Gedanken zur Woche 92, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von WEIHNACHTEN (2021)
Weihnachten ist ein ganz besonderer Höhepunkt im Kirchenjahr. Ist auch Ostern das höchste Fest im Kirchenjahr, so erfreut sich doch Weihnachten einer in der durchschnittlichen Bevölkerung wohl noch höheren Beliebtheit. Dies wird schon dadurch angedeutet, dass Weihnachten gerne das „Fest der Liebe“ genannt wird.
Die Liebe ist nun tatsächlich die erste, die höchste der drei christlichen Grundtugenden, auch genannt die theologischen oder die göttlichen. Und wir sollen Gott wie unsere Nächsten lieben, was eigens das doppelte Liebesgebot genannt wird.
Wenn schon Weihnachten das „Fest der Liebe“ heißt, dann sollte dies den Menschen, insbesondere jenen, die sich Christen/Christinnen nennen, gerade in dieser besonderen Zeit des Jahres bewusst werden. Natürlich sind wir aufgerufen, an jedem Tag im Jahr Gott und die Nächsten zu lieben, und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Die Liebe verwirklicht sich im Unterlassen böser Handlungen und im Tun guter Handlungen. Finden wir dazu Bemerkenswertes natürlich in den Büchern des Alten/Ersten Testamentes wie des Neuen/Zweiten Testamentes, so wird dies auch in dem Lied „Liebe ist nicht nur ein Wort“ (https://www.youtube.com/watch?v=dH1W3m7mkI8 und https://www.evangeliums.net/lieder/lied_liebe_ist_nicht_nur_ein_wort.html) angesprochen.
Dort heißt es (https://musikguru.de/kirchenlieder/songtext-liebe-ist-nicht-nur-ein-wort-463342.html):
„Liebe ist nicht nur ein Wort,
Liebe das sind Worte und Taten.
Als Zeichen der Liebe ist Jesus geboren
Als Zeichen der Liebe für die Welt.“
Das mag die Erinnerung daran unterstützen, dass wir in der Bibel immer wieder lesen können, dass der gläubige Mensch gute Werke tun und sich böser Handlungen aller Art enthalten soll. Besonders prägnant ist das im Jakobusbrief zusammengefasst, „dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist“ (Jak 2,20). Dazu kommt die heftige Mahnung „(2,26) Denn wie der Körper ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.“
Wie schon der Begriff Nächstenliebe andeutet, so verwirklicht sich die Liebe im christlichen Sinne erst einmal gegenüber den Menschen in der eigenen engeren Umgebung. Natürlich ist es gut und richtig, sich ganz generell Menschen auf dem weiten Erdenrund anzunehmen, zuerst aber gilt es immer wieder den Blick auf die tatsächlichen Nächsten zu richten. So ist ja ein Hilfswerk wie die hiesige Caritas in vielfältiger Weise sowohl für notleidende in anderen Ländern wie eigens im jetzigen Bundesland Niederösterreich tätig. Für die Menschen in so etwas wie engster Umgebung engagiert sich die Pfarrcaritas. In den zurückliegenden Monaten wurde deren normale Tätigkeit ergänzt durch die eigene Kühlschrankaktion in der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau. Man darf sich auch daran erinnern, dass ab dem ersten Lockdown nicht zuletzt Studierende und Beschäftigte von den im Pfarrgebiet angesiedelten Universitäten hier beheimateten Menschen wie auch der Pfarrgemeinde als solcher Hilfe anboten. Unterstützung gab es auch aus dem vielfältigen Bereich der Studentenverbindungen (http://pfarre.kirche.at/steinanderdonau/sites/pfarre.kirche.at.steinanderdonau/files/Pfarrbrief%20April%202021.pdf). Schon früher stand immer wieder so manches Mitglied einer Studentenverbindung der Pfarrgemeinde hilfreich zur Verfügung, auch wenn die Verbindungsmitgliedschaft beim betreffenden Anlass oft nicht für Außenstehende erkennbar war. Vor Ort haben eben Menschen die Idee aktiver Hilfe von verschiedenen Seiten her mit Leben erfüllt.
Natürlich ist ganz generell die Familie immer wieder der erste Ort, wo sich gutes Miteinander verwirklicht. Die Mitglieder der Familie stehen sich naturbedingt besonders nahe und eine intakte Familie kann gesellschaftliche Krisen und politische Bedrängnis überstehen und ihren einzelnen Mitgliedern zu überleben helfen. So sind das Geschehen von Bethlehem und das Bild von der Heiligen Familie untrennbar miteinander verbunden. Genauso möge heutzutage Weihnachten als Gelegenheit aufgegriffen werden, den Familiensinn wieder durch gelebtes Miteinander zu verwirklichen. Mögen sich gerade in der Weihnachtszeit Familienmitglieder ihrer grundlegenden Beziehung zueinander bewusst werden und von dort her Gutes verwirklichen. Bezeichnenderweise wurde schon die Heilige Familie damals zu Bethlehem Anstoß und Mittelpunkt für die Begegnung von Menschen, die bis dahin keine direkte Beziehung zueinander hatten. Denken wir an die Hirten aus der Umgebung oder die Sterndeuter, die Weisen, auch genannt die Magier, aus dem Osten (siehe Gedanken zur Woche 43-b). Das war umso bemerkenswerter, lag über allen doch schon drohend der Schatten des Römischen Imperiums (siehe Gedanken zur Woche 66-b und 90).
Es waren dann gerade einfache Bevölkerungsschichten, von denen aus sich die so vielfältige Weihnachtskultur entwickelte. Denken wir an Entstehung und Siegeszug von Weihnachtsliedern wie „Stille Nacht“ und „Oh Tannenbaum“ (siehe Gedanken zur Woche 41-b). Was von Weihnachten als Ausgangspunkt, als die Quelle der Inspiration in den jeweils unterschiedlichen Formen bildendender Kunst, Musik und Literatur geschafften wurde, ist Bibliotheken füllend und von bleibendem Interesse für Menschen aus verschiedensten Gesellschaftsschichten. Die kirchliche Hierarchie hatte und hat da immer wieder einen eher geringen Anteil. Anregungen, Ausbreitung, Inspiration kam und kommt immer wieder aus der Mitte der Bevölkerung. Man blicke dazu auch auf die Geschichte des Valentinstages (siehe Gedanken zur Woche 49-b).
Genauso hatte sich über Jahrhunderte hinweg das Rechtswesen nicht im Sinne politischer Hierarchien von oben herab, sondern aus dem Alltagsleben und allgemeiner menschlicher Überlieferung heraus entwickelt. So betonte noch die Historische Rechtsschule um Friedrich Carl von Savigny (1779-1861), wie sehr Recht sich vom Gewohnheitsrecht her entwickelt habe. Dieses beruhe gerade auf Sitte und Volksglaube und nicht auf von abstrakten ideologischen Ideen her motivierten poltischen Entscheidungen. Der große deutsche Philosoph des 19. Jahrhunderts Georg Hegel betonte die unverzichtbare Bedeutung des Vorhandenen, von gegebenem Inhalt für das Rechtswesen. Noch heute gibt es im Hinblick auf die Entwicklung des Rechts, von Rechtswesen die Sätze „Recht wurde zuerst gefunden, dann gesetzt“ und „Das Leben gestaltet zuerst das Recht“. Mit der so vielfältigen Weihnachtskultur verhält es sich analog. Umso zurückhaltender sollten bei gegebenen Anlässen Vertreterinnen und Vertreter christlicher Konfessionen sein. Sie als Amtsträger haben Weihnachten nicht erfunden, und die vielfältige Weihnachtskultur ist ihnen erst einmal nicht zu verdanken.
Am Heiligen Abend:
1. Lesung: Jes 62,1-5
2. Lesung: Apg 13,16-17.22-25
Evangelium: Mt 1,1-25 (oder 1,18-25)
1. Weihnachtsfeiertag in der Nacht:
1. Lesung: Jes 9,1-6
2. Lesung: Tit 2,11-14
Evangelium: Lk 2,1-14
1. Weihnachtsfeiertag am Morgen:
1. Lesung: Jes 62,11-12
2. Lesung: Tit 3,4-7
Evangelium: Lk 2,15-20
1. Weihnachtsfeiertag am Tag:
1. Lesung: Jes 52,7-10
2. Lesung: Hebr 1,1-6
Evangelium: Joh 1,1-18 (oder 1,1-5.9-14)
Gedanken zur Woche 92-b, Dr. Matthias Martin
WEIHNACHTSOKTAV (2021)
Das Hochfest von Weihnachten lässt Freude aufkommen, spricht gute Gefühle an und ruft bei mancher und manchem eine Hochstimmung hervor. Schließlich gilt Weihnachten als Fest der Liebe wie des Friedens. Die Krippe von Bethlehem mit der Heiligen Familie und Hirten, oft auch mit den Sterndeutern/Weisen ist ein Symbol für das Miteinander von Menschen in Frieden und Harmonie. Manchmal wird die Krippe von Bethlehem auch gesehen als Versinnbildlichung der Harmonie zwischen Menschen und Tieren. Dabei stehen die in der altchristlichen Symbolwelt an der Krippe abgebildeten Ochs und Esel nicht einfach für ein nettes Zusammensein, sondern für das Zusammenkommen von Juden (Ochs) und Heiden (Esel). Die Abbildung von Ochs und Esel ist nicht ein nettes Beiwerk, sondern besitzt enorme theologische Aussagekraft. Sie drückt aus, was z. B. mit dem berühmten Missionsbefehl am Ende des Matthäusevangeliums, im Galaterbrief und in der Geheimen Offenbarung ausgesagt wurde: Menschen aus allen Völkern sollen in Jesus zur Einheit finden.
Das hat mit einer so brutalen Sklavenhaltergesellschaft wie dem Römischen Reich mit seiner Vernichtungspolitik gegenüber missliebigen Volksgruppen für blutigen Ärger gesorgt.
Dass der Weg des Christentums seit seinen ganz frühen Tagen erfüllt war von Verfolgung, machen die Gedenktage im liturgischen Kalender zwischen Weihnachten und Silvester deutlich. So gedenkt die Kirche sowohl nach dem derzeit üblichen liturgischen Kalender wie nach der Einteilung des Jahreskreises für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus am 27. Dezember des gemäß der Überlieferung sowohl als Apostel wie Evangelisten verehrten heiligen Johannes, am 28. Dezember der sogenannten Unschuldigen Kinder und am 29. Dezember des heiligen Thomas Becket.
In chronologischer Reihenfolge sind die Unschuldigen Kinder und dieser heilige Johannes der neutestamentlichen Zeit und der heilige Thomas Becket dem 12. Jahrhundert zuzuordnen.
Besonders bekannt sind die Unschuldigen Kinder, im Sinne der Überlieferung des Matthäusevangeliums die Opfer des durch König Herodes angeordneten Kindermordes von Bethlehem. Dieser aus dem Volk der Idumäer stammende Herodes schreckte tatsächlich in seinem tyrannischen Verhalten nicht vor der Tötung engster Familienangehöriger zurück. Fromme Juden stuften diesen Handlanger Roms beizeiten als großes Unglück für das jüdische Volk ein. Genau dieser Herodes hatte sich den jeweils führenden Kräften in Rom angedient und auch bedenkenlos das Lager während innerrömischer Auseinandersetzungen gewechselt. Er war wiederholt seine Willfährigkeit, für die jeweils starke Fraktion in Rom und schließlich nach dessen Sieg gegen Mark Anton und Cleopatra auch für Octavian, später genannt Augustus, die örtliche Drecksarbeit zu erledigen. Wie auch sonst römische Spitzenvertreter bediente sich der außerordentlich brutale Octavian/Augustus gerne örtlicher Handlanger, williger Kollaborateure. Ein berüchtigtes Beispiel für dieses Element in der römischen Politik ist der spätere Statthalter Judäas, Pontius Pilatus. Dieser war generell für seine Grausamkeit, selbst nach damaligen Maßstäben, bekannt (siehe Gedanken zur Woche 90). Genau dieser Pontius Pilatus stammte aus einer bedeutenden Familie des Volkes der Samniten. Dieses mit seiner bemerkenswerten Sprache und Kultur auf der Apenninenhalbinsel hatte einst energischen Widerstand gegen die römische Expansionspolitik geleistet. Drei Samnitenkriege legen Zeugnis davon ab. Später schlossen sich die Samniten den gegen Rom kämpfenden König Pyrrhus/Pyrrhos von Epiros und dann zahlreiche von ihnen dem karthagischen Feldherrn Hannibal an, um ihre schon weitgehend verlorene Freiheit wiederzugewinnen. Beim Sieg des römischen Diktators Sulla wurden weite Teile der Samniten Opfer eines Völkermordes, nachdem sie sich wie ihre Leidensgenossen aus dem Volk der Lukaner auf die Seite der Verlierer in diesem römischen Bürgerkrieg gestellt hatten. Die Familie des Pontius Pilatus hatte sich da lieber mit den römischen Siegern arrangiert und als Kollaborateure sich einen Adelsstatus gesichert. Pontius Pilatus, dessen Namen noch auf seine samnitische Herkunft hinweist, war sowieso für seine gewissenlose Rücksichtlosigkeit bekannt.
Die Schwierigkeiten, ja blutigen Konflikte, die eigens das entstehende Christentum mit dem Römischen Reich durchzustehen hatten, verdeutlicht auch die mit dem heiligen Johannes verbundene Überlieferung. So starb er demnach im hohen Alter, nachdem er vorher erst einmal auf die heute zum Staat Griechenland gehörende Insel Patmos verbannt worden war. Er wurde in das Martyrologium Hieronymianum aufgenommen. Die durch die altkirchliche Überlieferung mit ihm in Verbindung gesehenen Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes zeichnen sich durch eine betont kritische Haltung gegenüber den gesellschaftlich-politisch führenden Kräften ihrer Zeit aus. Das war ja offenkundig die Zeit römischer Herrschaft! Als Grundlinie gilt in diesen Schriften des Neuen Testamentes kritische Distanz bis hin zur Martyriumsbereitschaft anstelle Bereitschaft zur Kollaboration.
Diesen Weg ist später der heilige Thomas Becket gegangen. Nachdem er zunächst selber ein Handlanger des englischen Königs gewesen war, fand er nach seiner Wahl zum Erzbischof von Canterbury den Mut, sich Heinrich II. von England offen zu widersetzen und namentlich ausdrücklich gegen dessen Helfershelfer in der katholischen Geistlichkeit vorzugehen. Dies ging so weit, dass er betreffende innerkirchliche Handlanger des englischen Königs exkommunizierte. Dafür wurde er von Anhängern der englischen Monarchie in der eigenen Bischofskirche ermordet. Es kam zu einer offiziellen Einigung mit offizieller Kirchenbuße des englischen Königs. Die Spannungen zwischen Kirche und Staatsmacht dauerten aber an. Die strukturelle Konfliktlage existierte fort. Ein Höhepunkt war die Gründung der anglikanischen Staatskirche unter dem besonders gewalttätigen König Heinrich VIII., der neben ungezählten Katholikinnen und Katholiken selbst zwei seiner Ehefrauen umbringen ließ (siehe Gedanken zur Woche 65-b). Noch heute wird Katholikinnen und Katholiken in Großbritannien ganz offiziell die Gleichberechtigung verweigert. Man sollte nicht verdrängen, dass der letzte Überfall westlicher Mächte auf den Irak einerseits ausdrücklich durch die katholische Kirche wie andere Glaubensgemeinschaften verurteilt wurde, andererseits gerade mit Behauptungen begründet wurde, die auf britischen Fälschungen beruhten. Die kirchliche Verurteilung hinderte übrigens auch das angeblich so katholisch gesinnte polnische Regime nicht, sich an dem Überfall auf dem Irak zu beteiligen und bei der Aufteilung des unterlegenen Landes sich sogar eine der drei Hauptbesatzungszonen zu sichern.
Gedanken zur Woche 91, Dr. Matthias Martin
4. ADVENTSONNTAG (2021)
Wenn der vierte Adventsonntag anbricht, dann ist sehr vielen Menschen klar, dass WEIHNACHTEN, das Hochfest der Geburt Jesu, unmittelbar vor der Tür steht. Es ist ja auch sogar je nach Jahr dem gregorianischen Kalender zufolge möglich, dass der Vierte Adventsonntag und der Heilige Abend, auch Heiligabend oder Weihnachtsabend genannt, auf demselben Tag zusammenfallen. Der Kinderreim ist wohlbekannt:
"Advent, Advent
ein Lichtlein brennt.
Erst eins, dann zwei,
dann drei, dann vier,
dann steht das Christkind vor der Tür.“
Es mag mancher und manchem bei der Zahl Vier auch in den Sinn kommen, dass man, um regulär das vor allem in Bayern so beliebte Kartenspiel Schafkopf spielen zu können, vier Spieler/-innen braucht. Sonst kann man höchstens etwa Dreikopf oder Aufgelegten Schafkopf, auch genannt Bauern- oder Räuberschafkopf, spielen. Vier ist also hier wie dort eine ganz zentrale Zahl. Katholikinnen und Katholiken mögen sich dazu auch an den Umstand erinnern, dass es in der Bibel vier Evangelien gibt, was sich in der Ausgestaltung der neugotischen Predigtkanzel in der Pfarrkirche zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau offenkundig zeigt.
So unmittelbar vor dem wahrscheinlich beliebtesten, wenn auch nicht höchsten Fest der Christenheit angesiedelt, weist der Vierte Adventssonntag ganz zentrale Texte in den nach der bei uns üblichen Leseordnung drei biblischen Lesungen auf.
So ist das Sonntagsevangelium nach Lukas ein Teil der so überaus wichtigen Begegnung Marias mit ihrer Verwandten Elisabet(h). Unmittelbar im Anschluss daran finden sich dann jene Bibelverse, welche gerne das Magnificat genannt werden und die zu besonderer Bedeutung im Leben der Christenheit gelangten (siehe Gedanken zur Woche 86-b).
Die Begegnung dieser beiden so wichtigen Frauen wurde zu einem beliebten Thema in der bildenden Kunst, insbesondere in der Malerei, und fand seinen Ausdruck in ganz unterschiedlichen Kunststilen (siehe etwa https://www.google.com/search?q=Maria%2BHeimsuchung&client=firefox-b-d&sxsrf=AOaemvK24wJKC2SzXGMgDEdUHGX4DV53Ig:1637769684088&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwjBl_nBr7H0AhXR3KQKHUDODXQQ_AUoAnoECAEQBA&biw=1876&bih=1002&dpr=0.9). Es gibt auch in der Malerei das Motiv des Zusammenseins beider so wichtigen Frauen mit ihren dann bereits geborenen Kindern (siehe zum Beispiel https://www.pinakothek.de/kunst/friedrich-overbeck/maria-und-elisabeth-mit-jesus-und-johannes und https://objektkatalog.gnm.de/wisski/navigate/4534/view).
Der Darstellung in der bildenden Kunst kam und kommt ja ganz starke Bedeutung zu. Ein Gemälde oder eine Statue, eine Zusammenstellung, wie wir sie bei Weihnachtskrippen und auch zu anderen Gelegenheiten kennen, kann von Menschen unterschiedlicher (Mutter-)Sprache verstanden werden. Sonst ist es ja etwas schwierig bis unmöglich, z. B. hintereinander in mehreren Sprachen in einem Gottesdienst oder bei einer Ansprache etwas den Menschen zu Gehör zu bringen. Dies wird längst auch schon in der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau deutlich. Umso verständlicher, dass die Bedeutung von Bildern im kirchlich-religiösen Leben in der Christenheit beizeiten wahrgenommen und geschätzt wurde. Dies lässt sich schon in frühchristlichen Katakomben in Rom sehen, mit der Darstellung Jesu als dem guten Hirten als einem bis heute fortwirkenden Motiv (https://www.wikiwand.com/de/Katakomben_in_Rom). Besondere Bedeutung erlangten dann gerade auch die Mosaike des weströmischen und dann ostgotischen Herrscher- und danach byzantinischen Statthaltersitz Ravenna (siehe etwa https://www.christianiconography.info/Edited%20in%202013/Italy/transfigurationClase.html; https://orthodoxartsjournal.org/the-mosaic-apse-of-santapollinaire-in-classe-ravenna/ und https://www.123rf.com/photo_94871666_byzantine-mosaics-in-the-church-of-san-vitale-ravenna-emilia-romagna-italy.html). Sowohl arianische wie katholisch-orthodoxe Menschen wirkten dort in diesem künstlerisch so bemerkenswertem Sinne.
Später hat sich dann ein eigenes Konzil schwerpunktmäßig mit den Bildern beschäftigt und deren Bedeutung bestätigt. Es war dies das im Jahre 787 tagende II. Konzil von Nicäa, auch genannt das „Bilderkonzil“ (siehe Gedanken zur Woche 9-b). Unter anderem hielt dieses Konzil fest:
„. . . Gleichsam den königlichen Pfad schreitend und folgend der gottkündenden Lehre unserer heiligen Väter und der Überlieferung der katholischen Kirche – denn wir wissen, daß diese vom Heiligen Geist, der in ihr wohnt, stammt – beschließen wir mit aller Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit, in den heiligen Kirchen Gottes, auf den heiligen Geräten und Gewändern, Wänden und Tafeln, Häusern und Wegen, ebenso wie die Darstellung des kostbaren und lebendigmachenden Kreuzes, die ehrwürdigen und heiligen Bilder – seien sie aus Farben, Stein oder sonst einem geeigneten Material – anzubringen; ˂dies gilt˃ für das Bild unseres Herrn und Gottes und Erlösers Jesus Christus, unserer unbefleckten Herrin, der heiligen Gottesgebärerin, der ehrwürdigen Engel und aller heiligen und frommen Menschen.
Je häufiger sie nämlich durch eine bildliche Darstellung angeschaut werden, desto häufiger werden auch diejenigen, die diese betrachten, emporgerichtet zur Erinnerung an die Urbilder und zur Sehnsucht nach ihnen, und dazu, daß sie diesen einen Gruß und achtungsvolle Verehrung zuwenden, nicht jedoch die nach unserem Glauben wahre Anbetung, die allein der göttlichen Natur zukommt, sondern so, wie man der Darstellung des kostbaren und lebendigmachenden Kreuzes, den heiligen Evangelien und den übrigen heiligen geweihten Gegenständen Weihrauch und Lichter zu ihrer Verehrung darbringt, wie es auch bei den Alten fromme Gewohnheit gewesen ist.“
Gerade die letzten Tage der Adventzeit mögen eine gute Gelegenheit sein, sich in diesem spirituell tiefgehenden Sinne mit bildlichen Darstellungen zu Themen der christlichen Religion zu beschäftigen, sich auf diese einzulassen und daraus gute und durchaus verschiedenartige Anregungen für das eigene Leben zu gewinnen.
1. Lesung: Mi 5,1-4a
2. Lesung: Hebr 10,5-10
Evangelium: Lk 1,39-45
Gedanken zur Woche 91-b, Dr. Matthias Martin
4. ADVENTWOCHE (2021)
Wenn wir in den letzten Adventtagen uns auf das Weihnachtsfest einstimmen, uns innerlich darauf vorbereiten, dann haben wir verschiedene Mittel, auf die wir zurückgreifen können. Zum einen ist hier natürlich das Lesen der Bibel, gerade von deren Teilen, welche einen sehr direkten Bezug zum Weihnachtsfest haben. Dann gibt es natürlich eine Fülle von Büchern, Broschüren, Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, auch auf digitaler Basis, welche gelesen werden können. Auch besinnliche bis fachspezifische Ansprachen und Vorträge, die aufgezeichnet sind und angehört beziehungsweise angesehen werden können, gehen in diese Richtung. Das Betrachten von Bildern und von anderen Arten der Darstellung wie etwa Statuen kann gerade in dieser Zeit des Jahres von geistig-geistlichem Nutzen sein.
Immer wieder stoßen wir dabei wohl dann auf Texte und Darstellungen aus dem Gesamtbereich der bildenden Kunst, in welchen die Mutter Jesu, Maria, oder auch ihre Verwandte Elisabet(h) in der einen oder anderen Weise dargestellt werden. Passend zu dieser sehr zentralen Stellung von Frauen in Zusammenhang mit der biblischen Begründung des Weihnachtsfestes besitzen Frauen eine ganz zentrale Bedeutung in der Geschichte beim Einsatz dafür, dass bildliche Darstellungen überhaupt ihren guten Platz im Christentum haben. Das Bilderkonzil genannte II. Konzil von Nicäa des Jahres 787 (siehe Gedanken zur Woche 9-b und 91) etwa hatte überhaupt erst eine Frau ermöglicht und zu gewisser Geltung geführt. Mitunter heißt es ausdrücklich, dass Kaiserin Irene dieses Konzil einberief. Diese oströmisch-byzantinische Herrscherin Irene wird zwar nicht immer als Heilige anerkannt, wird aber mitunter manchmal mit dem Heiligenschein abgebildet (siehe https://quatr.us/medieval/leo-empress-irene-byzantine-history.htm und https://mag.politismosmuseum.org/empress-irene-of-athens/). Als Heilige wird sie zumindest des öfteren nicht anerkannt oder bezeichnet, da wird ihr vorgeworfen, um politischer Ziele willen zu rabiat gewesen zu sein.
Eine andere oströmische Kaiserin, die nicht zu trennen ist von Einberufung und Durchführung eines allgemeinen Konzils, erlangte die Ehre allgemeiner Anerkennung als Heilige. Es ist dies die heilige Kaiserin Pulcheria. Schon vorher hatte sie bei theologischen Diskussionen enormen Einfluss ausgeübt. Das Konzil von Chalcedon des Jahres 451 ging dann erheblich auf ihre Initiative zurück. Die heilige Pulcheria war die theologische Mitstreiterin Papst Leos des Großen gewesen. Auch wurde sie Erbauerin wichtiger Kirchen.
Um das Hauptthema des Konzils von Chalcedon, die Lehre von den beiden in Jesus Christus vereinten Naturen, gab es später noch so manches Hin und Her, einschließlich auch blutig ausgetragenen Konflikten. Ähnlich war es mit dem Hauptthema des Bilderkonzils von 787. Es war wiederum eine oströmisch-byzantinische Kaiserin, Theodora II., welche nach vorhergehenden Rückschlägen die bilderfreundlichen Beschlüsse dieses II. Konzils von Nicäa ab den Jahren 842/843 zum Sieg insbesondere erst einmal im Oströmischen/Byzantinischen Reich führte. Auch Kaiserin Theodora II. wird ausdrücklich als Heilige verehrt. Auch ohne offizielle Heiligsprechung oder weiter verbreitete Verehrung als einer Heiligen kommt der aus dem Oströmischen/Byzantinischen Reich stammenden Ehefrau Ottos II. und nachmaligen Reichsregentin Theophanu/o kulturell wie politisch-militärisch eine beeindruckende Bedeutung zu (siehe Gedanken zur Woche 68-b).
Wenn jemand in den Tagen vor Weihnachten gerne Bilder oder figürliche Darstellungen betrachtet, so möge er/sie sich auch die besondere Bedeutung bewusst machen, welche bei der Verteidigung und Verbreitung der sogenannten Bilderverehrung energischen Frauen zukam und damit im geschichtlichen Prozess zukommt.
Das sollte dann auch ein zusätzlicher Anstoß sein, Gewalt gegen Frauen konsequent zu verurteilen. Die meisten Opfer von Menschenhandel sind weltweit Mädchen und Frauen. Immer wieder ist von sogenannten Ehrenmorden an Frauen und Mädchen zu vernehmen. Offensichtlich wird hier wie im Bereich von Mitgiftmorden sehr gerne vieles vertuscht oder mit dem Herausreden auf „Männerehre“, „kulturellen Hintergrund“ und dergleichen verharmlost. Offensichtlich haben gewisse dieser sogenannten Ehrenmorde in den letzten Jahren z. B. in Mitteleuropa einen üblen Vorbildeffekt gehabt. Es wird nicht bestritten, dass häusliche Gewalt in Zusammenhang mit den Lockdowns der jüngsten Zeit eine Zunahme erfahren hat. Gerade die Kirche, sich „christlich“ nennende Gemeinschaften, sollten da energisch gegensteuern.
Kirchlich geht es aber erst einmal um Aufräumen im eigenen Hause. Gegen jede Art von sexuellem Missbrauch muss endlich konsequent vorgegangen werden. Sexuelle Übergriffe durch einen Priester, männliche wie weibliche Ordensangehörige, Kirchenmitarbeiter aller Art sind endlich energisch zu bekämpfen. Es muss endlich aufhören, dass solche Untaten mit Aussagen verharmlost und Tätern damit Sympathie entgegengebracht wird, der Täter habe ja auch Gutes getan, auch jemand in der Kirche dürfe doch ein bisschen Lebensfreude haben, und überhaupt habe die Kirche doch anderes zu tun, als sich mit so etwas auseinanderzusetzen. Leserinnen und Lesern mag bei solchen Formulierungen so mancher „Hochwürden“ bis in den Kardinalsrang wie auch Kirchenmitarbeiter ohne Weiheamt in den Sinn kommen, wie auch der Umstand, dass die innerkirchliche Entwicklung im Missbrauchsbereich seit den sechziger Jahren insgesamt verheerend war.
Gilt es auf gesellschaftlicher bis internationaler Ebene gegen sexuelle Gewalt und Menschenhandel konsequent als Kirche Stellung zu beziehen, so muss in kirchlichen Strukturen erst einmal intern nach Möglichkeit „aufgeräumt“ werden. Längst ist erkennbar geworden, dass zum Beispiel Priestern, die man als Missbrauchstäter in andere Gemeinden versetzte, ihr „bemerkenswerter“ Ruf oft schon vorauseilte, auch wenn die Dinge lange Zeit noch nicht in den Medien aufgearbeitet wurden und bisherige Veröffentlichungen wohl erst einmal nur die Spitze eines üblen Eisberges sind. Dieses täterfreundliche Verhalten in der Kirche hat damit wohl der Zerstörung der einstmals in der Bevölkerung so gut verankerten Volkskirche erheblich Vorschub geleistet. Selbst noch praktizierende Katholikinnen und Katholiken widersetzen sich spontan Angriffen seitens von Theologen, Bischöfen und Laienfunktionären auf Menschen außerhalb des offiziellen kirchlichen Apparates von der Empfindung aus, da sollte lieber erst einmal vor der eigene Türe kirchlicher Strukturen glaubwürdig gekehrt, im eigenen kirchlichen Hause aufgeräumt werden. Dies ist ein nicht wegzuschiebendes Anliegen, nicht nur in Advent- und Weihnachtszeit.
Gedanken zur Woche 90, Dr. Matthias Martin
3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2021)
Der dritte Adventssonntag sticht im in mehr als einer Hinsicht heraus. Zunächst liegt er schon nahe am Hochfest von WEIHNACHTEN. An ihm dürfen sich die Christinnen und Christen freuen, in der Buß- und Besinnungszeit des Advents so weit in Richtung eben des freudigen Weihnachtsfestes vorangekommen zu sein. Damit ergeben sich zwei ganz bemerkenswerte Besonderheiten. Zum einen kann an ihm wie sonst nur am vierten Sonntag der Fastenzeit das Rosa als liturgische Farbe zum Einsatz kommen. Zum anderen tragen sowohl der dritte Sonntag der Adventzeit wie der vierte Sonntag der Fastenzeit einen eigenen lateinischen Namen. Wird ersterer GAUDETE genannt, was so viel heißt wie „Freuet euch“, so wird letzterer LAETARE genannt, was einen vergleichbaren Wortsinn ausdrückt (siehe Gedanken zur Woche 53 und 88). Man kann es vom Künstlerischen, von der Ausdruckskraft her für bemerkenswert erachten, dass sich in das ernste Violett der Fasten- wie Adventszeit schon etwas vom liturgischen Weiß des freudigen Oster- beziehungsweise Weihnachtsfestes mischt und zur betreffenden Aufhellung führt.
Dann ist natürlich bemerkenswert, dass die Namen dieser beiden besonderen Sonntage im liturgischen Jahreskreis Worte aus dem Lateinischen sind. Entgegen allerlei Gerüchten ist die Bibel beziehungsweise sind die biblischen Einzelschriften im Original nicht lateinisch verfasst. So hatte ich während meines Theologiestudiums sowohl Althebräisch wie Koine(-Griechisch), auch Neutestamentliches Griechisch genannt, zu lernen. Einen ersten direkten Hinweis finden wir schon an zentraler Stelle im Neuen/Zweiten Testament, im Johannesevangelium bei der Darstellung der Kreuzigung Jesus von Nazaret. Dort heißt es:
,,(19,19) Pilatus ließ auch eine Tafel anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete: Jesus von Nazaret, der König der Juden. (20) Diese Tafel lasen viele Juden, weil der Platz, wo Jesus gekreuzigt wurde, nahe der Stadt lag. Die Inschrift war hebräisch, lateinisch und griechisch abgefasst.“
In einem üblen Sinne war beim Prozess gegen Jesus von Nazaret und seiner anschließenden Hinrichtung eh Latein zugegen, handfest real und sehr machtpolitisch: Die Soldaten, welche Jesus von Nazaret folterten, zur Kreuzigung führten und kreuzigten, waren römische Soldaten. Derjenige, welcher Jesus von Nazaret zum Tode verurteilte und hinrichten ließ, war niemand anderer als der römische Statthalter Pontius Pilatus. Dieser ließ auch zahlreiche andere jüdische Menschen grausam hinrichten, namentlich unter dem Verdacht revolutionärer Umtriebe. Sein Amt und möglicherweise Leben dürfte ihn ein von ihm an Samaritern angeordnetes Massaker gekostet haben. Das war dann sogar der Spitze des Römischen Reiches zu viel, wo sonst etwa die Ausrottung örtlicher germanischer Zivilbevölkerung zur Kriegsführung gehörte und wie etwa bei der Niederwerfung des berühmten Sklavenaufstandes des Spartakus die Kreuzigung tausender gefangener Sklaven. Von verschiedener Seite wird betont, dass Pontius Pilatus selbst für die nicht zart besaiteten römischen Provinzstatthalter außerordentlich brutal war.
Auf jeden Fall war Latein die herrschende Sprache in den Gebieten, in welche sich das Christentum in der Regel hinein auszubreiten begann. So war es wohl im römisch besetzten Nordafrika, dass man schon im 2. Jahrhundert begann, biblische Bücher ins Lateinische zu übersetzen. Kirchliche Schriftsteller begannen, lateinisch zu schreiben. Besonders bedeutend wurde dann die Übersetzung der Bibel ins Lateinische durch Kirchenvater Hieronymus (siehe Gedanken zur Woche 79-b).
Nicht zuletzt hat das römische Recht das sich bildende Kirchenrecht beeinflusst. Das sich formierende und von internen Auseinandersetzungen bis Spaltungen betroffene Christentum übernahm etwa Begriffe, Strukturen und Verfahren aus dem römischen Recht. Dies zeigte sich nicht zuletzt bei dem über die Jahrhunderte gewachsenen Eherecht. Eine kirchliche Eheschließungsform hat sich erst viel später entwickelt. Hier ist wie auch sonst vor unhistorischen Rückprojektionen wie „netten“ Geschichtsverklärungen zu warnen. Einen gewissen Abschluss fand die innerkirchliche Durchsetzung der sogenannten kanonischen Formpflicht bei der Eheschließung bei der Promulgation des damaligen CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS im Jahre 1917!
Christlichen Vertretern ging es in römischen Zeiten erst einmal um das Einfordern christlicher Grundanliegen wie eheliche Treue und Freiheit anstelle von Zwang zur Eheschließung. Das Leben in der römischen Gesellschaft nach christlichen Vorstellungen war nicht einfach, nicht nur wegen des römischen Kaiserkultes und damit verbundener Christenverfolgungen (siehe Gedanken zur Woche 66-b). Man bediente sich christlicherseits bei der Formulierung eigener Positionen und der Organisierung kirchlichen Lebens Anknüpfungspunkten im römischen Recht wie später in den germanischen Kulturen. Eher in andere Bereiche wie das Bußwesen spielte der keltische Kulturbereich hinein. Man denke hier z. B. an die iro-schottische Mission.
Anders als immer wieder behauptet wird, wurde das Lateinische durch das II. Vatikanische Konzil nicht als Kirchensprache abgeschafft. Dies gilt auch für den Bereich der Liturgie. Die lateinischen Texte bilden die Grundlage für die Übersetzung in die Landessprachen einschließlich der Herausgabe betreffender Messbücher. Die Messe im nachkonziliaren Ritus/Messe Pauls VI. kann auch auf Latein gefeiert werden. Ebenso werden offizielle Dokumente des Vatikans üblicherweise auf Latein verfasst. Bei Enzykliken etwa dient diese lateinische Ausgabe als Grundlage für die Übersetzung in andere Sprachen.
Niemand anderer als Martin Luther betonte, wie wichtig das Erlernen von Latein für junge Leute sei, und dazu könne das Abhalten von Gottesdiensten in lateinischer Sprache sehr nützlich sein. Er verfasste schon früh eine erste eigene lateinische Messordnung. Luther war auch aktiv an einem geeigneten lateinischen Bibeltext interessiert (https://www.op-marburg.de/Marburg/Martin-Luthers-lateinische-Bibel). König Heinrich VIII. von England, Gründer der anglikanischen Staatskirche, sprach fließend Latein.
Heutzutage steht der CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS, abgekürzt CIC, in lateinisch-deutscher Ausgabe zur Verfügung. Gleiches gilt für das offizielle Kirchenrechtsbuch für die katholischen Ostkirchen, den CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM/KODEX DER KANONES DER ORIENTALISCHEN KIRCHEN, abgekürzt CCEO.
Im Vatikan gibt es seit 1976 zur Förderung der lateinischen Sprache und ihres Studiums die Stiftung „Latinitas“ mit vielfältigen Aktivitäten und eigener Zeitschrift (https://www.vatican.va/roman_curia/institutions_connected/latinitas/documents/index_ge.htm). In den Canones 249 und 928 des geltenden CIC wird die Bedeutung des Lateins eigens eingeschärft.
Die Bezeichnung des dritten Adventsonntags mit einem lateinischen Namen ist also kein Einzelfall!
1. Lesung: Zef 3,14-17
2. Lesung: Phil 4,4-7
Evangelium: Lk 3,10-18
Gedanken zur Woche 90-b , Dr. Matthias Martin
3. ADVENTWOCHE (2021)
Die dritte Adventwoche mag gerade im Jahre 2021 als besonderer Anlass wahrgenommen werden, innezuhalten und nachzudenken. Zum einen ist der bisherige Weg in der Adventzeit es sicher wert, eingehend reflektiert zu werden. Wie ist diese Zeit genutzt worden? Kämpfte man gegen eigene Fehlhaltungen erfolgreich an, hat man eigene, vielleicht neue Akzente im Tun guter Werke verwirklicht? Die Adventzeit ist ja die traditionelle Zeit der Buße und Besinnung vor Weihnachten. Es ist leider längst so, dass dieser Sinn sehr oft in Vergessenheit geraten ist und oftmals ins Gegenteil verkehrt wurde. Der in der Adventzeit besonders hohe Alkoholkonsum bildete mit all seinen unangenehmen bis gefährlichen Begleiterscheinungen ein ernstes Problemfeld.
Dann ist die dritte Adventwoche in diesem Jahr die letzte volle Woche vor dem hohen Fest von Weihnachten. Wir sind also eingeladen, auf dieses herannahende Hochfest zu blicken, gute Vorbereitungen gerade jetzt zu treffen und zu überlegen, wie das Weihnachtsfest in einem wahrhaft christlichen Sinne gestaltet werden kann. Der Familie kommt dabei sicher besondere Bedeutung zu. Familien vor Ort sind eingeladen, gerade in der Zeit von Weihnachten vereinsamte Menschen ihrer Umgebung einzubeziehen. Ganz allgemein mögen wir uns erinnern, dass es schon im ersten Buch der Bibel, Genesis, heißt, dass es nicht gut ist, wenn der Mensch allein ist (Gen 2,18). Man auch daran denken, dass der für die christliche Geistesgeschichte so außerordentlich wichtige griechische Philosoph des Altertums, Aristoteles (siehe Gedanken zur Woche 31, 46-b und 65), erklärte, dass der Mensch ein zoon politikon, ein in Gemeinschaft lebendes Wesen, ist.
Ein Blick in verschiedene Kulturen einschließlich unterschiedlichen religiösen Überlieferungen verdeutlicht, dass hierbei Ehe und Familie von nicht wegzudenkender Bedeutung sind. Der über Konfessionsgrenzen sowie eigens in der berberischen Nationalbewegung so geschätzte Kirchenvater Augustinus etwa meinte, dass von den drei Ehegütern Nachkommenschaft (bonum prolis), eheliche Treue einschließlich Bewahrung vor Unzucht (bonum fidei) und Sakrament (bonum sacramenti) die beiden erstgenannten bei allen Völkern vorkämen. Lediglich das bonum sacramenti sei etwas spezifisch christliches.
Eigens hat sich dann das in gewissen Kreisen so gerne im Mund geführte II. Vatikanische Konzil Gedanken zu Ehe und Familie gemacht, was in insbesondere in der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ in den Abschnitten 47-52 seinen Niederschlag fand. Darin wird der Wille zur Zusammenarbeit mit den Menschen guten Willens auch außerhalb der katholischen Kirche zum Wohle von Ehe und Familie und damit letztlich im Sinne einer allgemein gedeihlichen gesellschaftlichen Entwicklung betont. Dies liegt auf einer Linie mit der traditionellen katholischen Überlieferung ganz allgemein zum Naturrecht, dass diesem wie der positiven göttlichen Offenbarung unverzichtbare Bedeutung zukommt, ja wie dieses letztlich göttliches Recht ist, über welches die katholische Kirche nicht verfügen kann: ius divinum naturale und ius divinum positivum. Katholischerseits wurde ja die Meinung, wonach nur der Glaube zu zählen habe, nur ihm argumentatives Gewicht zukäme, wiederholt verurteilt. Gegen solchen Fideismus wandte sich eigens das I. Vatikanische Konzil (siehe Gedanken zur Woche 6 und 54-b).
Bei erklärten Parteigängerinnen und Parteigängern des II. Vatikanischen Konzils ist oft nicht einmal bekannt, dass auf diesem insgesamt 16 verschiedene Dokumente, Erklärungen, Dekrete und Konstitutionen verabschiedet wurden. Einzelaussagen aus diesen Dokumenten wie sie vorliegen, sind dann sehr oft erst recht völlig unbekannt (siehe etwa Gedanken zur Woche 62-b).
So wurde bereits in „Gaudium et spes“ ernste Besorgnis und Kritik an gesellschaftlichen Zuständen geäußert:
„(47) . . . Jedoch nicht überall erscheint die Würde dieser Institution in gleicher Klarheit. Polygamie, um sich greifende Ehescheidung, sogenannte freie Liebe und andere Entartungen entstellen diese Würde. Darüber hinaus wird die eheliche Liebe öfters durch Egoismus, bloße Genußsucht und durch unerlaubte Praktiken gegen die Fruchtbarkeit der Ehe entweiht. Außerdem tragen die heutigen wirtschaftlichen, sozialpsychologischen und staatlichen Verhältnisse erhebliche Störungen in die Familie hinein.“
Es sollte vor all jenen zu denken geben, die sich so gerne auf das II. Vatikanische Konzil berufen, wenn dann in Abschnitt 51 von „Gaudium et spes“ unter ausdrücklichem Verweis auf die Eheenzyklika „Casti connubii“ vom 31. Dezember 1930 (https://www.vatican.va/content/pius-xi/en/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_19301231_casti-connubii.html und http://www.domus-ecclesiae.de/magisterium/casti-connubii.teutonice.html ) zu lesen ist:
„Manche wagen es für diese Schwierigkeiten unsittliche Lösungen anzubieten, ja sie scheuen selbst vor Tötung nicht zurück. Die Kirche aber erinnert daran, daß es keinen wahren Widerspruch geben kann zwischen den göttlichen Gesetzen hinsichtlich der Übermittlung des Lebens und dem, was echter ehelicher Liebe dient.
Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuungswürdige Verbrechen. . . .“.
Dem Ganzen wird gewissermaßen eines drauf gesetzt:
„Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft.“
Derartiges in einem Text des in gewissen Kreisen gerne in den Mund geführten II. Vatikanischen Konzils zu vernehmen mag überraschen, irritieren, ja verärgern. Es ist aber tatsächlich Textbestand. Dies gilt genauso für die zahlreichen Würdigungen in Hinblick auf Maria, welche in den offiziellen Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils sind (siehe Gedanken zur Woche 73), wie die Hervorhebungen der Bedeutung des Kirchenlehrers Thomas von Aquin (siehe Gedanken zur Woche 46-b).
Man sollte doch bei den Texten bleiben beziehungsweise zu ihnen erst einmal hinkommen, wenn man sich gerne auf sie bezieht, gerade wenn es darum immer wieder geht, andere Menschen zu attackieren und herunterzumachen. Die erklärten Fans des II. Vatikanischen Konzils sollten einmal aufrichtig in sich gehen, ob ihnen denn überhaupt einigermaßen bekannt ist, was in den 16 offiziell beschlossenen Dokumenten dieser Kirchenversammlung so alles darin steht, und ob sie das tatsächlich überhaupt vertreten wollen. Das gilt dann eben auch und nicht nur für das, was sich in Hinblick auf das seit den frühen Tagen der Christenheit wie außerhalb des Christentums immer wieder so heftig diskutierten Themenfeld von Ehe und Familie dort finden lässt.
Gedanken zur Woche 89, Dr. Matthias Martin
2. ADVENTSONNTAG (2021)
Natürlich ist es gut und richtig, den Zweiten Sonntag der Adventzeit würdig zu begehen und die Heilige Messe zu feiern. In der Eucharistiefeier feiern wir Tod und Auferstehung des Herrn Jesus Christus. Nach der bei uns derzeit üblichen Leseordnung sind zwei Lesungen und ein Sonntagsevangelium zu vernehmen. Zugrunde liegt der Textauswahl an Sonn- und Feiertagen immer wieder die Einteilung der ganzen Bibel in drei Hauptteile: die vier Evangelien, die anderen Schriften des Neuen/Zweiten Testaments und dann all die Schriften des Alten/Ersten Testaments. Ganz im Sinne der kirchlichen Überlieferung schon seit den frühen Tagen der Christenheit mögen ja die Gläubigen alle Teile der Bibel wertschätzen und noch Möglichkeit mit ihnen vertraut sein. Gewissermaßen zusammenfassend wurde dies durch die Synode von Rom des Jahres 382 (siehe Gedanken zur Woche 79-b), die Konzilien von (Basel – Ferrara -)Florenz und von Trient (siehe Gedanken zur Woche 7, 39, 50, 71, 74) verdeutlicht. Dies wurde durch das I. und II. Vatikanische Konzil bestätigt (siehe Gedanken zur Woche 39, 71 und eigens zum I. Vatikanischen Konzil Gedanken zur Woche 74). Die Auswahl der vorzutragenden Texte aus der Bibel schließt sich an diesem Zweiten Adventssonntag dem erwähnten Einteilungsschema an: Die 1. Lesung ist ein Teil des alttestamentlichen Prophetenbuches Baruch, die 2. Lesung ist aus dem neutestamentlichen Philipperbrief, und das Sonntagsevangelium sind einige Verse nach Lukas. Dies gilt natürlich nur dann, wenn man sich in diesem Falle an die bei uns derzeit übliche Leseordnung samt Einordnung in das Lesejahr B/II hält. Bezüglich der 1. Lesung mag man hoffen, dass damit das ziemlich in Vergessenheit geratene Prophetenbuch Baruch einschließlich des letzten Kapitels, genannt „Der Brief des Jeremia“, wieder etwas mehr Aufmerksamkeit findet. Dieser Brief des Jeremia weist uns thematisch in Richtung sowohl neutestamentlicher Aussagen wie der oft philosophisch orientierte Auseinandersetzung frühchristlicher Apologeten mit dem überlieferten Vielgötterglauben. Auch wenn man sich mit neuzeitlicher Philosophischer Gotteslehre beschäftigt, mag man sich an diesen Teil des Alten/Ersten Testaments erinnern.
Es ist aber bedauerlich, dass in diesem Jahr 2021 dadurch, dass der Zweite Adventsonntag auf den 5. Dezember fällt, der Gedenktag des heiligen Anno liturgisch verdrängt wurde. Dieser heilige Anno war eine ganz bemerkenswerte Persönlichkeit. Durch Aufstieg und Tätigkeit war er sehr eng mit dem Kaiserhaus der Salier verbunden. In der Kleinausgabe des bei uns verwendeten Deutschen Messbuchs wird er als „Reichsverweser für den minderjährigen Heinrich IV“. bezeichnet. Als solcher wird er auch in der Ausgabe von 2008 des Buches „Der große Namenstagskalender“ von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht auf den Seiten 423-424 gewürdigt. Im Direktorium der Diözese St. Pölten 2019/2020 wird ihm der Titel „Reichskanzler“ zuerkannt. Offensichtlich war der heilige Anno von Köln jemand, der gewissermaßen Politik mit Anstand und Loyalität gegenüber dem größeren Ganzen verwirklichte. „Reichskanzler“, „Reichsverweser“: Er war im Spitzenbereich der damaligen Politik tätig und gab nach dem Urteil der Kirche offensichtlich ein wesentlich besseres Bild ab, als es heute sehr oft mit Politikern assoziiert wird. Er gab offensichtlich auch ein besseres Bild in innerkirchlichen Belangen ab, als die in neuester Zeit amtierenden Erzbischöfen von Köln Joseph Kardinal Höffner, Joachim Kardinal Meissner und dann natürlich Rainer Maria Kardinal Woelki (siehe Gedanken zur Woche 64-b und 67-b). Kirchenrechtlich interessierte und tätige Menschen meinen zumindest im kleineren Kreis längst, dass die Entscheidung der jetzigen römischen Kirchenführung, jemand wie Kardinal Woelki und den Hamburger Erzbischof Stefan Heße im Amt zu belassen, nicht nachvollziehbar sei.
Dass man sein Amt und die Zusammenarbeit mit der Politik auch anders gestalten kann, verdeutlichte Erzbischof Anno, der längst vor der mit Johannes Paul II. anhebenden und oft beklagten „Inflation an Heiligsprechungen“ als Heiliger anerkannt wurde. Längere Zeit vor ihm wirkte als Erzbischof von Köln und strategisch höchst wichtiger Reichsherzog von Lothringen der heilige Brun(o), Bruder Ottos des Großen und wie dieser ein Sohn der heiligen Königin Mathilde. Er leistete Kirche und Reiche verlässlich sehr wertvolle Dienste, anstatt auf besonders abstoßende Weise für Skandal zu sorgen (siehe Gedanken zur Woche 8-b, 28-b und 68-b). Ein anderer Heiliger, der manchmal „von Köln“ genannt wird, ist jener Brun(o), auf den die Entstehung des Kartäuserordens im 11. Jahrhundert zurückgeht. Zwischen diesen beiden heiligen Bruns oder Brunos wirkte jener heilige Brun oder Bruno, der mit dem Kaiserhaus der Salier verwandt zu einem wichtigen Mitarbeiter Kaiser Heinrichs III. und Bischof von Würzburg wurde und deswegen gerne mit der Bezeichnung „von Würzburg“ versehen wurde. Er war offensichtlich auch ein bedeutender Kirchenmann, der ein wesentlich besseres Bild als Woelki, Heße und Co. abgab. Über den heiligen Brun(o) von Würzburg heißt es in dem schon zitierten Namenstagskalender von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht auf Seite 189 u.a.:
„Brun war einer der hervorragendsten Bischöfe seiner Zeit, gebildet und kaisertreu, und besaß eine hohe Auffassung von den Aufgaben seines bischöflichen Dienstes.“
Ein weiterer Erzbischof von Köln sollte gerade in der skandalreichen Kirchenkrise unserer Zeit wieder mehr dem Vergessen entrissen werden: Sigewin. Er wird auf Seite 192 bei Torsy und Kracht mit den Worten gewürdigt:
„Sigewin, seit 1076 Domdechant in Köln, 1079 durch Heinrich IV. zum Erzbischof von Köln erhoben, stand im Investiturstreit unentwegt auf der Seite Heinrichs. 1083 führte er als zweiter deutscher Bischof in seinem Gebiet gegen das Fehdeunwesen den ˃Gottesfrieden˂ durch. 1085 baute er die abgebrannte Stiftskirche S. Maria ad gradus wieder auf. Sigewin starb am 31. Mai 1089 und ist im Kölner Dom begraben. Schon bald legt man ihm den Beinamen ˃der Fromme˂ bei.“
Wohl noch eher bekannt dürfte als Kölner Erzbischof Rainald von Dassel sein. Mit diesem unerschütterlichen Mitstreiter von Kaiser Friedrich I. Barbarossa verbindet sich u.a. die Übertragung der Reliquien der sog. Heiligen Drei Könige nach Köln.
1. Lesung: Bar 5,1-9
2. Lesung: Phil 1,4-6.8-11
Evangelium: Lk 3,1-6
Gedanken zur Woche 89-b , Dr. Matthias Martin
2. ADVENTWOCHE einschließlich HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2021)
Es ist gerade in so kirchlich wie allgemein gesellschaftlich düsteren Zeiten erfreulich, das Gedenken eines Bischofs wie des Heiligen Nikolaus begehen zu können. In Stein an der Donau besitzt der 6. Dezember als der Gedenktag des Heiligen Nikolaus um so mehr Bedeutung, da der heilige Nikolaus ja der Patron der ganzen Pfarrgemeinde ist. Der Besucherin, dem Besucher der Pfarrkirche sticht leicht das große Barockgemälde ins Auge, das der so bedeutende Maler vom 18. zum beginnenden 19. Jahrhundert, Martin Johann Schmidt, auch genannt Kremser Schmidt oder Kremserschmidt, einst schuf, und welches jetzt den Seitenalter nächst zum Haupteingang der Pfarrkirche bekrönt.
Der Heilige Nikolaus wird weit über Konfessionsgrenzen, ja unter Anhängern verschiedener Religionen, verehrt. Immer wieder bekommt man die Einschätzung bestätigt, dass er der wohl überhaupt beliebteste Heilige des Christentums ist. Allerlei Bräuche und Legenden verbinden sich mit ihm und der ihm erwiesenen Verehrung. Gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum tritt er oft zusammen mit Knecht Ruprecht auf. Dieser kann eine eher bedrohliche Funktion einnehmen, als so etwas wie der Exekutivbeamte des Heiligen Nikolaus gegenüber „bösen“ Kindern. Er kann aber auch betont freundlich erscheinen, als derjenige, der Kindern Geschenke bringt, eine Funktion, die sonst zumeist direkt der Heilige Nikolaus wahrnimmt. Dies kann auf witzige Weise sogar seinen Niederschlag finden im Bereich neuerer bis neuester Filmproduktion. Verdient der treue Gefährte des Heiligen Nikolaus, Knecht Ruprecht, allein schon in volkskundlicher und religionsgeschichtlicher Hinsicht Beachtung, ja mag die Beschäftigung mit ihm spannend sein, so gilt dies natürlich umso mehr für den Heiligen Nikolaus.
Leider oft verdrängt war Sankt Nikolaus nicht nur der Mann der angewandten Nächstenliebe. Er verkörperte ganz umfassend den Zusammenhang der drei christlichen Grundtugenden Glauben, Liebe und Hoffnung. Nach seinem westasiatischen Bischofsort Myra auch Nikolaus von Myra genannt, setzte er in die Tat um, was im Hohelied der Liebe des Ersten Korintherbriefs festgehalten wird:
„(12,31) Strebt aber nach den höheren Gnadengaben!
Dazu zeige ich euch einen überragenden Weg. . . .
(13,13) Für jetzt bleiben Glauben, Hoffnung, Liebe, diese drei;
doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“
Seine Teilnahme am ersten Allgemeinen Konzil von Nicäa im Jahre 325 mit dessen Verabschiedung des Glaubensbekenntnisses zur Wesensgleichheit von Gott Sohn mit Gott Vater und sein energisches Beharren auf dieser Position weißt Sankt Nikolaus als Mann einer klar formulierten Glaubenslehre aus. Die Erinnerung an diesen Bereich seines Wirkens wird gerade in der orthodoxen Kirche lebendig gehalten und mitunter sehr deutlich herausgestellt. Dass er sich durch die Wendung der römischen Kaisermacht noch in der Lebenszeit Konstantins, mitunter „der Große“, genannt, gegen dieses Glaubensbekenntnis und seine Vertreter nicht entmutigen ließ, weist ihn als Persönlichkeit christlicher Hoffnung aus. Dazu kommt, dass er vorher in der Verfolgung des offen antichristlichen römischen Kaisers Diocletian verhaftet und gefoltert wurde, aber nicht schwankend wurde in seiner Treue zu Christus. Stand er so ein für Glauben und Hoffnung, verwirklichte diese beiden christlichen Grundtugenden, so ist er vor allem bekannt als Heiliger der Nächstenliebe. Hier gibt es einen eigenen Schatz an Überlieferungen und künstlerischen Darstellungen.
Eigene Beachtung verdient sicher die Legende vom Heiligen Nikolaus und den drei goldenen Kugeln. Durch die Übereignung von diesen ermöglichte er der Überlieferung zufolge den drei Töchtern eines verarmten Kaufmannes eine gute Eheschließung anstelle des Weges in eine erzwungene Prostitution. Vermögen zu opfern, um junge Frauen das schlimme Schicksal sexueller Fremdbestimmung zu ersparen, anstelle vielleicht selber zum Missbrauchstäter zu werden, hebt mit dieser Überlieferung den Heiligen Nikolaus wohltuend von zahlreichen bis zahllosen Gestalten in sich christlich nennenden Konfessionen gerade der neuesten Zeit ab. Umso mehr kann er auch diesbezüglich gerade heutzutage als Vorbild dienen.
Dabei war der Einsatz für ein christliches Eheleben seit ganz frühen Tagen Teil christlichen Wirkens. Zwar heiraten Christinnen und Christinnen bis in die Zeit der Konstantinischen Wende hinein, im Sinne staatlichen römischen Rechts wie ihre nichtchristlichen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen. Dass die Eheschließung von Christen aber immer „im Herrn“ geschah, machte schon sehr klar, dass die Ehe für Christinnen und Christen nicht bloß eine weltliche Angelegenheit war. Frühchristliche Apologeten erklärten, das Christentum sei förderlich für stabile Eheverhältnisse und eine ernsthafte Sexualmoral. Bereits frühchristliche Schriften wie die Didache und die wohl auf den Patron von St. Pölten, Hippolyt, zurückgehende Traditio Apostolica mahnten zu einem ernsthaften Umgang namentlich mit dem Fragenkomplex der ehelichen Treue. Ehefragen fanden Berücksichtigung bei der recht bekannten Synode von Elvira zu Beginn des 4. Jahrhunderts und wenig später auf der Synode von Arles. Dass sich die Dinge mit zunehmender Verbreitung und Tolerierung bis Anerkennung auch in Eheangelegenheiten allmählich für die Kirche änderten, bestätigten die in Westasien, dem Wirkungsgebiet des Heiligen Nikolaus, gehaltene Synoden von Ankyra und Neokaisareia/Neocaesarea bis hin zum schon erwähnten ersten Allgemeinen Konzil von Nicäa. Etwas später tagten dann ebenfalls in Westasien sowohl die Synode von Laodikeia und das Konzil von Chalcedon und hatten neben anderem Eheangelegenheiten auf dem Programm. Fragen von Eheschließung und dergleichen waren dann immer wieder Thema auf den fränkischen Synoden in merowingischer und karolingischer Zeit. Umso besser fügte sich der Einsatz des Heiligen Nikolaus beziehungsweise die mit ihm verbundene Überlieferung auch in das größere Ganze kirchlicher Bemühungen für gute Eheverhältnisse ein.
Hatte sich die Ehefrau Ottos II., Kaiserin Theophanu, nicht zuletzt um die Verbreitung der Verehrung des Heiligen Nikolaus in Mittel- und Westeuropa verdient gemacht, so betonten schon frühe Synoden die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ehe samt Eheschließung. Wer eine Schlechterstellung der Ehefrau sucht, wird auch bei mittelalterlichen Kirchenversammlungen wie dem II. und IV. Laterankonzil und dem Konzil von (Basel – Ferrara -) Florenz enttäuscht sein. Das dürfte ganz im Sinne des Heiligen Nikolaus sein.
Gedanken zur Woche 88, Dr. Matthias Martin
1. ADVENTSONNTAG (2021)
Wie so oft im Kirchenjahr, so ist auch in Hinblick auf die ADVENTZEIT ein bedauerlicher Verlust an religiösem Bewusstsein, ja überhaupt an Allgemeinbildung festzustellen. Es wird kaum noch wahrgenommen, ist auch in der Bevölkerung von Gebieten, die gerne noch als mit katholischer Mehrheitsbevölkerung besiedelt bezeichnet werden, in der Regel nicht mehr bekannt, was der Sinn der ADVENTZEIT eigentlich ist. Tatsächlich ist es die Zeit, in der sich die Menschen auf das Hochfest von WEIHNACHTEN vorbereiten mögen. Die ADVENTZEIT ist wie die Zeit vor dem anderen ganz großen Hochfest, nämlich OSTERN, die FASTENZEIT, von der kirchlichen Überlieferung her gedacht als eine Zeit von Buße und Umkehr. Das ernste Violett ist dementsprechend sowohl in der ADVENTZEIT wie in der FASTENZEIT die vorherrschende liturgische Farbe. Je ein Sonntag in der ADVENTZEIT wie in der FASTENZEIT sticht schon im Sinne liturgischer Farbgebung heraus. Es ist dies mit dem Sonntag GAUDETE der dritte Sonntag der Adventzeit und mit dem Sonntag LAETARE der vierte Sonntag der FASTENZEIT. An diesen beiden Sonntagen kann anstelle des üblichen Violett auch das freundlichere Rosa als Farbe der Kleidung von Diakonen und Priestern verwendet werden. Man darf sich freuen, dass man in der jeweils, einmal in der ADVENTZEIT und einmal in der FASTENZEIT, auf dem Weg zu dem beliebten Hochfest, WEIHNACHTEN beziehungsweise OSTERN, schon so weit vorangekommen ist. Dementsprechend heißt das Wort „laetare“ so viel wie „sich freuen“. „Gaudete“ steht für den Aufruf, den Imperativ, „Freuet euch!“ (siehe Gedanken zur Woche 53).
Gerade von aufmerksamen jungen Menschen wird kritisiert, dass die ADVENTZEIT nicht zuletzt zum erhöhten Alkoholkonsum missbraucht wird. Sarkasmus kann auslösen, dass nicht zuletzt auch ältere Leute mitunter gar nicht (mehr) wissen, was der Anlass für WEIHNACHTEN am Abschluss der ABVENTZEIT ist, nämlich die Geburt Jesu von Nazaret. Da gibt es etwa in der Bundesrepublik Deutschland gar nicht so selten die Meinung, Weihnachten sei doch eines von Grimms Märchen. Manchmal bekommt man auch zu hören oder zu lesen, das habe doch etwas mit dem Weihnachtsmann zu tun, der werde da irgendwie gefeiert oder seiner gedacht. Manche und mancher räumt im deutschen Sprachraum auch lieber gleich ein, nicht zu wissen, was der Grund für Weihnachten ist.
Nun, eine verantwortungsvolle Gestaltung der ADVENTZEIT ist gerade in unserer Zeit eine ernste Herausforderung. Längst wurde klar, dass im Gefolge von Lockdowns und Shutdown der problematische Alkoholkonsum nochmals deutlich angestiegen ist. Häusliche Gewalt und verschiedenartiger Missbrauch im familiären Bereich nahmen noch einmal zu.
Umso mehr sollte überlegt sein, wie tatsächlich die ADVENTZEIT nicht zuletzt für eine Förderung guten Miteinanders in der Ehe und generell des Familienlebens genutzt werden kann.
Nicht umsonst haben sich bereits frühchristliche Synoden und Konzilien immer wieder Gedanken in Hinblick auf Ehe und Familie gemacht. Das sich damit entwickelnde Eherecht war immer wieder ein Thema. Dies begann in der durch Christenverfolgungen immer wieder erschütterten Zeit des Römischen Reiches. Es setzte sich fort nach den germanischen Reichsgründungen auf dem einstigen Boden des dann untergegangenen Weströmischen Reiches. Einen Einblick in das Ringen um die Durchsetzung christlicher Eheideale und den Kampf gegen Missbrauch von Machtpositionen in Familie und Verwandtschaft können die von den weltlichen Herrschern getragenen und im Wesentlichen ermöglichten Synoden im Fränkischen Reich in der Zeit der Dynastien der Merowinger und der Karolinger bieten.
Im Laufe der meist als Mittelalter bezeichneten Epoche setzte sich im christlichen Bereich die Meinung durch, dass die Ehe als eigenes Sakrament zu betrachten ist. Passend dazu zog die Kirche eine besondere bis vorübergehend monopolartige Regelungskompetenz bezüglich der Ehe an sich. Der Zerfall des Fränkischen Reiches hat dem Vorschub geleistet.
So wurde schon auf dem II. Laterankonzil im Jahre 1139 die Ehe im C-/Kanon 23 in Zusammenhang mit sakramentalen Fragen genannt:
„Diejenigen aber, die sich heuchlerisch mit dem Schein von Religiosität umgeben und das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn, die Taufe der Kinder, das Priestertum und die übrigen kirchlichen Weihen sowie die rechtmäßigen Eheschließungen (!) verurteilen, verstoßen wir als Häretiker aus der Kirche Gottes, verurteilen sie . . .“
Dass IV. Laterankonzil verdeutlichte im Jahre 1215 die Gleichrangigkeit der Eheleute. Ausdrücklich wurde dann die Ehe auf II. Konzil von Lyon im Jahre 1274 zu den Sakramenten gezählt und zugleich die Vielehe verurteilt (siehe Gedanken zur Woche 83).
Die Konzilien von (Basel – Ferrara -) Florenz und Trient bestätigten diese grundsätzliche Ausrichtung (siehe Gedanken zur Woche 67). So heißt es im Dekret für die Armenier des Konzils von (Basel – Ferrara -)Florenz aus dem Jahre 1439:
„Es gibt sieben Sakramente des Neuen Bundes, nämlich Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Letzte Ölung, Weihe und Ehe (!) . . .
Das siebte Sakrament ist das Sakrament der Ehe (!), die nach dem Wort des Apostels das Zeichen der Verbindung Christi und der Kirche ist. . . . . Die Wirkursache der Ehe (!) ist normalerweise das durch gegenwartsbezogene Worte ausgedrückte gegenseitige Einverständnis.
Es wird aber ein dreifaches Gut der Ehe (!) angeführt. Das erste ist, Nachkommenschaft zu empfangen und zur Verehrung Gottes zu erziehen. Das zweite ist die Treue, die der eine der Gatten dem anderen wahren muß. Das dritte ist die Untrennbarkeit der Ehe, deswegen, weil sie untrennbare Verbindung Christi und der Kirche versinnbildlicht. Obwohl man aber aufgrund von Unzucht eine Trennung des Bettes vornehmen darf, ist es dennoch nicht erlaubt, eine andere Ehe zu schließen, da das Band einer rechtmäßig geschlossenen Ehe immerwährend ist.“
Das Konzil von Trient verurteilte im Jahre 1563 noch einmal ausdrücklich die Meinung, dass ein christlicher Mann mehrere Frauen haben dürfe und verwarf die entgegenstehende Meinung in scharfen Worten ausdrücklich. U.a. wurde unter Anführung von Stellen aus dem Alten/Ersten wie dem Neuen/Zweiten Testament festgehalten:
„Das immerwährende und unauflösliche Band der Ehe hat der erste Vater des Menschengeschlechts auf Antrieb des göttlichen Geistes verkündet, . . .
Daß durch dieses Band aber lediglich zwei verknüpft und verbunden werden, lehrte Christus, der Herr, noch klarer, . . .
Da also die Ehe im Gesetz des Evangeliums durch Christus die alten ehelichen Verbindungen an Gnade übertrift, haben unsere heiligen Väter, die Konzilien und die gesamte Überlieferung der Kirche zurecht immer gelehrt, daß sie unter die Sakramente des Neuen Bundes zu zählen sei . . .“.
Das Engagement für ein gutes Eheleben ist also umso mehr zu beherzigen, auch, aber nicht nur in der ADVENTZEIT. Noch das II. Vatikanische Konzil äußerte sich eindringlich in diesem Sinne, so gerade in der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“.
1. Lesung: Jer 33,14-16
2. Lesung: 1 Thess 3,12-4,2
Evangelium: Lk 21,25-28.34-36
Gedanken zur Woche 88-b, Dr. Matthias Martin
1. ADVENTWOCHE (2021)
Die erste Adventwoche ist sicher eine besonders wichtige Zeit im Kirchenjahr. Zum einen beginnt mit der ersten Adventwoche jeweils ein neues Kirchenjahr. Zum anderen soll die Adventzeit eine Zeit ernster Vorbereitung auf das Weihnachtsfest sein. WEIHNACHTEN ist zwar nicht das höchste Fest der Christenheit, aber vielleicht doch das beliebteste.
Zur besonderen Bedeutung der ersten Adventwoche passt auch, das in diesem Jahr 2021 in die erste Adventwoche das Fest des außerordentlich bedeutenden Apostels Andreas fällt. Es lässt sich feststellen, dass der heilige Andreas sowohl für die weltweite Christenheit wie speziell für Schottland eine nicht wegzudenkende Bedeutung hat. Selbst in der gekürzten Fassung des Römischen Messkanons, des Ersten Hochgebets wird er namentlich genannt, wie sonst nur Maria, die Mutter Jesu, der heilige Josef, Petrus und Paulus (siehe Gedanken zur Woche 38-b).
In den synoptischen Evangelien wird er an markanten Stellen genannt, etwa wenn es um die Berufung der ersten Jünger geht. So heißt es im Matthäusevangelium:
Ähnliches können wir im eher knappen Markusevangelium (Mk 1,16-18) und im wieder umfangreicheren Lukasevangelium (Lk 5,1-11) lesen. Auch in dem nicht zu den synoptischen Evangelien gehörendem Johannesevangelium wird die Berufung des Andreas ausdrücklich erwähnt. Hier ist es sogar Andreas, der seinerseits seinen Bruder Simon Petrus auf Jesus von Nazaret aufmerksam macht (Joh 1,35-42).
Dann besitzt der heilige Andreas eine herausragende Bedeutung für die schottische Nation. Er ist der Nationalpatron von Schottland. Sein Feiertag, der 30. November, ist zugleich der schottische Nationalfeiertag. Das Andreaskreuz kennzeichnet in weißer Farbe auf blauem Grund die schottische Nationalfahne ( https://www.myhighlands.de/highlands-wissen/schottland-flagge-wappen-symbole/ und https://www.laenderservice.de/flaggen/europa/vereinigtes_koenigreich/schottland.aspx). Von dort her wurde das Andreaskreuz, wenn auch in blauer Farbe vor weißem Hintergrund, auch prägend für die Fahne der Provinz Nova Scotia/Neuschottland in Kanada ( https://www.laenderservice.de/flaggen/nordamerika/kanada/nova_scotia.aspx und siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 84-b). Dabei bedeutet Provinz in der Kanadischen Konföderation so viel wie ein Bundesstaat in den USA und Australien, abgesehen natürlich von mentalitätsmäßigen, verwaltungs- wie verfassungsrechtlichen Einzelheiten und kulturellen samt sprachlichen Eigenheiten, die jeweils gelten. Eine der wichtigsten Städte Schottlands ist nach dem heiligen Andreas benannt. Die dortige Universität ( https://www.st-andrews.ac.uk/ ) wurde schon lange vor der dauernden Unterwerfung Schottlands durch England im Jahre 1413 gegründet. Die umgehende kirchliche Bestätigung ist ein Beispiel für die traditionell besonders engen Beziehungen zwischen Schottland und katholischer Weltkirche und namentlich dem Apostolischen Stuhl, auf die wir u.a. in der Enzyklika „Caritatis Studium“ hingewiesen werden (siehe https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_25071898_caritatis-studium.html und Gedanken zur Woche 38-b). Nach der Stadt in Schottland, auf Englisch St Andrews, in Scots Saunt Aundraes und auf Gälisch Cill Rimhinn genannt, wurde seinerseits ein Abkommen aus dem Jahre 2006 zur Fortentwicklung und Sicherstellung des Friedensprozesses in Nordirland benannt (https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/136651/st_andrews_agreement-2.pdf ). Die dort enthaltenen Zusicherungen für eine Verbesserung der Situation des irischen Gälisch, kurz des Irischen, in Nordirland sind bis heute nicht umgesetzt. Die Anhänger der britischen Monarchie namentlich in Nordirland machen immer wieder recht kaltschnäuzig deutlich, dass man ihrer Meinung nach auch vertragliche Zusicherungen gegenüber Katholiken und deren Freunden nicht einzuhalten brauche. Weitere Abmachungen einschließlich unterschriebenen Abkommen haben daran bis heute nichts geändert.
Das Verhältnis zwischen der Staats- und Regierungsspitze Großbritanniens beziehungsweise dem Vereinigten Königreich und den Katholiken und deren Freunden ist bekanntlich ein schwerwiegendes Dauerproblem. Bezeichnenderweise stimmte 2014 die überwältigende Mehrheit der Katholiken in Schottland bei der Volksabstimmung für die Unabhängigkeit ihrer von Päpsten immer wieder gepriesenen Nation. Die Päpste, Ordensgemeinschaften und Bischöfe haben seit jeher fortwährend Akzente zur Förderung der Eigenständigkeit Schottlands und seiner Kultur gesetzt. Dies geschah und geschieht in so unterschiedlichen Bereichen wie Errichtung und Betrieb eigener schottischer Nationalkollegien, pastoralen Bemühungen vor Ort, Errichtung und Verteidigung der eigenen schottischen Bischofskonferenz und auch in der päpstlichen Besuchspolitik. Erst jüngst hat sich Papst Franziskus zum Thema Klimaschutz eigens an die Katholikinnen und Katholiken Schottlands gewandt, gewissermaßen dem Land des heiligen Apostels Andreas. Gegen allen Druck und haarsträubende Desinformationen weigert sich Papst Franziskus wie seine Vorgänger standhaft, die Eigenständigkeit der nationalen Bischofskonferenz Schottlands zu opfern und diese etwa in einer bisher und in Zukunft nicht vorhandenen (groß-)britischen Bischofskonferenz aufgehen zu lassen (https://www.bcos.org.uk/).
Ganz anders war das Verhalten des Apostolischen Stuhls nach der deutschen Reichsgründung im Jahre 1871 gewesen. Der selige Papst Pius IX. gratulierte herzlich Kaiser Wilhelm I. zu seiner neuen Würde und bot ihm seine Unterstützung an. Alsbald nahm die päpstliche Kurie scharf Stellung gegen bayerische Separatisten und ihre reichsfeindlichen Umtriebe. Namentlich in dem so wichtigen Bereich des kirchlichen Eherechts zeigte das päpstliche Rom sehr großes Entgegenkommen. Dies hatte schon im 18. Jahrhundert, also zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation/Erstem Deutschen Reich/Altem Reich, begonnen. So wurde 1741 in der Declaratio Bededictina die Freiheit von der kanonischen Formpflicht bei Eheschließungen auch betreffenden Ehepaaren aus den Niederlanden zugestanden, die als Angehörige des niederländischen Heeres Grenzbefestigungen bewachten, welche noch auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation/Ersten Deutsches Reiches/Alten Reiches lagen. Die in der Declaratio Benedictina ausgesprochene Befreiung für nichtkatholische christliche und konfessionell gemischte Brautpaare von der kanonischen Formpflicht bei Eheschließungen wurde schon 1765 auf das weitgehend zum Königreich Preußen gehörende Fürstbistum Breslau, 1830 auf die zum Königreich Preußen gehörende Kölner Kirchenprovinz und 1882 auf Brandenburg-Pommern ausgedehnt. 1906 wurde diese Befreiung von der kanonischen Formpflicht auf alle Gebieten, des sehr föderalistisch aufgebauten Deutschen Reiches mit seinem verschiedenen Freien Städten, Grafschaften, Fürsten-, Herzogs-, Großherzogtümern und Königreichen ausgedehnt. Das päpstliche Rom leistete damit einen bemerkenswerten Beitrag zu innerer Reichseinheit in Deutschland.
Wesentlich angespannter ist da das Verhältnis zum Vereinigten Königreich, zu dem der Apostolische Stuhl lange überhaupt keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Die dann zustande gekommene Aufnahme diplomatischer Beziehungen geschah unter sehr fragwürdigen Umständen. Manche und mancher mag sich auch noch an den Wutanfall des damaligen britischen Premierministers David Cameron zur Wahl von Papst Franziskus erinnern.
Gedanken zur Woche 87, Dr. Matthias Martin
CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2021)
Die Einführung des Hochfestes oder Festes I. Klasse vom CHRISTKÖNIGSSONNTAG im Jahre 1925 durch Papst Pius XI. sollte Katholikinnen und Katholiken in bedrängter Zeit Mut und Zuversicht geben. Im Sinne der drei christlichen Grundtugenden von Glauben, Hoffnung und Liebe können wir auch sagen, dass gerade die Hoffnung gestärkt werden sollte. Es sollte nach dem Sturz verschiedener Monarchien, dem Fall von Fürsten-, Königs- wie Kaiserthronen, deutlich gemacht werden, dass Jesus Christus für die Gläubigen der wahre König ist, unabhängig wie hier auf Erden sich die Dinge militärisch, wirtschaftlich und politisch entwickeln mögen.
Dabei ist ausdrücklich vor Missverständnissen zu warnen, insbesondere dem, die katholische Kirche habe einseitig Monarchien unterstützt und das Hochfest/Fest I. Klasse von CHRISTKÖNGISSONNTAG sein in diesem Sinne zu verstehen. Das zu meinen, wäre aber eben kein Verständnis, sondern ein Missverständnis, ein ziemlich grobes noch dazu. Anstelle mitunter ja tatsächlich festzustellender monarchistischen Tatsachenverdrehungen sind doch etwas die Tatsachen zu beachten.
Das beginnt schon im Alten/Ersten Testament. Da zeichneten sich die Israeliten lange dadurch aus, dass sie lange Zeit anders als die Nachbarvölker keine Monarchie, keinen König hatten. Als es ernsthaft in Richtung Königtum ging, wurde in dem, was Eingang in die Schriften des Alten/Ersten Testaments fand, vor der Monarchie gewarnt (siehe Gedanken zur Woche 18 und 33). Von Fehlverhalten von Königen bis hin zu deren Verbrechen wurde drastisch berichtet (siehe Gedanken zur Woche 20, 26, 68 und 82). Schon vorher hatte im Verlauf des Alten/Ersten Testaments der Bundesschluss am Sinai einen bemerkenswert egalitären bis antimonarchistischen Charakter in Hinblick auf das Bundesvolk (siehe Gedanken zur Woche 65-b).
Als erster der Apostel starb dann in neutestamentlicher Zeit Jakob der Ältere auf Anweisung des Königs Herodes Agrippa den Märtyrertod. Dessen Großvater König Herodes wird innerhalb der Bibel wie außerhalb als grausamer Gewaltherrscher dargestellt. Bekanntlich wurde auch Johannes der Täufer auf Anordnung eines örtlichen Königs, der als Handlanger Roms regierte, hingerichtet (siehe Gedanken zur Woche 15-b, 24-b und 65-b).
Die Kreuzigung Jesu von Nazarets fand auf Befehl eines Statthalters des römischen Kaisers statt, der Pontius Pilatus genannt wird. Die Folterung und Kreuzigung führten kaiserlich römische Soldaten durch.
Später krachte es immer wieder zwischen Monarchen und (katholischer) Kirche. Das von 1512 bis 1517 tagende V. Laterankonzil war überhaupt als Kontrapunkt gegen die Machtpolitik des französischen Königtums einberufen worden. Das theologiegeschichtlich besonders wichtige Konzil von Trient (1545-1563) äußerte sich offensichtlich so kritisch gegen monarchische Machtansprüche im Allgemeinen und die des französischen Königtums im Besonderen, dass die Veröffentlichung seiner Beschlüsse im französischen Machtbereich lange überhaupt verboten war. Wenig bekannt oder gerne verdrängt ist die Tatsache, dass es zwischen der durch den Heiligen Stuhl vertretenen Kirche und der französischen Monarchie fortdauernd Spannungen bis offene Konflikte gab. Am ehesten ist wohl der Konflikt zwischen Napoleon I. und Papst Pius VII. bekannt, der eine jahrlange Haft und die französische Besetzung des Kirchenstaates zu erdulden hatte. Auch Napoleon III. führte sich später im 19. Jahrhundert mit direkten Verbotsmaßnahmen gegen die Kirche auf, dass man an „moderne“ Diktaturen des 20. Jahrhunderts denken mag.
Ihrerseits waren Katholiken nicht selten mit ausgesprochen republikanischen Bewegungen verbunden. Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg ist da ein bekannteres Beispiel (siehe Gedanken zur Woche 32-b).
Vielen Europäerinnen und Europäerinnen ist der Jahrhunderte andauernde Konflikt um Irland und dann im Besonderen um Nordirland eigens gegenwärtig. Dort wurden die Begriffe „Katholiken“ und „Republikaner“ so etwas wie Synonyme füreinander. Der Anführer der irischen Unabhängigkeitsbewegung insbesondere im Krieg von 1919 bis 1921 und spätere Ministerpräsident und dann Präsident der Republik, Éamon de Valera, galt als Verkörperung eines politisch engagierten Katholiken.
Gingen einst im 16. Jahrhundert in Island die Verteidigung von zumindest einer gewissen Selbstverwaltung gegen die dänische Monarchie und des Überlebens der katholischen Kirche gegen die von dort ausgelöste Verfolgung Hand in Hand, so bedeutete der allmähliche Aufschwung der isländischen Nationalbewegung seit dem 19. Jahrhundert auch eine Verbesserung für die katholische Kirche. Die Gewinnung der völligen Unabhängigkeit von Dänemark im Jahre 1944 verbunden mit der Ausrufung der Republik war auch für die katholische Kirche ein bemerkenswerter Erfolg, den man nicht unterschätzen sollte.
Auch auf den Färöer Inseln gingen die dortige gegen das dänische Königreich gerichtete Nationalbewegung und die katholische Kirche eine gute Beziehung ein. Auch wenn Färöer ( https://www.government.fo/ ) wie Grönland (https://naalakkersuisut.gl/kl-GL/Naalakkersuisut und https://naalakkersuisut.gl/en/Naalakkersuisut) bis heute noch nicht die völlige Unabhängigkeit erlangt haben, etwa verkörpert durch eine erfolgreiche Ausrufung der Republik, so sind die Erfolge auf dem Weg dorthin doch auch gut für die katholische Kirche und wohl auch andere religiöse Gemeinschaften gewesen. Andererseits sorgte erst jüngst die Politik der dänischen Regierung für heftige Kritik seitens der Vertreter religiöser Gemeinschaften einschließlich des Lutherischen Weltbundes und der Nordischen Bischofskonferenz der Katholiken (siehe Gedanken zur Woche 55).
Eine deutliche Verbesserung für die katholische Kirche ergab sich im jahrhundertelang vom Königreich Schweden beherrschten Finnland mit der dortigen Gewinnung der nationalen Unabhängigkeit von der zuletzt russischen Herrschaft samt Sicherung des Status als Republik. So wurde schon im 1939 in München erschienenen IV. Band der „Papstgeschichte der neuesten Zeit“ von Josef Schmidlin auf Seite 175 festgehalten:
„Nachdem Finnland schon 1920 vom Erzbistum Mohilew unter Förderung seines Oberhirten Ropp abgetrennt und zu einem eigenen Vikariat erhoben, dann im folgenden Jahr der Holländer Bucks von den Herz-Jesu-Priestern zum Administrator und bald nachher zum Präfekt, schließlich 1923 zum Apostolischen Vikar ernannt worden war, erteilte ihm der Kardinalpräfekt van Rossum, von den drei skandinavischen Prälaten assistiert, am 13. August die Konsekration im Beisein des Kultusministers und vieler Protestanten, die dem päpstlichen Abgesandten einen besonderen Empfang bereiteten und ihre Sympathien für die heilige römische Kirche unter Darbietung einer Buchspende ausdrückten.“
Die nationalen Verhältnisse in der damals so jungen Republik Finnland werden eigens in einer Fußnote gewürdigt:
„Regierung und Volk voll Achtung und ohne Feindseligkeit gegen den katholischen Glauben“.
1. Lesung: Dan 7,2a.13b-14
2. Lesung: Offb 1,5b-8
Evangelium: Joh 18,33b-37
Gedanken zur Woche 87-b, Dr. Matthias Martin
34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Die Heiligen, derer nach dem gegenwärtig bei uns üblichen liturgischen Kalender eigens in der Woche im Anschluss nach dem CHRISTKÖNIGSSONNTAG gedacht wird, verdeutlichen miteinander, wie spannungsvoll das sein kann, was sehr oft das Verhältnis von Kirche und Staat genannt wird.
Da sind auf der einen Seite jene, welche als Opfer einer jeweils eindeutig antichristlichen Staatsmacht den Märtyrertod starben: die heilige Cäcilia, der heilige C-/Klemens I. von Rom, der heilige Andreas Dung-Lac und Gefährten sowie die heilige Katharina von Alexandrien. Da sind auf der anderen Seite deutsche Reichsbischöfe, welche sehr positiv mit der politischen Führung zusammenarbeiteten. Dazu kommt noch gewissermaßen in der Mitte der heilige C-/Kolumban.
Dieser gelehrte irische Mönch hatte vom sechsten zum siebten Jahrhundert zunächst auf dem europäischen Kontinent in gewisser Übereinstimmung mit dem örtlichen König im fränkischen Bereich wirken können. Als der heilige C-/Kolumban aber den nächsten dortigen König wegen dessen gegen kirchliche Moralvorstellungen gerichteten Lebensstil kritisierte, wurde er vertrieben. Er ließ sich davon wie von anderen Rückschlägen nicht entmutigen, sondern startete im Gebiet der Langobarden durch. In dem im heutigen Norditalien/Padanien gelegenen Bobbio schuf er sich ein neues Wirkungszentrum. Die von ihm überlieferten Schriften einschließlich Predigten gelten als bedeutender Bestandteil der lateinischen Literatur seiner Zeitepoche.
Der heilige C-/Kolumban verdeutlicht schon in seiner Person, wie zwiespältig das Verhältnis zwischen Kirche und politisch-staatlicher Macht sein kann. Zugleich macht er mit seinem schriftstellerisch-literarischen Wirken deutlich, wie sehr Religion mit kulturellem, geistigem Wirken verbunden sein kann. Frömmigkeit und intellektuelle Ungehobeltheit, irgendwelche Kulturfeindlichkeit sollten nichts miteinander zu tun haben.
In diesem letzteren Punkt werden wir auch die Überlieferung bestärkt, welche sich mit der Verehrung der heiligen Cäcilia und der heiligen Katharina von Alexandrien verbindet. Die heilige Cäcilia wird verehrt als Patronin der Sänger/-innen, Dichter/-innen, Organisten und Organistinnen, der Instrumentenbauer/-innen sowie generell der Musiker/-innen und der Kirchenmusik. Gerade im Rahmen meiner pastoralen Tätigkeit in St. Nikolaus zu Stein an der Donau habe ich mit Blick auf dieses kulturelle Erbe der heiligen Cäcilia schon so manchen Akzent setzen können.
Sehr stark in Richtung geistig-kultureller Tätigkeit weist uns dann mit eigenem Akzent auch die Verehrung der heiligen Katharina von Alexandrien. Verehrt wird sie interessanterweise u.a. als Patronin der Gelehrten und Philosophen und Philosophinnen, der Schüler/innen und Studenten und Studentinnen sowie der Bibliotheken. Das ist ja ein ganz eigener geistig-intellektueller Akzent, der besonders gut zum Pfarrgebiet von Stein an der Donau passt, als Standort insbesondere verschiedener Universitäten.
Dass derartiges aber nichts mit weltanschaulicher Unbestimmtheit zu tun hat, beweist die Tatsache, dass der Überlieferung nach sowohl die heilige Cäcilia wie die heilige Katharina von Alexandrien als Märtyrerinnen starben. Sie starben als Opfer römischer Christenverfolgungen wie auch der heilige C-/Klemens I. von Rom.
