglichkeit vermieden und baldmöglichst friedlich beigelegt werden.“
Von der Vertuschung schwerer Straftaten wie etwa des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und Erwachsenen ist hier ganz offensichtlich ganz und gar nicht die Rede! Auch das Unterdrucksetzen und Einschüchtern von Missbrauchsopfern und mit ihnen freundschaftlich oder familiär verbundenen Menschen wird hier nicht gutgeheißen! Ebenso wird den Betroffenen wie anderen Gläubigen keineswegs das Recht abgesprochen, vernehmlich ihre Meinung zu äußern, ihre Anliegen und Beschwerden vorzubringen und eben gegebenenfalls vor weltlichen oder kirchlichen Gerichten und anderen Einrichtungen den Rechtsweg zu beschreiten.
Gerade das Recht, den Rechtsweg zu beschreiten wird in Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanons 1446 ausdrücklich bei aller Ermutigung zur Verständigung bestätigt:
„Wann immer der Richter irgendeine Aussicht auf Erfolg erkennt, soll er es zu Beginn eines Rechtsstreites und auch zu jedem anderen Zeitpunkt nicht unterlassen, die Streitteile zu ermuntern und ihnen behilflich zu sein, dass sie in gemeinsamer Überlegung für eine der Billigkeit entsprechende Beilegung des Streites sorgen; er soll ihnen dazu geeignete Wege aufzeigen und sich auch angesehener Personen zur Vermittlung bedienen.“
Von einer Besserstellung offizieller kirchlicher Mitarbeiter einschließlich geweihter Amtsträger ist hier bezeichnenderweise nicht die Rede. Vielmehr wird von einer grundsätzlichen Gleichwertigkeit betroffener Menschen ausgegangen. Standesdünkel, in der Weltkirche dazu eh kritisierte parteipolitische Bevorzugungen und Freunderlwirtschaft, werden hier nicht gutgeheißen! Schon gar nicht wird hier eine Art Weißwaschung von Straftätern etwa im Bereich von sexuellem Missbrauch und Vermögensvergehen propagiert.
Dies wird abgerundet durch Paragraph 3 eben dieses CIC-Canons/Kanons 1446:
„Wenn der Rechtsstreit um das private Wohl der Parteien geht, soll der Richter erwägen, ob der Streit nützlicherweise durch Vergleich oder Schiedsspruch gemäß cann. 1713-1716 beendet werden kann.“
„Vergleich“ und „Schiedsspruch“ heißen nicht Demütigung oder persönliche Schädigung einer etwa offiziellen Kirchenvertretern missliebigen Person oder einer von ihnen weniger geschätzten Partei.
In diese Richtung weisen auch ganz stark die angeführten Canones/Kanones 1713 bis 1716 des CIC. Die Würde des Menschen ist unteilbar und nicht abhängig von einer weltlichen Regierung, einer politischen Partei, einer Gewerkschaftsorganisation und auch nicht von einer Bischofskonferenz und von keinem Laiengremium. Dies gilt auch bezüglich des Strebens nach der Wahrheit und der grundsätzlichen Verpflichtung, Opfern von Unrecht nach besten Kräften Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und gegen Tatsachenverdrehungen und Vertuschung anzukämpfen.
In diesem Sinne ist dann auch CIC-Canon/Kanon 1713 zu verstehen:
„Zur Vermeidung gerichtlicher Streitigkeiten ist es zweckmäßig, einen Vergleich, das heißt eine gütliche Beilegung herbeizuführen; Der Rechtsstreit kann auch einem oder mehreren Schiedsrichtern übertragen werden.“
Die Gleichrangigkeit der Parteien und deren Respektierung wird eigens in Canon/Kanon 1714 unterstrichen:
„Für den Vergleich, den Schiedsvertrag und das Schiedsverfahren gelten die Regeln, die die Parteien vereinbart haben, oder, wenn solche Regeln nicht bestehen, das etwa von der Bischofskonferenz erlassene Gesetz oder das am Ort der Vereinbarung geltende weltliche Recht.“
Die Regelkompetenz wird hier wohlgemerkt den untereinander gleichberechtigten Konfliktparteien, kurz Parteien, zugeiwesen. Die Regelungskompetenz der etwaigen Bischofskonferenz ist äußerstenfalls als subsidiär zu betrachten. Die weltliche Rechtsordnung ihrerseits darf dabei auch hier nicht willkürlich missachtet werden, egal welchen öffentlichen Auftretens ein Bischofskonferenzvorsitzender sich befleißigt oder wie im Einzelfall das Fehlverhalten kirchlicher Mitarbeiter versucht wird, zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen. Dazu wird im anerkennenden Sinne auch in Paragraph 1 des Canons/Kanons 1716 ausdrücklich auf „das weltliche Recht“ bezüglich der „Wirkung eines Schiedsspruches“ hingewiesen.
Auch eine Bischofskonferenz und ihre einzelnen Mitglieder sollte es sich hier wie bei anderen Gelegenheiten nicht zu einfach machen.
1. Lesung: 1 Sam 26,2.7-9.12-13.22-23
2. Lesung: 1 Kor 15,45-49
Evangelium: Lk 6,27-38
Gedanken zur Woche 257-b, Dr. Matthias Martin
7. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)
Natürlich ist wie der CIC für die Lateinische Kirche auch der CCEO für die Katholischen Ostkirchen zu beachten, wenn es um das Rechtswesen der einen katholischen Weltkirche geht. Bei allen legitimen Akzentunterschieden im spirituellen, im liturgischen, im theologischen und eben auch im kanonischen/kanonisitschen Erbe bilden die betreffenden Kirchen eigenen Rechts ja zusammen die eine katholische Kirche, ergeben gemeinsam erst die katholische Weltkirche.
Das Begehen des Marien-Samstags mag dies wieder verdeutlichen. Die Marienverehrung ist ja in östlichen Traditionen des Christentums besonders ausgeprägt. Dies lässt sich sowohl für den vorchalcedonensischen Zweig wie für die chalcedonensischen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften feststellen. Anders gesagt lässt sich feststellen, dass sowohl bei den die sieben ersten allgemeinen Konzilien anerkennenden Orthodoxen wie bei altorientalischen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften mit üblicherweise nur drei anerkannten allgemeinen Konzilien wie es auf die Koptische Kirche zutrifft, die Marienverehrung sehr ausgeprägt ist und einen sichtbaren Niederschlag auch im kulturellen Leben wie den bildenden Künsten findet.
Infolge der völligen Übereinstimmung in der Glaubens- und Sittenlehre anerkennen ihrerseits alle Kirchen eigenen Rechts innerhalb der katholischen Weltkirche ausdrücklich auch die dogmatischen Verkündigungen von 1854 über die Unbefleckte Empfängnis Mariens und von 1950 über die Leibhaftige Aufnahme Mariens in den Himmel an. Bezeichnenderweise war die dogmatische Verkündigung von 1854 auf dem dann von 1869 bis 1870 tagenden Ersten Vatikanischen Konzil überhaupt kein Streitpunkt (mehr), ja anders als so vieles andere auch kein Diskussionspunkt. Ebenso war der Inhalt der dogmatischen Verkündigung des Jahres 1950 auf dem von 1962 bis 1965 tagenden Zweiten Vatikanischen Konzil kein Streitpunkt. In Abschnitt 62 der dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ über die Kirche etwa heißt es sogar:
„Die Mutterschaft Marias in der Gnadenökonomie dauert unaufhörlich fort, von der Zustimmung an, die sie bei der Verkündigung gläubig gab und unter dem Kreuz ohne Zögern festhielt, bis zur ewigen Vollendung der Auserwählten. In den Himmel aufgenommen, hat sie diesen heilbringenden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fährt durch ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken.“
Bezeichnenderweise wird in der offiziellen Anmerkung zu diesen Worten gerade auf östliche Theologen einschließlich dem über Konfessionsgrenzen hinweg so geschätzten Johannes von Damaskus verwiesen. Es ist auch in Hinblick auf Maria davon die Rede, dass sie „in den Himmel aufgenommen“ wurde und eben nicht selber in den Himmel aufgefahren ist. Diese Klarstellung besitzt natürlich für die ganze katholische Kirche mit ihren verschiedenen Kirchen eigenen Rechts ihre Bedeutung. Es kommt ja gerade im deutschen Sprachbereich immer wieder zu Verwirrungen oder problematischen Formulierungen (siehe Gedanken zur Woche 23-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023)).
Gelten diese theologischen Klarstellungen grundsätzlich für die ganze katholische Weltkirche, so hat natürlich auch der Apostel Matthias seine globale Bedeutung. Seine nachträgliche Berufung in den Apostelkreis wird sogar ausdrücklich in der Apostelgeschichte des Neuen/Zweiten Testaments (Apg 1,15-26) erzählt. Die Apostelgeschichte wird ja ihrerseits von den allermeisten sich „christlich“ nennenden Denominationen und dergleichen anerkannt. Natürlich kann man auch hier nicht für alle mehr oder weniger als „protestantisch“ bezeichneten Denominationen oder wie auch immer sprechen.
Die überlieferte Übertragung der Reliquien des heiligen Matthias nach Augusta Treverorum, in das heutige Trier, als einer der Teilhauptstädte des damaligen Römischen Reiches weist jedenfalls eigens auf die diocletianische Reichsreform und ihre Fortführung durch Kaiser Konstantin nach dessen Aufstieg zum Herrscher im Römischen Reich hin (siehe Gedanken zur Woche 50-b – 1. FASTENWOCHE (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 60 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2021) und Pfarrbrief vom Februar 2025 der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau (https://www.stein.dsp.at/dl/skNpJmMJKnlLmJqx4kJK/Pfarrbrief_Februar_2025_3__pdf))).
In die Richtung der einen Weltkirche werden wir dann auch durch den heiligen Gregor von Narek gewiesen. Durch ihn, sein Erbe und die ihm erwiesene Verehrung werden wir insbesondere in Richtung der Ostkirchen gewiesen und gerade eben auch der mit dem Apostolischen/Heiligen Stuhl in voller Einheit stehenden Katholischen Ostkirchen. Der heilige Gregor Narek gehörte der armenischen Kirche an. Die armenische Tradition ist bis heute lebendig, sowohl in der Armenisch-Apostolischen Kirche als auch in der kleineren Armenisch-Katholischen Kirche (siehe Gedanken zur Woche 116-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2022) und Gedanken zur Woche 118-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2022) und speziell zur Armenisch-Apostolischen Kirche auch Gedanken zur Woche 187 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und zur Armenisch-Katholischen Kirche 239-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Seine Erhebung zum Kirchenlehrer durch Papst Franziskus bedeutete eine erneute klare Zurückweisung von jedem Fideismus. Schließlich war der heilige Gregor von Narek nicht nur ein wichtiger theologischer Autor und eine Persönlichkeit in einer wichtigen Klosterschule. Er verfasste auch bemerkenswerte Schriften zu so unterschiedlichen Bereichen wie der Literatur, der Musik und auch zu Mathematik und Astronomie. Zu beachten ist, dass ihn Papst Franziskus genau am 12. April 2015 zum Kirchenlehrer erhob, was der Gedenktag des der Türkei vorgeworfenen Völkermordes an den Armeniern ist. Die Erhebung des Armeniers Gregor von Narek zum Kirchenlehrer durch Papst Franziskus war also mehr als eine schallende Ohrfeige für protürkische Politiker und Parteien, gerade in Ländern der Europäischen Union. Es war ein direkter Schlag in deren Gesicht. Ganz offensichtlich entschied man sich im Wesentlichen bei den solchermaßen Betroffenen diese mehr als peinliche Angelegenheit durch Stillschweigen und Wegducken auszusitzen. Der Vorgang von fortdauernder Bestätigung des Rangs als Kirchenlehrer für den heiligen Gregor von Narek wiegt umso schwerer und ist umso bemerkenswerter, da dieser Heilige offiziell nicht in Kirchengemeinschaft mit dem päpstlichen Rom stand. Im Direktorium des Bistums, der Diözese St. Pölten 2024/2025 steht dazu aus römisch-katholischer Sicht zu lesen:
„Er ist somit der erste Kirchenlehrer, der zu Lebzeiten nicht in Gemeinschaft mit der Kirche in Rom stand.“
Genau dieser armenische Geistliche wurde seitens des päpstlichen Roms als Heiliger und darüber hinaus sogar Kirchenlehrer anerkannt!
Dabei sollen sich Christinnen und Christen ganz generell untereinander um Verständigung bemühen. So gibt es die Regelung zur gütlichen Beilegung von Streitigkeiten nicht nur im CIC für die Lateinische Kirche (siehe Gedanken zur Woche 257 – 7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)), sondern eben auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen. So handeln dort die Canones/Kanones 1164 bis einschließlich 1184 von der „Vermeidung von Gerichtsverfahren“.
Dabei wird eine Verletzung etwa eines rechtsstaatlichen Strafrechts ausgeschlossen. Immerhin lautet doch CCEO-Canon/Kanon 1164:
„Beim Vergleich muß das weltliche Recht des Ortes gewahrt werden, wo der Vergleich eingegangen wird.“
Hintertürchen und Ausreden etwa zugunsten von Missbrauchstätern und Wirtschaftskriminellen im kirchlichen Bereich sollte auch der daran anschließende Paragraph 1 Canon/Kanon 1165 eigens ausschließen:
„Ein Vergleich kann nicht gültig zustandekommen bei Angelegenheiten hinsichtlich solcher Sachen oder solcher Rechte, die das öffentliche Wohl angehen, und hinsichtlich anderer Angelegenheiten, über welche die Parteien nicht frei verfügen können.“
Wie im CIC, so werden auch im CCEO in diesem Zusammenhang nicht bestimmten Parteien mehr Rechte als anderen eingeräumt. Dies ist als rechtliches Grundprinzip zu respektieren und zu verwirklichen unabhängig vom Gutdünken eines einzelnen Bischofs, einer Bischofskonferenz und eines Laiengremiums. Solche Gleichrangigkeit wird auch im CCEO Canon/Kanon 1168 vertreten:
„§ 1. Diejenigen, die eine Streitigkeit miteinander haben, können schriftlich vereinbaren, daß sie von Schiedsrichtern entschieden wird.
§ 2. Dasselbe können diejenigen schriftlich vereinbaren, die einen Vertrag miteinander eingehen oder eingegangen sind, was Streitigkeiten betrifft, die möglicherweise aus diesem Vertrag hervorgehen werden.“
Gedanken zur Woche 256, Dr. Matthias Martin
6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)
Das Kalender- wie das Kirchenjahr schreiten voran. Nun sind ja beide tatsächlich enger miteinander verbunden als sich viele denken mögen. Schließlich geht doch der das „normale“ Kalenderjahr einteilende Kalender auf einen besonders bedeutenden Papst der katholischen Erneuerung zurück, Gregor XIII. (Pontifikat von 1572 bis 1585). Gerne wird bei ihm auch von einem der führenden Persönlichkeiten oder Päpste der Gegenreformation gesprochen. Die Wortwahl kann verschieden sein. Seinerseits hat das Lehramt der katholischen Kirche keine Festlegung getroffen, welche Formulierung zu bevorzugen sei.
Es gibt ja bis heute auch keine verbindliche Festlegung, wie etwa die so gerne angeführten Epochen Antike/Altertum, Mittelalter und Neuzeit zeitlich voneinander abzugrenzen sind, wann eine dieser Epochen begonnen haben sollte, und wann man von ihrem Ende auszugehen habe.
War es früher recht beliebt, ganz konkret die Absetzung des angeblich letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustulus im Jahre 476 n. Chr. durch den germanischen Heerführer Odoaker als Ende der Antike, als Abschluss des Altertums und damit als Beginn des Mittelalters zu sehen, so sieht man dies längst nicht mehr so. Längst wird wohl wieder stärker wahrgenommen, dass dieser Romulus Augustulus zum einen eh die Marionette in den Händen seines eigenen intriganten Vaters Orestes und zum anderen schon gar nicht mehr allgemein anerkannt war. Um den gerade von Ostrom-Konstantinopel anerkannten nominellen weströmischen Kaiser Julius Nepos zumindest auf der Apenninenhalbinsel und in Padanien stürzen zu können, hatte dieser Orestes der Hilfe germanischer Truppen bedurft, die offiziell in weströmischem Dienst standen. Dabei konnte er nicht einmal damit Julius Nepos ganz ausschalten. Vielmehr konnte dieser in seine Hochburg und mutmaßliche Herkunftsregion Dalmatien fliehen und dort bis zu seiner Ermordung im Jahre 480 nicht zuletzt durch Ostrom-Konstantinopel und das dortige Kaisertum anerkannt noch regieren. Dementsprechend wird mitunter überhaupt dieses Todesjahr des Julius Nepos 480 n. Chr. als Ende des Weströmischen Reiches gesehen oder vorsichtiger zumindest gemeint, dass einiges für ein Ende des Weströmischen Reiches zu diesem Zeitpunkt spräche. Man kann auch mitunter die Meinung vernehmen, etwa mit der Niederlage des Syagrius im Jahre 486 und der Annexion seines bisherigen Herrschaftsgebietes im eher nordwestlichen Gallien durch die aufstrebenden Franken sei das Weströmische Reich zum Ende gekommen.
Sollte man sich überhaupt einigen, wann denn nun das Weströmische Reich zu Ende gegangen sei, so ist damit noch lange nicht geklärt, ob dieses angenommene Ende denn auch das Ende des Altertums, den Abschluss der Antike und den Beginn des Mittelalters bedeute. Schließlich gab es ja auch weiterhin unter germanischem Schutz etwa den römischen Senat in Rom. Ravenna fungierte weiterhin als Herrschaftssitz für die Apenninenhalbinsel und Padanien mit mehr oder minder starkem Einfluss bis zum Donaulauf hin. Auch Theoderich der Große, der mit seinen Ostgoten zugegebenermaßen blutig die Herrschaft von Odoaker übernahm, legte sowohl Wert auf die Zusammenarbeit mit dem Kaiser in Konstantinopel wie auf ein freundliches Verhältnis zur katholischen Kirche gerade im eigenen Herrschaftsbereich. Welcher Bedeutung kommt für eine Epocheneinteilung etwa dem Vordringen des ebenfalls germanischen Volkes der Langobarden in die padanische Poebene und auf die Apenninenhalbinsel zu? Die Durchsetzung des am Großen Glaubensbekenntnis von Nicäa und Konstantinopel orientierten Katholizismus unter der katholischerseits als Seliger bzw. Heiligen verehrten Theodelinde/Theodelinda/Theudelinde gilt manchem bzw. mancher als zumindest das Ende eines noch offiziellen Arianismus. Andere legen auch hier mehr Wert auf den Übertritt des westgotischen Herrschers Rekkared zum katholischen Glauben (siehe Gedanken zur Woche 25-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und zu Theodelinde/Theodelinda/Theudelinde auch Gedanken zur Woche 250-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2025)).
Sieht mancher erst das Ende der Antike, des Altertums, mit dem zwölften bis dreizehnten Jahrhundert nach Christus gegeben, so meinen andere, dieser Epochenwechsel habe schon im zweiten oder dritten Jahrhundert stattgefunden mit dem Beginn konsequenterer germanischer (Gegen-)Angriffe auf das Römische Reich. Mitunter kann man hierzu auch vernehmen, es habe sich hierbei um den Beginn der „germanischen Gegenoffensive“ gegen das selber betreffende Gebiete vorher erst unterwerfende Römische Reich gehandelt.
Genauso wird der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit sehr unterschiedlich angenommen. Lange Zeit galt aus europäischer Sicht die Wiederentdeckung Amerikas durch Kolumbus/Columbus im Jahre 1492 als die große Epochengrenze. Ja mancher spitzte den Epochenwechsel vom Mittelalter zur Neuzeit auf den Moment zu, an dem der Mann am Ausguck der Flottille unter dem Kommando des Columbus/Kolumbus Land in Sicht vermeldete. Nicht zuletzt der Umstand, dass gerne „Wikinger“ genannte Menschen vorher schon längst Nordamerika erreicht und gerade auf dem zu Nordamerika gehörendem Grönland dauernde Siedlungen samt einem mit dem Papst in Rom in voller Kirchengemeinschaft stehenden Bischofssitz errichtet hatten (siehe Gedanken zur Woche 128-b - 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), wird als Argument angeführt, diese Entdeckung von Columbus/Kolumbus solle doch nicht überbewertet werden. Bedeutete nicht vielmehr dann gerade die aus europäischer Sicht erfolgte Entdeckung des Seeweges nach Indien durch Vasco da Gama in der Zeit von 1497 bis 1498 einen epochemachenden Durchbruch? Kommt nicht bereits davor der Tätigkeit Heinrichs der Seefahrers (Lebenszeit von 1394 bis 1460) entscheidende Bedeutung für den Start übergreifender Entdeckungs- und Kolonisierungstätigkeit seitens europäischer Mächte zu?
Dabei wird inzwischen selbst in westlichen Ländern das Wirken dieses Heinrichs des Seefahrers längst nicht mehr so enthusiastisch gutgeheißen wie wohl in früheren Zeiten. Inzwischen wird er zusehends auch als Person gesehen, die gerade in furchtbarer Weise den internationalen Sklavenhandel unter offensichtlicher Korrumpierung kirchlicher Kreise massiv ausgeweitet hat. Überhaupt gewann das angebliche so christliche Portugal eine enorme Bedeutung im internationalen Sklavenhandel. Dabei hatte das päpstliche Lehramt längst Sklaverei und Sklavenhandel in deutlichen Worten verurteilt (siehe Gedanken zur Woche 26-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 48-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 76-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 155 – 3. FASTENSONNTAG (2023)).
Manch einer kann sich noch an die erbitterten Unabhängigkeitskämpfe erinnern, die Angola einschließlich Cabinda/Kabinda, Mozambique und Guinea-Bissau noch bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts zur Befreiung von der portugiesischen Kolonialherrschaft durchzufechten hatten. Vom Kollaps der portugiesischen Herrschaft profitierten dann auch Kap Verde und São Tomé und Principe in Hinblick auf die Erlangung ihrer Unabhängigkeit. Insbesondere infolge vorübergehender indonesischer Besetzung war der Weg der ebenfalls einst portugiesischen Kolonie Osttimor/Timor-Leste in die tatsächliche und international anerkannte Unabhängigkeit besonders verwickelt. Die Herrschaft Portugals in ihren Kolonialbesitzungen auf dem indischen Subkontinent mit Goa darunter hatte schon vorher Indien unter dem Einsatz seiner Streitkräfte im Jahre 1961 gewaltsam beendet. Im Falle des an der ostchinesischen Küste gelegenen Macaos zog es dann das längst seiner erwähnten Kolonien entledigte Portugal vor, im Rahmen einer friedlichen Übereinkunft mit China ohne weitere Gewalt den Rückzug anzutreten, anstatt eine weitere militärische Niederlage zu provozieren. Dabei hatte schon der heilige Papst X. den Konflikt mit dem damaligen großen portugiesischen Kolonialreich nicht gescheut (siehe allgemein Gedanken zur Woche 178-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Die Dekolonialisierung hatte hier wie in anderen Fällen lange gedauert. Dass dieser Prozess überhaupt voranging, war ungezählten Menschen in den unterworfenen Gebieten zu verdanken, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens zum aktiven Widerstand bereit waren. Der katholische Weltjugendtag im Jahre 2023 in Lissabon wurde kirchlicherseits dazu genutzt, sich von portugiesischer Kolonialnostalgie und damit verbundener grenzüberschreitender Rechtfertigungspropaganda vernehmlich zu distanzieren. Eine diesbezüglich irreführende Briefmarke wurde zur Klarstellung durch den Vatikan spektakulär zurückgezogen!
Dabei sollte man sich gerade bei einer solchen Gelegenheit daran erinnern, dass der Apostolische Stuhl, auch genannte Heiliger Stuhl, gerne die in den letzten Jahrzehnten unabhängig gewordenen Staaten anerkannte und mit ihnen auf Gegenseitigkeit volle diplomatische Beziehungen aufnahm (siehe Gedanken zur Woche 228-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 194 – 2. ADVENTSONNTAG (2023)). So hatte sich der Heilige/Apostolische auch schon in Hinblick auf die Staaten Lateinamerikas verhalten, die bereits im 19. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit von Spanien und Portugal erkämpften.
1. Lesung: Jer 17,5-8
2. Lesung: 1 Kor 15,12.16-20
Evangelium: Lk 6,17-18a.20-26
Gedanken zur Woche 256-b, Dr. Matthias Martin
6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Die „normale“ Zeit im Kirchenjahr, wenn nicht besondere Feste und Hochfeste und auch bestimmte Gedenktage direkt auf dem Programm stehen, mag für viele besonders geeignet sein, den Blick auf den fortlaufenden Text der Bibel, bestehend bekanntlich aus den verschiedenen Büchern des Alten/Ersten und des Neuen/Zweiten Testamentes zu richten.
Die jetzt übliche Leseordnung bietet uns dazu „Bahnenlesungen“. Wir sind damit eingeladen, auf der sinnbildlichen Bahn des Lesens bzw. Hörens etwa des biblischen Buches, aus dem die aufeinanderfolgenden Tageslesungen und dem, aus welchem die aufeinanderfolgenden Evangelien vom Tage genommen sind, voranzuschreiten.
Ganz grundsätzlich sollen wir ja aufgeschlossen sein für die Gesamtheit der Bibel. In diesem Sinne kann man auch sehr gerne diese lesen, unabhängig von einer bestimmten Leserordnung. Genauso sind wir eingeladen, ja im christlichen Sinne aufgefordert, während unseres Weges im irdischen Leben gute Werke zu tun. Dabei mag man als Anregung natürlich auch solche Einteilungen als Anregung heranziehen, wie sie von der Bibel her entwickelt und uns dann durch die kirchliche Tradition überliefert wurden. Denken wird da immer wieder gut und gerne an die Liste der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit und der sieben Werke der geistigen Barmherzigkeit, die manchmal auch die sieben Werke der geistlichen Barmherzigkeit in der lebendigen deutschen Sprache genannt werden.
Natürlich sind es auch die ihrerseits in einer Art Telegrammstil verfassten sog. Fünf Gebote der Kirche wert, in den Blick genommen und ohne Engherzigkeit und Missgunst beherzigt zu werden. Im Sinne einer Warnung kann die Liste der sieben Hauptsünden, vor allem früher gerne die sieben Todsünden genannt, nützlich sein.
Dabei ist natürlich nach besten Kräften auf Rechthaberei und so etwas wie destruktive Kritiklust gegenüber anderen Menschen zu verzichten. Kann schon aus so umfangreichen Texten wie denen biblischer Bücher ganz Unterschiedliches herausgelesen oder in sie hineingelesen werden, so gilt dies natürlich erst recht bei so ganz knapp gefassten bis nur stichwortartigen Auflistungen.
Es ist dabei auch nicht aus den Augen zu verlieren, dass gerade in der Theologie wie in der Politik ein und dasselbe Wort ganz verschiedene Bedeutungen haben kann. Ja diese in der Menschheitsfamilie oder einer auch nur einer bestimmten sprachlichen Gemeinschaft mit einem Wort oder Begriff verbundenen Inhalte können sogar direkt etwas entgegengesetzt sein. Schon zu Beginn meines Studiums der Politikwissenschaft wurde ich mit meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen von Dozentenseite ausdrücklich auf derartiges hingewiesen. Eigens um sprachliche Differenzierung und damit verbundene Klärung hat sich die damalige US-Administration von Präsident Barack Obama etwas verdient gemacht (siehe Gedanken zur Woche 109 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2022)).
Die Gemeinschaft der Hutterer mit ihrem starken Festhalten an Gewaltlosigkeit einschließlich Wehrdienstverweigerung wie Gütergemeinschaft hin legt in deutlicher Weise Wert darauf, nicht als „kommunistisch“ bezeichnet zu werden. Im Durchhalten von Gütergemeinschaft sind diese Christinnen und Christen konsequenter als tatsächliche kommunistische Regime. In der seinerzeit eben erst gebildeten Sowjetunion hatte es sehr schnell die „besonderen Geschäfte“ oder „Spezialgeschäfte“ gegeben, in denen nur die Privilegierten des Systems samt Familienangehörigen einkaufen konnte. Derartiges kam dann offensichtlich gegen Ende der Sowjetunion stärker auch international ins Blickfeld. In dem berühmten Werk George Orwells „Animal Farm“, zu Deutsch „Farm der Tiere“, setzt sich dieser bekanntlich offen mit der Entwicklung der Sowjetunion vom Kampf gegen das gewalttätige und korrupte zaristische System und dessen Sturz an auseinander. Da wird das so etwas wie ein Regierungsprinzip darstellende ursprüngliche Motto in dieser selbstregierten Farm der Tiere dahingehend ergänzt, dass es dann heißt:
„Alle Tiere sind gleich,
aber manche sind gleicher.“
In dieser scharfen literarischen Abrechnung mit dem sowjetischen System heißt es eben nicht mehr einfach „Alle Tiere sind gleich.“ Wer sich etwas mit Geschichte beschäftigt hat, kann die literarisch-fiktiven Hauptgestalten aus „Farm der Tiere“ den betreffenden Personen der tatsächlichen Geschichte der Menschheit zuordnen. Dies gilt auch in Hinblick auf jeweilige gewissermaßen gesellschaftliche Gruppen in der Erzählung und eben in der tatsächlichen Geschichte. Eine eigene heftige Kritik und düstere Warnung gegenüber allem, was mit dem sowjetischen Kommunismus zu tun hat, sprach George Orwell dann auch in seinem noch berühmteren Roman „1984“ aus. Hierbei wird die Gefahr totalitärerer Entwicklungen und Elemente im gesellschaftlich-politischen Leben auf literarisch-fiktionale Weise in allgemeinerer Form thematisiert. Dabei sollten gerade auch die in Richtung von Details gehenden Anspielungen auf das britische Herrschaftssystem mit seiner Medienmacht nicht außer Acht gelassen werden. Bezeichnenderweise war ja Großbritannien im Zweiten Weltkrieg mit der Sowjetunion unter Josef Stalin verbündet. In Hinblick auf die Massenvertreibungen mit ihren unzähligen Todesopfern aus Gebieten im dann sowjetischen Macht- oder Einflussbereich nahmen britische Vertreter regelrecht die Funktion von erbarmungslosen Scharfmachern ein. Noch, als während in der Endphase des Chinesischen Bürgerkrieges der antikommunistische Widerstand auf dem chinesischen Festland in vielfältiger Weise andauerte, anerkannte Großbritannien bereits das kommunistische Regime nun in Peking. In „Mein Katalonien“ wiederum geht es gerade um die brutalen Erfahrungen, die ein Unterstützer der selber so heterogenen Volksfront wie George Orwell im Spanischen Bürgerkrieg mit sowjetischen Kommunisten und ihren örtlichen Handlangern machen musste (siehe allgemein Gedanken zur Woche 248-b – 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)).
Zum Beispiel haben sich die Hutterer konsequent gegen die Bezeichnung als „Kommunisten“ verwahrt. Ein leitender Vertreter der Hutterer meinte etwa in einer Art Interview für eine gefilmte Dokumentation, dass sie als Hutterer bei ihrem System des Gemeinbesitzes eben alles andere als Kommunisten seien. Sie lehnten jede Gewalt und jeden Zwang ab. Bei ihnen könne auch jeder aus der Gemeinschaft gehen, der dies wünsche. Unterstützt wurden und werden sie dabei auch von informierten Außenstehenden. Ökumenisch interessierte Katholiken etwa betonen, dass die Hutterer doch nie Dutzende von Millionen Menschen umgebracht hätten. Sie wegen (vermeintlicher) Gemeinsamkeiten in Hinblick auf Gemeinwirtschaft und Gütergemeinschaft als „Kommunisten“ zu bezeichnen, sei ihnen gegenüber ein schweres Unrecht.
Christen mit oft als konservativ bezeichneten Positionen in der Glaubens- und Sittenlehre bis hin zur Befürwortung der Tridentinischen Liturgie betonen dazu passend auch manchmal, dass man mit dem Begriff „konservativ“ oder „Konservative“ vorsichtig sein müsse. So wurden schließlich gerade im letzten Jahrzehnt der dann zerfallenden Sowjetunion mitunter die kommunistischen Hardliner bezeichnet, die sich selbst gegen zurückhaltende Wirtschaftsreformen aussprachen. Wenn man selbst als „konservativ“ bezeichnet werde, wolle man mit letzteren Gestalten auf keinen Fall etwas zu tun haben oder damit gar in einen Topf geworfen werden.
Die Vermeidung von Missverständnissen und die Förderung guten, differenzierten Denkens, Redens und Handelns ist eben eine Daueraufgabe. Gerade Katholikinnen und Katholiken, aber überhaupt Menschen unabhängig von Herkunft, sozialem Stand und eigener konfessionell-religiöser Zuordnung sollten sich in diesem Sinne bemühen. Auch die Beschäftigung mit der Bibel und den so unterschiedlichen Auslegungen und davon wiederum gewonnenen Ableitungen kann dazu wertvolle Anregungen geben. Gute Selbstdisziplin etwa in der Meidung legaler und illegaler Drogen kann dies unterstützen.
Gedanken zur Woche 255, Dr. Matthias Martin
5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)
Die Erzählung im Lukasevangelium vom wunderbaren Fischfang und der Berufung der ersten Jünger stellt innerhalb der drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und eben Lukas mehr oder minder einen Sonderfall dar. Während das Matthäusevangelium (Mt 4,18-22) und das Markusevangelium (Mk 1,16-20) hier weitgehend übereinstimmen, wird uns eben im Lukasevangelium weitgehend, demensprechend lukanisches Sondergut geboten (eben Lk 5,1-11). Wie auch sonst nimmt das Johannesevangelium auch hier eine Sonderstellung ein. Es bietet ja dermaßen viel eigenes Material. So ist im Vergleich zu den drei anderen Evangelien eben so etwas wie johanneisches Sondergut die Regel. Es sind eher Übereinstimmungen des Johannesevangeliums mit einem oder mehr als einem der synoptischen Evangelien als Besonderheiten wahrzunehmen denn als der Regelfall anzunehmen.
Innerhalb der lukanischen Version von einem wunderbaren Fischfang und der Berufung der ersten Jünger ist eigens zu beachten, dass Simon, der später so oft Petrus genannt wird, ganz ausdrücklich seine eigene Sündhaftigkeit einräumt und dies dazu in Gegenwart einer Gruppe anderer Personen.
Folgen wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung, so können wir dazu lesen:
„(Lk 5,8) Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!“
In der älteren deutschen Einheitsübersetzung ist an dieser Stelle zu lesen:
„(Lk 5,8) Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder.“
Es ist interessant, dass an dieser oft wenig bis nicht beachteten Stelle des Neuen/Zweiten Testaments Simon Petrus oder einfach Petrus ausdrücklich eigene Schwächen eingesteht. Er selber und die lukanische Überlieferung versuchen auch hier nicht, ihn als strahlenden Helden ohne Fehl und Makel zu präsentieren. Seinerseits greift dies offensichtlich Jesus von Nazaret positiv auf, ohne in irgendeiner Weise zur Vertuschung solcher Schwächen aufzufordern. In der neuen deutschen Einheitsübersetzung heißt es nämlich alsbald:
„(Lk 5,10) … Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“
In der alten oder älteren deutschen Einheitsübersetzung können wir das Gleiche lesen:
„(Lk 5,10) … Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“
Es ist doch interessant, dass mit solch ermutigenden Worten exklusiv Simon (Petrus) angesprochen wird, nachdem er eben so vernehmlich seine eigene Sündhaftigkeit eingeräumt hatte. Offensichtlich geht es also keineswegs darum, eigene Stärken vorzuspielen, sondern ehrlich eigene Unzulänglichkeiten einzuräumen. Von solcher Ehrlichkeit aus kann dann weiter vorgegangen werden, ganz im Sinne dieser besonderen Berufung des Petrus.
Nun ist Petrus nicht irgendeine neutestamentliche Person. Er ist nach römisch-katholischem Verständnis der erste Papst, dem sich die anderen Vertreter der Urkirche unterzuordnen gehabt hätten. Auch in Denominationen oder Bewegungen außerhalb der römisch-katholischen Kirche wurde und wird dem Simon Petrus eine besondere Bedeutung zuerkannt.
Er verkörpert also so etwas wie kirchliches Personal und gerade auch kirchliches Führungspersonal schlechthin. Er verkörpert es, indem er eben jemand ist, der eigene Schwächen einräumt, Fehler nicht zu vertuschen versucht. Denken wir da gerade an die massive Überlieferung von der dreimaligen Verleugnung durch Simon Petrus am Abend der Festnahme Jesu und der anschließenden ausdrückliche Reue des Simon Petrus. Diese Handlung in Gegenwart anderer Menschen geschieht demnach anstellte eines Versuches, eine Ausrede für das eigene Fehlverhalten zu finden, die Peinlichkeit irgendwie zu vertuschen.