Als Opfer vietnamesischer Christenverfolgung werden der heilige Andreas Dung-Lac und Gefährten verehrt. Dazu heißt es im Direktorium der Diözese St. Pölten für 2020/2021:
„Zu Anfang des 16. Jahrhunderts wurde dem vietnamesischen Volk das Evangelium verkündet. In der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, vor allem unter der Herrschaft des Kaisers Minh-Mang (1820-1840), mussten viele Christen ihr Leben als Märtyrer hingeben. Unter ihnen waren Bischöfe, Priester, Ordensleute, Katechisten und Laien. Um ihres Glaubens willen erlitten sie vielfältige Qualen und wurden zu Zeugen der Kirche Christi. Zu den 117 Männern und Frauen, die Papst Johannes Paul II. am 19. Juni 1988 heiliggesprochen hat, gehört auch der Priester Andreas Dung-Lac, der am 21. Dezember 1839 enthauptet worden war.“
Gegen diese Heiligsprechung erregten sich damals die kommunistischen Machthaber in Vietnam und beschimpften Papst Johannes Paul II. samt dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Da mag der Satz in den Sinn kommen „Die Extreme berühren sich.“ In diesem Fall verwirklichte sich das als Zusammenspiel von aggressiven Kommunisten und unbelehrbaren kirchenfeindlichen, kaiserlich gesinnten Legitimisten.
Dass es natürlich auch anders geht, verdeutlichen dann die beiden heiligen Reichsbischöfe Konrad und Gebhard. Beide waren dem sächsisch-ottonischem Kaiserhaus des Ersten Deutschen Reiches, auch genannt Heilig Römisches Reich deutscher Nation/Altes Reich, sehr eng verbunden. Von dort her konnten sie auch ihr erfolgreiches Wirken entfalten. Das passt sehr gut zu der Tatsache, dass aus dieser Dynastie selber Selige und Heilige hervorgingen (siehe Gedanken zur Woche 18-b, 35, 68-b und 70-b).
Die ottonische Dynastie erlangte enorme Bedeutung für die Förderung kirchlicher Einrichtungen, die Mission und nicht zuletzt auch den Schutz des Papsttums. Umgekehrt gestanden den aus dieser Linie hervorgehenden Herrschern die Päpste weitgehende Rechte in Hinblick auf das kirchliche Leben zu, bis hin zu einem grundsätzlichen Einfluss bei der Bestimmung eines neuen Papstes. Der jeweilige Kaiser berief Reichskonzilien ein und durfte bestimmen, wer Bischof, Abt oder Äbtissin wurde. Im Falle des Falles hatte die betreffende Regentin solche Entscheidungen zu treffen. Ebenso konnte ein ottonischer Herrscher beziehungsweise eine ottonische Regentin bestimmen, ob etwa eine Diözese aufgelöst oder neugegründet wurde.
Da gab es eben eine harmonische Zusammenarbeit von Kirche und Staat, verkörpert nicht zuletzt durch die heiligen Bischöfe Konrad und Gebhard. Die Initiativen von Kaiser Josef II. bezüglich des kirchlichen Lebens dann später in der Zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erscheinen vor solchem geschichtlichen Hintergrund umso weniger als Willkürakte (siehe Gedanken zur Woche 81-b).
Gedanken zur Woche 86, Dr. Matthias Martin
33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2021)
Im Jahre 2016 hielt Papst Franziskus ausdrücklich fest, dass fortan der 33. Sonntag im liturgischen Jahreskreis als Welttag der Armen begangen werden soll. So schrieb er in seinem Apostolischen Schreiben „Misericordia et misera“ vom 20. November 2016 zum Abschluss des Außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit (https://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_letters/documents/papa-francesco-lettera-ap_20161120_misericordia-et-misera.html ):
„Vor dem Hintergrund des „Jubiläums für die von der Gesellschaft Ausgeschlossenen“ - während in allen Kathedralkirchen und Heiligtümern der Welt die Pforten der Barmherzigkeit geschlossen wurden – kam mir der Gedanke, dass als weiteres konkretes Zeichen dieses Außerordentlichen Heiligen Jahres am 33. Sonntag im Jahreskreis in der ganzen Kirche der Welttag der Armen (!) begangen werden soll. Das wird die würdigste Vorbereitung für die Feier des Christkönigssonntags sein, denn Jesus Christus hat sich mit den Geringen und Armen identifiziert und wird uns nach den Werken der Barmherzigkeit richten (vgl. Mt 25,31-46). Es wird ein Tag sein, der den Gemeinden und jedem Getauften hilft, darüber nachzudenken, wie die Armut ein Herzensanliegen des Evangeliums ist(,) und dass es keine Gerechtigkeit noch sozialen Frieden geben kann, solange Lazarus vor der Tür unseres Hauses liegt (vgl. Lk 16,19-21). Dieser Tag wird auch eine echte Form der Neuevangelisierung darstellen (vgl. Mt 11,5), durch die das Antlitz der Kirche in ihrer ständigen pastoralen Umkehr erneuert wird, um Zeugin der Barmherzigkeit zu sein.“
Mit dieser Initiative hat Papst Franziskus nichts inhaltlich neues verkündet oder willkürlich von sich gegeben. Der Einsatz für die Armen ist ja der biblischen Grundbotschaft, beginnend bereits mit den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch auch die Thora genannt, ganz vorne im Alten/Ersten Testament (siehe Gedanken zur Woche 58, 59, 75 und 79). Dies setzt sich dann in der Bibel fort. Man werfe nur einmal einen Blick in das über viele Jahrhunderte in der Christenheit besonders geschätzte Buch Jesus Sirach, mit seinen Ehrennamen Ecclesiasticus, in das Erste und Zweite Kapitel des Buches Tobit, in das Zweite und Fünfte Kapitel des bereits neutestamentlichen Jakobusbriefes und natürlich in die vom Papst in dem zitierten Apostolischen Schreibens selber angeführten Bibelstellen.
Gerade in einem alttestamentlichen Buch wie Amos finden wir schon heftige Worte gegen soziale Ungerechtigkeit, die uns in die Richtung nicht zuletzt des neutestamentlichen Jakobusbriefes weisen:
„(2,6) So spricht der Herr:
Wegen der drei Verbrechen von Israel und wegen der vier nehme ich es nicht zurück:
Weil sie den Unschuldigen für Geld verkaufen und den Armen wegen eines Paars Sandalen.
(7) weil sie den Kopf des Geringen in den Staub treten und das Recht der Schwachen beugen.
. . . .
(8) Sie strecken sich auf gepfändeten Kleidern aus neben jedem Altar,
Wein von Bußgeldern trinken sie im Haus ihres Gottes . . . .
(5,10) Sie hassen den, der im Tor zur Gerechtigkeit mahnt, und wer Wahres redet, den verabscheuen sie.
(11) Weil ihr vom Hilflosen Pachtgeld annehmt und sein Getreide mit Steuern belegt,
darum baut ihr Häuser aus behauenen Steinen – und wohnt nicht darin,
legt ihr euch prächtige Weinberge an – und werdet den Wein nicht trinken.
(12) Denn ich kenne eure vielen Vergehen und eure zahlreichen Sünden.
Ihr bringt den Unschuldigen in Not, ihr lasst euch bestechen und weist den Armen ab im Tor.“
Bis in das Kirchenrecht hinein, so auch den CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983, wird festgehalten, dass das caritative Wirken eine der Grundfunktionen von Kirche ist. Dass Hilfe für die Armen, für die Notleidenden ein Markenzeichen für das Christentum zu sein hat, wird schon in frühen christlichen Schriften außerhalb des Neuen/Zweiten Testaments betont, so etwa in der Didaskalie und dem Brief an Diogenet. Der für Armenfürsorge in der römischen Kirche zuständige Diakon Laurentius gewann solches Ansehen in der Gesamtkirche, dass er namentlich im Römischen Messkanon, dem Ersten Hochgebet, erwähnt wird (siehe Gedanken zur Woche 22-b). Die Bestellung der ersten Diakone geschah bereits im Neuen/Zweiten Testament in Hinblick auf das sozial-caritative Wirken (siehe Gedanken zur Woche 46 und 58-b).
Die Beurteilung von politischen Führungskräften, Landesfürsten zum Beispiel, richtete sich in der kirchlichen Überlieferung gerade danach, wie hilfsbereit sich solche gegenüber den Armen, den sozial Schwachen verhielten. Als sich im Mittelalter das kirchliche Gerichtswesen stärker entwickelte, sollte sich dieses gerade um Reisende, Fremde, die Witwen, Waisen und Armen in wohlwollender Weise kümmern und diesen zur Verfügung stehen.
Ebenso sollte der Kampf für christliche Eheideale und das allmählich ausgefeiltere kirchliche Eherecht dem Schutz gegen Willkür und namentlich sexuelle Gewalt dienen. So schlimme Einrichtungen wie Frauenraub und die sogenannte Kebsehe waren allein schon von daher kirchlicherseits zu bekämpfen.
Zum Ideal des edlen christlichen Ritters gehörte ganz wesentlich dessen Einsatzbereitschaft für die Schwachen in der Gesellschaft, namentlich die Witwen und Waisen. Dieses Ideal fand später dann seinen Niederschlag in Romanen und Unterhaltungsfilmen.
Es entstanden eigens Orden und ordensähnliche Gemeinschaften wie Vereine von Katholikinnen und Katholiken, um sich sozialer Anliegen anzunehmen, den Schwachen in dieser Welt zu helfen.
Ganz in diesem Sinne hatte sich die heilige Elisabeth von Thüringen eingesetzt. Zu ihr steht der Welttag der Armen in eigener sehr enger Beziehung. Ihr Ehemann Ludwig IV. von Thüringen war ebenfalls eine Persönlichkeit mit bemerkenswertem Engagement (siehe Gedanken zur Woche 36). Dass sein Andenken ziemlich in Vergessenheit geriet, ist allein schon in kultureller Hinsicht samt Pflege von Geschichtsbewusstsein ein Verlust.
Schon gar nicht sollte dann auch noch vergessen werden, dass Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben „Misericordia et misera“ ausdrücklich die Beichtvollmacht für die Priester der Priesterbruderschaft St. Pius X. noch einmal bestätigte, wie er dies schon vorher in seinem Schreiben vom 1. September 2015 zur Gewährung des Ablasses zum außerordentlichen Jubiläum der Barmherzigkeit getan hatte (siehe Gedanken zur Woche 51-b und https://www.vatican.va/content/francesco/de/letters/2015/documents/papa-francesco_20150901_lettera-indulgenza-giubileo-misericordia.html).
1. Lesung: Dan 12,1-3
2. Lesung: Hebr 10,11-14.28
Evangelium: Mk 13,24-32
Gedanken zur Woche 86-b, Dr. Matthias Martin
33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Passend zur Durchführung des Welttages der Armen am Sonntag als liturgischen Wochenbeginn wird in der 33. Woche im kirchlichen Jahreskreis nach der bei uns üblichen Ordnung der Gedenktag der heiligen Elisabeth von Thüringen begangen. Die am 33. Sonntag im Jahreskreis, eben dem Welttag der Armen, durchzuführende Sammlung für die Caritas wird ja auch die Elisabethsammlung genannt. Dabei verdeutlicht die besondere Verehrung welche die heilige Elisabeth von Thüringen zweierlei: Zum einen, dass sich wahres Christsein in der von der Gottesliebe natürlich nicht zu trennenden Nächstenliebe, im Tun guter Werke verwirklicht. Die heilige Elisabeth von Thüringen hat das in die Tat umgesetzt, wovon die Heilige Schrift und unverfälschte kirchliche Überlieferung Zeugnis geben, und wozu sie eindringlich auffordern. Zum anderen verdeutlicht die herausragende Stellung der heiligen Elisabeth die Bedeutung, welche Frauen in den meist Mittelalter genannten Zeiten gewinnen konnten.
In Richtung einer starken Stellung von Frauen in einem authentischen Christentum weist uns dabei schon die andere besonders berühmte heilige Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers und Cousine der Mutter Jesu Maria. Diese heilige Elisabet(h) wird bereits im Ersten Kapitel des Lukasevangeliums vorgestellt, und das nicht mit deutlich kritischem Akzent wie ihr Ehemann Zacharias (Lk 1,5-25). In der sehr bekannten Verkündigungsszene mit Maria und dem Engel Gabriel wird diese Elisabeth namentlich genannt, als Verkörperung von Hoffnung und Vertrauen in Gott (Lk 1,36). Anschließend kommt es im Verlauf des Lukasevangeliums zur Begegnung zwischen Maria und Elisabet(h). Man sollte nicht überlesen oder verdrängen, dass Maria, als sie das Haus ihrer Verwandtschaft betritt, dort Elisabeth begrüßt. Der männliche Hausherr Zacharias wird gewissermaßen links liegen gelassen (Lk 1,40), was ganz offensichtlich manches männliches Wesen noch heute irritiert bis ärgert. Anschließend wird berichtet, dass Elisabet(h) vom heiligen Geist erfüllt, wichtige, im Evangeliumstext überlieferte Worte zu Maria sprach (Lk 1,41-45). Maria antwortet auf diese markanten Worte mit dem ins Stundengebet der Kirche eingegangen Magnificat (Lk 1,46-55). Wenig später wird von der erfolgreichen Geburt Johannes des Täufers durch eben seine Mutter Elisabet(h) berichtet (Lk 1,57-66).
Dabei steht in dieser 33. Woche im liturgischen Jahreskreis die heilige Elisabeth von Thüringen als Frau nicht allein mit einer ganz bemerkenswerten Aussagekraft. Da ist etwa nach dem jetzt meist verwendeten liturgischen Kalender die heilige Margareta von Schottland. In ihrem unermüdlichen Wirken sowohl für das Bildungswesen wie für die soziale Fürsorge unterstrich sie auf ihre Weise sowohl den Zusammenhang von Glauben und Vernunft wie, dass der Glaube sich in den Werken, im Tun des Guten zu verwirklichen hat. Selbstverständlich machte auch diese katholische Herrscherin deutlich, welche herausragende Bedeutung Frauen im offensichtlich gar nicht immer so finsteren Mittelalter gewinnen konnten. Eigens stellte Papst Leo XIII. die Bedeutung dieser großartigen Persönlichkeit in seiner so lesenswerten Enzyklika „Caritatis Studium“ vom 25. Juli 1898 heraus. Darin werden so wichtige Themen wie das Verhältnis von Heiliger Schrift und Kirche, von Messopfer der Kirche und Kreuzesopfer Christi behandelt und eben auch die Würde der Frau verdeutlicht wie die Sympathie der katholischen Kirche für eine Nation wie die schottische nach Jahrhunderten des Leids nach der Unterwerfung, welche die heilige Margareta in ihrem irdischen Leben nicht mehr erleben musste und doch mit ihrem Wirken half, für immerhin lange Zeit zu verhindern (https://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_25071898_caritatis-studium.html ).
Das Erbe einer so herausragenden Frau wie der heiligen Margareta ist sicher nicht so einfach tot zu kriegen. Wenn darauf hingewiesen wird, dass Margareta, obwohl selber nicht aus Schottland stammend, der gälischen Sprache so positiv gegenüberstand, dann passt dazu, dass Gälisch zusammen mit Englisch, Scots und der Britischen Zeichensprache heutzutage eine der offiziellen Sprachen Schottlands ist (https://www.scotland.org/about-scotland/facts/scotlands-languages und https://www.gov.scot/policies/languages/ ). Damit werden in Schottland, dem Hauptwirkungsgebiet der heiligen Margareta, offiziell anerkannt drei Sprachen gesprochen, eben Gälisch, Englisch und Scots (https://schottlandinfos.de/schottische-sprache ). Sowohl der Schutz und die Förderung des Gälischen (https://www.gov.scot/policies/languages/gaelic/#g%C3%A0idhlig und https://www.legislation.gov.uk/asp/2005/7/contents ) wie des Scots (https://www.gov.scot/policies/languages/scots/ und https://www.gov.scot/publications/report-ministerial-working-group-scots-language/ ) ist in der offiziellen Politik Schottlands unserer Tage fest verankert.
Gleichfalls eine herausragende Frau war die heilige Gertrud von Helfta. Ihre Bedeutung ist so gewaltig, dass sie mitunter mit dem Ehrentitel „die Große“ bezeichnet wird. Sie erhielt im Zisterzienserinnenkloster Helfta zunächst eine für die damalige Zeit beachtliche wissenschaftliche Ausbildung. Gerade als bedeutende Mystikerin hinterließ sie verschiedene Schriften. Nicht zuletzt übersetzte sie Teile der Bibel ins Deutsche. Zum einen haben wir also wieder eine Frau vor uns, welche in Zeiten des Mittelalters zu großer Bedeutung gelangte. Dabei steht Getrud von Helfta, die Große, im Besonderen für die Möglichkeiten, welche die deutsche Reichskirche zumindest einigen Frauen bot, und dies eben von den Tagen des Mittelalters an bis hin zur Auflösung der alten deutschen Reichskirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts als Folge der französischen Expansionspolitik und den dahingehenden Handlangerdiensten, insbesondere deutscher Fürsten (siehe Gedanken zur Woche 12-b, 27-b, 29-b und 66-b ). Dann macht das Wirken dieser Heiligen wieder einmal deutlich, dass Martin Luther beileibe nicht der erste war, welcher sich an die Übersetzung der Bibel ins Deutsche macht. Bleibt die Frage, wann einmal unsinnige Klischees zumindest in Teilen der mitteleuropäischen Gesellschaft spürbar an Boden verlieren.
Dass das Mittelalter oft anders war, als von vielen heute gedacht, macht auch ein heiliggesprochener Mann deutlich, dessen gerne wie der heiligen Margareta von Schottland am 16. Dezember gedacht wird. Es ist dies Albert der Deutsche oder Albertus Magnus. Mitunter wird er auch Albert „der Große“ genannt. Auch hier wieder, wie bei der heiligen Gertrud, jemand, der nie Krieg führte, der keine Armee kommandierte und trotzdem von vielen Menschen den Ehrentitel „der Große“ zuerkannt bekam. Ausdrücklich ist er als Kirchenlehrer anerkannt. Der Dominikaner hinterließ ein breitgefächertes schriftstellerisches Werk. In dem Beitrag „Albertus Magnus“ von Georg Wieland in Band I der Sonderausgabe von 2006 der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK heißt es in den Abschnitten 338-339 u.a.:
„As eigentl u für die geistige Entwicklung des Ma entscheidende Leistung liegt nicht primär in der Theologie, sondern im Bereich der profanen Wissenschaften u Philosophie. Er kannte nicht nur das gesamte einschlägige Material seiner Zeit, sondern hat es den Zeitgenossen in dem großen Unternehmen der „Aristoteles-Paraphrase“ auch z Verfügung gestellt u zwar nicht enzyklopädisch, sondern nach philos Gesichtspunkten geordnet. . . . Der wiss Aristotelismus der Artistenfakultät bezieht sich ebenso auf A wie die Vertreter der dt spekulativen Mystik. – In der Gesch der Botanik u Zoologie nimmt A einen bleibenden Platz ein.“
So haben all diese Heiligen über die Jahrhunderte hin ihre ganz starke Aussagekraft. Sie stehen gegen Obskurantismus und falsche Frömmelei und für die Würde der Frau, ja überhaupt Menschenwürde wie auch ein positives Verhältnis von Glauben und Vernunft einschließlich der Pflege der jeweiligen menschlichen Sprache.
Gedanken zur Woche 85, Dr. Matthias Martin
32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Beim Durchlesen des ersten Teils des nach der bei uns üblichen Leseordnung vorgesehenen Sonntagsevangeliums kam mir spontan ein Gemälde des österreichischen Malers Carl Schleicher in den Sinn. Nun hat dieser 1825 geborene österreichische Maler ja eine ganze Reihe bemerkenswerter Werke hinterlassen (siehe z.B. http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/carl-schleicher/ und https://second.wiki/wiki/carl_schleicher#Enlaces_externos). Darunter ist auch im guten Sinne mehr als ein Werk, welches das jüdische Geistesleben und hier gerade das Ringen um die richtige Auslegung der religiösen Überlieferung zum Thema hat. Besonders kam mir aber genau das Gemälde „Eine Streitfrage aus dem Talmud“ (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Carl_Schleicher_Eine_Streitfrage_aus_dem_Talmud.jpg) in den Sinn. Nicht umsonst gibt es die Redensart „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“. Immer wieder bekam ich auch im Laufe meiner Tätigkeit zu hören, wie beeindruckend doch dieses oder jenes Gemälde, die ein oder andere Ausgestaltung eines Altares, etwa eine bestimmte Statue oder Bilderreihe sei. Das Gemälde „Eine Streitfrage aus dem Talmud“ verdeutlicht nun sehr anschaulich, welche lebendige Debatten- ja Streitkultur sich im Judentum über die Zeiten entwickelt und am Leben erhalten hat. Wenn man dieses Bild betrachtet, ist man versucht zu fragen, ob die dort dargestellten jüdischen Geistesmänner nicht alsbald gegeneinander handgreiflich geworden sind. Wenn man sich mit jüdischem Selbstverständnis in unserer Zeit beschäftigt, stößt man immer wieder auf einen ausgeprägten Meinungs- und Verhaltenspluralismus, der als eine Grundgegebenheit jüdischer Geschichte angenommen und akzeptiert wird. Man blicke auch nur in Richtung des modernen Staates Israel. Dort sind ja die jüdischen Politikerinnen und Politiker keineswegs „ein Herz und eine Seele“. Deutliche Meinungsverschiedenheiten treten dieser Tage heftig unter den im gegenwärtigen offiziellen und so krisengeschüttelten französischen Machtbereich lebenden Jüdinnen und Juden zutage. Man kann hier natürlich auch an England, Schottland und Wales denken, mit den dort immer wieder offenkundigen Meinungsverschiedenheiten zwischen jüdischen Menschen, egal ob es um Speisevorschriften oder handfeste Politik geht.
So darf man sich umso weniger wundern, wenn es schon zu Zeiten des Neuen Testamentes manch scharfes Wort, ja manche Gewalttat. zwischen Juden gab. Für mit den Römern kollaborierende Sadduzäer war es besser, nicht antirömischen Widerstandskämpfern, oft genannt Zeloten, in die Hände zu geraten. Die Zeloten ihrerseits waren in sich mitunter heftig befehdende Fraktionen aufgespalten (siehe Gedanken zur Woche 40 und 84).
Im Judentum unserer Tage wird es bei manchem Vortrag Jesus von Nazaret ausdrücklich zugutegehalten, dass er jüdischen Gesprächspartnern mitunter heftig die Meinung sagte. Er habe damit seine wohlwollende Anteilnahme in gegenseitiger Verbundenheit unter Beweis gestellt. Wenn ihm diese jüdischen Menschen nicht etwas bedeutet hätten, hätte er sich nicht mit ihnen so engagiert abgeben müssen. Man vergesse hier nicht die altbekannte jüdische Debatten- bis Streitkultur, verbunden mit dem bemerkenswerten innerjüdischen Pluralismus.
So sind die deutlichen Worte gegen die bei diesem Einzelanlass angesprochenen „Schriftgelehrten“ nicht im Sinne einer Verallgemeinerung misszuverstehen, und schon gar nicht sollten sie in diesem Sinne missbraucht werden. Man findet ja auch mehr als eine Stelle allein schon in den synoptischen Evangelien, wo ausdrücklich Konsens zwischen einem Schriftgelehrten und Jesus herrschte und dergleichen mehr (siehe als Anregung für weitere Beschäftigung Gedanken zur Woche 84). Die verschiedenen jüdischen Gruppierungen oder Strömungen hatten jeweils ihre Schriftgelehrten. Da diese bekanntlich immer wieder unter einander bis in Grundsatzfragen hinein nicht übereinstimmten, konnte auch Jesus von Nazaret nicht mit allen übereinstimmen. Dazu sollten gerade Menschen, welche sich Christen nennen, mit herabwürdigenden Generalisierungen, aufhetzender Wortwahl, sehr vorsichtig sein. In der von manchem als Schlagwort im Munde geführten Bergpredigt heißt es:
„(Mt 5,21) Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein. (22) Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.“
An anderer Stelle in den Evangelien kritisiert Jesus von Nazaret zwar deren Lebenswandel, fordert aber zugleich dazu auf, das zu tun, was Schriftgelehrte lehren:
"(Mt 23,1) Darauf sprach Jesus zum Volk und seinen Jüngern (2) und sagte: Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und die Pharisäer. (3) Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht.“
Jesus setzte sich wohl oder übel mit einem Phänomen auseinander, das in der Menschheitsgeschichte immer wieder begegnet. Eine Bewegung wird von idealistischen, opferbereiten Menschen ins Leben gerufen beziehungsweise getragen. Wenn aber diese Bewegung, sei es eine religiöse Richtung oder etwa eine politisch-militärische Formation, sich in der Gesellschaft etabliert hat, wenn sie prestigereiche Positionen oder gar unangefochtene Macht in einer Gesellschaft erlangt hat, findet eine Korrumpierung statt. Idealismus weicht, und menschliche Schwächen kommen massiv zum Vorschein. Nach der eigenen Karriere schauen, es sich in sogar peinlicher Weise richten wollen, begegnete uns etwa anhand der Zebedäussöhne aber schon jüngst im Sonntagsevangelium, in der Entwicklung des Christentums also schon vor Karfreitag und Ostern. Und in der Apostelgeschichte wird erwähnt, dass schon es in der Urgemeinde zu Jerusalem interne Probleme bis hin zu handfestem Betrug gab (siehe Gedanken zur Woche 82). Egal ob man beispielsweise in den Judasbrief, die mehr oder minder oft so bezeichneten Paulusbriefe, in die Johannesbriefe oder in den Jakobusbrief blickt, innerchristliche Auseinandersetzungen treten schon im Neuen/Zweiten Testament massiv zutage.
Schon ganz früh war dann nicht zuletzt die Frage des richtigen Eherechts, nach der wahren Lehre von der Ehe, unter Christen und Christinnen Anlass für Streit bis hin zu Kirchenspaltungen. Da gab es schon in früher Zeit solche, die es möglichst streng haben wollten und sich letztlich von der Hauptrichtung des Christentums trennten. Da gab es betont freizügige Strömungen. Der Namenspatron von St. Pölten, der heilige Hippolyt, forcierte nicht zuletzt in Eheangelegenheiten die Auseinandersetzung mit dem heute als rechtmäßigen Papst angesehenen Kallistus/Calixtus I. Auch später waren Christinnen und Christen in allen möglichen Angelegenheiten alles andere als ein Herz und eine Seele, bis hin zu offenen Gewalttätigkeiten. Gerade zu Ehefragen gab es und gibt es immer wieder Auseinandersetzungen.
In unserer Zeit ist sicher allein schon beim skandalösen Fehlverhalten katholischer Kleriker und anderer Kirchenmitarbeiter dringendst Handlungsbedarf angesagt (siehe Gedanken zur Woche 64-b und 67-b). Hier gilt es vieles aufzuarbeiten und vieles endlich abzustellen, anstelle seitens von Kirchenvertretern mit dem Finger auf andere zu zeigen.
1. Lesung: 1 Kön 17,10-16
2. Lesung: Hebr 9,24-28
Evangelium: Mk 12,38-44 (oder 12,41-44)
Gedanken zur Woche 85-b, Dr. Matthias Martin
32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Es herrscht bei Katholiken wie Nichtkatholiken sehr oft die Meinung vor, die höchste aller einzelnen Kirchen sei in der römisch-katholischen Weltkirche der Petersdom/die Peterskirche im Vatikan. Dass dem aber nicht so ist, sondern offiziell die Lateranbasilika, deren Weihetag am 9. November begangen wird, diesen Ehrenplatz einnimmt, wird rasch klar, wenn man sich die Angelegenheit eigens etwas unvoreingenommen betrachtet.
So heißt es etwa in dem 1961 erschienenen Volksschott für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus auf Seite 1116:
„Die Erzbasilika des allerheiligsten Erlösers ist die ˂Mutterkirche˃ aller Kirchen des Erdkreises, seit dem 4. Jahrhundert die Hauptkirche Roms, die eigentliche Kathedrale des Papstes, deshalb auch eine der bedeutendsten Stationskirchen.“
In dieselbe Richtung werden wir z. B. auch in der Kleinausgabe von 2001 des Messbuchs für die Feier der Heiligen Messe in der nachkonziliaren Liturgie auf Seite 838 gewiesen.
In beiden Fällen wird ausdrücklich auf die Bedeutung von Kaiser Konstantin, oft genannt „der Große“, für die Entwicklung der Lateranbasilika hingewiesen. Beim deutschen Messbuch für die Feier der Heiligen Messe in der nachkonziliaren Liturgie wird der Bischof von Rom Silvester I. gar nicht erwähnt.
Im Artikel über Silvester I. von Johann Peter Kirsch in Band IX von 1937 der ersten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK, Abschnitt 559, wird vor Übertreibungen bezüglich der Bedeutung Papst Silvesters I. gewarnt. Unter anderem heißt es:
„Wie weit er an der Errichtung der Lateran- u Peterskirche durch Konstantin beteiligt war, entzieht sich der Kenntnis.“
Es gäbe da die „reichen Legenden, die bes sein Verhältnis zu Konstantin berühren“ (Abschnitt 559-560). Angebliche Quellen zugunsten solchen Legendenstoffes seien demnach nicht ernst zu nehmen beziehungsweise werden ausdrücklich als Fälschungen bezeichnet. Recht nüchtern ist auch der Beitrag von J. Sauer über den Lateran in Band VI von 1934 der ersten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK, Abschnitt 401-403 gehalten. Von erst nach Jahrhunderten auftauchenden und wohlgemerkt anderen Überlieferungen und gesicherten historischen Quellen direkt widersprechenden Legenden will man auch hier nichts wissen. Eine Taufe Kaiser Konstantins des Großen durch Papst Silvester I. wird längst gerade von betont katholischer Seite in Abrede gestellt und betont, dass sich der Kaiser erst auf seinem Sterbebett, und das dazu von einem arianischen Geistlichen taufen ließ (siehe Gedanken zur Woche 42-b, 66-b, 79). Im Laufe seiner langen Regierungszeit verhielt sich dieser Kaiser zusehends freundlich gegenüber den das Glaubensbekenntnis von Nicäa zurückweisenden Arianern. Unter anderem schickte er Kirchenvater Athanasius den Großen in die Verbannung. Ebenso schreckte Konstantin nicht vor der Hinrichtung engster Familienangehöriger zurück. Er war und blieb bis zu seinem Ableben ein sehr energischer Herrscher des römischen Gesamtreiches, von dem er keinen Teil an irgendjemanden abtrat, auch nicht an einen römischen Bischof.
Auch in der Ausgabe aus dem Jahre 2008 „Der große Namenstagkalender“ von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht weist man in Zusammenhang mit Silvester I. vermeintlich fromme Legendenbildungen bis plumpe Urkundenfälschungen grundsätzlich zurück (Seite 448):
„314 wählte man ihn zum Bischof von Rom. Unter ihm errichtete man durch die Förderung Kaiser Konstantins neben mehreren anderen kirchlichen Bauten auch die erste Peterskirche in Rom. Silvester starb am 31. Dezember 335. . . . Erst seit dem 5. Jh verband die Legende fälschlich seinen Namen mit der Taufe Konstantins.“
Wie die erste Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK weist auch die zweite Ausgabe des LThK deutlich, ja scharf, in diese Richtung. Dort heißt es in dem Beitrag von Hans Ulrich Instinsky über Silvester I. in Band IX. von 1964, Abschnitt 757-758:
„. . . Sonst erscheint sein Name nicht bei den durch Konstantin I. d Gr ausgelösten Entscheidungen, doch förderten Schenkungen u Bauten des Kaisers . . . auch die röm Kirche. Für die Entwicklung des Primats hat S keine erhebl Bedeutung. Erst seit dem 5. Jh verband die Legende fälschlich, aber nicht ohne Tendenz S mit Bekehrung u Taufe Konstantins; ihrer bediente sich später der Fälscher der sog. Konstantinischen Schenkung. – Eine Fälschung ist auch der sog. Canon Silvestri (Constitutum Sylvestri); . . .“.
In diesem Zusammenhang sei eigens auch auf die ebenfalls lesenswerten Beiträge von Ludwig Voelkl „Lateran I. Palast u. Basilika“ in Band VI von 1961 der zweiten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK, Abschnitt 813-815, und von Hugo Brandenburg „Lateran. 1) Basilika u. Palast“ in Band VI der Sonderausgabe von 2006 der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK, Abschnitte 663-666 hingewiesen.
Wiederum besonders deutlich ist der Artikel über Silvester I. von Thomas Böhm in Band IX der Sonderausgabe von 2006 der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK, Abschnitt 587, wie er in der betreffenden Sonderausgabe von 2006 zu lesen ist:
„. . . Von S sind keine echten Schriften erhalten. . . So blieb er nahezu ohne Bedeutung für die Politik Konstantins, obwohl dieser durch Schenkungen auch die röm Kirche förderte. Seit dem 5. Jh bildete sich die Legende, S sei unter Diocletian Confessor gewesen u habe Einfluß auf Bekehrung u Taufe Konstantins gehabt. Sie wurde zu einer der Grundlagen für die Konstantinsche Schenkung, die ebenso gefälscht ist wie der „Canon Silvestri“ (Constitutum Syvestri).“
Wenn heute der Lateran exterritorial ist und nicht zur Republik Italien gehört, so ist dies durch die Lateranverträge von 1929 geregelt. Als diese zuerst ausverhandelt, dann unterschrieben und schließlich ratifiziert wurden, berief sich niemand auf etwas wie die sogenannte Konstantinische Schenkung. Dabei blieb es, als nach dem II. Weltkrieg die Lateranverträge als Teil der italienischen Verfassungsordnung anerkannt wurden (http://www.verfassungen.eu/it/ital48-i.htm ). Frei von Legendenbildung ist der Lateran, ist die Lateranbasilika, etwas Besonderes. Dies gilt nicht zuletzt in Hinblick auf die im Lateran abgehaltenen Konzilien. Die Bedeutung der Lateranbasilika ersieht man auch daran, dass nach einer über die Jahrhunderte überlieferten Meinung derjenige rechtmäßiger Papst sei, welcher die Lateranbasilika als erste aller Kirchen weltweit und Bischofskirche von Rom innehabe (siehe Gedanken zur Woche 61-b).
Gedanken zur Woche 84, Dr. Matthias Martin
31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Heutzutage wird gerne das Klischee gepflegt, Jesus von Nazaret auf der einen Seite, die sogenannten Schriftgelehrten auf der anderen seien einander spinnefeind gewesen. Gewisser Beliebtheit erfreut sich auch die polemisch vorgetragene Verallgemeinerung, wonach die jüdische Hauptrichtung der Pharisäer generell feindlich gegen Jesus von Nazaret eingestellt gewesen sei.
Dass vor solchen Parolen und Schlagworten zu warnen ist, verdeutlicht gerade das Sonntagsevangelium in diesem Jahr für den letzten Sonntag im Oktober. Da spricht ein als Schriftgelehrteer bezeichneter Mensch Jesus von Nazaret an. Er hatte die vorher stattfindende Diskussion Jesu mit den Sadduzäern offensichtlich aufmerksam verfolgt und war aufgeschlossen bis angetan für die Positionierung Jesu und ihre theologische Begründung von den Büchern Mose her. Dabei ist zu bedenken, dass unter den damals existierenden Hauptrichtungen des Judentums es sich die Sadduzäer zwar komfortabel als Kollaborateure mit den Römern arrangiert hatten, sie aber die einzigen waren, zu denen Jesus von Nazaret und die Jünger offensichtlich keine positiv zu verstehenden Beziehungen hatten. Bereits nach dem Ersten Jüdischen Krieg mit der Zerstörung des Tempels von Jerusalem verschwanden die Sadduzäer aus der Geschichte (siehe Gedanken zur Woche 40, 52 und 53). Die ihrerseits stark in Einzelgruppen aufgespaltenen Zeloten mit ihrer scharfen bis gewalttätigen Abgrenzung gegen die römerfreundlichen Sadduzäer haben zumindest bis zum Ausgang des Zweiten Jüdischen Krieges durchgehalten. Den zahlenmäßig besonders überschaubaren Essenern wurde insbesondere mit der Entdeckung der Schriftrollen vom Toten Meer, den Funden von Qumran (https://www.touristisrael.com/qumran/9374/), ein gewaltiger literarisch-theologischer Nachruhm zuteil. Auch archäologisch interessiert man sich längst für diese doch so bemerkenswerte und einstig lebendige Richtung des Judentums.
Überlebt haben in gewandelter Form die unter sich noch einmal ausdifferenzierten Pharisäer. Statt auf politische Winkelzüge zu bauen, hatten sich diese auf ein den politisch Mächtigen gegenüber oft betont unangepasste Orientierung gestützt und enorm viel Fleiß in die Lebendigerhaltung und Fortentwicklung jüdischer Religion und dessen eingesetzt, was zusammenfassend oft „das Gesetz“ genannt wird. Gerade in den letzten Jahrzehnten wurden Jesus von Nazaret, der Apostelkreis bis hin zu Johannes dem Täufer einmal mehr eben mit den Pharisäern, den Essenern oder aber den, wie gerade die Pharisäer, unter sich aufgespaltenen Zeloten in Beziehung gesetzt.
Bei den Diskussionen über Fragen des jüdischen Gesetzes, richtiges moralisches Verhalten, stellt sich bei manchem und mancher die Frage, ob denn nun in erster Linie dieser oder jene pharisäische Gelehrte beziehungsweise seine Richtung sich von Jesus von Nazaret habe anregen lassen, oder ob es mit der Anregung und intellektuellem Einfluss vor allem in die andere Richtung gegangen sei.
Nur mit den Sadduzäern wurden Jesus von Nazaret und der Apostelkreis noch nicht von irgendwie ernstzunehmender Seite in ein positives Verhältnis gesetzt oder gar Jesus beziehungsweise dem ein oder anderen Mitglied des Apostelkreises eine Mitgliedschaft bei den Sadduzäern zugeschrieben. Ich erinnere mich, wie eine betont katholisch-traditionell eingestellte Studienkollegin sich vor Jahren amüsierte, dass die Sadduzäer die einzige größere Richtung im damaligen Judentum gewesen seien, zu deren Mitglied bisher noch kein Schriftsteller Jesus von Nazaret gemacht habe. Grundsätzlich lässt sich die gleiche Feststellung für den Apostelkreis und Johannes den Täufer treffen.
In der Überlieferung nach dem Markusevangelium wird berichtet, dass der Schriftgelehrte der Antwort Jesu ausdrücklich zustimmte. In der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung heißt es dazu „(Mk 12,32) Da sagte der Schriftgelehrte zu ihm: Sehr gut Meister! Ganz richtig hast du gesagt . . .“ Dasselbe Bild ergibt sich in beiden anderen synoptischen Evangelien, dem Matthäus- (Mt 22,34-40) und dem Lukasevangelium (Lk 10,25-28). Ins Auge springend ist dabei, dass die Antwort auf die Frage nach dem wichtigsten der Gebote eine Kombination aus dem Buch Deuteronomium und dem Buch Levitikus ist, also aus zwei der Fünf Bücher Mose, des Pentateuchs, auch genannt „Thora“, was eben so viel heißt wie das „Gesetz“ (siehe Gedanken zur Woche 59, 71 und 81). Diese Kombination ergab dann eben das, was heute das doppelte Liebesgebot genannt wird.
Dazu passen auch die Verse im Hebräerbrief nach der bei uns für diesen Sonntag vorgesehenen Zweiten Lesung, wenn es in der neuen deutschen Einheitsübersetzung heißt:
„(13,1) Die Bruderliebe soll bleiben. (2) Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt! (3) Denkt an die Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen; denkt an die Misshandelten, denn auch ihr lebt noch in eurem irdischen Leib!“
Dazu mögen eine ganze Reihe weiterer Stellen aus der Bibel in den Sinn kommen, aus dem Alten wie dem Neuem Testament, auch genannt das Erste und das Zweite Testament., beginnend eben mit den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch, bis etwa in die neutestamentlichen Briefe hinein. Das Tun guter Werke wird dann eigens noch im letzten Buch der Bibel thematisiert, etwa wenn es heißt:
„(Apk/Offb 20,12) Ich sah dem die Toten vor dem Thron stehen, die Großen und die Kleinen. Und Bücher wurden aufgeschlagen; und ein anderes Buch, das Buch des Lebens, wurde geöffnet. Die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern aufgeschrieben war, nach ihren Taten. (13) . . . Sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Taten.“
So sind wir alle aufgerufen, diese doppelte Liebe zu verwirklichen zu Gott und zu den Menschen. Richtig verstanden widersprechen dem nicht „Gesetz“ oder „Gebot“ wenn wir davon in der Bibel lesen oder hören. Gesetze, Gebote, eine objektive Ordnung sollen ja den Menschen dienen, ein gutes Zusammenleben fördern. Darüber haben sich auch so große Philosophen wie Aristoteles und Thomas von Aquin ihre Gedanken gemacht. Gibt es da im staatlichen oder im kirchlichen Leben Fehlentwicklungen, so ist an deren Korrektur zu arbeiten. Die anstehende umfassendere Änderung des CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS (CIC) bestätigt dies. Dass in den letzten Jahrzehnten vieles innerkirchlich in eine bedenkliche oder gar wirklich schlechte Richtung lief, ist ehrlicherweise nicht zu bestreiten. Eine verstärkte Besinnung auch wieder auf Schriften des Alten/Ersten Testamentes anstelle von unbedachten bis wirklich üblen Äußerungen so manches Kirchenvertreters tut da gut.
1. Lesung: Dtn 6,2-6
2. Lesung: Hebr 7,23-28
Evangelium: Mk 12,28b-34
Gedanken zur Woche 84-b, Dr. Matthias Martin
ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN - 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Das Hochfest/Fest I. Klasse von ALLERHEILIGEN verbunden mit dem Gedenktag/Fest I. Klasse von ALLERSEELEN ist sicher besonders in der öffentlichen Wahrnehmung verankert und Teil von so etwas wie der allgemeinen Kultur. In verschiedenen Ländern und Territorien rund um den Globus ist gerade ALLERHEILIGEN ein offizieller Feiertag. Verwirrung stiftet mitunter die Tatsache, dass in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und in der Schweiz (CH) es Bundesländer beziehungsweise Kantone gibt, in denen ALLERHEILIGEN staatlicher Feiertag ist, und solche, in denen dies nicht der Fall ist. Um die Dinge zu verkomplizieren gibt es schweizer Kantone, in denen ALLERHEILIGEN in einigen Teilen ein staatlicher Feiertag ist, und solche, wo diese Regelung nicht gilt. Von den deutschsprachigen Ländern (siehe zur Beteiligung an der Herausgabe des Deutschen Messbuchs und dazugehöriger Lektionare Gedanken zur Woche 43-b) erkennen Österreich, Liechtenstein und Luxemburg ALLERHEILIGEN flächendeckend als staatlichen oder öffentlichen Feiertag an. Im Rahmen der jeweiligen landesweiten Gesetzgebung der gegenwärtigen Staatsverbände von Belgien (siehe eigens Gedanken zur Woche 13-b), Frankreich und Italien ist ALLERHEILIGEN auch für die Gebiete der Erzdiözese Straßburg, der Diözesen Metz (Elsass-Lothringen), Bozen-Brixen (Südtirol) und Lüttich anerkannt.
ALLERSEELEN erfreut sich nicht solch starker öffentlich-rechtlicher Anerkennung, besitzt aber verbunden mit ALLERHEILIGEN konfessions- und länderübergreifend im religiösen Leben wie in der allgemeinen Volkskultur einen enorm wichtigen Platz. Ähnlich verhält es sich mit traditionellem Tag des heiligen Valentin, dem Valentinstag (siehe Gedanken zur Woche 49-b). Man muss keine Katholikin, kein Katholik sein, um etwas Besonderes mit ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN zu verbinden und dementsprechend im Jahresverlauf einen eigenen Platz dafür einzuräumen. Auf der anderen Seite ist es Möglichkeit, Herausforderung und letztlich auch Verpflichtung von kirchenamtlich tätigen Personen, populäre Anknüpfungspunkte, wie ALLERHEILIGEN, ALLERSEELEN und VALENTINSTAG aufzugreifen und so Menschen für das Christentum im Allgemeinen und kirchliches Leben im Besonderen anzusprechen.
Gerade junge Menschen interessieren sich oft für den ja ganz offenkundigen Zusammenhang von HALLOWEEN und ALLERHEILIGEN samt ALLERSEELEN. Ich habe das als Lehrkraft an mehr als einer Schule selber erfahren dürfen. Der historische Hintergrund sprach auch so manche Schülerin, manchen Schüler dann eigens an. So ist ja HALLOWEEN nicht vom irisch-schottischen Kulturraum zu trennen. Es wurde durch Auswanderer, Flüchtlinge und Vertriebene, nach Nordamerika gebracht. Dazu passt, dass in der seit dem 19. Jahrhundert entstandenen Konföderation von Kanada die keltische Sprache des Gälischen in ihrer schottischen Ausprägung je seine eigene Bedeutung besaß und besitzt. Es ist unbestritten, dass Gälisch in der Mitte des 19. Jahrhunderts in den britisch beherrschten Teilen Nordamerikas nach Englisch mit seinen unterschiedlichen Varianten und Französisch die am drittweitesteten verbreitete Sprache war. Eine bedeutende Provinz Kanadas trägt unangefochten den Namen NOVA SCOTIA (https://www.novascotia.com/trip-ideas), was zu Deutsch so viel wie „Neuschottland“ bedeutet. In den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte über ein wiedererwachendes Interesse an gälischer Sprache und Kultur gerade im jetzigen Kanada. In den USA dürfte nicht zuletzt das Interesse an der irischen Form des Gälischen, kurz genannt Irisch, sich zumindest gewisser Beliebtheit erfreuen. Dieser Trend wird gefördert durch die Erfolge für diese Sprachen beziehungsweise Varianten eines größeren Ganzen von Gälisch in Irland, Schottland und auf der Insel Man. Ausdrücklich ist in der nationalen Verfassung festgehalten, dass Irisch offiziell die erste Sprache der irischen Republik ist (https://www.irishstatutebook.ie/eli/cons/en/html#part2 und https://www.irishstatutebook.ie/eli/cons/en/html ). In Schottland hat die dortige Regierung die Förderung des (schottischen) Gälisch längst als politisches Ziel festgeschrieben. Ähnlich verhält es sich mit der ja gar nicht zu Großbritannien und dem sogenannten Vereinigten Königreich gehörenden Insel Man und dem Gälisch von Man, genannt auch „Manx Gaelic“ (https://web.archive.org/web/20070209231901/http://www.gov.im/education/support/external/external_manx.xml ). Längst ist Irisch eine der Amtssprachen der Europäischen Union (https://m.bpb.de/nachschlagen/lexika/pocket-europa/16629/amtssprachen-der-eu und https://de.euronews.com/2021/01/14/failte-galisch-wird-amtssprache-der-eu ). Im weiter konfliktgeschüttelten Nordirland ist irisches Gälisch/Irisch ein herausragendes Identitätsmerkmal für die katholische Bevölkerungsgruppe und der ihr freundlich gegenüber stehenden Menschen.
Nicht zuletzt verdeutlicht der mit den Tagen von ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN international verbundene Wortschatz, dass Englisch nicht gleich Englisch ist. Die Abgrenzung bezüglich Sprache und Dialekt und diversen Arten von Varianten ist nicht zuletzt hier ein facettenreiches Thema.
Natürlich muss man sich nicht in sprachwissenschaftlich und staats- bis völkerrechtliche Studien vertiefen, um ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN mitzufeiern. Ein Blick in die Bibel, etwa in Form der neuen deutschen Einheitsübersetzung, mag schon sehr gute Dienste leisten. Nicht zuletzt eine alttestamentliche Schrift wie das Buch der Weisheit hält dazu einiges bereit, so zum Beispiel:
„(3,1) Die Seelen der Gerechten aber sind in Gottes Hand und keine Folter kann sie berühren.
(2) In den Augen der Toren schienen sie gestorben, ihr Heimgang galt als Unglück,
(3) ihr Scheiden von uns als Vernichtung; sie aber sind in Frieden.
(4) In den Augen der Menschen wurden sie gestraft; doch ihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit.
(5) Ein wenig nur werden sie gezüchtigt; doch sie empfangen große Wohltat.
Denn Gott hat sie geprüft und fand sie seiner würdig.
(6) Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt und wie ein Ganzopfer sie angenommen.
(7) Zur Zeit ihrer Heimsuchung werden sie aufleuchten wie Funken, die durch ein Stoppelfeld sprühen . . . .“
Gedanken zur Woche 83, Dr. Matthias Martin
30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn die Kirche den WELTMISSIONSSONNTAG begeht, dann thematisiert sie ein ganz wichtiges Wesenselement ihrer Existenz. Vom Auftrag des Herrn, den Glauben in die Welt hinauszutragen und die Menschen aus allen Völkern zu taufen her sind die kirchlichen Grundfunktionen Martyria (Zeugnis, Verkündigung), Leiturgia (Gottesdienst einschließlich gemeinsamen Gebet, insbesondere Feier der Allerheiligsten Eucharistie) und Diakonia/Caritas (praktische, direkte Nächstenliebe, insbesondere Hilfe für Notleidende) zu verwirklichen.
Man kann auch formulieren, dass im Sinne der Weltmission eine richtig verstandene Einheit von Gedanken, Worten und Werken in die Tat umzusetzen ist.
Dabei werden wir auf den Auftrag einer die sozialen, ethnisch-kulturellen und politischen Grenzen überschreitenden Glaubensverbreitung schon vom Alten/Ersten Testament hingeführt. Jesus von Nazaret hat darauf dann eigens Bezug genommen und sein berühmter Missionsbefehl am Ende des Matthäusevangeliums steht keineswegs allein im Neuen/Zweiten Testament und ist eben grundsätzlich auch nicht vom Alten/Ersten Testament zu trennen (siehe Gedanken zur Woche 32). Vergegenwärtigen wir uns, dass es bereits im Ersten Lied vom Gottesknecht im Prophetenbuch Jesaja heißt:
„(42,4) Er verglimmt nicht und wird nicht geknickt, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf seine Weisung warten die Inseln.
(5) So spricht Gott, der HERR, der den Himmel erschaffen und ausgespannt hat, der die Erde gemacht hat und alles, was auf ihr wächst,
der dem Volk auf ihr Atem gibt und Geist allen, die auf ihr gehen.
(6) Ich, der HERR, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand.
Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen."
Im vorhergehenden Kapitel heißt es wohl mit sehr würdigenden Blick auf den persischen Großkönig Kyrus, oft genannt „der Große“, dem Überwinder des (Neu-)Babylonischen Reiches und damit verbunden Befreier der Juden:
(41,1) Ihr Inseln, hört schweigend auf mich, die Völker sollen neue Kraft empfangen!
Sie sollen herantreten und ihre Sache vorbringen, gemeinsame wollen wir vor Gericht gehen.
(2) Wer hat vom Aufgang der Sonne den erweckt, dem Gerechtigkeit folgt auf seinen Schritten?
Wer gibt ihm die Nationen preis und unterwirft ihm die Könige? . . .
(5) Die Inseln sehen es und geraten in Furcht, die Enden der Erde erzittern; sie nähern sich und kommen herbei.“
Das von 1962-1965 tagende II. Vatikanische Konzil hat dann mit „Ad gentes“ ein eigenes Missionsdekret verabschiedet (siehe Gedanken zur Woche 23). Die missionarische Sendung der Kirche wird auch in anderen Beschlüssen des II. Vatikanischen Konzils angesprochen, so in der Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ und im Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“. Mission ist dauernder Auftrag für die ganze Kirche, den Papst und die Bischöfe, Priester, Laien und Mitglieder der Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften.
Nicht zuletzt im CODEX IURIS CONOICI/CODX DES KANONISCHEN RECHTS (CIC) von 1983 wird die Missionstätigkeit gewürdigt. Als geschlossener Block verdienen hierzu gerade die Canones 781 bis 792 Beachtung. Eigens wird in Hinblick auf die Mission auch die Priesterausbildung angesprochen (Canon 256 - § 2).
Dabei sind Wortverkündigung, Feier der Sakramente und caritatives Wirken nicht auseinanderzureißen. Wie die Kirche sehr klar vor dem II. Vatikanischem Konzil verdeutlichte, ist Mission in ihrer ganzen Bandbreite namentlich nicht vom richtigen Eheverständnis zu trennen. Hier waren schon in ganzer früher Zeit deutliche Unterschiede zur Römischen Überlieferung und Praxis hervorgetreten. Die Kirche hatte auch solche Konflikte durchzustehen. Bereits der von 217/218 bis 222 amtierende Papst Kalixtus/Kallistus I. hielt fest, dass im christlichen Sinne über alle Standesunterschiede hinweg gültig Ehen geschlossen werden könnten, so auch zwischen Sklaven und Freien. Er ließ sich auch durch „christliche“ Widerstände nicht von diesem klaren und mutigen Standpunkt gegenüber dem Römischen Imperium abringen (siehe Gedanken zur Woche 72-b). Später wurde Kalixtus/Kaliistus I. gewürdigt, er habe mit dieser Kampfansage an das römische Sklavenhaltersystem in all seiner Unmenschlichkeit einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Sklaverei geleistet. Nicht umsonst wurde auch er in der Überlieferung als Märtyrer verehrt.
Im Laufe der Jahrhunderte stellte die katholische Kirche eigens heraus, dass die Ehe eines der Sakramente sei und machte dies auch in den Außenkontakten klar. So wurde beim II. Konzil von Lyon im Jahre 1274 betont:
„Dieselbe Römische Kirche hält auch fest und lehrt, dass es sieben kirchliche Sakramente gibt, nämlich die eine Taufe . . .; ein anderes ist das Sakrament der Firmung, das die Bischöfe durch Auflegung der Hände spenden, indem sie die Wiedergeborenen salben; ein anderes die Buße, ein anderes die Eucharistie,, ein anderes das Sakrament der Weihe, ein anderes die Ehe (!), ein anderes die Letzte Ölung, die nach der Lehre des seligen Jakobus Kranken gespendet wird. . . . .
Bezüglich der Ehe aber hält sie fest, dass weder ein Mann zugleich mehrere Frauen noch eine Frau (zugleich) mehrere Männer haben darf. Ist aber eine rechtmäßige Ehe durch den Tod eines der Ehegatten gelöst, so sagt sie, dass dann nacheinander eine zweite und dritte Ehe erlaubt ist, wenn dem nicht aus irgendeinem Grund ein anderes kirchenrechtliches Hindernis entgegensteht.“
Sprachliche Gegebenheiten haben sich seitdem gewandelt. So wird heutzutage gerade im deutschen Sprachraum das Bußsakrament sehr gerne die Beichte oder auch das Sakrament der Versöhnung genannt. Statt Letzte Ölung spricht und schreibt man sehr oft von Krankensalbung beziehungsweise Krankenölung. Die Zugehörigkeit der Konzilsstadt Lyon zum Verband des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ging zu Ende. Nicht zuletzt stufte dann Papst Paul VI. das II. Konzil von Lyon öffentlich herab, was die Frage anfeuerte, wieweit ein allgemeines Konzil überhaupt verbindlich sei, was ein Papst eigentlich dürfe und dergleichen (siehe Gedanken Woche 64-b). In der Definition und Verteidigung der Ehe sind aber gerade die Konzilien von (Basel – Ferrara -)Florenz und Trient dem II. Konzil von Lyon gefolgt. Dabei hatte die Kirche immer wieder Konflikte mit weltlichen Herrschaften durchzustehen.
1. Lesung: Jer 31,7-9
2. Lesung: Hebr 5,1-6
Evangelium: Mk 10,46-52
Gedanken zur Woche 83-b, Dr. Matthias Martin
30. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn die Kirche gleich zweier Apostel an einem Tag gedenkt, dann ist dies ein umso wichtigeres liturgisches Fest. Dies genau geschieht am 28. Oktober, sowohl wenn man dem liturgischen Kalender für die Feier der Heiligen Messe im Novus Ordo (Missae)/der Messe Pauls VI./nachkonziliaren Ritus/in der Erneuerten Liturgie, als auch, wenn man dem liturgischen Kalender für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus/Lateinische Messe/Messe Johannes XXIII./Messe Gregors des Großen/Messe Don Camillos etc. folgt.
Die Kirche ist ja gewissermaßen auf das Fundament der Apostel gebaut. So heißt es im neutestamentlichen Epheserbrief:
„(2,20) Ihr seid auf das Apostel und Propheten gebaut; der Eckstein ist Christus Jesus selbst. (21) In ihm wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. (22) Durch ihn werdet auch ihr zu einer Wohnung Gottes im Geist miterbaut.“
In der Zweiten Präfation von den Aposteln finden wir nach dem bei uns ja üblichen Deutschen Messbuch die Worte:
„In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, allmächtiger
Vater, zu danken durch unseren Herrn
Jesus Christus.
Durch ihn hast du die Kirche auf das Fundament der
Apostel gegründet, damit sie bis ans Ende
der Tage fortbestehe als Zeichen deiner Hei-
ligkeit und allen Menschen die Botschaft des
Heiles verkünde. . .“.
Dabei ist der zusammen mit dem heiligen Simon am 28. Oktober geehrte Apostel Judas der Apostel Judas Thaddäus, kurz genannt Thaddäus, der nicht mit Judas Iskariot, dem Verräter, zu verwechseln ist (siehe Gedanken zur Woche 69). Auf diesen Judas Thaddäus wird namentlich der Judasbrief im Neuen/Zweiten Testament zurückgeführt (siehe Gedanken zur Woche 33-b und 60), der zu den sieben Katholischen Briefen gehört. Unter der Namensform Thaddäus wird der heilige Apostel Judas zusammen mit dem Apostel Simon im Römischen Messkanon, auch genannt das Erste Hochgebet, vor der Wandlung erwähnt:
„In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche
gedenken wir deiner Heiligen.
Wir ehren vor allem Maria,
die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter
unseres Herrn und Gottes Jesus Christus.
Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef,
deine heiligen Apostel und Märtyrer:
Petrus und Paulus, Andreas,
Jakobus, Johannes, Thomas, Jakobus,
Philippus, Bartholomäus, Matthäus,
Simon und Thaddäus (!),
Linus, Kletus, Klemens, Xystus, Kornelius,
Cyprianus, Laurentius, Chrysogonus,
Johannes und Paulus, Kosmas und Damianus
und alle deine Heiligen.“
Gerade in den Konflikten und Verwirrungen unserer Tage ist es wertvoll, sich auf solche Grundlagen unseres Glaubens und damit verbundener Werte zurückzubesinnen beziehungsweise sich ihrer wieder stärker bewusst zu werden. Dazu gehört eben nicht zuletzt das Gedächtnis der heiligen Apostel und die Bereitschaft, sich von ihren vorbildlichen Handlungen, ihrem Zeugnis für Christus, anregen zu lassen.
Der Rücktritt des bisherigen österreichischen Kanzlers und die weitergehenden juristischen Ermittlungen waren doch für sehr viele Menschen ziemlich überraschend. So etwas verdeutlicht, wie instabil politische Gegebenheiten sein können, davon welche, politischen Ansichten jemand persönlich bevorzugt, mit welcher (partei-)politischen Position sich eine einzelne Katholikin, ein einzelner Katholik jeweils verbinden mag. Denken wir an die zumindest besorgniserregenden wirtschaftlich-finanziellen Vorgänge in den USA und die Enttäuschung bis Empörung, die ungezählte Menschen über die dortige gegenwärtige Regierung empfinden. Dass der französische Staat als solcher in seiner Existenz bedroht ist, wird längst offen diskutiert. So etwas ist längst mehr als ein Gesprächsthema hinter vorgehaltener Hand oder in elitären Zirkeln. Die mögliche Auflösung des Vereinigten Königreiches ist sowieso schon seit Jahren ein Thema der internationalen Politik. Beispielsweise sind längst sämtliche Mitglieder der schottischen Regierung erklärte Anhängerinnen und Anhänger der völligen Unabhängigkeit von London. Die sehr engen Beziehungen zwischen katholischer Kirche und schottischer Unabhängigkeitsbewegung sind kein Geheiminis (siehe Gedanken zur Woche 34, 38-b, 39 und 65-b), und erst recht die Tatsache, dass der Wunsch nach einem Anschluss Nordirlands an die Republik Irland eine typische Wunschvorstellung von Katholikinnen und Katholiken ist.
Inmitten solcher Krisen und Auseinandersetzungen versucht die Kirche umso mehr, zumindest etwas Stabilität, eine gewisse Verlässlichkeit zu bieten. Dies gilt über den engeren Bereich der dogmatischen Glaubenslehre und systematischen Moraltheologie hinaus etwa für den Bereich der Liturgie und die Beziehungen der Kirche, insbesondere vertreten durch den Apostolischen Stuhl, zu den politischen Gemeinschaften. So finden sich bei den Allgemeinen Normen des CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS gleich ganz vorne die grundsätzlichen Festlegungen:
„Can. 2 – Der Codex legt zumeist die Riten nicht fest, die bei der Feier liturgischer Handlungen zu beachten sind; deshalb behalten die bislang geltenden liturgischen Gesetze ihre Geltung, soweit nicht eines von diesen den Canones des Codex zuwiderläuft.
Can. 3 – Die Canones des Codex heben die vom Apostolischen Stuhl mit Nationen oder anderen politischen Gemeinschaften eingegangenen Vereinbarungen weder ganz noch teilweise auf; diese gelten daher wie bis jetzt fort, ohne die geringste Einschränkung durch entgegenstehenden Vorschriften dieses Codex.“
Eine Stabilität gerade solcher Beziehungen wird immer wieder deutlich. So sind weiterhin das Konkordat des Apostolischen Stuhls mit Bayern aus dem Jahr 1924, das Konkordat mit Preußen aus dem Jahre 1929 und das Konkordat mit Baden von 1932 in Kraft. Gleiches gilt für das Reichskonkordat. Für Elsass-Lothringen gilt weiterhin eine eigene konkordatäre Regelung. Solche Regelungen werden sicher auch politische Umbrüche der nächsten Zeit überdauern.
Gedanken zur Woche 82, Dr. Matthias Martin
29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Dass Menschen, wie mitunter landläufig gesagt wird, keine Engel sind, wird in der Bibel sowohl im Alten/Ersten wie im Neuen/Zweiten Testament immer wieder ausgesagt. Deutlich wird dabei, dass menschliche Schwächen bis schweres Fehlverhalten auch bei so etwas wie offiziellen Religionsvertretern vorkommen können. Es ist in den Fünf Büchern Mose der Hohepriester Aaron, der das berüchtigte Goldene Kalb anfertigte und bei Mose eine heftige Gegenreaktion auslöste. In den beiden Makkabäerbüchern und ihrem geschichtlich-theologischen Umfeld machen Priester und Hohepriester mitunter gar keine gute Figur. Es sind im wesentlichen Menschen aus dem einfachen Volk, welche sich für den überlieferten Glauben unter Lebensgefahr einsetzen, manchmal bis ins Martyrium hinein.
Im Ersten Buch Samuel, wofür gerade das zweite Kapitel aussagekräftig ist, wird das Fehlverhalten des Priesters Eli und seiner am Heiligtum tätigen Söhne drastisch dargestellt und so etwas wie eine göttliche Verurteilung überliefert. In der neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung sind die Verse 12 bis 36 in diesem zweiten Kapitel in roten Buchstaben mit den Worten überschrieben: SCHULD DES HAUSES ELI. Die Könige David und Salomon werden immer wieder auch mit ihren Schattenseiten dargestellt (siehe Gedanken zur Woche 20 und 68). Auch hier wird keine einseitige Beschönigung betrieben, wie auch sonst bei Gestalten des Alten/Ersten Testamentes.
Passend dazu muss sich der Prophet Amos als mutiger Kritiker der Reichen und Mächtigen mit keinem geringeren herumärgern als dem zuständigen Priester Amazja am Reichstempel von Bet-El des damaligen Nordreiches (Am 7-10-17).
Diese immer wieder kritische Darstellung von Vertretern der im biblischen Sinne ja guten Religion setzt sich auch im Neuen/Zeiten Testmanet fort. Es ist auch weniger theologisch interessierten Menschen bekannt, dass es nach biblischen Zeugnis der erste der Apostel, Peturs, war, der den Herrn Jesus Christus dreimal verleugnete, und dass es ein anderer Apostel, Judas Iskariot, diesen verriet. Das Wort „Judas“ bekam also von einem Apostel her seinen in weiten Teilen der Menschheit so üblen Klang.
In den neutestamentlichen Briefen wird immer wieder von internen Auseinandersetzungen in mitunter recht scharfer Wortwahl berichtet. Wer nicht viel Zeit zum Lesen hat, möge nur einmal einen Blick in den ganz kurzen Judasbrief wie in die ebenfalls ganz kurzen Zweiten und Dritten Johannesbrief werfen. Wie im Jakobusbrief etwa ging es da nicht um die Auseinandersetzung mit so etwas wie der heidnischen Umwelt oder mit Juden, welche Jesus von Nazaret nicht als Messias, also als Christus, anerkannten. Der Ärger und die Probleme waren für das sich entwickelnde Christentum hier wie an anderen Stellen vielmehr haugemacht.
So wird schon in der Apostelgeschichte deutlich, dass die im Laufe der Zeit als Christen bezeichneten Menschen keineswegs immer „ein Herz und Seele“ waren, und es schon in der Urgemeinde von Jerusalem auch schon einmal zu Betrug kommen konnte (Apg 5,1-11 und siehe Gedanken zur Woche 58-b).
Missstände im kirchlichen Bereich erschüttern dann gerade dieser Tage viele gutwillige Menschen. Ein Beispiel ist der jüngst veröffentlichte Bericht über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche des derzeitigen offiziellen Staatsgebietes Frankreichs seit den fünfziger Jahren. So sehr natürlich festzustellen ist, dass gerade in Frankreich sexueller Missbrauch ein gesamtgesellschaftliches Phänomen quer durch alle möglichen Berufsgruppen und so weiter ist, so ist doch in Hinblick auf diesen drastischen Untersuchungsbericht nichts zu beschönigen oder kleinzureden. Papst Franziskus und die Französische Bischofskonferenz haben dies ausdrücklich bestätigt und sich erschüttert gezeigt. Es gilt: Nicht beschönigen und nichts kleinreden!
Da kann man eben von der Bibel lernen, Altem wie Neuem Testament, auch genannt das Erste und das Zweite Testament!
Ein passendes Beispiel ist das in diesem Lesejahr für den 29. Sonntag im Jahreskreis vorgesehene Sonntagsevangelium nach Markus. Da werden die beiden Apostel und Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes, als penetrante Karrieristen, als peinliche Pöstchenjäger, dargestellt. Das Ganze wird umso drastischer dargestellt, da unmittelbar vor diesem Sonntagsevangelium mit seinen Versen eine Ankündigung Jesu über sein bevorstehendes Leiden und Auferstehen steht. Die beiden Apostel haben nun nach Darstellung des Markusevangeliums nichts Besseres zu tun, als anstatt sich etwa erschüttert oder in Hinblick auf eine zu erhoffende Auferstehung hoffnungsfroh zu zeigen, sich um Karrieresicherung, um gute Positionen für sich selber zu bemühen. Im Neuen/Zweiten Testament wird solches Verhalten von Aposteln und anderen Vertretern der sich bildenden Christenheit nicht vertuscht und nicht schöngeredet. Die Kirche, sich irgendwie „christlich“ nennenden Gemeinschaften, können sich da auch gerne an Johann Wolfgang von Goethe halten:
"Ein jeder kehre vor seiner Tür,
und rein ist jedes Stadtquartier.
Ein jeder übe sein‘ Lektion,
so wird es gut im Rate stohn. “ (https://www.gutzitiert.de/zitat_autor_johann_wolfgang_von_goethe_thema_gemeinschaft_zitat_9340.html )
Ganz biblisch mag man auch an das Matthäusevangelium denken:
„(7,3) Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? (4) Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! (5) Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!“
Es ist ein Teil der Menschheitsgeschichte, dass durchaus bedeutende Beiträge aus dem kirchlichen Bereich etwa für die Entwicklung des Rechtswesens nicht aus einer Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung heraus zustande kamen. Das Personenrecht entwickelte sich im kirchlichen Bereich gerade vor dem Hintergrund von Konflikten zwischen kirchlichen Vertretern beziehungsweise Einrichtungen. Dass es bei Wahlen für kirchliche Ämter keineswegs problem- und konfliktlos zuging, förderte die Entwicklung eines umfassender ausformulierten Wahlrechts, und innerkirchliche Konflikte waren durchaus auch wichtig für Fortschritte im Prozessrecht.
Wenn sich Kirche auch und gerade unangenehmen Wahrheiten im eigenen Bereich offen und ehrlich stellt, kann sie auch weltlichen Machthabern mit umso mehr Glaubwürdigkeit entgegentreten. Und Machthaber dieser Welt kommen im Sonntagsevangelium auch nicht gut weg, sondern werden als abschreckende Beispiele dargestellt, wie man sich eben nicht verhalten soll.
1. Lesung: Jes 53,10-11
2. Lesung: Hebr 4,14-16
Evangelium: Mk 10,35-45 (oder 10,42-45)
Gedanken zur Woche 82-b, Dr. Matthias Martin
29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Es ist ein bemerkenswertes Zeichen von Einheit, wenn ein Heiliger am selben Tag sowohl nach dem liturgischen Kalender für die Feier der Heiligen Messe im nachkonziliaren Ritus, dem Novus Ordo (Missae), auch genannt die Messe Pauls VI. oder die Erneuerte Liturgie, als auch nach dem liturgischen Kalender für die Feier der Heiligen Messe nach den liturgischen Büchern Johannes XXIII., auch genannt die Messe Gregors des Großen/Messe des heiligen Pius V./Tridentinische Liturgie/Tridentinische Messe/Alte Lateinische Messe wie auch die Messe Don Camillos und wohl seltener die Messe Ralph Raoul de Bricassarts oder auch die Messe Damasus I. (siehe Gedanken zur Woche 77-b), gefeiert wird.
Leider brachen doch gerade in allerjüngster Zeit wieder Kontroversen darüber aus, welchen Raum die Feier der Messe im Tridentinischen Ritus haben soll oder nicht. Offensichtlich werden diese neuerdings wieder verschärften Auseinandersetzungen mehr in den USA und im Wirkungsbereich der gegenwärtigen französischen Bischofskonferenz als im deutschen Sprachraum geführt, stellen aber generell eine Belastung für das Leben der katholischen Weltkirche dar. Umso besser, wenn es da eine augenfällige Gemeinsamkeit gibt, wie dass der heilige Lukas am selben Tag gefeiert wird.
Genau dies ist am 18. Oktober der Fall. Betreffende liturgische Texte samt einer eigenen Würdigung des heiligen Lukas finden sich im Volkschott von 1961 wie in dem jetzt bei uns üblichen Deutschen Messbuch. In beiden Fällen wird darauf hingewiesen, dass Lukas Arzt gewesen sei, worauf bereits im Neuen/Zweiten Testament ein Hinweis zu finden ist. Bemerkenswerterweise wird die relativ junge Überlieferung, wonach Lukas auch als Maler gewirkt habe, in beiden liturgischen Büchern nicht erwähnt. Als ich vor Jahren in Rom war, bekam ich an einem einzigen Tag gleich zwei angeblich jeweils von Lukas gemalte Bilder der Mutter Jesu, Maria gezeigt, wie auch angebliche Säulen der Geißelung Jesu bei seinem überlieferten Leiden. Dabei hatte ich mich gar nicht bemüht, Zugang zu solchen angeblich von Lukas gefertigten Bilder oder auch Geißelsäulen zu finden. Davon gibt es noch mehr in der Christenheit. Es wurde dann im Laufe der Zeit ein eigenes Thema der darstellenden Kunst, wie Lukas angeblich die allerseligste Jungfrau Maria malte. Immerhin verdeutlicht die mit dem Lukas verbundene über die Jahrhunderte angewachsene Überlieferung, dass man schon sehr früh im Christentum medizinische Tätigkeit wie auch bildende Kunst zu schätzen wusste. Beide Tätigkeiten, Arzt und Maler, wurden ja immerhin mit einem so prominenten Heiligen und dazu einer Persönlichkeit des Neuen/Zweiten Testaments früher oder später verbunden.
Nach uralter Überlieferung ist der heilige Lukas der einzige nichtjüdische Verfasser eines Buches, einer Einzelschrift der Bibel. Allgemein wird seit Menschengedenken ihm sogar die Autorenschaft gleich zweier Bücher der Bibel zugeschrieben, des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte. Bezüglich dieser beiden biblischen Bücher wird gerne vom „lukanischen Doppelwerk“ gesprochen und geschrieben. Natürlich gibt es namentlich in Zusammenhang mit der sogenannten kritisch-historischen Exegese längst unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Entstehung oder vermeintlichen Entstehung dieses sogenannten lukanischen Doppelwerkes. Nicht umsonst gibt es ja überhaupt vielleicht 41.000 bis 47.000 unterschiedliche konfessionelle Gemeinschaften im Christentum. Dazu kommen die Meinungsverschiedenheiten zwischen Menschen und namentlich Exegeten innerhalb ein und derselben konfessionellen Gemeinschaft (zur allerersten Einführung in den Fragenkomplex der Entstehung von Evangelien und Apostelgeschichte siehe https://www.youtube.com/watch?v=Z6PrrnhAKFQ).
Auf jeden Fall setzte sich schon recht früh in der Christenheit die Meinung durch, dass das Lukasevangelium wie auch das Matthäusevangelium, das Markus- und das Johannesevangelium Teil der Bibel sein sollten. Die vier betreffenden Evangelisten werden an der neugotischen Kanzel der Pfarrkirche St. Nikolaus in Stein an der Donau in Form von Reliefdarstellungen präsentiert.
Die Apostelgeschichte als zweites Buch des lukanischen Doppelwerks nimmt im Neuen/Zweiten Testament überhaupt eine Sonderstellung ein. Es ist dies die einzige Schrift dieser Art, welche dort zu finden ist. Da geht es dieser so gerne dem heiligen Lukas zugeschriebenen Apostelgeschichte so wie dem Buch der Apokalypse, auch genannt die (Geheime) Offenbarung des Johannes. Briefe im Neuen/Zweiten Testament gibt es 21, davon die sieben sogenannten Katholischen Briefe (siehe Gedanken zur Woche 50). Wenn man sich etwa für das Verhältnis von Christentum und Judentum interessiert, merkt man rasch, dass es gerade bezüglich der Interpretation des heiligen Paulus auch in sehr grundsätzlichen Fragen enorme Meinungsverschiedenheiten gibt.
Die beiden in der Überlieferung so gerne Lukas zugeschriebenen Schriften im Neuen/Zweiten Testament verdienen auf jeden Fall höchste Beachtung (zur außertheologischen Anregung siehe https://www.youtube.com/watch?v=lPhiVT53JP0 und https://www.youtube.com/watch?v=IvgCQG_BqEM&t=36s).
So finden sich im Lukasevangelium einige der berühmtesten Teile der Bibel überhaupt. Dies beginnt schon mit der Verkündigungsszene des (Erz-)Engels Gabriel mit der Jungfrau Maria (Lk 1,26-38) und wird unmittelbar gefolgt vom Besuch Mariens bei ihrer Verwandten Elisabeth, wo wir auch den Text des berühmten Magnificat finden, welcher es ganz prominent in das kirchliche Stundengebet geschafft hat (Lk 1,39-56). Besonders beliebt ist sicher die lukanische Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1-20). Wer sich für biblische Aussagen über Johannes dem Täufer interessiert, wird gerade im Lukasevangelium fündig.
Recht bekannt sind eigens die Geschichte vom zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41-52 und http://pfarre.kirche.at/steinanderdonau/sites/pfarre.kirche.at.steinanderdonau/files/Pfarrbrief%20September%202021.pdf) und die in einer Darstellung am Hochaltar der Pfarrkirche von Stein berücksichtigte (siehe Gedanken zur Woche 61) Begegnung des auferstandenen Jesus mit den Emmausjüngern (Lk 24,13-32) und vorher schon die Begegnung Jesu mit der sogenannten Sünderin (Lk 7,36-50). Dazu begegnen im Lukasevangelium berühmte Gleichnisse, so das vom törichten Reichen (Lk 12,13-21), das Gleichnis vom ungetreuen Verwalter (Lk 16,1-13) und das vom reichen Prasser und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31). Die vielleicht berühmtesten Gleichnisse des Neuen/Zweiten Testaments und möglicherweise überhaupt der Bibel finden sich ebenfalls im Lukasevangelium, das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) und das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-31). Beide haben ihren je eigenen starken Niederschlag auch in der bildenden Kunst gefunden.
Die ebenfalls in der Überlieferung dem heiligen Lukas zugeschriebene Apostelgeschichte mag eigens besonders geeignet sein, sich mit Geografie/Erdkunde und Geschichte einschließlich Religionsgeschichte zu beschäftigen. Man denke da nur an Verse aus dem sogenannten Pfingstbericht:
„(Apg 2,5) In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. (6) Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. (7) Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? (8) Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: (9) Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, (10) von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, und die Römer, die sich hier aufhalten, (11) Juden und Proselyten, Kreter und Araber . . .“.
Gedanken zur Woche 81, Dr. Matthias Martin
28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Es kann jemandem eine Redensart einfallen wie „Man muss nicht das Rad neu erfinden“ oder „Man muss das Rad nicht immer neu erfinden, wenn man die Dinge ins Rollen bringen will“, wenn man das Evangelium zum 28. Sonntag in diesem Lesejahr B liest. Da versucht Jesus von Nazaret gar nicht mit besonderer Kreativität auf die Frage zu antworten, was man tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen. Er verweist einfach klar und deutlich auf den Hauptteil der Zehn Gebote. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass das neunte und das zehnte Gebot geistig-willensmäßige Vertiefungen vorheriger Gebote sind, so wird klar, dass Jesus von Nazaret das Wesentliche jener aus den Zehn Geboten zitierte, welche das Verhalten gegenüber Mitmenschen betreffen. So heißt das neunte Gebot nach dem Kompendium des KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN KIRCHE „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau“ und das zehnte Gebot „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut“. Klarerweise bedeutet das neunte Gebot eine Bekräftigung und Fortschreibung des sechsten Gebotes, das im Kompendium des KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN KIRCHE „Du sollst nicht ehebrechen“ lautet. Das zehnte Gebote steht in einem solchen sehr direkten Zusammenhang mit dem siebten Gebot, das diesem Kompendium zufolge lautet „Du sollst nicht stehlen“.
Diese Zehn Gebote gehören zu den Fünf Büchern Mose und damit zu jener Gruppe an Büchern, die ganz vorne im Alten/Ersten Testament zu finden sind. Genauer finden sich die Zehn Gebote im 20. Kapitel des Buches Exodus. In der 1. Auflage der 2017 erschienenen neuen Einheitsübersetzung sind die betreffenden Verse in roten Buchstaben überschrieben: DIE ZEHN GEBOTE (siehe Seite 86). Anstatt, wie es mancher heute versuchen würde, in einem beliebigen Sinne „kreativ“ sein zu wollen, hat Jesus von Nazaret schlicht anhand des Kernbestandes des überlieferten jüdischen Gesetzes, der Thora, geantwortet. Damit steht diese Stelle im Markusevangelium keineswegs allein im Neuen/Zweiten Testament. Wenn man den neugotischen Hauptaltar der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau betrachtet, so sieht man dort eine Darstellung der Begegnung des auferstandenen Jesus Christus mit den beiden Emmausjüngern. Dazu heißt es der neuen Einheitsübersetzung zufolge: „(Lk 24,27) Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.“ Nach der früher allgemein verwendeten Ausgabe der Einheitsübersetzung lautet dieser Vers ebenfalls: „Und er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.“ Dieses können wir auch in der 4. unveränderten Auflage von 2004 der NEUEN ECHTER BIBEL so finden. Ganz ähnlich wird dieser Vers der Emmausgeschichte im Volksschott von 1961 für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus wiedergegeben: „Dann fing Er an mit Moses und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von Ihm geschrieben steht.“ Zwar wird, egal, in welche halbwegs landläufige Bibel-, Lektionar- beziehungsweise Messbuchausgabe man blicken mag, der Name der zweiten Emmausjünger-Persönlichkeit nicht genannt, wohl aber ist klar, dass Moses als der Überbringer des Gesetzes, der Thora, verehrt wurde. So wird er sogar am Beginn des Johannesevangeliums, im Prolog, in diesem Zusammenhang ausdrücklich erwähnt. So heißt es in der neuen Einheitsübersetzung „(1,17) Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, . . .“ Auf dieser Linie liegt es, dass Jesus auf die Frage nach dem wichtigsten der Gebote nach dem Zeugnis sowohl des Matthäusevangeliums (22,34-40), des Markusevangeliums (12,28-34) wie in etwas eigener Formulierung des Lukasevangeliums (10,25-27) mit dem doppelten Liebesgebot als einer Kombination von Stellen aus den Büchern Deuteronomium und Levitikus und damit von zweien der Bücher Mose antwortet (siehe Gedanken zu Woche 59 und 66). Auch sonst begegnen im Neuen/Zweiten Testament immer wieder Bezugnahmen auf das überlieferte Gesetz und Moses, so etwa in der Bergpredigt (Mt 5,17-20). Dies geschieht selbst in dem so ganz kurzem Judasbrief mit seinen Hinweisen auf Beispiele aus dem Alten/Ersten Testament wie die außerbiblische jüdische Überlieferung.
Eine Ordnung wird ja auch in einer religiösen Gemeinschaft benötigt. So hat der berühmte protestantische Kirchenhistoriker Adolf von Harnack bestätigt, dass bereits die frühe Kirche wie grundsätzlich jede andere menschliche Gemeinschaft gewisse Ordnungsstrukturen besaß. Die Festlegung, welche Schriften denn überhaupt zur Bibel gehören sollten, war selber eine eminent ordnungsrechtliche, grundsätzlich ordnungspolitische, Maßnahme. Um Ordnung und damit auch Abgrenzung hat sich nicht zuletzt der heilige Irenäus von Lyon bemüht. Genau dieser soll nun endlich offiziell als Kirchenlehrer anerkannt werden (siehe https://www.katholisch.de/artikel/31550-papst-franziskus-irenaeus-von-lyon-wird-kirchenlehrer und https://angelusnews.com/faith/why-isnt-st-irenaeus-a-doctor-of-the-church/ ).
Als Rechtsquellen für die ersten Jahrhunderte verdienen besondere Beachtung die sogenannte Didache, manchmal Zwölfapostellehre genannt, und der(Erste) Klemensbrief. Von Interesse sind sicher weitere Schriften wie die, welche die Bezeichnung „Hirt des Hermas“ trägt. Immer wieder zu Diskussionen, um nicht zu sagen Kontroversen, regten und regen die als Ignatiusbriefe bezeichneten Schriften an. Es entstanden dann auch die Didaskalie, die Traditio Apostolica und namentlich zu Fragen von Ämtern in der Kirche, Sakramenten- und kirchlichem Bußrecht Schriften von Kirchenvätern und anderen christlichen Persönlichkeiten.
Eine neue Epoche brach mit Konstantin an, der oft „der Große“ genannt wird. Rückschläge für das kirchliche, gewissermaßen katholische Wirken stellten namentlich die zusehends die sich gegen das aus dem Jahre 325 stammende Bekenntnis von Nicäa stellenden Arianer begünstigenden kaiserlichen Maßnahmen und Nichtmaßnahmen dar. Besonders heftig ging es mit den Bedrängnissen für die Anhänger des Konzils von Nicäa unter dem Kaiser Constantius II. zu (siehe Gedanken zur Woche 16-b und 66-b). Interessant ist, dass Synoden, Konzilien und nicht zuletzt Strafsanktionen seitens der verschiedenen christlichen Richtungen immer wieder zum Einsatz kamen. Bekanntlich ging das Weströmische Reich im letzten Viertel des Fünften Jahrhunderts unter. Kirchliche Strukturen und namentlich Ämter aber haben überlebt. Die Schwächung und anschließende Beseitigung des weströmischen Kaisertums wird oft als vorteilhaft für kirchliches Wirken und insbesondere das Papsttum gesehen. Umso schwieriger gestalteten sich die Verhältnisse infolge der rücksichtslosen Politik des oströmisch-byzantinischen Kaisers Justinian (siehe Gedanken zur Woche 71-b, 73-b und 75-b). Schuf dieser nicht nur nach gewissermaßen römisch-katholischem Verständnis für das kirchliche Leben enorme Probleme, so wird heute in einer breiteren Öffentlichkeit gerade sein Verhalten gegenüber den Juden kritisiert. Seine aggressive Politik gegenüber Vandalen und Ostgoten wäre nach heutigen Maßstäben als Völkermord einzustufen. Den Untergang von Vandalen und Ostgoten mit ihrer jeweils bemerkenswerten Kultur hat die katholische Kirche überlebt. Von großer Bedeutung war hierfür, dass allen Bedrängnissen zum Trotz kirchliche Strukturen und kirchliches Recht immer überlebten.
1. Lesung: Weish 7,7-11
2. Lesung: Hebr 4,12-13
Evangelium: Mk 10,17-30 (oder 10,17-27)
Gedanken zur Woche 81-b, Dr. Matthias Martin
28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn das Fest der Domweihe begangen wird, dann ist das immer wieder ein besonderer Anlass, die Aufmerksamkeit auf die Hauptkirche der jeweiligen Diözese zu richten. Im Falle der Diözese St. Pölten werden wir auf ganz eigene geschichtliche Ereignisse und größere Zusammenhänge hingewiesen, was in unserer heut oft so geschichtsvergessenen Zeit umso wertvoller ist. Unabhängig von eigenen parteipolitischen Vorlieben hat die Aufforderung eines berühmten einstigen österreichischen Bundeskanzlers doch einiges für sich, dass man Geschichte lernen sollte, und Katholikinnen und Katholiken mag ganz generell die Feststellung des heiligen Papstes Pius X. zu denken geben, dass gute Geschichtskenntnisse unverzichtbar sind für eine ernstzunehmende Theologie (siehe Gedanken zur Woche 78). Nicht nur in Hinblick auf Elsass-Lothringen mag auch der Satz in den Sinn kommen „Nur wer weiß woher er kommt, weiß wohin er geht.“ Dabei wurde zum einen gerade in Straßburg am Rhein schon Jahrzehnte vor den Aktivitäten Martin Luthers die Bibel in deutscher Sprache gedruckt und wurde zum anderen schon in den frühen Jahrhunderten der Christenheit auf geschichtliche Bildung beziehungsweise geschichtsbezogene Argumentation Wert gelegt.
Die Gründung der Diözese St. Pölten geht wie die der Diözese Linz auf das engagierte Wirken von Kaiser Josef II. zurück. Um einen Dom und zentrale Verwaltungsgebäude für die auf Kosten des bisherigen Diözesangebietes von Passau neu zu schaffende Diözese St. Pölten zu bekommen, ließ Josef II. das bestehende Stift der Augustiner-Chorherren auflösen. Zugleich schuf er nicht zuletzt auch gestützt auf Erträge aus Klosterauflösungen weitere Kircheneinrichtungen, so eine eigene Erzdiözese für unierte armenische Katholiken, also jene Katholiken armenischer Tradition mit eigener Liturgie, örtlicher Hierarchie wie auch kirchenrechtlicher Tradition innerhalb der katholischen Weltkirche. Überhaupt lässt sich feststellen, dass die Klosterauflösungen unter Kaiser Josef II. eben nicht plumpen eigennützigen Motiven dienten wie die brutale Auflösung des Templerordens im Königreich Frankreich bereits Jahrhunderte vorher, und dann die so brutale flächendeckende Auflösung der Klöster in England und von England besetzten Gebieten seit den Tagen des auch sonst so berüchtigten Gewaltherrschers Heinrich VIII. Wieder sehr brutal ging es dann nicht zuletzt, aber beileibe nicht nur, gegen Ordensleute in der Französischen Revolution zu.
Ganz anders verliefen die Dinge unter Kaiser Josef II. Da wurden keine Ordensleute brutal gefoltert und keine Ordensleute oder andere Katholiken grausam hingerichtet. Die Einnahmen aus Klosterauflösungen dienten grundsätzlich der Errichtung und dem Unterhalt kirchlicher Einrichtungen und den Pensionen ehemaliger Ordensangehöriger. Von englischen und französischen und eben mitunter auch spanischen Brutalitäten bei Klosteraufhebungen und dreister Selbstbereicherung gab es nichts zu finden bei Kaiser Josef II. Der war dazu nicht nur ein normaler Landesherr innerhalb des Reichsverbandes, sondern eben auch der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, kürzer genannt auch I. Deutsches Reich, Alten Reich oder schlicht auch Deutsches Reich.