Umso mehr sollte man sich doch in unserer Zeit in kirchlichen Kreisen um ehrliche Aufarbeitung des Fehlverhaltens kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließlich des Fehlverhaltens von Bundesgenossinnen und Bundesgenossen des kirchlichen Apparates, der eigenen offiziellen konfessionellen Strukturen, bemühen. Vertuschung und Ausreden sollten ganz und gar nicht auf dem Programm stehen. Das Kirchenrecht und natürlich ganz besonders und nachhaltig dessen tatsächliche Umsetzung sollten in diese Richtung gestaltet sein. Dass Amtsträger sich bis etwa im Kardinalsrang sich in einem gerade moralischen Sinne schweren Fehlverhaltens schuldig machen, steht außer Frage. Man denke da nur an so wichtige (seinerzeitige) Kardinäle wie Theodore McCarrick, Bernard Alfrink, Joachim Meisner und Karl Lehmann (siehe Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Ebenso können natürlich da in einem üblen Sinne auch Erzbischöfe wie Rembert Weakland und Robert Zollitsch in den Sinn kommen (siehe Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Solches ließe sich mit weiteren kirchlichen Würdenträgern einschließlich Gründern neuerer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften (siehe Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) fortsetzen.
Der Empfang einer sakramentalen Weihe schützt eben nicht vor Fehlverhalten und Schwächen des Weiheempfängers. Immer wieder stellt sich ja auch die Frage, inwieweit überhaupt eine Weihe gültig empfangen wurde. Lag in einem bestimmten Fall etwa überhaupt eine richtige Weiheintention vor? Oder stand der Weihekandidat selber unter einem Druck, den es im Sinne traditionellen katholischen Verständnisses von der sakramentalen Weihe wie der Würde und Entscheidungsfreiheit der Person hätte nicht geben dürfen? Oder handelte der jeweilige Weihekandidat vielleicht in gezielt böser Absicht? Offensichtlich gelang es ja dem polnischen Auslandsgeheimdienst in der Zeit des alten kommunistischen Ostblocks, einen seiner hauptamtlichen Kadermänner unter Vorspiegelung einer religiösen Berufung samt Weihe zum Priestertum in die engste Umgebung von Papst Johannes Paul II. einzuschleusen. Niedere Motive dürften auch bei anderen Weihempfängern mehr als einmal eine Rolle gespielt haben, so mitunter das Ziel, umso leichter eigene sexuelle Neigungen bis hin zu regelrechtem sexuellem Sadismus leichter und gerade auch ungestraft ausleben zu können.
So stellt sich wiederholt die Frage nach einer (eventuellen) Weihenichtigkeit bzw. Weiheannullierung.
Wie leicht festzustellen ist, gibt es sowohl im gegenwärtigen CIC für die Lateinische Kirche mit den Canones/Kanones 1708 bis 1712 und im CCEO für die Katholischen Ostkirchen mit den Canones/Kanones 1385 bis 1387 je einen eigenen Titel bzw. ein eigens Kapitel zu Weihenichtigkeitsverfahren (siehe Gedanken zur Woche 254 – FEST DARSTELLUNG DES HERRN/LICHTMESS (2025)). Darüber hinaus sind natürlich in beiden kirchlichen Gesetzbüchern gerade in der heutigen schweren Kirchenkrise weitere Canones/Kanones in den Blick zu nehmen, wenn es um diese Thematik geht.
So lautet Paragraph 1 von Canon/Kanon 1425 im CIC:
„Unter Verwerfung jeder gegenteiligen Gewohnheit sind dem Kollegialgericht von drei Richtern vorbehalten:
1° Streitsachen, die a) das Band der heiligen Weihe oder b) das Band der Ehe betreffen unter Wahrung der Vorschriften der cann. 1686 [1688] und 1688 [1690];
2° Strafsachen a) bei Straftaten, die die Strafe der Entlassung aus dem geistlichen Stand zur Folge haben können; b) zur Verhängung oder Feststellung der Exkommunikation."
Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es dazu nützlich, einen Blick in das von Stephan Haering und Jürgen Platen verfasste Vorwort zur neunten Auflage der lateinisch-deutschen Ausgabe des CIC zu werfen. Die in dieser Beitragsreihe zu verschiedenen Anlässen gemachten Feststellungen über die häufigen bis unüberschaubaren Veränderungen im kirchenrechtlichen Bereich letztlich bestätigend ist dort u. a. zu lesen:
„Bei cc. 1425 § 1, 1639 § 2, 1694 und 1700 § 1 wird auf der Anpassung bedürftige Verweisungen aufmerksam gemacht, die sich aus der Änderung des Eheprozessrechtes durch das Motu proprio Mitis Iudex Dominus Jesus zwingend ergeben, aber vom Gesetzgeber selbst nicht aufgegriffen worden sind.“
Man mag sich da nicht zuletzt an die seinerzeitigen kritischen Worte Georg Mays in seinem Beitrag zum Handbuch der Kirchengeschichte über die nachkonziliare Entwicklung des Kirchenrechts erinnert fühlen (siehe Gedanken zur Woche 247 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024)).
1. Lesung: Jes 6,1-2a.3-8
2. Lesung: 1 Kor 15,1-11 (oder 15,3-8.11)
Evangelium: Lk 5,1-11
Gedanken zur Woche 255-b, Dr. Matthias Martin
5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)
Gerade ein Fest wie das gemeinsame des hl. Cyrill oder Konstantins und des hl. Methodius kann ein guter Anstoß sein, sich die Gesamtheit der katholischen Weltkirche als der globalen Gemeinschaft der verschiedenen Kirchen eigenen Rechts mit ihrem vielfältigen liturgischen, kanonistischen, spirituellen, theologisch-systematischen wie allgemeinkulturellem Erbe bewusst zu machen. Es sollte nicht vergessen werden und ist wohl wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen, dass einst Papst Johannes Paul II. diese beiden herausragenden Glaubensboten mit einer eigenen Enzyklika ehrte und ausdrücklich zu Mitpatronen oder Schutzpatronen Europas erhob. Zumindest etwas bekannt ist der Umstand, dass der Papst jeweils nicht ein religiöses Oberhaupt, sondern eben auch ein Staatsoberhaupt ist. Eine Vereinigung von zwei betreffenden Spitzenpositionen findet sich auch sonst einige Male in der Internationalen Gemeinschaft. Besonders augenfällig ist dies in der sog. christlichen wie in der sog. islamischen Welt zu sehen. In einem traditionell buddhistisch geprägten Staat wie dem Königreich Thailand gibt es gerade anhand des öffentlichen/Öffentlichen Religionsrechts eine eigene starke Verbindung von religiösem und staatlich-politischem Leben. In der Republik Sri Lanka stellt die dort vorherrschende eigene buddhistische Überlieferung eine nicht wegzudenkende Größe auch im staatlich-politischen Leben dar. Die Bedeutung des wiederum besonders akzentuierten Buddhismus der birmanischen Mehrheit in Myanmar, auch genannt Burma und mitunter Birma, wurde zurecht wiederholt angesprochen und diskutiert.
Die Machtverteilung in der Republik Libanon auf der Grundlage des Nationalpaktes von 1943 und der jeweiligen Staatsverfassung weist im Sinne von nationaler Unabhängigkeit, fortdauernder Kooperation und beabsichtigter Gleichberechtigung im Staatswesen über die konfessionellen Gemeinschaften bzw. konfessionelle Zugehörigkeiten Ämter im Staatswesen zu und soll einen ausgewogenen Proporz garantieren. In Andorra, das u. a. ja Vollmitglied der Vereinten Nationen/UN, des Europarates wie weiterer internationaler Organisationen ist, ist der katholische Bischof von Urgell eines der beiden Staatsoberhäupter (siehe Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA UND WELTFRIEDENSTAG (2022); Gedanken zur Woche 142 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 195 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2023)).
Besonders ausgeprägt ist die Verflechtung von einer offiziellen religiösen Gemeinschaft und dem Staat im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, umgangssprachlich gerne Großbritannien oder auch nur England genannt. Einigermaßen bekannt sein dürfte, dass der König automatisch das Oberhaupt der Staatskirche von England ist. Diese Church of England ist auch als solche aktiv und dauernd präsent auf der Insel Man und den Kanalinseln obwohl diese staatsrechtlich weder zu England, zu Großbritannien oder zum Vereinigten, Königreich gehören. Dieses staatskirchliche Konstrukt trägt damit zur Anbindung an den britischen Staatsapparat bei. Weniger bekannt ist, dass 26 ihrer Bischöfe automatisch ihren Sitz im Oberhaus haben und dort so etwas wie eine eigene Fraktion bilden. Demgegenüber wird anderen konfessionellen oder religiösen Gemeinschaften als solchen kein einziger Sitz zuerkannt!
Die Verbindung von Konfession oder Religion und Staat ist also keine Besonderheit des Papsttums. Was den Papst in der Internationalen Gemeinschaft einzigartig macht, ist der gerade von bundesdeutschen Politikern und mit ihnen verbundenen „Expertinnen“ und „Experten“ so gerne verdrängte Umstand, dass der Papst zusätzlich zu seiner Stellung als religiöses Oberhaupt und Staatsoberhaupt auch noch die Verkörperung des Völkerrechtssubjektes eigener Art, dieses Völkerrechtssubjektes sui generis ist, welches sowohl „Heiliger Stuhl“ als auch „Apostolischer Stuhl“ genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 204-b – 1. FASTENWOCHE (2024)).
Allgemein wurde die Abfassung und Veröffentlichung der Enzyklika „Slavorum Apostoli“ zu Ehren der heiligen Cyrill und Methodius (https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/encyclicals/documents/hf_jp-ii_enc_19850602_slavorum-apostoli.html) und deren Erhebung zu (Mit-)Patronen Europas als Vorstoß gegen den kommunistischen Ostblock im Besonderen und den Kommunismus als weltweitem Phänomen im Allgemeinen wahrgenommen. Diese päpstlichen Handlungen stellten eine Stärkung der unierten Kirchen, der Katholischen Ostkirchen dar, und zwar gerade der mit einem ostmitteleuropäischen oder osteuropäischen Hintergrund. Dazu lag dies auf einer Linie mit anderen Positionierungen wie der öffentlichen Verwendung der ukrainischen Sprache durch Papst Johannes Paul II., die fortwährende Anerkennung antikommunistischer Exilregierungen, die Unterstützung betreffender Exilseminare gerade in Rom und die ablehnende Haltung zu kommunistischer Einflussnahme etwa in südlichen Ländern, welche gerne Entwicklungs- und Schwellenländer genannt werden. Auch die Selig- und Heiligsprechungen insbesondere ukrainischer und vietnamesischer Märtyrer passen dazu. Eigens zeichnete er die im Widerstreit mit dem kommunistischen Nordkorea ihre Existenz behauptende Republik Südkorea aus, indem er dort erstmals außerhalb Roms eine Heiligsprechung vornahm. Nicht vergessen werden sollte auch die Aufrechterhaltung der vollen diplomatischen Beziehungen mit der Republik Taiwan. Der Apostolische Stuhl und die katholischen Bischöfe von Taiwan sicherten sich eigene Bedeutung bei der Verteidigung der staatlichen Eigenständigkeit Taiwans und der Pflege seiner nationalen Identität.
Natürlich sehen sich wie die Lateinische Kirche auch die anderen Kirchen eigenen Rechts vielfältigen Herausforderung ausgesetzt. So lautet parallel zu Canon/Kanon 1425 Paragraph 1 des CIC (siehe Gedanken zur Woche 255 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)) Paragraph 1 von Canon/Kanon 1084 eben des CCEO:
„Dem Kollegialgericht von drei Richtern sind vorbehalten:
1° Sachen hinsichtlich des Bandes der heiligen Weihe;
2° Sachen hinsichtlich des Ehebandes, unbeschadet der cann. 1372-1374;
3° Strafsachen hinsichtlich Delikten, welche die Strafe der großen Exkommunikation, der Amtsenthebung, der Rückführung in einen geringeren Grad oder der Absetzung mit sich bringen;
4° im Partikularrecht der eigenen Kirche eigenen Rechts festgelegte Sachen.“
Verschiedene Eigenheiten der Katholischen Ostkirchen, dieser zahlreichen Kirchen eigenen Rechts, an der Seite der Lateinischen Kirche eigenen Rechts im Rahmen der Gesamtheit der katholischen Weltkirche scheinen hier etwas auf. Da ist die Ausdifferenzierung in kleine und große Exkommunikation eben im Recht dieser Kirchen eigenen Rechts. Ganz grundsätzlich wird mit dem zitierten Punkt 4 auf die größere Bedeutung des Partikularrechts bei diesen Kirchen eigenen Rechts hingewiesen. Diese vertreten ja unterschiedliche liturgische wie kanonistische/kanonische Überlieferungen, weisen ein je eigenes kulturelles, spirituelles und theologisches Erbe auf. Diese legitime Vielfalt wird durch das Kirchenrecht und eine Vielzahl päpstlicher und anderer kirchlicher Dokumente wie etwa Konzilsbeschlüssen verteidigt und ausdrücklich gewürdigt.
Die volle Einheit der verschiedenen Kirchen eigenen Rechts in der Glaubens- und Sittenlehre einschließlich in Fragen der Sakramentenspendung und des Sakramentenempfangs wird eben auch in Zusammenhang mit dem Paragraph 1 des CCEO-Canons/Kanons 1084 verdeutlicht. In der Anmerkung in der lateinischen-deutschen Ausgabe des CCEO von Ludger Müller und seines Mitarbeiters Martin Krutzler zu Punkt 2 dieses CCEO-Canons/Kanons 1084 ist entsprechend zum Vorwort zur neunten lateinisch-deutschen Ausgabe des CIC zu lesen:
„Nach dem Inkrafttreten des MP Mitis et misericors Iesus (15.8.2015) muß es heißen: „cc. 1374-1376.““
Der durch päpstliches Schreiben Papst Johannes Pauls II. vom 12./13. Mai 1992 eingeführte „Welttag der Kranken“ oder „Weltkrankentag“ (https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/letters/1992.index.html) sollte natürlich auch in der ganzen Weltkirche mit ihren verschiedenen Kirchen eigenen Rechts beherzigt werden.
Ganz grundsätzlich sollen sich Christinnen und Christen ja der aus diesem oder jenem Grunde Notleidenden annehmen. Dies soll auch dann gelten, wenn keine staatliche oder staatsnahe Entlohnung bzw. Refundierung in Aussicht steht, die vielleicht gar noch satten Nettogewinn verspricht. Demensprechend darf es auch nicht an finanziellen Gegebenheiten scheitern, dass jemand über das kirchliche Prozesswesen zu ihrem bzw. seinem Recht kommt. Christliche Solidarität gilt es auch und nicht zuletzt zu Gunsten von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen zu verwirklichen, die international und regional keine starke bis gar keine Lobby haben.
Gedanken zur Woche 254, Dr. Matthias Martin
FEST DARSTELLUNG DES HERRN/LICHTMESS (2025)
Unumstritten war und ist sie ja nicht, die sog. Liturgiereform im Bereich der Lateinischen Kirche, welche Ende der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts im Wesentlichen ihren Ausgang nahm. Die darauf fußende Messliturgie wird nach dem damals amtierenden Papst mit seinem Pontifikat von 1963 bis 1978 ja auch die Liturgie oder die Messe Pauls VI. genannt. Kritiker derselben, gerade wenn es zugleich um Anhänger der bis dahin allgemein verbreiteten Tridentinischen Liturgie handelt, sind keineswegs ausgestorben. Männer und Frauen aus ihren Reihen konnten gerade in jüngster Zeit bei demokratischen Wahlen beachtliche Erfolge feiern. Zu denken braucht man nur an den Mitgründerstaat sowohl der Vereinten Nationen, der Organisation Amerikanischer Staaten, abgekürzt OAS, wie der Gruppe der G20-Staaten Argentinien mit der dortigen Wahl einer engagierten Anhängerin der Priesterbruderschaft St. Pius X. zur Vizepräsidentin. Frau Victoria Villarruel stand auch im Wahlkampf inmitten aller gegen sie gerichteten Angriffe unerschütterlich zu ihrer theologischen Orientierung und damit verbundenen religiösen Praxis. Natürlich verdienen auch die jüngsten Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika/USA diesbezüglich Beachtung und laden eindringlich zu genaueren Nachforschungen ein. Wie die bereits veröffentlichten Personalentscheidungen des wiedergewählten Präsidenten Donald Trump belegen, spielte die Unterstützung betont traditionsorientierter katholischer Kreise bis hin zu kantigen, um nicht zu sagen radikalen Sedisvakantisten eine Rolle. Donald Trump weiß diese zu schätzen und zu honorieren. Intellektuell herausfordernd wie kirchenpolitisch interessant sind da nicht zuletzt Aussagen seines Vizepräsidenten JD Vance. Da fällt mir eher spontan ein Ausdruck ein wie „(katholischer) Traditionalist in einer Novus-Ordo-Gemeinde“, wie er nicht zuletzt in Hinblick auf eine Person oder Rolle in Spielfilmen begegnen könnte.
In Ländern wie Frankreich, Italien und der Schweiz war es schon vorher längst ohne ernste Probleme für Anhänger der Alten oder Tridentinischen Liturgie möglich, bei Wahlen erfolgreich zu sein und in wichtige bis höchste politische Ämter zu gelangen. Eigene Bedeutung konnten Freunde der Alten Messe oder Tridentinischen Liturgie längst auch bei den britischen Konservativen gewinnen. Dies passt dazu ins größere Bild der rapiden Auflösungserscheinungen der anglikanischen Staatskirche von England und ihrer eh schon längst zahlenmäßig schwachen bis kaum wahrnehmbaren Filialgründungen oder Tochterkirchen in Nordirland, Schottland und Wales.
Gegner der traditionellen katholischen Liturgie haben wiederholt ihre Frustration und ihre Ängste vor einem weiteren Bedeutungsgewinn der Tridentinischen Liturgie/Messe geäußert.
Aber die nachkonziliare Liturgie und der mit ihr verbundene liturgische Kalender haben auf jeden Fall ihre eigene Aussagekraft.
Da ist es eben eigens bemerkenswert, dass am ersten Sonntag des Monates Februar 2025 eigens der „Tag des geweihten Lebens“ begangen wird. Eben gerade in der nachkonziliaren Messliturgie kann dies gerade in den Fürbitten berücksichtigt werden.