Gewählt zum Kaiser hatte Josef II. getreu der Abmachungen des Friedens von Hubertusburg, welche den Siebenjährigen Krieg in Mitteleuropa beendeten, auch König Friedrich II. von Preußen in seiner Eigenschaft als Kurfürst von Brandenburg. Regierte das Haus Habsburg mit realpolitischem Zentrum in Wien auch das Königreich Böhmen und verfügte damit unmittelbar über eine eigene Kurstimme, so besaßen Bayern, die Kurpfalz, (Kur-)Sachsen und Hannover ebenfalls Sitz und Stimme im Kurfürstenkolleg. Die besondere Beziehung von Reich und Kirche zeigte sich nicht zuletzt darin, dass ihrerseits die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier Kurfürsten waren. Dazu war jeder dieser drei Erzbischöfe automatisch ein Reichserzkanzler.
Bei seinen Eingriffen in das kirchliche Leben konnte sich Josef II. auf langandauernde Gegebenheiten früherer Jahrhunderte berufen und darauf, dass er eh der oberste Lehensherr im ganzen Reich war. Dass es bei Lehensangelegenheiten keine Rechtsimmunität für Geistliche zu geben hatte, dass das eh so umstrittene, abgelehnte und dann, wenn überhaupt vorhanden, immer weiter zurückgedrängte Privilegium fori hier nicht galt, hatte die offizielle Kirche grundsätzlich schon im Mittelalter akzeptiert.
Große unangefochtene Bedeutung für kirchliches Leben einschließlich Kirchenreformen besaßen bereits die fränkischen Herrscher aus dem Haus der Karolinger. Karl der Große stellt da nur so etwas wie einen besonderen Höhepunkt dar. Noch nach seinem Tod wurde dem fränkischen Herrscher 824 in der Constitutio Romana weitgehende Rechte einschließlich bei der Bestimmung eines neuen Papstes hin eingeräumt. Der Zerfall der Karolingerherrschaft bedeutete ihrerseits auch für die Kirche ein Debakel. Es begann das Saeculum obscurum, das dunkle Jahrhundert/Zeitalter.
Erst mit der Reorganisierung staatlicher Macht im Ostfränkischen beziehungsweise entstehenden Deutschen Reich/Heiligem Römischem Reich deutscher Nation besserten sich die Zustände wieder für die Kirche.
Lange hatte der König beziehungsweise Kaiser und von Fall zu Fall auch etwa Kaiserin beziehungsweise Reichsregentin zu bestimmen, wer Abt, Äbtissin oder (Erz-)Bischof wurde. Sie gründeten lange vor Kaiser Josef II. Abteien und (Erz-)Diözesen und konnten über eine mögliche Auflösung entscheiden. Die Päpste, welche durch deutsche Herrscher aus den Geschlechtern der Ottonen und Saliern ins Amt kamen, erlangten allgemeine Anerkennung. Da mag man bei der Personalpolitik Ottos des Großen für den Stuhl Petri an Papst Leo VIII denken. Ähnliches gilt für Papst Johannes XIII. und bezüglich der Personalpolitik Kaiser Ottos II. Papst Johannes XIV. Dem Kaiser Otto III. hatten dann die beiden Päpste Gregor V. und Silvester II. ihren Aufstieg zu verdanken. Kaiser Heinrich III. aus dem Herrscherhaus der Salier sorgte bezüglich dem Papsttum für Ordnung, als zwischen drei möglichen Päpsten, oder wie immer man sagen will, zu entscheiden war. Gipfelte dieser Reinigungsprozess in der Synode von Sutri im Jahre 1046, so hatten die deutschen Herrscher schon längst vorher begonnen, Reichssynoden oder Nationalkonzilien einzuberufen. Bereits im Pactum Ottonianum, auch genannt Privilegium Ottonianum, wurde Otto dem Großen im Jahre 962 zuerkannt, dass der Kaiser das Bestätigungsrecht bei der Papstwahl zu besitzen hatte.
Fränkische und dann deutsche Herrscher konnten auch die liturgische Entwicklung beeinflussen.
Diese einst sehr starke Stellung von Vorgängern Josefs II. ließ sich nicht auf Dauer halten. Aber es hatte Jahrhunderte lang eine Praxis gegeben, die nicht zu verleugnen war, wenn es um Angelegenheiten wie die Berufung von Bischöfen, ja selbst Päpsten, und Gründung und Auflösung von Klöstern und Diözesen ging. Das konnte offensichtlich auch Papst Pius VI. nicht so einfach von der Hand weisen, der Kaiser Josef II. in Wien seine persönliche Aufwartung machte (http://www.minoritenkirche-wien.info/daten/piusvibesuch.htm).
Auf dem Wiener Kongress 1814/15 wurde als Ersatz für das aufgelöste Heilig Römische Reich deutscher Nation die Gründung des Deutschen Bundes vereinbart. Es wurde festgelegt, dass dem aus der Dynastie Josefs II. stammenden habsburgischen Kaiser Österreichs das Präsidium zukam.
Als infolge der Revolution von 1848 die Deutsche Nationalversammlung nach Frankfurt am Main gewählt wurde (https://www.bundestag.de/parlament/geschichte/parlamentarismus/1848), wurde mit Erzherzog Johann von Österreich bezeichnenderweise ein Habsburger zum Reichsverweser gewählt (https://www.habsburger.net/de/kapitel/der-reichsverfauler-erzherzog-johann). Das Wirken seines längst verstorbenen Verwandten Kaiser Josefs II. scheint also gar nicht schlecht angekommen zu sein, etwa in den Gebieten des für Jahrzehnte unter habsburgischer Präsidentschaft existierenden Deutschen Bundes.
Gedanken zur Woche 80, Dr. Matthias Martin
27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn eine Pfarrgemeinde das ERNTEDANKFEST feiert, dann begeht sie einen Anlass, der über den engeren Bereich der praktizierenden Katholikinnen und Katholiken, über parteipolitische und soziale Grenzen hinweg seine Ausstrahlung besitzt und gerade in St. Nikolaus zu Stein an der Donau mitgetragen wird.
Denken wir nur daran, dass mit dem ERNTEDANKFEST vielfältige kulturelle Aktivitäten verbunden sind. Es gibt eigene Gedichte zum ERNTEDANKFEST und der Erntezeit wie auch Lieder. Das Fest ist ein besonderer Anlass etwa traditionelle Tracht anzulegen, und auch die Instrumentalmusik kann zum Einsatz kommen. Eigens findet der Themenbereich von Erntedank und Erntezeit in der bildenden Kunst seinen bemerkenswerten Niederschlag.
Selbstverständlich dürfen wir bei einem solchen Anlass an erster Stelle dafür danken, dass wir Lebensmittel für unseren täglichen Bedarf zur Verfügung haben und sollen eindringlich die Bitte an den Dreieinigen Gott richten, dass er solches allen Menschen auf der Erde gewähren möge. Der Wettersegen kann dabei nicht nur bei einem bestimmten Anlass wie dem ERNTEDANKFEST gespendet werden, sondern auch an anderen Tagen während des Kirchenjahres. Nicht umsonst steht der Wettersegen eigens in der bei uns üblichen Form des nachkonziliaren Deutschen Messbuchs:
„Gott, der allmächtige Vater, segne euch und schenke euch
gedeihliches Wetter; er halte Blitz, Hagel und jedes
Unheil von euch fern. (Antwort: Amen.)
Er segne die Felder, die Gärten und den Wald und
schenke euch die Früchte der Erde. (Antwort: Amen.)
Er begleite eure Arbeit, damit ihr in Dankbarkeit und,
Freude gebrauchet, was durch die Kräfte der Natur und
die Mühe des Menschen gewachsen ist. (Antwort: Amen.)
Das gewähre euch der dreieinige Gott, der Vater
und der Sohn ┼ und der Heilige Geist. Antwort: Amen."
Der Schluss kann auch etwas länger sein:
"Und der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des
Sohnes ┼ und des Heiligen Geistes, komme über euch und
unser Land, über eure Arbeit und die Früchte der Erde
und bleibe bei uns allezeit. Antwort: Amen."
In diesem Segen wird auch angesprochen, dass die Menschen zur verantwortungsbewussten Mitwirkung am Wachsen in der Natur und überhaupt den Vorgängen in der Umwelt aufgerufen sind. In diesem Sinne sind ja ganz generell die Worte zu verstehen, wie sie sich in den beiden ersten Kapiteln des Buches Genesis zu Beginn der Bibel finden.
So trifft es sich sehr gut, dass für die normale bei uns übliche Leseordnung für den 27. Sonntag im Jahreskreis in diesem Lesejahr B als Erste Lesung Verse aus dem Buch Genesis vorgesehen sind. Bei diesen handelt es sich um einen Teil des sogenannten Zweiten Schöfpungsberichtes (Gen 2,4-25). Dieser folgt unmittelbar auf den sogenannten Ersten Schöpfungsbericht (Gen 1,1-2,3) mit dem bekannten Sechs- beziehungsweise Sieben-Tage-Hymnus.
Dass die Menschen zum verantwortlichen Handeln der Natur, der Umwelt, gegenüber aufgerufen sind, wird jeweils deutlich. Frauen und Männer sind in diesem Sinne zu gemeinsamen Tun aufgerufen. Leider lässt sich so manches nicht direkt aus dem althebräischen Originaltext des Buches Genesis ins Deutsche übersetzen, mitunter geht sozusagen etwas die Pointe verloren. So zum Beispiel, wenn in Gen 2,23 es auf Deutsch in der neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung der Bibel heißt: „. . . Frau soll sie genannt werden; denn vom Mann ist sie genommen“. Im hebräischen Originaltext heißt der Mann isch und die Frau ischa. Das Gemeinsame wird mit diesem regelrechten Wortspiel viel besser deutlich. Dementsprechend kann man mit etwas Glück auch auf eine Bibelübersetzung stoßen, in welcher dieses Wortspiel von isch und ischa direkt im Text eingebaut ist. Während meines Hebräischkurses an der Universität Würzburg wies unser Dozent eigens darauf hin, dass Martin Luther in seiner Bibelausgabe den Begriff Männin anstelle von Frau verwendete und damit dort zu lesen ist von Mann und Männin (https://www.wer-weiss-was.de/t/warum-sagt-martin-luther-statt-frau-maennin/8492042/3 ).
Im Fußnotenapparat der neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung wird auf das Wortspiel von isch – ischa ausdrücklich hingewiesen, wie auf den Umstand, dass adam ganz allgemein im alten Hebräischen das Wort für Mensch und kein Eigenname ist (siehe etwa https://www.die-bibel.de/bibeln/online-bibeln/lesen/LU84/GEN.3/1.-Mose-3 ), wie es heute im Deutschen verwendet wird. Dementsprechend heißt es nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung in Gen 2,7: „Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.“
Passend dazu betont die von der katholischen Kirche so lange geförderte philosophische Richtung des Realismus die Gleichheit aller Menschen. Zuerst sind in diesem Sinne alle Menschen gleich und die Unterschiede kommen erst irgendwann danach. Von der biblischen Überlieferung her ist dazu sicher der neutestamentliche Jakobusbrief, aber natürlich nicht nur dieser, sehr interessant zu lesen.
Erinnern wir uns, dass im Mittelalter es in katholisch dominierten Ländern bereits Frauen als Königinnen, Kaiserinnen und Armeebefehlshaberin gab und solche mitunter sogar heiliggesprochen wurden (siehe Gedanken zur Woche 18-b, 35, 68-b und 70-b). Ihre eigene Stellung hatten (Reichs-)Äbtissinnen, kirchliche Schriftstellerinnen bis hin zu Kirchenlehrerinnen.
Die Gleichrangigkeit von Frauen in den so wichtigen Eheangelegenheiten wird in der erwähnten Ersten Lesung angesprochen. Darauf nimmt dann das Sonntagsevangelium nach Markus ausdrücklich Bezug. Beizeiten hat dann die katholische Kirche sowohl die Sakramentalität der Ehe wie die Gleichrangigkeit der Ehepartner auch auf Konzilien festgehalten (siehe Gedanken zur Woche 67). Stark wurde die Freiheit der zukünftigen Eheleute bei der Eheschließung und das Zustandekommen der Eheschließung nur auf Grundlage dieser Freiheit nicht nur durch den großen östlichen Kirchenvater Johannes Chrysostomus und Papst Nikolaus I., manchmal „der Große“ genannt, sondern etwa im Mittelalter generell durch das katholische Kirchenrecht betont. Unterstützt wurde dies durch die Beiträge des katholischen Kirchenrechts zur allgemeinen Entwicklung des Vertragsrechts nach dem Motto „Pacta sunt servanda“, auf Deutsch so viel wie „Verträge sind einzuhalten.“ Wenn man bei der Ehe im Allgemeinen und der Eheschließlung im Besonderen das Augenmerk darauf richtet, dass die Ehe nach katholischem Verständnis auch ein Vertrag ist, so sind Mann und Frau auch in diesem Sinne gleichrangig.
Ganz allgemein sind die Menschen aufgerufen, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, und dazu gehört eben auch die Erhaltung der Natur, der Schutz der Umwelt. Dies gilt für Frauen wie für Männer.
1. Lesung: Gen 2,18-24
2. Lesung: Hebr 2,9-11
Evangelium: Mk 10,2-16 (oder 10,2-21)
Gedanken zur Woche 80-b, Dr. Matthias Martin
27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
In all den gegenwärtigen innerkirchlichen Auseinandersetzungen und zumindest Rückschlägen mag man es als Hoffnungszeichen sehen, dass sowohl in der nachkonziliaren Messe/Liturgie, auch genannt Novus ordo missae oder Messe Pauls VI., wie in der Tridentinischen Messordnung, u.a. auch genannt die Messe Gregors des Großen/des heiligen Pius V./Johannes XXIII., bis hin die Messe Don Camillos, am selben Tag, nämlich dem 4. Oktober, der heiligen Franz von Assisi gedacht wird. Das ist ja doch ein Zeichen der Einheit ausgehend von einem der beliebtesten Heiligen der katholischen Kirche, der sich Wertschätzung bis Verehrung auch außerhalb von ihr erfreut. So finden sich sehr lobende Worte über diesen Heiligen zum Anlass des 4. Oktober sowohl in dem von Papst Johannes XXIII. gewürdigten Volksschott zur Feier der Heiligen Messe nach der tridentinischen Liturgie wie im jetzt bei uns zumeist verwendeten nachkonziliaren Deutschen Messbuch.
Tatsächlich gewann der heilige Franz von Assisi gerade als Ordensgründer enorme Bedeutung. Auf ihn gehen drei Hauptrichtungen von Ordensgemeinschaften zurück: Franziskaner in einem enger umgrenzten Sinne, Minoriten und schließlich Kapuziner. Gerade bei Frauen gibt es eine Vielzahl von einzelnen Kongregationen, die in franziskanischer Überlieferung stehen. Es ist hierbei zu bedenken, dass es beginnend im 19. Jahrhundert besonders nach den Schrecken der Französischen Revolution und der napoleonischen Unterdrückung bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts hinein zu einem Boom an Gründungen von Kongregationen von Ordensleuten kam. Das gilt eben gerade auch für vielfältigen Bereich mehr oder minder franziskanischer Ordenstradition. Welche Vielfalt sich hier nicht nur bei franziskanisch sich verstehenden Gemeinschaften entwickelte, machen schon VI/1 und VI/2 des von Hubert Jedins herausgegebenen Handbuchs der Kirchengeschichte etwas deutlich. So kann man in dem Kapitel „Die Wiedergeburt der alten Orden und das Aufblühen neuer Kongregationen“ von Roger Aubert u. a. lesen:
„Bei den Frauenkongregationen fällt vor allem die außerordentliche Vermehrung eines neuen Typs kleinerer Kongregationen auf, die sich gleichzeitig caritativen und schulischen Aufgaben widmeten. Sie standen im unmittelbaren Dienst des Pfarrklerus und wurden meist auch von diesem, ohne Rücksichtnahme auf die Nachteile, die die örtliche Zersplitterung mit sich brachte, wie z. B. für die Heranbildung von Novizen, ins Leben gerufen. Die genaue Zahl der Gemeinschaften ist nie statistisch erfaßt worden; die Erfassung wäre überdies durch die vielen Fusionen, Spaltungen und die Gleichheit der Bezeichnungen nicht leicht durchführbar gewesen“ (Seite 258 in Band VI/1. Sonderausgabe Freiburg 1985).
Nach dem II. Vatikanischen Konzil entstanden unter Berufung auf franziskanisches Ordensideal auch Ordensgemeinschaften mit einer klar katholisch-traditionalistischen Ausrichtung. In gemäßigteren Fällen führte dies zu einer engeren Zusammenarbeit mit der (Priester-)Bruderschaft St. Pius X., umso mehr, da deren Gründer Marcel Lefebvre sich sehr positiv über den heiligen Franz von Assisi und die von diesem ausgehende breite und vielschichtige Ordensüberlieferung äußerte. In radikaleren Fällen konnte es bis zu einer erklärt sedisvakantistischen Orientierung gehen (zu einer allerersten Einführung siehe Gedanken zur Woche 77-b). Andererseits ist auch bei franziskanischen Gemeinschaften die schwere nachkonziliare Krise des Ordenswesens erkennbar und offenkundig (siehe z.B. Gedanken zur Woche 20-b und 52-b).
Äußerte sich eine sonst so kritische Persönlichkeit wie Erzbischof Marcel Lefebvre sehr positiv über den heiligen Franz von Assisi und sein Erbe, so hat sich der jetzige Papst Franziskus genannt, und sein wohl bekanntestes Schreiben trägt mit den umbrischen Worten „Laudato si“ einen Titel, der auf den Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi zurückgeht. Die Enzyklika ist auch auf Deutsch auf der Internetseite des Vatikans abrufbar (https://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html).
Allein schon der Umstand, dass diese so bemerkenswerte nicht einen italienischen Titel, sondern einen Titel in umbrischer Sprache beziehungsweise umbrischen Dialekt trägt und damit rund um die Welt Aufsehen und Diskussionen auslöste, mag die Beschäftigung mit den mit dem jetzigen offiziellen Italienischen konkurrierenden Sprachen der Apenninenhalbinsel einschließlich Padaniens fördern. Die Durchsetzung des offiziellen Italienischen war ja ein rabiat vorangetriebener Prozess seit im wesentlichen der Mitte des 19. Jahrhunderts, verbunden mit der Zerstörung verschiedener Staatswesen einschließlich des Kirchenstaates (siehe Gedanken zur Woche 30 und 71-b). Wenn heute die zwangsweise Verbreitung der englischen wie der französischen Sprache gerade bei den Kindern von Familien der indigenen Völker im derzeitigen kanadischen Staatsverband von Kanada als „kultureller Völkermord“ bezeichnet wird, so verdient die kritische Position gegenüber der mit militärischer Gewalt vorangetriebenen sogenannten Italienischen Einigung und die kulturelle Zwangsitalienisierung umso mehr Beachtung. Ein faschistischer Diktator Mussolini mit seiner rabiat vorangetriebenen Zwangsitalienisierung gerade von Sardinien bis Trentino und Südtirol war kein Unglücksfall der Geschichte, sondern nur die Fortsetzung eines längst schon gestarteten Prozesses. Man kann dabei spekulieren, was ungezählten Menschen erspart geblieben wäre, hätten die Siegermächte Großbritannien und Frankreich des I. Weltkrieges Papst Pius XI. in seinem Protest gegen die italienische faschistische Diktatur wie sie in der Enzyklika „Non abbiamo bisogno“ (siehe https://www.vatican.va/content/pius-xi/en/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_29061931_non-abbiamo-bisogno.html und http://www.kathpedia.com/index.php?title=Non_abbiamo_bisogno_(Wortlaut)) einen bemerkenswerten Höhepunkt erreichte, beigestanden hätten, anstatt weiter mit ihrem bisherigen Partner Mussolini und dem durch ihn repräsentierten italienischen System zu paktieren (siehe hierzu Gedanken zur Woche 60-b unterer Teil). Stärkeres Geschichtsbewusstsein, verbunden mit der Bereitschaft, sich auch unangenehmen Wahrheiten zu stellen, sollte da endlich Platz greifen. Das so lange geltende französisch-italienische Kolonialabkommen gerade auf Kosten der Völker auf dem afrikanischen Kontinent ist da für sich schon ein sehr entlarvender Aspekt.
Natürlich bleibt in Zusammenhang mit der Enzyklika „Laudato si“ zu hoffen, dass das Umweltbewusstsein über konfessionelle und andere Grenzen hinweg an Bedeutung gewinnt. Das Tun guter Werke möge sich auch hier bewähren und gut entwickeln. Der heilige Franz von Assisi, der lange, sehr lange lebte, bevor es Kriege zur Durchsetzung italienischen Nationalismus unter dem Mäntelchen sogenannter Italienischer Einigung gab, möge da als Inspiration wirken.
Gedanken zur Woche 79, Dr. Matthias Martin
26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Es trifft sich gut, dass für 26. Sonntag im Jahreskreis in diesem Lesejahr B nach der der bei uns üblichen Ordnung die Erste Lesung aus dem Buche Numeri und die Zweite Lesung aus dem Jakobusbrief kommt.
Das Buch Numeri ist immerhin mit dem Buch Genesis, dem Buch Exodus, dem Buch Levitikus und schließlich dem Buch Deuteronomium eines der Fünf Bücher Mose, auch genannt Pentateuch oder die Thora. Dort finden wir u.a. die Zehn Gebote wie auch die Mahnung, den Bedürftigen zu helfen und soziale Verantwortung wahrzunehmen, bis hin zu Ansätzen für eine Feststellung und Einforderung von Arbeitnehmerrechten (siehe Gedanken zur Woche 58, 59 und 75).
Wie auch sonst ist dann der Jakobusbrief bei Beginn seines Fünften Kapitels straff ohne Weitschweifigkeit und stattdessen mit kantigen Formulierungen niedergeschrieben und überliefert worden. Das Sonntagsevangelium nach Markus ist zugegebenermaßen nicht einfach zu interpretieren und von dorther in die Tat umzusetzen. Dies gilt gerade für seinen Zweiten Teil, die Verse 43 bis 48 dieses Neunten Kapitels. Gleich verhält es sich mit den Versen 7 bis 9 im 18. Kapitel des Matthäusevangeliums. Daraus lassen sich nicht so einfach rechtlich Normen oder allgemein verständliche ethische beziehungsweise moralische Aufforderungen, wie auch immer formulierte Postulate, machen. Dies beginnt schon mit dem Vers 42 des Neunten Kapitels in diesem Sonntagsevangelium nach Markus, und es verhält sich so mit den parallelen Stellen des Matthäusevangeliums (Mt 18,6) und des Lukasevangeliums (Lk 17,1-2). Empörung kam auf, wenn solche Verse vermeintlich oder tatsächlich zur Rechtfertigung der Todesstrafe oder einfach der Tötung von aus politischen Gründen missliebigen Menschen herangezogen wurden, sei es in Argentinien, der Heimat des jetzigen Papstes, oder anderswo. Generell ist die Auslegung von Bibelstellen keine einfache Angelegenheit und oftmals recht kontroversiell. Nicht umsonst gibt es zehntausende unterschiedliche sich christlich nennende Denominationen/konfessionelle Gemeinschaften. Dabei ist die verbindliche Zugehörigkeit dieser drei synoptischen Evangelien zur Bibel immerhin noch ziemlich unumstritten. Wenn man in die Geschichte des Christentums blickt, so wird rasch deutlich, dass es bei den sogenannten Paulusbriefen und nicht zuletzt beim Römerbrief da schon schwieriger oder umstrittener wird.
Klar ist wohl gerade auch die Zugehörigkeit des Jakobusbriefes zur Bibel, unabhängig von der besonderen Frage, ob es sich bei ihm tatsächlich um die älteste Schrift des Neuen/Zweiten Testamentes handelt oder vielleicht doch nicht.
Zugleich ist der Jakobusbrief wohl besonders geeignet, praktische Hinweise für das Handeln im Hier und Heute zu bieten. Gewissermaßen in Fortführung von oben angesprochenen Gedanken in den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch, wird im Jakobusbrief die handfeste Hilfe für Menschen in Not, das Verwirklichen guter Werke und das Stellungbeziehen gegen Ungerechtigkeit anstelle von frömmelndem Gesäusel und unverbindlichen verbalen Nettigkeiten gefordert. Diesbezüglich verdienen natürlich auch andere Schriften des Ersten/Alten Testamentes Beachtung, so die Bücher Amos und Jesus Sirach sowie das Erste und Zweite Kapitel des Buches Tobit. Eigene Beachtung verdienen die drastische Susanna-Geschichte im Buch Daniel (Dan 13,1-64) und mit ihrem grimmig-sarkastischem Ende die Erzählung über den üblen König Abimelech im Buch der Richter (Ri 9,1-56) samt der Pflanzenfabel von der Versammlung der Bäume, auch genannt Jotams Fabel (Ri 9,7-15).
Schon in solch alttestamentlichen Schriften werden wir in dieselbe Richtung gewiesen wie in besonders kompakter Weise eben im Jakobusbrief.
Dieser Jakobusbrief weist uns besonders augenfällig darauf hin, dass das Christentum im Wesentlichen angefangen hat als die „Kirche der kleinen Leute“, als Gemeinschaft sehr oft von und insbesondere für die Benachteiligten. Dabei waren natürlich stets Versuchungen der Korrumpierung abzuwehren, wie ganz offen eben der Jakobusbrief ausspricht. Über Jahrhunderte stand das Christentum da in erster Linie für Kleinverdiener, ja für Sklaven und für Frauen, denen im Römischen Reich fundamentale Bürgerrechte und etwa die Gleichberechtigung in Angelegenheiten von Ehe und Familie verwehrt worden sind.
Eine gewisse Veränderung ergab sich dann im vierten und fünften Jahrhundert, beginnend mit dem, was gerne die „Konstantinische Wende“ genannt wird. Tatsächlich sollte man die Dinge hierbei nicht zu vereinfacht sehen. Konstantin, oft genannt „der Große“ ließ sich erst auf seinem Sterbebett taufen, und dies nachgewiesenermaßen von einem arianischen Geistlichen. Auf den aus der heidnischen Staatsreligion Roms kommenden Titel des „Pontifex Maximus“, was so viel bedeutet wie oberster Priester, hat er, wie verschiedene seiner Nachfolger, nicht verzichtet. Mitunter wurde noch oder schon wieder in neuester Zeit gewürdigt, er habe sich in wohlwollender Weise auch um die Belange der traditionellen heidnischen Kulte gekümmert. Es blieb unter ihm in Rom das Amt des kaiserlichen Stadtpräfekten erhalten wie auch der Römische Senat. Dessen Mitglieder mit ihren in der Regel riesigen Privatvermögen waren in Mehrzahl noch lange heidnisch beziehungsweise heidentumsfreundlich orientiert (siehe Gedanken zur Woche 66-b und 74-b). Bezeichnenderweise hat die katholische Kirche nie in Erwägung gezogen, Konstantin, eben oft „der Große“ genannt, heiligzusprechen oder ihn als Seligen anzuerkennen.
Allmählich aber drangen verstärkt Karrieristen und Wendehälse in die Kirche ein, gerade aus sogenannten „besseren“ Familien und aus solchen Kreisen, welche in diese Richtung aufsteigen wollten.
Kirchenvater Ambrosius konnte immerhin im Jahre 390 den ebenfalls gerne „der Große“ genannten römischen Theodosius zur öffentlichen Kirchenbuße zwingen. Erstgenannter war überhaupt für sein energisches und mutiges Auftreten gegenüber römischen Mächtigen bekannt. Menschen wie ihm ist bei allen Schwierigkeiten und menschliche Schwächen eine gewisse Verchristlichung zu verdanken. Im Laufe der Zeit wirkte sich das in der Philosophie, in Kunst und Rechtswesen aus. Dass dies aber nie einfach war, unterstreicht u.a. die Tatsache, dass in Teilen der Apenninenhalbinsel sich das Heidentum noch lange ziemlich stark hielt. Bis heute gibt es dort zahlreiche lokale und regionale Besonderheiten bis hin zu verschiedenen Sprachinseln. Die großen Inseln Sizilien und Sardinien haben, wie auch andere Teile des gegenwärtigen, erst seit dem 19. Jahrhundert entstandenen, italienischen Staatsverbandes, ein jeweils eigenes Autonomiestatut.
1. Lesung: Num 11,25-29
2. Lesung: Jak 5,1-6
Evangelium: Mk 9,38-43.45.47-48
Gedanken zur Woche 79-b, Dr. Matthias Martin
26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn die Kirche des heiligen Hieronymus gedenkt, dann richtet sie ihren Blick auf eine Persönlichkeit, welche über konfessionelle Grenzen hinweg enorme Bedeutung erlangte. So ist es eben der heilige Hieronymus, der die Frauen, die am Ostermorgen zum Grab des gekreuzigten Herrn gekommen waren, als „Apostelinnen der Apostel“ würdigte (siehe Gedanken zur Woche 5). Er hinterließ zahlreiche historische und theologische Schriften, sowohl dogmatischer wie exegetischer Art, samt Briefen und Predigten. Die Kirche ehrte ihn in außergewöhnlicher Weise, indem sie ihn zusammen mit Ambrosius, Augustinus und Gregor I., auch genannt der Große, zu den vier (großen) westlichen Kirchenvätern zählt (siehe Gedanken zur Woche 74-b). Es gibt auch den ihm nacheifernden Orden der Hieronymiten. Zu seinen Lebzeiten war der Heilige selber auch als Klostergründer aktiv. Ausdrücklicher Verehrung erfreut er sich nicht nur in der katholischen Kirche, sondern auch in anderen christlichen Konfessionen beziehungsweise Hauptrichtungen des Christentums. Einen starken Niederschlag fand das Leben und Wirken des heiligen Hieronymus nicht zuletzt in der bildenden Kunst.
Besondere Bedeutung kommt seiner Tätigkeit als Bibelübersetzer zu. Es war der dann selber ins Heiligenverzeichnis aufgenommene Papst Damasus I., der ihn mit der Erarbeitung einer neuen lateinischen Bibelausgabe beauftragte. Dabei hatte der heilige Hieronymus vom Urtext der Bibel auszugehen. Dies passte sehr gut zu seinem Nahverhältnis zu Papst Damasus I. und seiner Mitwirkung an der im Jahre 382 in Rom tagenden Synode. Auf dieser wurde neben anderen das Verzeichnis der zur Bibel gehörenden Einzelschriften, also der Kanon der Heiligen Schrift, ausdrücklich festgehalten.
Die Erarbeitung einer neuen und überörtlich anerkannten Bibelausgabe in lateinischer Sprache war umso bedeutender, da Latein die von Christen unterschiedlicher Herkunft beherrschte Sprache war. Es war die Sprache für Politik, Wissenschaft und anderweitige menschliche Aktivitäten zumindest im Großteil der einigermaßen bereits christianisierten Welt. Sie wurde natürlich auch von Nichtchristen verwendet, wie den im Römischen Senat noch stark vertretenen Anhängern des Heidentums. Latein nahm eine ähnliche Stellung ein, wie heute das allerdings in verschiedene Varianten mit unterschiedlicher Schreibweise auch bei Alltagsbegriffen ausdifferenzierte Englisch, dessen wichtigste Ausgabe mitunter schlechthin als Amerikanisch bezeichnet wird. Das Schriftlatein bot da den Vorteil einer stärkeren Einheitlichkeit und Geschlossenheit. So wurde Latein bis in die Neuzeit hinein nicht zuletzt im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, auch genannt Erstes/I. Deutsches Reich oder Altes Reich, als die Vorlesungssprache an Universitäten verwendet, und dies nicht nur bei Katholiken.
Zur Zeit des heiligen Hieronymus und des heiligen Damasus I. war Latein die Sprache für weiteste Bevölkerungsteile. Schon vorher hatte es verschiedene Bibelübersetzungen ins Lateinische gegeben, die wegen ihrer Unterschiede Probleme bereiteten. Dem wollte man nun in der Kirche mit einer vom Urtext her erarbeiteten und allgemein anerkannten neuen lateinischen Bibelausgabe abhelfen. Im vierten bis fünften Jahrhundert entstanden auch Übersetzungen in weitere Sprachen, so ins Äthiopische, ins Armenische und ins Georgische. Die Übersetzung ins Gotische ist untrennbar mit Bischof Wulfila verbunden.
Später gab es dann schon lange vor dem Wirken Martin Luthers Bibelübersetzungen ins Deutsche, und zwar eine ganze Reihe. Nach und nach begannen einst Missionare und Bischöfe in deutscher Sprache, angefangen in seiner althochdeutschen Form, zu wirken. Auch eigene Wörterbücher für den kirchlich-theologischen Bedarf entstanden. Besondere Bedeutung kam in der Entwicklung des Miteinanders von Bibel und deutscher Sprache immer wieder dem Elsass beziehungsweise Elsass-Lothringen zu. So heißt es in „Die Bibel in Deutschland“ von Johannes Schildenberger, Leopold Lentner, Paul Heinz Vogel und Otto Knoch (Stuttgart 1965):
„Deutschland ist nicht nur das Land, in dem der Druck mit beweglichen Lettern erfunden wurde, es ist auch das Land, in dem der erste Bibeldruck in einer modernen Landessprache erschien. Vor Luther kamen 14 hoch- und 4 niederdeutsche Bibeldrucke heraus. Alle diese Ausgaben sind im Folioformat gedruckt und enthalten zwei Spalten. Die Zeilenzahl je Seite schwankt je nach Ausgabe zwischen 42 und 61.
1. Die erste deutsche Bibel wurde von Johann Mentel(in) im Jahre 1466 in Straßburg gedruckt. Mentel, der um 1410 in Schlettstadt geboren war, erwarb am 17. April 1447 als Goldschreiber das Straßburger Bürgerrecht. Er soll seit 1458 gedruckt haben. . . .
2. Auch die zweite deutsche Bibel wurde in Straßburg gedruckt, und zwar um 1470 von Heinrich Eggestein (Eggensteyn). Eggestein, der in Rosheim geboren ist, erwarb 1442 das Straßburger Bürgerrecht, das er um 1450 aufgab, aber am 9. August 1459 erneut erwarb“ (Seite 251-252).
In dem Buch von Meic Stephens „Minderheiten in Westeuropa“ (deutsche Ausgabe Husum 1979) wird unter anderem festgehalten:
„Das älteste Gedicht in deutscher Sprache, das Evangelienbuch, wurde 868 n. Chr. von Otfried von Weißenburg (etwa 800-870) verfaßt, und so berühmte Namen wie Gottfried von Straßburg (1210 geflohen), Autor des großen Epos von Tristan und Isolde, Reinmar von Hagenau, Sebastian Brant und der Satiriker Johann Fischart (1547-1590) erinnern die Welt daran, daß das Elsaß zweifellos eines der großen kulturellen Zentren der germanischen Welt gewesen ist. Als Latein durch die einheimischen Sprachen ersetzt zu werden begann, waren die elsässischen Städten unter den ersten, die Deutsch zu ihrer offiziellen Sprache erklärten, und in der Reformation wurde die deutsche Messe zuerst in Straßburg eingeführt; dort erschien auch 1466 die erste Bibel in deutscher Sprache – 68 Jahre vor Luthers Übersetzung“ (Seite 164).
In neuester Zeit waren die für das Gebiet von Elsass-Lothringen zuständige Erzdiözese Straßburg und Diözese Metz an der Herausgabe des Deutschen Messbuches und der damit zusammenhängenden Lektionare beteiligt. Den offiziellen Auftrag für die Herausgabe der neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung der Bibel in deutscher Sprache erteilte dann zusammen mit seinen betreffenden Mitbrüdern im Bischofsamt der Erzbischof von Straßburg.
Geeignete Bibelübersetzungen zu erarbeiten und zu veröffentlichten bleibt wie in den Tagen des heiligen Hieronymus eine spannende Angelegenheit.
Gedanken zur Woche 78, Dr. Matthias Martin
25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Ein berühmter österreichischer Bundeskanzler wird gerne mit der Aussage zitiert: „Lernen Sie Geschichte!“. Wie so oft, gibt es auch bei diesem Zitat verschiedene (Unter-)Varianten die bemüht werden, wie „Lernen’S ein bissl Geschichte“, „Lernen’s Geschichte, Herr Redakteur“ und „Lernen S‘ Geschichte, Herr Reporter“. Ungekürzt soll die bemerkenswerte Aussage in etwa lauten „Lernen Sie ein bisschen Geschichte, dann werden Sie sehen, Herr Reporter, wie das in Österreich sich damals im Parlament entwickelt hat.“
Vielleicht hat sich der betreffende österreichische Bundeskanzler hier durch den heiligen Papst Pius X. inspirieren lassen. Dieser hatte in seiner Amtszeit in den Jahren von 1903 bis 1914 ja u.a. gemeint, dass gute Geschichtskenntnisse unverzichtbar für die Theologie seien (siehe Gedanken zur Woche 28 und 58).
Ganz in diesem Sinne besitzt der neutestamentliche Jakobusbrief im Allgemeinen und die nach der im deutschen Sprachraum üblichen Leseordnung aus ihm genommene Zweite Lesung im Besonderen eine ganz bemerkenswerte Bedeutung. Wird hier doch entgegen aller romantischer Verklärung und mitunter bewusster Geschichtsklitterung verdeutlicht, dass es schon innerhalb des Urchristentums, in der ganz frühen Christenheit, keineswegs harmonisch zuging. In diesem Punkt steht der Jakobusbrief übrigens nicht allein unter den neutestamentlichen Schriften. Bis in die gerne gerade in den letzten rund fünf Jahrhunderten eigenwillig in Beschlag genommenen sogenannten Paulusbriefe hinein finden sich dazu bemerkenswerte Stellen (siehe Gedanken zur Woche 58-b).
Es entspricht dem Stil des Jakobusbriefes, dass er auch in der vorgesehenen Zweiten Sonntagslesung sehr schnell und direkt undiplomatisch zur Sache kommt und nicht lange um den heißen Brei herumgeredet oder herumgeschrieben wird. Erinnern wir uns, dass es im nicht allzu langen Jakobusbrief gleich zweimal ungeschminkt heißt, dass der Glaube tot sei ohne die Werke! Auch sonst wird Gläubigen der ganz frühen Zeit im Christentum ungeschminkt der Spiegel vorgehalten. Zu Beginn des Zweiten Kapitels geht es im Jakobusbrief schon etwas ins Sarkastische, wenn da vor der Bevorzugung der Reichen, eines „Mannes mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung“ (Jak 2,2) gegenüber einem Armen gewarnt wird. In der Zweiten Lesung für den 24. Sonntag im Jahreskreis wird die regelrecht rhetorische Frage gestellt, ob denn der Glaube ohne die guten Werke jemanden retten könne. Fortgesetzt wird dies in etwas bissigem Tonfall mit der Frage „(2,15) Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung sind und ohne das tägliche Brot (16) und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen – was nützt das?“ Das Lesen von nur zwei oder drei Versen im Jakobusbrief kann auch heutigen Menschen schon einen Denkanstoß, einen Impuls zum Handeln vermitteln.
Deutlich bis sarkastisch geht es auch zu, wenn wir den Lesungstext für den 25. Sonntag im Jahreskreis in diesem Lesejahr B anschauen. Laut der neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung lautet die Doppelfrage: „(4,1) Woher kommen Kriege bei euch, woher Streitigkeiten? Etwa nicht von den Leidenschaften, die in euren Gliedern streiten?“. Im Kommentarwerk „Der Jakobusbrief. Übersetzt und erklärt von Franz Schnider“ (Regensburger Neues Testament, Regensburg 1987) „(4,1) Woher kommen die Kriege und woher die Kämpfe bei euch? Nicht daher: Von euren Lüsten, die in euren Gliedern streiten?“ Jeweils wird sogar von Kriegen gesprochen, wenn es um die Verhältnisse innerhalb der christlichen Gemeinschaft geht und dies wird noch sprachlich vertieft. In dieselbe Richtung geht es in der älteren Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung: „(4,1) Woher kommen die Kriege bei euch, woher die Streitigkeiten? Doch nur vom Kampf der Leidenschaften in eurem Innern“ (Seite 97). So deutlich geht es dann weiter.
Von Beschönigen, von Vertuschung ist da im Jakobusbrief keine Spur! Das genaue Gegenteil lässt sich feststellen. Dazu kommt eben auch die sehr direkte Ansage gegen die „besseren“ Kreise der Gesellschaft. Ich habe es selber wiederholt erlebt, dass Menschen, denen es offensichtlich wirklich um Aufrichtigkeit, Gerechtigkeit und Hilfsbereitschaft ging, ganz spontan gerade auf den Inhalt des Jakobusbriefes angetan bis begeistert reagierten. Es gab natürlich auch Menschen, denen im Laufe der Geschichte der Jakobusbrief besonders unangenehm aufstieß. Stellt dieser doch gegenüber einer Anpassung an die Mächtigen und Reichen eine offene Kampfansage dar, wird im und mit dem Jakobusbrief so mancher und manchem unangenehm der Spiegel vorgehalten. Da geht es eben nicht darum, vielleicht einen Empfang in einem königlichen Schloss oder Privilegien vom Landesfürsten gewährt zu bekommen, vielleicht irgendeinen Orden verliehen zu bekommen, die Staatsmacht für sich selber wirken zu lassen, indem man es sich zeitgeistkonform fein richtet. Das Gegenteil tritt uns im Jakobusbrief als Grundkonzept vor Augen. Dabei wird dort eben auch nicht mit Kritik an innerkirchlichen Fehlentwicklungen und schlechten Verhalten in einem sich als christlich ausgebenden Bereich gespart.
Unser Pfarrpatron, der Heilige Nikolaus, hat dieses Programm des Jakobusbriefes in die Tat umgesetzt. Mutig bekannte er in den Zeiten kaiserlicher Christenverfolgung den Glauben und war auch nach der allmählich stattfindenden offiziellen Christianisierung des Römischen Reiches nicht bereit, den Mächtigen nach den Mund zu reden oder sich zu deren willigem Handlanger zu machen. Stattdessen setzte er sich für die Armen, die am Rande der Gesellschaft und des politischen Apparates stehenden ein. Umso mehr ist ein Blick sowohl in den Jakobusbrief wie auf den überlieferten Lebensweg des heiligen Nikolaus gerade in unserer Zeit angesagt.
Dass es in der Kirche, generell in einer sich „christlich“ nennenden Gemeinschaft zu Fehlentwicklungen, zu schlechtem Verhalten, kommen kann, ist ja nicht nur ein Problem der Antike. Annähernd täglich gibt es neue Berichte und ähnliches in Zusammenhang mit der Missbrauchsproblematik einschließlich Finanzskandalen in christlichen Konfessionen. In Hinblick auf die römisch-katholische Kirche hat hier gerade in jüngster Zeit niemand geringerer als der emeritierte Papst Benedikt XVI. deutliche Worte gefunden, sei es zur seit Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts wie ein Krebsgeschwür wuchernden Unkultur von Sympathien für Missbrauchstäter und die routinemäßige Herabwürdigung von Opfern und von Menschen auf deren Seite, sei es seine jüngste Kritik an der Personalpolitik im sozial-caritativen Wirkungsbereich seiner eigenen offiziellen Konfession in der Bundesrepublik Deutschland.
1. Lesung: Weish 2,1a.12.17-20
2. Lesung: Jak 3,16-4,3
Evangelium: Mk 9,30-37
Gedanken zur Woche 78-b, Dr. Matthias Martin
25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Die Bedeutung des heiligen Matthäus, dessen die Kirche am 21. September 2021 gedenkt, ersieht man schon daran, dass er wie etwa der heilige Kornelius und der heilige Cyprian (von Karthago) Im Römischen Messkanon (siehe Gedanken zur Woche 77-b), auch genannt das Erste Hochgebet, vor der Wandlung namentlich genannt wird. Demensprechend heißt es dazu in dem bei uns üblichen Deutschen Messbuch:
„In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche
gedenken wir deiner Heiligen.
Wir ehren vor allem Maria,
die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter
unseres Herrn und Gottes Jesus Christus.
Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef,
deine Heiligen Apostel und Märtyrer:
Petrus und Paulus, Andreas,
Jakobus, Bartholomäus, Matthäus (!),
Simon und Thaddäus,
Linus, Kletus, Klemens, Xystus, Kornelius,
Cyprianus, Laurentius, Chrysogonus,
Johannes und Paulus, Kosmas und Damianus
und alle deine Heiligen.“
Wird sowohl im Neuen Messritus wie in der Tridentinischen Messe/Liturgie das Fest des heiligen Matthäus am selben Tag gefeiert, so ist sein Name natürlich über Konfessionsgrenzen hinweg vor allem mit dem Matthäusevangelium verbunden.
Dieses gehört mit dem Markus- und dem Lukasevangelium zu den drei synoptischen Evangelien des Neuen/Zweiten Testamentes. Da es wie das Lukasevangelium über einen größeren Textumfang als das Markusevangelium verfügt, wird es manchmal mit dem Lukasevangelium als es eines von dementsprechend zwei Großevangelien bezeichnet (siehe Gedanken zur Woche 50). Da das Matthäus- und das Lukasevangelium normalerweise in einer Synopse links und rechts vom Markusevangelium stehen, werden sie manchmal auch die Seitenreferenten genannt. Dies hängt insbesondere mit der unter Theologen beliebten Zwei-Quellen-Theorie, auch geschrieben Zweiquellentheorie, über die Entstehung der synoptischen Evangelien zusammen.
Das Matthäusevangelium enthält einige der bekanntesten Bibelpassagen. Da ist die aus verschiedenen Einzelteilen bestehende Bergpredigt (Mt 5-7). Dort finden wir die berühmten ´Seligspreisungen` (5,3-11), die schon vielen Menschen als Anregung dienten, etwa für Verständigung und Friedfertigkeit einzutreten. Es wird die fortdauernde Bedeutung des Alten/Ersten Testamentes drastisch herausgestellt (5,17-20) Ebenso finden wir die Aufforderung, dass bei der Hilfe für Bedürftige die linke Hand nicht wissen solle, was die rechte tut (6,3). Die Bergpredigt spielt eine große Rolle für das römisch-katholische Verständnis von der Unauflöslichkeit der Ehe (besonders 5,31-32). Es wird uns in positiver Formulierung die Goldene Regel vorgestellt (7,12). Überhaupt kann manch sprachliches Bild aus dieser Bergpredigt auch Menschen bekannt vorkommen, die nicht aktiv am kirchlichen Leben teilnehmen.
Gerade die Stelle über das Ablegen von Eiden (5,33-37) wurde und wird kontroversiell diskutiert. Bereits zwischen Katholiken und Katharern traten hier deutliche Meinungsverschiedenheiten zutage. In späterer Zeit lehnten und lehnen dann verschiedene Gruppen von Mennoniten und Quäkern sowie die Amischen und die Hutterer von ihrem Verständnis der Bergpredigt her den Eid ab.
Ein eigenes ganz frühes Zeugnis für rechtliche Regelungen im entstehenden Christentum bietet die Gemeinderegel des Matthäusevangeliums (18,15-17):
„(15)Wenn dein Bruder gegen dich sündigt, dann geh und weise ihn unter vier Augen zurecht! Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. (16) Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei mit dir, damit die ganze Sache durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werde. (17) Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde! Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.“
Tatsächlich gab es schon früh im Christentum erste rechtliche Regelungen. Es entwickelten sich Ordnungsstrukturen. Beim ersten Allgemeinen Konzil von Nicäa im Jahre 325 wurden zusammen mit dem Glaubensbekenntnis 20 Canones zur Regelung kirchlicher Fragen verabschiedet.
War die Kirche bereit, rechtliche Anregungen von außerhalb aufzunehmen, so beeinflusste sie später selber die allgemeine Rechtsentwicklung. So beschäftigte sie sich passend zur Bergpredigt umfassend mit der Entwicklung des Eherechts. Verschiedene Bereiche des Verfassungs- und Verwaltungsrechts wie das Prozessrecht wurden durch das kirchliche Recht beeinflusst. Von dorther wurde auch der Grundsatz verbreitet, dass Verträge einzuhalten sind („Pacta sunt servanda“). Auch wurde letztlich ausgehend von der Bibel und hier nicht zuletzt dem Matthäusevangelium her die Entwicklung des rechtlichen Personenbegriffs vorangetrieben.
Für das christliche Verständnis staatlicher wie kirchlicher Tätigkeit besonders wichtig wurde das Gleichnis vom Jüngsten Gericht (25,31-46), wo es u.a. heißt:
„(25,40) . . . Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. . . . (45) . . . Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“
Manchmal werden die Schlussverse des Matthäusevangeliums als die Zusammenfassung des Auftrages Jesu an seine Jünger und damit an die Kirche angesehen. Auf jeden Fall kommt diesen Bibelversen allein schon in Hinblick auf den dort in trinitarischer Ausprägung ausgesprochenen Taufbefehl enorme Bedeutung zu:
„(28,18) Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. (19) Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (20) und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Deutlich wird hier die weltweite Aussendung wie der damit verbundene Auftrag, umfassend für das einzutreten, was im Laufe der Zeit gerne die Glaubens- und Sittenlehre genannt wurde.
Gedanken zur Woche 77, Dr. Matthias Martin
24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Die Zweite Lesung vom 25. Sonntag im Jahreskreis führt uns mit den Versen aus dem Jakobusbrief zu einer ganz zentralen Stelle im Neuen/Zweiten Testament hin. Der Jakobusbrief steht für ein Glaubensleben, in welchem es gerade um die Bewährung im Alltag geht und aufrichtiges menschliches Miteinander eine unverzichtbare Rolle spielt. Ganz offensichtlich geht es dabei um Vermeidung von Polemik bei theologischen Akzentunterschieden, ohne sich dabei aber einem etwaigen Zeitgeist anzubiedern. Vielmehr wird im Jakobusbrief ausdrücklich davor gewarnt, sich als Glaubensgemeinschaft in einem solchen Sinne falsch zu orientieren. So heißt es wenige Verse vor der jetzigen Zweiten Lesung eben im Jakobusbrief:
„(2,1) Meine Brüder und Schwestern, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person! (2) Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt und zugleich ein Armer in schmutziger Kleidung (3) und ihr blickt auf den Mann in der prächtigen Kleidung und sagt: Setz du dich hier auf den guten Platz! und zu dem Armen sagt ihr: Du stellt dich oder setz dich dort zu meinen Füßen! – (4) macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und seid Richter mit bösen Gedanken?“
Diese deutliche Vorhaltung wird fortgesetzt (siehe dazu auch Gedanken zur Woche 20 und 57) und sollte in der Kirche immer wieder ernst genommen werden. Solche Worte sind so aktuell wie und je, wenn nicht noch aktueller als in früheren Jahrhunderten.
Anstelle des Anbiederns an die Mächtigen und einen herrschenden Zeitgeist geht es im Jakobusbrief ganz besonders um moralisch-religiöse Geradlinigkeit und, davon nicht zu trennen, um die Verwirklichung von Nächstenliebe im Tun guter Werke. So finden wir tatsächlich in der heutigen Zweiten Lesung das berühmte Wort, dass „(2,17) der Glaube für sich allein tot , wenn er nicht Werke vorzuweisen hat“. Wenig später wird noch einmal eingeschärft, dass der Glaube tot ist ohne die Werke (2,26). Dies begegnet als Grundüberzeugung bereits immer wieder im Alten/Ersten Testament einschließlich der Kritik an gesellschaftlich Hochgestellten einschließlich Königen und dem Eintreten für die Armen, für Benachteiligte.
Dazu passt, dass im Jakobusbrief ein betont entspanntes Verhältnis zwischen Juden und Christen oder, anders gesagt, jüdischen und christlichen Richtungen vor Augen tritt. Anstelle von Konflikt und Polemik gilt vielmehr die grundsätzliche Mahnung, sich als Christinnen und Christen selber, bildlich gesprochen, an der Nase zu fassen, sich zusammenzureißen und sich um das Tun guter Werke zu bemühen. Dass man Mitmenschen Gutes tut und böse Handlungen gegen sie unterlässt, ist ja die Verwirklichung von Nächstenliebe ihnen gegenüber. Das sieht man in der Fürsorge von Eltern für ihre Kinder wie in der Fürsorge von Kindern für ihre Eltern, wenn diese alt geworden sind. Solches wurde übrigens schon im Alten/Ersten Testament angesprochen. Erinnern wir uns daran, dass die Liebe nach dem Zeugnis des Ersten Korintherbriefes von den drei christlichen Grundtugenden, auch genannt die göttlichen oder auch die theologischen Tugenden, die größte ist (1 Kor 13,13). Und das wichtigste unter den Geboten ist unter Berufung bezeichnenderweise auf die Fünf Bücher Mose, die Thora, das doppelte Liebesgebot mit der Gottes- und der Nächstenliebe, wie uns die drei synoptischen Evangelien zeigen, also das Matthäus-, das Markus- und das Lukasevangelium (siehe Gedanken zur Woche 62, 66 und 71).
Auch in den Zehn Geboten geht es um die Liebe zu Gott wie zu den Mitmenschen. So ist im Inhaltsverzeichnis des Kompendiums des KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN KIRCHE das Kapitel über das Erste bis Dritte Gebot überschrieben mit dem Gebot der Gottesliebe nach Dtn 6,5. Das Gebot zur Nächstenliebe aus Lev 19,18 steht dann über den Hinweisen zum Vierten bis Zehnten Gebot (siehe in diesem Kompendium von 2005 die Seiten 7-8, 161 und 165). Dieselbe Einteilung begegnet grundsätzlich im KOMPENDIUM DER CHRISTLICHEN LEHRE des heiligen Papstes Pius X. (in der Ausgabe Wien 1981 die Seiten 142, 151 und 446-447).
In einem guten Sinne greift der Jakobusbrief die Grundlinie des Alten/Ersten Testamentes auf. So überrascht es umso weniger, das es die ernste wissenschaftliche Position gibt, wonach der Jakobusbrief überhaupt die älteste Schrift des Neuen/Zweiten Testamentes ist. Natürlich gibt es auch andere Meinungen. Nicht umsonst gibt es Sprüche wie „Ein Bibelvers, 34 begründete Exegetenmeinungen“. Mitunter wird ausdrücklich betont, dies bezöge sich dann wohl nur auf die römisch-katholische Kirche allein. Bei den vielleicht 41.000 bis 47.000 verschiedenen, sich christlich nennenden und voneinander grundsätzlich unabhängigen, konfessionellen Gemeinschaften gibt es sicher einen zahlenmäßig viel größeren Pluralismus an Meinungen zu Fragen, welche die Bibel betreffen. Zwischen den christlichen Konfessionen gibt es ja grundsätzlich überhaupt keine Einhelligkeit, welche Schriften denn überhaupt zur Bibel gehören. Dass sich überhaupt eine Sammlung von Schriften entwickelte, welche gerne „Bibel“ genannt wird, war ein Jahrhunderte umfassender Prozess. Gerade mit der sogenannten Reformation brachen dann neue Gegensätze aus. Interessanterweise gab es in wichtigen Bereichen der frühen Christenheit starke Vorbehalte bis ausdrückliche Ablehnung der mehr oder minder dem Apostel Paulus zugeschriebenen Schriften. In neuerer Zeit geriet dann gerade der Römerbrief von unterschiedlicher Seite wiederholt in die Kritik. Wie dann eine Bibelstelle zu übersetzen ist, ist dann noch einmal zu klären und führt immer wieder zu Diskussionen bis hin zu Auseinandersetzungen.
Ermutigt durch den Jakobusbrief sollen wir uns aber jenseits diverser Spitzfindigkeiten um richtig verstandene Deeskalation bemühen, um wahrhaftige Liebe zu unseren Mitmenschen, die sich im Tun guter Werke und dem Meiden böser Handlungen bewährt.
Wurde der Heilige Nikolaus, der Pfarrpatron der Gemeinde in Stein an der Donau, ein herausragendes Vorbild für das Tun guter Werke, so geschieht ja hier vor Ort auch einiges. Denken wir nur an die Pfarrcaritas, die jeweilige MIVA-Sammlung, generell das Zusammenstehen gerade in Krisenzeiten und neuerdings eigens an die Kühlschrankaktion. Das Bekenntnis des Glaubens, die Feier der Liturgie und Spendung der Sakramente wie auch das Stehen in der kirchlichen Gemeinschaft sind nicht zu trennen von der Nächstenliebe, vom Tun der guten Werke. Der Heilige Nikolaus hat dies verwirklicht, nachdem bereits gerade der Jakobusbrief deutlich gemacht hat, dass der Glaube tot ist ohne die (guten) Werke.
1. Lesung: Jes 50,5-9a
2. Lesung: Jak 2,14-18
Evangelium: Mk 8,27-35
Gedanken zur Woche 77-b, Dr. Matthias Martin
24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn an einem Tag im Jahreskreis gleich zweier Heiliger gedacht wird, die im Römischen Messkanon, auch genannt das Erste Hochgebet, namentlich erwähnt werden, so ist dies wirklich außergewöhnlich. Tatsächlich wird am 16. September sowohl des heiligen Kornelius wie des heiligen Cyprian von Karthago gedacht. Im Römischen Messkanon werden sie in der ungekürzten Fassung vor der Wandlung genannt. Es heißt dort in deutscher Ausgabe:
„In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche
gedenken wir deiner Heiligen.
Wir ehren vor allem Maria,
die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter
unseres Herrn und Gottes Jesus Christus.
Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef,
deine Heiligen Apostel und Märtyrer:
Petrus und Paulus, Andreas,
Jakobus, Bartholomäus, Matthäus,
Simon und Thaddäus,
Linus, Kletus, Klemens, Xystus, Kornelius (!),
Cyprianus (!), Laurentius, Chrysogonus,
Johannes und Paulus, Kosmas und Damianus
und alle deine Heiligen.“
Der Gedenktag vom 16. September für beide so wichtigen Heiligen ist derselbe sowohl in dem nach dem II. Vatikanischen eingeführten Neuen Ritus, auch genannt die Erneuerte Liturgie, wie in der Alten Lateinischen Messe, auch genannt Tridentinische Messe beziehungsweise Tridentinische Liturgie. Mitunter wird sie auch anders bezeichnet, so etwa die Messe des heiligen Pius V., die Messe Gregors des Großen, die Messe Johannes XXIII. oder auch die Messe Don Camillos (siehe insbesondere https://www.youtube.com/watch?v=5r64J0lue_E und https://www.youtube.com/watch?v=uDz2ZhTY9z0). Zumindest im nordamerikanischen Raum kann bezüglich der Heiligen Messen in der tridentinischen Form manchmal auch die Bezeichnung Messe Damasus I. begegnen. Wie Don Camillo zelebriert auch mit dem fiktiven Geistlichen Ralph Roaul de Bricassart der tragische Held von Roman und Verfilmung „Die Dornenvögel“ in der tridentinischen Form der Heiligen Messe. Ist im Hochgebet an der zitierten Stelle ausdrücklich von „Gemeinschaft mit der ganzen Kirche“ die Rede, so sollte diese vielfältige Ausstrahlung von Liturgie, wie der Umstand, dass in beiden liturgischen Formen am selben Tag der beiden Heiligen gedacht wird, als Anstoß aufgegriffen werden, das Verbindende vor das Trennende zu stellen.
Gerade in jüngster Zeit gab es wieder offene Auseinandersetzungen um die Liturgie in der katholischen Weltkirche. Dies geschah gerade in Zusammenhang mit der Frage, welche Stellung in ihr die Tridentinische Messe einnehmen soll oder nicht einnehmen soll.
Dabei sind auch sonst alle möglichen Punkte der Glaubens- wie der Sittenlehre einschließlich des Kirchenrechts mehr oder minder in der Diskussion, um nicht zu sagen umstritten. Meinungsverschiedenheiten sind nicht zuletzt innerhalb des Klerus festzustellen (siehe Gedanken zur Woche 44). Der „Synodale Weg“ in der Bundesrepublik Deutschland führt auf eigene Weise zu Auseinandersetzungen und hat mitunter schon die Befürchtung einer neuen Kirchenspaltung hervorgerufen. Ein eigenes schillerndes Phänomen sind die seit dem II. Vatikanischen Konzil auftretenden modernen Gegenpäpste, mit einer meist winzigen bis nicht feststellbaren Anhängerschaft. In seltenen Fällen gelangte der eine oder andere gegenpäpstliche Herausforderer des römischen Papstes zumindest zu etwas Anhang (siehe https://magnuslundberg.net/category/modern-alternative-popes/). Hinzu kommen Einzelpersonen und Grüppchen oder Gruppen, für die seit kürzerem oder längeren vermeintlich gar kein richtiger Papst mehr vorhanden ist, sogenannte Sedisvakantisten. Diese meinen, der Heilige Stuhl, lateinisch Sancta Sedes, sei zurzeit unbesetzt (zumindest für so etwas wie einen ersten thematischen Einstieg in deutscher Sprache https://de.wikipedia.org/wiki/Sedisvakantismus).
Mehr im Blickpunkt der breiten Öffentlichkeit stehen insbesondere die Auseinandersetzungen zwischen Katholiken um Fragen der Sexualmoral und eine etwaige Weihe von Frauen für kirchliche Ämter. In verschiedenen protestantischen Denominationen/konfessionellen Gemeinschaften sowie bei den Anglikanern haben die Auseinandersetzungen über solche Punkte in den letzten Jahren zu neuen Spaltungen geführt. Diese Vorgänge sind keineswegs auf ein Land oder einen Kontinent beschränkt und setzen sich fort, wie das Auseinanderbrechen der der international organisierten Evangelisch-methodistischen Kirche, insbesondere im Amerikanischen United Methodist Church genannt, und die Aufsplitterung im anglikanischen Bereich verdeutlichen.
Dass es innerkirchlich Spannungen bis hin zu ausdrücklichen konfessionellen Spaltungen gibt, ist dabei nichts Neues. Das gab es schon in neutestamentlichen Zeiten mit Niederschlag in biblischen Schriften (siehe Gedanken zur Woche 45-b, 58-b und 74). Spannungen hatten auch der heilige Kornelius und der heilige Cyprian um die Mitte des Dritten Jahrhunderts auszuhalten und weitere Spaltungen in der Christenheit möglichst zu verhindern. Nicht zuletzt gab es zwischen Cyprian mit Wirkungszentrum im nordafrikanischen Karthago und dem kirchlichen Rom Spannungen. Rom trat in der Frage der Anerkennung von Taufen, die in christlichen Gemeinschaften außerhalb der (katholischen) Kirche gespendet wurden, für deren Anerkennung ein. Cyprian lehnte dies ab. Auch sonst war Cyprian im Vergleich zum offiziellen Bischof von Rom eher einer, den man heute einen Hardliner nennt. Eine ausdrückliche Spaltung zwischen den kirchlichen Zentren Rom und Karthago konnte letztlich verhindert werden. Das mag zum Nachdenken darüber anregen, wie heute innerkirchlich Spannungen abgebaut werden könnten, anstatt sie anzuheizen. Nicht umsonst hat sich in der katholischen Kirche zum Beispiel die Meinung durchgesetzt, dass die Taufspendung in einer christlichen Gemeinschaft außerhalb der katholischen Kirche grundsätzlich gültig ist. Noch auf dem immer wieder zu Auseinandersetzungen Anlass gebenden II. Vatikanischen Konzil war diese Position übrigens unbestritten. Nun, auch in diesem Punkt gab es aber in den letzten Jahren unnütze Verwirrung innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Mancher offizielle Geistliche wollte da offensichtlich „katholischer“ sein als der heilige Papst Stefan I., Kirchenvater Augustinus, das Konzil von Trient und so weiter. Wirklich bedenklich ist, wenn in einer betreffenden (Erz-)Diözese so etwas auch noch zumindest wohlwollend toleriert wird.
Gedanken zur Woche 76, Dr. Matthias Martin
23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn uns mit der Ersten Lesung für den 23. Sonntag im Jahreskreis aus dem alttestamentlichen Buch Jesaja besondere Worte der Verheißung geboten werden, so hat dies gerade in unserer Zeit seine Bedeutung. Die allgemeinen Nachrichten sind ja sehr oft voll von betrüblichen bis sehr schlimmen Ereignissen. Gerade die Pandemie in all ihren Facetten und die damit verbundenen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und wirtschaftlich-sozialen Schwierigkeiten beherrschen immer wieder die Schlagzeilen. Die jüngsten Ereignisse in Afghanistan wurden von ungezählten Menschen mit Entsetzen, heftiger Enttäuschung bis blanker Wut zur Kenntnis genommen. Dabei ist Afghanistan beileibe nicht das einzige von kriegerischen Auseinandersetzungen erschütterte Land. Denken wir nur an die blutigen Konflikte in den offiziell „Syrien“ und „Libyen“ genannten Gebieten. Gerade in amerikanisch-/ englischsprachigen Medien wird über eine zunehmende Kriegsgefahr zwischen China und Taiwan und dergleichen geschrieben beziehungsweise gesprochen.
Da sind Worte, die Hoffnung ausdrücken, umso wichtiger. Die Hoffnung zählt ja zusammen mit Glauben und Liebe zu den drei christlichen Grundtugenden.
Auch sonst ist das alttestamentliche Buch Jesaja zu jeder Jahreszeit von höchster Bedeutung. Es macht deutlich, dass das Alte Testament keineswegs zum „Alten Eisen“ gehört, nicht etwas überholtes, etwas jetzt Irrelevantes wäre. Um diesbezügliche Missverständnisse zu vermeiden, wurden in den letzten Jahrzehnten anstellte der Bezeichnungen Altes und Neues Testament mitunter die Ausdrücke Erstes und Zweites Testament verwendet. Dies passt zur katholischen Überlieferung, wonach die ganze Bibel mit ihren beiden Testamenten und den dort jeweils enthaltenen Einzelschriften in Ehren zu halten und zu berücksichtigen ist.
Eigens sind die im Buch Jesaja überlieferten Lieder vom Gottesknecht von herausragender Bedeutung. Ich erinnere mich, wie während meines Theologiestudiums einer der Professoren eindringlich meinte, die Begründung des christlichen Verständnisses vom leidenden Messiahs, dem wahren Christus, hinge vom Dritten und Vierten Lied vom Gottesknecht im Buch Jesaja ab.
Tatsächlich sind die Worte des Dritten Liedes vom Gottesknecht recht eindrücklich:
„(50,4) GOTT, der Herr gab mir die Zunge von Schülern, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort.
Jeden Morgen weckt er mein Ohr, damit ich höre, wie Schüler hören.
(5) GOTT, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht, und wich nicht zurück.
(6) Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen,
und meine Wange denen, die mir den Bart ausrissen.
Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähungen und Speichel.
(7) Und GOTT, der Herr wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden.
Deshalb mache ich mein Gesicht hart wie einen Kiesel; ich weiß, dass ich nicht in Schande gerate.
(8) Er, der mich freispricht, ist nahe. Wer will mit mir streiten?
Lasst uns zusammen vortreten! Wer ist mein Gegner im Rechtsstreit? Er trete zu mir heran.
(9) Siehe, GOTT, der Herr, wird mir helfen. Wer kann mich für schuldig erklären?
Siehe, sie alle zerfallen wie ein Gewand, das die Motten zerfressen.“
Vielleicht noch mehr bekannt ist das Vierte Lied vom Gottesknecht:
„(52,13) Siehe, mein Knecht wird Erfolg haben, er wird sich erheben und erhaben und sehr hoch sein.
(14) Wie sich viele über dich entsetzt haben – so entstellt sah er aus, nicht mehr wie ein Mensch, seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen -,
(15) so wird er viele Nationen entsühnen, Könige schließen vor ihm den Mund.
Denn was man ihnen noch nie erzählt hat, das sehen sie nun;
was sie niemals hörten, das erfahren sie jetzt.
(53,1) Wer hat geglaubt, was wir gehört haben? Der Arm des HERRN – wem wurde er offenbar?
(2) Vor seinen Augen wuchs er auf wie ein junger Spross, wie ein Wurzeltrieb aus trockenem Boden.
Er hatte keine schöne und edle Gestalt, sodass wir ihn anschauen mochten.
Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm.
(3) Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voll Schmerzen, mit Krankheit vertraut.
Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht.
(4) Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen.
Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt.
(5) Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt.
Zu unserem Heil lag die Züchtigung auf ihm, durch seine Wunden wir geheilt.
(6) Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg.
Doch der HERR ließ auf ihn treffen die Schuld von uns allen.
(7) Er wurde bedrängt und misshandelt, aber er tat seinen Mund nicht auf.
Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf vor seinem Scherern verstummt, so tat auch er seinen Mund nicht auf.
(8) Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft, doch wen kümmerte sein Geschick?
Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten und wegen der Vergehen meines Volkes zu Tode getroffen.
(9) Bei den Frevlern gab man ihm sein Grab und bei den Verbrechern seine Ruhestätte,
obwohl er kein Unrecht getan hat und kein trügerisches Wort in seinem Mund war.
(10) Doch der HERR hat Gefallen an dem von Krankheit Zermalmten. Wenn du, Gott, sein Leben als Schuldopfer einsetzt,
wird er Nachkommen sehen und lange leben. Was Gott gefällt, wird durch seine Hand gelingen.
(11) Nachdem er vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis.
Mein Knecht, der gerechte, macht die Vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich.
(12) Deshalb gebe ich ihm Anteil unter den Großen und mit Mächtigen teil er die Beute,
weil er sein Leben dem Tod preisgab und sich unter die Abtrünnigen rechnen ließ.
Er hob die Sünden der Vielen auf und trat für die Abtrünnigen ein.“
Auch sonst verdient dieses alttestamentliche Buch Jesaja ernste Beachtung. So wird schon in seinem Ersten Kapitel vor falschem Gottesdienst gewarnt und zum Tun guter Werke aufgefordert. Damit wird der Weg nicht zuletzt in Richtung des Prophetenbuches Amos wie des ebenfalls alttestamentlichen Buches Jesus Sirach gewiesen beziehungsweise von dort her fortgeführt. Es mag da natürlich aus dem Neuen/Zweiten Testament gerade der Jakobusbrief in den Sinn kommen, aus dem die Zweite Lesung genommen ist.
1. Lesung: Jes 35,4-7a
2. Lesung: Jak 2,1-5
Evangelium: Mk 7,31-37
Gedanken zur Woche 76-b, Dr. Matthias Martin
23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Der Gedenktag des heiligen Petrus Claver (1580-1654) hat gerade in der heutigen Zeit seine ganz große Bedeutung.
Geboren im heutzutage mehrheitlich zum spanischen Staatsverband gehörenden Katalonien, studierte der spätere Heilige in dessen nationaler Hauptstadt Barcelona zunächst Kunst und Literatur, bevor er dem Jesuitenorden beitrat. Dies verdeutlicht zum einen den positiven Zusammenhang von Kirche auf der einen und Kunst und Wissenschaft auf der anderen Seite. Zum anderen weist es auf die Bedeutung des heutzutage dreigeteilten Kataloniens für die Kirche und überhaupt für die internationale Gemeinschaft hin. Wie selbst ein diplomatischer zurückhaltender oder gar ängstlicher Papst wie Benedikt XVI. in Wort und Tat verdeutlichte, ist Katalonien mit seiner eigenen Sprache, Kultur und Geschichte sehr bedeutsam für die katholische Kirche. Dabei spielt gerade eben auch die Metropole Barcelona eine wichtige Rolle.
Der Weg des katalonischen Volkes war kein einfacher. Mit dem Pyrenäenfrieden im Jahre 1659 wurde das Land im Wesentlichen zwischen Spanien und Frankreich geteilt. Behielt das unter spanischer Oberhoheit stehende größere Südkatalonien samt Barcelona noch eine Selbstverwaltung, so ging diese mit der Niederlage der Katalanen im Spanischen Erbfolgekrieg erst einmal verloren. Es kam zu grausamen Gemetzeln an den Landsleuten des heiligen Petrus Claver durch die von Frankreich herkommenden siegreichen Bourbonen. Hatten die Katalanen sich im Spanischen Erbfolgekrieg vertrauensvoll auf die Seite der Habsburger und damit auch Großbritanniens gestellt und tapfer an deren Seite gekämpft, so wurden sie erst von Großbritannien verraten (siehe Gedanken zur Woche 26-b) und anschließend von den Habsburgern im Stich gelassen. Manchem mögen dazu Aussagen in den Sinn kommen wie „Wer sich auf die Briten verlässt, der ist verlassen“ und „Wenn die Briten deine Freunde sind, brauchst du sonst keine Feinde mehr“. Bezüglich des Verhaltens der Habsburger auf Kosten der Katalanen meinte manche/r, dies sei „die ewige Schande des Hauses Habsburg.“
Das katalanische Volk hat dies überlebt, wie auch die französische Besatzung in Südkatalonien in der Zeit Napoleons I., die Niederlagen in den Karlistenkriegen des 19. Jahrhunderts und den Ausgang des Spanischen Bürgerkrieges mit der anschließenden Franco-Herrschaft. Längst gibt es mit Andorra als einem dritten Teil Kataloniens ein Vollmitglied der Vereinten Nationen und des Europarates, in dem Katalanisch die offizielle Amtssprache ist. Der südliche Hauptteil Kataloniens erlangte nach dem Tod Francos immerhin regionale Selbstverwaltung, welche allmählich ausgebaut wurde. Inzwischen ist der Wunsch nach genereller Unabhängigkeit Kataloniens auch international ein Thema. Was mit dem kleineren, unter französischer Herrschaft stehenden Nordkatalonien passieren wird, bleibt abzuwarten. Der französische Staat hat längst mit vielfältigen Schwierigkeiten zu kämpfen, was katalanischen Wünschen noch sehr entgegenkommen könnte.
Hat also die katalanische Heimatkultur und –bevölkerung des heiligen Petrus Claver überlebt und in den letzten Jahrzehnten erhebliche Verbesserungen erzielt, so haben sich die Verhältnisse auch für die Nachkommen jener Menschen gebessert, denen die besondere Fürsorge des Heiligen in Übersee galt: der afrikanischen Sklaven in den damaligen spanischen Kolonien Südamerikas. Bis zur Abschaffung der Sklaverei in diesen Gebieten war es ein langer, qualvoller Weg. Den Durchbruch brachte letztlich die staatliche Unabhängigkeit von Spanien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Im einst von Portugal beherrschten Brasilien dauerte es noch länger. Leider richteten sich eben auch sich „katholisch“ nennende Großgrundbesitzer und Politiker bis hin zu Königen sehr oft nicht nach der Forderung von Päpsten nach Freilassung der Sklaven und Abschaffung der Sklaverei. Wie schon einmal in „Gedanken zur Woche 26-b“ angeschnitten, hatten sich Päpste immer wieder in diesem Sinne geäußert. Papst Gregor XVI. hat in seiner scharf formulierten Konstitution „In supremo apostolatus fastigio“ vom 3. Dezember 1839 darauf hingewiesen.
Jüngst rief Papst Franziskus vor dem Hintergrund der Geschichte Kanadas und jüngster Enthüllungen dazu auf, sich in Kanada „vom kolonialistischen Modell zu entfernen und Seite an Seite im Dialog, im gegenseitigen Respekt und in der Anerkennung der Rechte und der kulturellen Werte aller Töchter und Söhne Kanadas zu gehen“ (L’OSSERVATORE ROMANO Nummer 23 2021 (51. Jahrgang – 11. Juni 2021) Seite 1). Haben Ordensleute wie der heilige Petrus Claver und Päpste wie Gregor XVI. mutig für die unterdrückten und gequälten Opfer von Unrechtsregimen Partei ergriffen, so gab es leider auch Kirchenleute einschließlich manchem Ordensmitglied, die das Gegenteil taten (siehe Gedanken zur Woche 32-b).
Leider gab es auch in Kanada Katholiken samt Geistlichen und Ordensleuten, die moralisch gesehen eindeutig auf der falschen Seite standen und selber zu Tätern und Täterinnen wurden. Offensichtlich kam da blanker Opportunismus bis hin zu regelrechtem Sadismus zum Tragen. Wenn zum Beispiel berichtet wird, wie eine offizielle Ordensschwester ein kleines indianisches Mädchen brutal zu misshandeln begann, weil dieses nicht Englisch konnte, nachdem es noch wie von zuhause weg war, so ist dies erschütternd und empörend. Dies gilt umso mehr, wenn davon auszugehen ist, dass dieses wehrlose indianische Mädchen anschließend „verschwand“, also offensichtlich umgebracht wurde beziehungsweise an Misshandlungen verstarb. Mitglieder der katholischen Kirche, die sich an solchen Untaten beteiligten, verwirklichten das genaue Gegenteil von dem, wofür der heilige Petrus Claver einstand. Betreffende sich „katholisch“ nennende Täter und Täterinnen dienten einem bösen Regime und waren selber ein Bestandteil von diesem. Der Augenzeugenbericht von der brutalen Ordensschwester und dem wehrlosen indianischen Mädchen mag den beziehungsweise die geschichtlich Interessierte/n an Berichte über Untaten weiblicher SS-Angehöriger in Konzentrationslagern erinnern. Umso mehr kann man Papst Franziskus nachempfinden, wenn dieser versicherte, er selber sei erschüttert.
Stets ist die Kirche und sind damit die Glieder der Kirche aufgefordert, sich auf die Seite der Opfer von Unrechtsregimen zu stellen. Katholikinnen und Katholiken sollen in diesem Sinne Position beziehen und nicht selber zu Mittäterinnen und Mittätern werden, mögen Geldzahlungen, eine Einladung zum Tee bei der britischen Königin, eine Ordensverleihung oder eine Erhebung in der Adelsstand noch so verlockend erscheinen.
Gedanken zur Woche 75, Dr. Matthias Martin
22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
In den Lesungen und dem Evangelium vom 22. Sonntag im kirchlichen Jahreskreis in diesem Lesejahr B wird uns der Weg in die Richtung gewiesen, was man ganzheitliches Christsein nennen kann. Da richtig verstandene und umgesetzte Ganzheitlichkeit auch Nachhaltigkeit bedeutet, könnte man auch von nachhaltigem Christsein sprechen.
Ganz allgemein werden wir im Gleichnis vom zu Nachhaltigkeit, zu Beständigkeit im Christsein gemahnt, so wie sich dieses Gleichnis in allen drei synoptischen Evangelien findet: Mt 13,1-9; Mk 4,1-9 und Lk 8,4-8. Nehmen wir insbesondere die Formulierungen bei Matthäus und Markus eher wörtlich, so stellt dieses Gleichnis seinerseits nur einen Teil von dem dar, was Jesus von Nazaret bei dieser Gelegenheit die Menschenmenge lehrte. Wir können uns hier an den Zweiten und den Dritten Johannesbrief, an die betreffende Formulierung im Zweiten Brief an Timotheus und die Schlussverse im Johannesevangelium erinnern, wonach bei weitem nicht alles, was Jesus von Nazaret und die Apostel an Bemerkenswertem taten und sagten, in Schriften aufgezeichnet wurde, die Teil der uns bekannten Bibel sind. Dass nicht alles für uns wertvolle so in den biblischen Kanon kam, wird bereits im Prolog des alttestamentlichen Buches Jesus Sirach (Ecclesiasticus) angesprochen (siehe Gedanken zur Woche 70-b).
Den geschichtlichen Zusammenhang biblischer Bücher und Einzelaussagen, den ´Sitz im Leben` gilt es jeweils zu beachten, erst recht, wenn wir nach der Verwirklichung von ganzheitlich-nachhaltigem Christsein streben wollen.
Da gehören eben Geist und Seele zusammen. Nicht einfach schöne Worte oder hochschweifende Gedanken machen das Christsein aus. Es geht vielmehr um die Ganzheit von Gedanken, Worten und Werken. Sowohl nach dem Deutschen Messbuch für die Feier der Heiligen Messe im Neuen Ritus, im Novus Ordo, wie im Messbuch für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus, der Alten lateinischen Messe, ist vorgesehen, dass die Gläubigen bekennen, gesündigt zu haben „in Gedanken, Worten und Werken: durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine (über)große Schuld“. Dieser Blick auf eigene Fehlerhaftigkeit in einem umfassenden Sinn wurde in der kirchlichen Überlieferung als so wichtig angesehen, dass nach der Tridentinischen Liturgie zunächst der Priester für sich allein erst einmal dieses Schuldbekenntnis zu sprechen hat.
Umso mehr mögen wir uns ganz allgemein um eine gute Ausrichtung in unseren eigenen Gedanken wie in unseren Worten und in unseren Taten bemühen. Stets mögen wir darauf bedacht sein, Gutes zu verwirklichen und Böses zu unterlassen.
Dass die Erste Lesung aus dem Buch Deuteronomium und damit aus den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch, der Thora, genommen ist und markige, wenn auch eher allgemein gehaltene, Worte enthält, mag uns erinnern, dass schon in diesen Fünf Büchern Mose, eben dem Pentateuch, der ursprünglichen Thora die Betonung auch auf das Wahrnehmen sozialer Verantwortung, Hilfe für die Schwachen bis hin zur Achtung vor Arbeitnehmerrechten gelegt wurde (siehe Gedanken zur Woche 58 und 59). In späteren Schriften sowohl des Alten/Ersten Testamentes wie des Neuen/Zweiten Testaments wurde dies mit Hilfe unterschiedlicher Arten der Formulierung fortentwickelt. Gutes tun, gerade richtiges caritatives Wirken umsetzen, ist im Sinne jüdischer wie christlicher Überlieferung zu beherzigen.
Soviel nach Meinung von Katholikinnen und Katholiken, gerade auch nach Meinung von Papst Benedikt XVI., in den letzten Jahrzehnten in der Kirche an Schlimmen, an vielfältigem Missbrauch passierte, in eine falsche Richtung gegangen ist, so ist doch dieser Grundgedanke nicht ganz verschüttet gegangen.
So bietet für viele wohl überraschend auch der CODEX IURIS CONINICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS (CIC) von 1983 starke Hinweise beziehungsweise Aufforderungen zum Vollbringen von Werken der Nächstenliebe, zur Hilfe für bedürftige Mitmenschen.
So heißt es zu den Rechten und Pflichten der Laien recht umfassend in Canon 225 - § 2:
„Sie <,also die Laien,> haben auch die besondere Pflicht, und zwar jeder gemäß seiner eigenen Stellung, die Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evangeliums zu gestalten und zur Vollendung zu bringen und in besonderer Weise bei der Besorgung dieser Dinge und bei der Ausübung weltlicher Aufgaben Zeugnis für Christus abzulegen.“
In Canon 222 - § 2 werden die Laien gemahnt:
„Sie sind auch verpflichtet, die soziale Gerechtigkeit zu fördern und, des Gebotes des Herrn eingedenk, aus ihren eigenen Einkünften die Armen zu unterstützen.“
Das caritative Wirken, so wird in Canon 222 - § 1 unterstrichen, gehört zu den Grundaufgaben der Kirche. In der Priesterausbildung (siehe Canon 256 - § 2) wie in der Missionstätigkeit der Kirche sollte die praktische Nächstenliebe nicht zu kurz kommen (siehe die Canones 785 - § 1 und 788 - § 2). Werke der praktischen Nächstenliebe werden eigens auch mit Blick auf Bußtage und Bußzeiten in Canon 1249 angesprochen. Ein eigener Bezug wird auch zwischen caritativem Wirken und Fasten samt Abstinenz im Kirchenrecht betont (siehe Canon 1253) sowie zwischen caritativem Wirken und kirchlicher Buße im Allgemein (siehe Canon 1340 - § 1).
Bemerkenswert sind die Anforderungen, welche durch das geschriebene kirchliche Recht nicht zuletzt im Sinne der angewandten Nächstenliebe an die Geistlichen in Canon 282 gestellt werden:
„§ 1. Die Kleriker haben ein einfaches Leben zu führen und sich aller Dinge zu enthalten, die nach Eitelkeit aussehen.
§ 2. Die Güter, die sie anlässlich der Ausübung eines Kirchenamtes erwerben und die übrig bleiben, nachdem für ihren angemessenen Unterhalt und die Erfüllung aller Pflichten des eigenen Standes gesorgt ist, sollten sie zum Wohle der Kirche und für Werke der Caritas verwenden.“
Kirchliche juristische Personen können auf der Grundlage einer Rechtsvorschrift selbst oder aufgrund einer durch Dekret gegebenen besonderen Verleihung nicht zuletzt um caritativer Ziele willen entstehen (siehe besonders Canon 114 - § 2). Die angewandte Nächstenliebe kann eigens im Blickpunkt kirchlich anerkannter Vereine stehen (siehe Canon 298 - § 1).
Innerlichkeit, eigene Gedanken und eher äußerliche Elemente des Lebens eines Menschen wie Worte und Werke sind also nicht zu trennen. Mögen wir jeweils die Liebe zu Gott und den Menschen verwirklichen.
1. Lesung: Dtn 4,1-2.6-8
2. Lesung: Jak 1,17-18.21b-22.27
Evangelium: Mk 7,1-8.14-15.21-23
Gedanken zur Woche 75-b, Dr. Matthias Martin
22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Immer wenn jenes als Heiligen anerkannten Papstes Gregor gedacht wird, der gerne „der Große“ genannt wird, ist dies bei manchem Menschen Anlass für ein bisschen Irritation. Leicht wird dieser Papst Gregor mit einem anderen Papst dieses Namens verwechselt. Tatsächlich ist jener Papst, der Gregor der Große genannt wird, Gregor I. Dieser amtierte von 590 bis 604 und zählt mit Ambrosius, Augustinus und Hieronymus zu den vier großen lateinischen oder westlichen Kirchenvätern (siehe Gedanken zur Woche 74-b). Der Titel „Kirchenvater“ wird nur einer Persönlichkeit zuerkannt, welche in den frühen Jahrhunderten der Christenheit wirkte. Bei Gregor I. oder eben „dem Großen“ war dies eine Zeit des Übergangs vom Altertum zum Mittelalter. Bezeichnenderweise wurde er manchmal „Letzter Römer“ genannt. Das Weströmische Kaisertum war längst untergegangen, aber gerade der Römische Senat mit den in ihm vertretenen sehr wohlhabenden Familien hochadeligen Standes existierte einstweilen fort. Ähnlich verhielt es sich mit dem Amt der Römischen Konsuln, das wie der Senat älter war als das römische Kaisertum. Es war eine Zeit des Umbruchs und eine auch für die Päpste schwierige Phase.
Einen überblicksmäßigen Hinweis bietet das Atlas-Tafel-Werk zu Bibel und Kirchengeschichte II von Karl Hartmann (Stuttgart 1980). Dort heißt es bezüglich des ja als Heiligen verehrten Johannes I. mit den Amtsjahren 523 bis 526, dass er einen vergeblichen Besuch in Konstantinopel unternahm. Über die anschließenden Päpste Felix III (526-530), Bonifatius II (530-532), Johannes II (533-535), Agapetus I (535-536), Silverius (536-537) liest man zusammenfassend: „Gotenpäpste, völlig in der Gewalt gotischer Politik und ohnmächtig gegen den Machtanspruch Justinians.“ Scharf geht Karl Hartmann mit dem mehr oder minder anschließend amtierenden und unter massiven Druck des oströmischen Kaisertums stehenden Vigilius ins Gericht: „Willenloses Werkzeug Justinians, der ihn mehrmals gegen die Meinung des Abendlands zu Kompromissen im „Drei-Kapitel-Streit“ zwingt. Absage eines großen Teils der Abendländischen an Rom.“ (wieder Seite 91) Den vier anschließenden und damit unmittelbar vor Gregor dem I./dem Großen amtierenden Päpsten Pelagius I (556-561), Johannes III (561-574), Benedikt I (575-579) und Pelagius II (579-590) tritt Hartmann mit gewissem Verständnis gegenüber: „Byzantinerpäpste mit äußerst geringem Einfluß. Rom gibt aber theoretisch keines der bisher erworbenen Rechte in der Gesamtkirche auf.“ (ebd.) Wenn man bedenkt, dass es mitunter zu zwiespältigen Papstwahlen kam (siehe Gedanken zur Woche 73-b), Ostroms Politik sehr belastend für die Kirche und gerade das Papsttum war, das sechste Jahrhundert angefüllt war mit verheerenden Seuchen und Vorgängen in der Natur, so wird umso deutlicher, dass Gregor I. in dieser weltgeschichtlichen Übergangszeit mit sehr ernsten Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Dies beeinflusste auch offensichtlich Aussagen von ihm über ein vermeintlich bevorstehendes Weltende. Dies wurde wiederum beim I. Vatikanischen Konzil bei der Diskussion über eine Brevierreform kritisch aufgegriffen. Der sich mit kritischen Aussagen hierbei besonders hervortuende Bischof wurde wohlgemerkt in keinster Weise belangt oder von dem während des I. Vatikanischen Konzils amtierenden und für sein manchmal heftiges Auftreten bekannten Papst Pius IX. irgendwie zur Ordnung gerufen.
In einer Übergangsphase, nämlich vom Mittelalter zur Neuzeit, wirkte auch jener Gregor-Papst, mit dem Gregor I., genannt der Große, mitunter verwechselt, irgendwie durcheinander gebracht wird. Dieser Gregor XIII. mit seiner Amtszeit von 1572 bis 1585 ist tatsächlich jener Kalenderpapst, auf den der nach ihm benannte Gregorianische Kalender zurückgeht. Die Gesamtkirche wie der Kirchenstaat waren mit großen Herausforderungen konfrontiert. Diese weitgehende kirchliche Einheit in Mittel- und Westeuropas unter Einschluss Skandinaviens war zerbrochen. Katholiken wurden in zahlreichen Gebieten Opfer von Verfolgungen. Am bekanntesten sind die mit Heinrich VIII. einsetzenden Katholikenverfolgungen in England und von England besetzten Gebieten. Ein ähnliches Bild ergibt sich aber auch in zahlreichen deutschen Fürstentümern samt Reichsstädten und in Skandinavien. In Island waren die gewaltsame Bekämpfung der katholischen Kirche und die Vernichtung von Resten isländischer Eigenständigkeit die beiden Seiten ein und derselben Medaille. So war es umso verständlicher, dass dann im 19. Und 20. Jahrhundert in Island wie auch auf den Färöer/Färöer-Inseln die Bewegungen für nationale Selbstbestimmung günstig für die katholische Kirche waren.
Zur Spaltung in zahlreiche Bekenntnisse im 16. Jahrhundert bieten Übersichtlandkarten etwa in dtv-Atlas zur Weltgeschichte I. (München 16. Auflage 1980) Seite 240 einen ersten Überblick. Bezüglich Mitteleuropa sei auf die Seiten 232-233 hingewiesen.
Gregor XIII. hat sich durch solch vielerlei Unbillen, zu denen auch die Expansionspolitik des Osmanischen Reiches gehörte, nicht entmutigen lassen. Sein persönlicher Einsatz für die Kalenderreform ist nur sein bekanntestes Wirkungsgebiet. Hier kamen ihm und damit der Arbeit für die Verbesserung des Kalenders seine eigenen Fachkenntnisse zugute. Wie andere Päpste unterstützte er den Freiheitskampf des irischen Volkes und machte auch sonst klar Front gegen die englische Monarchie. In Band IV der zweiten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK von 1960 heißt es im Artikel von Georg Schwaiger über Gregor XIII., Abschnitt 1189: „Den dt Angelegenheiten wandte G besondere Aufmerksamkeit zu (u.a. Errichtung einer „deutschen“ Kardikongreg 1573 u neuer Nuntiaturen in Köln, Graz u Luzern).“ Ausdrücklich wird er als großer Freund der Wissenschaften und kirchlichen Erziehung bezeichnet. Auch wird auf seine Errichtung des englischen, ungarischen, griechischen, armenischen und maronitischen Kollegs wie seine Unterstützung für das deutsche Kolleg hingewiesen. Das englische Seminar wurde im Laufe der Zeit bezeichnenderweise das „Seminar der Märtyrer“ genannt. Seine Angehörigen verpflichteten sich, auch inmitten der dortigen Katholikenverfolgung nach England zu gehen, um dort für die katholische Kirche unter allen Umständen zu arbeiten. Der Opfergang dieser mutigen Menschen wurde später mit dem Mut von Widerstandskämpfern gegen totalitäre Regime des 20. Jahrhunderts verglichen.
So mögen uns sowohl das Pontifikat Gregors I. wie das Gregors XIII. immer wieder Anregungen bieten.
Gedanken zur Woche 74, Dr. Matthias Martin
21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Der Abschluss der Brotrede im Johannesevangelium verdeutlicht, dass Jesus von Nazaret bereit war, auch einen Konflikt mit seinen Jüngern einzugehen, anstatt ihnen nach dem Munde zu reden. Man kann diese Stelle im Sinne der christlichen Überlieferung noch vor Kreuzigung, Auferstehung und dem Pfingstfest als einen Fall sehen, dass es oft im Neuen/Zweiten Testament nicht harmonisch zuging. Dass es, in der Zeit der Urkirche sozusagen, schon zu Spaltungen kam, wird in verschiedenen neutestamentlichen Schriften angesprochen (siehe Gedanken zur Woche 45-b). Spannungen gab es schon in der Urgemeinde. Es war eine Herausforderung, für Einheit zu sorgen (siehe Gedanken zur Woche 58-b).
Dabei sollte aber nicht die Wahrheit unter den Teppich gekehrt werden, einem beliebigen Zeitgeist gehuldigt werden. Genau Letzteres hat Jesus von Nazaret sicher nicht getan. Er hat nicht nach den Tagesstimmungen des Publikums geschielt. So stand er es konsequent durch, dass sich nach Abschluss seiner von vielen als provokant empfundenen Brotrede viele seiner Jünger zurückzogen und nicht mehr mit ihm umherzogen. Bei aller Betonung, dass man die Mitmenschen nicht beleidigen, nicht durch böse Worte verletzen soll, hat Jesus von Nazaret Kurs gehalten.
Die Herausforderung, nicht den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, sondern gerade für bedrängte und schlechter gestellte Menschen einzutreten, bleibt für Christinnen und Christen wie für die Kirche als Institution in unseren Tagen aufrecht. Leider wurde das Christentum, wurden kirchliche Strukturen wie Versatzstücke aus der Bibel in der Geschichte immer wieder missbraucht. Dem gilt es, wo immer möglich, gegenzusteuern. Wenn jemand auch nur ein wenig Berichte über Frauenhandel, Zwangsprostitution und in der Zeit von Corona-Pandemie noch einmal angewachsenen häuslichen Gewalt verfolgt, so wird er oder sie leicht zustimmen, dass gerade zum Schutze von Frauen einiges zu tun ist.
Dabei haben Frauen schon im Alten/Ersten Testament immer wieder große Bedeutung gehabt, sehr wichtige Positionen eingenommen. Dies beginnt schon ganz früh, in den Fünf Büchern Mose, auch genannt der Pentateuch oder die Thora.
So können wir im allerersten Buch der Bibel, Genesis, Bemerkenswertes über die Ehefrau Abrahams, Sara, wie über die Ehefrau Isaaks, Rebekka, lesen. Beide, gerade Sara, finden dann auch in späteren biblischen Schriften Erwähnung. Abraham wird aufgefordert, sich nach dem zu richten, was seine Frau ihm sagt: „(Gen 21,12) . . . Höre auf alles, was dir Sara sagt!“
In den Büchern Exodus und Numeri begegnen uns die Mutter und die Schwester des Mose, Jochebed und Mirjam, als selbstbewusst handelnde Personen.
Im Buch der Richter begegnet uns Debora, die den Israeliten in der Stunde der Bedrängnis den Weg zum Sieg weist:
„(Ri 4,4) Damals war Debora, eine Prophetin, die Frau des Lappidot, Richterin in Israel. (5) Sie hatte ihren Sitz unter der Debora-Palme zwischen Rama und Bet-El im Gebirge Efraim und die Israeliten kamen zu ihr hinauf, um sich Recht sprechen zu lassen. (6) Sie sandte hin, rief Barak, den Sohn Abinoams aus Kedesch-Naftali, herbei und sagte zu ihm: Befiehlt der HERR, der Gott Israels, nicht: Geh hin, zieh auf den Berg Tabor und nimm zehntausend Mann von den Naftalitern und den Sebulonitern mit dir? (7) Ich werde Sisera, den Heerführer Jabins, mit seinen Wagen und seiner Streitmacht zu dir an den Bach Kischon lenken und ihn in deine Hand geben. (8) Barak sagte zu ihr: Wenn du mit mir gehst, werde ich gehen; wenn du aber nicht mit gehst, werde ich nicht gehen. (9) Sie sagte: Ja, ich gehe mit dir; aber der Ruhm wird auf dem Weg, den du gehen wirst, dann nicht dir zuteil, sondern in die Hand einer Frau wird der HERR Sisera ausliefern. Und Debora machte sich auf und ging zusammen mit Barak nach Kedesch.“
Tatsächlich erringen unter geistiger Führung der Debora die Israeliten den Sieg. Eine weitere Frau, Jaël, hilft den Israeliten, diesen Sieg zu vervollständigen (Ri 4,10-23).
Im selben Buch der Richter wird erzählt, wie der verbrecherische König Abimelech bei einer Belagerung durch eine Frau getötet wurde:
„(Ri 9,53) warf eine Frau Abimelech einen Mühlstein auf den Kopf und zerschmetterte ihm den Schädel. (54) Da rief er eilends seinen Waffenträger und sagte zu ihm: Zieh dein Schwert und töte mich! Man soll nicht von mir sagen: Eine Frau hat ihn umgebracht. Der junge Mann durchbohrte ihn und er starb.“
Diese Bibelstelle sorgt auch bei manchem Mann heutzutage für Erheiterung: das Ende eines Massenmörders durch die Hand einer Frau! Dabei weist diese Bibelstelle eine ins Auge springende Parallele zur Überlieferung auf, die den Tod des berühmten Königs Pyrrhos/Pyrrhus im Jahre 272 v. Chr. betrifft. Ganz ähnliches wird übrigens auch zum Ende des Simon de Montfort im 13. Jahrhundert beim Krieg gegen das damals noch unabhängige Okzitanien mit Toulouse als seiner politischen Metropole berichtet.
Da waren schon längst ganze Bücher des Alten/Ersten Testaments nach Frauen benannt: Rut, Judit und Ester. Die katholische Kirche hat die Zugehörigkeit dieser Schriften zur Bibel in ihrer dazu ungekürzten Fassung stets verteidigt. Dies begann im Altertum und wurde eindrucksvoll auf den Konzilien von (Basel – Ferrara -) Florenz, von Trient und dem I. Vatikanischen Konzil bestätigt. Da diese Verteidigung biblischer Bücher auch den vollen Umfang des ebenfalls alttestamentlichen Buches Daniel einschloss, wurde auch die Susanna-Geschichte (Dan 13,1-64) umso besser der Menschheit erhalten. Dies befruchtete dann nicht zuletzt auch vielfältiges kulturelles Schaffen (siehe Gedanken zur Woche 26).
Die entschlossene Erklärung Ruts, sich nicht von ihrer Schwiegermutter Noomi zu trennen, diese ergreifende Treuebekundung (Rut 1,16-17; siehe Gedanken zur Woche 16) wird gerade heutzutage weit über konfessionelle Grenzen hinweg gerne aufgegriffen.
Kirchenvater und Bibelübersetzer Hieronymus schon betonte eigens die Bedeutung des Buches Judit. Dieses Buch gewann eigene große Bedeutung im kulturellen Bereich, in der Musik, bildender Kunst wie auch Theater.
Bedeutung und Würde von Frauen wird dann natürlich erst recht im Neuen/Zweiten Testament herausgestellt. Denken wir nur an Maria, geehrt in der katholischen Tradition und auch jenseits von ihr als die Unbefleckte Empfängnis und Gottesgebärerin. Denken wir an Maria Magdalena und den ihr früh verliehenen Titel „Apostelin der Apostel“ (siehe Gedanken zur Woche 5, 11, 19-b und 69-b). Neben anderen wiesen ihr die Kirchenlehrer Augustinus und Thomas von Aquin diesen Ehrentitel zu: (http://www.catholicmessenger.net/2017/07/lessons-from-magdala/ und https://www.pius-kirchgessner.de/05_Predigten/H_Heilige/Maria_von_Magdala.htm). Erinnern wir uns, dass mitunter die ganze Gruppe der Frauen, welche am Ostermorgen zum Grab des Herrn aufbrachen, als „Apostelinnen der Apostel“ geehrt wurde (siehe Gedanken zur Woche 5).
Die kirchliche Überlieferung weist dann Frauen auf, die als Landesherrinnen, Militärbefehlshaberinnen, Kaiserinnen und Königinnen wirkten und schließlich selig- bis heiliggesprochen wurden.
Sich dazu zu bekennen und sich nach solchem Zeugnis von Schrift und Überlieferung zu orientieren, mag wichtigen Herrschaften übel aufstoßen. Jesus von Nazaret hat aber vorgelebt, dass man die Wahrheit nicht unter dem Teppich kehren und nicht einem jeweiligen Zeitgeist oder politischen Rücksichtnahmen opfern soll.
1. Lesung: Jos 24,1-2a.15-17.18b
2. Lesung: Eph 5,21-32
Evangelium: Joh 6,60-69
Gedanken zur Woche 74-b, Dr. Matthias Martin
21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Der Umstand, dass in derselben Woche im kirchlichen Jahreskreis sowohl des heiligen Josef von Calasanz wie des heiligen Augustinus gedacht wird, weist auf christliche Bildungstätigkeit in ihrer ganzen Bandbreite hin, wie sie sich über die Jahrhunderte entwickelt hat.
Da ist der aus Nordafrika stammende und von 354 bis 430 lebende Augustinus, mit seiner weitgehend berberischen Abstammung. In verschiedenen christlichen Konfessionen geehrt, zählt er mit Ambrosius, Hieronymus und Gregor dem Großen zu den vier (großen) westlichen Kirchenvätern. Früh wandte sich Augustinus dem Studium und so etwas wie einer akademischen Laufbahn zu. Er hinterließ insgesamt ein gewaltiges theologisch-philosophisches Werk. Es besitzt allein schon in sprachlich-philologischer Hinsicht seine Bedeutung. Manche/r ist eine Schrift von ihm etwa im Lateinunterricht begegnet. Der Professor für Geschichte an der US-amerikanischen Universität Yale, Paul Freedman, widmete im Rahmen seiner im Internet zugänglich gemachten Vorlesungsreihe „The Early Middle Ages, 284-1000“ dem Werk des Augustinus „Confessiones“ (Bekenntnisse) eine eigene Vorlesung (https://www.youtube.com/watch?v=KiPJq7-5lH4&list=PL77A337915A76F660&index=5). Paul Freedman würdigte ganz stark das geistige Wirken, das intellektuelle Ringen des heiligen Augustinus.
Dieser hat seinen eigenen Platz in der Geistesgeschichte der Menschheit. Im philosophiegeschichtlichen Anhang des von Walter Brugger herausgegebenen „Philosophischen Wörterbuchs“ (Sonderausgabe Freiburg – Basel – Wien) wird uns eine erste Übersicht über von ihm hinterlassene Werke wie über seinen Lebensweg geboten (Seite 507). In der Folge wird in dieser philosophiegeschichtlichen Übersicht auf den geistesgeschichtlichen Einfluss des Augustinus, das Vorhandensein augustinischer Denkrichtung hingewiesen. In diesem Wörterbuch ist auch ein eigener Artikel „Augustinismus“ von Johannes Schuster zu finden (Seiten 33-34). In dem von Max Müller und Alois Halder herausgegebenen „Kleinen Philosophischen Wörterbuch“ wird er unter anderem mit den Worten gewürdigt: „der größte christliche Platoniker, hat an der Schwelle von Antike u Mittelalter wie kein zweiter das theolog und philosoph Denken der kommenden Zeit befruchtet“ (Freiburg – Basel – Wien 1971, Seite 36). Seine Philosophie und seine Theologie bildeten eine Einheit. Eigens wird auf Augustinus in der Darstellung „Scholastik“ von Josef Pieper hingewiesen. Hier wird auch die Stellung dieses Heiligen an der Zeitenwende zum Mittelalter angesprochen: Niedergang des (West-)Römischen Reiches und Aufstieg germanischer Völker mit der Eroberung Roms durch die Westgoten im Jahre 410 und dem Vordringen der Vandalen nach Nordafrika einschließlich von Hippo Regius, der Bischofsstadt des Augustinus. Dieser wird in einer Reihe mit Platon und Aristoteles genannt.
Mit diesen beiden sowie weiteren Geistesgrößen findet sich der Kirchenvater auch in Band I. des von Heinz Rausch herausgegebenen Sammelwerks „Politische Denker“ (6. Auflage München 1987). In dem von Hans Maier unter Mitarbeit von Johannes Jürgen Meister verfassten Beitrag wird ebenfalls die Stellung des Augustinus angeschnitten, der sich einer Zeitenwende zu stellen hatte. In religions- bis verfassungsgeschichtlicher Hinsicht interessant ist der Hinweis auf das im römischen Bereich immer noch aktive Heidentum, mit dem sich Augustinus etwa in „De civitate Dei/Vom Gottesstaat“ auseinanderzusetzen hatte. Auch wenn gerne verdrängt, so war ja gerade die Stadt Rom mit ihrem weiter bestehenden Senat und kaiserlichem Stadtpräfekten noch lange nach dem oft „der Große“ genannten Konstantin ein Ort starker heidnischer Präsenz und Aktivitäten (siehe Gedanken zur Woche 66-b und allgemein Gedanken zur Woche 42-b).
Die Bedeutung des in stürmischen Zeiten wirkenden Augustinus wird ganz allgemein in der „Weltgeschichte der Philosophie“ (Neuausgabe Stuttgart 1985) von Hans Joachim Störig gewürdigt , wo ihm ein größerer Abschnitt gewidmet ist (Seite 224-232). Nicht zuletzt wird zumindest ganz knapp auf die Bedeutung des Augustinus auch noch in der Neuscholastik hingewiesen (Seite 583).
Auf die Fortwirkung des Augustinus wird auch in „Gott im philosophischen Denken“ (Stuttgart – Berlin – Köln 2001) von Emerich Coreth hingewiesen. In diese Richtung geht auch der Beitrag von Friedo Ricken „Augustinismus“ in dem von ihm herausgegeben „Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik“ (München 1984). Dort wird betont: „Augustinus hat auf das gesamte abendländische Denken einen bedeutenden Einfluß ausgeübt“ (Seite 25). In dem Buch „Religionsphilosophie“ (Grundkurs Philosophie 17) (Stuttgart 2003) hat Frido Ricken dem heiligen Augustinus ein eigenes Hauptkapitel gewidmet.
Übte und übt Augustinus seinen Einfluss insbesondere im Bereich von höherer Bildung, gerade bei Latinisten, Philosophen und Fachtheologen aus, so wirkte der heilige Josef von Calasanz gerade im Bereich der Bildung für breitere Volksschichten. Dieser Heilige, geboren um das Jahr 1556/57, eröffnete 1597 im römischen Stadtteil Trastevere die, wie überliefert wird, erste unentgeltliche Volksschule Europas. Dort, im Herzen des Kirchenstaates, begann ein einzigartiges Werk. Verstorben 1648 wurde Josef (von) Calasanz von Papst Pius XII. im Jahre 1948 bezeichnenderweise zum Patron der (christlichen) Volksschulen erklärt. Seine Ordensgründung „Ordo Clericorum Regularium Pauperum Matris Dei Scholarum Piarum“ oder kürzer "Ordo Scholarum Piarum“, zu Deutsch „Orden der Frommen Schulen“ wird die Piaristen genannt. Diese sind eng mit der Geschichte der Stadt Krems verbunden. Man denke nur an die Piaristenkirche in Krems und an das danebenstehende Piaristengymnasium, die „Alma Mater“ der städtischen Schulen. Im Laufe der Zeit wandten sich die Piaristen auch anderen Tätigkeitsfeldern als Volksschulen zu, verschiedensten Arten von Berufs- und Sonderschulen, Internaten, der außerordentlichen und der pfarrlichen Seelsorge. In dem von Georg Schwaiger herausgegebenen Lexikon „Mönchtum, Orden, Klöster. Von den Anfängen bis zur Gegenwart“ (München 1993) heißt es:
„Der Orden zeichnete sich durch eine große Zahl gelehrter Mitglieder und Freunde aus und ist auch in der Gegenwart entsprechend dem Gründungsideal in vielen Ländern tätig“ (Seite 353).
Das Wirken des heiligen Josef von Calasanz hat eine eigene nachhaltige Breitenwirkung entfaltet. So wird in „Männerorden in Österreich“ (2. Auflage Wien o. J.) im Abschnitt über die Piaristen festgehalten:
„Zehn männliche und weibliche Ordensgemeinschaften, aus dem Geist des hl. Josef Calasanz entstanden, haben sich im Lauf der Zeit ihrem Wirken angeschlossen“ (Seite 76).
In Wien entstand als eigene Ordensgemeinschaft 1889 die der Kalasantiner. 1979 entstanden die „Schwestern der Jüngersuche“, welche inzwischen den Kalasantinern kirchenrechtlich angegliedert sind.
Umso mehr mögen sowohl der heilige Augustinus wie der heilige Calasanz noch heute Anregungen bieten, gerade sich für Bildung und Pflege der Wissenschaften in einem ganzheitlichen Sinne einzusetzen.
Gedanken zur Woche 73, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL und 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Jede Eucharistiefeier, jede Heilige Messe ist für sich ein Fest. Feiern wir doch jedes Mal den Tod und die Auferstehung Jesu Christi und begehen damit den Dreh- und Angelpunkt des christlichen Glaubens. Anders formuliert kann man auch sagen und schreiben, dass die Allerheiligste Eucharistie Ausgangs- und Zielpunkt jedes kirchlichen Wirkens ist. Diese Ausrichtung des Denkens, Redens und Handelns wurde noch einmal durch das II. Vatikanische Konzil bestätigt (Siehe Gedanken zur Woche 31 und siehe gerade mit Blick auf das Hochfest von FRONLEICHNAM Gedanken zur Woche 62-b).
Der erste Tag der Woche ist nach christlicher Überlieferung der Sonntag, und von daher ist die Feier der Heiligen Messe an diesem Tag sehr oft der Hauptgottesdienst für eine Pfarrgemeinde in der Woche. Ein Tag und eine an ihm gefeierte Heilige Messe, Eucharistiefeier, ist natürlich auch etwas Besonderes, wenn es sich um ein Hochfest, auch genannt Fest I. Klasse, handelt. Ganz außerordentlich wird es, wenn die Feier eines Sonntages und eines Hochfestes zusammenfallen. Genau dies ist in diesem Jahre 2021 am 15. August der Fall.
An diesem Tag ist wie jedes Jahr das Hochfest, das Fest I. Klasse, MARIÄ AUFNAHME IN DEN HIMMEL oder, wie man auch formulieren kann, AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL. Dieses fällt heuer mit 20. Sonntag im liturgischen Jahreskreis zusammen.
Umso dankbarer dürfen wir sein, dass dieser so bedeutsame Tag in einer Reihe von Ländern und Einzelterritorien staatlicher Feiertag ist, sozusagen von Andorra in Westeuropa über Burundi im mittleren Afrika bis nach Tahiti und Vanuatu im Pazifik, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Nicht zuletzt ist AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL staatlicher Feiertag in Bayern und Österreich. Diesem Hochfest, diesem Feiertag, kommt seine eigene kulturelle Bedeutung zu, und er stellt einen im guten Sinne sozialen Besitzstand dar, den Gewerkschaften bis Arbeiterkammern zu schätzen wissen.
Umso mehr mag dieser Feiertag gerade in diesem Jahr unseren Blick auf die noch durch das II. Vatikanische Konzil gleich in mehreren Dokumenten so gewürdigte Allerseligste Jungfrau und Gottesgebärerin Maria richten. Auch wenn eine verbale Berufung auf das II. Vatikanische Konzil innerhalb wie außerhalb der römisch-katholischen Kirche immer wieder vernehmbar ist, so sind doch zahlreiche seiner Aufforderungen oder Feststellungen entweder längst vergessen oder wurden nie recht wahrgenommen (siehe Gedanken zur Woche 46-b und 62-b).
Maria ist gewissermaßen die in der breiten, auch „kirchlichen“ Öffentlichkeit große vergessene Frau eben dieses II. Vatikanischen Konzils.
Aussagen über Maria finden wir gerade insbesondere in der Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“. Aber auch in einer Reihe von anderen Konzilsdokumenten wird sie in dieser oder jener Hinsicht jeweils gewürdigt.
Im Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“ heißt es in Kapitel 18:
„. . . Ein bewundernswertes Beispiel solcher Empfänglichkeit haben sie <, die Priester,> in der seligen Jungfrau Maria vor sich, die, vom Heiligen Geist geführt, sich ganz dem Geheimnis der Erlösung der Menschen weihte. Diese Mutter des höchsten und ewigen Priesters, die Königin der Apostel und Schützerin ihres Dienstes, sollen die Priester mit kindlicher Ergebung und Verehrung lieben. . . .“
Ein eigener Abschnitt ist Maria in der heutzutage noch so gerne genannten Konstitution über die Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ unter der Nummer 103 gewidmet:
„Bei der Feier dieses Jahreskreises der Mysterien Christi verehrt die heilige Kirche mit besonderer Liebe Maria, die selige Gottesgebärerin, die durch ein unzerreißbares Band mit dem Heilswerk ihres Sohnes verbunden ist. In ihr bewundert und preist sie die erhabenste Frucht der Erlösung. In ihr schaut sie wie in einem reinen Bild mit Freuden an, was sie ganz zu sein wünscht und hofft.“
Wie im Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“, Abschnitt 42, und dann eben im Dekret über Dienst und Leben der Priester wird Maria schon im Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“, Abschnitt 4, als „Königin der Apostel“ bezeichnet:
„. . . Ein vollendetes Vorbild eines solchen geistlichen und apostolischen Lebens ist die seligste Jungfrau Maria, die Königin der Apostel. Während sie auf Erden ein Leben wie jede andere verbrachte, voll von Sorge um die Familie und von Arbeit, war sie doch immer innigst mit ihrem Sohn verbunden und arbeitete auf ganz einzigartige Weise am Werk des Erlösers mit; jetzt aber, in den Himmel aufgenommen, `sorgt sie in ihrer mütterlichen Liebe für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen`. Alle sollen sie innig verehren und ihr Leben und ihr Apostolat ihrer mütterlichen Sorge empfehlen.“
Wiederholt wird Marienverehrung in Konzilsdokumenten thematisiert, so eigens im Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“, Abschnitt 8:
„. . . Die seligste Jungfrau Maria, die von Christus Jesus bei seinem Tod am Kreuz dem Jünger als Mutter gegeben wurde, sollen sie <, die zukünftigen Priester,> mit kindlichem Vertrauen lieben und verehren . . . “
Auch die Verehrung Mariens in anderen christlichen Konfessionen und im Islam wird in Konzilsdokumenten jeweils angesprochen.
Marienverehrung wird dann ausdrücklich im CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS (CIC) von 1983 nahegelegt. In Canon 276 Paragraph 2 Nummer 5 wird sie den Geistlichen eigens empfohlen. Dies geschieht schon in Canon 246 Paragraph 3 bezüglich der Priesterseminaristen.
Gerade die letzten Päpste haben Marienverehrung vorgelebt. Marienwallfahrtsorte wie Fatima, Lourdes und Altötting wurden von ihnen besonders berücksichtigt.
Umso mehr mag das diesjährige Hochfest, Fest I. Klasse, von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL eine Ermutigung sein, den Blick intensiv auf Maria zu richten. Dies darf durchaus in einem konfessionelle wie soziale Grenzen überschreitenden Sinne verstanden werden.
1. Lesung: Offb 11,19a;12,1-6a.10ab
2. Lesung: 1 Kor 15,20-27a
Evangelium: Lk 1,39-56
Gedanken zur Woche 73-b, Dr. Matthias Martin
20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn zwei Heilige wie Bernhard von Clairvaux und Pius X. in einem liturgischen Kalender in derselben Woche ihren Gedenktag haben, so verdeutlicht dies auf eigene Weise, wie sehr die Kirchengeschichte immer wieder voll von Konflikten war. Was für den einen ein Heiliger war, ist für manch anderen ein Verbrecher. Es mögen dazu modernere Redensarten in den Sinn kommen wie „Dem einen sein Freiheitskämpfer ist dem anderen sein Terrorist.“
Beide Heilige, Pius X. und Bernhard von Clairvaux, verdeutlichen insbesondere, dass es sowohl sehr umstritten sein kann, wer überhaupt rechtmäßig Papst ist, wie, dass ein eindeutig rechtmäßig zum Papst gewählter und als Papst amtierender Nachfolger Petri in heftige Konflikte verstrickt sein konnte und Ziel hemmungsloser Angriffe sein konnte.
So war beim heiligen Pius X. die Wahl zum Papst völlig unbestritten. Auch während seiner Amtszeit von 1903 bis 1914 wurde kein erkennbarer Versuch unternommen, ihn etwa durch die Wahl eines Gegenpapstes oder die Abhaltung einer ihm ablehnend gesinnten Synode, eines gegen ihn gerichteten Konzils oder wie auch immer, abzusetzen. Dabei hatte er Konfrontationen mit den Mächtigen seiner Zeit nicht gescheut. Besonders bekannt ist sein Konflikt mit der ebenso brutalen wie schlagkräftigen damaligen Supermacht Frankreich.
Wenn man auf Landkarten für die damalige Zeit sieht, erkennt man sofort, über welch gewaltiges Kolonialreich Frankreich verfügte. Dabei wurden vor allem in Afrika fortwährend Gemetzel an der einheimischen Bevölkerung verübt, unabhängig von deren Sprache oder Religionszugehörigkeit. Es ist vom Standpunkt der Glaubwürdigkeit des Christentums wie der so gerne beschworenen „Europäischen Wertegemeinschaft“ kontraproduktiv, solche unangenehmen Wahrheiten ständig zu übergehen. Seine Brutalität setzte Frankreich auch nach dem II. Weltkrieg fort. Die Niederwerfung des Aufstandes auf der Insel Madagaskar im Jahre 1947 ist ein Beispiel dafür. Für den erfolgreichen Anschlag der vietnamesischen Unabhängigkeitsbewegung während des Anlaufens des Vietnamesischen Unabhängigkeitskrieges nach Ende des II. Weltkrieges auf einen französischen Statthalter töteten die Vertreter der französischen Kolonialmacht rund 10.000 Zivilisten im Raum Saigon. Immerhin hatte der europäische Kulturkanal ARTE schon vor Jahren den Mut, derartiges zumindest etwas anzuschneiden. Ein anderes erschütterndes Beispiel ist das französische Massaker von Haiphong im November 1946 mit schätzungsweise 6.000 vietnamesischen Opfern. Massaker an der Zivilbevölkerung gehörten während des Algerischen Unabhängigkeitskrieges als fester Bestandteil zur französischen Kriegsführung. So etwas wurde gerade in der islamischen Welt nicht vergessen.
Papst Papst Pius X. hat den Konflikt der damaligen französischen Supermacht schon in seiner Zeit nicht gescheut. Sein Mut führte zu einer Eskalation der französischen Übergriffe gegen die Kirche, nachdem schon das verharmlosend so bezeichnete Vereinsgesetz von 1901 gerade katholischen Ordensgemeinschaften schweren Schaden zugefügt hatte (siehe Gedanken zur Woche 68-b). 1905/06 kam es dann mit den wiederum verharmlosend genannten Trennungsgesetzen zu einem Höhepunkt mit der Enteignung des Kirchenvermögens und der durch die Gesetze verfügten schikanösen Kontrolle des religiösen Lebens durch den französischen Staat. Dieser scheute sich auch nicht, bei der zwangsweisen Auflösung von Klöstern das Militär gegen wehrlose Ordensschwestern einzusetzen.
Derartiges hielt Pius X. aber nicht davon ab, auch gegenüber Portugal mit seinem damals noch recht beachtlichen Kolonialreich einen betont kritischen Kurs einzuschlagen. Ähnlich wie im Falle Frankreichs hatte es schon in den Jahrhunderten vorher Konflikte zwischen Kirche und Staat gegeben. Ebenso kam das kritische Verhalten Papst Pius X. gegenüber den weißen englischsprachigen Eliten in den USA nicht von ungefähr.
Bis auf Splittergrüppchen bestreitet bei allem Hass, der Pius X. von Gegnern entgegenschlug und über das Grab hinaus verfolgte, niemand, dass er tatsächlich Papst war.
Bei einigen anderen Persönlichkeiten, die mehr oder minder als Päpste bezeichnet wurden und werden, war dies im Laufe der Geschichte nicht so (siehe Gedanken zur Woche 61-b).
So setzte sich der heilige Bernhard von Clairvaux sehr für den von ihm favorisierten Innozenz II. nach einer besonders zwiespältigen Papstwahl im Jahre 1130 gegen Anaklet II. ein. Bezeichnenderweise werden auf der Papstliste in Band 7 der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche, Sonderausgabe 2006, 1349-1350, sowohl Innozenz II. als auch Anaklet II. als Päpste und keiner von beiden als Gegenpapst bezeichnet. Während meines Studiums der Geschichte in Innsbruck meinte der betreffende Professor für Mittelalterliche Geschichte, entscheidend für die Niederlage Anaklets II. sei gewesen, dass die Mehrzahl von Staaten Innozenz II. unterstützt hatten. Anaklet II. habe wirkliche Unterstützung nur vom Normannenreich in Sizilien und dem Festlandsteil des Mezzogiorno im heutigen Italien erhalten. Dieses Normannenreich an der Seite Anaklets II. wäre zwar damals in Europa der bestorganisierte Staat gewesen, gegenüber den zahlreichen Staaten auf der Seite Innozenz` II. aber für sich allein doch zu wenig.
Eine deutlich umstrittene und zu zahlreichen Todesopfern führende Papstwahl war aber schon die zwiespältige Wahl von Damasus I. gegen Ursinus im Jahre 366. Hier war die Unterstützung des römischen Kaisertums zugunsten von Damasus I. für dessen Durchsetzung von sehr großer, vielleicht ausschlaggebender Bedeutung. Den Ausschlag gab ganz augenfällig der damalige römische Kaiser nach der zwiespältigen Wahl im Jahre 418 von Bonifatius I. gegen Eulalius zugunsten des ersteren. Im Jahre 530 wurden Bonifatius II. und Dioskur in Konkurrenz gegeneinander zum Papst gewählt. Hier wurde der frühe Tod des letzteren wichtig, sehr zum Wohle von Bonifatius II. und dessen Anhängern. Wie bei Innozenz II. und Anaklet II. werden auf der Papstliste in Band 7 der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche, Sonderausgabe 2006, 1348 sowohl Bonifatius II. als auch Dioskur als Päpste angegeben.
Nach dem Jahre 476 kam germanischen Herrschern auf der Apenninenhalbinsel wie Odoaker und dann ostgotischen wie Theoderich dem Großen großer bis entscheidender Einfluss bei Papstwahlen zu. Dies endete natürlich mit dem Vernichtungskrieg des oströmischen Kaisers Justinian gegen die Ostgoten (siehe Gedanken zur Woche 71-b). Liegen Justinians rücksichtslose Einmischungen in das kirchliche Leben einschließlich innertheologischen Einzelfragen klar zu Tage, so kann man die Auseinandersetzung zwischen Clemens III. (Wibert von Ravenna) auf der einen Seite und Gregor VII., Viktor III., Urban II. bis Paschalis II. im elften Jahrhundert wiederum als typischen Fall für eine bemerkenswerte Auseinandersetzung um das Papstamt sehen, mit interessanten Einzelfakten und Punkten für eine Diskussion (siehe Gedanken zur Woche 61-b). Führte erst jüngst bezüglich des Ausbruchs des avignonesischen Schismas das Internetportal kath.net als Argument an, dass der als Papst anzuerkennen war, der „tatsächlich in Rom regierte“ ( https://kath.net/news/75775 ), so gilt dies für den ja über Jahre hinweg tatsächlich in Rom amtierenden und später dann doch so gerne oft nur noch als Gegenpapst bezeichneten Clemens III.
Auch die mit der zwiespältigen Wahl von Alexander III. und Victor IV. im Jahre 1159 hervorgerufene Spaltung konnte nicht leicht gelöst werden.
Unbestritten ist aber auf jeden Fall, dass Pius X. einwandfrei im Jahre 1903 zum Papst gewählt wurde und bis zu seinem Tode im Jahre 1914 als allgemein anerkannter Papst amtierte. Es ist ihm zugleich zu attestieren, dass er mit außerordentlichem Mut etwaige Konflikte mit Mächtigen dieser Welt nicht scheute. Seine unangefochtene Wahl und Amtseinführung war hier sicher von sehr großem Vorteil. Im Laufe der Kirchengeschichte war so etwas immer wieder nicht verständlich.
Gedanken zur Woche 72, Dr. Matthias Martin
19. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Mit einem Sonntagsevangelium vom 19. Sonntag im Jahreskreis im Lesejahr B, welches Verse aus der zweiten Hälfte des sechsten Kapitels des Johannesevangeliums umfasst, befindet man sich mitten in der sogenannten Brotrede Jesu. Dieser kommt im Aufbau des Johannesevangeliums und damit vielleicht innerhalb des ganzen Neuen/Zweiten Testaments eine zentrale Stellung zu. Bis dahin hat nach der Darstellung des Johannesevangeliums Jesus von Nazaret wachsenden Zulauf erzielt, mit der Trennung zahlreicher Jünger von ihm am Ende dieser Brotrede beziehungsweise des erwähnten Kapitels nimmt die Zahl der Sympathisanten, der irgendwie feststellbaren Anhängerschaft deutlich, wenn nicht gar dramatisch, ab.
Die Brotrede wird immer wieder als so etwas wie die eucharistische Grundsatzrede im Johannesevangelium gesehen. Zu betonen ist dabei, dass bezüglich des letzten Abendmahles oder des Paschamahls vor der Verhaftung Jesu bei Johannes nichts von einer Einsetzung der Eucharistie zu lesen ist. Dies ist ganz anders bei den drei synoptischen Evangelien, also dem Matthäus-, dem Markus- und dem Lukasevangelium. Dort finden wir bezüglich der Eucharistie jeweils einen Einsetzungsbericht, mit einem eigenen Beginn bei Lukas. Jenseits aller Einzeldebatten über exakten Beginn und genauen oder nicht genauen Abschluss heißt es, wenn wir der neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung folgen, bei einer Orientierung bezüglich der Einteilung an der „Synopse der ersten drei Evangelien“ von Josef Schmid in ihrer 9. Auflage aus dem Jahre 1983, im Lukasevangelium:
„(22,15) Und er sage zu ihnen: Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. (16) Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes. (17) Und er nahm einen Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt diesen und teilt ihn untereinander! (18) Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt. (19) Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! (20) Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.“
Vom Aufbau sind die Einsetzungsberichte im Matthäus- und im Markusevangelium besonders eng beieinander. So heißt es, wenn wir der oben formulierten Abgrenzung folgen, bei Matthäus:
„(26,26) Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und esst; das ist mein Leib. (27) Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, gab ihn den Jüngern und sagte: Trinkt alle daraus; (28) das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. (29) Ich sage euch: Von jetzt an werde ich nicht mehr von dieser Frucht des Weinstocks trinken, bis zu dem Tag, an dem ich mit euch von Neuem davon trinke im Reich meines Vaters.“
Recht parallel lautet die Formulierung des Einsetzungsberichts bei Markus:
„(14,22) Während des Mahles nahm das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib. (23) Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, gab ihn den Jüngern und sie tranken alle daraus. (24) Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. (25) Amen, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von Neuem davon trinke im Reich Gottes.“
Einen eigenen Einsetzungsbericht bezüglich der Eucharistie gibt es außerhalb der synoptischen Evangelien zwar nicht bei Johannes, aber im Ersten Korintherbrief:
„(11,23) Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, (24) sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! (25) Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“
Der erste Teil des ersten Verses dieses Einsetzungsberichtes, „Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe“ wurde dann in neuester Zeit von betont traditionsorientierten Katholikinnen und Katholiken gerne angeführt, wenn es darum ging, Überlieferungsgut im kirchlichen Leben gegen dessen Verlust oder befürchtete Verfälschung zu verteidigen. Mitunter wird dieser Passus etwas gekürzt verwendet, in etwa: „Ich habe (euch) überliefert, was ich selbst empfangen habe.“ Natürlich gibt es sowieso auch andere, bis ganz andere, Bibelübersetzungen als die zitierte neue Einheitsübersetzung.
Genauso hat im Laufe der Kirchengeschichte, und zwar gerade seit der sogenannten Reformation im 16. Jahrhundert mit ihrer mehrfachen Spaltung im Christentum gerade die Debatte um das richtige Eucharistieverständnis eine sehr wichtige wie kontroversielle Rolle gespielt. Der sogenannte Abendmahlsstreit verursachte ein unheilbares Zerwürfnis zwischen den Reformatoren Martin Luther und Ulrich Zwingli. Gerade Luther war gegenüber seinem Kontrahenten unversöhnlich. Auch sonst führte und führt die Debatte um das richtige Eucharistieverständnis und Fragen, wie, wem, unter welchen Umständen, die heilige Kommunion gespendet werden dürfe oder gar müsse, für Auseinandersetzungen. Dies führt zu Auseinandersetzungen Auseinandersetzungen innerhalb der katholischen Kirche, gerade in dieser Zeit.
Umso weniger verwundert es, dass Jesus von Nazaret mit der Brotrede auf Unverständnis bei seinen Zuhörern stieß und es unter diesen zum Streit kam. Viele seiner bisherigen Jünger sollen sich von Jesus nach der (eucharistischen) Brotrede zurückgezogen haben.
Das Judentum war im ersten Jahrhundert der allgemeinen Zeitrechnung tatsächlich schon in zahlreiche Gruppen gespalten. Mitunter wurden solche Konflikte blutig ausgefochten. Zahlreiche Messias-Anwärter machten sich Konkurrenz (siehe https://www.youtube.com/watch?v=SWMZ4u2RE24). Die im Neuen/Zweiten Testament bezeugte Spaltung zwischen Samaritern/Samaritanern und so etwas wie einer Hauptrichtung von Judentum hatte sich längst ereignet (siehe Gedanken zur Woche 68). Innerjüdische Auseinandersetzungen werden von manchem sogar als Grundlage für die in den alttestamentlichen Makkabäerbüchern dargestellten Konflikte gesehen. Innerhalb der ja jüdischen Gefolgschaft und generell in der weiteren jüdischen Umgebung des Jesus von Nazaret war bei einem eh schwierigen Thema nicht Konsens zu erzielen. Verschiedene innerjüdische Spaltungen und Kontroversen dauerten dann ja an. Überhaupt bildete sich eine für Außenstehende oft überraschende Debattenkultur heraus, mit ihrem bemerkenswerten Niederschlag auch in der Weltliteratur.
1. Lesung: 1 Kön 19,4-8
2. Lesung: Eph 4,30-5,2
Evangelium: Joh 6,41-51
Gedanken zur Woche 72-b, Dr. Matthias Martin
19. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
DIe 19. Woche im kirchlichen Jahreskreis, anders gesagt die Woche vom 8. bis 14. August 2021, enthält nach dem bei uns üblichen liturgischen Kalender eine Reihe ganz bemerkenswerter Heiligengedenktage, von denen es jeder wirklich wert ist, eigens betrachtet zu werden. Jede Heilige und jeder Heilige, die beziehungsweise der in diesem Zusammenhang etwa im Direktorium der Diözese St. Pölten aufscheint, kann uns heute lebenden Menschen wertvolle Anregungen geben, in dieser oder jener Hinsicht als Vorbild dienen.
Für die Diözese St. Pölten besitzt natürlich der Heilige Hippolyt herausragende Bedeutung. Er ist ja sowohl der Diözesanpatron als auch der Namensgeber der Diözese sowie der Landes- und Diözesanhauptstadt, eben St. Pölten. Dementsprechend wird in dieser Diözese sein Gedenktag als Hochfest begangen. Dies bedeutet nach dem Aufbau der derzeit verwendeten nachkonziliaren Liturgie, dass das Gloria anzustimmen ist. Zwei Lesungen sind vorzutragen und eine Predigt sollte gehalten werden. Auch ist das Glaubensbekenntnis/Credo vorgesehen. Bei einem Hochfest ist der Schlusssegen in feierlicher Form zu spenden. Die Stellung als Hochfest im kirchlichen Leben gilt unabhängig davon, ob am jeweiligen Tag ein Werktag oder ein Sonn- beziehungsweise Feiertag ist.
Hippolyt war ein, wenn nicht der herausragende, Theologe seiner Zeit. Als er aber, entgegen wohl seinen eigenen Erwartungen, nicht zum Papst gewählt wurde, kam es zum Zerwürfnis. Gegen den von der Mehrheit gewählten und von so etwas wie der allgemeinen Kirche anerkannten Kallistus/-os/Calixtus ließ sich Hippolyt wohl im Jahre 217 n. Chr. zum Gegenbischof von Rom wählen. Er wurde und wird deswegen oft als der erste Gegenpapst der Kirchengeschichte bezeichnet. Zugleich stuft man ihn mitunter als letzten griechischen Kirchenschriftsteller des Westens ein.
Es wird ihm ein umfangreiches theologisches Werk zugeordnet. Das so wichtige kirchenrechtlich-liturgische Grundlagenwerk „Traditio apostolica“ wird dem heiligen Hippolyt in unserer Zeit aber eher nicht mehr zugeschrieben. Beschäftigt man sich mit dem Gang der Kirchengeschichte, so ist nicht ganz überraschend, dass verschiedene Einzelpositionen von Hippolyt von der Gesamtkirche oder von dem, was man heute als katholische Kirche bezeichnet, nicht übernommen wurden.
Der inzwischen verstorbene frühere Ordinarius für Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät an der Universität Innsbruck, Adolf Darlap, wies darauf hin, dass auch überlieferte Schriften offiziell anerkannter Kirchenväter problematische Aussagen enthalten können, ja für sich genommen als häretisch hätten eingestuft werden können. Als Beispiel nannte er Aussagen in Spätschriften des Augustinus zum Fragenkomplex von Rechtfertigung und Vorherbestimmung.
Auf dem ja dann wegen des italienischen Überfalls auf den Kirchenstaat vorzeitig abgebrochenen I. Vatikanischen Konzil setzte man sich kritisch mit Aussagen von Gregor I., manchmal genannt der Große, in Hinblick auf die Verwendung im Brevier für katholische Kleriker auseinander. Tatsächlich gab es dann einige Jahre später trotz der fortdauernden Besetzung des Kirchenstaates unter dem heiligen Papst Pius X., der von 1903 bis 1914 amtierte, eine Brevierreform. Interessant ist eigens, dass sich Gegner einer geschichtlich festzustellenden Bedeutungszunahme des Papstamtes einschließlich der die zentrale Stellung des Papstamtes in der Kirche festschreibenden Dogmatischen Konstitution des I. Vatikanischen Konzils „Pastor aeternus“ auch auf Papst Gregor I., den offiziell anerkannten Kirchenvater, beriefen. Andererseits gibt es Splittergrüppchen, die den heiligen Papst Pius X. gerade wegen der erwähnten Brevierreform nicht mehr als rechtmäßigen Papst anerkennen.
Umgekehrt haben die Päpste sich längst von der unglücklichen Identifikation Mafia Magdalenas mit der nicht namentlich bekannten Sünderin in Lk 7,36-50 und daran auch noch anschließenden Darstellung durch Papst Gregor I. als Prostituierte distanziert (https://www.youtube.com/watch?v=51VXjm5itcg und https://en.wikipedia.org/wiki/Mary_Magdalene). Dabei wird Papst Gregor I./der Große selber immer wieder mit Papst Gregor XIII. in einen Topf geworfen (siehe Gedanken zur Woche 25-b).
Die Art von gleich zwei Identifikationen auf einmal, der heiligen Maria Magdalena, deren Fest am 22. Juli begangen wird, zum einen mit der unbekannten „Sünderin“ und von dieser dann noch mit einer Prostituierten hängt theologiegeschichtlich in der Luft. Als „Sünderin“ eingestuft zu werden, musste im jüdischen Umfeld überhaupt nicht heißen, eine Prostituierte gewesen zu sein oder zu sein. Es reichte für eine Frau schon, um als „Sünderin“ abqualifiziert zu werden, mit dem mosaischen Gesetz nach einer jeweils gerade vorherrschenden Interpretation in Konflikt geraten zu sein. Hierbei ist zu bedenken, dass das Judentum in neutestamentlicher Zeit in zahlreiche Gruppen gespalten war, was schon eine knappe populärwissenschaftliche Darstellung verdeutlicht (https://www.youtube.com/watch?v=SWMZ4u2RE24&t=164s).
Als Papst Paul VI. diese Angelegenheit, soweit es das päpstliche Rom betrifft, bereinigte, erhob sich dagegen kein Widerstand. Dabei wurde Paul VI. sonst wegen allem möglichen, sei es wegen seiner Ostpolitik, der Enzyklika „Humanae Vitae“ oder seinem Vorgehen gegen den bei vielen Menschen beliebten Erzbischof Marcel Lefebvre rasch und heftig kritisiert.
Dass Päpste auch schon früher heftig in die Kritik gerieten, verdeutlicht die Wahl des heiligen Hippolyt zum Gegenpapst. Er behielt diese Funktion nach dem Tod von Papst Kallistus, während der Zeit von Urban I. (siehe Gedanken zur Woche 61-b) und Pontianus bei. Erst mit diesem einigte er sich nach Jahren auf einen gemeinsamen Rücktritt und machte so den Weg für die Wahl eines allgemein anerkannten Nachfolgers frei (siehe Gedanken zur Woche 22-b).
Ein Konfliktpunkt zwischen Hippolyt und Kallistus war, dass letzterer gegen das staatliche Gesetz des Römischen Reiches die Eheschließung zwischen Sklaven und Freien und überhaupt über alle Standesunterschiede hinweg anerkannte. Der sich so sittenstreng gebende Hippolyt war in diesem Fall der dem herrschenden System ausdrücklich mehr angepasste als der später ebenfalls ins Heiligenverzeichnis gelangte Kallistus. Nun hat sich in der katholischen Kirche der Standpunkt durchgesetzt, dass die Ehe über alle Standesunterschiede hinweg möglich ist und möglich sein muss. Wiederholt wurde das konsequente Eintreten des heiligen Papstes Kallistus gewürdigt, von der Populärwissenschaft bis hin zu Fachleuten des Kirchenrechts. Dieser Erfolg gelang aber offensichtlich nicht ohne einen sehr bemerkenswerten Rückschlag. Der von 440 bis 461 amtierende Papst Leo I., auch genannt der Große, verurteilte nämlich die Heirat einer Sklavin mit einem freien Mann. Der Kirchenrechtsprofessor Ludger Müller hält dazu kritisch fest: „Für uns kaum nachvollziehbar ist die Ansicht, daß eine Sklavin nicht zur Frau genommen werden kann. . . . Trotz aller Bemühung Leos I. um eine biblische Begründung seiner Entscheidung ist unverkennbar, daß auch römisch-rechtliche Vorstellungen im Hintergrund standen“ (Ludger Müller, Geschichte des kirchlichen Eherechts - Postgradualer Lehrgang Vergleichendes Kanonisches Recht. Wintersemester 2018/19, Seite 100).
Interessant ist hier insbesondere, dass ein später als Heiliger und Kirchenlehrer anerkannter Papst, Leo I./der Große, die Position eines früheren Gegenpapstes gegen die seines „rechtmäßigen“ und als Heiligen anerkannten Vorgängers und dessen unmittelbarer Nachfolger vertrat. Heiligengedenktage führen doch immer wieder zu bemerkenswerten Angelegenheiten hin, so nicht zuletzt das Fest des langjährigen heiligen Gegenpapstes Hippolyt.
Gedanken zur Woche 71, Dr. Matthias Martin
18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn im Johannesevangelium Jesus von Nazaret mit einer ausdrücklichen Bezugnahme auf Moses zitiert wird, so ist das keine isolierte Stelle und nicht einfach so dahin geschrieben.
Die katholische Kirche hat seit ihren ganz frühen Tagen das als ersten Hauptteil der Bibel verteidigt, was unter Christinnen und Christen meist das Alte Testament, seltener das Erste Testament, genannt wird. Auf den Konzilien von (Basel – Ferrara -) Florenz und Trient wurde dies jeweils eindrucksvoll festgeschrieben. Auch das Erste und das Zweite Vatikanische Konzil äußerten sich in diesem Sinne (siehe Gedanke zur Woche 7, 39, 48 und 50). Druck von gegnerischer Seite, etwas wegfallen zu lassen, bezog sich gerade auf die Schriften des Alten/Ersten Testamentes. Dabei stehen die Fünf Bücher Mose, von altem Griechisch her auch der Pentateuch und in jüdischer Tradition die Thora genannt, am Anfang der ganzen (christlichen) Bibel. Es handelt sich hierbei um die Bücher:
Gerade diese besonders alten Schriften des sogenannten Alten Testaments sind keineswegs altes Eisen. Ganz im Gegenteil! In diesen Fünf Büchern Mose finden wir etwa die Erzählungen von der Erschaffung der Welt, von Kain und Abel und der Sintflut. Gleiches gilt bezüglich des Bundesschlusses am Sinai mit den Zehn Geboten und der vorhergehenden Unterdrückung der Isareliten durch das monarchistische System im alten Ägypten. Personen wie das erste Menschenpaar, Noah mit Familie und dem Regenbogen-Symbol, die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob und viele und vieles andere begegnen uns dort, haben in den Fünf Büchern Mose ihren Ort, ihre literarische Heimat. Dort finden wir auch Ansätze für soziale Regelungen samt Arbeitnehmerrechten (siehe Gedanken zur Woche 58 und 59) und die Aussagen für das doppelte Liebesgebot (siehe Gedanken zur Woche 66).
Auf die im Deutschen „Gesetz“ genannte Thora und auf Moses werden wir im Neuen/Zweiten Testament immer wieder hingewiesen. Sogar in einer so kurzen, neutestamentlichen Schrift wie dem Judasbrief wird ja Moses beim Namen genannt (siehe Gedanken zur Woche 51). Laut allen drei der synoptischen Evangelien, also dem Matthäus-, dem Markus- und Lukasevangelium, fordert Jesus von Nazaret einen geheilten Aussätzigen auf, sich nach dem Gesetz des Moses zu verhalten. So heißt es dazu in Mt 8,4:
„Jesus aber sagte zu ihm: Nimm dich in Acht! Erzähl niemandem davon, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring das Opfer dar, das Mose angeordnet hat – ihnen zum Zeugnis!“
Ganz ähnlich lauten die Formulierungen im Markusevangelium (1,44) und im Lukasevangelium (5,14).
Schon vorher wird ebenfalls im Lukasevangelium zum Abschluss der beliebten Weihnachtsgeschichte das „Gesetz des Mose“ (2,22) und dann das „Gesetz des Herrn“ (2,23) erwähnt. Am Ende des Lukasevangeliums spricht der Auferstandene zu den anwesenden Jüngern:
„(24,44) . . . Das sind meine Worte, die ich zu euch gesprochen habe, als ich noch bei euch war: Alles muss in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich geschrieben steht. (45) Darauf öffnete er ihren Sinn für das Verständnis der Schriften.“
Unmittelbar vorher werden wir in der Emmausgeschichte bereits (24,27) ausdrücklich in die Richtung „von Mose und allen Propheten“ wie (24,32) „den Sinn der Schriften“ gewiesen. Vielleicht etwas geläufiger ist, dass bei der wiederum in allen drei synoptischen Evangelien überlieferten Verklärung Jesu Moses und der ebenfalls alttestamentliche Prophet Elija erscheinen und mit Jesus reden (Mt 17,3-4; Mk 9,4-5 und Lk 9,32-33). Noch an zahlreichen anderen Stellen des Neuen/Zweiten Testaments wird Moses erwähnt.
Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund, dass auch im politischen Bereich in den letzten Jahrzehnten gerne schlagwortartig auf die Bergpredigt Bezug genommen wurde, mag es umso interessanter sein, dass es dort heißt:
„(Mt 5,17) Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“
Heutige Christinnen und Christen sollten sich immer wieder die unaufhebbare Bedeutung des Alten/Ersten Testamentes samt der Fünf Bücher Mose bewusst machen. Die Tendenz, zumindest in Teilen der katholischen Weltkirche auch in der Priesterausbildung die Schriften des Alten/Ersten Testamentes geflissentlich außer Acht zu lassen, ist sicher kein guter Weg. In der frühen Kirche hat man solchen Versuchungen offensichtlich widerstanden, und das traditionelle Lehramt hat sich ganz im Sinne einer ungekürzten Bibel geäußert.
Die enorme Bedeutung der mit Moses verbundenen Überlieferung wird auf eigene Weise dadurch unterstrichen, dass nach Meinung der traditionellen Hauptrichtung des Judentums Gott am Sinai dem Moses nicht nur die schriftliche Thora, sondern dazu auch eine mündliche Thora offenbart hat. Diese bildete die Grundlage insbesondere für die so wichtige Mischna und den dann wiederum Generationen später verfassten Talmud in seiner Babylonischen und seiner Jerusalemer Version.
Für die neuerdings ja gerade in Brasilien Zulauf findenden Samariter/Samaritaner (siehe Gedanken zur Woche 68) ist Moses der Prophet schlechthin und stellen die Fünf Bücher Mose ihre Bibel dar. Bei den Samaritern/Samaritanern wird die Aussage im Buch Deuteronomium „(34,10) Niemals wieder ist in Israel ein Prophet wie Mose aufgetreten“ in einer sehr rigorosen Weise als ganz zentral gesehen.
Auch im so eigenständigen karäischen Judentum, bei den Karäern, (siehe https://kjuonline.net/) hält man, natürlich auf eigene Weise, entschlossen an den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch, der Thora, fest (siehe https://www.karaite-korner.org/ ).
1. Lesung: Ex 16,2-4.12-15
2. Lesung: Eph 4,17.20-24
Evangelium: Joh 6,24-35
Gedanken zur Woche 71-b, Dr. Matthias Martin
18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn in derselben 18. Woche im Jahreskreis sowohl des heiligen Eusebius von Vercelli, des Johannes Maria Vianney und der Weihe der Basilika Maria Maggiore in Rom gedacht wird, so verdeutlicht dies auf eigene Weise, dass die Kirche in ihrer Geschichte nicht zuletzt mit Regimen Problemen hatte, die sich selber mehr oder minder als „christlich“ präsentierten.
Die Schwierigkeiten, die der heilige Johannes Maria Vianney, besser bekannt als Pfarrer von Ars, auf seinem Lebensweg zu bewältigen hatte, bis er die Priesterweihe empfangen konnte, stehen für all die Bedrängnisse bis direkte Verfolgungen, welche die Kirche und die mit ihr verbundenen Menschen infolge der Französischen Revolution und unter der Napoleonischen Herrschaft zu erleiden hatten (siehe Gedanken zur Woche 21-b). Der auch im Bereich der öffentlich-rechtlichen Medien Frankreichs so bezeichnete „Génocide Républicain“, zu Deutsch „Republikanischer Völkermord“, der damals neuen französischen Machthaber und ihrer Truppen in der Landschaft der Vendée (https://www.youtube.com/watch?v=osW_uB9JLgQ&t=248s und https://www.youtube.com/watch?v=MAqlECcfzHY) wurde gerade im deutschen Sprachraum verdrängt, wie auch die im Gefolge der Französischen Revolution in anderen Teilen des französischen Machtbereichs wütenden Massaker und generell die Verfolgung Missliebiger, nicht zuletzt der kirchentreuen Katholikinnen und Katholiken. Lebensweg und Verehrung des heiligen Pfarrers von Ars, könnten ein Denkanstoß sein, solche für viele offensichtlich unangenehmen Wahrheiten etwas vom Vergessen zu befreien. Dies gilt ganz allgemein auch für die so vielen Brutalitäten Napoleons I. und seiner Handlanger, ob gegen muslimische Kriegsgefangene während des Ägyptenfeldzuges etwa, gegen Katholiken in Spanien, gegen die Zivilbevölkerung während des Russlandfeldzuges und so weiter.
Daran ändert nichts die Tatsache, dass Napoleon I., wenn es ihm opportun erschien, sich auch schon einmal wieder als Katholik bezeichnete. So schloss er 1801 das Konkordat mit dem Papst, nur um dieses alsbald fortwährend zu brechen, bis hin zur völkerrechtswidrigen Besetzung des Kirchenstaates und der Deportation von Papst Pius VII.
Genauso war im vierten Jahrhundert Konstantius II., der Sohn und Nachfolger des Kaisers Konstantin, mitunter genannt „der Große“, ein verschlagener wie brutaler Herrscher. Mit seiner gewaltsamen Politik, gegen das Glaubensbekenntnis von Nicäa den Arianismus im ganzen Römischen Reich durchzusetzen, hatte sich der heilige Eusebius von Vercelli samt Mitstreitern auseinanderzusetzen. Man mag hierbei an den heiligen Hilarius von Portiers denken (siehe Gedanken zur Woche 44-b). Mitunter wurde Konstantius II. ähnlich wie später Napoleon I. sogar als „Antichrist“ bezeichnet. Auch er ließ übrigens einen Papst verschleppen, und zwar Liberius. Dieser hatte der Brutalität von Konstantius II. erst einmal wenig bis nichts entgegenzusetzen, war doch Rom weiterhin eine Stadt im Römischen Reich und sogar der Sitz eines kaiserlichen Stadtpräfekten. Die Reichsreform Konstantins des Großen hatte im ganzen bisherigen Römischen Reich die kaiserliche Macht gefestigt (siehe Gedanken zur Woche 42-b). Umso leichter konnte ein Kaiser auch des Bischofs von Rom, des Papstes, habhaft werden. Genauso wie Papst Liberius mussten auch andere Geistliche in die Verbannung, so nicht zuletzt der heilige Eusebius von Vercelli.
Das Ringen um zumindest etwas Eigenständigkeit des Papsttums gegenüber römischen, oströmisch-byzantinischen Machthabern blieb eine dauernde Herausforderung. Auch der von 527 bis 565 regierende oströmische Kaiser Justinian konnte da ziemlich brutal sein. Vor Übergriffen gegen mehr als einen Papst schreckte er nicht zurück, nachdem er im Rahmen seines Vernichtungskrieges gegen die Ostgoten die Apenninenhalbinsel zumindest weitgehend unter seine Kontrolle gebracht hatte.
Vor diesem Hintergrund ist die Bemühung um ein eigens Staatsgebiet für die Spitze der katholischen Kirche umso verständlicher. Diese Grundsatzposition wird gerade in unseren Tagen von sehr vielen Nichtkatholikinnen und Nichtkatholiken unterstützt. Immerhin blickt der Kirchenstaat auch auf eine lange Geschichte zurück. Für die Eigenständigkeit des Heiligen Stuhles stehen nicht zuletzt die gegenüber dem derzeitigen italienischen Staatsgebiet exterritoriale Basilika Santa Maria Maggiore sowie weitere Einzelbereiche in Rom sowie Castel Gandolfo außerhalb der Stadt Rom. Dann ist da natürlich auch die eigentliche Vatikanstadt, das Gebiet von St. Peter. Im I. Weltkrieg hatte Italien nach seinem Kriegseintritt noch das nach der Besetzung des Kirchenstaates im Jahre 1870 erlassene eigene sogenannte Garantiegesetz heftig missachtet.
Das grundsätzliche Spannungsverhältnis zwischen katholischer Kirche und italienischem Nationalismus oder, wenn man so will, italienischem Nationalstaat zeigte sich auch in der Herrschaftszeit Mussolinis. Papst Pius XI. äußerte 1931 in seiner Sozialenzyklika „Quadragesimo Anno“ auch Kritik an den Zuständen in Italien. Mit „Non Abbiamo Bisogno“ erließ er sogar eine eigene Enzyklika gegen den italienische Faschismus und seine Politik (siehe Gedanken zur Woche 60-b). Es folgten weitere kritische Stellungnahmen gegen das damalige politische System Italiens. Der italienische Staat war ja überhaupt nur durch langandauernde Aggression einschließlich verschiedener Überfälle gegen den international anerkannten Kirchenstaat zustande gekommen. Die bis 1859/60 geltenden Grenzen des Kirchenstaates wie der anderen Staaten auf der Apenninenhalbinsel samt Padaniens, Sardiniens und Siziliens waren eigens durch den Wiener Kongress 1814/15 anerkannt worden. Der Kirchenstaat wurde auch durch nichtkatholische Staaten anerkannt. Dass Völkerrecht und Diplomatie aber oft blanker Gewalt weichen müssen, beweist das Schicksal des Kirchenstaates. Erst mit der gerade durch die militärische Unterstützung Frankreichs durchgesetzten allmählichen „Einigung“ Italiens kam es auch zur langandauernden Durchsetzung des offiziellen Italienischen gegen andere Sprachen beziehungsweise Dialekte (siehe Gedanken zur Woche 30). Papst Franziskus betitelte interessanterweise seine Umweltenzyklika unter Rückgriff auf den heiligen Franz von Assisi mit den umbrischen Worten „Laudato si“ (zu verschiedenen Sprachen und Dialekten auf der Apenninenhalbinsel samt Padanien, Sizilien und Sardinien siehe allgemein https://en.wikipedia.org/wiki/Romance_languages#/media/File:Idiomas_y_dialectos_romances.png und Meic Stephens, Minderheiten in Westeuropa. Deutsche Ausgabe Husum 1979. Seiten 393-448).
Der Heilige Stuhl billigt weiterhin Marina von Neapel das sehr selten gewährte Privileg zu/von Weiß, Il privilegio del bianco, zu. Bekanntlich war das Königreich Neapel/Königreich bis 1860 ein großer eigener Staat. Sein letzter eigener König, Franz II., floh, als das Ende für die Unabhängigkeit kam, bezeichnenderweise in das damals noch päpstlich regierte Rom. Nicht wenige Menschen widersetzten sich jahrelang in einem erbitterten Partisanenkrieg der neuen italienischen Herrschaft.
Bei den jüngsten italienischen Parlamentswahlen spiegelten die Wahlergebnisse auffallend die früheren Staatsgebiete vor Schaffung des modernen „Italiens“ wider. Darauf wurde zumindest vereinzelt sogar in der deutschsprachigen Presse hingewiesen.
Gedanken zur Woche 70, Dr. Matthias Martin
17. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Der alte scholastische Grundsatz „Die Gnade setzt die Natur voraus“ mag in den Sinn kommen, wenn man die ersten Verse des sechsten Kapitels des Johannesevangeliums und dann auch die anschließenden Teile oder Verse dieses Kapitels liest.
Hier werden zunächst die menschlichen Grundbedürfnisse Gesundheit und Nahrung angesprochen. Es ist ja ganz natürlich, dass Menschen nach Gesundheit, im Falle des Falles nach Heilung von Krankheit, wie nach Ernährung streben.
Kirche oder ganz allgemein Religion lässt sich nicht von der menschlichen Natur mit ihren Bedürfnissen trennen. Dies wurde offensichtlich auch von Jesus von Nazaret grundsätzlich so gesehen und in wohlwollender Weise aufgegriffen. So wird zu Beginn dieses sechsten Kapitels im Johannesevangelium darauf hingewiesen, dass Jesus beeindruckende „Zeichen“ an den Kranken tat. Die Zuwendung zu den Kranken etwas zutiefst menschliches und wird in der Bibel in unterschiedlicher Art der Formulierung immer wieder thematisiert. So heißt es bereits im alttestamentlichen Buch Jesus Sirach (Ecclesiasticus):
„(7,35) Zögere nicht, einen Kranken zu besuchen, denn dafür wirst du geliebt!“
Im dramaturgisch aufgebauten Gleichnis vom Gericht des Menschensohnes über die Völker, auch kurz genannt das Gleichnis vom Jüngsten Gericht oder etwa die Rede/Predigt vom Jüngsten Gericht, heißt es anerkennend:
„(Mt 25,36b) ich war krank und ihr habt mich besucht;“
Es ist dies jenes bekannte Stück, in dem es zusammenfassend einmal positiv und einmal negativ heißt:
„(25,40) . . . Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringste Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
und
„(25,45) . . . Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“
In der durch die kirchliche Überlieferung auf uns gekommenen Liste der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit heißt es dann gerafft:
„5. Die Kranken besuchen“.
Die Gegenüberstellung von gutem Tun, aktivem Helfen und bösen Unterlassen begegnet uns auch sonst in der Bibel. So ergeht es dem keine Hilfe leistenden hartherzigen Reichen laut Gleichnis im Lukasevangelium in der Ewigkeit schlimm (Lk 16,19-31). Interessant und höchst aufschlussreich ist dabei die dort ausgesprochene ausdrückliche Berufung auf „Mose und die Propheten“. Erinnern wir uns, dass schon in den Fünf Büchern Mose, der Thora, welche auch der Pentateuch genannt wird, zu sozialem Handeln aufgerufen wird (siehe Gedanken zur Woche 58 und 59). Als positives Gegenbeispiel zum Unterlassen in Hinblick auf Hilfe wird uns ebenfalls im Lukasevangelium der barmherzige Samariter im so berühmten Gleichnis vor Augen gestellt (Lk 10,25-37). Auch bei der Darstellung dieses Gleichnisses wird wieder augenfällig Bezug auf die Fünf Bücher Mose genommen.
Umso besser passt es, dass in der Stelle aus dem Johannesevangelium für den 17. Sonntag im Jahreskreis im Jahre 2021 Jesus von Nazaret sich eigens der Versorgung mit Nahrung für die anwesenden Menschen annimmt. Hilfe für Mitmenschen, für Kranke zum Beispiel, wie für solche, die etwas zu essen brauchen, wird auch sonst im Neuen/Zweiten Testament als Handlung Jesu vor Augen gestellt.
Im zitierten Gleichnis vom Jüngsten Gericht im Matthäusevangelium heißt es im guten Sinne:
(Mt 25,35) Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben.“
und vorwurfsvoll nach der anderen Seite hin
„(25,42) Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben.“
In der Liste der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit heißt es entsprechend:
„1. Die Hungrigen speisen.
2. Den Dürstenden zu trinken geben“.
Jesus von Nazaret hat nicht nur davon gesprochen, hilfsbereit zu anderen Menschen zu sein, aus der Gottes- und der Nächstenliebe zu leben. Er hat dies auch vorgelebt. So sollen wir, wie er es vorgelebt hat, das Gute tun und das Böse meiden. Die verschiedenen Teile des Neuen/Zweiten Testamentes über Jesu Wirken hier auf Erden weisen grundsätzlich den Weg. Es ist natürlich klar, dass niemand von uns ein anderer Jesus von Nazaret oder Jesus Christus ist. Um es im Sinne des Großen Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel auszudrücken, niemand von uns ist die Zweite oder eine andere göttliche Person in der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Niemand von uns verbindet, um insbesondere auf die Ergebnisse des Konzils von Chalcedon im 451 und dem III. Konzil von Konstantinopel im Jahre 553 ausdrücklich Bezug zu nehmen, die göttliche mit der eigenen menschlichen Natur. Wir sollen da natürlich keinem Größenwahn verfallen, oder wie es in Anlehnung an berüchtigte römische Kaiser heißt, einem Cäsarenwahn.
Vielmehr sollen wir im Rahmen all unserer jeweiligen menschlichen Stärken und Schwächen im Sinne einer Nachfolge Christi danach streben, gute Werke zu vollbringen und dies gerade für notleidende Mitmenschen, jene, die wirklich Hilfe gebrauchen können. Nicht umsonst meinen ja auch viele sogenannte Nichtchristen, dass Jesus von Nazaret schlechthin ein moralisches Vorbild ist. Diese Position vernimmt man beispielsweise bei nicht wenigen Agnostikern und Atheisten und nicht zuletzt Juden.
Die Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein betreibt in diesem Sinne etwa die Pfarrcaritas. In jüngster Zeit ist in Reaktion auf die Coronakrise, die COVID-19-Pademie, eigens die Kühlschrankaktion gestartet worden (siehe unter anderem http://pfarre.kirche.at/steinanderdonau/sites/pfarre.kirche.at.steinanderdonau/files/Pfarrnachrichten%20M%C3%A4rz%202021.pdf). Aus recht unterschiedlichen Bereichen der Zivilgesellschaft haben sich spontan Menschen gemeldet und begonnen, wertvolle Unterstützung zu leisten (http://pfarre.kirche.at/steinanderdonau/sites/pfarre.kirche.at.steinanderdonau/files/Pfarrbrief%20April%202021.pdf). Abgesehen vom rein materiellen Effekt ist dies menschlich-gesellschaftlich eine Ermutigung über den Tag hinaus. Es darf als Anstoß gesehen werden, im Tun des Guten, im Vollbringen guter Werke, über alle möglichen persönlichen Unterschiede hinweg zusammenzuwirken.
1. Lesung: 2 Kön 4,42-44
2. Lesung: Eph 4,1-6
Evangelium: Joh 6,1-15
Gedanken zur Woche 70-b, Dr. Matthias Martin
17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Kürzlich gedachte die Kirche am 13. Juli eines heiligen Ehepaares: des heiliggesprochenen Kaisers Heinrich II. aus dem deutschen Herrschergeschlecht der Ottonen, auch genannt das sächsische Kaiserhaus, und seiner Ehefrau, der dementsprechend ebenfalls heiliggesprochenen Kunigunde. Ihr eindrucksvolles Wirken und ihre Heiligsprechung verdeutlichen die Bedeutung, welche Frauen im katholischen Bereich im Mittelalter erlangen konnten (siehe Gedanken zur Woche 68-b). Die seinerzeit unumstrittene Heiligsprechung Kunigundes ist umso bemerkenswerter, da diese vor der rapiden Zunahme von Selig- und Heiligsprechungen seit dem Pontifikat Johannes Pauls II. stattfand. Man spricht seitdem bezüglich erfolgter Selig- und Heiligsprechungen mitunter von „Inflation“ oder „Inflationsheiligsprechungen“. Offensichtlich wollte und will mancher kirchliche Verantwortungsträger die seit den sechziger Jahren voranschreitende Krise des kirchlichen Lebens damit kurieren oder zumindest überspielen. Nun ja, die Heiligsprechung von Kaiserin Kunigunde, wie die der ebenfalls zum sächsisch-ottonischen Herrscherhaus gehörenden Königin Mathilde und Kaiserin Adelheid fanden ja noch deutlich vor diesen Entwicklungen statt.
Lange vor diversen Kirchenspaltungen und der heutigen Kirchenkrise war in der Christenheit nicht zuletzt bereits die Verehrung der heiligen Anna und des heiligen Joachim anerkannt, deren die katholische Kirche gerade am 26. Juli gedenkt. Diese nicht als solches in den kanonischen, also offiziellen Schriften der Bibel erwähnten Eheleute sind der Überlieferung zufolge die Eltern Mariens gewesen. Demzufolge werden sie von der menschlichen Natur her als Großeltern Jesu von Nazaret betrachtet. Die Abgrenzung, welche Schriften sowie welche Teile solcher „Bücher“ zur Bibel gehören sollten, dauerte Jahrhunderte, und die Auseinandersetzung darüber brach namentlich mit der Reformation wieder auf. Auch heute unterscheiden sich verschiedene Konfessionen nicht zuletzt darin, welche Schriften/Bücher und im Einzelnen Teile von solchen sie für ihre Art von Bibelausgabe anerkennen. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass das heilige Ehepaar Anna und Joachim sowohl in der römisch-katholischen Kirche, wie in der orthodoxen Kirche, altorientalischen Einzelkirchen und bei den Anglikanern durch Gedenk- beziehungsweise Festtage offiziell geehrt wird. Folgt man nun der Einteilung der Christenheit unabhängig von jeweiliger zahlenmäßiger Stärke in sechs Hauptüberlieferungen (siehe Gedanken zur Woche 45-b), so heißt das, dass in zwei Dritteln dieser christlichen Hauptrichtungen die heilige Anna und der heilige Joachim so eindrucksvoll geehrt werden.
Das ist ja nun wirklich ganz außerordentlich. Insbesondere die heilige Anna erfreut sich dazu in der bildende Kunst großer Beliebtheit. Aber auch der heilige Joachim besitzt hier eine bemerkenswerte Stellung. Einen eigenen Platz in der Kunstgeschichte haben die sogenannten Anna-Selbdritt-Darstellungen. Bei diesen werden, sei es in Gestalt eines Gemäldes, eines Mosaiks oder dreidimensional, die heilige Anna, Maria und Jesus(kind) gemeinsam abgebildet. Auch in der islamischen Gesamtüberlieferung haben die heilige Anna und der heilige Joachim eine Stellung (siehe zum Beispiel http://www.eslam.de/begriffe/h/hanna.htm).
Das Zeugnis außerhalb der bei uns üblicherweise als „Bibel“ bezeichneten Zusammenstellung einzelner Schriften für die Verehrung der heiligen Anna und des heiligen Joachims ist also gewaltig.
Dazu werden wir in der Bibel selbst immer wieder auf die Bedeutung nichtschriftlicher, mündlicher Aussagen oder sonstwie außerbiblischer Überlieferungen hingewiesen. Diesbezügliche Formulierungen finden wir sogar in den ganz kurzen Briefen des Neuen/Zweiten Testamentes, welche über keine eigene Kapiteleinteilung verfügen. So heißt es im Zweiten Johannesbrief:
(12) Vieles hätte ich euch noch zu schreiben; ich will es aber nicht mit Papier und Tinte tun, sondern hoffe, selbst zu euch zu kommen und persönlich mit euch zu sprechen, damit unsere Freude vollkommen wird.“
In dieselbe Richtung werden wir gegen Ende des Dritten Johannesbriefes gewiesen:
„(12) Für Demetrius legen alle und die Wahrheit selbst Zeugnis ab; auch wir legen Zeugnis ab und du weißt, dass unser Zeugnis wahr ist. (13) Vieles hätte ich dir noch zu schreiben; ich will aber nicht mit Tinte und Feder schreiben. (14) Ich hoffe, dich bald zu sehen; dann werden wir persönlich miteinander sprechen.“
In mehr als einer Hinsicht ist dabei eigens ein Teil des Zweiten Briefes an Timotheus interessant:
„(4,16) Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten; alle haben mich im Stich gelassen. . . . . (17) Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Völker sie hören und so wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen.“
Zum Schluss des Johannesevangeliums lauten die zwei Verse:
„(21,24) Dies ist der Jünger, der all das bezeugt und der es aufgeschrieben hat; und wir wissen, dass sein Zeugnis wahr ist. (25) Es gibt aber noch vieles andere, was Jesus getan hat. Wenn man alles einzeln aufschreiben wollte, so könnte, wie ich glaube, die ganze Welt die dann geschriebenen Bücher nicht fassen.“
Gleich zu Beginn des Prologs des alttestamentlichen Buches Jesus Sirach, Buch Ecclesiasticus, werden wir in Richtung einer enormen Breite des Diskurses und der Überlieferung geführt:
„Vieles und Großes ist uns durch das Gesetz und die Propheten und die anderen, die ihnen gefolgt sind, gegeben. Dafür ist Israel wegen der Bildung und Weisheit zu loben. Doch nicht allein die, welche zu lesen verstehen, sollen selber sachkundig werden, sondern die Gelehrten sollen auch den Unkundigen nützlich sein in Wort und Schrift.
So widmete sich Jesus, mein Großvater, sorgfältig dem Lesen des Gesetzes wie der Propheten und der anderen, von den Vorfahren überkommenen Schriften.“
Umso anregender mag die Beschäftigung mit der ihrerseits so vielfältig bezeugten Verehrung der heiligen Anna und des heiligen Joachim sein.
Gedanken zur Woche 69, Dr. Matthias Martin
16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Sehr passend zur Urlaubs- oder Ferienzeit können wir im bei uns vorgesehenen Sonntagsevangelium davon lesen, dass Jesus von Nazaret die zwölf vorher zu intensiver Tätigkeit ausgesandten Jünger nach ihrer Rückkehr aufforderte, sich eine Auszeit zu nehmen. Die Abgrenzung zum hektischen Getriebe wird sogar besonders deutlich, wenn von der Aufforderung Jesu an die Jünger zu lesen ist, an einen einsamen Ort zu kommen, wo sie allein wären und sich auszuruhen. `Einsamer Ort` und `allein sein´ sind ja recht starke Ausdrücke und machen deutlich, wie ernst es Jesus von Nazaret damit gewesen sein dürfte, dass die Jünger mit ihm Freizeit haben würden, dass sie sich zusammen frei nehmen würden.
Nicht zufällig habe ich mich selber genau auf diese Verse des Markusevangeliums in meinem Beitrag für die Pfarrnachrichten Juli/August 2021, dem Pfarrbrief, bezogen und trotz des sehr knappen Platzes die ersten zwei Verse davon sogar wörtlich zitiert (http://pfarre.kirche.at/steinanderdonau/sites/pfarre.kirche.at.steinanderdonau/files/Pfarrbrief%20Juli-August2021.pdf). Sich erst einmal zurückziehen, zu sich selber kommen, innerlich ruhig werden, um dann umso besser zu neuen Aktivitäten starten, wird hier bemerkenswert vorgezeigt. Damit steht diese Stelle des Markusevangeliums keineswegs allein. Im Lukasevangelium etwa können wir lesen:
„(6,12) Es geschah aber in diesen Tagen, dass er auf einen Berg ging, um zu beten. Und verbrachte die ganze Nacht im Gebet zu Gott“.
Nach dieser Nacht berief Jesus nach dem Zeugnis des Lukasevangeliums die zwölf Apostel:
„(6,13) Als es Tag wurde, rief er seine Jünger zu sich und wählte unter ihnen zwölf aus; sie nannte er auch Apostel: (14) Simon, den er auch Petrus nannte, und dessen Bruder Andreas, Jakobus, Johannes, Philippus, Bartholomäus, (15) Matthäus, Thomas, Jakobus, den Sohn des Alphäus, Simon, genannt der Zelot, (18) Judas, den Sohn des Jakobus, und Judas Iskariot, der zum Verräter wurde“.
Zuerst also der Rückzug von aktiver Geschäftigkeit und dann ein so bedeutsamer Schritt vollzogen, wie die Berufung der zwölf Apostel als der so wichtigen Kerngruppe aus und in der gesamten Menge der Jünger, Sympathisanten, irgendwie interessierten Menschen. In der christlichen Überlieferung spricht und schreibt man vom Zusammenhang von Kontemplation, also Innehalten/Besinnung/Gebet, und Aktion, also tätigem Handeln/Werke vollbringen. Zu sich kommen, einmal freie Zeit haben, und aktives Handeln, das Tun guter Werke, schließen sich eben keineswegs aus. Sie gehören vielmehr richtig verstanden zusammen. So wird der Kirchenlehrerin und Erneuerin karmelitischen Ordenslebens, T(h)eresia von Avila (siehe Gedanken zur Woche 31-b und 40-b) das Motto zugeschrieben:
„Wenn Fasten, dann Fasten,
wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“.
Dieses Motto fand auch Berücksichtigung in der Welt der Buchtitel (https://www.herder.de/religion-spiritualitaet-shop/wenn-fasten%2C-dann-fasten%2C-wenn-rebhuhn%2C-dann-rebhuhn-ebook-(epub)/c-38/p-3744/ ). Überhaupt erfreut sich die unbeugsame Ordenserneuerin, Buchautorin und Kirchenlehrerin auffallender Anerkennung auch außerhalb der katholischen Kirche, außerhalb des offiziellen kirchlichen Bereichs. Man kann dies feststellen bei religiösen Sondergemeinschaften beziehungsweise Neuoffenbarungsbewegungen oder –gruppen wie im radikalfeministischen Bereich. Der heiligen T(h)eresia von Avila ging und geht es ganz ähnlich wie der aus dem heutigen Mexiko stammenden, so vielseitig begabten und tätigen, Ordensschwester Juana Inés de la Cruz (https://www.britannica.com/biography/Sor-Juana-Ines-de-la-Cruz und https://poets.org/poet/sor-juana-ines-de-la-cruz) aus dem weiblichen Zweig des bei uns wenig bekannten Ordens der Hieronymiten.
Gerade Orden weisen in ihrer je eigenen Tradition, im jeweiligen Ordenscharisma, eine bemerkenswerte Verbindung unterschiedlicher Elemente menschlichen Lebens auf. In neuerer Zeit wurden dann Angebote wie „Ferien im Kloster“ und „Kloster auf Zeit“ sehr beliebt. Ferien können auch für geistliche Exerzitien genutzt werden, natürlich nicht zuletzt in Verbindung mit einem Kloster. Aus dem katholischen Ordenswesen kam ja auch so manche Anregung für gelebten Umweltschutz. Umso mehr mögen Katholikinnen und Katholiken ihre Ferien- beziehungsweise Urlaubsgestaltung in einer umweltbewussten, Mitmenschen und die Natur schonenden Weise durchführen. Der heilige Franz von Assisi weist uns in diese Richtung und nicht nur er. Man mag sich ganz generell zu umweltbewussten wie die eigene Gesundheit wertschätzenden Verhalten eigens durch die heilige Hildegard von Bingen (siehe Gedanken zur Woche 27-b) angeregt sehen. Nicht zuletzt in ihrer Urlaubsgestaltung können und sollen Katholikinnen und Katholiken einen guten Kontrapunkt gegen Umweltzerstörung, Ressourcenverschwendung und Krachmacherei setzen. Ballermann-Unkultur wie Drangsalieren von Mitmenschen, Pflanzen und Tieren sollten auch in der Ferienzeit gemieden werden. Hat Papst Franziskus mit seiner Umweltenzyklika „Laudato si“ (https://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html) bemerkenswerte Akzente gesetzt, auch mit seiner starken Bezugnahme auf das alttestamentliche Buch Jesus Sirach, so war bereits Benedikt XVI. im Sinne von Umweltschutz und Nachhaltigkeit engagiert (siehe Gedanken zur Woche 30). Von ihm war schon vor seiner Wahl zum Papst sein bescheidener Lebensstil in der Arbeits- wie in der Ferienzeit bekannt geworden.
Der Umstand, dass Persönlichkeiten wie T(h)eresia von Avila, Juana Inés de la Cruz und Hildegard von Bingen wie auf eigene Weise Franz von Assisi bemerkenswerte Geistesgrößen waren, mag eigens anregen, in den Ferien etwa ein Buch zu lesen, dieser oder jener kulturellen Tätigkeit nachzugehen. Je nach Vorliebe und Begabung gibt es da allerlei interessante Möglichkeiten. So etwas kann oft im Zusammenwirken mit anderen Menschen, etwa aus der eigenen Familie oder dem Freundeskreis gepflegt werden. Es soll und darf halt nicht in Stress ausarten. Innere Ruhe finden, sich regenerieren, wird hoffentlich gut zu erreichen sein. Kirchliche Überlieferung mag dazu manche Anregung bieten.
1. Lesung: Jer 23,1-6
2. Lesung: Eph 2,13-18
Evangelium: Mk 6,30-34
Gedanken zur Woche 69-b, Dr. Matthias Martin
16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Es ist gut und wichtig, wenn sich die Menschen ihrer geschichtlichen Wurzeln, ihres Herkommens bewusst werden. Dies gilt auch und gerade in unserer oft als geschichtsvergessen bezeichneten Zeit. In einer Filmreihe über das Schicksal von Elsass-Lothringen wird nicht umsonst die Redensart zitiert „Nur wer weiß woher er kommt, weiß wohin er geht“.
Vor diesem Hintergrund ist es umso besser, dass wir mit Gedenk- beziehungsweise liturgischen Festtagen in der 16. Woche im Jahreskreis in Richtung Naher Osten gewiesen werden. Diese Region beziehungsweise das westliche Asien samt Ägypten ist doch das Entstehungsgebiet des Christentums und natürlich auch ganz zentral im Alten/Ersten Testamentes. Da wird zunächst am Dienstag 20. Juli 2021 der frühchristlichen Märtyrerin Margareta gedacht. Heutzutage bei vielen getauften Christen, nicht zuletzt Katholikinnen und Katholiken, aus dem Blick geraten, erfreute sie sich schon seit früher Zeit solcher Verehrung, dass sie zu den „Vierzehn Nothelfern“ gezählt wurde. Mit der heiligen Katharina von Alexandrien und der heiligen Barbara aus dem im nördlichen Kleinasien gelegenen Nikomedien, lateinisch Nicomedia, gehört die heilige Margareta von Antiochien zu den „Drei heiligen Madln“, auch genannt „Drei heilige Mädchen“:
„Margareta mit dem Wurm,
Barbara mit dem Turm,
Katharina mit dem Radl,
das sind die drei heiligen Madl“.
Jede dieser drei vom Nahen Osten oder westlichen Asien stammenden heiligen Frauen ist Patronin einer Reihe von Bevölkerungsgruppen und wird gerne, wenn man christlicher Überlieferung folgt, in verschiedenen Anliegen angerufen. Das Ansehen dieser drei Märtyrerinnen war so gewaltig, dass sie im ständisch geprägten Mittelalter – Übergangsphase zur Neuzeit gar die Patroninnen wesentlicher Stände wurden:
· Die heilige Margareta von Antiochien wurde zur Patronin des Nährstandes
· Die heilige Katharina von Alexandrien wurde zur Patronin des Lehrstandes
· Die heilige Barbara von Nikomedien wurde als Patronin des Wehrstandes anerkannt
Die besondere Funktion der heiligen Barbara als Schutzpatronin der Artillerie ging eigens in eine Filmszene der ja so beliebten Serie „Don Camillo und Peppone“ ein. Neben der herausragenden Bedeutung des Nahen Ostens oder des westlichen Asiens mit Ägypten für die Christenheit, die hier deutlich wird, ist die starke Stellung von Frauen seit frühen Jahrhunderten ins Auge springend. Besonders bemerkenswert ist das Patronat der heiligen Barbara für das Militärwesen, die Landesverteidigung im Allgemeinen und die Artillerie im Besonderen. Im Mittelalter waren dann in diesem Bereich auch von der Kirche geehrte Frauen tätig, so die heiliggesprochene Kaiserin Kunigunde (siehe Gedanken zur Woche 18-b und 68-b und allgemeiner Gedanken zur Woche 35).