Sehr gut dazu passen die Gebetsanliegen des Papstes für diesen Februar 2025.
Von diesen lautet das erste sehr allgemein:
„Für Berufungen zum Priestertum und Ordensleben“
Spezieller ist dann das zweite Gebetsanliegen von Papst Franziskus formuliert. Dieses geht ganz offensichtlich auf die Krise bei den Berufungen zum Ordensleben und Priestertum ein. Immer lautet dieses zweite Gebetsanliegen des Papstes in seiner deutschen Ausgabe doch:
„Beten wir, dass die kirchliche Gemeinschaft das Verlangen und die Zweifel junger Menschen aufnimmt, die den Ruf zum Dienst in der Sendung Christi im Priestertum und Ordensleben spüren.“
Leicht erhältliche Zahlenangaben und generell Medienberichte bestätigten diese umfassende Krise immer wieder.
Hinweise, die in diese Richtung gehen, finden wir auch im allmeinen Kirchenrecht, wie es in den beiden Codices des CIC und des CCEO vorliegt. Dies gilt nicht zuletzt bezüglich des (kirchlichen) Prozessrechtes.
So handelt im CIC eigens Titel II von Teil III in Sektion II des Buches VII „Prozesse“ mit den Canones/Kanones 1708 bis einschließlich 1712 von „Weihenichtigkeitsverfahren“. Im CCEO geht es in Kapitel II des Titels XXVI „Besondere Arten von Verfahren“ mit den Canones/Kanones 1385 bis einschließlich 1387 um „Verfahren zur Nichtigkeitserklärung der heiligen Weihe“.
Dabei grenzt Canon/Kanon 1708 des CIC das Recht, die Gültigkeit einer (sakramentalen) Weihe anzufechten eigens ein. Dabei wird auch etwas in Richtung des kirchlichen Verfassungsrechtes gewiesen. So wird dort festgelegt:
„Das Recht, die Gültigkeit einer heiligen Weihe anzufechten, hat der Kleriker selbst oder der Ordinarius, dem der Kleriker untersteht oder in dessen Diözese er geweiht worden ist.“
Damit wird auch das Recht auf eine freie Wahl des eigenen Lebensstandes unterstrichen. Niemand soll doch zum Leben als Kleriker und zum Empfang einer betreffenden Weihe gezwungen werden (siehe Gedanken zur Woche 121 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 147-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Sollte jemand, sei es durch Familienangehörige oder durch wen oder was auch immer, in so etwas hineingedrängt worden sein, so sollte er umso mehr die Möglichkeit wahrnehmen können, diesen üblen Umstand zu korrigieren.
Parallel zum CIC-Canon/Kanon 1708 findet sich im CCEO der dortige Canon/Kanon 1385:
„Das Recht, die Gültigkeit der heiligen Weihe anzufechten, haben entweder der Kleriker selbst oder der Hierarch, dem der Kleriker untersteht oder in dessen Eparchie er geweiht worden ist.“
Die Orientierung am Verfassungsrecht und der Terminologie der Katholischen Ostkirchen ist hier offenkundig.
Das Recht, auf Dauer den eigenen Lebensstand auch unter Einsatz eines Weihenichtigkeitsverfahren zu wählen, wird gerade am Ende des betreffenden Titels II des CIC zumindest formell abgesichert. Hier lautet nämlich Canon/Kanon 1712:
„Nach dem zweiten Urteil, das die Nichtigkeit der heiligen Weihe bestätigt hat, verliert der Kleriker sämtliche dem Klerikerstand eigenen Rechte und wird von allen Pflichten frei.“
Familienangehörige sollten es also umso mehr unterlassen, jemanden in ein Priesterseminar oder in eine Ordens- bzw. ordensähnliche Gemeinschaft hineindrängen zu wollen.
Dies wird auch im CCEO deutlich gemacht. Im letzten Canon/Kanon des dortigen Kapitels II, Canon/Kanon 1387 wird dementsprechend festgehalten:
„Nach dem zweiten Urteil, das die Nichtigkeit der heiligen Weihe bestätigt hat, verliert der Kleriker alle dem Klerikerstand eigenen Rechte und wird von allen Verpflichtungen dieses Standes befreit.“
Dabei wird auch für den Fall eines Weihenichtigkeitsverfahrens im CCEO eigens die Zugehörigkeit zur katholischen Weltkirche mit der auch in der Lateinischen Kirche bekannten Unterstellung unter der Apostolischen oder Heiligen Stuhl mit dessen Römischen Kurie deutlich gemacht. Gegen anderslautende Behauptungen lässt sich nämlich im CCEO-Canon/Kanon 1386 Paragraph 1 nachlesen:
„Die Klageschrift zur Anfechtung der Gültigkeit der heiligen Weihe muß an das zuständige Dikasterium der Römischen Kurie gesandt werden, das entscheidet, ob das Verfahren von ihm selbst oder von einem von ihm benannten Gericht zu behandeln ist.“
Der Grundgedanke der Beziehung der Katholischen Ostkirchen zur Römischen Kurie und des Integriertseins in das allgemeine katholische Rechtswesen wird in Paragraph 2 dieses CCEO-Canons/Kanons 1386 fortgeführt:
„Wenn das Dikasterium das Verfahren an ein Gericht verwiesen hat, müssen, wenn nicht die Sache der Natur der Sache dem entgegensteht, die Kanones über das Gerichtswesen im Allgemeinen und über das ordentliche Streitverfahren gewahrt werden, nicht aber die Kanones über das summarische Streitverfahren.“
1. Lesung: Mal 3,1-4
2. Lesung: Hebr 2,11-12.13c-18
Evangelium: Lk 2,22-40 (oder 2,22-32)
Gedanken zur Woche 254-b, Dr. Matthias Martin
4. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)
Heiligengedenktage besitzen doch in mehrfache Hinsicht eine bemerkenswerte Aussagekraft. Sie können jeweils in verschiedener Hinsicht wertvolle Anregungen vermitteln.
Ganz allgemein kann der jeweilige Gedenktag eines bestimmten Heiligen, eines bestimmten Heiligen oder auch einer Gruppe von Heiligen dazu anregen, sich mit dem geschichtlichen Hintergrund, dem jeweiligen historischen Umfeld zu beschäftigen. Jede in der katholischen Kirche als selig oder heilig verehrte Person ist ja grundsätzlich als eine Person im großen Gesamtzusammenhang der Menschheitsgeschichte zu sehen, ist selber als eine historische Person zu sehen. Natürlich kann die Quellenlage immer wieder schwierig bis sehr schwierig sein.
Das ist ja aber auch sonst immer wieder der Fall, wenn es um irgendeine historische Angelegenheit geht. Wie es etwa zum Verschwinden der Neandertaler/Neanderthaler gekommen sein soll, wird ganz unterschiedlich erklärt. Ja, ob es überhaupt ein solches Verschwinden in einem negativ-tragischen Sinne gegeben habe, wird von manchem ausdrücklich in Abrede gestellt. Es gibt ja auch die Meinung, Neadertaler/Neanderthaler hätten sich vielmehr erfolgreich mit einem anderen Zweig von Menschen vermischt und in einer solchen großen gemeinsamen Linie gemeinsam fortgepflanzt. Nach diesem Verständnis wären mehr oder minder die meisten der heute lebenden Menschen zumindest teilweise auch Nachkommen der Neandertaler und sicherten so deren enorme Erfolgsgeschichte anstelle eines ansonsten mehr oder minder deutlich angenommenen tragischen Scheiterns.
Bereits in der Antike und inmitten offensichtlich schon der Umgebung des oft „der Große“ genannten makedonischen Königs Alexander war umstritten, welche Bedeutung er denn nun wirklich für den Sieg über das persische Reich aufzuweisen habe. Wäre nicht vielmehr dafür viel wichtiger die Person seines Vater Philipp II. von Makedonien. Dieser habe doch das damals so schlagkräftige Makedonische Heer geschaffen. Außerdem habe er durch seine Siege insbesondere über die griechischen Gegner erst einmal so etwas wie eine makedonische Großmacht geschaffen. Alexander habe auf diesem Weg nur weitermarschieren brauchen. Mitunter wird auch dem angenommenen Versagen bis hin zu ausdrücklich vorgeworfener Feigheit des Alexander gegenüberstehenden persischen Großkönigs Darius/Dareios III. eine entscheidende Bedeutung für den Ausgang des damaligen Konflikts zugesprochen.
Für die Zeit schon vorher im Nahen Osten stellt sich sowohl in Hinblick auf den Untergang des Reiches von Mitanni wie des neuassyrischen Reiches die Frage, welche Rolle interne Konflikte gespielt und welche Bedeutung die auswärtigen Gegner tatsächlich gehabt hätten. Wie wichtig wurde tatsächlich etwa ein Bündnis wie das zwischen Medern und Neubabyloniern gegen Assyrien? Wie wichtig war hier wie dort vielleicht die eine oder andere Hofintrige?
Die Diskussion um Alexander von Makedonien und seine persönliche Bedeutung ist ein starkes Beispiel für das mehr oder minder intensive Aufeinandertreffen strukturalistischer und personalistischer Positionen zu geschichtlichen Themen. Sind es eben Strukturen, die vielleicht über Jahrhunderte bis Jahrtausende grundgelegt wurden, denen entscheidende Bedeutung zukommt? Oder sind es nicht doch irgendwie (Einzel-)Personen?
Immer wieder werden Einzelfragen in Hinblick auf den Gang der Geschichte diskutiert. Kamen etwa schon die Phönizier bzw. Karthager nach Amerika? Oder schafften das dann vielleicht die Römer? Wurde der Zweite Punische Krieg tatsächlich durch Verrat und Obstruktion in den karthagischen Reihen entschieden? Offensichtlich hintertrieb ja eine mächtige Richtung im Großen Rat oder dem Senat von Karthago die Anstrengungen von Hannibal und ihm loyal verbundener Kommandanten. Wie weit aber ging dies? Die Römer hatten auf jeden Fall kein Interesse, ihren letztendlichen Sieg auch noch karthagischen Verrätern bzw. ihren dortigen nützlichen Idioten zuzuschreiben. Hatten sie etwa selber den Plan Hasdrubals, zu seinem Bruder Hannibal auf der Apenninenhalbinsel zu ziehen herausgefunden, oder lagen ihnen da Informationen von ihnen „freundlicher“ karthagischer Seite vor? Wie verhielt es sich etwa mit der doch recht plötzlichen Eroberung des so wichtigen Neukarthago/Carthago Nova durch die Römer? Hatten da die vielleicht doch nicht so leistungsfähigen Römer einen so wichtigen Erfolg einfach wieder der Uneinigkeit bis Verrat in den gegnerischen Reihen zu verdanken?
Gerne wird in Zusammenhang mit angeblichen oder tatsächlichen archäologischen Entdeckungen oder Funden schriftlicher Quellen die Behauptung verbreitet, die Geschichte einer Epoche, eines Krieges oder eines Volkes müsse nun „neugeschrieben“ werden. Andere sind da dann jeweils skeptisch, bis hin zum Vorwurf, derartige versuchte Sensationsmeldungen seien Effekthascherei oder Geschäftemacherei.
Oft wird ja der Grundsatz anerkannt „Der Sieger schreibt die Geschichte“. Zugespitzt wird darauf in dem international für Aufsehen sorgenden Filmwerk „Braveheart“ hingewiesen. Nicht umsonst wurde „Braveheart“ mit einer ganzen Reihe von Oscars und anderen internationalen Auszeichnungen gewürdigt. Die Meinungen gehen aber dann doch sehr oft erheblich auseinander, wieweit in welchem Falle durch welchen Sieger oder wen auch immer dann aber eine Manipulation in der Darstellung und Überlieferung stattgefunden habe oder nicht. Hat man irgendeinem Sieger selber etwas zu verdanken, dann will man ihm doch nicht in einem schlechten Licht dastehen lassen. Das fiele doch auf einen selber zurück. Die einstweiligen Sieger haben ja doch einmal ihnen gefällige Leute, um nicht zu sagen Handlanger, in betreffenden Positionen installiert. Da mag spontan aus dem Zukunftsroman „1984“ George Orwells das Motto in den Sinn kommen „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft. Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit“ (siehe allgemein Gedanken zur Woche 248-b – 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)).
Immerhin kann man sich jetzt etwas kritisch über die einst so siegreichen Römer äußern und darauf hinweisen, dass aus ihren Reihen stammende Autoren wohl ziemlich Zweckpropaganda betreiben und zugleich etwa das schriftliche Erbe Karthagos gezielt vernichtet wurde, um die damit verbundene karthagische Sicht der Geschichte auszutilgen.
Dabei können wie in der Profangeschichte natürlich auch die Meinungen und ganze Theorien auseinandergehen, wenn es um das Leben von Seligen und Heiligen geht.
Auf jeden Fall ist es doch interessant, anhand des Martyriums des heiligen Paul Miki und seiner Gefährten der Frage nachzugehen, welche Bedeutung tatsächlich englischer oder gerade niederländisch-calvinistischer Intrigen für den Ausbruch der gezielt die Katholikinnen und Katholiken treffenden Christenverfolgung in Japan zukam.
Der heilige Blasius mag natürlich ganz generell einen Anstoß geben, sich mit armenischer Sprache, Geschichte und Kultur zu beschäftigen. Die heilige Agatha weist ganz grundsätzlich auf die römischen Christenverfolgungen hin. Anhand dieser frühchristlichen Märtyrerin wird wieder die umfassende Frage nach der Bedeutung von Frauen in der frühen Kirche und für diese aufgeworfen. Stehen Märtyrer wie der heilige Blasius, die heilige Agatha, der heilige Paul Miki und Gefährten für ein konfrontatives Verhältnis von Kirche und Staat, so stehen der heilige Ansgar und der heilige Rabanus Maurus für die Unterstützung der Kirche durch ein Staatswesen, die über bloße Toleranz sogar hinausgeht. Sie weisen uns in Richtung von dem, was gerne fränkische Landeskirche und deutsches Reichskirchenwesen oder Reichskirchensystem genannt wird.
Mit der heiligen Josefine Bakhita können wir der furchtbaren britisch-französischen Kolonialpolitik gewahr werden, der auch die Heimat dieser Heiligen zum Opfer fiel. Die Folgen bis auf den heutigen Tag verdienten es, auch in unseren Breiten endlich stärker wahrgenommen zu werden.
Natürlich haben Heilige ganz generell ihren ganz großen Platz im kulturellen Leben und überhaupt im kulturellen Erbe der Menschheit. Texte, welche eine bestimmte Heilige, einen bestimmten Heiligen preisen, können eine bemerkenswerte Bedeutung als Sprachdokumente aufweisen. Ein dahingehendes Interesse von Sprachwissenschaftern und dergleichen kommt dann nicht überraschend. Auch betreffendes Liedgut fällt immer wieder auf. Marienlieder und ganze Marienmessen etwa können gerade Musikliebhaber und Musikwissenschafter unabhängig von deren konfessioneller Zugehörigkeit ansprechen.
Genauso haben Selige und Heilige in der bildenden Kunst ihre so starke wie vielfältige Stellung. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist die Pfarrkirche zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau. Da wird der Pfarrpatron Nikolaus sowohl figürlich wie auf Bildern dargestellt. Es handelt sich bei diesen Bildern sowohl um Glasfenster aus dem zwanzigsten Jahrhundert wie etwa ein barockes Ölgemälde. Besuchern fällt immer wieder auf, wie unterschiedlich die Glasfenster mit Heiligendarstellungen gestaltet sind. Der Beginn des 20. Jahrhunderts und die Mitte der dreißiger Jahre haben da ihre jeweils eigenen kunstgeschichtlichen Spuren hinterlassen. Sanftmütigkeit in ruhigen Farben und abgerundeten Formen von Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts steht grellen Farben mit kantigen Formen aus der konflikterfüllten späteren Zeit gegenüber (siehe Gedanken zur Woche 126-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Gedanken zur Woche 253, Dr. Matthias Martin
3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2025)
Wenn die Kirche oder welche religiöse Gemeinschaft bzw. Organisation auch immer einen SONNTAG DES WORTES GOTTES begeht, dann mögen Menschen spontan denken, es handle sich hierbei, was man auch immer für das „Wort Gottes“ halten mag, um eine rein religiöse Angelegenheit.
Da hat man sich aber schon einmal zu fragen, was denn „religiös“ oder „Religion“ überhaupt zu bedeuten hat. Es gibt da zumindest sehr unterschiedliche Vorstellungen und Definitionsversuche. Mancher mag sogar meinen, dass betreffende Vorstellungen und Definitionen ja sogar entgegensetzt zueinander sein können. Längst war zu vernehmen, es gäbe in so etwas wie der akademischen Welt etwas über sechzig Definitionen dazu, was Religion sei. Der eine sieht Religion als sehr individuelle Angelegenheit, die sich in erster Linie im Herzen des Einzelnen abspielt. Andere betonen den sozialen-genossenschaftlich-kollektiven Charakter. Hier wird immer wieder Wert auf die Überlieferung über Generationen hinweg gelegt wie das Vorhandensein von organisatorischen Strukturen. Genauso gehen die Anschauungen weit auseinander und können auch hart aufeinanderprallen, welche Rolle denn ethische Vorstellungen und eher praktische Verhaltensweisen denn bei Religion zu spielen hätten. Wird bei den einen bewusst die Bedeutung von ethischen Inhalten und so etwas wie Moral in Hinblick auf Religion gern kleingeredet bis überhaupt ziemlich negiert, so gibt es auch die entgegengesetzte Grundposition in natürlich einer Bandbreite von Variationen und Möglichkeiten der Formulierung. Demnach wird der Wert von Religion gerade oder gar ziemlich ausschließlich daran bemessen, inwieweit eine Religion oder Konfession gute ethische Inhalte vermittle und ihre Gefolgsleute in diesem Sinne anleite. Dies weist gerne in eine empiristische bis positivistische Richtung mit der Betonung möglichst gut belegbarer harter Fakten.
Genauso gehen die Anschauungen ganz erheblich auseinander, welche Bedeutung rituellen Handlungen, grundsätzlich so etwas wie Liturgie zugewiesen werden solle. Dies berührt sich ganz besonders direkt mit dem Fragenbereich, ob Religion (eher) eine Sache des Individuums im Inneren seines Herzens oder die eines wohlorganisierten Kollektives zu sein habe.
Geht es bei Religion eher um mehr oder minder abstrakte Gedankengänge oder mehr um kulturelle Ausdrucksformen und vielleicht gerade auch als ethisch angesehene Handlungen?