In den Nahen Osten wie auf die Bedeutung von Frauen in der frühen Zeit der Kirche weist uns auch das Fest von der heiligen Maria Magdalena hin. Der Beinamen Magdalena leitetet sich sogar von einem Ort im Nahen Osten, genauer im Heiligen Land, ab. Magdalena im Aramäischen heißt so viel wie „die aus Magdala Stammende“. Maria Magdalena wird dementsprechend auch Maria von Magdala genannt. Magdala ist heutzutage ein Dorf am Westufer des Sees von Genezareth. Im heutigen Staat Israel wird dieser für die Entwicklung des Christentums offensichtlich wichtige Ort (https://www.magdala.org) Migdal beziehungsweise im Arabischen Tarichea genannt. Über Maria Magdalena haben sich allerlei Legenden und Behauptungen entwickelt, die mitunter einander direkt widersprechen. Tatsache im Sinne von Heiliger Schrift und (kirchlicher) Tradition ist auf jeden Fall, dass sie wiederholt im Neuen/Zweiten Testament erwähnt wird. Infolge ihrer herausragenden Stellung als Zeugin der Auferstehung wurde sie gerade in der frühen Kirche „Apostelin der Apostel“ genannt. Neuerdings hat dies Papst Franziskus nur wieder eignes hervorgehoben (siehe Gedanken zur Woche 5, 11 und 19-b). Es ist interessant, welche Bedeutung der heiligen Maria Magdalena in der Antike auch außerhalb der gewissermaßen frühkatholischen Kirche zuerkannt wurde, welch enormer Verehrung sie sich dort mitunter erfreute. Sie gewann einen bemerkenswerten Platz auch in der bildenden Kunst.
Heute noch allgemeiner beliebt ist der heilige Christopherus. Dieser mit Kleinasien verbundene Märtyrer ist unter anderem Patron eigens der Flößer, der Seeleute, des Flugpersonals und generell der Reisenden, der Pilger und des Verkehrs. In unserer heutigen Zivilgesellschaft und dem kirchlichen Leben ist der heilige Christopherus vielfältig präsent.
Sicher weniger bekannt in Mitteleuropa ist der heilige Scharbel Mahluf, der als neuzeitlicher Heiliger im 19. Jahrhundert lebte. Er wird im Direktorium der Diözese St. Pölten für 2020/2021 eigens gewürdigt:
„Scharbel (Josef) Mahluf, geboren am 8. Mai 1828 im Libanon, wurde 1851 Mönch (Baladit) und empfing 1859 die Priesterweihe. Er war ein vorbildlicher Mönch und wurde schon zu Lebzeiten wie ein Heiliger verehrt. Scharbel starb am 24./25. Dezember 1898 in seiner Einsiedelei in Annaya. Papst Paul VI. hat ihn am 9. Oktober 1977 heiliggesprochen“.
Die Heimat dieses über Religionsgrenzen hinweg verehrten Heiligen, die heutige Republik Libanon, wurde, nachdem sie nach dem II. Weltkrieg die Unabhängigkeit erlangt hatte, jahrzehntelang „die Schweiz des Nahen Ostens“ genannt. Zur Erlangung und Sicherung der nationalen Unabhängigkeit für den Libanon hatten die verschiedenen konfessionellen Gemeinschaften enge Zusammenarbeit und ausgeglichene Machtverteilung im Staat vereinbart. So hat im Rahmen der Verfassungsordnung auch heutzutage der Staatspräsident ein maronitischer Katholik zu sein, während der Ministerpräsident ein sunnitischer Muslim und der Parlamentspräsident ein schiitischer Muslim sein muss. Von den konfessionellen Gemeinschaften stehen den maronitischen Katholiken im nationalen Parlament am meisten Sitze zu. Insgesamt gibt es dort eine fein austarierte Parität zwischen Christen und Muslimen unter Berücksichtigung auch der Drusen und Alawiten. Durch diese interkonfessionelle Zusammenarbeit und die Entwicklungen während des II. Weltkrieges hat man im Libanon gegen die französische Besatzungsmacht die Unabhängigkeit erlangen können. In der Großregion Syrien-Libanon war es wie in anderen Gegenden während des II. Weltkrieges zu Kämpfen zwischen Franzosen gekommen, zwischen Truppen loyal zur Regierung in Vichy und bewaffneten Anhängern von Charles de Gaulles. Vor Jahren hieß es in einem Beitrag des europäischen Kulturkanals ARTE, dass im Rahmen des II. Weltkrieges ein französischer Bürgerkrieg stattgefunden habe. All dies nutzte gegen Frankreich gerichteten Befreiungsbewegungen, so auch im Libanon, der Heimat des heiligen Scharbel Mahluf.
Gedanken zur Woche 68, Dr. Matthias Martin
15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Dass Spannungen auch zwischen Anhängern und Anhängerinnen derselben religiösen Überlieferung auftreten können, erlebt man immer wieder. Solches wird in der Ersten Lesung aus dem Buch Amos und dem Tagesevangelium nach Markus am 15. Sonntag im Jahreskreis nach der bei uns üblichen Leseordnung angesprochen.
Es ist dies die Spannung zwischen so etwas wie etablierter Religion bis hin zu Staatskirche oder Staatsreligion auf der einen und religiösem Neuaufbruch, theologisch-pastoraler Opposition, versuchter Erneuerungsbewegung auf der anderen Seite.
Dieses Spannungsverhältnis besitzt seine eigene Relevanz gerade für uns im deutschen Sprachraum. Hintergrund ist ganz stark die jahrhundertelange Existenz des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, auch genannt Erstes Deutsches Reich oder Altes Reich. Da wählten beispielsweise die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier das Reichsoberhaupt mit und waren selber Reichserzkanzler. Geistliche einschließlich Äbtissinnen (siehe Gedanken zur Woche 12-b) waren Landesherren beziehungsweise Landesherrinnen. Zwischen dem Kaiserhaus Habsburg und der kirchlichen Hierarchie herrschte über lange Zeit hinweg die sogenannte „Allianz von Thron und Altar“. Im heutigen Österreich ist das Verhältnis von katholischer Kirche und Staat offiziell einvernehmlich durch das Konkordat samt ergänzenden Abkommen geregelt. Auch in der Schweizer Eidgenossenschaft wird Wert auf ein gedeihliches Miteinander von Staat und Kirche gelegt. In einigen Kantonen hat sich ein für die römisch-katholische Kirche ungewöhnliches Landeskirchenwesen entwickelt, mit starken Entscheidungskompetenzen örtlicher Kirchenfunktionäre gerade bezüglich der kirchlichen Finanzen. In der Bundesrepublik Deutschland gelten weiterhin das Reichskonkordat und Länderkonkordate einschließlich Preußenkonkordat und Badischem Konkordat. Ein Konkordat gilt auch noch im derzeit von Frankreich beherrschten Elsass-Lothringen. Wie es dazu kam, war sogar eine Frage an mich in der letzten Teilprüfung im Fachbereich Kirchenrecht für das Diplomstudium in Fachtheologie an der Universität Innsbruck. Da war natürlich der Sieg Frankreichs im I. Weltkrieg mit der damit verbundenen Besetzung Elsass-Lothringens samt der heute meist verschwiegenen Massenvertreibung dortiger Menschen einschließlich Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und katholischen Laien von besonderer Bedeutung.
Diskussionen bis Spannungen gibt es nicht nur in schweizerischen Kantonen. Papst Benedikt XVI. mahnte eine stärkere Abgrenzung der bundesdeutschen Ortskirche von den weltlich-gesellschaftlichen Strukturen unter dem Schlagwort „Entweltlichung“ an. In Österreich sind mitunter Klagen über eine vermeintlich zu große Nähe von Kirchenvertretern zu den Mächtigen zu vernehmen.
Spannungen gab es natürlich auch schon früher, in biblischer Zeit. So hatte sich der dazu noch aus dem Südreich stammende Prophet Amos am Reichstempel des Nordreiches mit dem dortigen Priester auseinanderzusetzen. Amos trat scharf gegen soziale Ungerechtigkeit auf und mahnte, dass das Leben im Alltag mit einem sozialen Miteinander nicht im Widerspruch zum ausgesprochenen Glauben stehen dürfe. Dabei werden wir schon in den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch/der Thora, in diese Richtung gewiesen (siehe Gedanken zur Woche 58).
Eigens äußerten sich die alttestamentlichen Propheten immer wieder kritisch gegen das Königtum oder den jeweiligen Inhaber des Thrones. Dabei werden auch David und Salomon im Alten/Ersten Testament von heftiger Kritik nicht ausgespart. Wurde mit Saul der erste einigermaßen anerkannte König wieder durch Gott verworfen, so kam es bereits nach dem Tod König Salomons zur Reichsspaltung. Das Nordreich Israel mit zehn Stämmen ging nun eigene Wege. Wird auf diese Reichsspaltung insbesondere im ersten Buch der Könige und im zweiten Buch der Chronik eingegangen, so wird die religiös-pastorale Verselbständigung des Nordreiches Israel im Buch Amos eigens herausgestrichen.
Überhaupt wird in den Büchern des Alten/Ersten Testamentes immer wieder Fehlverhalten auch von Spitzenleuten offen angesprochen, ja angeprangert. Generell ist dementsprechend vor jeder Geschichtsklitterung oder Geschichtsverklärung zu warnen. Auch archäologische Forschungen (siehe zum Beispiel https://www.youtube.com/watch?v=_ZADRRdaUG8) und die Rechtswissenschaft bestätigen dies. So heißt es mit Blick auf das traditionelle jüdische Recht bei Justus von Daniels „Religiöses Recht als Referenz. Jüdisches Recht im rechtswissenschaftlichen Vergleich“ (Tübingen 2009):
„Ob ein Staat nach diesem Muster in irgendeiner Weise tatsächlich existiert hat, ist ungeklärt. Die in der Bibel beschriebene Staatsform kann ebenso eine idealisierte Form ausgeübter Theokratie sein, deren Ordnung zur Zeit der beiden jüdischen Königreiche noch nicht in der biblischen Form vorlag, da die Redaktion der biblischen Texte etwa 600 v. Chr. vorgenommen wurde. Zu der Zeit hatte das jüdische Volk seine Gebiets- und Herrschaftsautonomie schon verloren“ (Seite 45).
Das zunächst mächtigere und wohlhabendere Nordreich Israel mit Samaria letztlich als seiner Hauptstadt ging bereits um 722 vor Christus unter mit der Eroberung durch das Neuassyrische Reich. Offensichtlich wurde ein Teil der Bevölkerung deportiert. Dies dürfte aber nicht die gesamte Bevölkerung, sondern weitgehend nur die Bevölkerung der Hauptstadt Samaria betroffen haben, wie neuere Forschungen nahelegen. Die deportierte Bevölkerung bildet die Grundlage für die Überlieferung von den „zehn verlorenen Stämmen Israels“. Damit verbunden sind zahlreiche Theorien, sich widersprechende Behauptungen.
Tatsache aber ist, dass sich im einstigen Nordreich eine Bevölkerungsgruppe behaupten konnte, die unter strikter Berufung auf die Überlieferung von Moses am israelitischen Eingottglauben festhielt. Wie die Trennung von den die Tradition des erst später untergegangenen Südreiches Juda aufrechterhaltenden Anhängern von Jerusalem als Kultzentrum verlief, wird diskutiert. Gingen aus dem einstigen Südreich Juda die Juden hervor, so entwickelten sich aus Bewohnern des untergegangenen Nordreiches Israel die Samaritaner oder Samariter.
Im Neuen/Zweiten Testament werden die Samaritaner/Samariter durchaus positiv dargestellt. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) ist das vielleicht bekannteste Gleichnis der ganzen christlichen Bibel. Später wird von zehn geheilten Aussätzigen der Samariter unter ihnen als der einzige dargestellt, der Jesus Dank erweist (Lk 17,11-19). Im Johannesevangelium wird von der Begegnung Jesu mit der samaritischen Frau am Brunnen und weiteren samaritischen Menschen berichtet (Joh 4,4-42). Diese Begegnung fand ihren Niederschlag in der nachkonziliaren Liturgie, so in dem jetzt bei uns üblichen Deutschen Messbuch.
Unterdrückung, gescheiterte Aufstände und brutale Massaker führten im Laufe der Jahrhunderte zu einem dramatischen zahlenmäßigen Niedergang bei den Samaritern/Samaritanern. Aber in den letzten Jahrzehnten gab es Anzeichen für eine gewisse Erholung. Längst erweisen sowohl Israel als Palästina den Samaritern/Samaritanern Referenz. Diese verfügen weiterhin über einen eigenen Hohepriester und begehen nahe der Stadt Nablus am Berg Garizim als Ort ihres einstigen Tempels ihre traditionellen israelitischen Feiern (siehe beispielsweise https://www.youtube.com/watch?v=tRrFrx8-wEg). Inzwischen haben Menschen in verschiedenen Ländern begonnen, sich dem (religiösen) Samaritanertum anzuschließen. In Brasilien allein soll es auf diese Weise bereits 8000 bis 9000 neue Samariter/Samaritaner geben (https://www.israelite-samaritans.com/1-september-2016/).
1. Lesung: Am 7,12-15
2. Lesung: Eph 1,3-14
Evangelium: Mk 6,7-13
Gedanken zur Woche 68-b, Dr. Matthias Martin
15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Ein Heiliger wie der heilige Bonaventura besitzt in vielfacher Weise seine eigene Aussagekraft. So war er eine bedeutende Gestalt in der Geschichte des Franziskanerordens. Ihm gelang die Festigung des gerade durch innere Auseinandersetzungen erschütterten Ordens, als dessen Ordensgeneral er lange Jahre von 1257 bis 1274 amtierte. Er unterstreicht damit die Bedeutung des Ordenswesens, nicht zuletzt die Bedeutung der Bettelorden und eben auch der Franziskaner. Kirchenfeindliche Regime haben im Laufe der Jahrhunderte bezeichnenderweise immer wieder bei Verfolgungsmaßnahmen ihr besonderes Augenmerk auf Orden und ordensähnliche Gemeinschaften gerichtet. Interessant ist, wie rasch der berüchtigte englische Gewaltherrscher Heinrich VIII. eben über die Bettelorden herfiel, bevor er sich in seiner brutalen Art anderen Ordensgemeinschaften „zuwandte“. Eine ähnliche Strategie lässt sich bei der Dritten Französischen Republik erkennen, die zuerst mit dem harmlos so bezeichneten Vereinsgesetz von 1901 bereits gegen Ordensgemeinschaften vorging, bevor sie dann 1905 gesetzlich im großen Stil zum Schlag gegen die Kirche ausholte. Natürlich wurden die betreffenden Regelungen effizient, um nicht zu sagen brutal, umgesetzt. Schon nach dem Vereinsgesetz von 1901 war es im französischen Machtbereich zur staatlichen Auflösung zahlreicher Ordenshäuser gekommen. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts hatte sich ein großer Klostersturm in Spanien ereignet, der zahlreiche Todesopfer forderte. Egal welche ideologische beziehungsweise konfessionelle Richtung der katholischen Kirche feindlich gesinnte Kräfte im Einzelnen vertraten, immer wieder wurden Ordensgemeinschaften noch vor anderen Bereichen kirchlichen Lebens attackiert, was wiederum für ihren ganz eigenen Wert spricht. Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die Bettelorden wie eben die Franziskaner.
Aber nicht nur als führender Ordensmann seiner Zeit hatte Bonaventura seine Bedeutung. Als Philosoph und Theologe hat er seinen eigenen Platz in der Geistesgeschichte. Ein Blick in den philosophiegeschichtlichen Anhang des von Walter Brugger herausgegeben „Philosophischen Wörterbuchs“ wie in das von Max Müller und Alois Halder herausgegebene „Kleine Philosophische Wörterbuch“ verdeutlichen dies. In der Neuausgabe von 1985 der „Weltgeschichte der Philosophie“ von Hans Joachim Störig wird Bonaventura auf Seite 249 als einer „von den vier Hauptvertretern der Hochscholastik“ gewürdigt. Dass er wie sein doch deutlich andere Akzente setzender Zeitgenosse Thomas von Aquin (siehe Gedanken zur Woche 46-b und 65) sowohl heiliggesprochen wie als Kirchenlehrer anerkannt wurde, macht deutlich, dass das angeblich so finstere Mittelalter doch nicht so finster war. Da gab es eben doch in einem guten Sinne Platz in der Kirche für Vertreter unterschiedlicher philosophischer und theologischer Richtungen. Vertreter solch unterschiedlicher Richtungen konnten später jeweils heiliggesprochen und sogar zu Kirchenlehrern erhoben werden. Der heilige Bonaventura und der heilige Thomas von Aquin sind dafür herausragende Beispiele. Man mag aber sich auch an so eigenständige Denker wie den heiligen Anselm von Canterbury und den heiligen Albertus Magnus/Albert den Großen erinnern.
Dass die oft als Mittelalter bezeichnete Zeit nicht so finster und etwa frauenfeindlich war, verdeutlicht auf eigene Weise die heilige Kunigunde, Ehegattin und sehr aktive Weggefährtin des ebenfalls heiliggesprochenen Kaisers Heinrich II. Wiederholt nahm sie so etwas wie die Aufgaben einer Regierungschefin für das Reich wahr und kümmerte sich auch um handfeste Angelegenheiten wie die Landesverteidigung. Dabei war sie nicht die erste Führungsfrau, welche im sächsisch-ottonischen Herrscherhaus politische Bedeutung mit späterer Heiligsprechung verband. Die Bedeutung der heiligen Mathilde, Ehefrau König Heinrichs I. und Mutter sowohl Kaiser Ottos I. wie des heiliggesprochenen Brun(o) von Köln, wurde mitunter sogar als Mitbegründerin des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation/Ersten Deutschen Reiches bezeichnet. Die heiliggesprochene zweite Ehefrau Ottos des Großen, Adelheid, wurde von manchen als sehr wichtig für die Festigung des Reiches eingestuft, mitverantwortlich, dass ein zeitbedingt so lockerer Staatsverband nicht alsbald wieder auseinanderfiel. Sehr energisch war zweifelsohne ihre Schwiegertochter Theophanu oder Theophano. Sie wurde zwar bisher nicht heiliggesprochen, zeichnete sich aber ganz besonders durch politische bis hin militärische Tatkraft aus und gewann eigene Bedeutung für die Kulturgeschichte. Man mag bei energischen Führungsfrauen natürlich auch an die heilige Johanna von Orléans, die heilige Margareta von Schottland und die heilige Blanka, auch genannt Bianka, aus Kastilien denken, nur um einige wenige Beispiele zu nennen. Einen ganz eigenen Bereich stellen etwa Königinnen und Prinzessinnen aus den Einzelreichen der Angeln und Sachsen im späteren England dar, von denen Dutzende als Heilige anerkannt wurden. Ganz und gar nicht zu vergessen sind natürlich all die tatkräftigen Ordensfrauen samt deutschen Reichsäbtissinnen (siehe Gedanken zur Woche 12-b, 27-b und 29-b).
Derartiges sollte gerade in unseren Zeiten sehr zum Nachdenken und auch zu energischem Tun anregen. So kam in den zurückliegenden Jahren nicht nur der abscheuliche sexuelle Missbrauch an Minderjährigen in kirchlichen Strukturen zumindest ansatzweise ans Licht. Auch ist nicht zu leugnen, dass immer wieder Frauen im kirchlichen Bereich Opfer sexueller Ausbeutung wurden. So ist der Verdacht nicht unbegründet, dass die Bischöfe in der Bundesrepublik Deutschland gezielt von diesem Themenfeld ablenken wollten, als sie nur den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen in den Blick genommen haben wollten. Dabei war schon Jahre vorher zusehends ans Licht gekommen, dass gerade auf dem afrikanischen Kontinent Ordensschwestern keineswegs selten Opfer sexuellen Missbrauchs durch Kirchenmänner wurden. Offensichtlich sahen und sehen wohl auch heute noch manche Kleriker Frauen im Allgemeinen und Ordensfrauen im Besonderen als Freiwild an. Generell wurde der sexuelle Missbrauch an Ordensfrauen, was allmählich zugegeben wird, zu einem weltweiten Phänomen. Ein eigenes dunkles Kapitel neuester Kirchengeschichte ist der Umstand, dass einstige Ordensfrauen, die entweder aus ihren Gemeinschaften ausgetreten waren oder ausgeschlossen wurden, auf der Straße landeten und in einigen Fällen sich wegen des bösartigen Verhaltens auch von Ordensoberinnen zur Prostitution gezwungen sahen.
Man erinnere sich auch an die Hasstiraden des damaligen Erzbischofs von Köln Joachim Kardinal Meisner während des Bundestagswahlkampfes 2002 gegen die schwangere Politikerin Katherina Reiche, nur weil sie damals noch nicht verheiratet war. Ja, richtig: Genau jener Kardinal Joachim Meisner, der, wie inzwischen klar wurde, alles tat, um Missbrauchstätern im Klerus Straffreiheit und weitere Tätigkeitsmöglichkeiten zu sichern. Aber gegen eine schwangere Frau konnte er sich austoben - ohne, dass die bundesdeutsche Bischofskonferenz oder jemand aus seiner Erzdiözese vernehmlich auf Distanz gegangen und sich solche Schäbigkeit zumindest verbeten hätte. Ähnlich wie sein Nachfolger Kardinal Rainer Woelki war Kardinal Joachim Meisner nur die Spitze eines schlimmen Eisberges.
Die Behandlung von Frauen, jüngeren wie älteren, in der Kirche lässt doch immer wieder gerade in unserer Zeit sehr zu wünschen übrig. Ein Blick auf so erfolgreiche katholische Frauen früherer Zeiten wie die heilige Kunigunde verdeutlicht aber, dass es anders gehen kann und vor allem anders gehen muss.
Gedanken zur Woche 67, Dr. Matthias Martin
14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Das Leben in Gemeinschaft gehört ganz wesentlich zum Menschsein. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen, grundsätzlich auf das Leben in Gemeinschaft hin ausgelegt, was etwa mit dem altgriechischen Begriff zoon politikon ausgedrückt wird. In Hinblick auf das religiöse Leben im Besonderen mag die Formulierung „Ein Christ ist kein Christ“ manchem bekannt sein. Dabei kommt der Familie ganz wesentliche Bedeutung zu. Wir können zum Beispiel davon ausgehen, dass bereits die Neandertaler in der Ur- und Frühgeschichte sich ganz erheblich auf Familienstrukturen stützten und so nach neueren Schätzung immerhin rund 200.000 bis 250.000 Jahre lang die damals eisfreien Teile Europas beherrscht haben und lange bis ins mittlere Asien hinein vertreten gewesen sein dürften. Natürlich können wir hier auch an das erste Buch der Bibel denken, das Buch Genesis. Schon in diesem wird aber auch deutlich, dass das Leben in Familie und generell in menschlicher Gemeinschaft keine immer einfache Sache ist. Die Neandertaler sind bemerkenswerterweise schließlich trotz aller solange unter Beweis gestellten Überlebensfähigkeit als eigenständige Spezies, Gruppe oder wie auch immer man sie bezeichnen mag, verschwunden. Zumindest ein ganz erheblicher Grund dürfte gewesen sein, dass sie es anders als die Hauptvorfahren der heutigen Menschen zumindest im Regelfall versäumt hatten, sich über kleine familiengestützte Gruppen hinaus zu organisieren, sich auf höherer Ebene zusammenzuschließen. Die hauptsächlichen Vorfahren der modernen Menschen, manchmal einfach die modernen Menschen genannt, dürften da effizienter gewesen sein.
Dass das Leben in der Ehe und Familie wie in größeren Gemeinschaften bei all seiner Notwendigkeit und Entsprechung der menschlichen Natur eine Herausforderung ist, ist offenkundig. Einen Hinweis bekommen wir im Evangelium für den 14. Sonntag im Jahreskreis (Lesejahr B) nach der bei uns üblichen Leseordnung geboten. Die Kirche hat sich solchen Herausforderungen schon früh gestellt und gerade der Thematik von Ehe und Familie große Aufmerksamkeit geschenkt. Das zeigt sich schon darin, dass die Kirche daran festhielt, dass auch sperrige oder unangenehme Stellen biblischer Bücher und betreffende ganze biblische Bücher als Teile der einen Bibel erhalten blieben und geehrt werden sollten. Menschliches Zusammenleben und eben auch das Leben in Ehe und Familie ist nicht immer eine einfache Sache, nicht immer erbaulich.
Tatsächlich hat es die Kirche geschafft, in ihrer frühen Zeit ihr eigenes Eheverständnis herauszubilden, das sich von wesentlichen Elementen etwa römischen Verständnisses und damit verbundener Praxis deutlich unterschied. Das Eintreten für die Gleichstellung der Frau in der Ehe war ganz und gar nicht eine gesellschaftliche Selbstverständlichkeit und auf seine Weise gegenüber den lange herrschenden Verhältnissen zumindest „undiplomatisch“. Dies ist diese Grundposition von der Gleichrangigkeit beider Eheleute oftmals auch heute.
Trotzdem und umso mehr bleibt festzuhalten, dass die Ehe nur durch die freie Willensbekundung beider Partner zustande kommt. So schärfte unter Berufung auf die längst bestehende kirchliche Überlieferung der von 858 bis 867 amtierende Papst Nikolaus I. ein:
„Nach den Gesetzen soll allein die Einwilligung derer genügen, um deren Verbindungen es sich handelt; wenn bei Hochzeiten allein diese Einwilligung fehlen sollte, so ist alles übrige, auch wenn es mit dem Beischlaf selbst begangen wurde, vergebens, wie der große Lehrer Johannes Chrysostomus bezeugt, der sagt: ‚Die Ehe macht nicht der Beischlaft, sondern der Wille‘.“
Das IV. Laterankonzil vom Jahre 1215 spricht in seiner Grundsatzdefinition, ohne zwischen Ehemännern und –frauen zu unterscheiden, davon, dass die „Eheleute“ zur ewigen Seligkeit gelangen könnten.
Die besondere Bedeutung der Ehe und ihre Wertigkeit wurde dadurch unterstrichen, dass die Konzilien von (Basel – Ferrara -) Florenz und Trient die Zugehörigkeit der Ehe zum exklusiven Kreis der sieben Sakramente betonten. Dass es sich bei Ehe und Familie um keine ganz einfache Angelegenheit handelt, beweisen die zahlreichen Konflikte zwischen Kirche und weltlichen Herrschern wegen Eheangelegenheiten. Besonders bekannt ist hier der Konflikt mit König Heinrich VIII. von England. Nicht vergessen werden sollten aber, dass es solche Konflikte etwa auch mit französischen Herrschern bis hin zu Napoleon I. gab, wobei letzterer damals das angeblich so katholische Haus Habsburg auf seiner Seite gegen den Papst hatte (siehe Gedanken zur Woche 17-b).
Die Vielzahl von Canones im CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS (CIC) wie im CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM/KODEX DER KANONES DER ORIENTALISCHEN KIRCHEN (CCEO), also die katholischen Ostkirchen, zum Thema Ehe einschließlich Ehevorbereitung und Ehenichtigkeitsverfahren deutet an, wie schwierig allein schon dieser Teil menschlichen Zusammenlebens sein kann. In dieselbe Richtung weist uns, dass sich immer wieder Päpste zur Ehe und sie betreffenden Einzelfragen äußerten und äußern einschließlich Synoden auf ortskirchlicher wie weltkirchlicher Ebene. Die Eheenzykliken „Casti Conubii“ Pius XI.(https://www.stjosef.at/dokumente /casti_connubii.htm - https://www.vatican.va/content/pius-xi/en/ encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_19301231_casti-connubii.html) und „Humanae Vitae“ Pauls VI. (https://www.vatican.va/content/paul-vi/de/encyclicals/documents/hf_p-vi_enc_25071968_humanae-vitae.html) gehören sicher zu den bekannteren päpstlichen Schreiben. Dabei löste gerade letztere Enzyklika umgehend heftige Auseinandersetzungen aus.
Ein eigenes sehr schwerwiegendes Problemfeld ist der so weit verbreitete sexuelle Missbrauch und ganz allgemein Gewalt im Rahmen von Familie und anderen Formen menschlicher Gemeinschaft!
Hier gilt es nichts zu beschönigen, und die Unkultur von Vertuschung muss energisch bekämpft werden, wie jüngst ja Papst Franziskus in deutlichen Worten bestätigte (siehe Gedanken zur Woche 64). Schon vor Jahren strahlte der europäische Kulturkanal ARTE in Zusammenarbeit mit überlebenden Betroffenen eine Dokumentation aus zur Thematik sexueller Missbrauch in Familien beziehungsweise Verwandtschaft. Damals schon wurde festgehalten, dass wohl allein im gegenwärtigen offiziellen französischen Staatsgebiet in die Millionen gehend Opfer solchen Missbrauch leben. In den letzten Monaten wurden die politischen und akademischen Eliten Frankreichs durch Enthüllungen und Vorwürfe in Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch im familiären Bereich schwer erschüttert. Der nochmalige Einbruch der Wahlbeteiligung bei den zwischenzeitlich durchgeführten Regionalwahlen könnte auch dadurch gefördert worden sein. Dass man den „Eliten“ in weitesten Teilen der Bevölkerung immer weniger traut, ist in dem nach Meinung selbst ranghoher Armeeoffiziere vom Auseinanderbrechen bedrohten französischen Staatsverband kein Geheimnis. Dieselbe Herausforderung mit verschiedenen Formen von Missbrauch in Familien und anderen Gemeinschaften und gesellschaftlichem Vertrauensverlust stellt sich aber natürlich auch in Ländern beziehungsweise Territorien. So wurde in der Ausgabe für Sommer 2021 der Quartalszeitschrift von KOLPING Österreich (Seite 4) festgestellt:
„Unglaublich, aber wahr: Jede vierte bis fünfte Frau ist von Gewalt im häuslichen Umfeld betroffen, und beinahe jede zweite Frau kennt eine andere, der Gewalt in ihrer Beziehung widerfahren ist. Viel mehr Ehen und Partnerschaften als man denkt, haben – im wörtlichen Sinn – „Schlagseite“, die Morde an Frauen im engsten Familienkreis, heuer leider besonders häufig, bilden nur die Spitze des Eisbergs.“
Ehe und Familie bleibt ganz generell ein notwendiger, zugleich aber auch ein schwieriger und herausfordernder Themenkomplex. Vermeintliches oder tatsächliches Katholisches Milieu stellt da keine „Insel der Seligen“ dar.
1. Lesung: Ez 1,28b-2,5
2. Lesung: 2 Kor 12,7-10
Evangelium: Mk 6,1b-6
Gedanken zur Woche 67-b, Dr. Matthias Martin
14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Jetzt konnte man kürzlich seitens der bekannten Süddeutschen Zeitung die drastische Feststellung vernehmen: „Die Kirche war noch nie so reformbedürftig wie heute.“ Diese Feststellung ist umso bemerkenswerter, wenn man sich in etwa die letzten sechs Jahrzehnte Kirchengeschichte vergegenwärtigt. Von 1962 bis 1965 fand das als Reformkonzil gefeierte und gar als „neues Pfingsten“ hochgejubelte II. Vatikanische Konzil statt. Als nächste große Schritte folgten die Kurienreform von 1968 und die Liturgiereform von 1969. Hatte schon das II. Vatikanische Konzil mehr an Texten verabschiedet wie alle früheren Konzilien in knapp 2000 Jahren Kirchengeschichte vorher zusammen, so wurde es diesbezüglich durch die Gemeinsame Synode der Diözesen der damaligen Bundesrepublik Deutschland alsbald in den Schatten gestellt. Diese Synode eines nun wirklich kleinen Teils der Weltkirche war wirklich tüchtig im Produzieren von sehr viel Papier. Die Akteure waren unglaublich stolz auf sich. Sie standen dabei nicht allein in Weltkirche. Gerade Reformbeschlüsse und dergleichen wurden unentwegt gefasst, wirklich Unmengen Papiere verabschiedet und verschickt. 1983 folgte auf weltkirchlicher Ebene der neue CODEX IURIS CONICI/KODEX DES KANONISCHEN RECHTES und 1990 der jetzige CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM/KODEX DER KANONES DER ORIENTALISCHEN KIRCHEN. Tagungen, Synoden und Unmengen immer neuer Dokumente sollten die Kirche erneuern. Hinzu kamen die kirchenamtlichen Anerkennungen und Würdigungen für zahlreiche neue Geistliche Gemeinschaften und Orden beziehungsweise ordensähnliche Gemeinschaften. Die Unzahl von „Neuregelungen“ wird verdeutlicht durch die keineswegs Vollständigkeit beanspruchende von Heribert Schmitz herausgegebene Reihe „Nachkonziliare Dokumentation“ (siehe Gedanken zur Woche 33).
An der Produktion von Beschlüssen, Abhalten von Veranstaltungen, Änderungen aller möglicher Art mit dem erklärten Ziel kirchlicher Reform/Erneuerung hat es also nicht gefehlt. Gern hat man auch Kritikern betreffender Ergebnisse sehr rasch das Katholischsein abgesprochen und sich selber im kirchlichen Apparat in den letzten Jahrzehnten über jede Kritik erhaben gedünkt. Man stand doch kirchenamtlicherseits nach eigenem Verständnis seit den sechziger Jahren eben für „Reform“, „Erneuerung“ und „Aufbruch“ in der Kirche, gar für ein „neues Pfingsten“ seit dem II. Vatikanischen Konzil.
Ganz so erfolgreich scheint es aber nicht verlaufen zu sein. Der rapide Einbruch bei den Zahlen der Gottesdienstbesucher/-innen, Ordensleute und Priesterberufungen und der drastische Anstieg etwa bei Kirchenaustritten sind nicht mehr wegzuleugnen. Das lange als Hochburg der katholischen Kirche angesehene Lateinamerika erlebt längst einen umfassenden Prozess der Entkatholisierung. Immer wieder stellten Persönlichkeiten wie Joseph Ratzinger, dann Benedikt XVI., fest, wie negativ die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten verlaufen sei. Bezüglich dem sexuellen Missbrauch und seiner gezielten Vertuschung haben sich wahre Abgründe aufgetan. Vermeintliche Lichtgestalten kirchlicher Erneuerung wie Kardinal Bernard Jan Alfrink, Kardinal Joseph Höffner und Kardinal Karl Lehmann können jemanden erschauern oder die blanke Wut hochkommen lassen. Dasselbe gilt auch für Ex-Kardinal McCarrick und die in ihren Kardinalsehren verstorbenen Joachim Meisner und Hermann Volk etc. (siehe Gedanken zur Woche 64-b).
Von lebenden Kirchengrößen ist der massiv kritisierte Kardinal Rainer Maria Woelki nur die Spitze eines üblen Eisberges. Beispielsweise wurde auch Kardinal Reinhard Marx von Opfervertretern heftig angegriffen.
Die Aufarbeitung von Finanzskandalen beschäftigt weiter den Vatikan. Nun ja, die skandalösen Probleme mit der Vatikanbank begannen ganz offensichtlich unter Paul VI. An seiner sogenannten Kurienreform, hieß es schon vor Jahrzehnten, leide die Kirche. Man habe aber nicht den Mut, das einzuräumen. Immerhin hat jetzt Papst Franziskus die „Reform“ des Kirchenrechts von 1983, den offensichtlich so täterfreundlichen „neuen“ CODEX DES KANONISCHEN RECHTS, einer einschneidenden Korrektur unterzogen. Der vermeintliche Aufbruch bei Geistlichen Gemeinschaften und Orden schuf nicht nur in „bedauerlichen Ausnahmefällen“ Biotope für Missbrauchstäter (siehe Gedanken zur Woche 64-b). Bundesdeutsche Kirchenvertreter wie etwa die Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die immer ganz genau wußten, wie es gefälligst in der ganzen Weltkirche zu laufen habe, ob bei den Katholiken in der Republik Nauru, im Königreich Tonga oder irgendwo sonst, wollen gar nichts mitbekommen haben, was in ihrer eigenen kirchlichen Umgebung passiert ist, in ihren eigenen Diözesen, pastoralen Einheiten. Die Mitglieder im so umstrittenen Kardinal-Höffner-Kreis „christlicher“ Bundestagsabgeordneter versichern treuherzig, für ehrliche Aufarbeitung zu sein. Dieselben Personen kannten keine Scheu, sich in die Angelegenheiten außerdeutscher Ortskirchen einzumischen und Andersdenkende in Politik und Kirche zu beschimpfen. Bei ihrem eigenen, zumindest engeren, Umfeld wollen diese aber offensichtlich von nichts etwas gewusst haben. Genau diese Personen beanspruchen für sich nun moralische und sachliche Kompetenz in Hinblick auf Missbrauchsaufarbeitung und kirchliche Erneuerung.
Da werden drastische Beurteilungen für die gegenwärtige Lage der Kirche wie die oben zu Beginn erwähnte umso verständlicher.
Dass es im guten Sinne auch anders geht, verdeutlichen Heilige, deren die Kirche besonders in der 14. Woche im Jahreskreis gedenkt.
Da steht etwa der heilige Antonius Maria Zaccaria als Gründer der Barnabiten für den echten Neuaufbruch im katholischen Ordenswesen während des 16. Jahrhunderts. Als erfolgreiche und viel Gutes bewirkende damalige Neugründungen stehen die besonders bekannten Jesuiten für das 16. Jahrhundert nicht allein. Da gab es beispielsweise eben auch die Barnabiten, die Theatiner, die Ursulinen, die Oratorianer des heiligen Philipp Neri, die Kamillianer und die Barmherzigen Brüder vom heiligen Johannes von Gott, um einige Beispiele zu nennen. Die Erneuerung innerhalb bestehender Ordensgemeinschaften zeigte sich etwa im Dominikanerorden wie im Wirken der heiligen T(h)eresia von Avila und des heiligen Johannes vom Kreuz, aus deren Wirken die Unbeschuhten Karmeliten hervorgingen, und die beide längst als Kirchenlehrer anerkannt sind. Von den damaligen Ordensgründern und –innen ist keine/r als Missbrauchstäter/-in aufgeflogen. Das sollte für heutige Zeiten zum Nachdenken anregen. Dies gilt in ehrenvoller Weise auch für die selige Maria Theresa Ledóchowska (1863 bis 1922) und die heilige Ursula Ledochówska (1865 bis 1939).
Nicht umsonst werden auch der heilige Kilian und seine Gefährten noch in unseren Zeiten grenzüberschreitend verehrt (siehe Gedanken zur Woche 17-b). Diesen Märtyrern des siebten Jahrhunderts war die Treue zu authentischen christlichen Idealen wichtiger als politisches Taktieren samt Vertuschen. So etwas mag auch als Anregung für heute dienen.
Genauso können gerade heutzutage die chinesischen Märtyrer heiliger Augustinus Zhao Rong und Gefährten zum Nachdenken anregen und als Vorbilder dienen, wenn wir noch etwas in der 14. Woche im Jahreskreis fortfahren wollen.
Gedanken zur Woche 66, Dr. Matthias Martin
13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Dass der Umgang mit Krankheiten keine einfache, sondern eine mitunter sehr langwierige und leidige Angelegenheit sein kann, wurde und wird sehr vielen Menschen dieser Tage besonders bewusst. Dass dies natürlich kein neues Phänomen ist, wird deutlich, wenn man die Geschichte der Menschheit betrachtet.
Vergegenwärtigen wir uns nur, dass inzwischen unbestritten ist, dass die sogenannte Spanische Grippe weit mehr Menschenleben als der ganze I. Weltkrieg forderte. Mancher geht vom Zehnfachen an Toten als Opfer dieser Pandemie im Vergleich zu den Todesopfern des I. Weltkrieges aus. Natürlich werden auch andere Zahlen genannt, gibt es unterschiedliche Berechnungen und Vergleichsmodelle bezüglich der Opferzahlen. Klar aber ist, dass diese gerade durch die Hin- und Her-Verlegung alliierter, vor allem US-, Truppen auf dem Atlantik verbreitete Pandemie gigantische und langwierige Ausmaße hatte.
Jahrhunderte vorher wurden die Völker des amerikanischen Doppelkontinents furchtbar durch Krankheiten dezimiert, die von Europäern eingeschleppt worden waren. Pocken, Grippe, Typhus und Masern, vor allem die Pocken, haben dem wohl einst so schlagkräftigen und rapide expandierenden Inkareich einen verheerenden Schlag versetzt, noch bevor spanische Invasoren zur Eroberung ansetzen konnten. In der Spätantike bzw. dem Frühen Mittelalter schwächten offensichtlich Seuchen das neupersische Reich der Sassaniden wie das oströmische Reich von Konstantinopel so massiv, dass diese dem Ansturm der islamischen Invasion nicht mehr effizienten Widerstand entgegensetzen konnten.
Das Verschwinden der Neandertaler in der Ur- und Frühgeschichte wird von manchem Wissenschaftler beziehungsweise an Diskussionen irgendwie Beteiligten gerade mit der Ausbreitung von eingeschleppten Krankheiten in Verbindung gebracht. Die Pestepidemien in den gemeinhin Mittelalter genannten Zeiten sind zumindest schlagwortartig eher mehr Menschen irgendwie bekannt.
Im Evangelium nach der bei uns schon vor dem weltweiten Auftauchen des Coronavirus (Covid-19) üblichen Leseordnung haben wir es mit der Begegnung Jesu von Nazaret mit einer schon zwölf Jahre an „Blutfluss“ leidenden Frau zu tun. Die Ärzte haben ihr nicht helfen können, obwohl sie sogar ihr ganzes Vermögen dafür ausgegeben hatte. Die Tochter des erwähnten Synagogenvorstehers wurde gar schon für tot erklärt. Jesus von Nazaret hat sich diesen Menschen in ihrer jeweils schlimmen Situation in Hilfsbereitschaft zugewandt und sie nicht abgewiesen.
Es wird auch hier deutlich, wie unverzichtbar nach christlichem Verständnis praktische Nächstenliebe ist. Hinweise darauf erhalten wir ja schon in den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch, auch genannt die Thora. Menschen in Not zu helfen, soziale Verantwortung zu verwirklichen, ist da schon ein grundsätzliches Thema (siehe Gedanken zur Woche 58 und 59). Das doppelte Liebesgebot im Matthäus-, dem Markus- und dem Lukasevangelium ist doch unleugbar die Kombination von Stellen aus den zur Thora gehörenden Büchern Levitikus (Lev 19,18) und Deuteronomium (Dtn 6,5). In Krankheit standhaft zu sein, mag gerade das ebenfalls alttestamentliche Buch Tobit lehren, verbunden mit der Anleitung für die, welche dazu in der Lage sind, notleidenden Mitmenschen zu helfen. Gerade auch das Buch Jesus Sirach ist für die Thematik von Hilfsbereitschaft und innerer Reife ganz bemerkenswert. Im Neuen/Zweiten Testament wird dann im vielleicht bekanntesten Gleichnis, dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter, als Held der Handlung überhaupt ein Mitglied jener alten religiösen Überlieferung oder ethnoreligiösen Gemeinschaft vorgestellt, die im Laufe der Jahrhunderte durch die römisch-byzantinische Besatzungspolitik fast völlig ausgerottet wurde. Auf jeden Fall ist praktische Nächstenliebe auch Thema in der Zweiten Lesung vom Sonntag. Da geht es um konkrete Hilfe innerhalb der sich überregional ausbildenden Gemeinschaft der Kirche von Gemeinde zu Gemeinde, so wie auch im 15. Kapitel des Römerbriefes.
Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft verbunden mit Geduld ist uns auch in unseren Tagen aufgetragen. Nicht umsonst gehört zu den sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit „5. Die Kranken besuchen“. Zu den sieben geistigen Werken der Barmherzigkeit zählen eigens „1. Die Unwissenden lehren“ und „5. Die Lästigen geduldig ertragen“.
Ausgrenzung, Vorurteile und Obskurantismus helfen da nicht weiter. Die gezielte Tötung von Katzen als angeblichen Tieren des Teufels zu betreffenden Zeiten im Mittelalter förderte massiv die Verbreitung der Pestepidemie. Machte man im Römischen Reich gerne die bedrängte bis verfolgte Minderheit der Christen für alles Mögliche einschließlich Seuchen verantwortlich, so wurden später die Juden als „Brunnenvergifter“ diffamiert und Opfer von Übergriffen bis hin zu schaurigen Massenmorden. Dabei waren die in ihrer Überlieferung enthaltenen Reinheitsvorschriften das beste Mittel, Ansteckungen zu verhindern oder zumindest unwahrscheinlich zu machen. Die christliche Mehrheitsbevölkerung lehnte derartige gerade beim damaligen Stand von Medizin und Staatswesen so nützliche Regelungen oft ab. Man hatte oft lieber bei sich einen buchstäblichen Saustall. Anstatt von den von Seuchen infolge der Beachtung ihrer Überlieferungen weit weniger betroffenen jüdischen Gemeinschaften im wohlerwogenen eigenen Interesse zu lernen, verleumdete man die dortigen Menschen und ermordete sie oftmals. Es dürfte im Inkareich das Festhalten an so etwas wie vorwissenschaftlicher Mythologie die eigene Katastrophe bis hin dann zum Untergang des Staatswesens zumindest gefördert haben.
Bei Beginn der Neuzeit meinte mancher, gerade von den Mächtigen, angebliche Hexen für Krankheiten und Missernten verantwortlich machen zu können, nachdem durch die römisch-katholische Kirche und Reichsinstitutionen im Mittelalter gemeingefährlicher Unfug wie sogenannter Hexenglaube noch verurteilt worden waren. Ein Werk wie die „Geschichte der Philosophie“ von Gunnar Skirbekk und Nils Gilje (Deutsche Ausgabe 1993 Frankfurt am Main) mag im guten Sinne Nachdenken fördern, wenn es etwa in Band I, Seite 243 heißt:
„Die Renaissance war nicht einfach die Epoche, in der nach dem finsteren Mittelalter das Licht wiederkehrte; auf weite Strecken war sie eher eine Zeit, in der das Licht beinahe ausging! Um es überspitzt auszudrücken: Ebenso wie die zentralisierten Staaten der Renaissance undemokratischer waren als die Feudalreiche des Mittelalters, ebenso wie die Hexenverbrennungen während der Reformation, der Teufelsglaube und die Inquisition wahrscheinlich schlimmer waren als die Grausamkeiten des Mittelalters, so ist die Renaissance intellektuell gesehen in vieler Hinsicht verworrener als die Philosophie des Mittelalters.“
Der mit dem heutigen Niederösterreich eng verbundene philosophische Vordenker und Autor Franz Brentano hat nicht umsonst festgehalten, dass es in den Naturwissenschaften nur Grade an Wahrscheinlichkeiten und keine absolute Sicherheit gäbe. Die Warnung vor vorschnellen und im schlechten Sinne verallgemeinernden Urteilen ist später mit größerer Breitenwirkung durch Karl/Charles Popper und seiner Betonung von einer eventuellen Falsifizierung anstelle vermeintlicher Verifizierung von Theorien thematisiert worden.
1. Lesung: Weish 1,13-15; 2,23-24
2. Lesung: 2 Kor 8,7-9.13-15
Evangelium: Mk 5,21-43
Gedanken zur Woche 66-b, Dr. Matthias Martin
13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2021)
Von Montag bis Mittwoch der 13. Woche im kirchlichen Jahreskreis gedenkt die Kirche im Jahre 2021 insbesondere des heiligen Irenäus, der heiligen Apostel Petrus und Paulus sowie der ersten heiligen Märtyrer der Stadt Rom.
Alle diese starben als Märtyrer römischer Christenverfolgungen. Erfolgte das Martyrium von Petrus und Paulus wie das der „ersten Märtyrer der Stadt Rom“ unter Kaiser Nero, so starb der als theologischer Schriftsteller wichtige Irenäus wohl zu Beginn des 3. Jahrhunderts.
In der kritisch-historischen Exegese wird der letzte Herrscher aus dem mit Augustus beginnenden julisch-klaudischen Kaiserhaus, Nero, gerne als die Vorlage für die drastischen Sprachbilder zu einer endzeitlichen Christenverfolgung im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes (Geheime Offenbarung/Buch der Apokalypse) eingestuft.
Der Konflikt zwischen Christentum und römischem Kaisertum war von grundsätzlicher Natur. So wurde bereits der erste römische Kaiser Augustus offiziell nach seinem Tod vergöttlicht, nachdem ihm schon zu Lebzeiten in östlichen Teilen des Reiches göttliche Verehrung zuteil geworden war. Die staatliche Anerkennung als Gottheit konnte auch anderen Mitgliedern des Kaiserhauses als den jeweiligen Kaisern zuteil werden. In einer Inschrift hieß es zur Verherrlichung des Augustus und nicht etwa über Jesus von Nazaret:
„Dieser Tag hat der ganzen Welt ein anderes Aussehen gegeben, sie wäre dem Untergang verfallen, wenn nicht in dem nun Geborenen für alle Menschen ein gemeinsames Glück aufgestrahlt wäre. Richtig urteilt, wer in diesem Geburtstag den Anfang des Lebens und aller Lebenskräfte für sich erkennt; nun endlich ist die Zeit vorbei, dass man es bereuen musste, geboren zu sein. Von keinem andern Tag empfängt der einzelne und die Gesamtheit so viel Gutes, wie von diesem allen gleich glücklichen Geburtstage. Unmöglich ist es, in gebührender Weise Dank zu sagen für die so großen Wohltaten, welche dieser Tag gebracht hat. Die Vorsehung, die über allem im Leben waltet, hat diesen Mann zum Heile der Menschen mit solchen Gaben erfüllt, dass sie ihn uns und den kommenden Geschlechtern als Heiland gesandt hat; aller Fehde wird er ein Ende machen und alles herrlich ausgestalten. In seiner Erscheinung sind die Hoffnungen der Vorfahren erfüllt, er hat nicht nur die früheren Wohltäter der Menschheit sämtlich übertroffen, sondern es ist auch unmöglich, dass ein größerer käme. Der Geburtstag des Gottes hat für die Welt die an ihn sich knüpfende Freudenbotschaften [Evangelien] heraufgeführt“ (https://www.evangeliums.net/gleichnisse/gleichnis_augustus_oder_christus.html).
Der Konflikt zwischen römisch-kaiserlicher Staatsmacht und Christentum war offensichtlich nicht durch diplomatische Finessen zu umgehen. So gab es bis ins 4. Jahrhundert hinein immer wieder gewalttätige Ausschreitungen bis hin zu reichsweiten Verfolgungen. Die Schwierigkeiten endeten nicht mit Konstantin, mitunter genannt „der Große“. Sein Verhalten entsprach auch nach seinem endgültigen Sieg nicht immer christlichen Maßstäben. Nicht zuletzt begünstigte er in für die Anhänger des Glaubensbekenntnisses von Nicäa feindseliger Weise zusehends den Arianismus Schließlich ließ er sich auf dem Sterbebett von einem arianischen Geistlichen taufen. Er führte auch wie jahrzehntelang noch seine Nachfolger den Titel des obersten heidnischen Priesters der traditionellen römischen Reichsreligion „Pontifex Maximus“. Er wurde von nichtchristlicher Seite gewürdigt, die mit diesem Rang verbundenen Aufgaben zugunsten heidnischer Kulte auch ernst genommen zu haben. Bei einer Führung unter den Ausgrabungen des Petersdoms in Rom bekam ich erklärt, dass Konstantin „der Große“ die Umwandlung des dortigen offiziell heidnischen Friedhofs in einen Kirchenbau in seiner Eigenschaft als oberster heidnischer Priester, als Pontifex Maximus, habe vornehmen können.
Sein Sohn und letztlicher Alleinerbe Constantius II. wollte das, was heute oft katholische Kirche genannt wird, durch eine arianische Reichskirche ersetzen (siehe Gedanken zur Woche 16-b). Dieser offiziell ja „christliche“ Herrscher aus der Dynastie Konstantins „des Großen“ war damit bis zu seinem Tode so erfolgreich, dass er von manchem als der für die Christenheit des trinitarischen Bekenntnisses von Nicäa gefährlichste Herrscher aller Zeiten gesehen wird, gefährlicher auf seine Weise auch als offene Christenverfolger vorher. Der letzte aus der konstantinischen Dynastie, Julian (361-363 n. Chr.), trennte sich in aller Form vom Christentum und versuchte ungeniert, das Heidentum wieder flächendeckend im Römischen Reich durchsetzen. Dies brachte ihm den negativen Beinamen „Apostata“ ein, was so viel heißt wie „der Abtrünnige“. Im Osten des Römischen Reiches wurde die Bedrängnis der Anhänger des Glaubensbekenntnisses von Nicäa erst mit dem Tod des noch einmal klar arianisch engagierten Kaisers Valens im Kampf gegen die Goten im Jahre 378, man könnte sagen, einstweilen beendet. Im Kampf gegen die Goten war vorher auch Kaiser Decius im Jahre 251 gefallen, nachdem er mit schweren Auswirkungen sehr treffsicher die erste systematische reichsweite Christenverfolgung organisiert hatte. Der glänzende Sieg der Goten über diesen so brutalen wie effizienten Christenverfolger bedeutete eine enorme Erleichterung. Ebenso wurde der Sieg der Goten über den die Anhänger des Bekenntnisses von Nicäa bedrängenden Kaiser Valens zumindest mit Erleichterung aufgenommen.
Dabei blieb gerade die Stadt Rom noch besonders lange ein Zentrum des Heidentums. Lange verfügte dieses im weiter existierenden Senat über eine wahrscheinlich noch deutliche Mehrheit. Die dort vertretenen Familien stellten den äußerst wohlhabenden römischen Adel dar. Dies führte dazu, dass auch öffentliche Aktivitäten und Einrichtungen des Heidentums in Rom entgegen kaiserlicher Politik aus Konstantinopel aufrechterhalten blieben. Hohe politische Ämter konnten in Rom noch von Heiden eingenommen werden. Einen kurzen ganz öffentlichen Wiederaufschwung mit Zentrum bezeichnenderweise in Rom erfuhr das Heidentum mit der Ausrufung des offiziell christlichen Eugenius zum Gegenkaiser im Westen des Römischen Reiches im Jahre 392. Mit der vernichtenden Niederlage seiner weströmischen Truppen in der Schlacht am Frigidus im September 394 endete dieser letzte doch einigermaßen offizielle Wiederaufschwung des Heidentums in Rom und überhaupt im Westen des Römischen Reiches (siehe beispielsweise https://www.youtube.com/watch?v=bNSyUqlHjcI&t=440s und https://www.youtube.com/watch?v=ewr9cwW0oQ0).
Weiterhin aber gab es noch in Rom und nicht nur in anderen Gegenden der Apenninenhalbinsel zahlreiche Anhänger des Heidentums. Dazu kam als besondere Schwierigkeit vor Ort für die katholische Kirche, dass infolge sich schon früh ereignender Spaltungen in Rom konkurrierende christliche Richtungen gerade im 4. Jahrhundert aktiv waren. Bezeichnenderweise fand keines der ersten sieben allgemeinen Konzilien in Rom statt, sondern alle im Osten des Römischen Reiches auf heute türkischem Staatsgebiet. Die eher christliche Belange gegenüber den heidnischen Tendenzen im Westen vertretende oströmische Armee unter dem christlichen und das Konzil von Nicäa anerkennenden Kaiser Theodosius I. hatte in der großen Schlacht am Frigidus sehr bedeutende Unterstützung wiederum von gotischen Truppen erhalten.
Man sieht: Das Heidentum blieb gerade in der Stadt Rom lange mächtig. Noch war dessen erkennbarer Einfluss nicht geschwunden, traten innerchristliche Spaltungen bis gewalttätige Konflikte auf. Gerade Interventionen aus dem schon stärker christianisierten Osten des Römischen Reiches konnten katholischem Christentum in der alten Reichshauptstadt allmählich aufhelfen. Überregionale und örtliche Schwierigkeiten waren aber damit nicht beseitigt. Man sollte sich mit Blick auf das Verhältnis von Christentum und Stadt Rom wie überhaupt dem Römischen Reich vor falscher Geschichtsverklärung hüten.
Gedanken zur Woche 65, Dr. Matthias Martin
12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Mit den Versen aus dem alttestamentlichen Buch Ijob für die Erste Lesung wird uns eine Lektüre geboten, welche uns in die Richtung dessen führt, was oft der Teleologische Gottesbeweis genannt wird. Der berühmte deutsche Philosoph aus dem ostpreußischen Königsberg, Immanuel Kant, stand diesem von ihm selber Physikotheologischer Gottesbeweis/Physikotheologie genannten (Philosophischen) Gottesbeweis mit Respekt gegenüber, ungeachtet der Tatsache, dass im Laufe seiner eigenen geistigen Entwicklung Kant zur generellen Zurückweisung von mehr oder minder Philosophischen Gottesbeweisen genannten Gedankengängen kam. So formulierte Kant in Hinblick auf den Teleologischen oder Physikotheoligschen Gottesbeweis „Dieser Beweis verdient, jederzeit mit Achtung genannt zu werden. Er ist der älteste, klarste und der gemeinen Menschennatur am meisten angemessene. Er belebt das Studium der Natur, so wie er selbst von diesem sein Dasein hat und dadurch immer neue Kraft bekommt“. Auch meinte Kant: „Es würde daher nicht allein trostlos, sondern auch ganz umsonst sein, dem Ansehen dieses Beweises etwas entziehen zu wollen“ (zitiert nach: Emerich Coreth, Gott im philosophischen Denken. Stuttgart – Berlin – Köln 2001. Seite 184).
Tatsächlich hat es seit den frühen Tagen des Christentums eine Beschäftigung mit der Philosophie wie mit dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Gesamtbereich gegeben (siehe Gedanken zur Woche 6 sowie 42-b und 44-b). Schon die frühchristlichen Apologeten, zu denen namentlich Justin der Philosoph, auch genannt Justin der Märtyrer, gehört, bemühten sich vom zweiten Jahrhundert an, mit Hilfe philosophischer Argumente und Darlegungen, den Wert beziehungsweise die Richtigkeit des Christentums darzulegen. Leider ist vieles von ihren Schriften verloren gegangen, es ist wird aber deutlich, dass schon hier ganz grundsätzlich von einem positiven Verhältnis von Glauben und Vernunft ausgegangen und von dort aus eigene Argumentation entwickelt wurde. In seiner Enzyklika mit dem Titel „Fides et ratio“ schrieb etwa Papst Johannes Paul II. in der Einleitung:
„Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt. Das Streben, die Wahrheit zu erkennen und letztlich ihn selbst zu erkennen, hat Gott dem Menschen ins Herz gesenkt, damit er dadurch, dass er Ihn erkennt und liebt, auch zur vollen Wahrheit über sich selbst gelangen könne“.
Beginnend mit Schriften des Alten/Ersten Testaments wie dem Buch der Weisheit und dem Buch Jesus Sirach werden wir in Richtung philosophischer Gotteserkenntnis und generell eines guten Verhältnisses von Glauben und Vernunft gewiesen und dies setzt sich dann über das Neue/Zweite Testament in der Geschichte fort (siehe Gedanken zur Woche 54-b). Das Buch Ijob mit seinen Versen für die Erste Lesung an diesem 12. Sonntag im liturgischen Jahreskreis wird innerhalb des Alten/Ersten Testaments der Gruppe der „Bücher der Lehrweisheit und Psalmen“, auch genannt „Lehrbücher und Psalmen“ zugeordnet. Dieser Gruppe von biblischen Einzelschriften gehören auch das Buch der Weisheit und das Buch Jesus Sirach (Ecclesiasticus) an.
Ermutigend schrieb Johannes Paull II. in Abschnitt 3. seiner Enzyklika „Fides et ratio“:
„Der Mensch besitzt vielfältige Möglichkeiten, um den Fortschritt im der Wahrheitserkenntnis voranzutreiben und so sein Dasein immer menschlicher zu machen. Unter diesen ragt die Philosophie hervor, die unmittelbar dazu beiträgt, die Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen und die Antwort darauf zu entwerfen: Sie stellt sich daher als eine der vornehmsten Aufgaben der Menschheit dar“.
Anerkennend schreibt er in Abschnitt 36. von „größten Anstrengungen, die die Philosophen des klassischen Denkens unternommen haben“, würdigt eigens die Dichtkunst und betont: „Aufgabe der Väter der Philosophie war es, den Zusammenhang zwischen Vernunft und Religion sichtbar zu machen“. Überhaupt ging es Johannes Paul II. in dieser Enzyklika darum, „die Beziehungen zwischen Glaube und Philosophie im Laufe der Geschichte“ (Abschnitt 35.) zu betrachten. Dazu passt der anerkennende Hinweis schon in Abschnitt 1. auf bedeutende schriftlich niedergelegte Überlieferungen aus verschiedenen Kulturen der Menschheit. Vor dem Hintergrund christlicher Geistesgeschichte samt kirchlichen Erklärungen wundert die ausdrückliche Würdigung der „philosophischen Abhandlungen von Platon und Aristoteles“ ganz und gar nicht.
Tatsächlich griff man in der christlichen Geisteswelt immer wieder gerne gerade auf Platon und Aristoteles und das vielschichtige Erbe des Neuplatonismus zurück. Dies gilt nicht zuletzt für die Ausformulierung oder Fortentwicklung (Philosophischer) Gottesbeweise. So begegnen uns bei dem ja ausdrücklich als Kirchenlehrer anerkannten heiligen Thomas von Aquin neben dem oben schon erwähnten Teleologischen Gottesbeweis, auch manchmal Finalitätsbeweis genannt, vier weitere. Diese werden zusammenfassend vom Lateinischen her die „Quinque viae“, zu Deutsch die „Fünf Wege“ genannt.
Kulturgeschichtlich und an internationalen Beziehungen besonders interessierte Menschen mag eigens der Konsensbeweis, auch genannt der Ethnologische oder Historische Gottesbeweis, des römischen Staatsmannes, Schriftstellers und Redners Cicero ansprechen. Die Begegnung von Christentum und geistig-wissenschaftlicher Bemühung gerade in Gestalt von Philosophie ereignete sich, wie von Papst Johannes Paul II. angesprochen, vielfältig bereits in der Antike. Die Wertschätzung der Philosophie konnte bei Christen soweit gehen, dass im Laufe der Zeit der griechische Philosoph Aristoteles mitunter als philosophischer Wegbereiter Jesu Christi neben dem theologischen Wegbereiter Johannes den Täufer angesehen wurde.
Dass die fruchtbare Begegnung von Philosophie und Glaube eine spannende, wenn auch immer wieder nicht einfache, Aufgabe ist, wurde eigens auf dem I. Vatikanischen Konzil wie in den Pontifikaten Leos XIII. und des heiligen Pius X. wie überhaupt dem des seligen Pius IX. thematisiert. Dieser hatte nicht zuletzt dieses I. Vatikanische Konzil einberufen. Spätere Päpste folgten dem, so auch Johannes Paul II. und nicht zuletzt Benedikt XVI.
1. Lesung: Ijob 38,1.8-11
2. Lesung: 2 Kor 5,14-17
Evangelium: Mk 4, 35-41
Gedanken zur Woche 65-b, Dr. Matthias Martin
12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2021)
Es hat schon seine besondere Aussagekraft, wenn in ein und derselben 12. Woche im liturgischen Jahreskreis sowohl des heiligen John Fisher, des heiligen Thomas Morus und des heiligen Johannes des Täufers gedacht wird.
So wird ja Johannes der Täufer, anfangen im Neuen/Zweiten Testament mit so berühmten Teilen wie dem Beginn des Johannesevangeliums, dem Prolog, und dem Ersten Kapitel des Lukasevangeliums, im Christentum über konfessionelle Grenzen hinweg hochgeehrt. Besondere Ehre wird ihm auch außerhalb des Christentums zuteil, so im Islam, bei den Mandäern und in klassischer jüdischer Literatur (siehe Gedanken zur Woche 15-b und 24-b).
Tatsächlich hatte es Johannes der Täufer gewagt, das Treiben des örtlichen Königs von Roms Gnaden gerade in Eheangelegenheiten deutlich zu kritisieren. Für ihn war auch und gerade ein König an moralische Werte, an ethische Standards, gebunden und hatte kein Recht, sich losgelöst von ihnen über die Menschen hinwegzusetzen. Am Königshof dieses Herodes Antipas, eines der überlebenden Söhne und (Teil-)Erben jenes Herodes, der manchmal „der Große“, bekanntlich aber gerne als „der Kindermörder von Bethlehem“ genannt wird, fand man das offensichtlich gar nicht witzig. Dies hat Johannes dem Täufer schließlich buchstäblich den Kopf gekostet.
Es ging ihm damit so, wie Bischof John Fisher und dem Familienvater und Gelehrten Thomas Morus. Diese widersetzten sich grundsätzlich dem englischen Gewaltherrscher Heinrich VIII. Dabei ging es nicht nur um den Ehestreit. Es ging vielmehr ganz generell darum, ob ein Monarch sich nach Belieben austoben könne und dabei auch noch bis ins Innerste der Kirche hinein seine tyrannischen Neigungen ausleben dürfe. Es ging bei dieser Auseinandersetzung ganz grundsätzlich um das Menschen- wie das Kirchenbild. Das mit sechs Oscars ausgezeichnete Filmdrama des aus Wien stammenden Regisseurs Fred Zinnemann „Ein Mann zu jeder Jahreszeit“ führt in diese Gesamtthematik ein.
Dabei begannen die Auseinandersetzungen der katholischen Kirche mit dem englischen Königtum nicht erst mit dem berüchtigten Heinrich VIII. Der philosophische Denker und Erzbischof Anselm von Canterbury hatte sich schon vom 11. zum 12. Jahrhundert dem englischen Königtum deutlich widersetzt. Einer seiner Nachfolger, der ebenfalls heiliggesprochene Thomas Becket, wurde von Anhängern der englischen Monarchie sogar schon ermordet. Hatte sich die Kirche noch gegen die Anmaßungen etwa des Königs Johann ohne Land behauptet und lange Zeit auch erfolgreich die Unabhängigkeit Schottlands unterstützt, so entwickelten sich die Dinge mit dem Königshaus des Tudors dramatisch zum Schlechten. Nach Festigung seiner Machtposition begann Heinrich VIII. mit seinem Vernichtungsfeldzug gegen die katholische Kirche in England und von dort aus besetzten Gebieten. John Fisher und Thomas Morus sind nur zwei seiner berühmtesten Opfer. Hatte sein Vater Heinrich VII. mit Heimtücke und Gewalt den Thron erlangt, so schreckte Heinrich VIII. ganz und gar nicht vor Massenmord, Lügenpropaganda und Missachtung gemachter Zusagen zurück (siehe z. B. https://www.youtube.com/watch?v=-OBDKxWEnvo und den Film „Henry VIII. König, Tyrann, Legende, Mörder“).
Hand in Hand mit der Verfolgung der Katholikinnen und Katholiken ging etwa in Nordengland die Unterdrückung regionaler Überlieferungen und in Cornwall, Wales, Schottland und Irland die möglichste Vernichtung nationaler Identität samt der dortigen keltischen Sprachen. Umgekehrt wurde das Eintreten für solche bedrohten Sprachen und damit verbundene nationalen Kulturen zu einem katholischen Markenzeichen. Die Bedrängnis der Katholikinnen und Katholiken setzte dann sich im Rahmen der englischen/britischen Kolonialpolitik außerhalb Europas fort.
Dabei musste jemand nicht katholisch sein, um von britischer Seite massakriert zu werden. Gezielt rotteten die Briten vom 19. zum 20. Jahrhundert die Tasmanier aus, worauf bei einer Fernsehdiskussion unwidersprochen und nie dementiert der katholische Journalist und Buchautor Peter Scholl-Latour hinwies. Schon vorher hatte es Indianervölker Nordamerikas ganz übel erwischt, mitunter bis zur völligen Ausrottung. Im Burenkrieg setzten dann die Briten die ersten (modernen) Konzentrationslager ein. Opfer ihrer Vernichtungspolitik wurden dabei nicht nur Buren, sondern auch zahllose Angehörige anderer Volksgruppen im südlichen Afrika, was der legendäre Präsident Südafrikas Nelson Mandela eigens thematisierte. Der Opiumkrieg Großbritanniens zur Förderung des Drogenhandels gegen das damals wehrlose China ist ein eigenes Thema.
Umgekehrt setzte sich die katholische Kirche nicht nur für betreffende keltische Sprachen ein, sondern z.B. auch für Indianersprachen und pflegte Kontakte zu vom britischen Imperialismus und seinen Verbündeten bedrängte Staaten. Interessantes gibt es da etwa bezüglich der Beziehungen des Heiligen Stuhles zu Afghanistan und Thailand festzustellen.
Als dann nach dem II. Weltkrieg sich die großen Kolonialreiche Frankreichs, der Niederlande, Belgiens, Portugals und des mit ihnen verbündeten Großbritannien weitgehend auflösten, anerkannte der Vatikan gerne die neuen Staaten als unabhängig an. Der Heilige Stuhl nahm so etwas wie eine Vorreiterrolle ein, was ihm umgekehrt auch eigenes Gewicht auf internationaler Ebene verschaffte.
Heutzutage sind Katholikinnen und Katholiken weiterhin stark in der schottischen Unabhängigkeitsbewegung aktiv. In gewisser Fortführung der heiligen Margareta von Schottland und Maria Stuarts gibt es auch in unseren Tagen dazu beeindruckende katholische Frauengestalten in Schottland. Der Einsatz von Katholikinnen und Katholiken für die irische Sprache ist dieser Tage wieder ein heißes politisches Thema.
Dabei ist die kritische Haltung gegenüber Monarchen schon seit alter Zeit für gläubige Menschen ein Thema. Mose musste sich mit dem Monarchen Ägyptens, dem Pharao, der die Israeliten unterjochte, auseinandersetzen. Zum Bundesschluss am Berg Sinai heißt es bei Justus von Daniels „Religiöses Recht als Referenz. Jüdisches Recht im rechtswissenschaftlichen Vergleich“ (Tübingen 2009):
„Der Bundesschluss hat eine weitere Bedeutung: die Gemeinschaft entscheidet sich kollektiv. Es gibt keine Hierarchie unter den Menschen, in der Klassen unterschieden werden. . . . Es gibt keine strukturelle, fest gefügte Hierarchie, in der etwa ein König gottgleichen Charakters ist, sondern alle stehen gleichermaßen unter dem höheren Gesetz und leiten ihre Befugnisse ‚konstitutionell‘ ab“ (Seite 41).
Gedanken zur Woche 64, Dr. Matthias Martin
11. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Die bei uns übliche Leseordnung für die Feier der Heiligen Messe mit dem Deutschen Messbuch, anders gesagt, in der nachkonziliaren Liturgie, bietet uns für den elften Sonntag im Jahreskreis als Evangelium zwei aufeinander folgende Gleichnisse. In beiden geht es um Samen und dessen Wachstum. Gerade beim ersten Gleichnis, bei dem als Ergebnis dieses Prozesses von Aussaat und Wachstum das volle Korn in der Ähre reif für die Ernte ist, ist der Eindruck zumindest auf den ersten Blick nur ein guter. Vielleicht nicht mehr ganz so eindeutig ist es bei dem zweiten Gleichnis mit dem enormen Wachsen des so kleinen, gar winzigen, Senfkorns. Dieses Wachstum ist ja für sich genommen ganz beeindruckend und dass „(4,32. . .) in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können“ erfreulich.
Dabei ist zu bedenken, dass das Senfkorn mitunter zumindest als Unkraut und nicht als Nutzpflanze gilt. Offensichtlich kommt es beim Senfkorn darauf an, wie man es verwendet.
Keineswegs einfach und im guten Sinne eindeutig verhält es sich mit „Wachstum“ in der Kirche, in der Christenheit, wie sie aus ihren gar so kleinen Anfängen vor rund 2000 Jahren zu weltumspannender Größe angewachsen ist. Da mag uns als regelrechte Warnung ein anderes Gleichnis mit Samen, Aussaat und Wachstum in den Sinn kommen, genannt das „Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen“ (Mt 13,24-30). Da wächst zusammen mit der Frucht aus dem guten Samen auf dem Acker auch Unkraut heran, nachdem ein Feind Unkrautsamen ausgestreut hatte. Dieser Feind wird anschließend sogar mit dem Teufel gleichgesetzt (Mt 13,38-39). Auch die Mahnung, dass ein guter Baum zwar gute Früchte hervorbringt, ein schlechter Baum aber schlechte (Mt 7,17-18) mag in den Sinn kommen, samt der anschließenden drastischen Warnung „(Mt 7,19) Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. (20) An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen.“
Nicht einfach, nicht nur positiv in Hinblick auf die hervorgebrachten Früchte, sieht es bei der über die Jahrhunderte herangewachsenen Kirche aus. Dass es da nicht nur gute Frucht, sondern auch Unkraut, nicht nur gute, sondern auch schlechte Früchte gab und gibt, wird in diesen Tagen überdeutlich.
Der in Teilen der Weltkirche horrende Ausbreitung aufweisende sexuelle Missbrauch ist besonders ins Blickfeld geraten, ist aber nicht das einzige die Kirche erschütternde Problem. Inzwischen wird selbst von der Spitze der bundesdeutschen Bischofskonferenz eingeräumt, um welch schwerwiegendes Problem es sich handelt und nicht um das Gerede irgendwelcher Querulanten und nicht um böswillige Unterstellungen von Quertreiben, die Kirchenfürsten und ihrem Anhang nur das Leben schwer machen wollten.
Der gegenwärtige Vorsitzende der sogenannten Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sprach von „Systemversagen“. Sein Vorgänger als Vorsitzender der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, bot recht pathetisch in einer Art medienwirksamen Befreiungsschlag Papst Franziskus sogar den Rücktritt zumindest als Erzbischof von München und Freising an. Dass Papst Franziskus diesen Rücktritt ablehnen werde, war von vornherein anzunehmen. Immerhin hat Papst Franziskus infolge der Missbrauchsproblematik schon aus seinem besonders wichtigen Beratergremium von neun Kardinälen (K9-Rat) zwei Mannen verloren. Das war schon mehr als peinlich genug. Hinzukommt, dass, wenn man mit dem Funktionieren großer Apparate, dem Sich-gegenseitig-Bälle-Zuspielen, auch nur etwas vertraut ist, man es für sehr wahrscheinlich zu halten hatte, dass Kardinal Marx die Situation vor seinem offiziellen Rücktrittsangebot zumindest nach Möglichkeit schon soweit „abgeklärt“ hatte, dass die Annahme seines betreffenden Rücktrittsangebotes für ihn und von ihm als sehr unwahrscheinlich bis ausgeschlossen eingestuft werden konnte. Die Annahme des Rücktritts eines dritten Kardinals aus dem K9-Rats durch dessen Gründer und Auftraggeber Papst Franziskus musste von vornherein als äußerst unwahrscheinlich gelten, abgesehen eben von möglichen „Abklärungen“, Absprachen vor der Veröffentlichung des Rücktrittsangebotes.
Dass in der Kirche nicht zuletzt beim Verhalten von Bischöfen schlimme Dinge eingerissen sind, wird immer mehr zugegeben. War es vor Jahrzehnten noch im halbwegs offiziellen Kirchenbereich eine gerne rasch und erbarmungslos niedergebügelte Minderheiten- und Randmeinung, die gerade einmal jemand wie der Kirchenrechtsprofessor und spätere Apostolische Protonotar Georg May samt einigen unabhängigen Autoren zu äußern wagte, so ging auch Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. zusehends in diese Richtung (siehe Gedanken zur Woche 63 und 63-b). Es war dann auch Papst Franziskus, der schließlich die Problematik von Fehlverhalten in der Kirche offen ansprach und sogar einräumte, vorher unglückliche, mutmaßliche Täter begünstigende, Behauptungen aufgestellt zu haben. Jetzt räumen sogar Einrichtungen wie die „Deutsche Bischofskonferenz“ und das „Zentralkomitee der deutschen Katholiken“ zusehends die Schwere des Gesamtproblems ein. Gerne wird bei letzteren Einrichtungen beziehungsweise ihren Mitgliedern aber immer noch behauptet, man habe das Ganze doch nicht wissen können und habe Mahnern und Opfern kein Unrecht antun wollen, wenn man sie schon erbarmungslos niedergebügelt hat und Tätern gefällig war.
Immerhin druckte jetzt die deutschsprachige Ausgabe des OSSERVATORE ROMANO eine Ansprache von Papst Franziskus vom 15. Mai 2021 an Mitglieder der italienischen Kinderschutz-Organisation „Meter“ ab (L`OSSERVATORE ROMANO Nummer 21/22 2021 (51. Jahrgang – 28. Mai 2021) Seite 8). Darin dankte Franziskus all jenen, „die auf verschiedene Weise die Vereinigung zum Schutz und zur Verteidigung von missbrauchten und misshandelten Kindern unterstützen“. Dazu meinte er:
„Auch heute sehen wir, wie oft in Familien die erste Reaktion darin besteht, alles zu vertuschen; eine erste Reaktion, die ebenso in anderen Institutionen und auch in der Kirche immer präsent ist. Wir müssen gegen diese alte Gewohnheit des Vertuschens ankämpfen. . . .
Kindesmisshandlung ist eine Art `psychologischer Mord` und in vielen Fällen eine Zerstörung der Kindheit. Daher ist der Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung die Pflicht aller Staaten, die sowohl die Menschenhändler als auch die Missbraucher identifizieren müssen . . .“.
In eben nicht so wenigen Fällen waren beziehungsweise sind solche `Missbraucher` Kirchenmänner. Auch die Rolle von Ordensfrauen sowohl als Opfer wie als (Mit-)Täterinnen bei sexuellem Missbrauch einschließlich damit verbundenem Menschenhandel ist allmählich ins öffentliches Blickfeld gerückt. Es wurden ja nicht nur Minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs. Es seien nur Stichworte wie „Abhängigkeitsverhältnisse“ und „Missbrauch einer Autoritätsposition“ genannt. Ein eigenes Problem-, um nicht zu sagen Skandalfeld, sind Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften.
1. Lesung: Ez 17,22-24
2. Lesung: 2 Kor 5,6-10
Evangelium: Mk 4,26-34
Gedanken zur Woche 64-b, Dr. Matthias Martin
11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Gerade nach dem bei uns üblichen liturgischen Kalender wird in der Elften Woche im liturgischen Jahreskreis des heiligen Benno von Meißen gedacht. In den damals schwierigen ja verworrenen Zeiten legte dieser ein vielfältiges Engagement an den Tag. Besonders bemerkenswert ist der Umstand, dass er bereit war, den heute meist nur als Gegenpapst bezeichneten Clemens III., bürgerlich Wibert von Ravenna, als Papst anzuerkennen und zu unterstützen (siehe Gedanken zur Woche 14-b). Von einer deutschsprachigen Monografie aus einer wissenschaftlichen Buchreihe bis zu eher populärwissenschaftlichen englischsprachigen Produktionen in YouTube wird auch heute offensichtlich nicht selten die Meinung vertreten, dass Clemens III., zumindest jahrelang, als tatsächlicher Papst amtierte. Die Massenmorde an wehrlosen Juden gerade im Rheinland in Zusammenhang insbesondere mit der ersten Welle des gerade von Urban II., dem Konkurrenzpapst gegen Clemens III., angestoßenen Ersten Kreuzzuges werden heutzutage wohl nicht einmal mehr hartgesottene Anhänger der von Gregor VII. über Viktor III. und Urban II. bis Paschalis II. reichenden und gegen Clemens III. gerichteten Papstlinie/Obedienz verteidigen, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Der mit Clemens III. vertrauensvoll verbundene römisch-deutsche Kaiser Heinrich IV. hat sich diesem mit Raub und Wortbruch verbundenen Mordtreiben nach Kräften widersetzt, konnte aber wegen der Investiturstreit genannten Auseinandersetzungen oft wenig unternehmen. Clemens III. und Heinrich IV. mussten wegen der damaligen vielschichtigen Auseinandersetzungen immer wieder um ihr eigenes Leben fürchten und versuchen, sich nach Kräften diverser Nachstellungen zu erwehren. Aus der Richtung des jahrelang durch Benno von Meißen unterstützten Heinrich IV. und damit letztlich auch Clemens III. hat man sich aber um Rückgabe des jüdischen Menschen geraubten Vermögens bemüht und scharf gegen sogenannte Zwangsbekehrungen gewandt, erst recht wenn diese mit offenen Morddrohungen verbunden waren. Die Massenmörder im Rheinland und anderwärts waren umgekehrt erklärte Anhänger des heute üblicherweise als Papst anerkannten Urban II.
Dabei war die Zeit des heiligen Benno von Meißen nicht das erste und nicht das letzte Mal in der Kirchengeschichte, dass es zumindest sehr umstritten, um nicht zu sagen unklar, war, wer denn nun der rechtmäßige Papst sei (siehe Gedanken zur Woche 61-b). In der Diözese St. Pölten mag man da insbesondere an den heiligen Hippolyt denken, der es vom Gegenpapst zum offiziellen Heiligen und Namensgeber von Diözese und Landes- samt Diözesanhauptstadt St. Pölten brachte (siehe Gedanken zur Woche 22-b).
Weist Clemens III. in seinen Reform- und Einigungsbemühungen bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit dem von 1566 bis 1572 amtierenden und betont unumstritten heiliggesprochenen Pius V. auf, so erklärte sehr überraschend der von 1963 bis 1978 amtierende Paul VI., dass das Zweiten Konzil von Lyon (im Jahr 1274) nun nicht mehr als theologisch verbindliches Konzil, sondern nur noch als gar nicht in diesem Sinne verbindliche Generalsynode einzustufen sei. Ich erinnere mich, wie unser leitender Professor für Geschichte des Mittelalters in Innsbruck während meines dortigen Studiums meinte, es sei unklar, wie ein Papst mittels einer einfachen Ansprache ein bisher für dogmatisch verbindlich erklärtes Konzil auf einmal so herunterstufen könne.
Unsicherheiten und mitunter heftige innerkirchliche Auseinandersetzungen gab es also schon in früheren Zeiten und das bereits seit den neutestamentlichen Zeiten (siehe gerade Gedanken zur Woche 58-b).
In unserer Zeit erschüttern zusammen mit anderen üblen Vorkommnissen gerade sexuelle Missbrauchsfälle die Kirche. Was über das Vertuschungswirken des früheren Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann und seines Nachfolgers Erzbischof Robert Zollitsch ans Licht kam, ist schon für sich allein erschütternd genug und ist geeignet, Wut und Entsetzen hervorzurufen. Das Erzbistum Köln hat inzwischen zugegeben, dass die früheren dortigen Erzbischöfe Kardinal Joseph Höffner und Kardinal Joachim Meisner systematisch Missbrauchstäter gedeckt und damit Leid über wehrlose Menschen gebracht haben. Kirchenamtlich wird inzwischen auch schweres Fehlverhalten des früheren Bischofs von Mainz, Kardinal Hermann Volk, nicht mehr abgestritten. Längst ist in der engsten Nachbarschaft zum engeren deutschen Sprachraum auch die Niederländische Bischofskonferenz sehr negativ ins Blickfeld gerückt. Kardinal Bernard Jan Alfrink, lange als Lichtgestalt vermeintlicher kirchlicher Erneuerung gefeiert, ist längst allein schon in Hinblick auf Vertuschung und damit Ermöglichung sexuellen Missbrauchs als das Gegenteil einer wahren Lichtgestalt entlarvt. Damit stellt er bezüglich des niederländischen Episkopates seit den Sechzigerjahren aber nur die üble Spitze eines schlimmen Eisberges dar. Ähnlich verhält es sich bezüglich Ex-Kardinal Theodore McCarrick und Erzbischof Rembert Weakland in der US-Ortskirche. Diese waren keine Einzelfälle, fielen höchstens durch besondere Arroganz und Dreistigkeit auf. Schon vor einiger Zeit haben in den USA dutzende Diözesen, Orden und Ordensprovinzen ein dort mögliches Konkursverfahren eingeleitet, umso wegen drohender Entschädigungsverpflichtungen nicht ihr ganzes Vermögen einzubüßen.
Gerade auch in Irland, Belgien, Chile und Australien kam es seit Jahren zu Missbrauchsenthüllungen, welche die Weltkirche erschütterten und erschüttern.
Allein schon ein englischsprachiges Interview mit der französischen Journalistin Céline Hoyeau verdeutlicht, welch eigenes Problemfeld in Hinblick auf weitverbreiteten Missbrauch eine ganze Reihe in den letzten Jahrzehnten gegründeten Orden oder ordensähnlichen Gemeinschaften darstellen (https://cruxnow.com/interviews/2021/04/new-book-explores-plague-of-abuse-in-churchs-new-religious-movements/ ). Das Fehlveralten von Bischöfen ist auch in Zusammenhang mit dortigen Missbrauchsfällen offenkundig. Es ist sehr zu wünschen, dass das französischsprachige Buch von Céline Hoyeau „La trahison des pères“ bald auch in deutschsprachiger Ausgabe vorliegt.
Zu hoffen ist auch, dass die (Wieder-)Verschärfungen des Kirchenrechts gerade in Hinblick auf künftige Verhinderung und Ahndung von Missbrauch tatsächlich Wirkung zeigen.
Da gibt es zum einen ja die Verschärfung von Canon 579 bezüglich der Neugründung von Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften (siehe https://www.vatican.va/content/francesco/de/motu_proprio/documents/papa-francesco-motu-proprio-20201101_authenticum-charismatis.html und Gedanken zur Woche 40-b).
Jetzt ist sogar das gesamte kirchliche Strafrecht durch Papst Franziskus drastisch geändert, wenn nicht über den Haufen geworfen, worden (https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2021/06/01/0348/00750.html#de und Gedanken zur Woche 63). Schon vorher hatte sich Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. offen sehr kritisch über das Kirchenrecht in der Ausgabe CODEX IURIS CANONICI/KODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983 geäußert. Dass die damalige Änderung des Kirchenrechts zumindest ein heftiger Fehlgriff war, darf damit jetzt wohl ohne Zweifel ausgesagt werden.
Hinzukommt allerneuest die Änderung kirchenrechtlicher Bestimmungen in Hinblick auf die internationale Führung von Laienverbänden.
Gedanken zur Woche 63, Dr. Matthias Martin
10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Schon seit Menschengedenken wird in der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau das HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI, auch wohlbekannt unter dem Namen FRONLEICHNAM, im Wesentlichen am Sonntag nach dem eigentlichen Tag dieses Hochfestes, einem Donnerstag, gefeiert. Mit dieser Tradition steht die Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus ja keineswegs allein in der Weltkirche. Im CODEX IURIS CONONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983 heißt es nicht zuletzt mit Blick auf das Hochfest „des heiligsten Leibes und Blutes Christi“ (Siehe Canon 1246 - §1 und Gedanken zur Woche 62-b):
„§ 2. Die Bischofskonferenz kann jedoch, nach vorheriger Genehmigung des Apostolischen Stuhles, einige der gebotenen Feiertage aufheben oder auf einen Sonntag verlegen“.
In der kleinen Ausgabe des bei uns üblichen Deutschen Messbuches heißt es in roter Farbe:
„Wo Fronleichnam kein gebotener Feiertag ist, wird das Hochfest auf den Sonntag nach Dreifaltigkeit verlegt“.
So ist der eigentlich als Tag des Hochfestes von Fronleichnam vorgesehene Donnerstag der zweiten Woche nach Pfingsten im französischen Machtbereich vom Staat nicht als Feiertag anerkannt. Ihrerseits sind die Erzdiözese Straßburg und die Diözese Metz in beziehungsweise für Elsass-Lothringen an der Herausgabe des Deutschen Messbuches wie der betreffenden Lektionare beteiligt. Vergleichbar verhält es sich mit der Diözese Lüttich und dem durch diese kirchlich betreuten östlichen Teil des gegenwärtigen belgischen Staatsgebietes.
In praktischen Dingen ist nach kirchlicher Überlieferung also eine gewisse Flexibilität möglich. So standen über Jahrhunderte dem Normannenreich im jetzigen Süditalien und dann dem Königreich beider Sizilien/Königreich Neapel vom Papst gewährt besondere Rechte nicht zuletzt bei der Ernennung von Bischöfen zu. Diese besonderen Rechte erloschen erst und wurden ausdrücklich für aufgehoben erklärt, nachdem 1860 dieses einst so stolze Königreich überrannt und in das neugeschaffene, betont kirchenfeindlich agierende, Königreich Italien eingegliedert worden war.