Meinen die einen, es bedürfe, um von Religion sprechen zu können, eines Gottesbildes, so wird von anderer Seite eingewandt, es könne Religion auch ohne bestimmtes Gottesbild, ohne eine formulierte Gotteslehre geben.
Welche Bedeutung sollte denn überhaupt rationaler Reflexion bis hin zu bewusstem Philosophieren zugewiesen werden, wenn es um Religion geht? Vertritt der Eine da einen Fideismus, wonach in der Religion nur der Glaube oder ein Grundgefühl des Herzens zu zählen habe, so betont der Andere da rationale Überprüfung, philosophische Reflexion bis hin zu einer angenommenen Unverzichtbarkeit von so etwas für authentische anstelle von unverantwortlich-oberflächlicher Religiosität. Dementsprechend stellt sich die Frage, inwieweit eine religiöse Gemeinschaft Bildung fördern solle. Sollten nicht zumindest grundlegende Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben in Hinblick auf Religion und von dieser her gefördert werden?
Nicht zuletzt stellt sich die Frage, welche Bedeutung einer mehr oder minder umfangreichen Verschriftlichung zukomme oder welche Aufmerksamkeit einer solchen zugeiwesen werden solle. Auch hier finden bei Religionen und innerhalb von solchen bei so etwas wie Konfessionen ganz unterschiedliche Erscheinungsformen.
So gibt es Religionen ohne schriftliche Überlieferungen und solche, in denen auf Verschriftlichung bewusst starker Wert gelegt wird. Christentum, Islam und Judentum etwa werden gerne Buchreligionen genannt. In diesem Zusammenhang begegnen uns auch Ausdrücke wie Buchbesitzer und Leute des Buches.
Für Christen stellt sich da aber die ehrlicherweise nicht zu leugnende Frage, was denn überhaupt zur Bibel zu zählen sei. Der Kanon biblischer Schriften variiert zwischen sich als christlich bezeichnender Gemeinschaften ganz erheblich (siehe Gedanken zur Woche 182-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 236-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 243 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2024)). Besonders schillernd geht es da in dem ja auch sonst so inhaltlich und in den praktischen Vollzügen so vielfältigen und in zehntausende Denominationen aufgespaltenen Gesamtphänomen des „Protestantismus“ zu (siehe ebd. und Gedanken zur Woche 178 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Betonen die einen ganz erheblich die Bedeutung des Alten/Ersten Testaments, so weisen zumindest einige dies generell zurück bis hin zur dauernden Tätigkeit betreffender Denominationen gegen die Anerkennung des Alten/Ersten Testaments. Auch bezüglich einzelner oder Gruppen alttestamentlicher Bücher können die Meinungen eigens zwischen protestantischen Denominationen erheblich auseinander gehen.
Nicht zuletzt die katholische Kirche ihrerseits entwickelte eine Betonung von Verschriftlichung. Frühchristliche Synoden und dann Konzilien befassten sich mit dem biblischen Kanon. Unter Zurückdrängung von Gewohnheitsrecht wurde gesatztes, positives Recht geschaffen und fortentwickelt. Natürlich wurden generell Synoden- und Konzilsbeschlüsse sowie Glaubensbekenntnisse schriftlich fixiert. Bezüglich päpstlicher Lehr- und Leitungstätigkeit wurde ein eigenes Schriftwesen entwickelt. Man denke hier nur an Arten von Dokumenten wie Breven, Apostolischen Konstitutionen und Enzykliken.
Auf Urkunden wird gerade im katholischen Gerichtswesen, im Prozessrecht Wert gelegt.
So wird in Canon/Kanon 1539 des CIC ganz grundsätzlich für das Gerichtswesen in der katholischen Kirche festgehalten:
„In jeder Art von Verfahren ist der Beweis durch öffentliche und private Urkunden zulässig.“
Im direkt anschließenden Canon/Kanon 1540 wird dann klarstellend fortgeführt:
„§1. Öffentliche kirchliche Urkunden sind jene, die eine Amtsperson in Ausübung ihres Amtes in der Kirche und unter Beachtung der rechtlich vorgeschriebenen Förmlichkeiten ausgestellt hat.
§ 2. Öffentliche weltliche Urkunden sind jene, die nach den Gesetzen des jeweiligen Ortes als solche rechtlich anerkannt werden.
§. 3. Sonstige Urkunden sind private Urkunden.“
Parallele Festlegungen finden wir im CCEO für die Katholischen Ostkirchen.
So lautet dort ganz grundsätzlich Canon/Kanon 1220:
„Bei jeder Art von Verfahren ist der Beweis durch Urkunden zulässig, sowohl durch öffentliche als auch durch private.“
Eine dem soeben zitierten CIC-Canon/Kanon 1539 Art von Ausdifferenzierung bezüglich Urkunden finden wir in Canon/Kanon 1221 des CCEO:
„§ 1. Öffentliche kirchliche Urkunden sind jene, die eine Person aufgrund ihres öffentlichen Amtes in der Kirche ausgestellt hat unter Wahrung der im Recht vorgeschriebenen Förmlichkeiten.
§ 2. Öffentliche weltliche Urkunden sind jene, die gemäß dem weltlichen Recht als solche angesehen werden.
§ 3. Die anderen Urkunden sind private.“
Gerade anhand von Paragraph 2, eben sowohl des CIC-Canons/Kanons 1540 wie des CCEO-Canons/Kanons 1221, stellt sich unwillkürlich natürlich die Frage, welchen Staat man überhaupt anerkennt. In Hinblick auf bestimmte Staaten und einzelne Territorien stellt sich eigens die Frage, welche von etwa zwei konkurrierenden Regierungen oder Staatsoberhäuptern und mit diesen verbundene Verwaltungseinrichtungen man als legitim betrachtet. Dann sind da natürlich weiterhin die normalen territorialen Dispute, die sich auch im Bereich der Herstellung und Verbreitung von Landkarten und von Dokumenten auswirken, einschließlich etwa in Visaangelegenheiten.
Es ist ja eine ins Auge springenden Tatsache, dass man sich in der Internationalen Gemeinschaft nicht annährend darauf einigen kann, wie viele Staaten es überhaupt gibt. Auch die der Frage, wer etwa als Staatsoberhaupt bzw. Regierung eines bestimmten Staates im Falle hierzu konkurrierender Ansprüche und Strukturen anzuerkennen ist, stellt sich weiterhin. Bei normalen territorialen Disputen gibt es sowieso kein „Ende der Geschichte“.
1. Lesung: Neh 8,2-4a.5-6.8-10
2. Lesung: 1 Kor 12,12-31a (oder 12,12-14.27)
Evangelium: Lk 1,1-4;4,14-21
Gedanken zur Woche 253-b, Dr. Matthias Martin
3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)
Die Seligen und Heiligen stehen für vorbildliches Verhalten, für das, was gerne Tugenden genannt wird. Es gibt hier nun bekanntlich die drei Christlichen Grundtugenden, die eigens die Göttlichen oder die Theologischen Tugenden genannt werden. Hierbei handelt es sich um Glauben, Hoffnung und Liebe (siehe Gedanken zur Woche 104 -3. FASTENSONNTAG (2022)). Dann gibt es auch die Kardinaltugenden, welche mit der Philosophie und überhaupt insbesondere der Kultur des mediterranen Altertums in Beziehung stehen. Eine besondere Bedeutung wird hierbei dem attischen Philosophen Platon zugewiesen. In diesem Sinne gibt es die vier Philosophischen Tugenden Klugheit/Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung.
Diese Tugenden für sich aber sind doch recht abstrakt. Da können eben Selige und Heilige schon anschaulicher als Vorbilder dienen. Sie haben in dieser Welt auf ihrem jeweiligen Lebensweg als Menschen mit Fleisch und Blut gewirkt. Grundsätzlich ist jede bzw. jeder von ihnen in einem theologischen Sinne als eine konkrete historische Persönlichkeit zu betrachten. Dabei kann in bestimmten Fällen die Quellenlage sehr schwierig sein. Natürlich ist auch umstritten, was an einschlägiger Überlieferung über bestimmte Selige und Heilige mehr oder minder authentisch ist und was nicht. So verhält es sich auch mit Reliquien, egal wem diese zugewiesen werden. Johannes der Täufer etwa kann nicht mehr als einen Kopf gehabt haben. Der Erzmärtyrer Stephanus kann nun wirklich nicht von einem dann von jemandem seinerseits als Heiligem verehrten Bischof vor einer christlichen Kirche als ein Findelkind gefunden worden sein. Zur Zeit der Geburt des heiligen Stephanus gab es ja noch gar kein Christentum und dementsprechend kein christliches Kirchengebäude und keinen Bischof, der ein Findelkind entdecken konnte. Auch konnte der heilige Paulus nicht in einer Kirche gepredigt haben, welche erst Jahrhunderte nach der neutestamentlichen Zeit gebaut wurde. Auch mag man sich hier bitte bewusst sein, dass der heilige Apostel Paulus als sog. Völkerapostel das Christentum erst ja in betreffenden Gegenden verbreitet und er also gewiss nicht auf christliche Infrastruktur mit einem Kirchengebäude in einem betreffenden Territorium zurückgreifen konnte. Anders als es gerade in nordamerikanischen Protestantenkreisen und bei manchem Politiker behauptet wird, hat Jesus von Nazaret bestimmt kein Englisch gesprochen. Diese Sprache mit all ihren Varianten, Verzweigungen, Kontakt- und Übergangsprachen entstand erst Jahrhunderte später. Egal, ob man nun diese oder jene Varianten oder eine sprachliche Abzweigung oder ein Lokalidiom dem so vielfältigen Bereich von Englisch oder von Englishes im Plural zurechnet oder nicht (siehe Gedanken zur Woche 109 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2022)), so wurde in keiner von diesen irgendein biblisches Buch auf einem der alten Papyri oder auf anderen Beschreibmaterialien niedergeschrieben. Abgesehen von hartgesottenen Verschwörungstheoretikern und dergleichen wird man anerkennen, dass weder in den Schriftrollen von Qumran am Toten Meer noch in der Bibliothek von Nag Hammadi oder in den alten Handschriften im Katharinenkloster am Berg Sinai etwas „englisches“ vorzufinden war. Englisch in allen Varianten und möglichen Abzweigungen und mehr oder minder eigenständigen Fortentwicklungen gab es eben noch mehrere Jahrhunderte nicht. Keiner der Kirchenväter oder Mitarbeiter frühchristlicher Synoden und Konzilien hinterließ uns etwas in irgendeiner Art von „Englisch“.
Andere Fragen sind nicht so leicht zu klären oder einfach eindeutig zu beantworten. Derartiges gilt aber auch für die Profangeschichte bzw. dort einzuordnende Ereignisse und Personen. Mancher und manche hat vielleicht schon etwas über die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Datierungen altägyptischer Dynastien mitbekommen. Wie waren die beiden römischen Herrscher Caligula und Nero nun wirklich verwandt? War die Schlacht von Beacula/Bäcula des Jahres 208 v. Chr. als Teil des Zweiten Punischen Krieges ein karthagischer oder ein römischer Sieg oder ein Patt? Handelt es sich bei wüsten Vorwürfen, wie sie in mehr oder als Geschichtsschreibung zu bezeichnenden Überlieferungen verbreitet wurden, zu Kaiser Tiberius und den Kaiserinnen Messalina und Theodora um historische Gegebenheiten oder um eine Schmierkampagne bis hin zu Ausgeburten von Männerphantasien? Wo lag wirklich Vinland (siehe Gedanken zur Woche 128-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), und bis wohin kamen die gerne als Wikinger bezeichneten Seefahrer in Nordamerika? Die Diskussionspunkte oder Fragen ließen sich natürlich fortsetzen.
So ist es eben auch mit Punkten der als Kirchengeschichte bezeichneten Angelegenheiten.
Die heilige Ordensgründerin Angela Merici (ca. 1470/75-1540) und der längst offiziell zum Kirchenlehrer erhobene Thomas von Aquin (ca. 1225-1274) sind aber nun als historische Persönlichkeiten doch wirklich gut belegt. Beide stehen für ein positives Verhältnis von Glauben und Vernunft, für ein gutes Zusammenwirken von Kirche und Bildung und Wissenschaft. Die heilige Angela Merici verdeutlicht, dass es seinerseits das kirchliche Leben nur fördert, wenn in nachhaltiger Weise Mädchen und Frauen gefördert werden. Natürlich steht sie mit besonderem Akzent für die starke und unverzichtbare Stellung von Frauen im Ordensleben, gerade wenn man dieses katholisch traditionell angeht und nicht irgendwelche Verzerrungen oder Pervertierungen unterstützt.
Die Bildung ist ja ganz überhaupt ein christliches Grundanliegen. Daran erinnerte Papst Franziskus er als in einem umfangreicheren Brief vom 17. Juli 2024 die Bedeutung der Literatur in der Bildung herausstrich (https://www.vatican.va/content/francesco/de/letters/2024/documents/20240717-lettera-ruolo-letteratura-formazione.html ). Dass dies nicht auf die Ausbildung von Priestern beschränkt ist, verdeutlichte er gleich mit dem ersten Abschnitt dieses Schreibens:
„1. Ursprünglich hatte ich einen Titel formuliert, der sich auf die Ausbildung von Priestern bezog, aber dann dachte ich, dass man diese Punkte analog auch über die Ausbildung aller pastoralen Mitarbeiter und aller Christen sagen kann. Ich beziehe mich auf den Wert der Lektüre von Romanen und Gedichten auf dem Weg der persönlichen Reifung.“
Dabei wird er durchaus kritisch gegenüber der zeitgenössischen Gesellschaft und naiver Fortschrittsgläubigkeit. So muntert er bezüglich der Literatur u. a. bereits im zweiten Abschnitt auf:
„2. … Und vielleicht eröffnet uns die Lektüre neue innere Räume, die uns helfen, uns nicht in jenen wenigen zwanghaften Ideen zu verschließen, die uns unerbittlich gefangen halten. Vor der Allgegenwart von Medien, sozialen Netzwerken, Mobiltelefonen und anderen Geräten war dies eine häufige Erfahrung, und diejenigen, die sie gemacht haben, wissen, wovon ich spreche. Das ist nicht etwas Überholtes.“
Dies passt sehr gut zu seiner Warnung vor ideologischer Indoktrination in Zusammenhang mit Geschichtsvergessenheit der Zerstörung kulturellen Erbes (Gedanken zur Woche 248-b - 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)).
Kritikerinnen und Kritiker an gängigen sog. Mainstream-Medien mögen sich eigens bestätigt fühlen durch päpstliche Worte wie:
„4. Dies führt mich dazu, die Tatsache sehr positiv zu bewerten, dass wir zumindest in einigen Priesterseminaren die Besessenheit von Bildschirmen – und von den giftigen, oberflächlichen und gewalttätigen Fake News – überwinden und der Literatur Zeit widmen, Momente der ruhigen und freien Lektüre, um über diese Bücher, neue oder alte, die uns weiterhin so viel sagen, zu sprechen.“
Eigens ist hier zu beachten dieser ausdrückliche und ermutigende Hinweis auf alte Bücher, generell auf ältere Literatur. Dabei stellen solche Worte auch eine eigene Anerkennung für eine betont traditionelle katholische Priesteraus- und -fortbildung dar. Dort wird ja starker Wert auf Buchlektüre anstelle bloßen Bildschirmkonsums gelegt.
Dies gilt auch für die weiteren Ausführungen des Papstes in dem recht umfangreichen Schreiben. Dabei betont er eigens die ausdrückliche Wertschätzung für die verschiedenen „alten und neuen Kulturen“ im Sinne der unverfälschten katholischen Überlieferung der Geschichte.
Die Bedeutung eines Autors wie George Orwell mit seinem so umfangreichen wie tiefgehenden Gesamtwerk wurde über die Jahre gerade in betont traditionsorientierten katholischen Kreisen bestätigt. In einem Gespräch bekommt man da gerne die Aussagekraft gerade eines Werkes wie des warnenden Zukunftsromans „1984“ unterstrichen (siehe Gedanken zur Woche 248-b – 4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)).
Natürlich verdienen gerade in unserer so konfliktgeladenen Zeit auch Autoren wie etwa Aldous Huxley und John Ronald Reuel/J. R. R. Tolkien intensive Beachtung. Letzterer war bezeichnenderweise ein unerschütterlicher Bekenner der katholischen Tradition. Dies zeigte sich offenkundig in seinem Eintreten für die vorkonziliare Liturgie.
Gedanken zur Woche 252, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2025)
Das (Kalender-)Jahr 2025 ist nun schon wirklich in die Gänge gekommen. Dieses Jahr ist eben nach der allgemein üblichen Zeitrechnung nicht einfach halt irgendein Jahr. Es bietet uns im Sinne des Dezimalsystems eine halbrunde Jahreszahl. Nun werden ja die Jahre allgemein nach "vor Christus/vor Christi Geburt" und "nach Christus/nach Christi Geburt" gezählt, abgekürzt "v. Chr." und "n. Chr.". Der Bezug zum Christentum als einer hsitorischen Religion ist offenkundig. Hinzu kommt, dass der längst in der Internationalen Gemeinschaft allgemein verwendete Kalender ja auf den großen Papst der Gegenreformation, dieser Epoche der katholischen Erneuerung, Papst Gregor XIII. (Pontifikat von 1572 bis 1585) (siehe allgemein Gedanken zur Woche 214-b - 5. OSTERWOCHE (2024) und Gedanken zur Woche 221-b - 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)) zurückgeht und als "gregorianischer/Gregorianischer Kalender" bezeichnet wird (siehe Gedanken zur Woche 193 - 1. ADVENTSONNTAG (2023) und Gedanken zur Woche 195-b - 3. ADVENTWOCHE (2023)).
Man bleibt also seitens der katholischen Kirche auf der Basis eigener Überlieferung, wenn man so ein eher rundes Jahr, das wie das Jahr 2025 ein Vierteljahrhundert bezeichnet, auch eigens kirchlich-theologisch-pastoral akzentuiert. Ein normales oder ordentliches Heiliges Jahr findet eben passend zur christlichen Zeitrechnung im Allgemeinen und dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender im Besonderen alle 25 Jahre statt.