Im Rahmen des Gewohnheitsrechts war die Gesamtkirche beizeiten bereit, jeweils eigene Regelungen etwa in den Bereichen von Messstipendien, dem Vermögensrecht und dem Hochschulwesen in Hinblick auf früher geltende Bekleidungsvorschriften zu akzeptieren. Jeweilige staatliche Gesetze können auch direkt für den kirchlichen Bereich übernommen werden, was gerade für das Arbeits- und das Vermögensrecht von Bedeutung ist und natürlich seinerseits eine örtliche Ausdifferenzierung im kirchlichen Alltag legitimiert. So heißt es in Canon 22 des CODEX IURIS CONONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS:
„Weltliche Gesetze, auf die das Recht der Kirche verweist, sind im kanonischen Recht mit denselben Wirkungen einzuhalten, soweit sie nicht dem göttlichen Recht zuwiderlaufen und nicht etwas anderes im kanonischen Recht vorgesehen ist“.
Zum Beispiel hat bis heute das örtliche Domkapitel von Salzburg bei der Berufung des jeweiligen Erzbischofs ein Mitspracherecht, während in den anderen Diözesen des jetzigen österreichischen Staatsverbandes dem Papst die freie Ernennung zusteht. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es zusätzlich zum weiter geltenden Reichskonkordat sogar verschiedene Länderkonkordate einschließlich, für viele überraschend, das Preußenkonkordat.
Grundsätzlich unterscheidet die Kirche, wie in dem zitierten Canon 22 anklingt, zwischen Göttlichem Recht (ius divinum) und Bloßem Kirchenrecht/Rein kirchlichem Recht (ius mere ecclesiasticum). Ersteres wird als unveränderlich, fortwährend verbindlich angesehen, worunter nach dem Verständnis der katholischen Tradition auch jene Inhalte fallen, die vom Naturrecht (lex naturalis/ius divinum naturale) herrühren. Noch die dogmatische Konstitution „Pastor aeternus“ des I. Vatikanischen Konzils betonte scharf, dass dem Papst keineswegs das Recht zustünde, nach Lust und Liebe neue Lehren zu verkünden und gar solche noch der Kirche aufnötigen zu wollen. Leider ist diese sehr deutliche Feststellung aus dem Jahre 1870 oft nicht zur Kenntnis genommen und ansonsten sehr häufig vergessen worden.
Das was rein kirchliches Recht/bloßes Kirchenrecht ist, kann grundsätzlich geändert beziehungsweise ausdifferenziert werden, so etwa die Feinheiten von Feiertagsregelungen. Dementsprechend hat kein und gar kein Kirchenvertreter das Recht, sexuellen Missbrauch und andere eindeutig verbrecherische Handlungen zu rechtfertigen. Hier hat es in den letzten Jahrzehnten eine ausgeprägte Verwirrung der Geister und ausgesprochen böse Taten gegeben. Mag man Aussagen wie die, wonach jede Ansprache und jedes Schreiben eines Papstes wie Erklärungen eines Bischofskonferenzvorsitzenden unfehlbar seien, noch als lächerliche Absurditäten abtun, die nur peinlich seien und doch nicht förderlich für Kirche und Gesellschaft, so ist jede Art von sexuellem Missbrauch aufs deutlichste zu verurteilen. In diesem Sinne ist auch die jetzt erst verkündete Änderung des Kirchenrechts durch Papst Franziskus zu begrüßen (https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/ 2021-06/graulich-kirchenrecht-reform-strafgesetzbuch-missbrauch-vatikan.html).
Es bleibt aber dringlich zu hoffen und darauf zu drängen, dass einem solchen offiziellen Akt auch Taten im kirchlichen Leben folgen. Dass hier einiges im kirchlichen Bereich „auszumisten“ ist, kann ein Mensch guten Willens, der mit intaktem Verstand die Dinge verfolgt hat, nicht mehr bestreiten. Zu Recht hat etwa Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. wiederholt festgestellt, dass sich seit den sechziger Jahren in kirchlichen Kreisen eine ausgesprochene Vorliebe für Missbrauchstäter aus den eigenen Reihen breit machte.
Sexueller Missbrauch ist aber weder als Kavaliersdelikt noch als kreative Selbstverwirklichung zu rechtfertigen, auch und gerade dann nicht, wenn ein kirchlicher Amtsträger der Täter ist. Genauso ist die Ausrede konsequent zurückzuweisen, der Täter habe ja nicht nur sexuellen Missbrauch begangen und sei ja überhaupt „ein ganz ein lieber Mitbruder“. Da geht es eben nicht um Äußerlichkeiten, um formale Regelungen vielleicht nur, sondern um die Substanz glaubwürdigen Christseins. Konsequentes Handeln ist bei so etwas bitter nötig. Hier gibt es gar manches wahrhaftig aufzuarbeiten!
1. Lesung: Gen 3,9-15
2. Lesung: 2 Kor 4,13-5,1
Evangelium: Mk 3,20-35
Gedanken zur Woche 63-b, Dr. Matthias Martin
10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2021)
Am Freitag der dritten Woche nach Pfingsten feiert die Kirche das Hochfest HEILIGSTES HERZ JESU, anders ausgedrückt, die Kirche feiert am Freitag nach dem zweiten Sonntag nach Pfingsten das Fest 1. Klasse des ALLERHEILIGSTEN HERZENS JESU. Auf jeden Fall fällt dieses Hochfest/Fest 1. Klasse nach dem weltweit verwendeten und nach Papst Gregor XIII. benannten Gregorianischen Kalender in diesem Jahr auf den 11. Juni 2021.
Im neuen von den (Erz-)Bischöfen der Bundesrepublik Deutschlands, Österreichs und von Bozen-Brixen herausgegebenen Gebet- und Gesangbuch GOTTESLOB findet sich unter der Nummer 997 eine Andacht zur Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu. Unter Nummer 369 findet sich mit „O Herz des Königs aller Welt“ ein dazu besonders passendes Lied. Im alten, ebenfalls schon von den (Erz-)Bischöfen der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und Bozen-Brixens sowie dieses Mal auch von Lüttich gemeinsam herausgegebenen, GOTTESLOB liegt mit der Nummer 780 eine noch umfangreichere „Andacht zum heiligsten Herzen Jesu“ vor.
Im Volkschott von 1961 (Seite 611-612) heißt es zu dem Hochfest/Fest 1. Klasse unter anderem:
„Die Geheimnisse des Erlöserlebens Christi, das wir im Laufe des Kirchenjahres feiern, gründen schließlich alle in dem einen tiefsten Geheimnisse seiner Liebe. Sie ist da vor Urbeginn alles Werdens; sie ist die schöpferische Kraft aller Gottestaten, wie Menschwerdung, Erlösungstod, Eucharistie, Gnade, Kirche. All diese Liebe stellt sich uns verkörpert dar im Herzen Jesu.“
Auf die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu weist uns nicht zuletzt der KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN KIRCHE hin. Dort wird in Abschnitt 1439 festgehalten:
„. . . Einzig das Herz Christi, das die Tiefen der Liebe seines Vaters kennt, konnte uns den Abgrund seiner Barmherzigkeit auf eine so einfache und schöne Weise schildern.“
Abschnitt 2669 lautet dann:
„Das Gebet der Kirche ehrt und verehrt das Herz Jesu, wie es seinen heiligsten Namen anruft. Die Kirche betet das menschgewordene Wort und sein Herz an, das sich aus Liebe zu den Menschen von unseren Sünden durchbohren ließ. Das christliche Beten folgt im Kreuzweg gern dem Erlöser nach. Die Stationen vom Prätorium bis Golgota und bis zum Grab kennzeichnen den Weg Jesu, der durch sein heiliges Kreuz die Welt erlöst hat.“
Schon im Alten/Ersten Testament werden wir auf die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu vorbereitet. So wird im Namen Gottes dem seiner Aufgabe untreu gewordenen Priester Eli im Ersten Buch Samuel unter anderem ausgerichtet:
„(2,35) Ich aber werde mir einen zuverlässigen Priester einsetzen, der nach meinem Herzen und nach meinem Sinn handeln wird. . . .“
Im Zweiten Buch Samuels heiß es in einem Vers des Gebetes von König David:
„(7,21) Um deines Wortes willen und nach der Absicht deines Herzens hast du alle diese großen Taten getan und deinem Knecht offenbart.“
Ich erinnere mich, wie ich im Jahre 2015 bei der ersten von mir selber in meiner Einsatzpfarrgemeinde in Dallas (Staat Texas, USA) zelebrierten Heiligen Messe auch auf die kulturelle Bedeutung der Herz-Jesu-Verehrung einging. Ist diese für sich vielfältig, so gibt es eine ganze Reihe von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, welche sich schon in ihrem Namen auf das heiligste Herz Jesu beziehen.
Umso mehr mag uns die schwere Krise ins Auge stechen, in welcher sich das kirchliche Leben seit den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts befindet. Diese Krise hat nicht zuletzt das Ordensleben sehr schwer erschüttert (Gedanken zur Woche 20-b und 52-b).
Anlässlich der Wiedereinweihung des Doms der Wachau, der Pfarrkirche von St. Veit in Krems, räumte der damalige Diözesanbischof Klaus Küng ganz unumwunden ein, dass die Volkskirche von einst aufgehört habe, zu bestehen (Gedanken zur Woche 41-b). Umfassend mit der Kirchenkrise beschäftigte sich Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., in dem Interviewbuch „Zur Lage des Glaubens“. Lesenswert sind in diesem Zusammenhang beispielsweise auch eigens Teile vom „Lebensbericht“ des Kirchenhistorikers Hubert Jedin, erschienen in den Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, und „Wohin steuert der Vatikan?“ von Reinhard Raffalt. Immer wieder erscheinen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel zu Problemen bis hin Skandalen im kirchlichen Leben. Nicht zuletzt von Papst Franziskus gibt es sehr deutliche Aussagen. Dass sich die Kirche in einer schweren, um nicht zu sagen sehr schweren, Krise befindet, räumt zumindest mache Bischofskonferenz oder ein Teil einer solchen gerade außerhalb des deutschsprachigen Mitteleuropas ein.
Ein besonders krasses Problem stellt da die Missbrauchsthematik da, was inzwischen selbst typische Schönredner zugeben. In dem Interviewbuch „Licht der Welt“ (deutschsprachige Ausgabe 2010) räumte der emeritierte Papst Benedikt XVI. die gewaltigen Ausmaße der ganzen Missbrauchsskandale ein und widersprach seinem Gesprächspartner Peter Seewald mit dessen deutlicher Aussage nicht (Seite 42):
„Es ist nicht nur der Missbrauch, der erschüttert, es ist auch der Umgang damit. Die Taten selbst wurden über die Jahrzehnte verschwiegen und vertuscht. Eine Bankrotterklärung für eine Institution, die sich die Liebe auf ihr Banner geschrieben hat.“
Benedikt XVI. selber meinte dazu (Seite 43):
„Doch seit der Mitte der 60er Jahre wurde es <, das Kirchenrecht,> einfach nicht mehr angewandt. Es herrschte das Bewusstsein, die Kirche dürfe nicht Rechtskirche, sondern müsse Liebeskirche sein; sie dürfe nicht strafen. So war das Bewusstsein, dass Strafe ein Akt der Liebe sein kann, erloschen. Damals kam es auch bei ganz guten Leuten zu einer merkwürdigen Verdunkelung des Denkens. . . .
Insofern gab es in der Vergangenheit eine Bewusstseinsvetränderung, durch die eine Verdunkelung des Rechts und der Notwendigkeit von Strafe eingetreten ist – letztendlich auch eine Verengung des Begriffs von Liebe, die nicht nur Nettigkeit und Artigkeit ist, sondern die in der Wahrheit ist. Und zur Wahrheit gehört auch, dass ich denjenigen strafen muss, der gegen die wirkliche Liebe gesündigt hat“.
Gedanken zur Woche 62, Dr. Matthias Martin
DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2021)
Der DREIFALTIGKEITSSONNTAG steht sicher in der religiösen Praxis wie in der allgemeinen Volkskultur deutlich im Schatten von anderen Hochfesten, allen voran Weihnachten und Ostern. Dabei ist dieser Tag im liturgischen Jahreskreis keineswegs in seiner inhaltlichen Bedeutung zu unterschätzen, sondern sollte seinerseits gewissermaßen in höchsten Ehren gehalten, gerne gefeiert und durch gute Beachtung gepflegt werden.
So wird der DREIFALTIGKEITSSONNTAG im Volksschott für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus wie etwa WEIHNACHTEN, OSTERN und PFINGSTEN ausdrücklich als Fest I. Klasse bezeichnet. In dem bei uns derzeit üblichen Deutschen Messbuch für die Feier der Heilige Messe im Neuen Ritus, auch Novus Ordo genannt, wird der DREIFALTIGKEITSSONNTAG entsprechend wie WEIHNACHTEN, OSTERN und PFINGSTEN als Hochfest benannt.
Tatsächlich bezeichnet genau dieser spezielle Tag im Jahreskreis den Kern christlichen Selbstverständnisses. Sehr vieles anderes hat das Christentum ja sonst gemeinsam mit anderen Religionen und von ihm grundsätzlich unabhängigen philosophischen Schulen sowie kulturellen Überlieferungen. Denken wir nur daran, dass der größte Teil dessen, was gerne die „christliche Bibel“ genannt wird, das sogenannte Alte Testament ist und damit ja eindeutig aus dem Judentum kommt. Ja mehr noch, auch im Neuen Testament, mitunter das Zweite Testament genannt, wird immer wieder augenfällig Bezug auf die Schriften des Alten oder eben Ersten Testaments genommen. Dort schon stehen ja etwa die Zehn Gebote und jene zwei Formulierungen, die dann im Zweiten/Neuen Testament als doppeltes Liebesgebot miteinander zusammengestellt wurden.
Die Goldene Regel, wonach man niemandem etwas antun solle, was jemandem bei sich selber verhasst ist, beziehungsweise, den Mitmenschen so behandeln möge, wie man gerne selber behandelt werden will, findet sich in der ein oder anderen Weise in antiken Kulturen wie in lebenden (Welt-)Religionen. Vielerlei einzelne Punkte haben Christen, Katholikinnen und Katholiken, mit den Anhängerinnen und Anhängern einmal vielleicht mehr dieser, einmal vielleicht jener Religion oder Weltanschauung gemeinsam.
Der Glaube an die Allerheiligste Dreifaltigkeit von GOTT VATER, GOTT SOHN und GOTT HEILIGEM GEIST macht dann aber das Christentum in akzentuierter Weise zum Christentum.
Schon in ganz frühen, noch knappen, Tauf- oder Glaubensbekenntnissen wie anderen Texten frühchristlich-altkirchlicher Überlieferung ist die trinitarische Orientierung, das Bekennen des Glaubens an den göttlichen VATER, SOHN und HEILIGEN GEIST angesprochen. Die beiden ersten Allgemeinen Konzilien, zu Nicäa im Jahre 325 und zu Konstantinopel im Jahre 381, gingen gerade dadurch in die Geschichte ein, dass sie das Große Glaubensbekenntnis, auch genannt das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel, mit dem Bekenntnis der drei Göttlichen Personen, von VATER, SOHN und HEILIGEM GEIST und ihrer Wesenseinheit oder auch Wesensgleichheit verabschiedeten.
Dieser Glaubensinhalt eint sonst unterschiedliche christliche Konfessionen, voneinander unabhängige Gemeinschaften. Auch wenn in den letzten Jahrzehnten im offiziellen Bereich der katholischen Kirche mancherlei Verwirrung ausgebrochen ist, so sind auch die in getrennten Gemeinschaften gespendeten Taufen als gültig anzuerkennen, wenn sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes mit Wasser und in der richtigen Absicht gespendet wurden (siehe Gedanken zur Woche 13 und 44). Auch weiterhin ist die Taufe beim Eintritt in die katholische Kirche eines so bereits getauften Christen, einer so schon getauften Christin nicht mehr zu wiederholen. Im Laufe der Zeit wurde solche Taufwiederholung von lehramtlicher Seite in der katholischen Kirche sogar ausdrücklich untersagt.
In dem ja von Papst Johannes XXIII. so ausdrücklich gewürdigten Volksschott aus dem Jahr 1961 heißt es etwa in Zusammenhang mit dem DREIFALTIGKEITSSONNTAG bezüglich der Allerheiligsten DREIFALTIGKEIT:
„Deshalb steht sie auch im Mittelpunkt des christlichen Glaubens und Lebens: auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes sind wir getauft, durch die heiligste Dreifaltigkeit haben wir den Zutritt zu den übrigen hl. Sakramenten und deren Gnaden. Darum huldigen wir immer und immer mit der Liturgie der heiligsten Dreifaltigkeit . . .“ (Seite 595)
In den Schlussversen des Matthäusevangeliums wird ja ausdrücklich betont, dass die Menschen zu taufen sind „(28,19) . . . auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Zum Abschluss des neutestamentlichen Zweiten Korintherbriefes heißt es, wenn wir der neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung folgten:
„(13,13) Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“
Das Festhalten an der trinitarischen Taufformel wurde in der katholischen Kirche wie in anderen christlichen Konfessionen immer wieder angemahnt. Man sollte dies in unserer Zeit fortwährender, ja gewissermaßen immer weiter wuchernder Spaltungen, und etwa innerhalb der (offiziellen) katholischen Kirche tobender Auseinandersetzungen zu schätzen wissen. Die gute Gemeinsamkeit des Glaubens an die Allerheiligste Dreifaltigkeit, hergeleitet aus der Heiligen Schrift, bezeugt seit den frühen Jahrhunderten der Christenheit in vielerlei Weise und zahlreichen Formulierungen sollte hochgehalten und nicht vernachlässigt werden. Dazu passt dann die Anerkennung betreffender Taufspendungen, auch wenn nicht jede/r betreffende Aussagen früher Päpste, des Konzils von Trient und dergleichen samt Kirchenrecht zu kennen braucht.
Von daher mögen wir dann eifrig danach streben, das doppelte Liebesgebot mit der Liebe zu Gott und den Mitmenschen zu verwirklichen, im Sinne etwa der Zehn Gebote und der negativen Formulierung der Goldenen Regel das Böse zu meiden, in Gedanken, Worten und Werken. Im Sinne etwa der positiven Formulierung der Goldenen Regel, des Gleichnisses vom Barmherzigen Samariter und der Rede/dem Gleichnis vom Jüngsten Gericht wie des Jakobus- und des Ersten Johannesbriefes mögen wir nach dem Tun des Guten streben.
1. Lesung: Dtn 4,32-34.39-40
2. Lesung: Röm 8,14-17
Evangelium: Mt 28,16-20
Gedanken zur Woche 62-b, Dr. Matthias Martin
9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2021)
Das Hochfest von FRONLEICHNAM wird auf Deutsch auch HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI genannt, wie in dem bei uns üblichen Deutschen Messbuch für die Feier der Heiligen Messe in der neuen volkssprachlichen Liturgie deutlich wird. Im Volkschott von 1961, also aus der Amtszeit von Papstzeit von Papst Johannes XXIII. für die damals noch generell praktizierte Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus, auch genannt unter anderem die Messe Gregors des Großen oder die Messe des heiligen Pius V., wird das Fronleichnamsfest lateinisch FESTUM SANCTISSIMI CORPORIS CHRISTI genannt.
Es wird hier schon deutlich, dass dieses Hochfest, dieses Fest I. Klasse, nichts als solches mit einem Leichengedenken zu tun hat, worauf der Wortteil –leichnam manche/n irrtümlich schließen lässt (Gedanken zur Woche 13-b), sondern eben ganz gezielt Leib und Blut des Herrn Jesus Christus und damit die Allerheiligste Eucharistie geehrt wird.
Schon die Einstufung als Hochfest beziehungsweise als Fest I. Klasse weist auf die herausragende Bedeutung von FRONLEICHNAM, vom HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI hin. Auch der CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS weist die Menschen ganz stark in diese Richtung. So heißt es in der (Gesamt-)Ausgabe dieses Codex von 1983 in Canon 1246:
„§ 1. Der Sonntag, an dem das österliche Geheimnis gefeiert wird, ist aus apostolischer Tradition in der ganzen Kirche als der gebotene ursprüngliche Feiertag zu halten. Ebenso müssen gehalten werden die Tage der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, der Erscheinung des Herrn, der Himmelfahrt und des heiligsten Leibes und Blutes Christi, der heiligen Gottesmutter Maria, ihrer Unbefleckten Empfängnis und ihrer Aufnahme in den Himmel, des heiligen Joseph, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und schließlich Allerheiligen.“
Damit ist schon hier FRONLEICHNAM in eine Reihe gestellt mit so besonders beliebten Hochfesten wie WEIHNACHTEN und OSTERN.
Besonderer Beliebtheit in der christlichen Bevölkerung erfreuten über Jahrhunderte Fronleichnamsprozessionen. Ihnen kommt unleugbar eine ganz eigene Stellung im öffentlichen Bezeugen des christlichen Glaubens zu. Wer etwas mit der religiösen Geschichte des deutschsprachigen Mitteleuropas, der Geschichte dieses großen Gebietes von den Tagen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, auch genannt Erstes Deutsches Reich oder Altes Reich, an bis hinauf in das 20. Jahrhundert vertraut ist, weiß, wie viel Mut es mitunter bedurfte, an einer Fronleichnamsprozession teilzunehmen beziehungsweise eine solche zu organisieren. Der damalige Professor für Religionspädagogik in Innsbruck während meines dortigen Studiums betonte, dass gerade in solch schwierigen Situationen die Durchführung einer Fronleichnamsprozession eine enorme Bedeutung für die Identität der Katholikinnen und Katholiken besaß, unabhängig von theologischen Feinheiten und Einzelheiten der Ausgestaltung. Fronleichnamsprozessionen gewannen auch ihre eigene kulturelle Bedeutung. Gesänge und Instrumentalmusik, kunstvolle Prozessionsfahnen, das Tragen von Trachten, Monstranzen und religiöse Texte sind hier wohl besonders zu nennen. Canon 944 ist im CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983 eigens dem Abhalten von Fronleichnamsprozessionen gewidmet:
„§ 1. Wo es nach dem Urteil des Diözesanbischofs möglich ist, soll zum öffentlichen Zeugnis der Verehrung gegenüber der heiligsten Eucharistie, vor allem am Hochfest Fronleichnam, eine Prozession stattfinden, die durch die öffentlichen Straßen führt.
§ 2. Dem Diözesanbischof kommt es zu, Ordnungen für die Prozessionen zu erlassen; durch diese ist für die Teilnahme an ihnen und ihre würdige Durchführung Vorsorge zu treffen.“
Wie hier eigens betont wird, geht es ganz bewusst und zentral um die Verehrung der heiligsten Eucharistie. An verschiedenen Stellen wird die zentrale Bedeutung der Allerheiligsten Eucharistie noch in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils herausgestellt. So heißt es in Abschnitt 33 der Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“:
„Durch die Sakramente, vor allem durch die heilige Eucharistie, wird jene Liebe zu Gott und den Menschen mitgeteilt und genährt, die die Seele des ganzen Apostolates ist.“
In Abschnitt 11 derselben Konzilskonstitution wird das eucharistische Opfer als „Quelle“ und „Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“. Auch andere Stellen des Zweiten Vatikanischen Konzils wie das Dekret über Dienst und Leben der Priester (siehe Gedanken zur Woche 31) weisen uns in diese Richtung.
Ein Anlass wie das diesjährige Fronleichnamsfest mag ein guter Anstoß sein, sich wieder stärker der so zentralen Bedeutung der Eucharistie bewusst zu werden. Dies ist umso wichtiger, da die dazu doch sehr klare Positionierung selbst noch des gerne wegen zumindest vermeintlicher mangelnder Klarheit oft kritisierten Zweiten Vatikanischen Konzils ziemlich in Vergessenheit geraten ist oder aber bei vielen nie recht wahrgenommen wurde. Da ging es den Aussagen dieses Konzils dazu so wie denen zu anderen Themen etwa zur Stellung Marias als Mutter der Kirche, die enorme Bedeutung des vielfältigen Ordenswesens, die Verpflichtung zur (Welt-)Mission, die Forderung nach umfassendem Lebensschutz und nach einer starken Förderung der Familie bis hin die Betonung der Unverzichtbarkeit der Philosophie einschließlich der Philosophiegeschichte bei der Theologen-/Priesterausbildung.
Eine gut durchgeführte Fronleichnamsprozession mag da im guten Sinne ins Auge stechen, in den Ohren klingen und etwas Greifbares darstellen. Bloße gesprochene Worte sind in der Gefahr, zum einen Ohr hinein und zum anderen hinaus zu gehen. Eine Fronleichnamsprozession mit ihrer Verbindung unterschiedlicher einzelner Elemente aus Spiritualität, Glaubenslehre und kulturellem Leben mag da einen nachhaltigeren Eindruck hinterlassen, wie das bei ungezählten Menschen über die Jahrhunderte schon der Fall war. So bleibt umso mehr zu hoffen, dass in möglichst vielen Orten auf Erden die öffentlichen Organe und die Medien diesjährige Fronleichnamsprozessionen freundlich begleiten.
Gedanken zur Woche 61, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von PFINGSTEN (2021)
Gerade zu Pfingsten mag jemanden die Redensart „Aller guten Dinge sind drei!“ in den Sinn kommen.
So wird das Hochfest von Pfingsten, dieses Fest I. Klasse, doch sowohl HOCHFEST DES HEILIGEN GEISTES wie auch GEBURTSTAG/GEBURTSSTUNDE DER (WELT-)KIRCHE wie auch BEGINN DER WELTMISSION genannt.
Damit begegnet uns eine enorme inhaltliche Zusammenballung!
Es gibt natürlich weiterhin im liturgischen Jahreskreis den eigenen WELTMISSIONSSONNTAG (siehe Gedanken zur Woche 32). Hingeführt in vielfältiger Weise durch das Alte/Erste Testament kommt es im Neuen/Zweiten Testament zur Aussendung der ersten Jünger in die weite Welt, wie es in frühchristlichen Schriften angesprochen wird, in die vier Windrichtungen hinaus und von dort her zur Sammlung der einen Kirche. Gemäß dem Auftrag des Herrn ist die Kirche nicht gebunden an staatliche Grenzen oder eine bestimmte Staatsform. Durch die Befolgung des Missionsauftrages ist tatsächlich WELTKIRCHE entstanden. Alle Christinnen und Christinnen sind fortwährend aufgerufen, in Worten und Taten glaubwürdig Zeugnis abzulegen von Jesus Christus und der christlichen Botschaft.
Die sicher bekannteste Formulierung der Aussendung zur Mission finden wir am Ende des Matthäusevangeliums (Mt 28,18-20) mit dem Taufbefehl und der Herausstellung des zu bezeugenden Glaubens an die Allerheiligste Dreifaltigkeit von (GOTT) VATER, (GOTT) SOHN und (GOTT) HEILIGEM GEIST, oder, wie es in christlicher Überlieferung auch genannt wird, ERSTER, ZWEITER und DRITTER GÖTTLICHER PERSON.
Damit werden wir an dieser Evangeliumsstelle umso stärker hingeführt auf das christliche Pfingstfest, eben dem HOCHFEST DES HEILIGEN GEISTES wie des BEGINNS DER WELTMISSION, womit die GEBURTSSTUNDE von WELTKIRCHE verbunden ist.
Bemerkenswert ist, dass bei der Aussendung zur Weltmission am Ende des Matthäusevangeliums die Jünger aufgefordert werden „(28,20) und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe . . . .“ Es ist gerade dabei dieses Matthäusevangelium, in dem immer wieder auf das verwiesen wird, was heute meist das Alte/Erste Testament genannt wird. Eine besonders markante Stelle dazu findet sich in der Bergpredigt:
„(5,17) Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“
Der Bezug zu den Propheten und dem Gesetz der jüdischen Überlieferung wird dann noch stärker herausgestrichen:
„(5,18) Amen, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird kein Jota und kein Häkchen des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. (19) Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird große sein im Himmelreich.“
Gerade in der Pfarrgemeinde von Stein mit der Darstellung der Begegnung des auferstandenen Herrn Jesus Christus mit den Emmausjüngern am Hochaltar mag man sich vergegenwärtigen, dass auch ihnen gegenüber nach der Überlieferung des Lukasevangeliums wie dann noch in den anschließenden Versen desselben Evangeliums unmittelbar vor der Himmelfahrt ausdrücklich auf die Schriften des Alten/Ersten Testamentes Wert gelegt wird (siehe Gedanken zur Woche 56-b und 59-b).
Die Beziehung zum Judentum und der ganzen jüdischen Überlieferung wird auch in der neutestamentlichen (Ersten) Lesung zum Pfingstfest aus der Apostelgeschichte klar ausgesprochen, auch wenn dies sehr oft überhört bis verdrängt wird.
So ist dort die Rede von „(Apg 2,11) Juden und Proselyten“ und es wird erklärt „(2,5) In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel“. Die erwähnten Proselyten waren Menschen aus den Heidenvölkern, welche sich ganz konsequent mit der Übernahme aller einschlägigen Verpflichtungen dem Judentum angeschlossen hatten. Die frommen Männer waren solche Persönlichkeiten, welche dem Judentum nahestanden, oft die Synagoge besuchten und wohltätig waren, sich aber nicht im Sinne von Beschneidung und Gesetz (völlig) dem Judentum angeschlossen hatten.
Manche/r wunderte sich wohl, warum in der Lesung bereits die Rede ist, dass „(2,1) . . . der Tag des Pfingstfestes gekommen war“, so als habe es schon ein Pfingstfest vor dem christlichen Pfingstfest, der Geburtsstunde der Kirche, dem Beginn der Weltmission, gegeben. In der Tat gab es bereits ein Pfingstfest: das jüdische Pfingstfest!
Das jüdische Pfingstfest, Shavuot, feiert die Übermittlung der Thora, auch genannt die Fünf Ersten Bücher der (hebräischen) Bibel, an Mose am Berg Sinai. Dieses Ereignis wird als das wichtigste einzelne Ereignis der Geschichte des Volkes Israel angesehen (https://www.ifcj.org/learn/jewish-holidays/shavuot/what-is-shavuot-pentecost/ und https://mfa.gov.il/MFA/AboutIsrael/Spotlight/Pages/Shavuot-2020.aspx). Christen und Christinnen verbinden damit besonders die Mitteilung der Zehn Gebote (https://www.erzdioezese-wien.at/site/glaubenfeiern/christ/bibel/gedankenzumevangelium/article/74596.html).
Ganz allgemein kommt dem als Exodus bezeichneten Geschehen mit dem überlieferten Bundesschluss am Sinai zentrale Bedeutung zu (https://www.youtube.com/watch?v=h_UmuEBmS5k).
In dem Werk „Religiöses Recht als Referenz. Jüdisches Recht im rechtswissenschaftlichen Vergleich“ von Justus von Daniels (Tübingen 2009) können wir im Sinne der Untermauerung dessen, was am jüdischen Pfingstfest gedacht wird, lesen:
„Die Identität des Judentums nimmt ihren Ausgangspunkt mit einer göttlichen Offenbarung am Berg Sinai. Der biblischen Erzählung nach erhält Mose von Gott einen Katalog, der den Grundstein für die gesellschaftliche Ordnung des jüdischen Volkes und dessen spezifische Beziehung zu einem allumfassenden Gott legt. . . .
Der Bund des Volkes mit seinem Gott begründet die kulturelle und religiöse Identität des Judentums. Er ist Ausgangspunkt einer Religionsgemeinschaft, die ihr Verhältnis zu ihrem Gott maßgeblich über die Schrift definiert und er ist der Höhepunkt der göttlichen Erscheinung. . . .
Der Bund bildet den Grundstein der gesellschaftlichen Verfasstheit des jüdischen Volkes. Der Inhalt des Bundes wiederum besitzt in Form der Gebote maßgeblich einen rechtlichen Charakter“ (Seite 1-2).
Die vielfältige Bedeutung des christlichen Pfingstfestes wie die des jüdischen Pfingstfestes, eben genannt Shavuot, möge beim diesjährigen Hochfest wieder bewusst werden. Der Wortlaut des ersten Verses der Lesung aus der Apostelgeschichte weist uns dahin.
1. Lesung: Apg 2,1-11
2. Lesung: 1 Kor 12,3b-7.12-13 oder Gal 5,16-25
Evangelium: Joh 20,19-23 oder Joh 15,26-27; 16,12-15
Gedanken zur Woche 61-b, Dr. Matthias Martin
PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn in der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus eine Veranstaltung mit besonderem Bezug zum Wein stattfindet, wie es jetzt mit der Wiederaufstellung der Statue des als Weinpatron verehrten heiligen Urbans im Rahmen einer Festmesse geschieht, so ist das sehr beachtenswert. Zum einen ist ja die hiesige Gegend herausragend mit dem Wein verbunden, was sich im Vereins- und Veranstaltungswesen, wirtschaftlichen Aktivitäten bis ins Liedgut hinein zeigt. Denken wir da nur an die so oft aufgenommene inoffizielle Regionalhymne „Wachau, Wachau, du Träumerin“ (http://www.steinis-life-musik.com/wp-content/uploads/liedertexte/Wachaulied.pdf?boxtype=pdf&g=false&s=false&s2=false&r=wide ) von Professor Ernst Schandl, nach dem eigens der Platz bei der heutigen „Danube Private University/DPU“ (umgangssprachlich Zahnmedizin/-universität) benannt ist.
Der Wein spielt generell in der jüdisch-christlichen Gesamtüberlieferung, in und für die Kirche eine enorme Rolle. Immer wieder kommt Wein oder ein Begriff in Zusammenhang mit Wein wie Weinberg, Weinpresse, Rebe oder Rebzweig in der Bibel vor. Auch in der klassischen Literatur außerhalb der Bibel hat der Wein seinen festen Platz.
In der Bibel beginnt es schon im ersten Buch, dem Buch Genesis, und zieht sich durch bis ins letzte Buch der Bibel, der (Geheimen) Offenbarung, auch genannt Offenbarung des Johannes oder Buch der Apokalypse. Dabei werden schon im Buch Genesis mit Stammvater Noah und im Buch Jesus Sirach mit seinem Ehrennamen Ecclesiasticus vor übermäßigem Weinkonsum gewarnt (siehe auch Gedanken zur Woche 29). Es gilt ja immer im menschlichen Leben, dass es auf das richtige Maß, auf die im guten Sinne differenzierte Anwendung ankommt.
Ganz einfach ist es auch nicht mit der Eindeutigkeit beim heiligen Urban als Weinpatron. Hier gibt es gleich zwei „Kandidaten“. Der erste ist der von 222 bis 230 als Bischof von Rom amtierende Papst Urban I. Der hatte sich unter anderem mit dem Gegenpapst Hippolyt auseinanderzusetzen. Wie Urban I. so hat es auch der langjährige Gegenpapst Hippolyt ins Heiligenverzeichnis geschafft (siehe Gedanken zur Woche 22-b)!
Umso weniger muss es da anfechten, dass als Weinpatron mitunter ein weiterer Urban gehandelt wird, der im 4. Jahrhundert als Bischof im Römischen Reich wirkende und manchmal Urban von Langres genannte Heilige.
Ein besonders umstrittener Urban, der ohndehin nicht als Seliger oder Heiliger anerkannt ist, ist der von 1088 bis 1099 vor allem nach eigener und seines Anhangs Meinung als Papst amtierende Urban II. In Zusammenhang mit ihm mögen wir uns vergegenwärtigen, dass der prominente Experte für Papstgeschichte Georg Schwaiger in der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK, (Band 7, Beitrag Papstliste, 1346) mahnt:
„Der Kirchenhistoriker muß darauf verzichten, die Zahl der zweifellos `rechtmäßigen` Päpste genau festzulegen, weshalb in der folgenden Liste auf eine fortlaufende Zählung verzichtet wird. Zuweilen muß offenbleiben, ob der einzelne Papst den Päpsten od den Gegenpäpsten od keiner der beiden Kategorien zuzurechnen ist. Diese Schwierigkeit gründet v a darin, daß streckenweise keine völlig eindeutige, allg Übereinstimmung darüber auszumachen ist, unter welchen Umständen Wahl u Weihe des Bf v Rom – od auch dessen Pontifikatsende – gültig waren. Einsetzung u Entfernung zahlrPäpste sind unter irregulärer Einwirkung (teilweiser weltl Kräfte) erfolgt.“
Im Verlaufe meines Studiums stieß ich wiederholt, in Wort und Schrift, auf die Position, dass der heutzutage insbesondere seitens der offiziellen Kirchenhierarchie/Amtskirche lediglich als „Gegenpapst“ betrachtete Clemens III. mit seiner Amtszeit von 1084 bis 1100 zumindest einige Jahre lang als rechtmäßiger Papst gewirkt habe. Es ist unbestritten, dass über Jahre hinweg dieser Clemens III. und nicht sein besonders hartnäckiger Kontrahent Urban II., jetzt eben „offiziell“ als Papst anerkannt, über den größten Teil Roms bis über die ganze Stadt verfügte und dort sogar eine große Synode abhalten konnte.
Dies verdient Beachtung, da bei einer strittigen Papstwahl, bei unklarem Verhältnis, wer denn Papst sei, nach alter kirchlicher Überlieferung zu gelten habe, dass der rechtmäßiger Papst sei, welcher durch den örtlichen Klerus und das Kirchenvolk von Rom anerkannt werde. Mitunter wurde seit dem II. Vatikanischen Konzil diese Grundposition angeführt in den Auseinandersetzungen mit sedesvakantistischen Positionen und Gruppen samt Anhängern von für sich besonders bedeutungslosen zeitgenössischen Gegenpäpsten, mit ihren Versuchen, zumindest etwas mediale Aufmerksamkeit zu gewinnen. Gemeinsam ist all diesen Splittergrüppchen und Einzelpersonen, dass sie den jeweils allgemein anerkannten Papst, also ab einem gewissen Zeitpunkt der neuesten Geschichte, den tatsächlichen Chef im Vatikan nicht anerkennen. Zugespitzt wird diese Argumentation insbesondere zugunsten der tatsächlichen Päpste mit der mitunter angeführten Aussage, dass derjenige, also zurzeit Papst Franziskus, rechtmäßiger Papst sei, der die erste aller Kirchen weltweit und Bischofskirche von Rom, die Lateranbasilika innehabe. All dies galt bemerkenswerterweise für eine Reihe von Jahren bei dem heute landläufig meist nur als „Gegenpapst“ angesehenen Clemens III. anstelle von Gregor VII. und seiner Nachfolger Viktor III. und dann eben Urban II. So einfach mit des letzteren Ansprüchen auf das Papstamt war es also nicht. Dass der Vorgänger in seiner Papstlinie, Viktor III., als Konkurrent von Clemens III. keine unangefochtene Position innehatte, wird auch von Stephan Vajda in seinem Buch „Die Babenberger. Aufstieg einer Dynastie“ (Wien 1986, Seite 62-63) bekräftigt: „Der neue Papst der gregorianischen Partei, Viktor III., der frühere Abt von Monte Cassino, kann gegen Heinrich IV. nichts ausrichten, denn der Papst des Königs und Kaisers, Clemens IIII. sitzt in Rom fest auf dem Stuhl Petri.“ Anschließend wird von Clemens III. als den „römischen“ Papst gesprochen, von Viktor III., dem unmittelbaren Vorgänger in der Papstlinie des nachfolgenden Urbans II. eben nur als „des in Monte Cassino unter dem Schutz der Normannen agierenden Viktor III.“. Findet man die Einstufung Clemens III. als des in jenen Jahren zu Rom als tatsächlichen Papst amtierenden Papstes bis in englischsprachige YouTube-Dokumentationen hinein, so heißt es bei Martin Kaufhold „Die Kreuzzüge“ (Wiesbaden ⁴ 2013, Seite 39) für die folgenden Jahre bezüglich Urbans II.: „Seit 1093 gewann er Clemens III. gegenüber an Boden, aber unbestrittener Kopf der Christenheit war er nicht.“
Einfach mit Kirchenoberhäuptern mit dem Namen „Urban“ war es also wiederholt nicht. Die Kirche hat es überstanden. So dürfen wir uns heutzutage umso mehr freuen an der Rückkehr der Urbanstatue in die Pfarrkirche von Stein und an der Weinkultur gerade der hiesigen Gegend.
Gedanken zur Woche 60, Dr. Matthias Martin
7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2021)
Worte wie Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit erfreuen sich gerade heutzutage großer Beliebtheit. Man begegnet ihnen am Finanzmarkt wie in der Parteipolitik immer wieder. Ein leichtfertiger Verbrauch von Ressourcen und erst recht ein Strohfeuereffekt in dieser und jener Hinsicht solle vermieden werden. Zumindest verspricht irgendjemand, sich in diesem Sinne eben um Nachhaltigkeit, um Verlässlichkeit kümmern zu wollen.
Dabei stellt sich diese Herausforderung ernsthaft gerade aber schon für das entstehende Christentum. Nach menschlichem Ermessen drohte die Gefahr, dass sich die kleine Schar der Jünger verlaufen oder im Rahmen eines Stagnationsprozesses irgendwann aussterben würde. Dass die Anhängerschaft einer charismatischen Führungsgestalt sich recht rasch wieder auflösen konnte, macht die mahnende Rede des offensichtlich hochgeachteten Gesetzeslehrlehrers Gamaliël im jüdischen Hohen Rat damals im Jerusalem deutlich, wie sie uns die Apostelgeschichte überliefert (Apg 5, 34-39).
Stabilität, Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit hängt gerade vom Personal ab. Ausdrücke wie „Kaderfrage“ und „Kaderpersonal“ finden wir sowohl im Sport, etwa in Hinblick auf Profifußballmannschaften, wie in der Politik, wenn es um Parteien sowie gegebenenfalls um paramilitärische Aktivitäten beziehungsweise Formationen geht.
Ein Kaderproblem eigener, sehr drastischer Art hatte das entstehende Christentum gerade bezüglich des Apostelkreises. Die durch die neutestamentlichen Evangelien überlieferte dreifache Verleugnung Jesu Christi durch Petrus am Abend der Verhaftung zu Gründonnerstag hat einen ziemlichen Bekanntheitsgrad. Einen wohl noch höheren hat der Verrat des ebenfalls zum Kreis der Apostel gehörenden Judas an Jesus, der seinen kulturellen einschließlich sprachlichen Niederschlag fand (siehe Gedanken zur Woche 33-b).
Im Evangelium für den Siebten Sonntag der Osterzeit, in diesem Jahr nach der bei uns üblichen Leseordnung B, ist es offensichtlich dieser Apostel Judas, der als „Sohn des Verderbens“ bezeichnet wird (Joh 17,12c). In der Lesung aus der Apostelgeschichte wird berichtet, Petrus habe vom Verrat des Judas gesprochen und davon, dass nun für diesen im Apostelkreis ein Nachfolger bestimmt werden müsse. Personelle Beständigkeit, eine schon zumindest ansatzweise erkennbare strukturelle Nachhaltigkeit, war also angesagt.
Die Wahl letztlich durch Los fiel auf Matthias. Der heilige Matthias ist gerade mit der hiesigen Gegend in hervorstechender Weise verbunden. Im Förthof befindet sich die beeindruckende Förthofkapelle, die so vielen Menschen lieb und teuer ist. Der Überlieferung nach ist der heilige Matthias der einzige Apostel, welcher mit Trier im deutschen Sprachraum und da in dessen Hauptbereich seine letzte Ruhe fand.
Bei den liturgischen Veränderungen Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts verblieb für den deutschen Sprachraum beziehungsweise im Deutschen Messbuch der 24. Februar als der Festtag des heiligen Apostels Matthias, während dieser sonst auf den 14. Mai verschoben wurde (siehe auch Gedanken zur Woche 50-b). Es bleibt zu hoffen, dass nach dem Abklingen der COVID-19-Pandemie Menschen wieder verstärkt zur Förthofkapelle in Stein wie zum heiligen Matthias in Trier finden.
Verlässlichkeit, Nachhaltigkeit, das Erbringen guter Früchte ist ja gerade beim kirchlichen Personal eine dauernde Herausforderung. Da mögen die zugegebenermaßen heftigen Worte aus dem neutestamentlichen Judasbrief in den Sinn kommen, welcher dem anderen Apostel mit dem Namen Judas, nämlich Judas Thaddäus, zugeschrieben werden und nicht dem Verräter, genannt Judas Iskariot. In diesem nur in Verse und nicht Kapitel unterteilten ganz kurzen Schreiben im Neuen/Zweiten Testament heißt es regelrecht deftig mit Blick auf offensichtliches Fehlverhalten von Teilnehmern am Gemeindeleben:
„(12) Diese sind die Schandflecken bei euren Liebesmählern: Ohne Scheu prassen sie mit euch und weiden nur sich selbst. Wasserlose Wolken sind sie, von den Winden dahingetrieben; Bäume, die im Herbst keine Frucht tragen, zweimal abgestorben und entwurzelt; (13) wilde Meereswogen, die ihre eigene Schande wie Schaum aufspritzen lassen; umherirrende Sterne, denen auf ewig die dunkelste Finsternis bestimmt ist.“
Die Bewährung im Alltag war also schon in neutestamentlicher Zeit eine echte Herausforderung, worauf uns auch die Mahnungen und Klagen des Apostels Paulus, des Jakobusbriefes und Aussagen in der Apostelgeschichte hinweisen.
Von Jerusalem mit dem Apostelkreis und den anderen Jüngern und auch den im Neuen/Zweiten Testament und der kirchlichen Überlieferung so stark bezeugten Frauen ausgehend konnte sich dann das Christentum ausbreiten. Das bevorstehende Pfingstfest gilt nicht umsonst als Beginn der Weltmission und als Geburtsstunde der Weltkirche. Die Jünger haben sich dieser unglaublichen Herausforderung gestellt. Wie schon die Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes deutlich machen, haben sich die kirchlichen Handlungsträger schon von Jerusalem aus darauf einzustellen gehabt. Denken wir nur an die Berufung der ersten Diakone (siehe Gedanken zur Woche 58-b) und die dabei schon damals erkennbare Auffächerung kirchlichen Wirkens in verschiedene Tätigkeitsbereiche.
In den verschiedenen neutestamentlichen Schriften werden dann immer wieder das Vorhandensein, die Bestellung und Tätigkeiten kirchlicher Amtsträger, christlicher Akteure und Akteurinnen erwähnt. Die allmähliche Ausbreitung des Christentums und die diesen Vorgang tragenden Strukturen werden sichtbar.
In den Zeiten, die manchmal das Frühchristentum, im betreffenden Zusammenhang mitunter die Zeit der Apostolischen Väter, die Zeit der frühchristlichen Märtyrer und dergleichen genannt wird, gingen organisatorische Fortentwicklung und Festigung des Christentums weiter. Kirchliche Dienste gestalteten sich aus und die Zahl kirchlicher Niederlassungen nahm zu. Da dafür eine relevante Anzahl verlässlicher Anhänger und Anhängerinnen, Aktivisten und Aktivistinnen, vorhanden waren, konnte diese Dynamik auch nicht etwa durch römische Christenverfolgungen gebrochen werden.
1. Lesung: Apg 1,15-17.20a.c-26
2. Lesung: 1 Joh 4,11-16
Evangelium: Joh 17,6a.11b-19
Gedanken zur Woche 60-b, Dr. Matthias Martin
7. OSTERWOCHE (2021)
Nach der jetzt bei uns üblichen liturgischen Ordnung wird in der Siebten Osterwoche neben anderen des heiligen Christophorus Magellanes und Gefährten gedacht. Diese gehören zur großen Schar von Menschen, die während der Kirchenverfolgung in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Mexiko den Märtyrertod starben. Wie etwa bei den Märtyrerinnen und Märtyrern der japanischen Katholikenverfolgung (siehe Gedanken zur Woche 47-b), denen römischer Christenverfolgungen (siehe Gedanken zur Woche 42-b) sowie englischer/britischer (siehe Gedanken zur Woche 34) und weiterer Verfolgungen stellen solche offiziell heiliggesprochenen Märtyrer(innen) nur eine kleine Auswahl, gewissermaßen die besonders gut dokumentierte Spitze des Eisberges, dar.
Das Gedenken an den heiligen Christopherus Magellanes und seine Gefährten verdeutlicht, dass auch in als traditionell katholisch angesehenen Ländern Lateinamerikas es schon längst Schwierigkeiten bis hin zu offenen Verfolgungen gegen die katholische Kirche gab. Die bereits im 19. Jahrhundert stattfinden Unterdrückungsmaßnahmen gegen die katholische Kirche in Mexiko bildeten den Hintergrund für jenen Bürgerkrieg in Mexiko, den Frankreich im Zusammenwirken mit Großbritannien und Spanien zum Vorwand für seine militärische Intervention in Mexiko samt Ausrufung Maximilians aus der Dynastie der Habsburger zum Marionettenkaiser nahm. Dessen Abenteuer in Mexiko endete mit seiner Hinrichtung.
Richtig eskalierte die Situation gegen die katholische Kirche dann ab etwa 1915 mit Unterstützung des auch sonst etwa wegen seines offenkundigen Rassismus gegen Afroamerikaner heftig kritisierten US-Präsidenten Woodrow Wilson. Zusehends wurde in den zwanziger Jahren mit offener Brutalität gegen kirchentreue Katholikinnen und Katholiken vorgegangen. In Band VII der ersten Auflage des Lexikon für Theologie und Kirche/LThK von 1935 beispielsweise finden sich im Artikel von Joseph Schmitz über Mexiko, Abschnitte 151-155, deutliche Formulierungen mit Worten wie „Verfolgungszeit“, „Vernichtungskampf gegen die Kirche“, „die antirelig Gesetze“, „grausamen Martern u selbst Tötung“ und „mexikan Märtyrern". Deutlich auch die Formulierungen im Abschnitt über mexiko von Félix Zubillaga in Band VII des von Hubert jedin und Konrad Repgen herausgegeben Handbuchs der Kirchengeschichte (Seiten 758-762): "Kirchenverfolgung", "Neue Verfolgung", "Katakomben und Märtyrer", "Bilanz der Verfolgung".
Natürlich hat die Kirche offen und wiederholt gegen die Verfolgungen protestiert und versucht, so etwas wie das Weltgewissen aufzurütteln. Der von 1922 bis 1939 amtierende Papst Pius XI. schrieb eigene Enzykliken über die Verfolgung in Mexiko:
Am 18. November 1926 erschien mit „Iniquis afflictisque“ die erste dieser hochrangigen päpstlichen Dokumente (http://www.vatican.va/content/pius-xi/en/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_18111926_iniquis-afflictisque.html).
Am 29. September 1932 folgte „Acerba animi“ (http://www.vatican.va/content/pius-xi/en/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_29091932_acerba-animi.html).
Abgerundet wurde dies durch eine dritte Enzyklika: „Firmissimam constantiam“ oder „Nos es muy conocida“ am 28. März 1937 (http://www.vatican.va/content/pius-xi/en/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_28031937_nos-es-muy-conocida.html).
Wie verhielt sich nun die Weltgemeinschaft? Gab es spätestens nach der ersten so deutlichen Papstenzyklika einen Aufschrei der Empörung mit demonstrativer Hilfe für die verfolgten Katholiken und heftigen Sanktionen gegen die mexikanische Regierung? Kam es nach der zweiten deutlichen päpstlichen Enzyklika vielleicht zu bewaffneten humanitären Intervention der durch die sogenannten Friedensverträge zum Abschluss des I. Weltkrieges und das Washingtoner Flottenabkommen anerkannten Großmächte Großbritannien, USA, Frankreich, Japan und Italien? Weit gefehlt, ganz weit gefehlt! Das Schicksal der mexikanischen Katholikinnen und Katholiken interessierte nicht. Den Papst ließ man demonstrativ im Regen stehen. Es war ein deutliches Zeichen, welche Unterstützung von handlungsmächtiger Seite, von Großmächten etwa, die katholische Kirche und speziell der Papst erwarten konnte, wenn es um den Widerstand gegen krasses Unrecht einschließlich um den Tatbestand des Massenmordes an Katholiken ging. Von automatischer Solidarität mit katholischer Kirche und Papsttum, von der mitunter phantasiert wird, war schon gar nichts zu verspüren. Dabei hatten es Papst Pius XI, Bischöfe und Laienvertreter/-innen ihrerseits nicht an Deutlichkeit gegen das Unrechtsregime in Mexiko fehlen lassen.
Ähnliches ereignete sich bei der Auseinandersetzung des Heiligen Stuhles mit dem faschistischen Italien unter Benito Mussolini. So bezog schon in seiner Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ vom 15. Mai 1931 Pius XI. auch Stellung gegen die Verhältnisse im damaligen Italien (http://www.vatican.va/content/pius-xi/en/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_19310515_quadragesimo-anno.html). In der vom Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands/KAB herausgegebenen Sammlung „Texte zur katholischen Soziallehre“ werden die einschlägigen Abschnitte in der sechsten Auflage auf den Seiten 125 bis 127 überschrieben „Kritik am faschistischen Korporativstaat“. Es war nicht die einzige gegen die Politik der faschistischen Führung Italiens gerichtete päpstliche Stellungnahme. Diese reagierte mit verstärkten Repressionen, gegen die Pius XI. eigens Stellung bezog. Am 29. Juni 1931 veröffentlichte er mit „Non abbiamo bisogno“ eigens eine Enzyklika (http://www.kathpedia.com/index.php?title=Non_abbiamo_bisogno_(Wortlaut) und http://www.vatican.va/content/pius-xi/en/encyclicals/documents/hf_p-xi_enc_29061931_non-abbiamo-bisogno.html), in welcher er umfangreich das faschistische Herrschaftssystem angriff.
Was taten Großmächte wie Großbritannien, Frankreich und die USA?
Alle setzten ihre Zusammenarbeit mit dem faschistischen Italien fort! Für den Papst gab es keine Unterstützung! Das damals noch so mächtige Frankreich setzte sogar sein berüchtigtes Kolonialabkommen mit Italien fort, auch die in den folgenden Jahren amtierenden linkensgeführten Regierungen samt der „Volksfrontregierung“ von 1936 bis 1937.
Großbritannien hielt Italien unter anderem den für dessen Kolonialpolitik im östlichen Afrika lebenswichtigen Suezkanal offen. Ebenso blieb seitens Frankreich und Großbritannien der Golf von Aden offen. Dies offene Kumpanei mit dem faschistischen Regime Italiens wurde während des italienischen Eroberungskrieges gegen Äthiopien, auch genannt Abessinienkrieg, ab 1935 fortgesetzt. Noch 1938 boten Großbritannien und Frankreich in Zusammenhang mit der Sudetenkrise und dem Münchner Abkommen dem faschistischen Diktator Mussolini die Möglichkeit, sich als (Friedens-)Vermittler aufzuspielen.
In Zusammenhang mit der päpstlichen Kritik am faschistischen Regime und dem ganzen damit verbundenen Konflikt war auch nichts von US-Solidarität mit dem Heiligen Stuhl oder einem Konfrontationskurs gegen die italienische Führung zu spüren.
Der Papst konnte hier wie dort offenherzige Enzykliken schreiben und heftige diplomatische Proteste versenden, es konnten wie in Mexiko ganz offenkundig Katholiken das Martyrium erleiden, betreffenden Großmächten war dies egal. Auch sonst ließ man den Heiligen Stuhl gerne im Regen stehen, wenn man der katholischen Kirche nicht eh gezielt zumindest Schwierigkeiten machte.
Gedanken zur Woche 59, Dr. Matthias Martin
6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2021)
Es lohnt sich tatsächlich, immer wieder einen Blick auf die sogenannten sieben katholischen Briefe des Neuen/Zweiten Testaments zu werfen (1. bis 3. Johannesbrief, 1. und 2. Petrusbrief, Judas- und Jakobusbrief). In diese Richtung werden wir eigens durch die bei uns derzeit übliche Leseordnung gewiesen. So stehen auch am Sechsten Sonntag der Osterzeit in diesem Lesejahr B Verse aus dem 1. Johannesbrief als zweite Lesung auf dem Programm. Erleichtert wird dies natürlich dadurch, dass dieser 1. Johannesbrief immerhin über fünf Kapitel verfügt und damit nicht wie die ebenfalls zu den sogenannten katholischen Briefen gehörenden 2. und 3. Johannesbrief und Judasbrief sowie der zu den Paulusbriefen gezählte Philemonbrief so kurz wäre, dass er über keine eigene Kapiteleinteilung verfügte (siehe Gedanken zur Woche 50 und 33-b).
Wie auch an anderen Stellen des Ersten Johannesbriefs wird hier der Blick auf die Liebe als die Erste der christlichen Grundtugenden, dem christlichen Grundgebot, gerichtet. Dies geschieht sehr klar ja auch im vorliegenden Sonntagsevangelium. Denken wir dabei daran, dass Jesus von Nazaret auf die Frage, was vom ganzen jüdischen Gesetz das Wichtigste sei, mit dem doppelten Liebesgebot antwortet. Es ist dies die Kombination von Aussagen aus den Fünf Bücher Mose, auch genannt Pentateuch oder Thora, nämlich aus dem Deuteronomium und Levitikus. Allein schon mit diesem doppelten Liebesgebot spannt sich ein eigener Bogen von den ersten Büchern des Alten/Ersten Testaments hin zu den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas.
Die Stelle im 13. Kapitel des Ersten Korintherbriefs, in welcher, die Liebe als größte der drei christlichen Grundtugenden noch vor Glauben und Hoffnung gepriesen wird, ist vielen Menschen vertraut, wird diese Stelle doch gerade bei Trauungen sehr gerne vorgetragen.
In der jetzigen zweiten Lesung wird der ganz starke, zentrale Zusammenhang von Liebe und Gott, die zentrale Stellung der Liebe im christlichen Gottesverständnis herausgestellt. Heißt es doch als Teil des achten Verses im vierten Kapitel nach der neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung und dem auf seiner Grundlage herausgegebenen Lektionar:
„(4,8) Gott ist Liebe“
In der älteren Ausgabe der Einheitsübersetzung und dem in Zusammenhang mit ihr herausgegebenen Schott-Messbuch und jeweiligem Lektionar lautet diese Stelle:
„(4,8) Gott ist die Liebe“
Auch in dem Kommentarwerk „Die Johannesbriefe. Übersetzt und erklärt von Johannes Beutler (Regensburger Neues Testament, Regensburg 2000) heißt der betreffende Versteil „Gott ist Liebe“ (Seite 105). Bemerkenswert, was es dazu in den Erläuterungen heißt: „Die Aussage ›Gott ist Liebe‹ ist vielleicht das Tiefste, was das Christentum auszusagen hat. Sie führt über die (strukturell parallele) Aussage ›Gott ist Licht‹ noch hinaus und ist innerhalb der Bibel analogielos“ (Seite 109).
Darauf, dass Gott Liebe ist („God is love“) besteht denn auch die als Sympathieträgerin, ja als so etwas wie die Heldin dargestellte engagierte Katholikin Natalia Rivera Aitoro in ihrer deutlichen Diskussion mit ihrem auf seine Weise pflichtbewussten Pfarrer im Rahmen der 72 Jahre lang ausgestrahlten Unterhaltungsserie „Guiding Light“ beziehungsweise „Springfield Story“, die immerhin unter anderem den Ehrentitel „Längste Serie aller Zeiten“ erlangte.
Erst recht soll unsere eigene Liebe zu Gott und den Menschen, also die Gottes- und Nächstenliebe, beständig, ja unerschütterliche sein. Über wahre Liebe im christlichen Sinne heißt es im Ersten Korintherbrief „(13,4) Die Liebe ist langmütig. . . “ und „(13,8) Die Liebe hört niemals auf . . .“.
Im ebenfalls neutestamentlichen Kolosserbrief können wir lesen:
"(Kol 3,14) Vor allem bekleidet euch mit der Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist! (15) Und der Friede Christi triumphiere in euren Herzen. Dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes . . . “.
In eine Richtung mit dem doppelten Liebesgebot der Gottes- und Nächstenliebe weisend, werden die so zentralen Zehn Gebote gerne auf zwei Gesetzestafeln abgebildet. Solches ist auf der neugotischen Kanzel in der Pfarrkirche von Stein und auf einer dortigen Altardecke zu sehen. Auch hier werden die drei ersten Gebote mit der ersten Gesetzestafel als wesentlich für die richtige Beziehung zu Gott, die sieben folgenden Gebote auf der zweiten Gesetzestafel als wesentlich für die gute Beziehung zu den Mitmenschen präsentiert.
Wesentlich ist natürlich auch die sogenannte Goldene Regel. In ihrer formal negativen Formulierung finden wir sie bereits im alttestamentlichen Buch Tobit:
„(Tob 4,15) Was du hasst, das tu niemand anderem an!“
Bemerkenswert ist dabei, dass sich im vorhergehenden Vers ähnlich wie gerade im 24. Kapitel des Buches Deuteronomium, im Pentateuch, der Thora also (siehe Gedanken zur Woche 58), bereits eine deutliche Sozialregelung, eine Thematisierung von Arbeitnehmerrechten, findet:
„(Tob 4,14) Gib jedem Menschen, der bei dir arbeitet, noch am selben Tag seinen Lohn! Niemandes Lohn soll über Nacht bei dir bleiben! Auch dein Lohn wird dann gewiss nicht über Nacht liegen bleiben, wenn du Gott in Wahrheit dienst. Gib Acht auf dich, Kind in allem, was du tust, und erweise dich wohl erzogen in deinem ganzen Verhalten!“
Die Goldene Regel wurde und wird nicht umsonst in der jüdischen Überlieferung gepflegt, bis in den modernen Staat Israel hinein. Die positive Formulierung der Goldenen Regel finden wir eigens im Neuen/Zweiten Testament mehr als einmal.
1. Lesung: Apg 10,25-26.34-35.44-48
2. Lesung: 1 Joh 4,7-10
Evangelium: Joh 15,9-17
Gedanken zur Woche 59-b, Dr. Matthias Martin
6. OSTERWOCHE einschließlich HOCHFEST von der HIMMELFAHRT CHRISTI/CHRISTI HIMMELFAHRT (2021)
Immer, wenn die Kirche ein Hochfest, ein Fest I. Klasse, begeht, werden wir auf zentrale Inhalte christlicher Überlieferung, auf wesentliche Punkte unverfälschten christlichen Selbstverständnisses hingewiesen. Das ist natürlich auch beim Hochfest von CHRISTI HIMMELFAHRT der Fall. Der auferstandene Herr Jesus Christus nahm hier auf Erden Abschied von den Jüngern, nicht ohne ihnen in sehr komprimierter Weise ihren Auftrag zu verdeutlichen.
So teilt er laut dem auf uns gekommenen Text des Markusevangeliums, von dem die Verse 15 bis 20 des Kapitels 16 nach dem bei uns üblichen Leseplan dieses Jahr zum Vortrag beim Hochfest vorgesehen sind, den Jüngern unter anderem mit:
„ (15). . . Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! (16) Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden.“
Bekannter sind wohl die Verse am Ende des Matthäusevangeliums, auch „Matthäus/Matthäi am Letzten“ genannt:
„(28,19) Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (20) und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Eine eigene Akzentsetzung finden wir bei Lukas. Dort werden die Jünger darauf hingewiesen, „(24,44) . . . was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen“ über ihn geschrieben steht und ihnen darauf der „(24,45) „ . . . Sinn für das Verständnis der Schriften“ eröffnet. Der Bezug zu dem, was wir heute gerne das Alte oder das Erste Testament nennen, ist also besonders augenfällig, ja drängend, ins Auge springend. Dies mag an die Begegnung des Auferstandenen mit den Emmausjüngern erinnern, von der im selben Kapitel des Lukasevangeliums vorher berichtet wird. In seinem Namen werde man dazu „(Lk 24, 47) allen Völkern Umkehr verkünden, damit ihre Sünden vergeben werden. Angefangen in Jerusalem“.
Die weltweite Ausrichtung des Verkündigungsauftrages wird also offenkundig. Anders als damals oftmals noch bei religiösen Überlieferungen und damit verbundenen Praktiken üblich, sollte sich das Christentum nicht auf eine Volksgruppe, einen staatlichen Bereich oder eine Region beschränken. In diese Richtung wurden Menschen schon mit Aussagen im Alten/Ersten Testament (siehe Gedanken zur Woche X-b) sowie sowohl geistigen wie praktischen Entwicklungen im antiken Judentum hingeführt. Dieses umfassende Selbstverständnis wird eigens in der Selbstbezeichnung der Katholischen Kirche deutlich. „Katholisch“ heißt ja so viel wie „allumfassend“ oder „allgemein“.
Auch inhaltlich sollen die Verkündigung der Lehre Christi und die davon nicht zu trennende Verwirklichung guter Werke, das Vollbringen guter Taten, umfassend sein. Im Laufe der Zeit entstand in der Theologie die Ausdifferenzierung in Glaubenslehre und Sittenlehre/Moraltheologie. Gerade aus dieser entwickelte sich die (Katholische/Christliche) Soziallehre und insbesondere von ihr ist das Kirchenrecht nicht zu trennen. Für den gesamten Bereich der Moraltheologie und (Katholischen/Christlichen) Soziallehre erschienen seitens des kirchlichen Lehramtes sowohl eher theoretische Schreiben, so die berühmten Sozialenzykliken „Rerum Novarum“ aus dem Jahre 1891 von Papst Leo XIII. und von Papst Pius XI. aus dem Jahre 1931 „Quadragesimo anno“, als auch betont praktisch orientierte. Der vor allem als Friedenspapst gerühmte Benedikt XV. verfasste etwa zwei Enzykliken für die Hilfe zugunsten mitteleuropäischer Kinder nach Ende des I. Weltkrieges, 1919 die Enzyklika „Paterno iam diu“ und 1920 „Annus iam plenus“. Eigene Bedeutungen gewannen päpstliche Stellungnahmen gegen das Verbrechen und Elend der Sklaverei (Siehe Gedanken zur Woche 26-b).
Gerne sind aber Menschen an so etwas Kurzformeln für ein christliches Leben interessiert.
Die einzelne Christin, der einzelne Christ ist umso mehr eingeladen, sich etwa immer wieder bewusst an den Zehn Geboten auszurichten. Die Goldene Regel wird uns in ihrer formal negativen Formulierung ja bereits im alttestamentlichen Buch Tobit geboten. Die positive Formulierung der Goldenen Regel wird uns gleich zweimal im Neuen/Zweiten Testament geboten. So heißt es im Lukasevangelium:
„(6,31) Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen!“
Im Matthäusevangelium können wir lesen:
„(7,12) Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten.“
Deutlich wird wieder einmal, dass wir als Christinnen, Christen das Alte/Erste Testament nicht aus den Augen verlieren sollen. So finden sich bereits in den Fünf Büchern Mose, auch genannt die Thora oder auch der Pentateuch, die Zehn Gebote und eine ganze Reihe von Aussagen zu moralischem, ethisch-sozialem Verhalten. Im Neuen/Zweiten Testament wird wiederholt auf das „Gesetz“, „Mose und die Propheten“ und dergleichen hingewiesen.
In der kirchlichen Überlieferung werden uns verschiedene Anregungen geboten, die christliche Botschaft in unserem Leben zu verwirklichen. Unter den ganz knapp gefassten Formulierungen sind die Liste der „sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit“ und der „sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit“. Natürlich wird empfohlen, die drei christlichen Grundtugenden zu pflegen, die da sind Glaube, Hoffnung und als größte unter ihnen die Liebe. Wie das doppelte Liebesgebot Jesu im Neuen/Zweiten Testament als Verbindung von Aussagen aus der Thora verdeutlicht, geht es um die Gottesliebe und die Nächstenliebe. In der Überlieferung wird auch hingewiesen auf die sogenannten Kardinaltugenden von Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung.
Gedanken zur Woche 58, Dr. Matthias Martin
5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2021)
Das Sonntagsevangelium für den Fünften Sonntag der Osterzeit in diesem Jahr nach der bei uns üblichen Leseordnung ist aus den sogenannten Abschiedsreden des Johannesevangeliums genommen. Diesen Abschiedsreden wird von nicht wenigen Menschen besondere Aussagekraft für das christliche Selbstverständnis zugebilligt, es wird die Meinung vertreten, in diesen Kapiteln des Johannesevangeliums werde komprimiert und eindrücklich formuliert, was das Christentum wirklich ausmacht.
Nützlich für das Verständnis des jeweiligen Teils dieser Abschiedsreden wie natürlich auch der anderen Teile der Bibel sind seriöse Geschichtskenntnisse, ein zumindest ansatzweises Vertrautsein mit den den historisch-kulturellen Hintergrund betreffenden Formulierungen. So mahnte der heilige Papst Pius X. recht scharf, dass gute Geschichtskenntnisse wie Kenntnisse in Philosophie unverzichtbar für die Theologie und damit verbundenes kirchliches Wirken seien. Das Konzil von Trient beschäftigte sich schon im 16. Jahrhundert eingehend mit der Ausbildung von Theologen und im 20. Jahrhundert verabschiedete das II. Vatikanische Konzil ein eigenes Dekret über die Priesterausbildung. Auch sonst waren etwa für die Päpste und Heilige die Aus- und Fortbildung von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer wieder gewichtige Anliegen.
Sie ist bei der gleichnishaften Rede Jesu von ihm selbst als dem wahren Weinstock, Gott Vater als dem Winzer, den Jüngern als den Reben und dem Fruchtbringen zu bedenken, dass bis zur Industriellen Revolution die allermeisten Menschen in Bereichen der Landwirtschaft einschließlich eben dem Weinbau tätig waren. Es wird davon ausgegangen, dass dies für vier von fünf Menschen galt. Überhaupt sind Gleichnisse im Neuen/Zweiten Testament immer wieder aus dem Bereich der Landwirtschaft einschließlich Weinbau genommen.
Dass es beim Christsein, bei der Beziehung zu Jesus Christus, nicht einfach um schöne Worte, sondern um die praktische Bewährung im täglichen Leben, um das Erbringen guter Früchte, geht, wird schon in dem Kapitel unmittelbar vor dem 15. Kapitel des Johannesevangeliums angesprochen, wenn es u.a. heißt: „(14,15) Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“. Um solch praktische Bewährung im christlichen Leben geht es auch in der Zweiten Lesung für den Fünften Sonntag der Osterzeit, wenn gemahnt wird „seine Gebote halten und tun, was ihm gefällt“ (1 Joh 3,22) sowie „einander lieben, wie es seinem Gebot entspricht“ (3,23). Ganz wesentlich ist natürlich die Verwirklichung der Gottes- und Nächstenliebe, wie es denn im ersten Vers dieses Lesungstextes heißt:
„(3,18) Meine Kinder,
wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben,
sondern in Tat und Wahrheit.“
Denken wir dazu an das doppelte Liebesgebot, wie es sowohl im Markus- als auch im Matthäus- und dem Lukasevangelium überliefert ist. Beim genaueren Hinsehen springt ins Auge, dass dieses solchermaßen neutestamentliche Liebesgebot die Kombination von zwei Stellen aus den Fünf Büchern Mose, auch genannt der Pentateuch oder die Thora, ist (siehe Gedanken zur Woche 27). Ist die eine Stelle dabei aus dem Buche Levitikus, so kommt die andere aus dem Buch Deuteronomium.
Es ist gerade dieses Buch Deuteronomium, in dem wir schon ganz deutliche Aufforderungen zur Hilfe für Notleidende, modern gesprochen, zu sozialem Engagement und Verantwortungsbewusstsein finden:
„(14,28) In jedem dritten Jahr sollst du den ganzen Zehnten deiner Jahresernte in deinen Stadtbereichen abliefern und einlagern. (29) und die Leviten, die ja nicht wie du Landanteil und Erbbesitz haben, die Fremden, die Waisen und die Witwen, die in deinen Stadtbereichen wohnen, können kommen, essen und satt werden . . .“.
Eine ganze Reihe einzelner Punkte wird konzentriert etwas später angesprochen:
„(24,17) Du sollst das Recht von Fremden, die Waisen sind, nicht beugen; du sollst das Kleid einer Witwe nicht als Pfand nehmen. (18) Denke daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat dich der Herr, dein Gott, dort freigekauft. Darum mache ich es dir zur Pflicht, diese Bestimmung einzuhalten.
(19) Wenn du dein Feld aberntest und eine Garbe auf dem Feld vergisst, sollst du nicht umkehren, um sie zu holen. Sie soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören, damit der Herr, dein Gott, dich bei jeder Arbeit segnet.
(20) Wenn du einen Ölbaum abgeklopft hast, sollst du nicht noch die Zweige absuchen. Was noch hängt, soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören. (21) Wenn du in deinem Weinberg die Trauben geerntet hast, sollst du keine Nachlese halten. Sie soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören.“
Auch schon eine deutliche Thematisierung von Arbeitnehmerrechten finden wir in diesem frühen Buch der Bibel:
„(24,14) Du sollst einen notleidenden und armen Tagelöhner unter deinen Brüdern oder unter den Fremden, die in deinem Land innerhalb deiner Stadtbereiche wohnen, nicht ausbeuten. (15) An dem Tag, an dem er arbeitet, sollst du ihm auch seinen Lohn geben. Die Sonne soll darüber nicht untergehen; denn er ist in Not und lechzt danach . . .“.
Fortgeführt werden solche Anliegen mit eigenen Akzentsetzungen und Formulierungen in anschließenden Büchern des Alten/Ersten Testaments wie dem Buch Rut, dem Buch Tobit und dem Buch Jesus Sirach. Besonders scharf wird mit ungerechten Reichen, welche durchaus religiöse Praktiken vollziehen, im Buch des Propheten Amos ins Gericht gegangen. Es wird verdeutlicht, wie sich wahre Religiosität und unsoziales Verhalten ausschließen. Dies begegnet uns wieder etwa im Neuen/Zweiten Testaments, etwa dessen Jakobusbrief.
1. Lesung: Apg 9,26-31
2. Lesung: 1 Joh 3,18-24
Evangelium: Joh 15,1-8
Gedanken zur Woche 58-b, Dr. Matthias Martin
5. OSTERWOCHE (2021)
In den Tageslesungen der Fünften Osterwoche aus der Apostelgeschichte für die Wochentage Mittwoch bis Freitag wird uns fortlaufender Lesestoff geboten, der es gerade heutzutage in sich hat. Es geht um die Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern einer stärkeren Öffnung hin zu den Heidenvölkern und den Anhängern einer ausgeprägten Bindung an Vollzüge aus der jüdischen Überlieferung, dem jüdischen Gesetz.
Wie berichtet, führten diese Auseinandersetzungen zu dem, was manchmal der Apostelkonvent, manchmal das Apostelkonzil, genannt wird. Längst haben Begriffe wie „Urkirche“ und „Urchristentum“ einen romantischen Klang. Oft wird gemeint, damals wären die Glieder der Kirche „ein Herz und Seele“ gewesen. Auch wenn es an einer Stelle eine in diese Richtung gehende Formulierung gibt (Apg 4,32), so bezieht sich das nur auf einen Augenblick in der Geschichte der Urgemeinde von Jerusalem, als dort auch die sonst im Neuen/Zweiten Testament keineswegs bezeugte Gütergemeinschaft scheinbar mehr oder minder praktiziert wurde. Wie wenig aber selbst in diesem Moment christlicher Geschichte zu Jerusalem wirklich ideale Zustände herrschten, wird bereits wenige Verse später deutlich.
Da wird zu Beginn des Fünften Kapitels der Apostelgeschichte (Apg 5,1-11) vom Betrug des Hananias und seiner Frau Saphira in der Urgemeinde berichtet. Zu Beginn des Sechsten Kapitels der Apostelgeschichte wird dann von Spannungen zwischen den „Hellenisten“ und den „Hebräern“ in der Jerusalemer Gemeinde berichtet, da erstere sich beschwerten „(6,1) . . . weil ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden“. Damals konnte dieser Konflikt gelöst werden, indem für das caritative Wirken, das soziale Wirken der Kirche, die ersten sieben Diakone gewählt wurden.
Ähnlich konnte in Zusammenhang mit den zum Apostelkonzil/-konvent führenden Auseinandersetzungen eine der Einheit im Urchristentum dienliche Regelung gefunden werden. Spannungen bis heftige Konflikte gab es aber immer wieder im ganz frühen Christentum, worüber neben den zum Apostelkonvent/-konzil hinführenden Aussagen in der Apostelgeschichte etwa die Korintherbriefe, der Galaterbrief, der Judas- und die drei Johannesbriefe Aufschluss geben. Deutliche Worte finden wir beispielsweise auch im Zweiten Kapitel des Kolosserbriefes, im Ersten, Vierten und Sechsten Kapitel des 1. Timotheusbriefes wie im Dritten Kapitel des 2. Thessalonicherbriefes. Immer wieder war das Verteidigen oder Wiedererlangen von Einheit schon im ganz frühen Christentum eben keine Selbstverständlichkeit, allen romantisierenden Rückprojektionen in der Kirchengeschichte zum Trotz. Einheit ist natürlich wesentlich, ganz im Sinne des Tagesevangeliums vom Mittwoch dieser Woche wie vom Sonntag zu deren Beginn, um gute Frucht zu bringen.
Da gilt es gerade in unseren Tagen mit sich immer wieder ereignenden Spaltungen für Einheit unter Christen zu wirken (siehe Gedanken zur Woche 45-b) und auf ungerechte Polemik gegen Mitchristen zu verzichten (siehe Gedanken zur Woche 44 und Woche 51-b).
Das Streben, beim Diskussionspartner das Gute zu sehen, den guten Willen anzuerkennen und nach einer ihn respektierenden Lösung zu suchen, wird in dem Bericht der Apostelgeschichte über den Apostelkonvent, das Apostelkonzil, deutlich, wie auch in dem Bericht über die mit dem Wachstum der Jerusalemer Urgemeinde verbundenen Schwierigkeiten zwischen „Hellenisten“ und den „Hebräern“ mit der anschließenden erfolgreichen Berufung der ersten Diakone und der damit verbundenen Gewährleistung eines verlässlichen caritativen Wirkens. Frieden unter den Menschen zu fördern, soziale Hilfestellung für Bedürftige zu gewährleisten, die Gottes- und Nächstenliebe zu verwirklichen und ganz generell gute Früchte hervorzubringen ist dauernder Auftrag gerade für die, welche sich Christen, Christinnen nennen. Eine jede, ein jeder ist aufgerufen dazu eigenverantwortlich beizutragen.
Das gemeinsame Streben kann dann Menschen zu gutem Tun vereinigen, auch wenn sie über einen ganz verschiedenen persönlichen Hintergrund verfügen, so wie die Apostel verschiedenen Richtungen, Gruppen des Judentums entstammten und bereits zur Zeit des Apostelkonzil/-konvents zum Christentum bekehrte Pharisäer mit Heidenchristen sich vereint um eine Lösung anstehender Fragen in der Kirche bemühten. In diese Richtung, in Einheit gutes zu verwirklichen, werden wir eigens durch den Galaterbrief gewiesen:
„(Gal 3,27) Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. (28) Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle sei einer in Christus Jesus.“
Die persönliche Verantwortung, der eigenverantwortliche Beitrag, das Sich-Einbringen ist dabei eben die fortdauernde Herausforderung für Frau und Mann, jung und alt. Sehr interessant ist dazu, was im Rahmen einer Vorlesungsreihe der berühmten amerikanischen Universität Yale über die hebräische Bibel Frau Professor Christine Hayes herausstellte:
https://www.youtube.com/watch?v=wRPqtGywkCw&t=2s und
https://www.youtube.com/watch?v=ANUD8IK12ms.
Schon im Zusammenhang mit dem Beginn des Buches Genesis, dem Anfang des Alten Testaments, bei dem gerne von Schöpfungsbericht gesprochen wird, wird demnach betont dass das Böse als moralische und nicht als kosmologische Realität aufzufassen ist. Böses geht demnach auf das das (Fehl-)Verhalten von Menschen zurück und nicht auf das Wirken irgendwelcher Dämonen oder Götter. Menschen könnten sich nicht diesem biblischen Konzept zufolge nicht auf überirdische Mächte, irgendwelche metaphysischen Gegebenheiten herausreden. Menschen können auch dieser Interpretation des Beginns der Bibel zufolge moralische Entscheidungen treffen. Menschen hätten moralische Entscheidungsfreiheit (https://www.youtube.com/watch?v=GK2PBAG3064&t=37s). Die Überlegungen werden in geistig herausfordernder Weise fortgeführt und vertieft.
Nicht umsonst hat nicht zuletzt das I. Vatikanische Konzil in der Dogmatischen Konstitution „Dei Filius“ die Bedeutung wissenschaftlichen Strebens betont und ein positives Verhältnis von Glauben und Vernunft vertreten. Damit wurde in eindrücklicher Weise der starke Strang christlichen Denkens und Wirkens zusammenfassend bekräftigt, wie er bereits in frühen Jahrhunderten des Christentums erkennbar wird (siehe z.B. Gedanken zur Woche 44-b, 42-b und 6). Zum Bemühen, ganz allgemein gute Früchte zu bringen, gehört eben auch das Bemühen um Wissenschaft und Bildung. Dieses fördert seinerseits ganz allgemein Gutes.
Gedanken zur Woche 57, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG bis 4. OSTERWOCHE (2021)
Der Monat Mai erfreut sich im Jahresverlauf besonderer Wertschätzung. So wird er in älteren Formen des Deutschen als Wonnemond oder als Wonnemonat bezeichnet. Dies bedeutet, dass der Mai ein besonderer Monat der Freude, eben der Wonne, sein soll. Die Beziehung zum Neuen/Zweiten Testament wird dadurch unterstrichen, dass der Mai mitunter auch als Marienmonat bezeichnet wird. In verschiedenen Fassungen gibt es das gerade in früherer Zeit gerne gesungene Kirchenlied „Maria, Maienkönigin“.
Umso wichtiger ist es, dem Monat Mai einen würdigen Beginn zu geben. In diesem Sinne setzte der von 1939 bis 1958 amtierende Papst Pius XII. einen bemerkenswerten Akzent. Er war es, der den 1. Mai zum Festtag des heiligen Josefs des Arbeiters erhob. Dies sticht gerade in diesem Jahr hervor, da wir uns dank der Initiative von Papst Franziskus eigens im Jahr des Josef befinden. Der amtierende Papst legte dies genau am 8. Dezember 2020 fest. An diesem Tag jährte es sich zum 150. Mal, dass mit dem Dekret "Quemadmodum Deus" der selige Papst Pius IX. den heiligen Josef offiziell zum Schutzpatron der ganzen Kirche erklärte. Dieses Jubiläum ehrte Papst Franziskus seinerseits durch die Veröffentlichung seines Apostolischen Schreibens "Patris corde" (http://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_letters/documents/papa-francesco-lettera-ap_20201208_patris-corde.html), mit dem er eben auch das bis zum 8. Dezember 2021 dauernde Jahr des heiligen Josef ausrief.
Hatte einst nach der italienischen Besetzung der bis dahin noch freien Teile des Kirchenstaates in Zeiten der schweren Not und Bedrängnis der selige Pius IX. die Kirche dem besonderen Schutz des heiligen Josef anvertraut, so mag die Initiative von Papst Franziskus in unserer Zeit vielfältiger Bedrängnis auf seine Weise ein Ansporn sein, christliche Hoffnung zu erneuern und im Tun guter Werke nicht nachzulassen.
Das Vorbild des heiligen Josef bietet uns hierzu vielfältige Anregungen. So war er der treusorgende Gefährte der allerseligsten Jungfrau und Gottesgebärerin Maria. Er wirkte auch treu und verlässlich als irdischer Ziehvater Jesu. Er war bereit, dem Rufe Gottes zu folgen und ließ sich dabei auch nicht von einem brutalen irdischen Herrscher wie den berüchtigten Herodes einschüchtern. Dieser konnte sich ja infolge der Rückendeckung durch das Römische Reich in der Heimat der Heiligen Familie ziemlich rabiat austoben.
So haben gerade die Päpste der neueren Zeit auf das Vorbild und die besondere heilsgeschichtliche Stellung des heiligen Josef hingewiesen. Papst Pius XII. war es dann eben, der im Jahre 1955 den 1. Mai zum Fest „Josef der Arbeiter“ erhob. Es ist höchst bemerkenswert, in welcher Eigenschaft uns damit in besonderer Weise der Schutzpatron der ganzen Kirche vor Augen gestellt und eindrücklich nahegebracht wird: als Arbeiter! Kein Fürst, König oder Kaiser wird als Schutzpatron der Kirche verehrt, wurde etwa mit einem betreffenden Titel durch die Kirche geehrt. Nein, ein Mann aus einfachen Verhältnissen, als „Arbeiter“ bezeichnet, ist dieser Schutzpatron der Kirche, eben der heilige Josef.
Die starke Hervorhebung durch den seligen Papst Pius IX. und Papst Pius XII. fügt sich dabei konsequent in die Gesamtausrichtung ihres jeweiligen Pontifikates ein. In der von 1846 bis 1878 dauernde Amtszeit Pius IX. erlebte die katholische Kirche in weiten Volkskreisen einen enormen Aufbruch. Das katholische Vereins- und Verbandswesen blühte. Nicht zuletzt weite Teile der Arbeiterschaft konnten damit in verschiedenen Ländern in das kirchliche Leben eingebunden und zu bemerkenswerten Engagement ermutigt werden. Auch das katholische Ordenswesen erlebte einen starken Aufschwung. Nicht wenige der neugegründeten bzw. sich ausbreitenden Ordensgemeinschaften widmeten sich sozialen Tätigkeiten und der Förderung der Bildung in weiten Bevölkerungskreisen. Passend dazu war es der selige Papst Pius IX., welcher den Konflikt mit den Mächtigen einschließlich sogenannten „christlichen“ Monarchen nicht scheute.
Als im Jahre 1870 die verbliebenen Teile des Kirchenstaates allen gemachten Versprechungen und sonst geltenden zwischenstaatlichen Regelungen zum Trotze vom Königreich Italien besetzt wurden, hat kein einziger „christlicher“ Monarch dagegen auch nur protestiert. Nur der Präsident der Republik Ecuador, Gabriel Garcia Moreno, erhob mutig die Stimme zum Protest gegen die italienische Gewaltpolitik und solidarisierte sich mit dem Papst und dessen in Rom aushaltenden Getreuen.
In seiner Amtszeit war es dann Papst Pius XII., der sich in vielfältiger Weise mit sozialen Angelegenheiten beschäftigte. Zahlreiche Stellungsnahmen bezeugen dies. Nicht vergessen werden sollte sein Eintreten für Vertriebene und Kriegsgefangene sowie für nationale Minderheiten. Die Erhebung des 1. Mai zum Fest „Josef der Arbeiter“ ist hier nicht isoliert zu sehen, sondern fügt sich ein in das Bild vielfältigen Engagements. Seine Aussagen zu sozialen Fragen wie sein Wirken für Flüchtlinge und Vertriebene konnte sein von 1958 bis 1963 amtierender Nachfolger Papst Johannes XXIII. aufgreifen. Dieser war es auch, der den Namen des heiligen Josef in den Römischen Messkanon, heute gerne I. Hochgebet genannt, einfügte. Damals besaßen katholische Arbeitnehmervereinigungen bis hin zu christlichen Gewerkschaften ihre eigene, oft beeindruckende Bedeutung. Erst ab den Sechzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurde da vieles durch eine sehr schwere Krise erschüttert.
Die Herausstellung von Josef dem Arbeiter, der Einsatz für die Bedürftigen und die schlechtergestellten Menschen verwirklicht dabei stets die Grundbotschaft der Bibel, nicht zuletzt wie es als deutliche Mahnung im neutestamentlichen Jakobusbrief formuliert ist:
„(Jak 2,1) Meine Brüder und Schwestern, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person! (2) Wenn in eure Versammlung ein Mann mit goldenen Ringen und prächtiger Kleidung kommt und zugleich kommt ein Armer in schmutziger Kleidung (3) und ihr blickt auf den Mann in prächtiger Kleidung und sagt: Setz du dich hier auf den guten Platz! Und zu dem Armen sagt ihr: Du stell dich oder setz dich dort zu meinen Füßen! – (4) macht ihr dann nicht untereinander Unterschiede und seid Richter mit bösen Gedanken? (5) Hört, meine geliebten Brüder und Schwestern! Hat nicht Gott die Armen in der Welt zu Reichen im Glauben und Erben des Reiches erwählt, das er denen verheißen hat, die ihn lieben? (6) Ihr aber habt den Armen entehrt. Sind es nicht die Reichen, die euch unterdrücken und euch vor die Gerichte schleppen?“
Im Fünften Kapitel des Jakobusbriefes wird dann eigens scharf gegen die Ausbeutung arbeitender Menschen Stellung bezogen.
Gedanken zur Woche 56, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von OSTERN (2021)
Es gibt die Redensart, wonach auf den Karfreitag immer Ostern/Ostersonntag folge. Damit wird die Hoffnung ausgedrückt, dass es trotz aller möglichen Rückschläge, Leid und Not weitergehe, ja es gut werde. Dies weist uns in die Richtung von immerhin zwei der sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit: „2. Den Zweifelnden recht raten“ und „3. Die Betrübten trösten“.