Leider ist auch in unseren Breiten längst verdrängt worden, dass eben dieser allgemein übliche und etwa in den Vereinten Nationen und im Europarat gar nicht angezweifelte oder diskutierte Kalender eben einem der besonders wichtigen Päpste der Gegenreformation wie der Geschichte des so langlebigen Kirchenstaates zu verdanken ist. Einst haben sich gerade im Gebiet des Ersten Deutschen Reiches/Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation noch Gegner ausdrücklich gegen diesen Kalender gewandt und seine Einführung in ihren Gebieten über Generationen abgelehnt, eben wegen seiner päpstlich-gegenreformatorischen Herkunft. Heutzutage ist all dies längst in Vergessenheit geraten. Gleiches gilt für solche Tatsachen wie der Umstand, dass sowohl Nikolaus Kopernikus wie George Lemaître, der "Vater der Urknalltheorie", beide katholische Priester waren, die von antikatholischen Zeitgenossen umso heftiger attackiert wurden.
Die Meldung, wonach der Apostolische Stuhl, auch genannt der Heilige Stuhl, eigens Georges Lemaître, der leider weitgehenden Nichtbeachtung entreißen will, verdient umso mehr Beachtung. Ganz allgemein ist Papst Franziskus zuzustimmen, wenn er vor Geschichtsvergessenheit warnt und historisches Interesse gerade für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anmahnt. Dabei sind natürlich Geschichtswissenschaft und geschichtliche Allgemeinbildung nicht zu trennen von allen möglichen anderen Wissenschaften und ganz generell von den unterschiedlichen menschlichen Tätigkeiten und Wirkungsfeldern. Jeder Text ist eine historische Quelle, egal ob es sich um einen Aufsatz zu Fragen der Astrophysik, ein Lehrbuch der Mathematik, einen juristischen Text bis hin zu einer großen Gesetzessammlung, ein einzelnes Gedicht oder einen ganzen Roman handelt. Ausdrücke wie „Rechtsgeschichte“, „Philosophiegeschichte“, „Mathematikgeschichte“, „Kunstgeschichte“, „Wissenschaftsgeschichte“ und eben auch „Theologiegeschichte“ und „Kirchengeschichte“ weisen in diese Richtung. Dies gilt auch für Ausdrücke wie „Geschichte der deutschen Sprache“, „Entwicklung der romanischen Sprachen“ und „Herausbildung unterschiedlicher Maya-Sprachen/Mayasprachen“ und so weiter. In jedem Text, ob ganz kurz oder auch sehr lang, spiegelt sich etwas von der Entwicklung, eben der Geschichte der menschlichen Sprache wider. Ebenso gehören Funde aller Art zur Geschichte der Menschheit und ihrem Gesamterben.
Die Beschäftigung mit der geistigen Überlieferung und gerade auch sprachlichen Entwicklungen kann wirklich helfen, theologische Fehlschlüsse zu vermeiden und Missverständnisse auch im Zusammenleben konfessioneller Gemeinschaften abzubauen. Dies gilt ebenso für den so großen wie konfliktgeladenen Gesamtbereich der Politik.
Befasst man sich näher und möglichst vorurteilsfrei mit theologischen Ausdrücken wie „Unbefleckte Empfängnis Mariens“, „Messopfer“ und „Ablass“, so kann sich ein Schreckgespenst oder Ärgernis in eine entspannte Angelegenheit verwandeln oder gewissermaßen im guten Sinne in Wohlgefallen auflösen.
In diesem Sinne lohnt sich dann eben auch ein Blick auf die Verkündigungsbulle von Papst Franziskus für das HEILIGE JAHR 2025. Auch dieses päpstliche Dokument wurde von traditionell dominierenden Medien geflissentlich übergangen. Dabei wird uns hier allein schon natürlich ein Dokument menschlicher Sprache und nicht zuletzt ein offizielles Schreiben von jemanden geboten, der eben in der Internationalen Gemeinschaft als Staatsoberhaupt wie als Verkörperung eines Völkerrechtssubjektes eigener Art anerkannt ist. Dies sind doch unleugbar Eigenschaften, die auf den Papst zutreffen.
Nicht umsonst wurde auf die Verkündigungsbulle „Spes non confundit“ des Papstes für das Heilige Jahr 2025 ausdrücklich auf Seite 1 der deutschen Ausgabe des OSSERVATORE ROMANO hingewiesen (ungezeichnet, In dieser Ausgabe (Nummer 20/21 (54. Jahrgang – 17. Mai 2024))!
Darin betont Franziskus, dass „der Papst nach alter Tradition alle fünfundzwanzig Jahre“ (Papst Franziskus, SPES NON CONFUNDIT. Verkündigungsbulle des ordentlichen Jubiläums des Jahres 2025. Ebd., Seite 7) ein Heiliges Jahr ausruft. Man sollte nicht übergehen, wie kritisch sich der Papst mit Entwicklungen in der gegenwärtigen Gesellschaft auseinandersetzt. Ja, er entwickelt solch kritische Formulierungen vom Neuen/Zweiten Testament her und bindet jene an dieses zurück.
Es wird deutlich, wie Papst Franziskus nicht nur vor Geschichtsvergessenheit warnt, sondern selber Geschichtsbewusstsein und Verankerung gerade in der Geschichte der Kirche praktiziert. So weist er ausdrücklich anerkennend auf Papst Bonifaz VIII. (Pontifikat von 1294 bis 1303) als Papst hin, welcher das erste Heilige Jahr ausrief. Papst Franziskus schreibt anerkennend dazu:
"Gerne denke ich daran, dass der Verkündigung des ersten Heiligen Jahres im Jahr 1300 ein von der Volksfrömmigkeit getragener Weg der Gnade vorausging. In der Tat dürfen wir die verschiedenen Formen nicht vergessen, in denen die Gnade der Vergebung über das heilige, gläubige Gottesvolk in reichem Maße ausgegossen wurde“ (ebd., Seite 7-8).
Ausdrücklich verweist er auf die Ablassgewährung durch Papst Honorius III. (Pontifikat von 1216 bis 1227), welche dieser auf Anregung des heiligen Franziskus/Franz von Assisi gewährte (siehe Gedanken zur Woche 228 – 18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Eigens wird auf die besondere Bedeutung der Wallfahrten zum Heiligen Jakobus nach Santiago de Compostela eben auch für die Entwicklung des Heiligen Jahres hingewiesen. Ausdrücklich ermutigt der Papst die Menschen, welche in Zusammenhang mit dem heiligen Jahr unterwegs sind, die traditionellen Pilgerwege gerade in Rom zu benutzen und generell zum "Betrachten der Schöpfung und der Kunstwerke" (Seite ebd., 8).
Ausdrücklich betont er die historische Kontinuität der katholischen Kirche und ihr gesamtes liturgisches und theologisches Erbe. Dabei erinnert er dann, dass er selber am 13. Mai 2015 ein außerordentliches Heiliges Jahr ausrief.
Seiner Linie der Verurteilung von Abtreibung und einer klaren Ermutigung zu Kindern bleibt Papst Franziskus auch in der Verkündigungsbulle für dieses Heilige Jahr treu. So mahnt er eigens in diesem Schreiben:
„9. Hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken bedeutet auch, eine begeisterte Lebenseinstellung zu haben, die es weiterzugeben gilt. Leider müssen wir mit Bedauern feststellen, dass es in vielen Situationen an einer solchen Sichtweise mangelt. Die erste Folge ist der Verlust des Wunsches, das Leben weiterzugeben. Aufgrund hektischer Lebensrhythmen, Zukunftsängste, fehlender Garantien für einen Arbeitsplatz und eine angemessene soziale Absicherung sowie aufgrund von Gesellschaftsmodellen, in denen statt der Pflege menschlicher Beziehungen das Streben nach Profit die Agenda bestimmt, erleben wir in verschiedenen Ländern einen besorgniserregenden Rückgang der Geburtenrate.“
Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine Umweltenzyklika „Laudato si“ führt Franziskus weiter aus:
„Dementgegen in anderen Zusammenhängen „die Schuld dem Bevölkerungszuwachs und nicht dem extremen und selektiven Konsumverhalten einiger anzulasten, eine Art [ist], sich den Problemen nicht zu stellen“" (ebd., Seite 8).
Wie nicht anders zu erwarten, wurden diese grundlegenden Aussagen „großzügig“ gerade in sog. Mainstream-Medien als nichtexistent behandelt. Umso wichtiger ist es, die Aussagen und Handlungen des Papstes immer wieder selber möglichst direkt in Augenschein zu nehmen, egal ob es sich etwa um seine besonders scharfe Verurteilung von Abtreibungen und jeder Form von Kinderfeindlichkeit, seine Unterstützung für die Republik Taiwan und den Staat Palästina oder seinen Einsatz für Kultur, Bildung und Wissenschaft einschließlich der Wertschätzung für das alttestamentliche Buch Jesus Sirach geht.
1. Lesung: Jes 62,1-5
2. Lesung: 1 Kor 12,4-11
Evangelium: Joh 2,1-11
Gedanken zur Woche 252-b, Dr. Matthias Martin
2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)
Heilige, und da nicht zuletzt Märtyrer, sind ein gutes Beispiel dafür, dass man dieselbe Person oder denselben Gegenstand, dieselbe Angelegenheit aus unterschiedlichen Blickwinkeln her betrachten kann. Mit unterschiedlichen Fragestellungen und wissenschaftlichen Methoden kann man an sie herangehen. Dementsprechend können auch verschiedene Rückschlüsse gezogen werden, auch wenn diese sich im jeweiligen Gesamtzusammenhang nicht zu widersprechen brauchen.
Dies gilt dann eben auch, wenn man anhand der derzeit mehr oder minder vorherrschenden liturgischen Einteilung die Heiligen der Zweiten Woche im Jahreskreis etwas in den Blick nimmt. Da ist es eigens interessant, den heiligen Fabian und den heiligen Sebastian nebeneinander zu stellen. Beide starben der Überlieferung nach als Opfer römischer Christenverfolgungen.
Das Augenmerk mag umso mehr auf diese beiden Märtyrer gerichtet werden, da sie zusammen sowohl in der Einteilung des Kirchenjahres für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus, welcher neuerdings auch „außerordentliche Form des Römischen Ritus“ oder auch „außerordentlicher römischer (Mess-)Ritus“ genannt wird, als auch nach der Kalenderordnung für die Liturgie im nachkonzilaren/Nachkonziliaren Ritus zusammen jeweils am 20. Januar gefeiert werden. Das kann ja schon einmal eigens als Element des katholischen Miteinanders für die Anhänger, Liebhaber oder Zelebranten der verschiedenen liturgischen Formen in der katholischen Kirche aufgegriffen werden. So eine Anregung, das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen ist in unserer so konfliktreichen Zeit schon für sich genommen gut und wertvoll.
Dem heiligen Fabian wird als Bischof von Rom, auch Papst genannt, eine Amtszeit von 236 bis 250 n. Chr. zugeschrieben. Er soll eines der ersten Opfer der so durchdachten wie nach menschlichem Ermessen für die kurze Zeit ihrer Dauer so erfolgreiche Verfolgung durch den römischen Kaiser Decius gewesen sein. Dieser verstand sich darauf, heimtückische Schläge gegen mehr oder minder arglose Opfer mit erbarmungsloser Präzision durchzuführen. So war er selber durch eine Art Putsch gegen Imperator Philippus Arabs an die Macht gekommen. Decius hatte sich zunächst in das besondere Vertrauen seines späteren kaiserlichen Opfers eingeschlichen. Die so gewonnene Position nutze er dann, um sich mit den ihn unterstützenden Truppenteilen gegen den in diesem Fall zunächst arglosen Philippus Arabs zu wenden, ihn nicht nur zu entmachten, sondern ihn zusammen mit anderen Menschen einschließlich Mitgliedern von dessen Familie zu töten. Als nächstes großes Ziel kamen dann für den gewalttätigen wie heimtückischen Decius eben die Christen dran. Dies führte zur ersten reichsweiten systematischen Christenverfolgung. Eben auch da bewies er wieder so etwas wie mörderische und zugleich treffsichere Präzision. In ganz kurzer Zeit wurden dem Christentum schwere Wunden geschlagen. Gerade die Problematik der einstweilen unter dem Druck der Verfolgung vom christlichen Glauben abgefallenen Lapsi führte umgehend zu schweren innerkirchlichen Konflikten, als viele dieser Lapsi nach dem Tod des Gewaltherrschers Decius mit seiner so treffsicheren Christenverfolgung zum Christentum zurückkehren wollten. Damit hatte Decius im Inneren seines Gegners Probleme provoziert, was heutige lebende Menschen an Strategie und einschlägige Erfolge moderner totalitärer oder zumindest autoritärer Regime des 20. Jahrhunderts erinnern mag. Insbesondere kam es zur Abspaltung der rigoristischen Gemeinschaft oder Gegenkirche der Novatianer (siehe Gedanken zur Woche 242 – 32. SONNTAG im Jahreskreis (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 214 – 5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)).
Man kann sich nicht vorstellen, was weiter passiert wäre, wenn dieser eben auf so brutale Weise so erfolgreiche Christenverfolger Decius länger regiert hätte und nicht nach kurzer Zeit bereits im Jahre 251 in der Schlacht gegen das germanische Volk der Goten getötet worden wäre (siehe Gedanken zur Woche 129-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 202-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Der heilige Fabian als prominentes Opfer dieser decischen Christenverfolgung hatte seinerseits enorme Bedeutung gewonnen durch die organisatorische Strukturierung der Kirche von Rom. Er kümmerte sich offensichtlich eigens auch um kirchliche Begräbnisstätten. Sein Andenken ist aber bei weitem nicht so populär wie das des heiligen Sebastian. Dieser ist durch die überlieferte Art seines Leidens gerade in die Geschichte und Gegenwart der bildenden Künste eingegangen. Eine solche Popularität der bildlichen Darstellungen sowohl zweidimensionaler wie dreidimensionaler Art lässt sich beim heiligen Fabian nicht annährend feststellen. Dies gilt auch in Hinblick auf die sieben Hauptkirchen Roms. Eine von ihnen ist dem heiligen Sebastian geweiht. Eine dem heiligen römischen Bischof Fabian geweihte Hauptkirche finden wir hier nicht. Paralleles lässt sich auch für die Pfarrkirche von Stein an der Donau feststellen. Da kann man leicht eine Statue des heiligen Sebastian am neugotischen Seitenaltar entdecken. Eine Statue oder ein Bild des heiligen Fabian lassen sich in dieser dem heiligen Nikolaus geweihten Pfarrkirche nicht finden!
Es wird deutlich, dass Heilige nicht zuletzt eine bedeutende Stellung in der Kunstgeschichte einnehmen. Die einem Heiligen wie dem heiligen Sebastian gewidmeten Kunstwerke stellen einen gewaltigen Fundus für kunstgeschichtliche Nachforschungen und Erörterungen dar. Dies gilt unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit damit befasster Menschen. Wie anhand der Pfarrkirche von Stein an der Donau deutlich wird, kann dies auch zur Diskussion um so etwas wie die Wertigkeit bestimmter Kunststile führen. Gemeinhin wird die Neugotik gerade in Mitteleuropa kritisch bis ausdrücklich negativ betrachtet. Mitunter regelrecht vernichtend wird die teilweise Neugotisierung der Steiner Pfarrkirche von Anfang des 20. Jahrhunderts beurteilt. Aber es gibt dazu auch freundlichere Meinungen nicht zuletzt im Bereich der Ökumene der christlichen Konfessionen. Auf jeden Fall bieten betreffende Kunstwerke in einem Kirchengebäude fortwährend Anregungen, sich mit Ästhetik und Kunstphilosophie zu beschäftigen.
Dann haben Heilige auch ihre nicht zu verdrängende Bedeutung für die Musik und deren fortdauernde Entwicklung. Ein einzelner Heiliger kann eigens auch bezüglich seiner Stellung im musikalischen Erbe und zeitgenössischem musikalischen Schaffen betrachtet werden.
Natürlich stellen sie immer wieder eine Herausforderung dar, wenn es um die hoffentlich möglichst wissenschaftliche und unpolemische Diskussion historischer Quellen und da gerade schriftlicher geht. Da sind wir dann eben sehr rasch in der Diplomatik oder Urkundenlehre und der gesamten Sprachwissenschaft mit ihren Zweigen wie etwa der Amerikanistik, der Anglistik, der Germanistik, der Romanistik, der Albanologie oder Albanistik, der Keltologie, natürlich der Slawistik mit all ihren Auffächerungen und so weiter. Von dort kommt man auch zu Sprachphilosophie und Vergleichender Literaturwissenschaft und kann von dorther wiederum Impulse aufgreifen.
Natürlich haben Heilige ihre eigene Stellung in der Geschichte, mit der sich ja auch die Archäologie mit ihren verschiedenen Zweigen beschäftigt. Das Wirken und Sterben des heiligen Fabian ist offensichtlich ziemlich unstrittig. Die Verehrung des heiligen Sebastian und die damit verbundene kulturelle Überlieferung können eigens zur Beschäftigung mit der Zeit des römischen Kaisers Diocletian, der von ihm geschaffenen Tetrarchie wie der mit ihm verbundenen Christenverfolgung anregen. Deren Opfer wurde der Überlieferung zufolge auch der heilige Sebastian.
In dem im Rahmen der nachkonziliaren Ordnung verwendeten deutschen Messbuch etwa heißt es zum Gedenktag des heiligen Sebastian:
„Er wurde in Rom zu Beginn der Diokletianischen Verfolgung Märtyrer. Die Legende berichtet von seiner Herkunft aus Mailand und schmückt sein Leben und Sterben reich aus. Schon im 4 Jh. kannte man sein Grab an der Via Appia („ad catacumbas“).“
Auch Theaterwesen und Filmkunst sind inhaltlich mit Heiligen verbunden. Nicht umsonst erfreuen sich etwa Theaterwissenschaften und auch Filmwissenschaft bei Katholiken wie Nichtkatholiken eigenen Interesses.
Eine Kirche wie die römische Hauptkirche zum heiligen Sebastian ist ihrerseits auch in architektonischer Hinsicht beachtlich. Ihre Einfügung in das Gesamtensemble der Stadt Rom ist ein eigener Punkt, der zur Beschäftigung einlädt.
Gedanken zur Woche 251, Dr. Matthias Martin
TAUFE DES HERRN (2025)
Wenn recht am Anfang eines Kalenderjahres eigens das Hochfest/Fest I. Klasse der TAUFE DES HERRN begangen wird, so kann man diesem Umstand eine symbolische Aussagekraft zubilligen. Dazu passt dann, wenn dieses Hochfest/Fest I. Klasse nach der meist verwendeten liturgischen Einteilung am Beginn der Ersten Woche im Jahreskreis steht.
Es geht da jeweils um einen Beginn, egal ob man mehr allgemeingesellschaftlich auf das Kalenderjahr im Sinne des gregorianischen/Gregorianischen Kalenders oder mehr in einem eher innerkirchlich-liturgischen Sinne auf so etwas wie das Kirchenjahr blickt. Es gilt jeweils, nach besten Kräften durchzustarten und den Blick nach vorne zu richten. Dabei soll man natürlich nicht sein Herkommen, seine eigenen Wurzeln vergessen und das auf uns gekommene Erbe vernachlässigen. Nicht umsonst hat erst kürzlich kein geringerer als Papst Franziskus gemahnt, sich nicht vom Erbe früherer Generationen abzutrennen und dadurch umso leichter manipulierbar zu werden (siehe Gedanken zur Woche 248-b – 4 ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie der WEIHNACHTSOKTAV (2024)). Dazu passt auch seine ausdrückliche Würdigung des heiligen Papstes Pius X. (siehe Gedanken zur Woche 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024) und Gedanken zur Woche 218 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2024)). Gerade Anhänger französischer Machtpolitik mag es eigens auch ärgern, wie Papst Franziskus ebenso seinen Vorgänger Pius VII. in starken Worten würdigte (siehe Gedanken zur Woche 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024)). Dabei ist Papst Franziskus doch auch sonst bereit, sich von Ansprüchen aus der französischen Politik und profranzösischen Einseitigkeiten zu distanzieren.
Dabei muss man nicht Anhänger einer bestimmten Konfession oder einer besonderen theologischen Überlieferung sein, um Leistungen früherer Generationen zu würdigen und gegen das Vergessen und Verdrängen aufzutreten.
Die Taufe ihrerseits ist ja auch nicht nur nach einem römisch-katholischen Verständnis das Sakrament des Beginns. Diese stellt die Eintrittspforte zum sakramentalen Leben dar. Allgemeiner formuliert ist sie der Beginn einer ausdrücklichen Kirchenmitgliedschaft. Der Empfang der Taufe sollte nicht als ein mehr oder minder folkloristisches Familienereignis unterschätzt werden. Allein schon die Bezeichnung als eines der sieben Sakramente nach altorientalischer, orthodoxer und (römisch-)katholischer Einteilung macht dies deutlich. Dazu gibt es ja zumindest auch Teile des so differenziert zu betrachtenden und schillernden Phänomens des Anglikanismus oder Anglikanertums, welche von dieser Siebenerzählung bei den Sakramenten ausgehen. Auch kann man erwarten, generell bei den in die Zehntausenden gehenden als „protestantisch“ bezeichneten Denominationen oder voneinander unabhängigen konfessionellen Gemeinschaften hier und da diese Einteilung bzw. eine Akzeptanz für diese zu finden.
Die Bedeutung der Taufe wird dann dadurch noch unterstrichen, dass sie etwa in katholischer Tradition eigens auch als eines der „sacramenta maiora“ oder eben „größeren Sakramente“ bezeichnet wird (siehe Gedanken zur Woche 44 – TAUFE DES HERRN (2021)).
Auf verschiedenen Synoden und Konzilien beschäftigte man sich mit dem Sakrament der Taufe und wies auf dieses hin. In diesem Sinne wirkten Päpste wie der heilige Stefan/Stephan I. mit seiner Amtszeit von 254 bis 257 und Kirchenlehrer bzw. Kirchenväter wie der heilige Augustinus.
Das Zweite Laterankonzil vom Jahre 1139 formulierte in Canon/Kanon 23 sehr scharf und nach allgemeinerem heutigem Dafürhalten wohl zu aggressiv:
„Diejenigen aber, die sich heuchlerisch mit dem Schein von Religiosität umgeben und das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn, die Taufe der Kinder, das Priestertum und die übrigen kirchlichen Weihen sowie die rechtmäßigen Eheschließungen verurteilen, verstoßen wir als Häretiker aus der Kirche Gottes, verurteilen sie und gebieten, daß sie durch die äußeren Gewalten gezüchtigt werden. Auch ihre Verteidiger binden wir mit dem Band derselben Verurteilung.“
Dies wirft natürlich die Frage auf, inwieweit Beschlüsse eines allgemeinen Konzils auf Dauer verbindlich sind. Inwieweit können sie tatsächlich inhaltlich geändert oder annulliert werden? Können allgemeine/Allgemeine Konzilien etwa irren? Wie und durch wen sind dann im Falle des Falles solche Irrtümer festzustellen und gegebenenfalls zu korrigieren? Ich erinnere mich an meine Zeit als Schüler am Gymnasium im unterfränkischen Marktheidenfeld. Damals wurde bei religiös interessierten und in der katholischen Kirche engagierten Schülerinnen und Schülern durchaus darüber gesprochen, dass die Erklärung über die Religionsfreiheit des Zweiten Vatikanischen Konzils direkt dem Vierten Laterankonzil widerspräche. Stellen wie die oben zitierte aus dem Zweiten Laterankonzil könnten als zusätzliche Stellen oder Beschlüsse gegen ein Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils wie eben die Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“ verstanden oder angeführt werden.
Dabei geht es in diesem Fragepunkt eben wohlgemerkt nicht inhaltlich um Sakramentenlehre und auch nicht um die Stellung der Taufe als eines der Sakramente und auch nicht um die Frage der Kindertaufe. Es geht vielmehr um die brisante und vielschichtige Frage nach dem Verhältnis von Kirche und weltlicher Gewalt, von Religion und Staat. Wieweit dürfen, sollen oder müssen sich weltlich-staatliche Strukturen in theologische Auseinandersetzungen einbringen. Wer darf wem bei einem Gegenüber von weltlicher Macht und Religion, von so etwas wie Kirche und Staat dem Anderen Vorschriften machen oder Befehle erteilen? Es verdient hier Beachtung, dass etwa der so wichtige Reformator Ulrich/Huldrych Zwingli für die allgemeine Todesstrafe gegen die als Wiedertäufer beschimpften Kritiker der Taufe von Kleinkindern eintrat und dies nach Kräften in seinem Machtzentrum Zürich umsetzte (siehe Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)).
Die Zugehörigkeit der Taufe zu genau sieben (kirchlichen) Sakramenten wurde dann schon lange vor dem Wüten Zwinglis auf dem Zweiten Konzil von Lyon des Jahres 1274 bestätigt (siehe Gedanken zur Woche 83 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)), auf dem man sich insbesondere bemühte, das Schisma der orthodoxen Kirche, der irgendwie getrennten Ostkirche, zu beseitigen und hier kirchliche Einheit wiederherzustellen. Leider misslang dieses so wichtige Unterfangen.
Das gleiche Schicksal traf die Unionsbemühungen des Konzils von (Basel – Ferrara -) Florenz im 15. Jahrhundert. Dabei wurde auch auf diesem Konzil die Siebenzahl der Sakramente und die Sakramentalität der Taufe bestätigt (siehe Gedanken zur Woche 88 – 1. ADVENTSONNTAG (2021)).
geschah dann ebenso auf dem Konzil von Trient in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (siehe Gedanken zur Woche 223 – 13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)), wobei dieses Konzil sich ja insbesondere mit so vielfältigen und längst in sich aufgespaltenen Phänomen des „Protestantismus“, der in sich so zerstrittenen „reformatorischen Bewegung“ oder wie man immer sagen und schreiben will, auseinanderzusetzen hatte.
In Hinblick auf Einheit unter Christinnen und Christen war da das Zweite Laterankonzil noch erfolgreicher gewesen. es hatte immerhin die Folgen der zwiespältigen Papstwahl von Innozenz II. und Anaklet/Anaclet II. und des daraus resultierenden Schismas bereinigen können.
Ihrerseits darf die Taufe von der katholischen Überlieferung her als besonderes Sakrament der Einheit betrachtet werden. So werden ja, wie schon der erwähnte und immerhin in der römisch-katholischen Kirche als Heiliger anerkannte Stefan/Stephan I. betonte, auch die in getrennten Gemeinschaften oder Kirchen gespendeten Taufen als gültig anerkannt. Gerade zum Hochfest von der TAUFE DES HERRN mag man sich bei Katholikinnen und Katholiken darauf besinnen, dass dementsprechend zur katholischen Kirche kommende Konvertitinnen und Konvertiten grundsätzlich nicht noch einmal zu taufen sind. Einst wurden ja sogar von Arianern gespendete Taufen durch die römische Kirche ausdrücklich als gültig anerkannt (siehe Gedanken zur Woche 35-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)).
1. Lesung: Jes 42,5a.1-4.6-7 oder Jes 40,1-5.9-11
2. Lesung: Apg 10,34-38 oder Tit 2,11-14;3,4-7
Evangelium: Lk 3,15-16.21-22
Gedanken zur Woche 251-b, Dr. Matthias Martin
1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2025)
Die erste Woche Im liturgischen Jahreskreis nach der meist verwendeten liturgischen Einteilung mag ein Anstoß sein, darüber nachzudenken, worin man sich im anbrechenden Kalenderjahr hin orientieren will. Es sind ja zugleich auch noch nach dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender Tage mitten im Monat Januar, eben als dem ersten Monat des Kalenderjahres.
Nun ist es eine offenkundige Tatsache, dass gute Vorsätze, die man sich zur Jahreswende, um den Gedenktag des heiligen Papstes Silvester I. am 31. Dezember herum also, gemacht hat, sehr oft sehr schnell aufgegeben werden. Ja man kann sogar vernehmen, dass dies bei einem ernstzunehmenden Prozentsatz in einer westlichen Gesellschaft dann bereits am 1. Januar als dem ersten Tag im neuen Kalenderjahr geschieht. Da macht es dann keinen Unterschied, ob man den 1. Januar als OKTAVTAG VON WEIHNACHTEN oder als HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und vielleicht noch als kirchlich mehr oder minder mitgetragenen WELTFRIEDENSTAG im Blick hat. Selbstverständlich ist es natürlich gut und richtig, sich an diesem ersten Tag in einem Kalenderjahr sowohl noch einmal ganz bewusst das Hochfest von WEIHNACHTEN und einen mit diesem verbundenen und durch die Kirche überlieferten Festkreis bewusst zu machen. Genauso ist es gut und richtig, einen Blick auf die Allerseligste Jungfrau Maria mit ihren verschiedenen Ehrentiteln zu richten. Mit ihrer Bereitschaft, dem Ruf Gottes zu folgen, sich davon durch keine irdische Verführung und weltliche Macht abbringen zu lassen, kann die Mutter Jesu immer als hervorragendes Vorbild dienen. Und zu Beginn eines Jahres kann dies ein umso nützlicherer Wegweiser sein. Dazu passt dann auch, dass an diesem Tag der WELTFRIEDENSTAG begangen wird. Die Wenigsten können direkt in die Weltpolitik hineinwirken. Aber Frieden beginnt im Kleinen. Den Verzicht auf persönliche Beleidigungen und ruppige Bemerkungen gegenüber Menschen der eigenen engeren bis engsten Umgebung durchzuhalten, ist schon eine beachtliche Leistung. Liebe und Güte im eigenen Bereich zu verwirklichen, kann eine beachtliche Ausstrahlung gewinnen. Im Kleinen gilt es doch Liebe und Güte, praktische Hilfsbereitschaft umzusetzen.
Heilige wie der heilige Konrad von Parzham, die heilige Thérése von Lisieux/Theresia vom Kinde Jesu, der heilige Joseph/Josef, der heilige Thomas Morus, die heilige Elisabeth von Thüringen, die heilige Anna und der heilige Joachim wie andere als heilig anerkannte Ehepaare etwa können für solche oft nach irdischen Maßstäben unscheinbare Bewährung oder eben gar Heiligkeit im Alltag Vorbilder sein. Natürlich mag man da auch an betont biblische Persönlichkeiten wie das Ehepaar Aquila und Priscilla/Priska/Priszilla im Neuen/Zweiten Testament und an Tobit sowie an Ruth im Alten/Ersten Testament denken. Nach jeder dieser beiden zuletzt genannten Persönlichkeiten ist sogar je ein eigenes alttestamentarisches Buch benannt.
Durch solche Bewährung im Alltag wird Frieden geschaffen, wird ganz generell Gutes in dieser Welt verwirklicht. Das geschieht dann eben sehr oft ganz unspektakulär. Solches unspektakuläre bis verborgene Wirken ist dann wahre Nachfolge Christi. Vergegenwärtigen wir uns, dass die meiste irdische Lebenszeit zu den „verborgenen Jahren Jesu in Nazaret“ zählte bzw. zählt.
Ein Durchgang durch das Lukasevangelium mag dies veranschaulichen.
Da werden zunächst einmal die Geburt Johannes des Täufers und Jesu angekündigt (Lk 1,5-38). Es folgt die auch in Hinblick auf die Stellung von Frauen so bemerkenswerte Begegnung Marias und ihrer Verwandten Elisabeth (Lk 1,39-56). Dies bezüglich ist dann auch die Erzählung von der Geburt Johannes des Täufers eigens interessant (Lk 1,57-79). Gegen Ende dieses Teils des Lukasevangeliums finden wir dann einen versmäßigen Hinweis auf die gewissermaßen verborgenen, unspektakulären Jahre Johannes des Täufers. Da ist nämlich zu lesen, wenn man der neuen deutschen Einheitsübersetzung folgt:
„(Lk 1,80) Das Kind wuchs heran und wurde stark im Geist. Und es lebte in der Wüste bis zu dem Tag, an dem es seinen Auftrag für Israel erhielt.“
Es folgt nun eine ähnlich der Verkündigungsszene besonders bekannte Stelle, nämlich die lukanische Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1-21) einschließlich der Erzählung von der Darstellung des Herrn, auch genannt Darbringung im Tempel oder Jesu Opferung im Tempel (Lk 2,22-39). Es kann in der Christenheit offensichtlich auch Begegnung des Herrn genannt werden. An deren Ende finden wir ganz ähnlich wie bei der Stelle über die Geburt Johannes des Täufers einen Vers über die vor der Öffentlichkeit verborgene Zeit Jesu von Nazarets:
„(Lk 2,40) Das Kind wuchs heran und wurde stark, erfüllt mit Weisheit und Gottes Gnade ruhte auf ihm.“
Wohl besonders bemerkenswert bezüglich dieser die meiste irdische Lebenszeit Jesu umspannenden eher verborgenen Jahre sind dann die zwei Verse am Ende der Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41-51):
„(Lk 2,51) Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen. (52) Jesus aber wuchs heran und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen.“
Erst dann folgt im Verlauf des Lukasevangeliums das öffentliche Auftreten Johannes des Täufers (Lk 3,1-22) einschließlich der von ihn durchgeführten Taufe Jesu (Lk 3,21-22).
Finden wir ein Glasfenster mit der Darstellung des noch sehr jungen Jesus mit Josef/Joseph bei handwerklicher Tätigkeit an der Nordseite der Steiner Pfarrkirche, so ist die Taufe Jesu durch Johannes auf einem Gemälde des Kremser Schmidt/Martin Johann Schmidt das Thema, das jetzt im Altarraum sehr nahe dem neugotischen Hauptaltar angebracht ist. An den Fenstern der Südseite des Chorraumes ist neben anderen eine Darstellung der Heiligen Familie zu sehen.
Im Anschluss an die beiden lukanischen Verse von der Taufe Jesu ist dann ganz bemerkenswert zu lesen:
„(Lk 3,23) Jesus war, als er zum ersten Mal öffentlich auftrat, etwa dreißig Jahre alt. Er galt als Sohn Josefs …“
Es folgt eine Aufzählung von Persönlichkeiten zum Stammbaum des Josef (Lk 3,23c-38).
Erst dann wird mit einer vorgeschalteten lukanischen Version der Erzählung von der Versuchung Jesu (Lk 4,1-13) zum öffentlichen Wirken Jesu übergeleitet. Folgen wir also strikt dem Neuen/Zweiten Testament und da gerade dem Lukasevangelium mit der direkten Aussage von dreißig Lebensjahren vor Beginn der öffentlichen Tätigkeit Jesu, so wird eben klar, dass der allergrößte Teil dieser Lebenszeit sozusagen ziemlich unspektakulär verlief. geschah da so etwas wie gewöhnlicher Alltag im Leben Jesu von Nazarets. Er hat sich auch darin nach christlicher Überzeugung bewährt und auch gerade böse Worte und Taten unterlassen. So ist er gerade auch schon darin das besondere Vorbild, umso mehr, wenn man sich selber christlicher Überlieferung verbunden fühlt.
Dieser Überlieferung sollten sich doch gerade all die verbunden fühlen, die im christlichen Sinne getauft sind. Dies mag dann eben ein Anstoß sein, in den oben erwähnten Tagen der Ersten/1. Woche im (liturgischen) Jahreskreis etwa zu überlegen, was mit den guten Vorsätzen vom 31. Dezember, von Silvester her geworden ist. Hat man sie vielleicht vorschnell fallengelassen? Waren sie etwa überzogen, und sollte man nicht realistischere Vorsätze noch in diesen Januartagen fassen und umzusetzen beginnen? Oder blickt man bei der Umsetzung von Silvester- bzw. Neujahrsvorsätzen in den zurückliegenden Tagen des neuen Kalenderjahres bereits auf Erfolge zurück und kann dies als eigene Ermutigung und guten Ansporn vergegenwärtigen?
Auf jeden Fall sind wir alle immer eingeladen, uns zu besinnen, selber im guten Sinne durchzustarten und bisherige Fehlorientierungen in Gedanken, Worten und Werken anzugehen. Es heißt ja sogar, dass ein guter Mann, eine gute Frau jeden Morgen ein neues Leben anfängt.
Rückschläge sollen uns dann umso weniger entmutigen, sondern uns erst recht im richtigen Sinne anspornen.
Gedanken zur Woche 250, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN (2025)
Wenn eine Reihe bezüglich ihrer Ausgaben die Nummer 250 erreicht hat, so ist dies keine Selbstverständlichkeit. Manches Veröffentlichungsorgan, Medium oder wie auch immer brachte es offensichtlich im Laufe der Zeit nur auf eine Ausgabe. Andere erreichten nicht eine zweistellige Zahl an Folgen. Wenn sich die Erscheinungszeit dann schon auf fast fünf Jahre erstreckt, so ist dies seinerseits beachtlich. Manches Staatswesen einschließlich gewissermaßen Pseudo-Staaten und Übergangsregime ist nicht so alt geworden. Manche politische Partei und parteiähnliche Einrichtung haben sich da schon längst wieder aufgelöst oder einfach ihre Aktivitäten eingestellt. Man kann also umso mehr einmal etwas innehalten und die zurückliegende Zeit bedenken. Dies gilt erst recht, wenn man sich, wie es ja jetzt der Fall ist, am Beginn eines neuen Kalenderjahres nach dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender und damit beim Abschluss des vorhergehenden Kalenderjahres befindet.