Die Hoffnung auf Besserung hat gerade in unserer jetzigen bedrückenden Situation ihre besondere Bedeutung. Da ist zum einen die ganze Problematik mit dem Coronavirus, auch genannt Covid-19-Virus, Wuhan-Virus oder China-Virus. Bei allen Bemühungen, das Problem in Griff zu bekommen oder gar vollständig zu lösen, bleibt es schwierig. Eine eigene Herausforderung ist es, nach Möglichkeit eine gesellschaftliche Eskalation genauso wie das Schüren internationaler Konflikte zu verhindern.
Dann haben wir zusätzlich eine spezifisch innerkirchliche Situation mit ihren Belastungen und Konflikten vor uns. Jede und jeder von uns ist aufgerufen, sich konstruktiv einzubringen. Sehr gerne übersehen, ja insbesondere von geweihten Amtsträgern geflissentlich als nicht einmal existierend behandelt, heißt es in Canon 212 des CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983:
„§ 2. Den Gläubigen ist es unbenommen, ihre Anliegen, insbesondere die geistlichen, und ihre Wünsche den Hirten der Kirche zu eröffnen.
§ 3. Entsprechend ihrem Wissen, ihrer Zuständigkeit und ihrer hervorragenden Stellung haben sie das Recht und bisweilen sogar die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, den geistlichen Hirten mitzuteilen und sie unter Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens und der Sitten und der Ehrfurcht gegenüber den Hirten und unter Beachtung des allgemeinen Nutzens und der Würde der Personen den übrigen Gläubigen kundzutun.“
Diese kirchenrechtlichen Festlegungen bedeuten, dass die Gläubigen ihre Wünsche und Beschwerden klar und vernehmlich äußern dürfen. Dies besitzt heutzutage, wo es gerade um die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und finanziellen Unterschlagungen geht (Gedanken zur Woche 52), besondere Bedeutung. Die ganz offensichtlich lange Zeit von laikalen Mitarbeitern, Priestern, Bischöfen und Kardinälen verbreitete Behauptung, Opfer sexuellen Missbrauchs hätten zu schweigen und es sei im Sinne der Kirche sogar untersagt, ja geradezu eine Todsünde, gegen den oder die Missbrauchstäter auszusagen und vielleicht eine Anzeige einzubringen, ist umso unerträglicher. Da gilt es sicher noch sehr vieles aufzuarbeiten.
Nachdem er vor nicht allzu langer Zeit die Opfer der Massenvergewaltigungen auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015 noch verhöhnt und gedemütigt hatte, ist jetzt der berüchtigte Erzbischof von Köln, Rainer Maria Kardinal Woelki, zumindest in der Öffentlichkeit vorsichtiger geworden. Ähnlich verhält es sich mit dem, vorsichtig ausgedrückt, ebenfalls sehr umstrittenen Erzbischof von Hamburg, Stefan Heße. Ihrerseits wollen allerlei Vertreter des politischen und wirtschaftlichen Establishments jetzt nicht mehr auf ihr noch vor nicht allzu langer Zeit herzlich-kumpelhaftes Verhältnis zu solchen Kirchenmännern angesprochen werden. Dabei bot man sich doch so gerne gegenseitig Hilfestellungen an und tut dies wohl oft auch jetzt noch, nur eben etwas diskreter.
Dabei ist es keine neue Lehre, dass Gläubige das Recht hätten, sich mit ihren Wünschen, Anregungen und Beschwerden direkt an den Heiligen Stuhl zu wenden. Dies wurde im Mittelalter von Rom aus regelrecht als katholischer Grundsatz festgeschrieben, oft sehr zum Ärger von Landes- und Kirchenfürsten. In die gewissermaßen umgekehrte Richtung gehend wurde auch betont, dass der Papst, der Heiligen Stuhl, das Recht hätte, mit jedem noch so einfachen Gläubigen direkt in Kontakt zu treten. Dies war immer wieder Anlass für Missbehagen bis hin zum offenen Konflikt mit den „besseren“ Kreisen. In den letzten Jahrzehnten waren es dann gerade Befürworteter der Alten Messe, auch Tridentinischer Ritus, Messe Gregors des Großen, Messe des heiligen Pius V. bis hin Messe Don Camillos genannt, welche auf das betreffende Recht einfacher Gläubiger pochten und Menschen ermutigten, von diesem Recht im Rahmen des Möglichen Gebrauch zu machen.
Während meiner Zeit im Priesterseminar ermutigte ein Mitarbeiter der Römischen Kurie bei einem Gastvortrag direkt, sich mit eigenen Anliegen an den Vatikan zu wenden. Ausdrücklich betonte er, dass man ruhig auf Deutsch schreiben könne. In den kurialen Dienststellen gäbe es immer jemanden, der solche Schreiben lesen könne. Deutsch ist ja unter anderem Sprache der Schweizer Garde, der Armee des Vatikanstaates:
https://schweizergarde.ch/paepstliche-schweizergarde/de/ueber-uns/
Direkt neben der Peterskirche befindet sich mit dem Campo Santo Teutonico der Friedhof der Deutschen: http://www.camposanto.va/content/camposantoteutonico/de.html
Dieser wird gerne von deutschsprachigen Menschen bei ihrem Romaufenthalt aufgesucht. Die Schweizer Gardisten in unmittelbarer Nähe lassen sich gerne auf Deutsch ansprechen, wie ich selber mehr als einmal erleben konnte.
Bei der offiziellen Startseite, Heimseite oder Homepage des Heiligen Stuhls gibt es auch eine deutschsprachige Ausgabe: http://www.vatican.va/content/vatican/de.html
Sprachprobleme sollten also niemanden abschrecken, sich gegebenenfalls auch direkt an den Heiligen Stuhl zu wenden.
Osternacht:
1. Lesung: Gen 1,1-2,2
2. Lesung: Gen 22,1-18
3. Lesung: Ex 14,15-15,1
4. Lesung: Jes 54,5-14
5. Lesung: Jes 55,1-11
6. Lesung: Bar 3,9-15.32-4,4
7. Lesung: Ez 36,16-17a.18-28
8. Lesung: Röm 6,3-11
Evangelium: Mk 16,1-7
Ostersonntag:
1. Lesung: Apg 10,34a.37-43
2. Lesung: Kol 3,1-4/1 Kor 5,6b-8
Evangelium: Joh 20,1-18/Joh 20,1-9/ Mk 16,1-7
Gedanken zur Woche 56-b, Dr. Matthias Martin
OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2021)
Die Stellung von Ostern als höchstes christliches Fest äußert sich in vielfacher Weise. Zum einen ist da natürlich der besonders festlich gestaltete Charakter der Liturgie. Ostern ist zum anderen insgesamt ein fester Teil der Volkskultur. Rufen wir uns nur Stichworte wie Osterhase, Ostereier und Osterlieder ins Gedächtnis. Umfangreichere musikalische Werke wie das Oster-Oratorium Johann Sebastian Bachs und zahlreiche Gemälde, die sich mit Ereignissen von Ostern beschäftigen, gehören eigens zur Hochkultur.
Mit Ostersonntag aber endet keineswegs die Feier von Ostern. Die liturgische Osterzeit dauert über 50 Tage hindurch bis zum Hochfest, Fest I. Klasse, von Pfingsten. Das griechische Wort für „Fünfzig“ heißt „Pentecost“ und von ihm hat sich die Bezeichnung für Pfingsten abgeleitet. Das englische Wort für Pfingsten lautet bezeichnenderweise „Pentecost“. Pfingstler oder Pfingstkirchler heißen im Englischen „Pentecostals“. In das Deutsche ging der auf diesen offensichtlichen griechischen bis englischen Sprachhintergrund zurückgehende Ausdruck „Pentecostalisierung Lateinamerikas“ ein. Dieser Ausdruck steht seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts für die massive Expansion von Pfingstkirchen in Lateinamerika auf Kosten der Römisch-Katholischen Kirche.
Ist die Zeit von 50 Tagen für die Osterzeit bis Pfingsten schon etwas besonderes, so lohnt es sich auch einen eigenen Blick auf die Osteroktav zu werfen. So gibt es als eigenen Festtag den Ostermontag. In dem bei uns üblichen Deutschen Messbuch als Ergebnis der sogenannten Liturgiereform lauten anschließend die betreffenden Teilüberschriften „DIENSTAG der Osteroktav“, „MITTWOCH der Osteroktav“, „DONNERSTAG der Osteroktav“, „FREITAG der Osteroktav“ und „SAMSTAG der Osteroktav“. Für jeden dieser Tage sind jeweils eigene Texte für das Tages-, das Gaben- und das Schlussgebet vorgesehen. An jedem dieser Tage ist das Gloria anzustimmen. Vergleichbar verhält es sich in der Tridentinischen Liturgie, in der Alten Messe. Ein Blick in den von Papst Johannes XXIII. gewürdigten Volksschott von 1961 ist da schon recht aufschlussreich, erst recht natürlich, wenn jemand das dickere Lateinische Messbuch zur Hand nimmt. Auch in dieser liturgischen Ausgestaltung sind für jeden Tag der Osterwoche eigene Texte für die Gebete in der heiligen Messe vorgesehen: Introitus (Eingangslied), Oratio (Kirchengebet), Offertorium (Opferungsgebet/-lied), Secreta (Stillgebet), Communio (Kommunionsgebet/-lied) und Postcommunio (Schlussgebet). Dies gilt auch für das Graduale (Stufenlied/-gebet) beziehungsweise die Sequenz. Ausdrücklich wird hier festgehalten, dass jeder Tag der Osteroktav ein Fest I. Klasse ist.
Im Deutschen Messbuch für die nachkonziliare Liturgie heißt es unter anderem:
„Die Osternacht ist nach ältester Überlieferung eine Nacht der Wache für den Herrn.“
Ausdrücklich wird dabei auf eine Stelle im Buch Exodus, also einem der Fünf Bücher Mose weit vorne im Alten/Ersten Testaments, hingewiesen. Das besondere Alter von Ostern wird auch im Volksschott herausgestellt. Dort heißt es zum Ostersonntag:
„`Fest der Feste` wird Ostern seit uralten Zeiten genannt, weil es, wie der hl. Bischof Gregor von Nazianz sagt, alle andern Feste überragt, wie der Glanz der Sonne die Sterne überstrahlt. In der Mitte des 5. Jahrhunderts sagt der hl. Papst Leo der Große: ´Unter allen Tagen, die die christliche Frömmigkeit in Ehren hält, steht Ostern an erster Stelle: durch Ostern erhalten alle andern Feste der Kirche Gottes ihre Weihe.`
Fest der Feste ist Ostern schon deshalb, weil es das älteste Fest ist: es reicht bis tief hinein ins Alte Testament.“
Der Ostermontag ist in zahlreichen Ländern und Territorien auf allen Kontinenten ein staatlicher Feiertag. In Österreich haben vor wenigen Jahren die Bischöfe eigens für die Verteidigung dieser Regelung deutlich Stellung bezogen.
Mit dem Ostermontag verbindet sich in der kirchlichen Überlieferung und in der gelebten Glaubenspraxis die im letzten Kapitel des Lukasevangeliums (Vers 13 bis 35) überlieferte Emmausgeschichte. In vielen Pfarrgemeinden und seitens verschiedener katholischer Gruppen findet unter normalen Umständen eine Emmauswanderung, ein Emmausgang beziehungsweise ein Emmausspaziergang statt. Die Pfarrkirche von Stein hat zur Emmausgeschichte ihre besondere Beziehung. Die Begegnung des Auferstanden und das Zu-Tisch-Sitzen mit den Emmausjüngern wird in einem Schnitzrelief rechts von der Mittelachse des Hauptaltares dargestellt. Es ist dabei bedenken, dass im Lukasevangelium nur einer der beiden Emmausjünger, Kleopas, mit Namen genannt wird. Der andere bleibt vom Namen her unbekannt und im Laufe der Zeit entwickelten sich verschiedene Überlieferungen, wer es zumindest ansatzweise hätte gewesen sein können, im welchem Verhältnis diese Person mit dem namentlich bezeichneten Kleopas gestanden habe.
Ganz offenkundig ist in diesem Teil des Lukas Evangeliums auf jeden Fall der Bezug auf das Alte/Erste Testament. So mahnt der Auferstandene das zu glauben, „was die Propheten gesagt haben“ (Vers 25). Im übernächsten Vers heißt es, der noch nicht erkannte Auferstandene habe den beiden Jüngern dargelegt, „ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht“. Die Jünger meinen später, dass der Herr ihnen „den Sinn der Schriften eröffnete“ (Vers 32). „Schrift/Schriften“ steht für das, was wir heute das Alte oder das Erste Testament nennen.
Dass wir die Gesamtheit der Bibel mit ihren einzelnen Schriften im Blick halten sollen, unterstreicht eindrücklich der Zweite Brief an Timotheus:
„(2 Tim 3,14) Du aber bleibe bei dem, was du gelernt und wovon du dich überzeugt hast. Du weißt, von wem du es gelernt hast; (15) denn du kennst von Kindheit an die heiligen Schriften, die dich weise machen können zum Heil durch den Glauben an Christus Jesus. (16) Jede Schrift ist, als von Gott eingegeben, auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, (17) damit der Mensch Gottes gerüstet ist, ausgerüstet zu jedem guten Werk.“
Diese unaufhebbare Bedeutung der verschiedenen Einzelschriften, auch jene aus dem Alten/Ersten Testament, wird eben auch eigens unterstrichen in der Emmausgeschichte, aber leider sehr oft übersehen.
Gedanken zur Woche 55, Dr. Matthias Martin
PALMSONNTAG (2021)
Palmsonntag markiert den Beginn zu jener Woche besonders akzentuierten kirchlichen Lebens, welche bei uns meist die „Karwoche“, seltener „Heilige Woche“, genannt wird. Mitunter wird dieser so wichtige Palmsonntag auch als „Zweiter Passionssonntag“ bezeichnet. Darauf wird der liturgisch interessierte Mensch etwa beim Blick in den Volksschott von 1961 für die Feier der Heiligen Messe nach dem Tridentinischen Ritus hingewiesen. In der Karwoche oder eben Heiligen Woche finden sich der Gründonnerstag, der Karfreitag und mit Karsamstag der Übergang zum höchsten Fest der Christenheit, Ostern. Meist findet in dieser Woche in einer katholischen Diözese die Weihe der heiligen Öle durch den Bischof für die Verwendung in den Pfarrgemeinden und Klöstern statt. In dieser Chrisammesse, lateinisch Missa chrismatis, werden das Chrisamöl, das Katechumenenöl und das Öl für die Krankensalbung geweiht.
Die besondere Bedeutung des Palmsonntags und der sich anschließenden Woche blieb gläubigen Christinnen und Christen über die Jahrhunderte bewusst. So ist es in dieser krisenbeladenen Zeit eine besondere Herausforderung, die Gottesdienste würdig zu gestalten, den Eindruck zu vermeiden, die sichtbare kirchliche Gemeinschaft verflüchtige sich und ihre offiziellen Vertreter kümmerten sich nicht um die Menschen. Gerade schon der Palmsonntag als Beginn der Karwoche, als Eingangspforte zu dieser besonders inhaltsreichen Zeit für das religiöse Leben, war im Laufe der Geschichte ein Tag im liturgischen Jahreskreis, durch den sich viele Menschen angesprochen gefühlt haben. Über den engeren religiösen Bereich hinaus besitzt der Palmsonntag, der Zweite Passionssonntag, eine eigene kulturelle Bedeutung, ist Teil unseres kulturellen Erbes, das es zu pflegen gilt.
Es ist dazu bemerkenswert, was vor Jahren ein deutscher Politiker, langjähriger Bundesminister und bekennender Katholik, mit Blick gerade auf den Palmsonntag sagte. Er meinte, das Wesentliche über die Politik stünde schon in der Bibel drin. Am Palmsonntag habe das Volk zu Jerusalem Jesus Christus zugejubelt, nur um wenige Tage später seine Hinrichtung zu fordern. Selbstverständlich ist zu bedenken, dass damals schon in Jerusalem ganz unterschiedliche Volksgruppen vertreten waren, wie uns gerade der Pfingstbericht in der Apostelgeschichte verdeutlicht, (siehe Gedanken zur Woche 54) und das Judentum in eine Reihe sich mitunter bitter befehdenter Gruppen gespalten war. Dies erwies sich als schlimmer Nachteil für die Juden im Ersten Jüdischen Krieg, auch genannt der Erste Jüdische Aufstand. Aber wechselhaft geht es in der Politik mitunter schon wirklich zu, nicht zuletzt wenn Religion und Politik irgendwie zusammenkommen. Wir haben dies erst dieser Tage drastisch erlebt, als die bereits zu diesem Zeitpunkt mit ihrer Regierungskoalition schwer angeschlagene bundesdeutsche Kanzlerin Angela Merkel meinte, einseitig die Absage der christlichen Präsenzgottesdienste zu Ostern ausrufen zu können. Diesmal haben sich ihr sogar die Mitglieder der offiziellen katholischen Bischofskonferenz in der Bundesrepublik widersetzt. Umgehend musste die eben noch so selbstgefällig agierende Kanzlerin einen blamablen Rückzug antreten. Offensichtlich hatten sie und ihre Berater bei weitem nicht mit einem solch starken Widerstand gerechnet.
Dabei kann auch ein in einem engeren Sinn religiöser Anspruch mitunter ziemlich schnell zerbröseln. So hielt nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte der hoch angesehene Gesetzeslehrer Gamaliël im jüdischen Hohen Rat fest:
„(Apg 5,36) Vor einiger Zeit nämlich trat Theudas auf und behauptete, er sei etwas Besonderes. Ihm schlossen sich etwa vierhundert Männer an. Aber er wurde getötet und sein ganzer Anhang wurde zerstreut und aufgerieben. (37) Nach ihm trat in den Tagen der Volkszählung Judas, der Galiläer, auf; er brachte viel Volk hinter sich und verleitete es zum Aufruhr. Auch er kam um und alle seine Anhänger wurden zerstreut.“
Das damalige Römische Reich war ein bunter Markplatz unterschiedlicher religiöser Angebote, Kulte und weltanschaulicher Aussagen. Gar manches verschwand sehr rasch wieder, worauf die zitierte Stelle aus der Apostelgeschichte mit Blick auf innerjüdische Vorgänge ein kurzes Schlaglicht wirft. Andere Gruppierungen, Bewegungen, religiöse Organisationen waren langlebiger, sind aber dann auch verschwunden. Das Christentum ist geblieben. Neben tätiger Nächstenliebe hatte sich es sehr rasch zu einem seiner Markenzeichen entwickelt, sich den Vereinnahmungsversuchen politischer Machthaber zu widersetzen und ihnen gegenüber sich kritisch zu positionieren. Solches können wir auch in unseren Tagen erleben, nicht nur mit Blick auf Bundeskanzlerin Merkel und ihre christlichen Kritikerinnen und Kritikern. Schon kurz vorher hatte die für die in den staatlichen Territorien von Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Island, Grönland, den Alandinseln und den Färöer Inseln lebenden Katholiken zuständige Nordische Bischofskonferenz heftige Kritik an der dänischen Regierung, wegen deren massiven Eingriffsversuch in das religiöse Leben, geübt. Die Nordische Bischofskonferenz verfügt übrigens auch über einen eigenen deutschsprachigen Internetauftritt:
https://www.nordicbishopsconference.org/index.php?id=2843
Gleiches gilt für den Lutherischen Weltbund. Auf dessen Internetseite konnte man jüngst von dem in dieselbe Richtung gehenden heftigen Protest der offiziellen Evangelisch-Lutherischen Volkskirche in Dänemark gegen den betreffenden Vorstoß der Regierung in Kopenhagen lesen, allen religiösen Gemeinschaften das Predigen in dänischer Sprache oder die verpflichtende Übersetzung der Predigten ins Dänische vorzuschreiben: https://de.lutheranworld.org/de/content/danemark-protest-gegen-drohende-schwachung-der-religionsfreiheit-21
Ausdrücklich ergreifen die Lutheraner Partei für die anderen betroffenen Konfessionen und Religionen, einschließlich der Römisch-Katholischen Kirche. Es gibt offensichtlich auch heutzutage Christinnen und Christen, welche sich politischen Machthabern entgegenstellen.
1. Lesung: Jes 50,4-7
2. Lesung: Phil 2,6-11
Evangelium: Mk 11,1-10
Passionsgeschichte: Mk 14,1 – 15,47
Gedanken zur Woche 55-b, Dr. Matthias Martin
KARWOCHE (2021)
Die Zeit von der Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag, auch genannt Hoher Donnerstag, bis vor die Feier der Auferstehung Christi an Ostersonntag, ist innerhalb der Karwoche/Heiligen Woche so bedeutsam, es dafür noch einmal eine eigene spezifische Bezeichnung gibt. Diese begegnet uns in verschiedenen Varianten. Vom Lateinischen her gibt es die Bezeichnung Triduum Sacrum, was so viel heißt wie „Heilige drei Tage“. Mit demselben Wort Triduum beginnt ein etwas anderer Ausdruck dafür ebenfalls aus dem Lateinischen: Triduum Paschale. Dies steht für so viel wie „österliche drei Tage“ oder einfach „Ostertriduum“. In dem bei uns üblichen Deutschen Messbuch ist diese Zeit vom Abend des Gründonnerstag/Hohen Donnerstags bis vor die Feier der Auferstehung des Herrn in dicken roten Lettern überschrieben „DIE DREI ÖSTERLICHEN TAGE VOM LEIDEN, VOM TOD UND VON DER AUFERSTEHUNG DES HERRN“. Im Direktorium der Diözese St. Pölten heißt es ganz ähnlich, dick gedruckt in schwarzer Farbe: „DIE DREI ÖSTERLICHEN TAGE VOM LEIDEN UND STERBEN, VON DER GRABESRUHE UND DER AUFERSTEHUNG DES HERRN“. Zur Erläuterung kann man auf der Seite [62) der zweiten Auflage der kleinen Ausgabe des Deutschen Messbuchs nachlesen:
„Am Karsamstag verweilt die Kirche am Grab des Herrn und betrachtet sein Leiden und seinen Tod. Das Meßopfer wird nicht gefeiert, der Altar bleibt unbedeckt. Erst in der Osternacht, in der die Kirche die Auferstehung des Herrn erwartet, bricht die österliche Freude durch, die sich durch fünfzig Tage in ihrer ganzen Fülle entfaltet“.
Auch bei den liturgischen Farben wird dem Besonderen des jeweiligen Tages Rechnung getragen. So ist die liturgische Farbe für die Feier der Heiligen Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag/Hohen Donnerstag das Weiß. Wie schon früher betont, hat dieser Tag im liturgischen Jahreskreis nichts mit der Farbe Grün zu tun (siehe Gedanken zur Woche 4). Die Karfreitagsliturgie wird in der bei uns üblichen Weise mit der liturgischen Farbe Rot begangen. Der Altar soll leer sein. Es wird wie am Palmsonntag die Leidensgeschichte vorgetragen. Eigens gibt es die sogenannten Großen Fürbitten. Für viele Menschen ist dann die Kreuzverehrung besonders eindrucksvoll. Dann folgt die Kommunion(-feier), die Spendung der Allerheiligsten Eucharistie. Auf Seite [40] der zitierten Ausgabe des Deutschen Messbuchs heißt es:
"1. Heute und am folgenden Tag feiert die Kirche nach ältester Überlieferung keine Eucharistie.
2. Der Altar ist vollkommen leer, ohne Kreuz, Leuchter, Tücher.
3. Am Nachmittag, etwa gegen 15 Uhr – aus seelsorglichen Gründen auch später – findet die Gedächtnisfeier des Herrenleidens statt. Sie umfaßt drei Teile: den Wortgottesdienst, die Kreuzverehrung und die Kommunionfeier.
Heute wird die heilige Kommunion den Gläubigen nur während der gottesdienstlichen Feier gespendet; den Kranken, die an der Feier nicht teilnehmen können, darf die Eucharistie jederzeit gebracht werden.
4. Der Priester und seine Assistenz legen rote Gewänder an, wie sie für die Meßfeier gebraucht werden. Sie ziehen zum Altar, verneigen sich vor ihm und werfen sich nieder oder knien. Alle verharren eine Weile im stillen Gebet . . .“.
Auch im Volksschott von 1961 wird betont, dass in der Karfreitagsliturgie keine Wandlung, keine Messfeier als solche stattfindet. Die liturgische Farbenordnung ist hier anders. Zunächst wird nach dieser Form der Feier der Karfreitagsliturgie vom Priester die liturgische Farbe Schwarz verwendet. Zur Kommunionfeier wird hier dann zum Violett gewechselt.
In der Pfarrkirche von Stein wird der Weg auf Karfreitag hin und das Begehen des Karfreitages angeregt und gestützt durch den bemerkenswerten neugotischen Kreuzweg mit seinen insgesamt 14 Kreuzwegstationen. Ich erinnere mich, wie nun schon vor einiger Zeit ein englischer Besucher unserer Pfarrkirche gerade von diesem neugotischen Kreuzweg so angetan war und es sich ein ganz bemerkenswertes Gespräch zwischen uns entwickelte.
Im Anschluss an diese Triduum Sacrum, diese Heiligen drei Tage, kommen wir dann zum höchsten Fest der Christenheit: Ostern. Ist die Stimmung in der Karwoche und da besonders im Triduum Sacrum sehr ernst, man könnte wohl sagen drückend, so ändert sich dies mit Osternacht radikal. Dies findet seit Menschengedenken in der Kirchenmusik wie in der bildenden Kunst seinen Ausdruck. Auf Bildern wird der auferstandenen Herr Jesus Christus als der strahlende Sieger dargestellt, das Licht der Auferstehung triumphiert über das Dunkel des Todes. Dies mag die Hoffnung stärken, gerade in der jetzt so bedrängten Zeit. Bei allen Bedrängnissen, allem Leid, allen Beschränkungen, können wir unseren Blick auf den Herrn Jesus Christus ausrichten. Dies mag uns mit frischer Hoffnung erfüllen. Mit solcher erneuerter Hoffnung mögen wir umso eifriger die Liebe zu Gott und den Mitmenschen verwirklichen. Nicht umsonst heißt es zum Abschluss des Hohen Liedes der Liebe im Ersten Korintherbrief:
„(1 Kor 13,13) Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“
Kurz vorher wird in dieser Schrift des Neunen/Zweiten Testaments betont: „(13,8) Die Liebe hört niemals auf.“
Im Ersten Johannesbrief können wir passend zur Gegenüberstellung der Dunkelheit des Todes und des Lichtes der Auferstehung Jesu Christi in der bildenden Kunst lesen:
„(2,9) Wer sagt, er sei im Licht, aber seinen Bruder hasst, ist noch in der Finsternis. (10) Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht und in ihm gibt es keinen Anstoß. (11) Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht; denn die Finsternis hat seine Augen blind gemacht.“
Im vierten Kapitel dieses Ersten Johannesbriefs geht es in diesem Sinne weiter:
„(1 Joh 4,7) Geliebte, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott. (8) Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist Liebe. (9) Darin offenbarte sich die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben.“
So lasst uns in Glauben, Hoffnung und Liebe vereint in diesen Zeiten durchs Leben gehen. Bemühen wir uns, einander, für die Menschen um uns, eine gute Stütze, wie eine Quelle des Trostes, zu sein. Das Tun guter Werke für Menschen in Schwierigkeiten hat hier in der Pfarrgemeinde zum heiligen Nikolaus schon bei Beginn der Coronapandemie bemerkenswerte Früchte getragen. Menschen etwa aus dem universitären Bereich standen Einheimischen wie der Pfarrgemeinde hilfreich zur Seite. Nicht umsonst werden wir in der Bibel, im Alten/Ersten Testament wie im Neuen/Zweiten Testament in vielfältiger Weise zum Tun guter Werke, zu praktischer Nächstenliebe angespornt.
Gedanken zur Woche 54, Dr. Matthias Martin
5. FASTENSONNTAG (2021)
Das Evangelium für den Fünften Fastensonntag im Lesejahr B nach der bei uns üblichen Leseordnung mag manchen überraschen. Es ist da die Rede von Griechen, welche zum jüdischen Paschafest in der heiligen Stadt des Judentums, in Jerusalem, weilten. Diese „Griechen“ nahmen offensichtlich bewusst am religiösen jüdischen Leben teil. Ihrerseits waren genau diese „Griechen“ interessiert, Jesus von Nazaret kennenzulernen. Aus diesem Grund nahmen sie bewusst mit zwei bestimmten der Apostel, nämlich Philippus und Andreas, Kontakt auf.
Das Vorhandensein solcher mit dem Judentum eng verbundenen Griechen war dabei nichts Außergewöhnliches. Tatsächlich traten damals nicht wenige Menschen aus Heidenvölkern zum Judentum über, unterzogen sich soweit männlich der Beschneidung und generell der Befolgung des Jüdischen Gesetzes einschließlich der Speisevorschriften. Diese Gruppe von Menschen wird Proselyten genannt. Darüber hinaus gab es Menschen, die zumindest nicht gleich diesen weitreichenden Schritt taten, aber sich doch so stark zum Judentum mit seinem Eingottglauben hingezogen fühlten, dass sie am Leben der jüdischen Gemeinschaft schon irgendwie teilnahmen. Aus dieser Gruppe von Halbproselyten, gerne bis ins Neue/Zweite Testament hinein „Gottesfürchtige“ genannt, stammten diese griechischen Pilger. Wie bunt es in Jerusalem zugehen konnte, wird später in der Pfingsterzählung vor Augen gestellt, wie sie uns in der Apostelgeschichte überliefert ist:
„(Apg 2,5) In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. (6) Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. (7) Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galliläer, die hier reden? (8) Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: (9) Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, (10) von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, (11) Juden und Proselyten, Kreter und Araber.“
Da haben wir in diesen wenigen Versen eines neutestamentlichen Einzelbuches schon eine ganze völkerkundlich-geografische Auflistung vor uns, die manchen Christenmenschen motiviert hat, sich etwas mit Alter Geschichte und damit verbundenen geografischen Einteilungen zu beschäftigen. Dabei ist zu bedenken, dass als Griechen bezeichnete Menschen in verschiedenen Gebieten wohnten, bis ins Innere Asiens hinein - nicht zuletzt als Folge der Eroberungspolitik Alexanders, oft „der Große“ genannt. Gab es weit im asiatischen Kontinent drinnen etwa längere Zeit das Griechisch-Baktrische Königreich, auch graeko-baktrisches Reich geschrieben, so herrschten Dynastien, welche Offiziere Alexanders des Großen begründet hatten, lange über weite Teile der vom Mittelmeer aus bekannten Welt. Die Seleukiden begegnen uns umfassend, wenn auch sehr unfreundlich, in den beiden Makkabäerbüchern des Alten/Ersten Testaments. Kleopatra, welche vielen von der Römischen Geschichte und erfolgreichen Fernsehfilmen her ein bisschen bekannt ist und manchmal „die Große,“ genannt wird, war die letzte aus dem ebenfalls so entstandenen Herrschergeschlecht der Ptolemäer. Lange vor Alexander, dem vermeintlich „Großen“, war das westliche und südliche Kleinasien Teil des griechischen Kerngebietes geworden, waren griechische Siedlungen und Stadtstaaten vom Schwarzen Meer bis an die Küste der Iberischen Halbinsel entstanden, welche es mitunter zu einer beachtlichen wirtschaftlichen und politisch-militärischen Bedeutung brachten. Auch im Judentum gab es eine starke Strömung, welche sich griechischen Einflüssen gegenüber offen bis sehr weit offen zeigte, worauf wir wiederum durch die Makkabäerbücher hingewiesen werden.
Die beiden im Sonntagsevangelium als Ansprechpartner der in Jerusalem aus religiösen Gründen weilenden Griechen genannten Apostel, Philippus und Andreas, trugen nun griechische Namen. Dies verwundert vor dem geschichtlich-kulturellen Hintergrund keineswegs. Es ist auch nachvollziehbar, dass sich die Griechen mit ihrem Wunsch, Jesus kennenzulernen, genau an diese beiden Apostel wandten. Von ihnen als zumindest so etwas wie Halblandsleuten konnte rein menschlich betrachtet eine gewisse Hilfsbereitschaft erwartet werden. Ich selber habe es während meines Einsatzes in den USA erlebt, dass Vertreterinnen der sonst sehr gegen die katholische Kirche eingestellten Konfessionsgemeinschaft der lutherischen Wisconsin-Synoden mir gegenüber ihre Freude ausdrückten, einen Landsmann Martin Luthers sprechen zu können, der anders als sie selber dessen Sprache Deutsch perfekt könne. Beide Vertreterinnen äußerten sich auch in Hinblick auf Papst Benedikt XVI. anerkennend, dass es sich bei ihm um einen Landsmann Martin Luthers und anderer reformatorischer Akteure handle. Beide baten mit dem Ausdruck des Bedauerns um Verständnis, dass sie selber wie meist die Geistlichen ihrer Gemeinschaft in den USA kein Deutsch könnten, anders als bei der im Gespräch erwähnten konkurrierenden anderen lutherischen Gemeinschaft in den USA. Eine weitere, in diesem Fall gewissermaßen dritte, lutherische Konfession betrieb damals schon in der Stadt Dallas das Dauerprojekt „Deutsche Kirche Dallas“, wo ich selber einmal einen Festgottesdienst in deutscher Sprache besuchte.
Sprachlich-kulturelle Kriterien werden auch in der katholischen Kirche berücksichtigt. So heißt es in Canon 518 des CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983:
„Die Pfarrei hat in aller Regel territorial abgegrenzt zu sein und alle Gläubigen eines bestimmten Gebietes zu umfassen; wo es jedoch angezeigt ist, sind Personalpfarreien zu errichten, die nach Ritus, Sprache oder Nationalität der Gläubigen eines Gebietes oder auch unter einem anderen Gesichtspunkt bestimmt werden.“
Überörtliche gibt es beispielsweise die Auslandsdeutschenseelsorge, die Menschen deutscher Sprache außerhalb des deutschen Sprachraums und länger bestehender deutscher Sprachinseln betreut (https://www.auslandsseelsorge.de/startseite/).
1. Lesung: Jer 31,31-34
2. Lesung: Hebr 5,7-9
Evangelium: Joh 12,20-33
Gedanken zur Woche 54-b, Dr. Matthias Martin
5. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2021)
In diesem Kalenderjahr fällt in die Tage zwischen dem Fünften Fastensonntag und Palmsonntag als dem Beginn der Karwoche das Hochfest „Verkündigung des Herrn“ wie es in dem bei uns ja allermeist verwendeten Deutschen Messbuch wie im Direktorium etwa der Diözese St. Pölten genannt wird. Gerade in früheren Zeiten war auch die Bezeichnung „Mariä Verkündigung“ in Gebrauch, wofür der Volksschott von 1961 Zeugnis ablegt. Das Evangelium vom Hochfest ist jeweils dasselbe, die Verse 26 bis 38 des ersten Kapitels des Lukasevangeliums. Es ist immer empfehlenswert, das jeweilige Stück der Bibel mit Aufmerksamkeit, ja gespannter Aufmerksamkeit, zu lesen beziehungsweise zu hören. In diesem Falle ist es aber ganz besonders angesagt. Ist doch dieser Passus aus den synoptischen Evangelien von besonderer Bedeutung im Sinne unverfälschter katholischer Überlieferung, gewissermaßen der Tradition, und ist dabei auch recht bedeutsam für einen aufgeschlossenen ökumenischen Dialog, wie ich es selber persönlich bestätigt bekam.
Nun, die Worte des Lukasevangeliums - Verkündigungsszene mit dem (Erz-)Engel Gabriel und der Jungfrau Maria - haben sich für ungezählte Menschen als erbaulich und für die bildende Kunst als inspirierend erwiesen. Aber offensichtlich haben irgendwie Christinnen und Christen oft über die dort niedergeschriebenen Worte hinweggelesen beziehungsweise nicht so genau hingehört. Tatsächlich heißt es in der neuen Einheitsübersetzung, dass Maria nach dem Gruß des (Erz-)Engels „überlegte“. Im erwähnten Volksschott heißt es „dachte nach“. In der 4. unveränderten Auflage von 2004 der NEUEN ECHTER BIBEL ist wiederum das Wort „überlegte“ der Ausdruck in Zusammenhang auf die Reaktion Mariens auf den Gruß des (Erz-)Engels. Gleiches findet sich in der älteren Version der Deutschen Einheitsübersetzung. In der 6. Auflage von 1998 der Interlinearübersetzung „Das Neue Testament. Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch“, übersetzt von Ernst Dietzfelbinger, heißt es „überlegte sich“. In der 9. Auflage aus dem Jahre 1983 der „Synopse der drei ersten Evangelien“ von Josef Schmid heißt es bezüglich Marias, sie „fragte sich“. Überlegen, sich fragen, nachdenken weist uns ganz stark auf den Einsatz des Verstandes hin. Genau in diesem Sinne geht es weiter in der Verkündigungsszene des Lukasevangeliums. Maria sagt nämlich zur Ankündigung der Geburt Jesu nicht einfach Ja und Amen, sondern erbittet von (Erz-)Engel Gabriel eine für sie einsichtige Erklärung.
Mit diesem Stück werden die Christinnen und Christen also ganz stark auf eigene Verstandestätigkeit, den Einsatz der Vernunft hingewiesen. Anders gesagt: Es wird deutlich, dass man den Verstand nicht an der Kirchentüre abgeben soll.
Hinweise in Richtung philosophischer Gotteserkenntnis etwa finden sich schon in der Bibel, beginnend mit Alten/Ersten Testament. So heißt im alttestamentlichen Buch der Weisheit:
"(Weish 13,1) Ohne Verstand waren von Natur aus alle Menschen,
denen die Gotteserkenntnis fehlte.
Aus den sichtbaren Gütern vermochten sie nicht den Seienden zu erkennen.
Beim Anblick der Werke erkannten sie den Meister nicht. . . .
(5) denn aus der Größe und Schönheit der Geschöpfe
wird in Entsprechung ihr Schöpfer erschaut.“
In dem ebenfalls zu den Weisheitsbüchern des Alten/Ersten Testaments zählenden Buch Jesus Sirach steht:
"(Sir 17,8) Er hat die Furcht vor ihm in ihre Herzen gelegt,
um ihnen die Größe seiner Werke zu zeigen; . . .“.
Im neutestamentlichen Römerbrief klingt der Gedanke einer natürlichen Erkennbarkeit wiederum an:
"(Röm 1,20) Seit Erschaffung der Welt wird nämlich seine unsichtbare Wirklichkeit
an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen,
seine ewige Macht und Gottheit. . .“.
Die frühchristlichen Apologeten formulierten dann eine ganze Bandbreite von Argumenten für das Christentum. Diese Argumente waren einmal mehr historischer, einmal mehr sozial/moralischer Art oder etwa philosophisch-metaphysisch orientiert. Einher ging damit, dass in frühchristlichen Bildungsanstalten auch „weltliche“ Fächer wie Geografie, Geschichte, Mathematik, Philosophie bis hin zur Astronomie ihren Platz hatten.
Einen Hinwies auf den engen Zusammenhang von Christentum und geistigem Leben, intellektuellen Bemühungen findet man, wenn man sich die historische Übersicht am Ende des von Walter Brugger herausgegebenen „Philosophischen Wörterbuchs“ nach dessen 17. Auflage ansieht. Dort scheinen beim Gang durch die Jahrhunderte immer wieder christliche Denker, Autoren, auf, beginnend mit dem Neuen/Zweiten Testament, über die frühchristlichen Apologeten, Kirchenväter, verschiedene Kirchenlehrer einschließlich Thomas von Aquin (siehe Gedanken zur Woche 46-b) bis in die Neuzeit hinein.
Gerade im 19. Jahrhundert verurteilte die katholische Kirche mehrfach die Meinung, nur der Glaube, lateinisch fides, habe für Christen zu zählen. sich von einseitiger Betonung des Glaubens auf Kosten der Vernunft ableitende Position des Fideismus wurde klar verurteilt.
Besonders wichtig wurde hierbei das von 1869 bis 1870 tagende I. Vatikanische Konzil. Heute oft vergessen und leider auch sehr vielen Katholikinnen und Katholiken nicht bewusst ist, dass dieses Konzil nicht nur eine dogmatische Konstitution über das Papstamt, sondern schon vorher eine andere über das Verhältnis von Glauben und Vernunft, das Verständnis des Glaubens, verabschiedete. In dieser Konstitution „Dei Filius“, auch genannt „De fide catholica" wird genau dies behandelt. Umfassend wurde hier der positive Zusammenhang von Glauben und Vernunft wie die Befürwortung der Wissenschaften dargelegt. Das II. Vatikanische Konzil (1962-1965) verabschiedete gleich zwei Dokumente zu Bildungsangelegenheiten und würdigte eigens Thomas von Aquin.
Im gegenwärtigen CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983 wird an einigen Stellen ausdrücklich auf Bildungsfragen eingegangen. Canones 3 und 22 verdeutlichen, welche Bedeutung die Kirche auch der Rechtswissenschaft einschließlich dem Völker- und Verfassungsrecht zuerkennt.
Gedanken zur Woche 53, Dr. Matthias Martin
4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2021)
Der vierte Sonntag der Fastenzeit sticht in mehr als nur einer Hinsicht heraus. Zum einen hat er eigenen Namen auf Lateinisch: LAETARE. Dies bedeutet so viel wie „sich freuen“. Wir dürfen uns freuen, erleichtert sein, dass die Fastenzeit, die vorösterliche Zeit der Buße und Besinnung, schon so weit fortgeschritten ist. Wir haben gewissermaßen das meiste auf dem Weg zum höchsten Fest der Christenheit, Ostern, hinter uns. Jetzt kommt noch der fünfte Sonntag der Fastenzeit und dann ist schon Palmsonntag als der Beginn der Karwoche, im Englischen, gerade im American English, „Holy Week“ genannt. Holy Week wörtlich ins Deutsche übersetzt heißt „Heilige Woche“, was verdeutlicht, wie wichtig diese zwischen Palmsonntag und Ostern stattfindende Woche ist. Neben dem vierten Sonntag der Fastenzeit LAETARE ist noch der dritte Sonntag der Adventszeit mit einem eigenen lateinischen Namen ausgezeichnet: GAUDETE. Der Grund für diese Besonderheit ist wie beim Sonntag LAETARE. GAUDETE heißt so viel wie „Freuet euch“. Freuen mögen sich die Christinnen und Christen, dass sie in diesem Fall in der vorweihnachtlichen Buß- und Besinnungszeit des Advents auf dem Weg nach Weihnachten so weit vorangekommen sind. Eine farbliche Besonderheit haben diese beiden Sonntage neben dem Umstand, einen besonderen lateinischen Namen zu besitzen, ebenfalls gemeinsam. Es ist dies die Tatsache, dass an diesen beiden besonderen Sonntagen im Jahreskreis der Priester ein Messgewand in der Farbe Rosa tragen kann. Das freundlichere, hellere Rosa soll gegenüber dem ernsteren Violett der übrigen Fasten- beziehungsweise Adventszeit Ausdruck der gelösten Stimmung, der Freude sein.
In der bei uns üblichen Leseordnung wird uns in diesem Jahr, dem sogenannten Lesejahr B, ein schon in sprachlicher Hinsicht bemerkenswertes Sonntagsevangelium geboten. Es ist ein Teil des berühmten Gesprächs des Nikodemus mit Jesus von Nazaret. Etwas vorher heißt es zu Beginn des dritten Kapitels des Johannesevangeliums:
„(3,1) Es war da einer von den Pharisäern namens Nikodemus, ein führender Mann unter den Juden. (2) Der suchte Jesus bei Nacht auf und sagte zu ihm: Rabbi wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, wenn nicht Gott mit ihm ist.“
Im siebten Kapitel des Johannesevangeliums ist zu lesen, dass es Nikodemus war, der gegenüber anderen jüdischen Vertretern unter Berufung auf das jüdische Gesetz zugunsten Jesu das Wort ergriff. Im 19. Kapitel des Johannesevangeliums heißt es, dass Nikodemus nach der Kreuzigung mitwirkte, Jesus ein würdiges Begräbnis zu bereiten. Er arbeitete demnach hier mit Josef aus Arimathäa zusammen. Über diesen steht geschrieben: „(19,38) Josef aus Arimathäa war ein Jünger Jesu, aber aus Furcht vor den Juden nur im Verborgenen.“
Menschliche Vorsicht hat einst wohl auch Nikodemus bewogen, Jesus nachts und nicht bei Tage aufzusuchen. So entstand von diesem Besuch her der Ausdruck Nikodemusgespräch. Es bedeutet so viel, dass jemand lieber nur heimlich einen betreffenden Kontakt unterhält, aus Angst um die eigene Sicherheit, die Karriere oder das Wohlergehen der eigenen Familie. So hieß es in unserer Zeit, auch schon mancher Kardinal habe mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. eben ein Nikodemusgespräch geführt. Dabei war, wie das Neue/Zweite Testament vermittelt, Nikodemus nicht der einzige Pharisäer, der Jesus von Nazaret freundlich gegenüberstand (siehe eigens Gedanken zur Woche 52). So heißt es, dass ein anderer Pharisäer Jesus zum Essen einlud, was ein Ausdruck hoher Wertschätzung war. In der neueren Forschung geht man davon aus, dass die demgegenüber Jesus so feindlichen Sadduzäer ihn nachts festnehmen und im Schnellverfahren aburteilen ließen, damit die Jesus freundlicher gesinnten Pharisäer nicht zu dessen Gunsten eigene Vertreter herbeiholen konnten. Gab es bei den Pharisäern den einen oder anderen Anhänger Jesu von Nazarets, so waren andere zumindest für Toleranz im Sinne von „leben und leben lassen“.
Wenn es hier und da vielleicht zu etwas heftigeren Diskussionen des einen oder anderen Pharisäers oder einer kleinen Gruppe mit Jesus gekommen war, so ist dies vor dem Hintergrund der ausgeprägten Diskussions- ja Streitkultur im Judentum zu sehen und dem Umstand geschuldet, dass die zusammenfassend als Pharisäer bezeichneten Menschen keine einheitliche Gruppe waren. Die Pflege des mitunter lautstarken Diskurses im Judentum wurde mir sogar im Studium der Politikwissenschaft ein bisschen nahegebracht. Derartiges begegnete mir wieder Ende der Neunzigerjahre bei einem Besuch in Israel einschließlich Jerusalem. Im Studium der Politikwissenschaft zu Innsbruck erfuhr ich auch, dass es in Israel die Redensart gibt: „drei Juden, vier Meinungen“ und noch mehr. Im Neuen/Zweiten Testament lesen wir an mehr als einer Stelle, dass sich Pharisäer, welche sich selber (noch) nicht dem Christentum angeschlossen hatten, sich gegen eine Verfolgung der Christen aussprachen, so etwa nach dem fünften Kapitel der Apostelgeschichte der angesehene Gesetzeslehrer Gamaliël im Hohen Rat. Nach dem 23. Kapitel der Apostelgeschichte wünschte gleich eine ganze Gruppe von Pharisäern, den Apostel Paulus, bekanntlich selber ein getaufter Pharisäer, in Frieden zu lassen. Schon im 15. Kapitel der Apostelgeschichte ist in Zusammenhang mit dem Apostelkonzil oder Apostelkonvent von einer Reihe christlich gewordener Pharisäer die Rede.
Den Pharisäern ist es im Laufe der Geschichte ähnlich wie den Vandalen (Gedanken zur Woche 35-b) und im eingeschränkten Ausmaß den Neandert(h)alern gegangen: Durch allerlei Verzerrung wurde aus einer normalen Bezeichnung ein regelrechtes Schimpfwort, ja ein Hassausdruck. So ist es völlig ungerechtfertigt, etwa das Wort „Vandale“ synonym für „Gewalttäter“ oder „Mensch mit purer Zerstörungswut“ zu verwenden. Ein betreffender Tatverdächtiger unserer Tage ist sicher nicht Angehöriger jenes germanischen Volkes, das die Vandalen genannt wird. Eine irreführende, ja aufhetzende, Verwendung solcher Begriffe sollte wirklich vermieden werden.
1. Lesung: 2 Chr 36,14-16.19-23
2. Lesung: Eph 2,4-10
Evangelium: Joh 3,14-21
Gedanken zur Woche 53-b, Dr. Matthias Martin
4. FASTENWOCHE (2021)
In diesem Jahr 2021 fällt ein eigenes Hochfest zwischen dem Vierten Fastensonntag, LAETARE, und dem Fünften Fastensonntag. Es ist dies das Hochfest, anders gesagt Fest I. Klasse, „Hl Josef, Bräutigam der Gottesmutter Maria“, welches am 19. März gefeiert wird. Wird diese Bezeichnung in dem derzeit bei uns üblichen Deutschen Messbuch verwendet, so lautet der Titel für dieses Ereignis im Volksschott von 1961 „Fest des hl. Joseph, Bräutigams der allerseligsten Jungfrau Maria“. Dort heißt es auf Seite 807:
„Als Bräutigam der allerseligsten Jungfrau und als Nährvater des göttlichen Kindes war der hl. Joseph zu einer Würde erhoben, wie sie keinem anderen Heiligen zuteil wurde“.
Tatsächlich wird dem heiligen Josef noch ein weiterer Tag gewidmet, der 1. Mai als Fest „Josef der Arbeiter“. Festgelegt wurde dies durch Papst Pius XII. Sein Nachfolger wurde der von 1958 bis 1963 amtierende Papst Johannes XXIII. Dieser war es ja dann, der eigens die Herausgabe des oben zitierten Volksschotts würdigte. Er setzte auch in Hinblick auf den heiligen Josef einen besonderen Akzent. So ordnete er an, dass dessen Namen ausdrücklich im Römischen Messkanon, heutzutage oft I. Hochgebet genannt, zu erwähnen sei. In Hinblick auf die mit der sogenannten Liturgiereform Ende der Sechzigerjahre eingeführten Hochgebete II, III und IV wurde dies von Papst Benedikt XVI. gewünscht. So erging am Festtag „Josef der Arbeiter“ vom 1. Mai 2013, also unter Papst Franziskus, ein Schreiben der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, also gewissermaßen des Liturgieministeriums des Vatikans (https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccdds/documents/rc_con_ccdds_doc_20130501_san-giuseppe_ge.html), in dem es heißt:
„In der Katholischen Kirche haben die Gläubigen schon immer eine ununterbrochene Verehrung des Heiligen Joseph gezeigt und ständig und feierlich das Gedächtnis des keuschen Ehemannes der Mutter Gottes und des himmlischen Patrons der ganzen Kirche begangen, ja bis zu dem Punkt, dass der Selige Johannes XXIII. während des Zweiten Vatikanischen Konzils verfügte, dass der Namen des Heiligen Josephs in den antiken Römischen Canon aufgenommen werde. Papst Benedikt XVI. hat dankbar die vielen frommen schriftlichen Wünsche aufgegriffen und approbiert, die von vielerlei Orten herkamen und die nun Papst Franziskus bestätigt hat, indem man die Fülle der Gemeinschaft der Heiligen betrachtet, die einst zusammen mit uns Pilger in der Welt waren und die uns nun zu Christus führen und uns mit ihm vereinen.
Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes ordnet diese Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung kraft der ihr von Papst Franziskus erteilten Fakultät bereitwillig an, dass der Name des Heiligen Joseph, Bräutigam der Seligen Jungfrau Maria, von nun an in den eucharistischen Gebeten II, III und IV des Missale Romanum . . . nach dem Namen der Seligen Jungfrau Maria . . . hinzugefügt wird.“
Mit Datum vom 8. Dezember 2020, also dem Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter/Gottesgebärerin Maria erließ Papst Franziskus das Apostolische Schreiben ,,Patris Corde" über den heiligen Josef. Auch dieses päpstliche Dokument ist in deutscher Sprache auf der offiziellen Internetseite des Vatikans zu lesen (http://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_letters/documents/papa-francesco-lettera-ap_20201208_patris-corde.html). Die Veröffentlichung von "Patris Corde" geschah anlässlich des 150. Jahrestages der Erhebung des heiligen Josefs zum Schutzpatron der Kirche durch Papst Pius IX. Es war dann Papst Pius XI., der im Jahre 1937 den heiligen Josef zum Schutzpatron aller erhob, die gegen den Kommunismus kämpfen. Diese Festlegung besaß eminent politische Aussagekraft über konfessionelle, religiöse und nationale Grenzen hinweg. Verschiedentlich wird betont, dass damit der heilige Josef nicht nur zum Schutzpatron für betreffende Katholikinnen und Katholiken erklärt wurde, sondern auch für die Menschen aus allen möglichen anderen religiösen Gemeinschaften, die sich gegen den Kommunismus engagieren.
Mehr innerkirchlich blieb da die Pflege der Verehrung des heiligen Joseph durch andere Päpste wie etwa durch Papst Paul VI. oder auch Papst Pius X., welcher die Litanei vom heiligen Josef für den liturgischen Gebrauch bestätigte. Papst Johannes Paul II. veröffentlichte am 15. August 1989, also am Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, mit "Redemptoris Custos" ein eigenes Apostolisches Schreiben über Gestalt und Sendung des heiligen Josef (http://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_exhortations/documents/hf_jp-ii_exh_15081989_redemptoris-custos.html).
Der gerade als Verfasser der ersten Sozialenzyklika ,,Rerum Novarum", Förderer von Bildung und Wissenschaft wie Opponent des Britischen Empire bekanntgewordene Papst Leo XIII. veröffentliche am 15. August 1889 mit ,,Quamquam Pluries" eine eigene Enzyklika über den heiligen Josef (http://www.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_15081889_quamquam-pluries.html). Darin bezeichnete er den heiligen Josef als den himmlischen Patron der Gläubigen und spornte zu dessen eifriger Verehrung an.
Tatsächlich finden sich ungezählte Zeugnisse von Verehrung, Ehrenbezeugung für den heiligen Josef. In der Kunst erweist man ihm starke Referenz, in der Malerei wie in der Plastik und dies in ganz verschiedenen Kunststilen. Vergleichbares lässt sich für den Bereich des geschriebenen Wortes bis in das Liedgut hinein feststellen. Eine ganz wichtige Rolle spielt er natürlich in den Weihnachtskrippen, wie man auch in der Pfarrgemeinde zum heiligen Nikolaus in Stein sehen kann. Auf dem linken Seitenaltar der Pfarrkirche von Stein steht eine Skulptur des heiligen Josef. Natürlich findet sich der heilige Josef auch auf dem Glasfenster von der Heiligen Familie im Chorraum der Pfarrkirche.
Den Namen des heiligen Josef tragen Klöster und Kirchen wie ganze Ordensgemeinschaften. Gleich in vier österreichischen Bundesländern ist sein Feiertag vom 19. März Landesfeiertag: Kärnten, Steiermark, Tirol und Vorarlberg. Ebenso ist der Tag des Heiligen Josef Feiertag in einer Reihe von Autonomieregionen im spanischen Staatsverband und schweizer Kantonen. Er ist Feiertag für die Republik Malta und die Republik Kolumbien sowie in Venezuela.
Gedanken zur Woche 52, Dr. Matthias Martin
3. FASTENSONNTAG (2021)
Recht drastisch geht es in dem nach der bei uns üblichen Leseordnung vorgesehenen Sonntagsevangelium zu. Hier wird in Zusammenhang mit dem Auftreten Jesu von der Tempelreinigung berichtet, dem Vorgehen Jesu gegen die im Bereich des Jerusalemer Tempels tätigen Händler von für den Opferdienst vorgesehenen Tieren und den mit der Abwicklung der Tempelsteuer verbundenen Geldwechslern. Interessanterweise wird ein solcher beziehungsweise dieser Zusammenstoß nicht nur im Johannesevangelium, sondern auch in den synoptischen Evangelien berichtet, und zwar in allen dreien: Matthäus, Markus und Lukas. Ein Blick in ein so nützliches Werk wie die „Synopse der drei ersten Evangelien“ von Josef Schmid, in meinem Fall der 9. Auflage von 1983, verdeutlicht dies. In diese Richtung weist uns auch ein auf seine Weise ein eher knapp gehaltenes Werk wie der betreffende Band der NEUEN ECHTER BIBEL. In der 4. Auflage von 1993 wird es in dem von Joachim Gnilka erarbeiteten Band zum Johannesevangelium auf Seite 24 angesprochen, verbunden mit nützlichen Hinweisen für ein persönliches Bibelstudium. Dass ein überliefertes Ereignis in allen vier Evangelien des Neuen/Zweiten Testamentes Aufnahme fand, ist schon ganz bemerkenswert. Es geht dabei um etwas ganz Grundsätzliches und Wichtiges: den Kampf gegen den Missbrauch von Religion, die Verdrehung, den Missbrauch religiöser Vorgänge und Werte. Dies ist, ob man es sich eingestehen will oder nicht, eine dauernde Herausforderung.
Die ganz aktuell laufende Missbrauchsdebatte verdeutlicht dies, umso mehr da mit sexuellem Missbrauch nicht selten weiteres Fehlverhalten wie Unterschlagung oder einfach Zweckentfremdung der Geldmittel einer religiösen Gemeinschaft für Schweigegeld beziehungsweise Schmerzensgeldzahlungen verbunden sind. Fälle wie die um einst so machtvolle Kirchenvertreter oder Kirchenfürsten wie Erzbischof Rembert Weakland und Ex-Kardinal Theodore McCarrick aus den USA belegen dies sehr drastisch. Dabei stellen diese Vorfälle nur die sprichwörtliche Spitze eines Eisberges dar. Es vergeht ja kein Tag, an dem nicht neue Peinlichkeiten und Schlimmeres über Vorfälle und deren Vertuschung in bundesdeutschen Diözesen berichtet wird.
Es ist dabei zu bedenken, wie die einst von Jesus von Nazaret so drastisch kritisierte Geschäftemacherei am Tempelberg von Jerusalem sich in einem Dreieck von Religion – Politik – Wirtschaft abspielte. Die den Tempelbereich von Jerusalem kontrollierenden Sadduzäer waren nicht einfach die offiziellen Priester, sondern gewissermaßen ein Priesteradel. Außerordentlich an wirtschaftlichem Gewinn interessiert, waren sie die typischen Kollaborateure mit den Römern. Diese Sadduzäer waren die Todfeinde Jesu von Nazarets. Demgegenüber war gar mancher der im einfachen Volk verankerten Pharisäer wie man im Neuen/Zweiten Testament nachlesen kann, gut Freund mit Jesus von Nazaret. In der nachösterlichen Zeit trat nicht zuletzt mancher dieser an Standpunkttreue anstatt politischem Taktieren und Geschäftemacherei interessierten Pharisäer alsbald zum Christentum über oder plädierte zumindest für Toleranz zugunsten des jungen Christentums. Als es dann in Zusammenhang mit dem Ersten Jüdischen Aufstand, auch genannt der Erste Jüdische Krieg, zur drastischen Änderung der politisch-sozialen Großwetterlage einschließlich der Zerstörung des Jerusalemer Tempels kam, war das Schicksal der Sadduzäer besiegelt. Die Sadduzäer verschwanden abrupt als handelnde Gruppe aus der Geschichte. Jetzt erinnern noch archäologische Funde im Raum Jerusalem an den einstigen Reichtum dieses politisch bis zum Umsturz der Verhältnisse so gut vernetzten sadduzäischen Priesteradels. Die nicht in den politisch wichtigeren Kreisen in neutestamentlicher Zeit so vernetzten Pharisäer sind geblieben. Sie überstanden in einfachen Dörfern des Nahen Ostens und in der jüdischen Diaspora die Stürme der Zeit. Das spätere Judentum wäre ohne ihr Beharrungsvermögen und aktives Wirken nicht denkbar. Mancher Pharisäer hat eben auch seine Fähigkeiten und sein persönliches Durchhaltevermögen dem damals noch so neuen Christentum zur Verfügung gestellt.
In unserer Zeit waren dann Skandalbischöfe bis in den Kardinalsrang auffallend gut vernetzt. Die politischen Kontakte von Ex-Kardinal McCarrick allein schon mit den kommunistischen Regimen von Kuba und China waren, zurückhaltend ausgedrückt, ganz „bemerkenswert“. Dabei verstand er es auch glänzend, beim persönlichen Lebensstandard alles andere als zu kurz zu kommen, wiederum zurückhaltend ausgedrückt. Der jetzt so heftig in die Kritik geratene Erzbischof von Köln Rainer Kardinal Woelki war noch vor ganz kurzem der Freund und gerne gesehene Weggefährte von politisch Mächtigen im Land. Da hat es auch nicht gestört, dass sich die von ihm geleitete milliardenschwere Erzdiözese Köln standhaft weigert, bekannt zu geben, wo man denn die großen Summen investiere. Dabei hat schon im Jahre 2010 das bundesdeutsche Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL berichtet, wie gerne Kirchenbanken in der Bundesrepublik in alles Mögliche investieren, was nicht heilig ist. Schon vorher hatte übrigens die Wochenzeitung der Diözese St. Pölten in diese Richtung gehend berichtet. Da störte es in besseren Kreisen nicht, dass gerade aus offiziellen kirchlichen Gremien regelmäßig donnernde Appelle für die Einhaltung höchster moralischer Standards in Politik und Wirtschaft kundgetan wurden, sehr gerne verbunden mit moralischer Verurteilung ja Verdammung von Menschen bzw. gesellschaftlicher Gruppen, die es an der Umsetzung solch hehrer Position vermeintlich mangeln ließen. Da mag in den Sinn kommen, was in der 2. Fastenwoche dieses Jahr als Wort Jesu im Matthäusevangelium über Religionsvertreter der neutestamentlichen Zeit zu lesen ist:
"4. Sie schnüren schwere und unerträgliche Lasten zusammen
und legen sie den Menschen auf die Schultern,
selber aber wollen sie keinen Finger rühren, um die Lasten zu bewegen.“
Die kritische Auseinandersetzung mit religiösen Amtsträgern bis hin zu solchen der Spitzengarnitur war aber längst schon im Alten/Ersten Testament ein Thema. Ein Blick in das Prophetenbuch Amos und in das Erste Buch Samuel ist da höchst aufschlussreich.
1. Lesung: Ex 20,1-7
2. Lesung: 1 Kor 1,22-25
Evangelium: Joh 2,13-25
Gedanken zur Woche 52-b, Dr. Matthias Martin
3. FASTENWOCHE (2021)
In diesem Kalenderjahr wird nach dem bei uns üblichen liturgischen Kalender in der Dritten Fastenwoche gleich zweier heiliger Ordensgründer gedacht. Es sind dies am 8. März 2021 der heilige Johannes von Gott und am darauffolgenden 9. März 2021 die heilige Franziska von Rom.
Wirkte der erstgenannte im 16. Jahrhundert auf der Iberischen Halbinsel, so geht auf sein Wirken die weitverbreitete Ordensgemeinschaft der „Barmherzigen Brüder“ zurück mit der Abkürzung OH oder auch OSJdD. Gründung, Festigung und Verbreitung dieser in der Krankenpflege engagierten Gemeinschaft ist ein Beispiel für die katholische Erneuerung vom 16. zum 17. Jahrhundert hin. Diese zeigte sich gerade in einem vielfältigen Aufschwung des Ordenswesens. Die Gründung des heiligen Johannes von Gott wurde und blieb die wichtigste der verschiedenen „Barmherzige Brüder“ genannten Krankenpflegeorden. Im deutschen Sprachraum sind beispielsweise die „Barmherzigen Brüder von Maria Hilf“, abgekürzt FMMA, und die „Barmherzigen Brüder von Montabaur“, abgekürzt FMM, in den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts entstanden.
Ebenfalls der praktischen Nächstenliebe und hierbei insbesondere der Krankenpflege hatte sich schon vorher die heilige Franziska von Rom gewidmet. Zunächst verheiratet, schenkte sie sechs Kindern das Leben. Von ihrem unermüdlichen Wirken für die Armen, die Ausgegrenzten, die Kranken, ließ sie sich auch nicht vom römischen Adel abbringen. Auch die Schäden, welche die Kirche durch das Gegenpapsttum von Avignon und dann auch noch durch das von Pisa erlitten hatte, konnte die standhafte Frau nicht entmutigen. Schon 1425 gründete sie die „Gemeinschaft der Oblatinnen des Olivetanerklosters an (der Kirche) Santa Maria Nuova“. Nach dem Tod ihres durchaus verständnisvollen Ehemanns trat die heilige Franziska von Rom selber dieser Gemeinschaft bei.
Beide Ordensgründer haben die Mahnung des Jakobusbriefes beherzigt, dass der Glaube tot sei ohne die Werke und man sich gerade den Armen in Wertschätzung zuwenden solle, in beispielhafter Weise umgesetzt. Es ist hier natürlich auch an weitere Bücher der Bibel zu denken, wie das alttestamentliche Buch Tobit, in dem es ja ganz stark um die Verbindung von echter Frömmigkeit und guten Werken, Werken der Barmherzigkeit, geht. Auf seine Weise weist uns auch das Buch Jesus Sirach mit seinem Ehrennamen Ecclesiasticus in diese Richtung. Im Neuen/Zweiten Testament mag hier das Gleichnis vom Jüngsten Gericht im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums mit seiner Mahnung, dass man das, was man dem geringsten seiner Mitmenschen getan habe, man dem Herrn Jesus Christus getan habe, besonders aufrütteln. Bekannt ist natürlich das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter im 10. Kapitel des Lukasevangeliums. Weniger bekannt ist wohl die Aufforderung im 1. Johannesbrief, also einem der sieben sogenannten katholischen Briefe des Neuen/Zweiten Testamens:
„(3,18) Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben,
sondern in Tat und Wahrheit.“
Wirken und Erfolg der heiligen Franziska von Rom belegen eigens, welche Bedeutung Frauen im katholischen Bereich im Mittelalter oder der beginnenden Neuzeit haben konnten. Diese Bedeutung wird in so unterschiedlichen Bereichen wie der schottischen Nationalgeschichte, dem Kampf gegen das Gegenpapsttum vom Avignon für die Freiheit und Würde der Kirche, im deutschen Reichskirchenwesen und eben nicht zuletzt im Ordenswesen deutlich (siehe z.B. die früher erschienen Beiträge von Gedanken zur Woche 12-b; 18-b;19-b und 29-b).
Das Wirken und die Fernwirkung beider Heiliger zusammen verdeutlicht die enorme Bedeutung der Ordensgemeinschaften für die Kirche und allgemein für die Verwirklichung guter Werke, sei es im sozial-caritativen Bereich, sei es etwa in Bildung und Wissenschaft. So hat sich ja das Zweite Vatikanische Konzil eingehend mit dem Ordenswesen beschäftigt und dazu eigens das Dekret „Perfectae caritatis“ verabschiedet. Ist dieses wirklich lesenswerte Dekret heutzutage selbst bei praktizierenden Katholikinnen und Katholiken bis hinein in den Klerus de facto unbekannt, so ist seit den Sechzigerjahren eine schwere Krise im Ordenswesen offenkundig. In neuester Zeit hat kein geringerer als Papst Franziskus dazu drastische Worte gefunden. Schon vorher hatte dies der damalige Kardinal Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., gerade in dem Bestseller „Zur Lage des Glaubens“ offen angesprochen (siehe Gedanken zur Woche 20-b). Drastisches zum Einbruch bei Ordensgemeinschaften seit den Sechzigerjahren fand ich für den regionalen Bereich in den beiden Bänden der „Unterfränkischen Geschichte“, welche mir verbunden mit offiziellen Urkunden meine Heimatstadt Marktheidenfeld zu meiner Primiz schenkten.
Deutlich wurde schon vorher der gerade durch Papst Benedikt XVI. geehrte und als Fachautor berühmt gewordene deutsche Kirchenrechtler Georg May. In seinem 1978 in Wien erschienen Werk „Echte und unechte Reform“ widmet er der Krise des Ordenswesens ein eigenes Kapitel. Ähnlich wie dann 1984 der damalige Kardinal Joseph Ratzinger in dem langen Interview, welches zu dem Buch „Zur Lage des Glaubens“ führte, so sparte Georg May nicht mit dramatischen Worten:
„Die nachkonziliare Lage ist indes durch einen Rückgang, teilweise sogar durch einen Zusammenbruch fast aller klösterlichen Verbände der Kirche gekennzeichnet“ (Seite 96).
„Die Statistik der klösterlichen Verbände bestätigt das oben gewonnene Urteil. Die Ausfälle infolge von Tod, Abfall oder Austritt übersteigen fast überall die Eintritte. Zehntausende von Ordensleuten haben seit dem Konzil die Klöster verlassen, . . . Ende 1976 wurde bekanntgegeben, im Verlauf der letzten fünf Jahre seien 25.000 Klosterfrauen von ihren Gelübden entbunden worden. Bemerkenswert ist, daß gerade die sozial dienenden klösterlichen Verbände von Frauen den schlimmsten Nachwuchsmangel haben, . . .“ (Seite 102).
Mit ihren deutlichen Worten zur Krise des Ordenswesens stehen Persönlichkeiten wie Papst Franziskus, Benedikt XVI/Joseph Ratzinger und Georg May nicht allein. Umso wertvoller dürfte es sein, sich auf Vorbilder wie die heilige Franziska von Rom und den heiligen Johannes von Gott zu besinnen.
Gedanken zur Woche 51, Dr. Matthias Martin
2. FASTENSONNTAG (2021)
Das Evangelium nach der bei uns üblichen Leseordnung zum Zweiten Fastensonntag weist uns ganz bemerkenswert auf den Zusammenhang der beiden Testamente der Bibel, als ihren Hauptteilen hin, diese Verklammerung von Altem, auch genannt Erstem, Testament und dem Neuen, auch genannt Zweiten, Testament. Zugleich wird eigens der enge Zusammenhang von Matthäus, Markus und Lukas deutlich, den drei synoptischen Evangelien. Alle diese drei berichten nämlich von dem, was auf Deutsch gerne kurz „Die Verklärung Jesu“ genannt wird.
Interessant, dass Petrus in jedem dieser drei Evangelien(stellen) von den Aposteln an erster Stelle genannt wird. Wir finden es auch sonst an verschiedenen Stellen des Neuen/Zweiten Testamentes, dass Petrus oder Simon Petrus bei der Erwähnung der Apostel, von Aktivitäten der Apostel an erster Stelle genannt wird. Dies geschieht nicht nur bei der berühmten sogenannten Primatsstelle im 16. Kapitel des Matthäusevangeliums, wo es auf die Frage Jesu an die anwesenden Jünger „(16,15) . . . Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ heißt: „(16) Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Im vergleichbaren Zusammenhang ist es auch im 8. Kapitel des Markusevangeliums und im 9. Kapitel des Lukasevangeliums, dass Petrus das Wort ergreift und die Antwort gibt.
In Zusammenhang mit dem Pfingstereignis ist es Petrus, der spricht:
„(Apg 2,14) Da trat Petrus auf, zusammen mit den Elf;
er erhob seine Stimme und begann zu reden:
Ihr Juden und alle Bewohner von Jerusalem!
Dies sollt ihr wissen, achtet auf meine Worte!“
Im Anschluss daran ist es wiederum Petrus, der auf die Frage von Zuhörern „(Apg 2,37) Was sollen wir tun?“ die Antwort gibt.
Recht kurz nach dem Pfingstereignis ist es wiederum Petrus, der besonders in Erscheinung tritt und das Wort ergreift. Dies geschieht nun auf dem Tempelplatz in Jerusalem, wenn es heißt, dass der Gelähmte, nachdem Petrus zu ihm gesprochen hatte, geheilt wurde:
„(3,12) Als Petrus das sah, wandte er sich an das Volk:
Israeliten, was wundert ihr euch darüber?
Was starrt ihr uns an, als hätten wir aus eigener Kraft oder Frömmigkeit bewirkt,
dass dieser gehen kann?
(13) Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter,
hat seinen Knecht Jesus verherrlicht, . . .".
Hier springt der Bezug zum Alten/Ersten Testament schon direkt ins Auge. Aber auch in der vorherigen Pfingstpredigt des Petrus ist dieser Zusammenhang nicht zu übersehen. So wird dort umfangreich und ausdrücklich der alttestamentliche Prophet Joël zitiert. Kurz darauf wird intensiv auf David aus dem Alten/Ersten Testament Bezug genommen.
Im jetzt für den Zweiten Fastensonntag auf dem Programm stehenden Stück aus dem Markusevangelium sind es Elija und Moses, welche im Gespräch mit Jesus in Erscheinung treten. Diese beiden großen Gestalten des Alten/Ersten Testamentes werden namentlich auch an der betreffenden Stelle des Matthäus- und des Lukasevangeliums erwähnt. Elija gilt überhaupt als herausragender Prophet, während Moses gerade als Überbringer des (religiösen) Gesetzes gesehen wird, so dass es in der bekannten Einführung des Johannesevangeliums, dem Prolog, sogar heißt: „(1,17) Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; . . .“. Die dafür so wichtigen fünf ersten Bücher der Bibel, Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium, werden auch die FÜNF BÜCHER MOSE genannt. Dies geschieht etwa im Inhaltsverzeichnis der neuen Ausgabe der Deutschen Einheitsübersetzung mittels einer eigenen Zwischenüberschrift. Im Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus spricht der dort als im Jenseits sehr machtvoll dargestellte Abraham: „(Lk 16,29) . . . Sie haben Mose und die Propheten, auf die sollen sie hören.“ Wenig später wird dies warnend fortgeführt „(16,31) . . . Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht.“
Die Verklammerung von Alten/Erstem und Neuen/Zweiten Testament wird also immer wieder ausgesprochen und die Stelle mit Elija und Mose als Gesprächspartnern im aktuellen Sonntagsevangelium nach Markus ist in diesem Sinne keineswegs isoliert im Neuen/Zweiten Testament. Es werden ja Moses und Elija auch parallel im Matthäus- und im Lukasevangelium in der dortigen Darstellung namentlich erwähnt. Selbst in dem so kurzen neutestamentlichen Judasbrief wird Mose bei Namen genannt (Vers 9), nachdem schon vorher auf Ereignisse oder Erzählungen des Alten/Ersten Testamentes hingewiesen wird und dies auch nach der namentlichen Erwähnung des Moses geschieht. Im viel längeren Hebräerbrief wird Mose gleich einige Male erwähnt. Auf der anderen Seite finden wir sowohl im 9. Kapitel, Vers 8 und auch Vers 19 des Lukasevangeliums, im Markusevangelium 8. Kapitel, Vers 28 und im Matthäusevangelium 16. Kapitel, Vers 14, Hinweise, dass damals einige Menschen Jesus von Nazaret selber für den wiedergekommenen Elija hielten. Die Aufzählung von Stellen, in denen Elija und Mose im Neuen/Zweiten Testament erwähnt werden, ließe sich noch fortsetzen. Das mag für manche und manchen eine eigene Anregung sein, sich in der Fastenzeit und den Zeiten der gegenwärtigen gesundheitsbedingten Beschränkungen dem Lesen der Bibel zu widmen. Die besteht eben, wie das heutige Sonntagsevangelium herausstellt, aus den Schriften des Neuen/Zweiten wie des Alten/Ersten Testaments. Dazu gehören die vier Evangelien und die anderen neutestamentlichen Schriften samt den ganz kurzen Briefen wie dem Judasbrief. Dazugehören natürlich auch die erwähnten fünf Bücher Mose, vom Griechischen her gerne Pentateuch genannt, und die anderen Bücher des Alten/Ersten Testamentes. Die Erste Lesung für diesen Fastensonntag ist nach der bei uns üblichen Leseordnung eh aus dem ersten Buch der Bibel und der fünf Bücher Mose, des Pentateuchs, genommen, eben Genesis, und die Zweite Lesung aus dem neutestamentlichen Römerbrief.
1. Lesung: Gen 22,1-2.9a.10-13.15-18
2. Lesung: Röm 8,31b-34
Evangelium: Mk 9,2-10
Gedanken zur Woche 51-b, Dr. Matthias Martin
2. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2021)
Einen bemerkenswerten Akzent hat Papst Franziskus gesetzt, als er für diesen März 2021 das Beichtsakrament besonders hervorhob und als offizielles Gebetsanliegen des Papstes für die Weltkirche formulierte:
„Beten wir darum, das Bußsakrament in neuer Tiefe erfahren zu dürfen, um so die grenzenlose Barmherzigkeit Gottes besser zu verkosten.“
Zunächst einmal passt dies natürlich sehr gut zum Grundgedanken der Fastenzeit. Diese soll doch für die Christinnen und Christen von Aschermittwoch bis zu Ostern die Zeit der Buße und Besinnung sein. Das ernste liturgische Violett als Liturgiefarbe für diese Zeit im Jahreskreis verdeutlicht dies im Sinne nonverbaler, also nichtsprachlicher, Kommunikation. Als Zeichen der Vorfreunde auf Ostern und damit einer gewissen Auflockerung innerhalb der Fastenzeit kann am vierten Fastensonntag wie schon in „Gedanken zur Woche 40“ erwähnt, das hellere Rosa beim Priestergewand zum Einsatz kommen. Dieser vierte Fastensonntag trägt den lateinischen Namen LAETARE, was vom Lateinischen her für „sich freuen“ steht. In den Medien leider übergangen empfahl Papst Franziskus an diesem Aschermittwoch ausdrücklich das Sakrament der Beichte. Die Beichte sei der erste Schritt unserer Rückkehr zum himmlischen Vater, meinte er bezugnehmend auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn.
Natürlich war die diesjährige Fastenzeit nicht das erste Mal, dass der amtierende Papst die Beichte, auch genannt Bußsakrament oder Sakrament der Versöhnung, den Menschen ans Herz legte.
Regelrecht spektakulär war da sicher die Ausrufung des „Heiligen Jahres der Barmherzigkeit“ für die Zeit vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016. Eigens wurde dazu die Einberufungsbulle MISERICORDIAE VULTUS vom 11. April 2015 veröffentlicht, nachzulesen auch auf Deutsch auf der offiziellen Seite des Vatikans (http://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_letters/documents/papa-francesco_bolla_20150411_misericordiae-vultus.html). Mit Datum vom 1. September 2015 erging das Schreiben von Papst Franziskus, „mit dem zum außerordentlichen Jubiläum der Barmherzigkeit der Ablass gewährt“ wurde. Auch in nichtkirchlichen Medien fand Niederschlag, dass darin Papst Franziskus ausdrücklich die Gültigkeit der bei Priestern der (Priester-)Bruderschaft St. Pius X. durchgeführten Beichten bestätigte und dies in sehr anerkennenden, aufmunternden Worten, wiederum offiziell auf Deutsch im Internet verlässlich nachlesbar (http://www.vatican.va/content/francesco/de/letters/2015/documents/papa-francesco_20150901_lettera-indulgenza-giubileo-misericordia.html):
"Eine abschließende Überlegung gilt den Gläubigen, die aus verschiedenen Gründen die von den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. betreuten Kirchen besuchen. Dieses Jubiläumsjahr der Barmherzigkeit schließt niemanden aus. Von verschiedener Seite haben mir einige bischöfliche Mitbrüder vom guten Glauben und der guten sakramentalen Praxis dieser Gläubigen berichtet, allerdings verbunden mit dem Unbehagen, in einer pastoral schwierigen Situation zu leben. Ich vertraue darauf, dass in naher Zukunft Lösungen gefunden werden können, um die volle Einheit mit den Priestern und Oberen der Bruderschaft wiederzugewinnen. Bewegt von der Notwendigkeit, dem Wohl dieser Gläubigen zu entsprechen, bestimme ich in der Zwischenzeit in eigener Verfügung, dass diejenigen, die während des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit das Sakrament der Versöhnung bei den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. empfangen, gültig und erlaubt die Lossprechung von ihren Sünden erlangen.“
Damals war ich in der Diözese Dallas und zwar im Dekanat für das Stadtzentrum von Dallas als Priester tätig. Bei einer Fortbildungsveranstaltung meinte der von weither angereiste Experte, dass diese päpstliche Bestätigung für Beichten bei der (Priester-)Bruderschaft St. Pius X. ganz bemerkenswert sei und einen deutlichen Erfolg für diese darstellten. In der Diözese Dallas hatte man schon vorher ganz offiziell der Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus zugestimmt, auch genannt die Alte Lateinische Messe. Für ein betreffendes pastorales Angebot war kirchenamtlicherseits längst Sorge getragen worden.
Wenig später wurde übrigens der damalige Bischof von Dallas, Kevin Farrell, zum Chef einer neugeschaffenen Behörde im Vatikan gemacht und zum Kardinal ernannt. Sein Generalvikar, Douglas Deshotel, wurde Bischof einer wichtigen Diözese in Bundesstaat Louisiana.
Mit MISERICORDIA ET MISERA erließ Papst Franziskus schließlich mit Datum vom 20. November 2016 auch ein eigenes apostolisches Schreiben zum Abschluss dieses AUSSERORDENTLICHEN HEILIGEN JAHRES DER BARMHERZIGKEIT, das ebenfalls auf Deutsch auf der offiziellen Seite des Vatikans nachzulesen ist: (http://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_letters/documents/papa-francesco-lettera-ap_20161120_misericordia-et-misera.html). Hier wird noch einmal ausdrücklich die Gültigkeit der bei Priestern der (Priester-)Bruderschaft St. Pius X. gehaltenen Beichten bestätigt und dies erneut in freundlichen Worten:
„Im Jubiläumsjahr hatte ich den Gläubigen, die aus verschiedenen Gründen die von den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. betreuten Kirchen besuchen, gewährt, gültig und erlaubt die sakramentale Lossprechung ihrer Sünden zu empfangen. Für das pastorale Wohl dieser Gläubigen und im Vertrauen auf den guten Willen ihrer Priester, dass mit der Hilfe Gottes die volle Gemeinschaft in der katholischen Kirche wiedererlangt werden kann, setze ich aus eigenem Entschluss fest, diese Vollmacht über den Zeitraum des Jubeljahres hinaus auszudehnen, bis diesbezüglich neue Verfügungen ergehen. So möge keinem das sakramentale Zeichen der Versöhnung durch die Vergebung der Kirche je fehlen“.
In der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus wurde schon vor einiger Zeit die Zeit im Anschluss an die Samstagabendmesse als fester Beichttermin eingeführt. Dies ist auch in der jeweiligen Gottesdienstordnung nachzulesen. Dazu können weitere Beichttermine frei verabredet werden. Gerade in Zeiten wie diesen sollten Gläubige einen guten Zugang zur Beichte, eben auch genannt Bußsakrament oder Sakrament der Versöhnung, haben.
Gedanken zur Woche 50, Dr. Matthias Martin
1. FASTENSONNTAG (2021)
Die Fastenzeit, die Zeit der Buße und Besinnung vor Ostern soll nach uralter Überlieferung genutzt werden, in sich zu gehen, eigene Fehler, Unterlassungen, Sünden zu bedenken und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, eifrig gute Werke zu tun und sich gerne auch mit der Bibel zu beschäftigen.
Die bei uns übliche Leseordnung mag da eine gute Bestärkung und eine Orientierungshilfe sein. So ist für den Ersten Fastensonntag die Erste Lesung aus dem Buche Genesis genommen und damit sogar aus dem ersten Buch im Alten/Ersten Testament überhaupt. Damit wird die Zuhörerin, der Zuhörer direkt mit einem Teil dieses Alten/Ersten Testaments in Kontakt gebracht. Die Zweite Lesung bietet uns einige Verse aus dem Ersten Petrusbrief. Damit handelt es sich hierbei also um etwas aus den Schriften des Neuen/Zweiten Testaments, welche nicht zur Gruppe der vier Evangelien gehören. Genauer ist dieser Erste Petrusbrief einer von insgesamt sieben der „Katholischen“ Briefe. Nun mag sich jemand fragen, warum denn gerade diese sieben neutestamentlichen Schriften „katholisch“ genannt werden, nicht aber die anderen Schriften der Bibel, vom Buch Genesis am Beginn des Alten/Ersten Testamentes angefangen bis zur Geheimen Offenbarung, auch genannt Offenbarung des Johannes oder auch die Apokalypse, am Ende des Neuen/Zweiten Testaments. Da mag sich eine, einer fragen, ob denn nicht alle Bücher der Bibel „katholisch“ sind. Schließlich sind alle dieser Schriften, die wir als biblische Bücher betrachten, von der katholischen Kirche anerkannt worden und nicht nur bestimmte Briefe im Neuen/Zweiten Testament. Dies begann schon in der ganz frühen Zeit des Christentums, als es beispielsweise eine starke Richtung gab, das ganze Alte/Erste Testament und alle darauf direkt Bezug nehmenden Teile des Neuen/Zweiten Testaments abzulehnen. Mitunter gab es auch mehr eingegrenzte Auseinandersetzungen etwa um die Zugehörigkeit des Buches der Apokalypse/Offenbarung des Johannes und des Zweiten Petrusbriefes oder auch verschiedener alttestamentlicher Bücher und Teilen von alttestamentlichen Büchern zur Bibel. Höhepunkte des kirchlichen Herausstellens der Gesamtheit biblischer Bücher mit ihren Bestandteilen waren das Konzil von (Basel – Ferrara -) Florenz und das Konzil von Trient (siehe u.a. Gedanken zur Woche 7). Das Erste und das Zweite Vatikanische Konzil bestätigten diese Grundsatzentscheidung.
Diese Gruppe von sieben Briefen im Neuen/Zweiten Testament wird nun deshalb die Katholischen Briefe genannt, weil sie anders als andere Briefe formal an eine allgemeine, unbegrenzte Leserschaft gerichtet sind. Allgemein, umfassend bedeutet im alten Griechischen so viel wie „katholisch“. Die anderen Briefe des Neuen/Testamentes sind demgegenüber an bestimmte Personengruppen (Römer-, 1. Korinther-, 2. Korinther-, Galater-, Epheser-, Philipper-, Kolosser-, 1. Thessalonicher-, 2. Thessalonicher- und Hebräerbrief) oder gar Einzelpersonen (1. Timotheus-, 2. Timotheus-, Titus- und Philemonbrief) gerichtet.
Zu den Katholischen Briefen werden gezählt:
1. Der Jakobusbrief
2. Der Erste Petrusbrief
3. Der Zweite Petrusbrief
4. Der Erste Johannesbrief
5. Der Zweite Johannesbrief
6. Der Dritte Johannesbrief
7. Der Judasbrief
In einer Vorbemerkung zu diesen neutestamentlichen Schriften heißt es in der neuen Einheitsübersetzung (Stuttgart 2017, Seite 1399):
„Die sieben Schreiben, die dem Hebräerbrief folgen, werden seit alter Zeit (mit dem griechischen Wort katholikós: allgemein) als „Katholische Briefe“ bezeichnet, weil sie sich – sieht man von 2 Joh und 3 Joh ab – nicht an eine Einzelgemeinde oder Einzelperson richten. Sie weisen vielfach keine strenge Briefform auf, sondern haben eher den Charakter von Lehr- und Mahnschreiben, die zur Treue gegenüber dem in der Taufe angenommenen Glauben aufrufen.“
Das für uns vorgesehene Sonntagsevangelium als dritte biblische Lesung am Ersten Fastensonntag in diesem Jahr aus dem Markusevangelium stellt so etwas wie die Kurzfassung der Geschichte von der Versuchung Jesu dar. In den beiden anderen der drei synoptischen Evangelien, dem Matthäus- und dem Lukasevangelium, wird diese Geschichte umfassender berichtet. Insgesamt sind diese beiden anderen Evangelien jeweils umfangreicher als das Markusevangelium, weswegen sie manchmal die „Großevangelien“ genannt werden. Zur Versuchung Jesu wird im Matthäus- wie im Lukasevangelium von insgesamt drei (einzelnen) Versuchungen berichtet, während das Markusevangelium ganz knapp und allgemein bleibt. Ein kurzer Blick in die „Synopse der drei ersten Evangelien“ von Josef Schmid (siehe 9. Auflage von 1983) verdeutlicht, dass im Markusevangelium in diesem Punkt eine kürzere Darstellung als im Matthäus- und Lukasevangelium geboten wird.
Allerdings ist auch diese eher knappe Darstellung der Versuchung Jesu im Markusevangelium immerhin so umfangreich, dass auch hier so etwas wie ein Rückverweis auf das Buch der Psalmen im Alten/Ersten Testament geboten wird, genauer auf Psalm 91. Dies macht für sich schon wieder den untrennbaren Zusammenhang von Altem/Ersten und Neuem/Zweiten Testament deutlich.
Umso mehr mag die Katholikin, der Katholik, diese Fastenzeit nutzen, verbunden mit anderen guten Handlungen und dem standhaften Bemühen, Böses mehr denn je zu unterlassen, sich mit Texten der Bibel zu beschäftigen. Sie/Er kann sich vielleicht zuerst die ganz kurzen Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes anschauen, die eben so kurz sind, dass sie nur eine Versunterteilung und keine Kapitelunterteilung haben: der Zweite und der Dritte Johannesbrief, der Philemon- und der Judasbrief (siehe Gedanken zur Woche 33-b).