Tatsächlich wurde diese Reihe ja begonnen als Ersatz für die infolge des damaligen sog. Shutdowns einstweilen nicht mehr für Gottesdienstbesucher anbietbaren Sonntagspredigten. Dementsprechend war „Gedanken zur Woche“ zunächst einmal eher als kurzfristige Sache gedacht (seihe Gedanken zur Woche 100 – 7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Positive Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. Dazu gehörten auch Ermutigungen, doch anstelle nur eines Beitrages pro Woche nun zwei zu erstellen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Bereits mit der Nummer 7 begann diese Erweiterung So erschien dann sowohl „Gedanken zur Woche 7 – SONNTAG DER OSTERZEIT (2020)“ als auch „Gedanken zur Woche 7-b – 3. OSTERWOCHE (2020)“. Besondere Turbulenzen brachte natürlich meine erste COVID 19-Erkrankung samt wochenlangem Krankenhausaufenthalt. Letztlich aber konnte „Gedanken zur Woche“ fortgesetzt werden, und das auch wieder mit zwei Beiträgen für jede Woche.
Im Auf und Ab mit Corona/COVID 19 und den damit verbundenen und immer wieder veränderten staatlichen und kirchlichen Regelungen wurde auch mit der Herausgabe des (neuen) Pfarrbriefes begonnen. Für Dezember 2020 erschien dessen erste Ausgabe. Im betreffenden Leitartikel zitierte ich in Hinblick auf Notwendigkeit intensiver wie seriöser Öffentlichkeitsarbeit den von mir so verehrten heiligen Papst Pius X. (https://www.stein.dsp.at/dl/qkkKJmMJKKKoNJqx4KkJK/Pfarrbrief_Dez__2020_pdf):
„Ihr werdet umsonst Kirchen bauen, Schulen errichten und alle anderen guten Werke organisieren, wenn es Euch nicht gelingt, die Waffe der guten Presse gegen die schlechte Presse zur Geltung zu bringen.“
Dass ich mit meiner betonten Wertschätzung für den heiligen Papst Pius X. nicht in einem schlechten Sinne von gestern bin, bestätigten in der Zwischenzeit kein geringerer als der gegenwärtige Papst Franziskus und das offizielle Zeitungsorgan des Vatikans, der OSSERVATORE ROMANO (siehe Gedanken zur Woche 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024); Gedanken zur Woche 218 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2024) und Gedanken zur Woche 230-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Der Pfarrbrief von Sankt/St. Nikolaus in Stein an der Donau erscheint nun seinerseits elfmal im Jahr (siehe https://www.stein.dsp.at/pfarre/30240265/pfarrbrief). Normalerweise wird eine monatliche Ausgabe geboten. Für die sommerliche Zeit von Juli-August erscheint eine Ausgabe. Dabei deckt dieser Pfarrbrief, decken diese Pfarrnachrichten Bereiche ab, die in „Gedanken zur Woche“ nicht so behandelt werden, wie Termine, Hinweise zu einzelnen Veranstaltungen und die Veröffentlichung von Fotomaterial.
Wie Leserinnen und Leser von „Gedanken zur Woche“ feststellen konnten, geht es in dieser Artikelreihe mehr um grundsätzliche Angelegenheiten. Dies wurde auch über die von der Diözese, dem Bistum St. Pölten ausgehende Umstellung der Homepage/Start- bzw. Heimseite hinweg fortgesetzt.
Natürlich ließen sich mitunter so etwas wie brisante und kontroverse aktuelle Bezüge nicht vermeiden. Dass der Kollaps kirchlicher Strukturen gerade in westlichen Ländern voranschreitet und sich im kirchlichen Bereich ereignende Skandale wiederholt bis fortwährend für Empörung sorgen, ist ja wohl kein Geheimnis. In dieser Reihe „Gedanken zur Woche“ wurde betont, dass das Fehlverhalten kirchlicher Vertreter schonungslos aufgearbeitet werden muss. Gerade im Sinne einer traditionsorientierten katholischen Theologie und Praxis und in Treue dazu ist so etwas das Gebot der Stunde und überhaupt eine grundsätzliche Verpflichtung. Ja, vom Kampf gegen jede Form von Missbrauch in der Kirche hätte man nie abweichen dürfen. Bezüglich der mitunter ziemlich direkten Worte in „Gedanken zur Woche“ gab es bezeichnenderweise auch keinen grundsätzlichen Widerspruch, höchstens so etwas wie den einen oder anderen Beschwichtigungsversuch im Sinne, der seit Jahren doch immer wieder zu vernehmenden Zusicherung, auch wenn es irgendwelche schlimmen Vorfälle gegeben habe, so gehöre dies jetzt der Vergangenheit an und man arbeite jetzt ganz toll auf. Umgekehrt gab es bezeichnenderweise auch die eher kritische Meinung, in einer Reihe wie „Gedanken zur Woche“ solle Kritik noch grundsätzlicher oder umfassender geäußert werden. Ich selber solle da auch nicht so naiv sein in Hinblick etwa kirchliche Amtsträger und ihre politischen Bundesgenossen, ihre diversen Spezeln oder Kumpels.
Dabei wurde in „Gedanken zur Woche“ Wert auf die Eigenständigkeit und die Grundrechte insbesondere der Menschen innerhalb der (sichtbaren) katholischen Kirche gelegt. Es gibt eben nichts, was sexuellen Missbrauch und dessen Unterstützung durch kirchliche Mitarbeiter bis in den Kardinalsrang rechtfertigt. Umso mehr, da die katholische Kirche wie andere christliche Konfessionen in allen möglichen Fragen hohe moralische oder ethische Maßstäbe propagieren, sind betreffende Ausreden und Rechtfertigungsversuche zurückzuweisen. Folgt man offiziellem Kirchenrecht und so etwas wie einer traditionellen und nicht zurecht gebogenen Glaubens- und Sittenlehre, so ist verbrecherisches Verhalten auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass die Täter doch auch irgendwo irgendetwas Gutes getan hätten. Eine solche „Argumentation“ hebelt letztlich jedes Strafrecht aus und führt ein ernstzunehmendes Disziplinarrecht ad absurdum. Welcher Täter im Laufe der Geschichte hat nicht irgendwann einmal sich zu irgendjemandem nett verhalten, irgendetwas zumindest vermeintlich Gutes getan? Kein Mensch hat fortwährend Böses getan, wenn man nur an den Satz denkt „Wer schläft, sündigt nicht.“ Während man seine Grundbedürfnisse wie Essen, Trinken und Notdurft befriedigt, tut man im landläufigen Sinne üblicherweise auch nichts Böses. Brutale Gewaltherrscher seit der Antike etwa haben oft beeindruckende Bauwerke bis hin zu Verkehrswegen und mitunter Bewässerungsanlagen geschaffen. Akzeptiert man die Ausrede zugunsten innerkirchlicher Missbrauchstäter und ihrer Unterstützer, diese hätten doch auch irgendetwas Gutes getan, so müsste dies konsequenterweise für sämtliche potentiellen Täter gelten und eben nicht nur für eine bestimmte Gruppe von Tätern.
Dazu steht, wie in „Gedanken zur Woche“ betont und belegt wurde, allen Gläubigen in der Kirche das Recht, ihre Wünsche, Anliegen und Beschwerden gegenüber den Hirten der Kirche, wenn man dies so nennen will, ausdrücklich zu äußern. Alle Menschen haben doch einen Anspruch auf den Schutz ihrer Würde und die Achtung ihrer Unverletzlichkeit. Gerade offizielle Kirchenvertreter sind hier gefordert. Die verheerenden pastoralen Auswirkungen von Täterfreundlichkeit sind vom empirischen Standpunkt her offenkundig. Eine Untat ist eine Untat, Verbrechen ist Verbrechen, und ein Opfer ist ein Opfer. Dies gilt auch und nicht zuletzt in Hinblick auf so etwas wie kirchliche Täter und jedwede sie unterstützende Strukturen. Diese können mehr innerkirchlich oder mehr im allgemeinen Sinne gesellschaftlich-politisch sein. Das Recht zum Widerstand kann zur moralischen Pflicht zum Widerstand werden. Auch weiterhin sind Inhalte des Kirchenrechts im Blick zu halten, wenn es um Ermächtigung gegen Missbrauch geht, um Stärkung zum guten Widerstand.
In „Gedanken zur Woche“ wurde auch solches angesprochen. Genauso ging es natürlich auch etwa um die Ermutigung zu einem positiven Engagement im so weiten Bereich von Wissenschaft, Bildung und Kultur. Auch in diesem Bereich ist dementsprechend nicht zuletzt dümmliche bis heimtückische Frauenfeindlichkeit weiterhin zu bekämpfen, wie wiederholt angesprochen wurde. Gegen alle ideologischen Versuchungen wie den Fideismus in all seinen Erscheinungsformen wurde passend dazu ein positives Verhältnis von Glauben und Vernunft, von Kirche und Wissenschaften unterstützt. Dies bezieht sich nicht zuletzt auf das Verhältnis von Theologie und Philosophie mit all den verschiedenen Wissenschaften außerhalb von so etwas wie einem engeren theologischen Bereich.
Dabei ist natürlich all solches irgendwie im Rahmen umfassenderer lokaler, regionaler und globaler Entwicklungen zu sehen. Naivität ist nirgends wünschenswert. Manchmal kollabieren etwa politische Gegebenheiten schneller als gedacht.
Für die Fortführung von „Gedanken zur Woche“ wird der Stoff nicht ausgehen!
1. Lesung: Sir 24,1-2.8-12
2. Lesung: Eph 1,3-6.15-18
Evangelium: Joh 1,1-18 (oder 1,1-5.9-14)
Gedanken zur Woche 250-b, Dr. Matthias Martin
TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2025)
Zu Beginn eines neuen Kalenderjahres mag man sich besonders angeregt fühlen, über die kommende Zeit nachzudenken. Was wird wohl die nähere, was wird wohl die weitere, die fernere Zukunft jeder und jedem Einzelnen von uns, unseren Familien, örtlichen Gemeinschaften bis hin zu der ganzen Menschheit bringen.
Ein Blick auf die durch den bei uns zurzeit üblichen liturgischen Kalender in der ersten ganzen Woche des Jahres 2025 besonders auf dem Programm stehenden kirchlichen Ereignisse und Heiligen mag für sich schon bestätigten, dass sich die Gegebenheiten weiter entwickeln. Von einem „Ende der Geschichte“ konnte und kann man nicht ernsthaft sprechen.
Die Zeiten haben sich ja wirklich seit den Tagen des heiligen Bischofs Valentin von Rätien geändert. Wann er genau geboren wurde, ist wohl unklar. Auch sein Todesjahr ist im Einzelnen nicht sicher. In der Ausgabe aus dem Jahre 2008 des Übersichtswerkes „Der große Namenstagskalender“ von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht ist über diesen heiligen Valentin nachzulesen:
„Er starb am 7. Januar um 475.“
Es war auf jeden Fall die Zeit, in welcher so etwas wie die Auflösung des Weströmischen Reiches stattfand. Das vermeintlich unüberwindliche Imperium befand sich im offenkundigen Fall. Längst hatte dieses Römische Reich gar keine Kraft mehr, irgendwelche Christenverfolgungen durchzuführen. Der Freiheit von Christinnen und Christen kamen nicht zuletzt die Spaltungen in den führenden römischen Kreisen bis hin zu wiederholten bürgerkriegsartigen Konflikten zugute. Vordringende Germanenvölker und ihre Verbündeten zeigten keine Ambitionen zur Christenverfolgung. Zur Entspannung trug wohl auch bei, dass die katholische Kirche selbst Taufen anerkannte, die von bzw. bei Arianern gespendet worden waren. Das konnte hilfreich sein, germanische Völker und ihre Staatswesen in die katholische Kirche zu integrieren. Als spektakulärer Fall ist hierbei insbesondere der Weg des Westgotenreiches zu nennen. Auch die theologische Integration von Sweben/Sueben mit ihrem Siedlungsgebiet auf der Iberischen Halbinsel und der Burgunder verdient dabei Beachtung. Gerade eine Frau, die selige oder heilige Theodelinde, Theodelinda oder Theudelinde, wurde wichtig für die Verbreitung des Katholizismus und die Festigung einer damit verbundenen religiösen Orientierung unter den Langobarden auf der Apenninenhalbinsel und in Padanien (siehe Gedanken zur Woche 25-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)). Dies verdeutlicht, welche Bedeutung in so etwas wie dem katholischen Gesamtbereich in Kirche und Politik auch damals Frauen gewinnen konnten. Dabei mag hierzu jemand gerne von Spätantike oder auch von Frühmittelalter sprechen. Bezüglich solcher Einteilungen gibt es ja keine verbindlichen Festlegungen, schon gar nicht durch das kirchliche Lehramt. Blöde und herabwürdigende Bemerkungen über Frauen sollte man aber auf jeden Fall unterlassen, und so mancher Mann täte gut daran, typische Männerphantasien zu zügeln.
In diesem Sinne wird zumindest nichts Negatives oder Destruktives über den heiligen Raimund von Peñafort berichtet. Mit seiner Lebenszeit von in etwa 1175 oder 1180 bis zum 06. Januar 1275 steht er gerade für den damaligen Aufbruch im Ordensleben. Zu Hilfe kam ihm dabei offensichtlich nicht zuletzt sein Studium der Rechtswissenschaft. Solches verdeutlicht wieder einmal den Wert guter Bildung eben auch für den kirchlichen Bereich. Verbunden ist dies mit der Notwendigkeit, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Der heilige Raimond von Peñafort handelte danach, dass die Zeit nicht stillsteht und es eben kein Ende der Geschichte gibt.
Der damalige rapide Aufstieg seines Dominikanerordens und auch die Entwicklung des Ordens der Mercedarier, des Ordo Beatae Mariae (Virginis) de Mercede redemptionis captivorum, zeugen davon. Noch im 13. Jahrhundert entstand ein weiblicher Zweig von Mercedarierinnen. Hiervon entwickelten sich verschiedene Zweige. Im Laufe der Zeit wurden diese gerne als Kongregationen im Sinne des Kirchenrechts für Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften organisiert. Es sollte nicht übersehen werden, dass auch für den männlichen Hauptzweig der Mercedarier die Zeit nicht stehen blieb. So entstanden mit eigenem Generaloberen die Unbeschuhten Mercedarier, der Ordo Patrum Excalceatorum Beatae Mariae (Virginis) de Mercede oder kürzer Mercedarii Discalceati. Auch am mercedarischen Ordenswesen in seiner Vielfalt gingen die Verfolgungen etwa in Zusammenhang mit der Französischen Revolution und der blutigen sog. Italienischen Einigung wie der Klosterstürme in Spanien nicht spurlos vorüber. Nicht zuletzt hier erwuchsen aus der Bereitschaft zum Widerspruch bemerkenswerte Früchte.
Dass Zeiten der Krise und des Umbruchs auch neue Möglichkeiten für die Kirche eröffnen können, verdeutlicht gerade der heilige Severin. So leitete auch dank seines Wirkens die Ära der Völkerwanderung mit dem Fall des Weströmischen Reiches eine neue Epoche nicht zuletzt für die Kirche ein (siehe Gedanken zur Woche 198-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und Gedanken zur Woche 233-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Das bestätigten eindrucksvoll jene christliche Persönlichkeiten, die beizeiten festgestellt hatten, das das Christentum zumindest sehr gut ohne Römisches Reich zurecht kommen könne und sich die Pflege eines möglichst konstruktiven Verhältnisses mit germanischen Völkern, ihren Verbündeten und führenden Vertretern nahelege.
Regelrecht drastisch hatten sich längst die Goten in den Auseinandersetzungen mit dem Römischen Reich als wertvolle Helfer für bedrängte Christen erwiesen (siehe Gedanken zur Woche 44-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 66-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2021)).
Die Offenheit zu den Völkern der Erde mit ihren Kulturen jenseits von Grenzen wie denen des Römischen Reiches verdeutlicht schon das Hochfest/Fest I. Klasse von der ERSCHEINUNG DES HERRN. In unseren Breiten ist dieses Hochfest /Fest I. Klasse im Besonderen mit der beliebten Sternsingeraktion verbunden. Es waren eben diese Gelehrten, diese Sterndeuter, welche aus dem Osten der Überlieferung zufolge den Weg zur Krippe in Bethlehem fanden. In Brauchtum und bildender Kunst bis Hochkultur hat dies einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dies wirkt sich bis in das filmische Schaffen hinein aus. Dabei wird immer wieder herausgestellt, dass diese Gelehrten oder Sterndeuter stellvertretend für Völker des Erdkreises und nicht nur für eine Ethnie stehen. Dabei werden sie im biblischen Text keineswegs als „Könige“ bezeichnet (siehe Gedanken zur Woche 43-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2021)). Das mag gerade Anhängern und direkten Nutznießern monarchistischer Staatskirchenstrukturen heftig missfallen. Es ist aber so! Daran ändert auch die Schaffung angeblicher Bibelübersetzungen wie der berüchtigten King-James-Bibel/King James Bible als mitunter besonders geschickt eingesetzter Propagandamittel nichts.
Beschleunigt durch Missbrauchs- und damit verbundene Vertuschungsskandale schreitet gerade der Zerfall der anglikanischen Staatskirche von England rapide voran. Die bei allen Unterschieden untereinander nominell lutherischen Staatskirchen in Skandinavien samt Grönland einschließlich denen von Island und den Färöer-Inseln erleben ihrerseits fortwährende Schrumpfungsvorgänge. Als am stabilsten wird noch die Staatskirche auf den Färöer-Inseln angesehen. Dabei blickt diese 2007 offiziell im Rahmen des Verselbständigungsprozesses von Dänemark anerkannte ganz besondere Staatskirche auf eine eigene Geschichte und gewissermaßen Vorgeschichte eines guten Verhältnisses zur katholischen Kirche zurück.
Dazu passt auch das gute Verhältnis der katholischen Kirche zur nationalen korsischen Bewegung. ser erwies erst kürzlich Papst Franziskus mit seinem Besuch Korsikas Referenz. Die Propagandaveranstaltung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Zusammenhang mit der Wiedereröffnung von Notre Dame in Paris hat Franziskus demgegenüber vielsagend geschnitten.