1. Lesung: Gen 9,8-15
2. Lesung: 1 Petr 3,18-22
Evangelium: Mk 1,12-15
Gedanken zur Woche 50-b, Dr. Matthias Martin
1. FASTENWOCHE (2021)
In diesem Jahr fällt in die Erste Fastenwoche das Fest des Apostels Matthias. In dem bei uns üblichen Deutschen Messbuch ist dieser Tag dementsprechend sichtbar hervorgehoben. Dies gilt umso mehr, da der heilige Matthias mit dem deutschen Sprachraum ganz besonders verbunden. So fand er nach kirchlicher Überlieferung in Trier und damit als einziger Apostel im Deutschen Sprachraum mit seiner gegenwärtigen Ausdehnung seine letzte Ruhe. Trier, lateinisch Augusta Treverorum, stieg tatsächlich in der römischen Antike zu besonderer Bedeutung auf. Die berühmte Porta Nigra wird als ältestes durchgehend vorhandenes Gebäude in der Bundesrepublik Deutschland angesehen. Mit der endgültigen Niederwerfung einheimischer Bevölkerung in der Region von Trier sicherte sich das Römische Reich für Jahrhunderte die Herrschaft westlich des Rheins und insbesondere im Bereich zwischen Rhein-Main und Donau auch zeitweise darüber hinaus. Der heilige Ambrosius, einer der vier lateinischen Kirchenväter, wurde um das Jahr 339 in Trier geboren.
Bis dahin war diese Stadt längst zu einer der Machtmetropolen des ganzen römischen Imperiums aufgestiegen. Als der von 284 bis 305 nach Christus regierende römische Kaiser Diocletian das ehrgeizige Projekt einer Reichsreform startete, schuf er das System der sogenannten Tetrarchie. Während er selber im kleinasiatischen Nikomedien, lateinisch Nicomedia, seinen Hauptsitz nahm, berief er den ebenfalls aus dem Militär kommenden Maximian zum Mitherrscher im Westen des Reiches. Beide adoptierten zwei weitere profilierte Militärs als Unterkaiser, genannt Caesares. Diesen stand die Nachfolge der beiden ranghören Kaiser, eben Diocletian und Maximian, und je ein eigener Herrschaftsbereich zu. Damit wurde Trier/Augusta Treverorum zusammen mit York/Eburacum/Eboracum eine der beiden Hauptstädte des solchermaßen berufenen Mitherrschers Constantius Chlorus, des Vaters Konstantins des Großen. In dem gerne verwendeten „dtv-Atlas zur Weltgeschichte I“ von Werner Hilgemann und Hermann Kinder ist das heutige Trier für diese Epoche als eine Hauptstadt unterstrichen (siehe München 1980, 16. Auflage, Seite 100). Vergleichbar verhält es mit dem von Walter Leisering herausgegebenen „Historischen Weltatlas“ (siehe Lizenzausgabe der 102. Auflage, Wiesbaden 2004, Seite 28) und dem ebenfalls über Grenzen hinweg verwendeten Geschichtsatlas „Völker, Staaten und Kulturen“ (siehe Berlin – Hamburg – München – Düsseldorf – Darmstadt 1970, Seite24).
Mit Trier/Augusta Treverorum als von ihm gefördertem Zentrum brach dann Konstantin, genannt der Große, auf, um den zu seiner Zeit in Rom sitzenden anderen Kaiser zu besiegen. Der berühmte Sieg an der Milvischen Brücke wurde ein wichtiger Meilenstein für den Aufstieg Konstantins zur Alleinherrschaft im Römischen Reich.
Trier wurde die Stadt bedeutender Kirchen und Klöster. Ich selber konnte einen Eindruck davon gewinnen, als ich vor der Matura, in Bayern Abitur genannt, an einer Schulfahrt nach Trier teilnahm und über eines der dortigen historischen Klöster ein Referat zu halten hatte. Zu dieser enormen Bedeutung Triers/Augusta Treverorum passt, dass die Gebeine des heiligen Apostels Matthias ihren Weg dorthin fanden.
Im Mittelalter und bis weit in die Neuzeit hinein besaß Trier dann im Rahmen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation/Erstes Deutsches Reich/Altes Reich eine herausragende Stellung. Der Erzbischof von Trier war ein reichsunmittelbarer Landesherr, Fürsterzbischof. Er gehörte zu den in der Goldenen Bulle von 1356 bestätigten sieben Kurfürsten, denen im Reich die Königs- und damit letztlich die Kaiserwahl zustanden. Damit des Guten nicht genug: Der Fürsterzbischof war auch einer der drei Erzkanzler des Reiches, wie ich in meiner Doktorarbeit würdigte.
Diese Dinge änderten sich erst mit der französischen Besetzung Ende des 18. Jahrhunderts und der Zerschlagung überlieferter Strukturen samt Untergang des bisherigen Reiches. Aber seit der Zeit der Restauration gewann der Bischofssitz von Trier eigene Bedeutung. Bedeutende Bischofsgestalten wie Michael Felix Korum und Franz Rudolf Bornewasser sind hier zu nennen. So überrascht es nicht, dass auch die Wallfahrten zum heiligen Matthias in Trier sich immer wieder besonderer Lebendigkeit erfreuten wie auch die Wallfahrten zum Heiligen Rock ebenfalls in Trier.
Die besondere Beziehung des heiligen Matthias zum deutschen Sprachraum wird auch daran ersichtlich, dass bei der sogenannten Liturgiereform Ende der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts sein Gedenktag dort am 24. Februar blieb, während er sonst im amtlichen Bereich der Weltkirche auf den 14. Mai verschoben wurde. So finden wir auch noch in der Ausgabe von 2008 des Buches „Der große Namenstagskalender“ von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht den Abschnitt über den heiligen Matthias unter dem Datum vom 24. Februar. In dem bei uns ja meist verwendeten Deutschen Messbuch steht der heilige Matthias beim 24. Februar und es heißt u.a.
„Seine Reliquien kamen – nach der Legende durch die Kaiserin Helena und den Trierer Bischof Agritius – nach Trier und werden dort in der Abteikirche St. Matthias (früher St. Eucharius) aufbewahrt. Das in Rom seit der Antike am 24. Februar gefeierte Fest wurde auf den 14. Mai verlegt, im deutschen Sprachgebiet bleibt es am heutigen Tag erhalten.“
Die nicht zuletzt (kultur-)geschichtlich so interessante Förthofkapelle im hiesigen Pfarrgebiet ist dem heiligen Matthias geweiht. Dort befinden sich auch noch Kanontäfelchen aus der Zeit vor der erwähnten Liturgiereform, als der heilige Matthias noch in der ganzen Weltkirche am 24. Februar gefeiert wurde. In jener Zeit wurde er auch jeweils namentlich im Hochgebet, im Messkanon, erwähnt, nicht nur am 24. Februar. In der Pfarrgemeinde von Stein haben wir schon manches Mal darüber gesprochen, einmal eine Wallfahrt oder einen Pfarrausflug zum heiligen Matthias in Trier zu unternehmen. Umso mehr mag der heilige Matthias in den Einschränkungen und Bedrängnissen der jetzigen Zeit Menschen Hoffnung vermitteln, sie im Glauben und in der Liebe stärken. Vielleicht kann dann wirklich einmal eine Wallfahrt oder ein Pfarrausflug von Stein an der Donau aus nach Trier zum heiligen Apostel Matthias in Angriff genommen werden.
Im neutestamentlichen Epheserbrief heißt es:
„(2,20) Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Eckstein ist Christus selbst.“
Gedanken zur Woche 49, Dr. Matthias Martin
6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Nach der bei uns üblichen Leseordnung befinden wir uns an diesem 6. Sonntag im Jahreskreis gerade noch im ersten Kapitel des Markusevangeliums. Es ist also noch ziemlich die Anfangsphase des öffentlichen Wirkens Jesu von Nazarets. Bereits hier wird deutlich, ja überdeutlich, wie sehr Jesus von Nazaret sich der Ausgegrenzten, Notleidenden, der Armen und Schlechtergestellten zuwandte und gerade so gewohnte menschliche Grenzen überwand. In diesem Falle geht es gar um die Heilung eines Aussätzigen. Jesus hat sich nicht diesem Menschen verweigert, sondern es heißt „(1,41) Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn . . .“. Von Ausgrenzung ist hier nichts zu spüren, ganz im Gegenteil. Wie in der zweiten Lesung aus dem Ersten Korintherbrief verdeutlicht wird, sollen sich die Christinnen und Christen Jesus Christus, man kann auch sagen Jesus von Nazaret oder Christus, zum Vorbild nehmen. In einem bekannten Kirchenlied, im Gesangs- und Gebetsbuch „Gotteslob“ Nummer 461, heißt es ganz in diesem Sinne:
„(1) ‘Mir nach‘, spricht Christus, unser Held, `mir nach, ihr Christen alle!
Verleugnet euch, verlasst die Welt, folgt meinem Ruf und Schalle;
nehmt euer Kreuz und Ungemach auf euch, folgt meinem Wandel nach.
(2) Ich bin das Licht. Ich leucht euch für mit heilgem Tugendleben.
Wer zu mir kommt und folget mir, darf nicht im Finstern schweben.
Ich bin der Weg, ich weise wohl, wie man wahrhaftig wandeln soll`.“
Jesus von Nazaret wurde, wie überliefert wird, nicht in einem Königspalast oder einem Adelssitz geboren, sondern in einem Stall. Als jetzt Papst Franziskus ein neues Schreiben über den heiligen Josef, den Ehemann Mariens, der Mutter Jesu, veröffentlichte, wurde dieser auf bildlichen Darstellungen nicht als Mann von Glanz und Gloria, sondern in einfacher Kleidung abgebildet. In Hinblick auf den von ihm selber gepriesenen Johannes den Täufer hebt Jesus eigens hervor, dass dieser nicht „in den Palästen der Könige“ zu finden war (Gedanken zur Woche 43-b – Lk 7,25). Bekanntlich wurde der auch außerhalb des Christentums ja so hochverehrte Johannes der Täufer auf Befehl eines örtlichen Königs festgenommen und dann enthauptet. Das Todesurteil zur Kreuzigung Jesu fällte ein Statthalter des damaligen Kaisers, nachdem ihn die Gegner Jesu bei seiner kaisertreuen Ader gepackt hatten, als sie schrien „(Joh 19,12) . . . Wenn du diesen freilässt, bist du kein Freund des Kaisers“. Zu den „Freunden des Kaisers“ (Amici Caesaris) zu zählen, bedeutete karrierebewussten Akteuren wirklich etwas.
Jesus hat dazu ein Kontrastprogramm geboten. Die Mühseligen und Beladenen, die Kranken, die Leidenden, waren im Besonderen die Zielgruppe. Sich für den geringsten Bruder, die geringste Schwester einsetzen, dahingehend gute Werke tun, wird den Christinnen und Christen im Neuen/Zweiten Testament nahegelegt. Nicht umsonst ist das Gleichnis vom barmherzigen Samariter so berühmt geworden und hat sogar unseren Sprachschatz bereichert. Recht früh sahen sowohl wie Christinnen, Christen wie Nichtchristen das getreue Vollbringen betreffender guter Werke als Markenzeichen des Christentums an. Im Laufe der Kirchengeschichte entstanden eigene Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften für die Krankenpflege, Fürsorge für Behinderte, sozial gestrauchelte bis hin für die Fürsorge an alten Menschen in ärmlichen Verhältnissen. Schul- bzw. Unterrichtsorden setzten immer wieder einen besonderen Akzent dahingehend, dass auch Kindern aus einfachen Verhältnissen gegen widrige gesellschaftliche Verhältnisse eine Schulbildung bis hin höhere Bildung ermöglicht wurde. Natürlich sind nicht immer Vertreter der Kirche auf diesem guten Weg dem Vorbild und Wort Jesu von Nazarets gefolgt. Wenn man etwa im Rahmen eines Geschichtsstudiums vernimmt, dass Domkapitel im Heiligen Römischen deutscher Nation, auch genannt Erstes Deutsches Reich oder Altes Reich, dahingehend organisiert waren, dass nur Mitglieder von Adelsfamilien in sie aufgenommen wurden, so ist das vor dem Hintergrund von dem, was in der Bibel zu lesen und aus den ersten christlichen Jahrhunderten überliefert ist, zumindest als bizarr anzusehen. Bekanntlich stammte auch Jesus von Nazaret aus keiner in neutestamentlicher Zeit höhergestellten Familie. Maria und Josef waren ganz offenkundig Angehörige einfacher, bescheidener Bevölkerungskreise. Papst Pius XII. unterstrich dies, als den 1. Mai eigens „Josef dem Arbeiter“ widmete.
Kirche muss sich immer und stets messen lassen an Wort und Vorbild Jesu unter Einbeziehung der Schriften des Alten/Ersten Testaments. Zum Einsatz für Arme und Notleidende, zur Würdigung der Schlechtergestellten wird uns da schon einiges geboten. Denke wir da nur an die Bücher Rut, Tobit, Jesus Sirach (Ecclesiasticus), Amos und die Susanna-Geschichte im Buche Daniel. In letzterem Falle tritt der männliche Held der Handlung, Daniel, nicht als Freund, anders gesagt als Handlanger der „Älteste“ oder „Richter“ genannten Bessergestellten auf. Er tritt ihnen vielmehr mutig entgegen und entlarvt konsequent ihr böses Tun, nämlich, wenn sie schon nicht die schöne Susanna sexuell missbrauchen konnten, sie dann zu Tode bringen zu lassen. Daniel wird in der biblischen Darstellung und der sich daran anschließenden religiösen und allgemein kulturellen Überlieferung dahingehend als Held geehrt, dass er diese bis dahin gesellschaftlich so hoch stehenden Richter/Ältesten entlarvt und zur Strecke gebracht hat. Er stand für die von Missbrauchstätern bedrohte junge Frau Susanna ein und eben nicht für die bis dahin so angesehenen und unter dem Deckmantel von Religion wirkenden Täter.
Dies verdeutlicht, dass wir grundsätzlich dem Weg Jesu folgen sollen. Dieser führt Menschen guten Willens in dieselbe Richtung wie betreffende Hinweise, Erzählungen, Bücher aus dem Alten/Ersten Testament. Es war dann auch Jesus von Nazaret, der selber nicht vor der Kritik an Vertretern der „besseren“ Kreise zurückschreckte und anstatt Vertuschung zu betreiben, deren Scheinheiligkeit entlarvte. Dazu finden sich im Neuen/Zweiten Testament bemerkenswerte Taten und mitunter sogar sehr heftige Worte. An mehr als einer Stelle im Neuen/Zweiten Testament werden die in vielen Teilen der damaligen Welt auch religiös verehrten Machthaber, sozusagen die angesehensten der angesehenen, sogar als abschreckende Beispiele angeführt, wie man als Jünger, Jüngerin Jesu eben nicht sein soll.
1. Lesung: Lev 13,1-2.43ac.44ab.45-46
2. Lesung: 1 Kor 10,31-11,1
Evangelium: Mk 1,40-45
Gedanken zur Woche 49-b, Dr. Matthias Martin
6. WOCHE IM JAHRESKREIS - ASCHERMITTWOCH - TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2021)
„Ei, wo ist er denn?“ So mag eine Katholikin, ein Katholikin fragen, wenn sie/er nach einem der sicher beliebtesten Heiligen überhaupt in verbreiteten liturgischen Druckwerken einschließlich dem bei uns nach der sogenannten Liturgiereform meist verwendeten (Deutschen) Messbuch sucht: dem heiligen Valentin. Dieser Heilige ist ja schließlich immerhin Anlass und Namensgeber des Valentinstages.
Weltweit ist dieser Tag über konfessionelle und geografische Grenzen hinweg längst zu einer festen Größe und einem eigenen Wirtschaftsfaktor geworden. Gerade Ehemänner machen ihren Ehefrauen mitunter recht teure Geschenke. Nicht selten machen sich auch Ehepartner und andere Menschen, die miteinander in einer festen Beziehung leben, gegenseitig Geschenke. Eigenes Brauchtum zum Valentinstag hat sich auf den verschiedenen Kontinenten entwickelt und fest etabliert. Dies lässt sich in an Größe, geografischer Lage und nationalen Kulturelementen so unterschiedlichen Ländern wie Japan, Indien, Singapur, Libanon, Taiwan, den ost- und westeuropäischen Staaten feststellen. Gerade auch für Süd- wie Nordamerika gilt dies und so weiter. Wie sehr in der USA, immerhin nach traditioneller katholischer Lehre, wonach auch die in anderen christlichen Konfessionen gespendeten Taufen anzuerkennen sind, das Land mit am meisten getauften Christinnen und Christen weltweit, ist der Valentinstag ein besonderer Freudentag. Man schickt sich gegenseitig Karten, Schätzungen zufolge rund eine Milliarde inzwischen. In einer der ersten Unterrichtseinheiten meines Studiums der Geschichte an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität in Innsbruck wurde den Studierenden vom Dozenten eingeschärft, dass auch ein Roman und ein Spielfilm eine geschichtliche Quelle ist. Gibt doch ein Roman bzw. ein Spielfilm etwas vom Lebensgefühl der Zeit wieder, in welcher er entstand. Umso interessanter ist da, wie in amerikanischen Spielfilmen der Valentinstag berücksichtigt wird.
Nur, wo ist jetzt der heilige Valentin, Märtyrergeistlicher und Freund junger Paare aus dem dritten Jahrhundert, in der jetzt zumeist verwendeten Liturgie in der offiziellen katholischen Kirche geblieben? Immerhin wird der heilige Valentin in der weltweiten anglikanischen Richtung des Christentums wie bei zahlreichen Lutheranern, also Anhängern der Tradition des Augsburgischen Bekenntnisses, gefeiert. Auch das orthodoxe Christentum hat seinen Tag zu Ehren des heiligen Valentins, wenn auch etwas später im Jahr. Im Volksschott aus dem Jahre 1961 wird noch auf sein Fest am 14. Februar ausdrücklich hingewiesen, verbunden mit der Wiedergabe dazugehörender liturgischer Texte in lateinischer und deutscher Sprache, sowie weiterführende Informationen. Die knapp gehaltenen biografischen Hinweise gehen in dieselbe Richtung wie etwa der Eintrag „Valentinstag“ bei Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Valentinstag#Japan). Nicht zu vergessen ist, dass Papst Johannes XXIII. die Herausgabe dieses Volksschotts für die Feier der Heilige Messe in der bis nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil üblichen Form selber gewürdigt hat.
Im jetzt verwendeten Deutschen Messbuch findet sich über den heiligen Valentin aber nichts mehr. Tatsächlich wurde der Valentinstag in der schon erwähnten Liturgiereform als Feier- bzw. Gedenktag in der Weltkirche abgeschafft! Anders gesagt: Der Tag des heiligen Valentins, der Valentinstag, wurde im Römischen Generalkalender kurzerhand gestrichen. Dementsprechend findet sich weder in dem bei uns üblichen offiziellen (Deutschen) Messbuch noch in den damit verbundenen Lektionaren noch im Direktorium wie dem der Diözese St. Pölten etwas vom Tag des heiligen Valentin bzw. diesem Heiligen als solchem. In der alten Tridentinischen Liturgie, auch genannt die Messe Gregors des Großen, Messe des heiligen Pius V. oder Messe Johannes XXIII. wird der Tag des heiligen Valentin noch begangen. Diese alte (lateinische) Liturgie wurde auch nach der sogenannten Liturgiereform noch von einigen Priestern zelebriert und verfügt über eine scheinbar sogar wachsende Anhängerschar. Bei einer Fortbildung für Kirchenrecht betonte jüngst ein Teilnehmer völlig unwidersprochen, dass es nicht wenige Priester gewesen seien, die an der alten Liturgie festgehalten hätten (siehe dazu Gedanken zur Woche 43). Daher gäbe es diesbezüglich ein Gewohnheitsrecht, abgesehen von den aus Rom ergangenen Erlaubnissen zugunsten dieser liturgischen Form. Auch der leitende Universitätsprofessor widersprach nicht dem Teilnehmer. Im geltenden CODEX IUIRIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983 wird tatsächlich dem Gewohnheitsrecht eine starke Stellung eingeräumt. So heißt es in diesem kirchlichen Gesetzbuch sogar unter Allgemeine Normen:
„Can. 5 - § 2. Bis jetzt geltendes allgemeines oder partikulares außergesetzliches Gewohnheitsrecht bleibt bestehen.“
Wenig später wird festgehalten:
„Can 25 – Keine Gewohnheit erlangt die Kraft eines Gesetzes, wenn sie nicht von einer wenigstens passiv gesetzesfähigen Gemeinschaft mit der Absicht, Recht einzuführen, geübt wurde.“
„Can. 27 – Die Gewohnheit ist die beste Auslegerin der Gesetze.“
Dazu kommen die nicht wenigen Feststellungen aus Rom und von Bischöfen, dass die alte Liturgie nie wirklich abgeschafft worden sei bzw. dass man sie zelebrieren dürfe. Es ist ja auch bemerkenswert, wie sehr auch Priester und Gemeinden, die nicht diese Tridentinische Liturgie feiern, sich bemühten und bemühen, den Valentinstag zu begehen, etwa durch eigene Wortgottesdienste und die Spendung eines eigenen Valentinssegens. Da ist sicher einiges am Leben erhalten worden und wird weiter gepflegt.
Dabei ist auch die Errichtung eigener Pfarrgemeinden für Gläubige, welche die alte Liturgie mit dem Tag des heiligen Valentin bevorzugen, direkt im liturgischen Kalender im CODEX grundsätzlich vorgesehen:
„Can. 518 – Die Pfarrei hat in aller Regel territorial abgegrenzt zu sein und alle Gläubigen eines bestimmten Gebietes zu umfassen; wo es jedoch angezeigt ist, sind Personalpfarreien zu errichten, die nach Ritus, Sprache oder Nation der Gläubigen eines Gebietes oder auch unter anderen Gesichtspunkten bestimmt werden.“
Der Valentinstag bietet sicher gerade in unserer Zeit enorme pastorale Anknüpfungspunkte und vielfältige Möglichkeiten menschlicher Begegnung.
Gedanken zur Woche 48, Dr. Matthias Martin
5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Das diesjährige Evangelium für den fünften Sonntag im Jahreskreis nach der bei uns jetzt üblichen Leseordnung setzt unmittelbar das Evangelium vom vorhergehenden Sonntag fort, so wie dieses sich unmittelbar an das ihm vorhergehende Sonntagsevangelium anschloss. Wer also aufmerksam dieser Textanordnung folgt, kann einen Überblick über die Textfolge innerhalb des Evangeliums gewinnen. Die Leseordnung, die dem zugrundeliegt, hat zum Ziel, den Gläubigen einen möglichst guten Überblick über die biblischen Bücher im Allgemeinen und über die vier Evangelien im Besonderen zu vermitteln.
Verbunden mit der nachkonziliaren Liturgie, die zumeist in Volkssprache gefeiert wird, gibt es gerade mit Blick auf die Sonntage einen Zyklus von drei Lesejahren. Derzeit befinden wir uns im Lesejahr B mit seiner bewussten Schwerpunktsetzung für den Vortrag von Texten aus dem Markusevangelium. Im Lesejahr A ist der Blick vor allem auf das Matthäusevangelium gerichtet und im Lesejahr C insbesondere auf das Lukasevangelium. Das vierte der Evangelien ist das Johannesevangelium. Während die drei zuerst genannten, eben das Matthäus-, das Markus- und das Lukasevangelium inhaltlich und von ihrer Strukturierung starke Gemeinsamkeiten, ja Parallelen, aufweisen, nimmt das Johannesevangelium eine Sonderstellung ein. Texte des Johannesevangeliums werden insbesondere in den geprägten Zeiten des Advents, der Weihnachts-, Fasten- und Osterzeit, vorgetragen.
Die katholische Kirche hat schon seit ihrer frühen Zeit die Gesamtheit der biblischen Einzelschriften, der verschiedenen Teile von Altem und Neuem Testament, auch genannt Erstes und Zweites Testament, verteidigt und versucht, diese den Menschen nahezubringen. In diesem Sinne äußerten sich schon früh Synoden und prominente kirchliche Persönlichkeiten wie Päpste und Kirchenväter. Später verabschiedeten hierzu das Konzil von (Basel – Ferrara -) Florenz und das von Trient besonders markante Beschlüsse, bestätigt durch I. und das II. Vatikanische Konzil. Mitunter veröffentlichte ein Papst auch eine eigene Bibelenzyklika (siehe Gedanken zur Woche 39).
An Hochfesten und Sonntagen sollten zwei Lesungen und ein Evangeliumstext vorgetragen werden. Außerhalb der Osterzeit ist üblicherweise eine der Lesungen aus dem Alten/Ersten Testament und eine aus den nicht zu den vier Evangelien gehörenden Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes. Diese sind die Apostelgeschichte, die verschiedenen Briefe und die Geheime Offenbarung, auch genannt das Buch der Apokalypse. Eine eigene Leseordnung gibt es für die Werktage. Auch hier liegt der Gedanke zugrunde, den Gläubigen zumindest einen Überblick über die Gesamtheit der Heiligen Schrift unter Einsatz eines längeren Lesezyklus zu vermitteln. Der aufmerksame Gottesdienstbesucher, die aufmerksame Gottesdienstbesucherin, kann auf diese Weise sogar etwas von einem so ganz kurzen neutestamentlichen Brief wie dem Judasbrief mitbekommen. Dessen Existenz samt Zugehörigkeit zur Bibel im Allgemeinen und dem Neuen/Zweiten Testament im Besonderen ist leider auch mancher praktizierenden Christin, manchem praktizierenden Christen, mitunter unbekannt. Umso besser, wenn möglichst viele die aus der katholischen Tradition schon vor dem II. Vatikanischen Konzil erkennbare Anregung aufgreifen, eine gute Bibelausgabe zuhause zu haben und in dieser natürlich zu lesen.
Im heutigen Sonntagsevangelium setzt sich Aufenthalt und Wirken Jesu mit seinen ersten Begleitern in Kafarnaum fort. Dieser Ort in Galiläa, heute nördliches Israel, nahm im Neuen/Zweiten Testament ja offensichtlich eine wichtige, man mag sagen überragende, Stellung ein. Archäologische Forschungen weisen ihrerseits in diese Richtung.
Die Begegnung Jesu mit der Schwiegermutter des Simon Petrus in Kafarnaum ist ein weiteres Beispiel, welch enorme Bedeutung Familienbeziehungen in der ganzen Bibel immer wieder eingeräumt werden. Familiäre Beziehungen, Verwandtschaft erstreckt sich dabei deutlich über das hinaus, was heutzutage gerne „Kernfamilie“ mit Eltern und Kindern genannt wird. Ganz in diesem Sinne äußerte sich beispielsweise auch der damalige Vorsitzende der österreichischen Bischofskonferenz, Christoph Kardinal Schönborn, in einem Beitrag in einem breitere Bevölkerungsschichten ansprechenden Zeitungsmedium vor wenigen Jahren. Interessant, wie sehr die Betonung solcher weitgehenden Verwandtschafts- oder Familienverhältnisse auch in US-Amerikanischen Science-Fiction-Filmen zu finden ist. Das Lob auf die Vorfahren ist etwa in der Serie „STAR TREK (Raumschiff) VOYAGER“ wie der ebenfalls sehr umfangreichen Serie „BABYLON 5“ und die Betonung, wie wichtig diese als Vorbilder seien, mehr als einmal zu vernehmen. Die Betonung der über Kernfamilie hinausgehenden Familienbande, Verwandtschaftsverhältnisse, wird eigentümlich in der Folge „Leben nach dem Tod“ als Teil von „STAR TREK (Raumschiff) VOYAGER“ thematisiert. Die Würdigung von Familie, Verwandtschaftsverhältnissen, wird dabei als über kulturelle oder ethnische Grenzen hinausgehend dargestellt.
Im Leben des Simon Petrus, der dann der erste im Apostelkreis wurde und den die katholische Kirche als ersten Papst verehrt, spielte die Schwiegermutter eine bemerkenswerte Rolle. Auch Jesus hat sie respektiert und sich ihr bei ihrer im Evangelium erwähnten Erkrankung zugewandt. Es können auch die Geschwister Maria, Marta/Martha und Lazarus in den Sinn kommen. Jetzt hat dieser Tage Papst Franziskus diese biblischen Geschwister gewürdigt und verfügt, dass diese zukünftig am 29. Juli gemeinsam in der Weltkirche zu ehren sind. Die ganz eigene Bedeutung des Schwesternpaares Marta/Martha und Maria hatte ich selber Monate vorher in „Gedanken zur Woche 2“ thematisiert.
Die Schwiegermutter als Sympathie- und als Leistungsträgerin begegnet uns dann eben im jetzigen Sonntagsevangelium. Ich selber habe schon erlebt, welch herzliches Verhältnis sich auch zwischen Großmutter und angehender Schwiegerenkelin entwickeln kann. In einem betreffenden Dreigenerationenhaus konnte ich etwas mitbekommen, was es heißen kann, „Einer für alle, alle für einen“ bzw. „Eine für alle, alle für eine“. Ein tolles Verhältnis Schwiegertochter – Schwiegermutter bekommen wir unabhängig davon schon lange vor dem Neuen/Zweiten Testament im alttestamentlichen Buch Ruth geboten, also weit vorne im Alten/Ersten Testament. Das verdeutlicht dann erst recht, wie Altes/Erstes Testament, Neues/Zweites Testament und unverfälschte kirchliche Überlieferung zusammenspielen. Auf jeden Fall sind wir alle eingeladen, uns da gut einzubringen.
1. Lesung: Ijob 7,1-4.6-7
2. Lesung: 1 Kor 9,16-19.22-23
Evangelium: Mk 1,29-39
Gedanken zur Woche 48-b, Dr. Matthias Martin
5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
In der fünften Woche im Jahreskreis werden wir nach dem bei uns üblichen liturgischen Kalender gerade in diesem Jahr auf höchst bedeutende Frauen in der Geschichte des Christentums hingewiesen.
Der Blick wird zuerst auf Josefine Bakhita gerichtet. 1869 noch im einstigen Königreich Darfur geboren, wurde sie in jungen Jahren in die Sklaverei verschleppt. Gerade dank der Ordensgemeinschaft der Canossianerinnen gelangte sie nach Italien, wo sie nach monatelanger Vorbereitung die Taufe empfing. Noch später äußerte sie sich sehr dankbar über jene Ordensschwestern, deren Gemeinschaft sie selber dann beitrat. Ihr Schicksal verdeutlicht, wie richtig Päpste insbesondere seit dem 16. Jahrhundert getan hatten, sich für die Beendigung der Sklaverei und die Befreiung versklavter Menschen einzusetzen, auch und gerade wenn dies Konflikt mit politischen und wirtschaftlichen Mächten bedeutete. So war das gefürchtete Britische Empire bis weit in das 19. Jahrhundert hinein Motor des internationalen Sklavenhandels. Erst in jüngster Zeit gab es in Großbritannien offene Konflikte wegen der bisher etwa in Gestalt von Denkmälern und der Abhaltung sogenannter Gottesdienste in der Staatskirche mit fortgeführter Ehrung von Sklavenhändlern. Dies gab Anstoß, sich in Teilen der britischen Gesellschaft etwas offener der eigenen dunklen Vergangenheit zu stellen. Dabei stand das Vereinigte Königreich keineswegs als angeblich „christliche“ allein im internationalen Sklavenhandel. So berichtete am 21. Oktober 2013 die österreichische Tageszeitung Die Presse:
„Bei der UN-Generalversammlung im September hatte Ralph Gonsalves, Premierminister von St. Vincent und den Grenadien, die Sache angedeutet; nun wird es ernst: 14 Staaten der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) wollen ihre alten Kolonialmächte Großbritannien, die Niederlande und Frankreich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) verklagen. Sie wollen Ersatz für Schäden, die der Handel mit afrikanischen Sklaven auf ihren Gebieten angerichtet habe. Dabei soll es um viele Milliarden gehen.“
Als dann nach und nach Großbritannien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sich vom Sklavenhandel abwandte, führte dies bezüglich Dänemark und den Niederlanden zu einschneidenden Folgen, die so weit gingen, dass wichtige Kolonialstützpunkte aufgegeben wurden. Hatte der päpstliche Kampf gegen unmenschliche Sklaverei und Sklavenhandel mit der Konstitution Papst Gregors XVI. „In supremo apostolatus fastigio“ vom 3. Dezember 1839 eine wertvolle Zusammenfassung erhalten, so hatte um den September 873 Papst Johannes VIII mit seinem an die Fürsten von Sardinien gerichteten Brief seinerseits deutlich den Weg gewiesen, dass die Kirche bei wichtigen moralischen Fragen bereit sein muss, den Konflikt mit den Mächtigen nicht zu scheuen (siehe Gedanken zur Woche 26-b). Später wurde dann nicht zuletzt die Heimat Darfur der Heiligen Josefine Bakhita Opfer der Kolonialpolitik Frankreich und Großbritanniens. Die damit verbundene willkürliche Grenzziehung schuf die Grundlage nicht nur für den bis heute nicht beigelegte Darfur-Konflikt. Immerhin hat Johannes Paul II. ein deutliches Zeichen gesetzt, als er Josefine Bakhita heiligsprach. Sie gilt heute als Schutzpatronin im Kampf gegen die Sklaverei, für alle versklavten Menschen und ihre Befreier. Die Nachfolger Benedikt XVI. und Franziskus nahmen dann ihrerseits ganz stark Bezug auf die heilige Josefine Bakhita. Das ist auch als eigene Ermutigung an Katholikinnen und Katholiken zu sehen, sich für das einzusetzen, was heute oft die Menschenrechte genannt werden. Ging es einst darum, um der versklavten Menschen willen gegen Kolonialmächte wie Spanien, Portugal, Frankreich, England bzw. Großbritannien, aber auch Dänemark und die Niederlande, aufzutreten, so ist christliche Einsatzbereitschaft gegen Ungerechtigkeiten auch heutzutage nötig.
Auch in Zusammenhang mit einem weiteren Gedenktag dieser Woche setzten Benedikt XVI. und Franziskus das Werk von Papst Johannes Paul II. fort. Hatte dieser ein besonderes Augenmerk auf den internationalen Marienwallfahrtsort Lourdes gerichtet, so folgten ihm darin seine Nachfolger, dessen man sich gerade am „Gedenktag Unserer Lieben in Lourdes“ bewusst machen darf. Längst ist es eine gute Gewohnheit, dass sich der jeweilige Papst persönlich um Lourdes annimmt. Gleiches gilt für ganz besonders auch für den in Portugal gelegenen Wallfahrtsort Fatima.
Der Roman Franz Werfels „Das Lied von Bernadette“ gehört zu den Klassikern der Weltliteratur. Es geht darin um das Leben der heiligen Bernadette Soubirous (französische Schreibweise)/Bernadeta Sobirós (okzitanische Schreibweise) von Lourdes. Ist bei uns die französische Ortsbezeichnung Lourdes bekannter, so gibt es auch die auf Okzitanisch: Lorda, manchmal Lourde. Auch sonst beschäftigte sich Franz Werfel als Schriftsteller von Weltruf mit gerade für Christinnen und Christen interessanter Thematik. In dem historischen Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ thematisierte er das fruchtbare Schicksal der christlichen Armenier im türkischen Machtbereich während des I. Weltkriegs. Dies passt sehr gut zum Gedenken an den armenischen Märtyrerbischof Blasius und die Tatsache, dass einest Armenien der erste christliche Staat der Welt war (Gedanken zur Woche 47-b). Es war die Armenische Sprache, in welche schon recht früh die Bibel übersetzt wurde, während Okzitanisch seinen eigenen Platz in der Geschichte des Christentums und europäischer Kultur hat. Dabei hat sich Franz Werfel auf ganz eigene Weise auch darum verdient gemacht, vor dem Missbrauch von Religion, gerade bei Katholikinnen und Katholiken, zu warnen. Es wäre der Kirche, ungezählten Menschen nah und fern, viel Unheil erspart geblieben, hätte man sich im großen Stil in betreffenden Kreisen die warnende Botschaft von „Der veruntreute Himmel“ zu Herzen genommen. Genauso verdient der posthum erschienene Roman „Stern der Ungeborenen“ als Wiederaufgreifen der Thematik der „Göttlichen Komödie“ Dantes Beachtung. Dante seinerseits wurde auch in neuerer Zeit von Katholiken geehrt, während des II. Vatikanischen Konzils wie etwa von betont traditionsorientierten Katholiken, aber nicht nur von diesen, danach. Dass der jüdische Schriftsteller von Weltruhm, Franz Werfel, betreffende Themen jeweils aufgriff, ist ganz bemerkenswert.
Natürlich verdient ebenso Leben und Erbe der heiligen Scholastika Beachtung. Sie war mutige und respektierte Weggefährtin ihres leiblichen Bruders, Benedikt von Nursia.
Gedanken zur Woche 47, Dr. Matthias Martin
4. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Nach der bei uns üblichen Leseordnung wird uns diesen Sonntag als Sonntagsevangelium die direkte Fortsetzung des Evangeliums vom unmittelbar zurückliegenden dritten Sonntag im Jahreskreis geboten. Dass hier Jesus am Sabbat in der Synagoge von Kafarnaum lehrte passt in der doppelter Hinsicht in das größere religiöse wie geschichtliche Bild. Zum einen war Kafarnaum in neutestamentlicher Zeit eine bedeutende Gemeinde, die in neuerer Zeit längst das Interesse von Archäologen und Historikern gefunden hat. Im Neuen/Zweiten Testament wird es einige Male ausdrücklich erwähnt, und zwar in jedem der vier dortigen Evangelien mindestens je einmal, wenn nicht öfters. In Mt 9,1 heißt es sogar zum Verhältnis Jesu zu Kafarnaum, diese sei „seine Stadt“ gewesen. In diese Richtung weist uns auch Mk 2,1. Dort heißt es nach der neuen Einheitsübersetzung: „Als er nach einigen Tagen wieder nach Kafarnaum hineinging, wurde bekannt, dass er im Haus war“. Ganz ähnlich können wir in der früheren Ausgabe der Einheitsübersetzung lesen: „Als er einige Tage später nach Kafarnaum zurückkam, wurde bekannt, daß er (wieder) zu Hause war“. Finden wir diesen Wortlaut auch im betreffenden Band der NEUEN ECHTER BIBEL aus dem Jahre 1994, so heißt es in der Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch des Neuen Testamentes, in der es ja um eine möglichst wortwörtliche Wiedergabe des Textes auf Deutsch geht: „Und hineingekommen wieder nach Kafarnaum nach (einigen) Tagen, wurde er gehört, daß im Haus er ist.“ Laut der Interlinearübersetzung entspricht dem deutschen Ausdruck „wurde er gehört“, die Formulierung „wurde über ihn gehört“. In der 9. Auflage von 1983 der „Synopse der drei ersten Evangelien“ von Josef Schmid wiederum lautet der Übersetzungsvorschlag für Mk 2,1 „Und als er einige Tage später wieder nach Kapharnaum kam, wurde bekannt, daß er zu Hause sei.“ Diese Stelle wird nicht nur als weiterer Beweis für die enge Beziehung Jesu zu Kafarnaum gesehen, sondern von einigen sogar als Hinweis, dass Jesus selber ein Haus dort besessen hätte. Diese Interpretation besitzt natürlich besondere Brisanz in Hinblick auf das Verhältnis von Religion und Privatvermögen, namentlich privatem Wohneigentum gegen Zwangskollektivierung. Interessant ist auf jeden Fall, dass Jesus, oft mit dem Beinamen „von Nazaret“ versehen, schon zu Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit in Kafarnaum auftrat und eine bemerkenswerte Beziehung zu diesem Ort entwickelte.
Auch in der außerbiblischen antiken Literatur werden wir auf das am See von Genezaret(h) gelegene Kafarnaum hingewiesen, so in den Schriften des berühmten jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus.
Die Lehrtätigkeit Jesu in der örtlichen Synagoge verdeutlicht ihrerseits, wie wichtig Predigttätigkeit in Zusammenhang mit dem Wirken Jesu und allgemein im Verlauf des Neuen/Zweiten Testamentes war. In diese Richtung werden wir schon durch das Alte/Erste Testament gewiesen. Schon dort begegnet uns das Halten von Predigten oder Ansprachen. Ganz allgemein wird auf die Bedeutung des Redens im gutem wie im schlechten Sinne hingewiesen, so etwa im Buch der Sprichwörter, im Buch Kohelet und im Buch Jesus Sirach, auch genannt ehrenvoll Ecclesiasticus. Im Neuen/Zweiten Testament begegnet uns zunächst einmal die Predigt- bzw. Redetätigkeit Jesu von Nazarets. Dann begegnet uns nicht zuletzt die Predigttätigkeit des Petrus und des Paulus. In Richtung der Bedeutung des Predigens wird der Leser, die Leserin im Römerbrief gewiesen, wenn es heißt: „(10,14) Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie wollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündet? . . . (17) So gründet der Glaube in der Botschaft, die Botschaft aber im Wort Christi?“ Der Wert mündlicher Kommunikation wird so ganz bemerkenswert in zwei ganz kurzen, gerne übersehenen, Briefen des Neuen/Zweiten Testaments herausgestrichen, im Zweiten Johannesbrief und im Dritten Johannesbrief. So steht laut neuer Einheitsübersetzung in 2 Joh:
„(12) Vieles hätte ich euch noch zu schreiben; ich will es aber nicht mit Papier und Tinte tun, sondern hoffe, selbst zu euch zu kommen und persönlich mit euch zu sprechen, damit unsere Freude vollkommen wird.“
In 3 Joh können wir lesen:
„(13) Vieles hätte ich dir noch zu schreiben; ich will aber nicht mit Tinte und Feder schreiben. (14) Ich hoffe, dich bald zu sehen; dann werden wir persönlich miteinander sprechen.“
Betonung und Intensivierung des Predigtwesens ging immer wieder einher mit dem Aufschwung kirchlichen Lebens. Als Markierungspunkte seien nur das IV. Laterankonzil im Jahre 1215, das von 1545 bis 1563 tagende Konzil von Trient und der katholische Aufschwung im 19. Jahrhundert genannt.
Die Bedeutung der Predigt wird versinnbildlicht durch viele Kanzeln. Die neugotische in der Pfarrkirche zum Heiligen Nikolaus in Stein bietet uns mit anderem eine symbolische Darstellung der Zehn Gebote auf zwei Gesetzestafeln. Immer wieder bekunden Menschen ihr Interesse an dieser Kanzel allein schon wegen ihrer künstlerisch-theologischen Ausgestaltung. Auch in anderen Kirchen zieht die dortige Kanzel immer wieder Interesse auf sich. Mitunter äußern Gläubige ausdrücklich den Wunsch, die Kanzel wieder stärker zu verwenden.
Das II. Vatikanische Konzil hat sich in verschiedenen seiner verabschiedeten Dokumente zu Fragen der Predigt geäußert. In der Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ wird gemeint:
„(35,2) Da die Predigt ein Teil der liturgischen Handlung ist, sollen auch die Rubriken ihr je nach der Eigenart des einzelnen Ritus einen passenden Ort zuweisen. Der Dienst der Predigt soll getreulich und recht erfüllt werden. Schöpfen soll sie vor allem aus dem Quell der Heiligen Schrift und der Liturgie, . . .“.
Die Bedeutung der Predigt verdeutlichen auch die kontroversiellen kirchenrechtlichen Diskussionen um die Predigt seit Abschluss des II. Vatikanischen Konzils.
1. Lesung: Dtn 18,15-20
2. Lesung: 1 Kor 7,32-35
Evangelium: Mk 1,21-28
Gedanken zur Woche 47-b, Dr. Matthias Martin
4. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich FEST DARSTELLUNG DES HERRN/LICHTMESS (2021)
Liturgisch ist die diesjährige Woche zu Beginn des Monats Februar sicher besonders bemerkenswert. Natürlich ist jede heilige Messe, jede Eucharistiefeier, für sich schon herausragend, ein Höhepunkt im Leben des Gläubigen. In der betreffenden Woche bekommen die Menschen im besten Sinne aber darüber hinaus noch einiges geboten.
In dieser Woche findet das Fest DARSTELLUNG DES HERRN, auch (MARIÄ) LICHTMESS oder MARIÄ REINIGUNG genannt, statt. Eine eigene Kerzenweihe ist sowohl in der Nachkonziliaren Liturgie, dem Reformierten Messritus, vorgesehen, wenn man in das dafür bei uns verwendete Deutsche Messbuch blickt, wie in der Tridentinischen Liturgie, dem Alten Lateinischen Ritus. Letzteres verdeutlicht der Volksschott aus dem Jahre 1961.
Nach der Alten Lateinischen Liturgie bedeutet das Fest von der DARSTELLUNG DES HERRN, von MARIÄ LICHTMESS das Ende der Weihnachtszeit. In vielen Haushalten und Pfarrgemeinden lässt man bis zu diesem Tag die Krippe und/oder den Weihnachtsbaum stehen. Auf der Internetseite TeachingCatholicKIDS.com, was so viel wie KatholischeKINDERunterrichten.com bedeutet, heißt es ins Deutsch übersetzt: „In einigen Ländern (und einigen Haushalten) ist es üblich, den Weihnachtsschmuck bis zu diesem Fest aufrechtzuerhalten.“ Auf der Internetseite newlitugicalmovement.org, wird, wiederum ins Deutsche übersetzt, festgehalten: „Liturgisch endet die Weihnachtszeit am Fest der Darstellung Christi im Tempel und der Reinigung Unserer (lieben) Frau am 2. Februar.“
Besonders beliebt ist sicher der Blasiussegen. Auch oder vielleicht gerade in der jetzigen Zeit von Lockdown und Corona-Restriktionen wurde ich schon mehrfach angesprochen, dass doch in diesem Jahr wieder der Blasiussegen gespendet werden möge. In der von der den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier und Zürich herausgegebenen „STUDIENAUSGABE für die katholischen Bistümer des deutschen Sprachgebietes“ des BENEDIKTIONALE aus dem Jahre 2004 werden gleich zwei Möglichkeiten für die Spendung des Blasiussegens geboten: in Verbindung mit der Messfeier und in einem Wortgottesdienst.
Der Bischof des armenischen Sebaste Blasius wird gerne bei verschiedenen Anliegen angerufen, nicht nur bei Halsleiden, sondern auch bei Kinderkrankheiten, Pest, Zahnschmerzen, wegen wilden Tieren und um eine gute Beichte. Er ist Patron verschiedener Berufsgruppen, darunter passenderweise der Ärzte. Am bekanntesten von den mit ihm verbundenen Einzelüberlieferungen ist, dass er einen Buben, der eine Fischgräte verschluckte hatte und zu ersticken drohte, durch sein Gebet geheilt habe.
Der heilige Blasius weist uns eindringlich auf die Geschichte und gerade das tragische Schicksal Armeniens hin. Dessen Kultur blickt selber auf jahrtausendealte Geschichte zurück. Das Armenische ist ein eigener Zweig der Indogermanischen Sprachen. Armenien ist die älteste christliche Nation der Welt. Als Armenien gegen Ende des Dritten Jahrhunderts wieder einmal zumindest vorübergehend unabhängig wurde, nahm es lange vor dem Römischen Reich das Christentum an und das sogar schon als Staatsreligion! Die Unabhängigkeit konnte nicht verteidigt werden. So starb der heilige Blasius als Opfer römischer Christenverfolgung vermutlich im Jahre 316 unter dem Beherrscher des östlichen Reichsteils, Kaiser Licinius. Der hatte zwar mit seinem damaligen Verbündeten Kaiser Konstantin, manchmal genannt der Große, 313 die Mailänder Vereinbarung, auch als Mailänder Edikt bezeichnet, geschlossen, in der den Christen dauernde Toleranz versprochen wurde. Gerade den Versprechen des Licinius war aber offensichtlich nicht zu trauen, wie neue Forschungen und Darstellungen bestätigen. Den Armeniern als christlichem Volk ist es in der Geschichte wiederholt sehr schlimm ergangen. In einer Darstellung von orf.at vom 21. August 2018 wird mit Blick auf den jetzigen Staat Armenien festgehalten: „Die heutige Republik umfasst nur mehr ein Zehntel des historischen Landes, das sich im Laufe seiner jahrtausendealten Geschichte unter anderem unter persischer, arabischer, osmanischer und sowjetischer Herrschaft befand.“ Als nach dem Ende des I. Weltkrieges den Armeniern im Friedensvertrag von Sèvres ein viel größeres Staatsgebiet als das derzeitige versprochen wurde, hielt sich die Türkei nicht daran. Gemeinsam mit der Sowjetunion teilte sie sich Armenien. Erst als sich die Sowjetunion auflöste, erlangte immerhin das jetzige, so verkleinerte, armenische Staatsgebiet nach langer Besatzung seine Unabhängigkeit (wieder).
Ebenfalls Opfer römischer Christenverfolgung wurde die heilige Agatha, deren am 5. Februar gedacht wird. Ihre Beliebtheit im frühen Christentum war so groß, dass sie in der ungekürzten Fassung des Römischen Messkanons, des Ersten Hochgebets, namentlich genannt wird:
"Auch uns deinen sündigen Dienern, die auf deine reiche Barmherzigkeit hoffen,
gib Anteil und Gemeinschaft mit deinen heiligen Aposteln und Märtyrern:
Johannes, Stephanus, Matthias, Barnabas, Ignatius, Alexander, Marzellinus, Petrus,
Felizitas, Perpetua, Agatha (!), Luzia, Agnes, Cäcilia, Anastasia
und mit allen deinen Heiligen“.
Nach dem bei uns üblichen liturgischen Kalender ist in dieser Woche das Gedenken für Opfer kaiserlicher Christenverfolgung aber noch nicht zu Ende. Am 6. Februar ist der Gedenktag des heiligen Paul Miki und Gefährten, welche am 5. Februar 1597 im Kaiserreich Japan, genauer in der Stadt Nagasaki, gekreuzigt wurden. Diese 26 Märtyrer von Nagasaki wurden als die ersten Blutzeugen der Japanischen Christenverfolgung heiliggesprochen. Zusammen mit den später selig- und heiliggesprochenen Märtyrerinnen und Märtyrer stellen diese die Spitze eines Eisberges dar. Wie auch von nichtkatholischer Seite bestätigt wurde, könnte die Zahl der Opfer der langandauernden Christenverfolgung in Japan mit ihren Anfängen Ende des 16. Jahrhunderts an die 200.000 gehen. Führten sie selber im eigenen Herrschaftsbereich brutale Katholikenverfolgungen durch (siehe u.a. Gedanken zur Woche 34), so dürften gerade englische und niederländische Vertreter durch ihre Hetze die Christen- sprich Katholikenverfolgung in Japan angeschoben haben. Schließlich waren die Opfer der Christenverfolgung im Kaiserreich Japan Katholikinnen und Katholiken. Evangelische Autoren der neueren Zeit wie Manfred Barthel und Karl Hartmann haben sehr deutlich in diese Richtung gewiesen wie auch die britische Geschichtswissenschaft unserer Tage, so die Vortragstätigkeit des Gresham College. Als dann die Vereinigten Staaten die Öffnung Japans erzwangen, trafen europäische Seelsorge ab 1865 heldenhafte japanische UntergrundchristInnen, sprich Untergrundkatholikinnen und Untergrundkatholiken.
Gedanken zur Woche 46, Dr. Matthias Martin
3. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Gewissermaßen wie eine einschärfende Wiederholung begegnet uns im Sonntagsevangelium nach Markus in dieser Woche wiederum das Thema der Berufung der ersten Jünger. Folgen wir der jetzt bei uns üblichen Leseordnung, so wurde dies anhand von Versen des ersten Kapitels des Johannesevangeliums mit dementsprechend eigenen Feinheiten letzten Sonntag bereits thematisiert (siehe Gedanken zur Woche 45). Nun ja, im wieder stärker zu Ehren kommenden Latein heißt ein Sprichwort „Repetitio est mater studiorum!“, zu Deutsch so viel wie „Wiederholung ist die Mutter des Lernens“ oder „Wiederholung ist die Mutter des Studierens“. Manche/r gibt es im Deutschen auch mit der Formulierung „Wiederholung ist die Mutter der Wissenschaft“ wieder.
Es muss sich bei der Berufung von Jüngern und damit der Rekrutierung von Personal um eine eminent wichtige Angelegenheit handeln, wenn es schon sowohl im inhaltlich so eigenständigen Johannesevangelium wie im Markusevangelium, das sich bei den drei synoptischen Evangelien zwischen dem Matthäus- und dem Lukasevangelium in der Mitte befindet, jeweils im ersten Kapitel thematisiert wird. Im Matthäusevangelium steht es im vierten Kapitel ebenfalls in engstem Zusammenhang mit dem Beginn der öffentlichen Tätigkeit Jesu von Nazarets. Diese Positionierung mit der ganz frühen Berufung der ersten Jünger begegnet uns auch im Lukasevangelium, gerade wenn man hier auf das fünfte Kapitel blickt.
Im Alten/Ersten Testament begegnen bereits verschiedene geistliche Amtsträger wie Leviten, Priester und Hohepriester. Priester werden wiederholt sowohl in den fünf Büchern Mose, wie später im Alten/Ersten Testament erwähnt, so etwa im Buch Josua, den beiden Büchern Samuel, den beiden Büchern der Könige und den beiden Büchern der Chronik. Im Buch Esra kommt den Priestern mit den Leviten eine bedeutende Rolle beim Wiederaufbau nach dem Ende der Babylonischen Gefangenschaft zu. Im Ersten und Zweiten Buch der Makkabäer sind es wiederum Priester und Hohepriester, welche besondere Beachtung finden. Auch in den alttestamentlichen Büchern der Weisheit und den prophetischen Büchern werden wir in diese grundsätzliche Richtung gewiesen. Eher noch weiter vorne im Alten/Ersten Testament begegnet uns interessanterweise das Buch der Richter. Auch Funktionsträger genannt „Älteste“ begegnen in Schriften des Alten/Ersten Testamentes, sowie weitere Bezeichnungen für Funktionsträger oder Amtsinhaber. Dies geht dann in das Neue, das Zweite Testament der Bibel hinüber.
Der Bestellung besonderen Personals wurde dann eigens Aufmerksamkeit geschenkt. Zu guter Ordnung und Zusammenarbeit gerade mit Blick auf die geistlichen Amtsträger mahnt beispielsweise der Erste Klemensbrief, auch Clemensbrief geschrieben. Ausgehend von der Apostelgeschichte kamen etwa den Diakonen wichtige Aufgaben im Bereich des caritativen Wirkens der Kirche zu. Dies ist umso bemerkenswerter, da caritatives Wirken oder, wie viele heutzutage gerne sagen, soziales Engagement, alsbald von Freund und Feind als Markenzeichen des Christentums wahrgenommen wurde. Besonders berühmt wurde hier neben dem heiligen Stefanus, dem Erzmärtyrer, der heilige Laurentius, welcher in der ungekürzten Fassung des Römischen Messkanons erwähnt wird (siehe nicht zuletzt Gedanken zur Woche 22-b). Diakone konnten schon in der frühen Kirche auch für andere Aufgaben herangezogen werden. Der heilige Papst Fabian, dessen sowohl nach dem nachkonziliaren Deutschen Messbuch wie nach dem Volksschott von 1961 am 20. Jänner/Januar gedacht wird, hat sich gerade um die organisatorische Struktur der Kirche in Rom verdient gemacht. So heißt es im Deutschen Messbuch in der Vorbemerkung zu seinem Gedenk-/Festtag u. a.: „Er organisierte die römische Kirche neu.“ In der Ausgabe von 2008 des Buches „Der große Namenstagskalender“ von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht wird festgehalten: „Fabian . . ., seit 236 Papst, baute die römische Kirche organisatorisch aus. Die Stadt Rom teilte er in sieben kirchliche Bezirke, deren Verwaltung sieben Diakone übernahmen. Ebenso trug er Sorge für die kirchlichen Begräbnisstätten. Sein Ansehen in der Gesamtkirche wird von Cyprian von Karthago und Origines bezeugt.“
Nachdem sich bereits das Konzil von Trient intensiv mit der Erneuerung des Klerus und des Ordenswesens befasst und gerade die Bischöfe zu treuer Pflichterfüllung gemahnt hatte, verabschiedete das II. Vatikanische Konzil sogar vier recht umfangreiche Dekrete über jeweils bestimmtes kirchliches Personal. Da ist hier zunächst das Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe, kurz das Dekret über die Bischöfe, „Christus Dominus“. Über die Priesterausbildung wurde mit „Optatam totius“ ein eigenes Dekret beschlossen und mit „Presbyterorum ordinis“ ein Dekret eher allgemein über Dienst und Leben der Priester, kurz über die Priester. Wie früher schon eingehender erwähnt (Gedanken zur Woche 20-b und 40-b), wurde dazu mit „Perfectae caritatis“ ein Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens, kurz über die Orden, das Ordenswesen, verabschiedet.
Im CODEX IUIRIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983 in seiner vorliegenden Form werden in den Canones 145 bis 196 geht es um Kirchenämter, namentlich um die Übertragung eines Kirchenamtes wie den möglichen Verlust eines Kirchenamtes. In Buch II dieses Codex geht es in den Canones 232-293 eigens um die Kleriker. Dabei werden eigens Fragebereiche wie die Ausbildung von Klerikern, Pflichten und Rechte von Klerikern sowie der „Verlust des klerikalen Standes“ angesprochen. Die Canones 573 bis 746 behandeln die Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften (siehe hierzu Gedanken zur Woche 40-b). Hinzu kommt eine Überfülle von Beschlüssen, Erlassen und Resolutionen zu kirchlichen Ämter, Menschen mit besonderen Aufgaben in der Kirche auf verschiedenen Ebenen unterhalb der Weltkirche, also auf partikularkirchlicher Ebene. Für den deutschen Sprach- und Kulturraum spielen dabei Pastoralassistenten bzw. Gemeindereferenten und Pastoralreferenten bzw. jeweils –innen eine wichtige Rolle. Aussagen über das Studium der Theologie und ähnliches auf weltkirchlicher Ebene sind auch in diese Richtung wahrzunehmen.
Die Frage nach dem Personal in der Kirche bleibt ausgehend von der Bibel mit ihren verschiedenen Einzelschriften und angesprochen in Konzilien eine dauernde Angelegenheit.
1. Lesung: Jona 3,1-5.10
2. Lesung: 1 Kor 7,29-31
Evangelium: Mk 1,14-20
Gedanken zur Woche 46-b, Dr. Matthias Martin
3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn eine kirchliche Persönlichkeit im CODEX IUIRIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS von 1983 namentlich genannt wird wie gleich in zwei Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils, dann muss es sich schon um jemand wirklich außergewöhnlichen handeln. Genau dies ist sicher beim heiligen Thomas von Aquin der Fall, auch wenn er kaum 50 Jahre alt wurde (ca. 1225 bis 1274). Die Kirche gedenkt dieses Dominikanermönches und Verwandten des deutschen Kaiserhauses der Staufer zumeist am 28. Jänner/Januar.
In Abschnitt 16 des Dekretes über die Priesterausbildung „Optatam totius“ wird dazu aufgefordert, in der dogmatischen Theologie „mit dem heiligen Thomas als Meister“ vorzugehen. In Canon 252 § 3 des CODEX wird als Ziel für die „Vorlesungen in dogmatischer Theologie“ gewünscht, dass „die Alumnen die Heilsgeheimnisse, vor allem unter Anleitung des hl. Thomas als Lehrer, tiefer zu durchdringen lernen“. In der Erklärung des II. Vatikanischen Konzils über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis“ heißt es in Abschnitt 10 mit Blick auf Hochschulen und Universitäten: „Dabei dienen die Kirchenlehrer, besonders der heilige Thomas von Aquin, als Vorbilder.“
Die Bedeutung des von der Katholischen Kirche als Kirchenlehrers anerkannten Thomas von Aquin ist so gewaltig, dass nach ihm eine eigene umfangreiche Strömung in Theologie und Philosophie Thomismus genannt wird. Philosophie, dies deutet schon an, dass Thomas von Aquin auch außerhalb des engeren Bereichs von Theologie oder Kirche Strahlkraft gewann. In der Neuausgabe 1985 der „Weltgeschichte der Philosophie“ von Hans Joachim Störig ist ihm ein eigener umfangreicher Abschnitt gewidmet. Weiter hinten in dem Werk wird dann noch thematisiert, welche Bedeutung Thomas von Aquin für die Erneuerung christlicher Philosophie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann. Zu dieser Geistesbewegung heißt es bei Störig auf Seite 582:
„Geschichtliches und systematisches Interesse haben einander dabei in einem ständigen Kreislauf befruchtet. Am Beginn stand das Hinwenden zu den sachlichen Inhalten der mittelalterlichen christlichen Philosophie. Um diese aber recht ergreifen zu können, mußte man sie in ihren Quellen aufsuchen, also in der ganzen Breite und Tiefe ihrer geschichtlichen Entfaltung studieren. Aus der gründlichen geschichtlichen Forschung erwuchsen wiederum neue Antriebe für das sachliche und systematische Philosophieren.“
Eigens wird darauf hingewiesen, dass Papst Leo XIII. mit der Enzyklika „Aeterni Patris“ 1879 die Bedeutung Thomas von Aquins herausgestellt und zu einer erneuten Zuwendung zu ihm aufgefordert hatte.
Tatsächlich erfreut sich dessen Werk immer wieder fachlichen Interesses. In Band 1 des von Norbert Hoerster herausgegebenen zweibändigen Werkes „Klassiker des philosophischen Denkens“ wird ihm ein ganzer Hauptabschnitt gewidmet. Vergleichbares ist in dem dreibändigen Sammelwerk „Politische Denker“, 6. Auflage München 1987, herausgegeben von Heinz Rausch, zu sehen. In dem von Ulrich Matz verfassten Beitrag, Seite 59, würdigt man Thomas von Aquin als „einen der größten Denker des Abendlandes und zugleich den größten Theologen des Mittelalters“. Die überblickshafte Würdigung geht in dieselbe Richtung wie bei anderen neueren Autoren:
„Das Werk des Thomas, in strenger und nüchterner Sprache gehalten, dabei von einer seltenen Klarheit, umfaßt alle Wissensgebiete seiner Zeit, neben der gesamten theologischen Problematik die Metaphysik, die Physik und die Psychologie, die Lehre vom Erkennen, die Ethik und Politik und die Ästhetik.“
In Band 1 der „Geschichte der Philosophie von „Gunnar Skirbekk und Nils Gilje von 1993, Seite 215, heißt es über die Schriften, welche Thomas hinterließ: „das Ereignis ist ein umfangreiches Gesamtwerk“ und „Das Werk ist gewaltig“. Zurecht wird darauf hingewiesen, dass Thomas von Aquin intensiv auf die Werke früherer Philosophen zurückgriff, gerade des Aristoteles, den er der christlichen Welt seiner Zeit nahebrachte, nicht abgeschreckt durch die Tatsache, dass Aristoteles, u.a. Lehrer Alexanders des Großen, ein sogenannter Heide aus dem Altertum war. Die eigenen Aristoteles-Kommentare stellen allein schon einen bedeutenden Bestandteil des Gesamtwerkes des Thomas von Aquin dar. Den intensiven Rückgriff auf frühere philosophische Denker, dabei nicht nur christliche, sondern gerade auch „heidnische“ aus der Antike und einen jüdischen wie Moses Maimonides sieht man bei den fünf sogenannten (philosophischen) Gottesbeweisen. Diese regen auch heute noch, wie so vieles andere, was Thomas von Aquin formulierte, Menschen zum Nachdenken und zu intellektuellen Diskussionen an. dem in Zusammenarbeit mit Rolf Schönberg von Robert Spaemann erarbeiteten Buch „Der letzte Gottesbeweis“ knüpft man nicht zuletzt bei Thomas von Aquin und seinen (philosophischen) Gottesbeweisen an. Wie bei diesem wird auch hier auch auf das Erbe großer Philosophen der griechischen Antike zurückgegriffen und die intellektuelle Begegnung mit dem Philosophen, Kirchenmann und Kritiker englischen Königtums Anselm von Canterbury (Gedanken zur Woche 6-b und 11-b) gesucht.
Im Widerstand gegen die Herrschaft des Nationalsozialismus bezogen sich manche auf Thomas von Aquin wie im Ringen um das gedeihliche Miteinander der verschiedenen Gruppen in einer modernen Gesellschaft. Ich erinnere mich, wie bei einer gemeinsamen Lehrveranstaltung von Soziologie und Neueste Kirchengeschichte an der Universität Würzburg auf die erfolgreiche Rezeption von Elementen traditioneller, von Thomas von Aquin nicht zu trennender, katholischer Soziallehre im früher noch mehr schintoistisch geprägten Japan hingewiesen wurde. Eher unabhängig von der Auseinandersetzung mit einem bestimmten politischen System griff der katholische Sozialtheoretiker Michael Messner auf Thomas von Aquin zurück. Werke wie die wieder aufgelegten Schriften „Kulturethik“ und „Vom Sinn der menschlichen Gesellschaft“ verdeutlichen dies. Mancher kritischer Geist in der Kirche, der dort vor zumindest befürchteten Fehlentwicklungen warnte, wusste den Kirchenlehrer und Philosophen Thomas zu schätzen.
Vielleicht besinnt sich ja manche und mancher in Kirche und Staat wieder stärker auf das so reichhaltige Erbe des Thomas von Aquin und von Menschen, die über die Jahrhunderte seinem Wirken, seinen Anregungen bereits gefolgt sind.
Gedanken zur Woche 45, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)
Das Sonntagsevangelium noch recht zu Beginn des Johannesevangeliums hat die Berufung der ersten Jünger zum Thema. Dabei begegnen uns mit Simon Petrus und seinem Bruder Andreas bereits jene Persönlichkeiten, die dann im Kreis der Apostel eine besonders wichtige Rolle spielen sollten. Ihre herausragende Bedeutung spiegelt sich im Römischen Messkanon, auch genannt das I. Hochgebet, wieder, egal ob man in das heutzutage bei uns meist verwendete Deutsche Messbuch oder in den Volkschott zur Feier der Heilige Messe im Tridentinischen Ritus blickt. In den Versen nach diesem Sonntagsevangelium setzt sich diese Berufung von Jüngern fort. Ein ähnliches Bild ergibt sich in den sogenannten synoptischen Evangelien, dem Markus, dem Matthäus- und dem Lukasevangelium. Die Verse aus dem Johannesevangelium wiederum weisen darauf hin, dass auch Johannes der Täufer so etwas wie einen Kreis (engerer) Jünger hatte. Dass man dann im Neuen/Zweiten Testament von der Berufung der zwölf Apostel lesen kann, dürfte auch heute noch ziemlich bekannt sein. Bereits vor Ostern trat Simon Petrus wiederholt wie auch später als besonderer Sprecher des Apostelkreises auf. Die berühmte Primatsstelle Mt 16,18-19 ist nicht die einzige Stelle bereits in den Evangelien, in welchen Petrus herausgestellt wird. Über Judas Iskariot heißt es, dass er die Kasse unter sich hatte, also so etwas wie ein Finanzreferent war. Man sprach von ihm auch schon als dem Finanzminister bei den Jüngern Jesu. Um den Zwölfkreis der Apostel herum gab es einen weiteren Kreis von Jüngern, der mit Jesu Wirken verbunden war. So heißt es im 10. Kapitel des Lukasevangeliums:
„(10,1) Danach suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus und sandte
sie zu zweit vor sich her in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte.
(2) Er sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.
Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!
(3) Geht! Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“
Auffällig ist, dass die Entsendung zusätzlicher Mitarbeiter im Neuen/Zweiten Testament das einzige spezifische Anliegen ist, um das die Jünger aufgefordert werden zu beten. Natürlich darf auch die biblische Erwähnung von Frauen nicht vergessen werden, von denen es heißt, dass diese Jesus unterstützten. Die beiden Schwestern Maria und Marta nahmen beizeiten eine bemerkenswerte Stellung ein, die so stark war, dass ihr Heimatort im Johannesevangelium sogar als das „Dorf der Maria und Marta“ bezeichnet wird (siehe Gedanken zur Woche 2).
Allgemein lässt sich feststellen, dass bereits zu einem ganz frühen Zeitpunkt in der Geschichte des Neuen/Zweiten Testamentes mit dem Aufbau von Personalstrukturen begonnen wird. Es stellte sich auch hier, was man modern gerne die Kaderfrage nennt. Bei allen Bemühungen wird deutlich, dass es dabei überhaupt ein Kaderproblem gab. Offensichtlich hatte mancher der in eine Position berufene Jünger hier und da ein Verständnisproblem oder bekam es schlichtweg mit der Angst zu tun. Der Verrat an Jesus durch Judas Iskariot wie die dreifache Verleugnung durch Petrus verdeutlichen drastisch, dass es mit dem Personal nicht so einfach war. Aber Personal, gewisse, möglichst stabile, Strukturen sind offensichtlich unverzichtbar. In den Paulusbriefen einschließlich in den Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes, die manchmal die Deuteropaulinen genannt werden, geht es nicht zuletzt um die Berufung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, einschließlich solchen, die bereits die Hände aufgelegt bekamen. Nach einer ersten Predigt, verbunden vielleicht mit Spendung der Taufe, musste die Arbeit fortgesetzt werden. Dass die erste Begeisterung schnell verfliegen kann, ist auch in der Bibel ein ernstes Thema. In Hinblick auf mangelnde Nachhaltigkeit von Vorträgen, Ermahnungen, Predigten gibt es nicht umsonst die Redensart, dass etwas zum einen Ohr hinein und zum anderen gleich wieder hinausgeht. Auch ist die Redensart weit verbreitet „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Dass die christliche Botschaft und damit verbundene Wertvorstellungen und Verhaltensweisen sich nicht gleich wieder verflüchtigten, dafür brauchte es beizeiten Strukturen und Personal.
Nicht nur in theologischer Fachliteratur oder frommen Abhandlungen, sondern beispielsweise in historischer Überblicksliteratur deutscher und amerikanischer Sprache wird betont, wie wichtig es für das frühe Christentum war, einen für die damaligen Verhältnisse gut organisierten und einsatzbereiten Klerus zu haben. Bezeichnenderweise versuchte mit dem von 361-363 regierenden Julian Apostata der letzte römische Kaiser, der die alte Position des Heidentums wiederherstellen und das Christentum zurückdrängen wollte (siehe Gedanken zur Woche 28-b und 44-b), gerade die Geistlichkeit des Heidentums nach dem Vorbild des christlichen Klerus besser zu organisieren.
Schon in der ersten, der altestamentlichen, Lesung aus dem Ersten Buch Samuel geht es um besondere Berufung in religiöser Hinsicht. So verwundert es umso weniger, dass die Kaderfrage, die Personalfrage, in der Kirchengeschichte immer wieder eine besondere Herausforderung darstellt. Das Konzil von Trient mit seiner wegweisenden Bedeutung für die Erneuerung der katholischen Kirche befasste sich intensiv mit dem Klerus und dem Ordenswesen. So heißt es in dem knapp formulierten Übersichtswerk dtv-Atlas zur Weltgeschichte, Band I., Seite 239, 16. Auflage, über die Beschlüsse dieses Konzils u.a.: „Reformdekrete über Ausbildung, Kleidung, Pflichten, Zölibat des Klerus“. Ein Aufschwung im Ordenswesen stand in der Kirchengeschichte zugleich für einen Aufschwung des kirchlichen Lebens im Allgemeinen. Der über konfessionelle Grenzen hinweg so geschätzten heiligen Hildegard von Bingen wird die Formulierung zugeschrieben „Alles Gute vom Klerus, alles Schlechte vom Klerus“. So bemühte sie sich um die Erneuerung des Klerus wie die Förderung des Ordenswesens. Dabei scheute sie auch nicht den Konflikt mit Kirchenmännern aus Mainz (siehe insbesondere Gedanken zur Woche 27-b). Erst der Erzbischof und getreue Gefolgsmann des legendären Kaisers Friedrich Barbarossa, Christian von Mainz, konnte diesen Konflikt im Sinne der heiligen Hildegard von Bingen beilegen. Nun ja, gerade mit dem Klerus konnte es schon in früheren Zeiten recht schwierig sein.
1. Lesung: 1 Sam 3,3b-10.19
2. Lesung: 1 Kor 6,13c-15a. 17-20
Evangelium: Joh 1,35-42
Gedanken zur Woche 45-b, Dr. Matthias Martin
2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn vom 18. bis 25. Jänner/Januar 2021 die „Gebetswoche für die Einheit der Christen“ stattfindet, verdeutlicht dies, dass die Christenheit keine einheitliche Größe, sondern vielfach gespalten ist. Dabei sind bereits in den Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes innerchristliche Auseinandersetzungen bis hin zu Spaltungen erkennbar. So führte die Auseinandersetzung zwischen einer an den jüdischen Überlieferungen stärker festhaltenden Richtung und jenen, die wie der Völkerapostel Paulus für eine forcierte Öffnung hin zu den Heiden eintraten, zu Auseinandersetzungen wie der Galaterbrief und das in der Apostelgeschichte berichtete Apostelkonzil, auch genannt Apostelkonvent, bezeugen. Gerade die beiden Korintherbriefe belegen, dass es schon bei diesen ganz frühen Auseinandersetzungen ziemlich heftig zugehen konnte. So ist im 1. Korintherbrief zu lesen:
„(1,11) Es wurde mir nämlich, meine Brüder und Schwestern,
von den Leuten der Chloë berichtet, dass es Streitigkeiten unter euch gibt.
(12) Ich meine damit, dass jeder von euch etwas anderes sagt:
Ich halte zu Paulus – ich zu Apollos – ich zu Kephas – ich zu Christus.
(13) Ist denn Christus zerteilt? Wurde etwa Paulus für euch gekreuzigt?
Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden?“
Innerchristliche Spannungen und Spaltungen werden selbst in so kurzen Schreiben wie dem 2. und dem 3. Johannesbrief sowie dem Judasbrief deutlich. Geht man im Neuen/Zweiten Testament noch weiter zurück, so wird deutlich, dass schon im Kreis der Apostel verschiedene jüdische Richtungen präsent waren. Das Judentum war selber damals wie auch heute alles andere als eine geschlossene Größe (siehe Gedanken zur Woche 40).
Ganz offensichtlich ist es dann schon ganz früh nicht mehr gelungen, alle Gruppen, die sich irgendwie als christlich, als Gefolgsleute Jesu von Nazarets, verstanden in so etwas wie Kirche zu integrieren. Spaltung ist etwas, was sich in Religionen immer wieder ereignet, nicht zuletzt im Christentum.
Umso mehr gilt es, im Kleinen wie im Großen, Einheit, gutes Miteinander, Zusammenarbeit zu fördern. Das beginnt in der eigenen Familie, führt über die örtliche Frauen- oder Jugendgruppe, die Pfarrgemeinde hin zu jeweils größeren bestehenden Einheiten. Dabei ist es schon ein wirklicher Erfolg, weitere Spaltungen unter Christinnen und Christen, weitere Aufsplitterung zu verhindern.
Als die so bedeutende Evangelisch-methodistische Kirche, im Amerikanischen United Methodist Church genannt, sich massiv in Richtung einer internationalen Spaltung bewegte, wies der angesehene amerikanische Nachrichtenkanal CNN im Jänner/Januar 2020 darauf hin, dass es einer Schätzung zufolge bereits weltweit 47.000 verschiedene christliche Denominationen/konfessionelle Gemeinschaften gäbe. Verbunden mit dem Hinweis, dass es sich hierbei nur um eine einzelne Schätzung handle, wurde betont, dass es allein in den Vereinigten Staaten Dutzende voneinander unabhängige methodistische Richtungen gäbe.
Andererseits hat es auch immer wieder Bemühungen gegeben, bestehende Spaltungen zu überwinden und (Wieder-)Vereinigungen zwischen getrennten christlichen Gemeinschaften durchzuführen. Die verschiedenen unierten Kirchen, das Vorhandensein unterschiedlicher Ritusverbände innerhalb der römisch-katholischen Kirche sind das Ergebnis von Einigungsbemühungen. Bezüglich der Priesterbruderschaft St. Pius X. und der mit ihr verbundenen Ordensgemeinschaften und Laienorganisationen bleibt zu betonen, dass schon vor Jahrzehnten der Päpstliche Rat für die Einheit der Christen bestätigte, dass es sich hierbei nicht um eine eigene Kirche oder von der römisch-katholischen Kirche getrennte Gemeinschaft handelt, sondern um eine innerkirchliche Angelegenheit. Dementsprechend wurden und werden Kontakte und die anfallende Zusammenarbeit in diesem Fall nicht über den Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen, sondern über Einrichtungen abgewickelt, die für innerkirchliche Angelegenheiten zuständig sind.
Spaltungen gibt es aber eben auch so schon wahrhaftig viele. Diese sind in den letzten Jahren mehr geworden. Um etwas Übersicht zu fördern, wird manchmal die Christenheit in vier Hauptrichtungen unterteilt:
1. Katholisch
2. Freikirchlich
3. Protestantisch
4. Orthodox
Neben anderen Versuchen eine Grobeinteilung durchzuführen, gibt es auch folgende Sechser-Einteilung:
1. Katholisch
2. Freikirchlich
3. Protestantisch
4. Orthodox
5. Anglikanisch
6. Altorientalisch
Gerade an irgendwie unter „Freikirchen“ zusammengefassten konfessionellen Gemeinschaften gibt es zehntausende voneinander unabhängige. Unter diesen erzielten gerade sogenannte Pfingstkirchen bei all ihren Unterschieden auch untereinander in den letzten Jahrzehnten ein rapides Wachstum. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts gibt es die Einschätzung, dass Lateinamerika auf dem Weg ist, mehrheitlich pfingstkirchlich zu werden („Pentekostalisierung Lateinamerikas“). Auf der anderen Seite erinnere ich mich an ein Gespräch, das ich am Rande der Priesterfortbildung in St. Pölten vor wenigen Jahren mit dem römischen Chef für ökumenische Angelegenheiten, Kardinal Kurt Koch, hatte. Wir stimmten überein, dass man Kopfschmerzen bekommen könne, wenn man eine Übersicht über voneinander getrennte anglikanische Gruppen lesen und sich davon gleich etwas merken solle. Innerhalb von wenigen Jahren ist die Zahl solcher eigenständigen anglikanischen Denominationen von rund 80 auf gut 100 gestiegen. Zum Beispiel wirkte der wichtige Unterstützer Joe Bidens im zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf und frühere Gouverneur von Ohio, John Kasich, mit an der Gründung einer unabhängigen anglikanischen Gemeinschaft.
Gedanken zur Woche 44, Dr. Matthias Martin
TAUFE DES HERRN (2021)
Wenn dieser Tage, am 10. Jänner/Januar, das Fest TAUFE DES HERRN gefeiert wird, so hat dies seinen eigenen besonderen Bezug mit der Pfarrkirche von Stein. Findet sich doch dazu in dieser Kirche ein großes Gemälde des Malers Martin Johann Schmidt, oft genannt Kremser Schmidt. Es ist, wenn man vom Hauptschiff aus herankommt, links vom neugotischen Hauptaltar zu betrachten und ist eines der derzeit drei großer Gemälde des Kremser Schmidt, welche sich in St. Nikolaus befinden. Die beiden anderen sind das Gemälde vom Heiligen Johannes Nepomuk als integraler Bestandteil des intakten barocken Seitenaltars (siehe Gedanken zur Woche 9-b) und über dem neugotischen Seitenaltar nahe dem Haupteingang das Gemälde vom Heiligen Nikolaus als Beschützer der Seefahrer, welches ursprünglich ein Hochaltarbild war. Dieses Gemälde ist auch wiedergegeben auf der Rückseite des Kirchenführers „Stein an der Donau. Stadtpfarrkirche St. Nikolaus Ehem. Frauenbergkirche“ aus dem Jahr 2002.
Die besondere Bedeutung des Taufsakramentes als solches wird dadurch unterstrichen, dass dieses wie sonst nur die Eucharistie in der kirchlichen Überlieferung eines der „sacramenta maiora“ ist, was so viel heißt wie „größeren Sakramente“. Schon das Konzil von (Basel – Ferrara - ) Florenz hielt in seinen Bemühungen einerseits den Bestand kirchlicher Überlieferung zu sichern und andererseits die Einheit unter den Christen zu fördern im Jahre 1439 fest, dass es sieben Sakramente gibt und bei diesen gilt:
„Unter diesen Sakramenten gibt es drei, die Taufe, die Firmung und die Weihe, die der Seele eine unzerstörbare Prägung einprägen, das heißt, ein geistliches Zeichen, das von den übrigen unterscheidet. Daher können sie bei derselben Person nicht wiederholt werden. Die übrigen vier aber prägen keine Prägung ein und lassen eine Wiederholung zu.
Den ersten Platz unter allen Sakramenten hat die heilige Taufe inne, die das Tor zum geistlichen Leben ist: Durch sie werden wir nämlich zu Gliedern Christi und dem Leib der Kirche zugehörig“.
Im CODEX IURIS CONICI, dem CODEX DES KANONISCHEN RECHTS wird u. a. festgehalten:
„Can. 204 - § 1. Gläubige sind jene, die durch die Taufe Christus eingegliedert, zum Volk Gottes gemacht und dadurch auf ihre Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaft geworden sind; sie sind gemäß ihrer je eigenen Stellung zur Ausübung der Sendung berufen, die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat.“
„Can 864 – Fähig zum Empfang der Taufe ist jeder und nur der Mensch, der noch nicht getauft ist.“
In Fortführung der durch Päpste wie den heiligen Papst Stefan I., Kirchenlehrer wie den heiligen Augustinus und Konzilien wie das von Trient (Gedanken zur Woche 13) bestätigt auch der gegenwärtige CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS gerade in Canon 869 § 2, dass die in „einer nichtkatholischen kirchlichen Gemeinschaft“ gespendete Taufe grundsätzlich gültig und nicht zu wiederholen ist. Zur Zeit des erwähnten Papstes Stefan I. (254-257) hat es dagegen gerade bei Christen und ihren Bischöfen in Nordafrika Widerstand gegeben. Die römische Position, auch die in einer getrennten christlichen Konfession gespendete bzw. empfangene Taufe anzuerkennen, hat sich aber auch hier durchgesetzt. Es war dann ihrerseits die ein oder andere von der katholischen Kirche getrennte Gemeinschaft, welche diese Praxis einer Anerkennung der in einer anderen christlichen Konfession gespendeten bzw. empfangenen Taufe nicht mittragen wollte. Das sollte für einige vermeintlich ganz fromme oder diensteifrige Kirchenmitarbeiter in unserer Zeit eine Warnung sein, dass Scharfmacherei und Ausgrenzung, Nichtanerkennung eines in Wirklichkeit anzuerkennenden Sakramentenempfanges nicht der richtige Weg sind. Es ist natürlich ein Problem, das der berühmte Professor und Universitätspräsident Nikolaus Lobkowicz schon in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts thematisierte, dass gerade Priester bei Fragen der Glaubenslehre wie der Moral gerne oft das behaupten, wozu sie Lust haben. Verwirrungen in Pastoral wie in Priesteraus- und –fortbildung mit Behauptungen, wonach Priester- und Bischofsweihen, welche außerhalb der vollen Gemeinschaft mit der offiziellen römisch-katholischen Kirche gespendet seien, keinesfalls anerkannt werden dürften, sind mehr als bedenklich. Dies gilt erst recht, wenn dann noch zu hören ist, dass selbst dem dieser mehr als zweifelhaften und neuartigen Position widersprechende I. Konzil von Nicäa keine Bedeutung mehr zugemessen werden dürfe. Beschlüsse einer Synode von Guastalla im Mittelalter und die Praxis des seligen Papstes Pius IX., Bischöfe und Patriarchen von außerhalb der römisch-katholischen Kirche zur Teilnahme am I. Vatikanischen Konzil einzuladen (Gedanken zur Woche 14-b) dürften entweder unbekannt gewesen sein oder ebenfalls bewusst missachtet worden sein. Dazu ist es ja eine Tatsache, dass bei übertrittswilligen Geistlichen aus so mancher getrennten christlichen Gemeinschaft im Altertum wie später insbesondere aus dem Bereich der getrennten Ostkirchen, genannt Orthodoxe, einschließlich der Altorientalischen Kirchen sowie von den Altkatholiken die Weihen im päpstlichen Rom gerne anerkannt wurden.
Manchmal gab es da eben eine Offenheit in der römisch-katholischen Kirche schon in früheren Jahrhunderten, die immerhin Anknüpfungspunkte für vertrauensvolle Gespräche und Formen der Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Konfessionen bietet.
Wie sich nun die Dinge in so mancher konfessionellen Gemeinschaft in nächster Zukunft entwickeln werden, bleibt abzuwarten. In den letzten Jahren hat es insbesondere wegen Streitigkeiten um die Weihe von Frauen zum kirchlichen Amt und um die Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare und in diese Richtung orientierter Menschen manche neue Spaltung gegeben. Weitere Auseinandersetzungen sind im Laufen, wenn wir etwa auf die anglikanische Welt mit ihren eh schon vorhandenen zahlreichen Spaltungen und die Evangelisch-Methodistische Kirche blicken, im Amerikanischen die United Methodist Church genannt. Wichtig aber ist doch immer, dass versucht wird, das Gemeinsame zu sehen. Das sind nach ganz alter Überlieferung in der römisch-katholischen Kirche die Taufe und gar nicht so selten auch das Weihesakrament.
1. lesung: Jes 42,5a.1-4.6-7 oder Jes 55,1-11
2. Lesung: Apg 10,34-38 oder 1 Joh 5,1-9
Evangelium: Mk 1,7-11
Gedanken zur Woche 44-b, Dr. Matthias Martin
1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)
Wenn die Kirche des Heiligen und Kirchenlehrers Hilarius, gerne genannt Hilarius von Poitiers, gedenkt, so hat dies eine starke Aussagekraft auch und gerade in unserer Zeit. Es geht da nicht um Hantieren mit verstaubten Requisiten wie mancher denken mag, wenn es wie in diesem Fall um einen Heiligen aus dem vierten Jahrhundert geht.
Tatsächlich machen sein Lebensweg und sein Einsatz für den Glauben und die Freiheit der Kirche deutlich, wie sehr Kirche, Glauben auf der einen und Bildung, Wissenschaft, Vernunft auf der anderen Seite unverzichtbar zusammenhängen.
So war der erst im Erwachsenenalter getaufte Bischof auf philosophischer Grundlage, konkret im Sinne des damals so lebendigen Neuplatonismus, erzogen worden. Der heilige Hilarius, auch genannt von Poitiers, wirkte dann wohl einige Zeit im höheren Verwaltungsdienst. Seine umfangreiche Bildung setzte er dann ein, um auf hohem Niveau den Glauben der Kirche darzulegen und in den damaligen Auseinandersetzungen auf der Grundlage des Glaubensbekenntnisses von Nicäa zu verteidigen. Ähnlich manch anderer deutschsprachiger Veröffentlichung in den letzten Jahrzehnten heißt es in Band 5 der zweiten Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche, abgekürzt LThK, im Artikel über ihn:
„H bringt die erste Gesamtdarstellung der Lehre der Schrift über Gott u den Gottessohn, in ständiger Auseinandersetzung mit deren Bestreitern od Verfälschern; er verbindet östliche mit westlicher Theologie; er ist von der Verträglichkeit von Glaube u Vernunft überzeugt . . .“.
Im Rahmen seiner schriftstellerisch-literarischen Tätigkeit betätigte er sich auch als Hymnendichter. Insgesamt hinterließ er ein beachtliches schriftstellerisches Werk, von dem uns über die Stürme der Zeit, man denke nur an die Einfälle nichtchristlicher Völker im Laufe der Jahrhunderte im gallischen, einst weströmischen, Wirkungsgebiet des Heiligen und an die Französische Revolution mit all ihren gerade auch gegen die Kirche gerichteten Verwüstungen, einiges erhalten blieb. Die geistesgeschichtliche Bedeutung des heiligen Hilarius ist so groß, dass er beispielsweise in der philosophiegeschichtlichen Übersicht gegen Ende des von Walter Brugger herausgegebenen „Philosophischen Wörterbuchs“ namentlich berücksichtig wird. Dabei ist er nicht der erste und nicht der letzte Kirchenmann, dem eine solche Ehre zuteilwurde. Dies gilt z. B. für den gleich dem heiligen Hilarius von Poitiers auch bei den Orthodoxen als Heiligen verehrten Anatatolius, manchmal genannt "von Laodicea". Schon in der Antike wurde dieser im dritten Jahrhundert auch als Bischof wirkende Mensch als bedeutender Gelehrter in Mathematik, Physik und Astronomie gewürdigt. Er soll auch eine an der aristotelischen Philosophie orientierte Schule gegründet haben. Seine Fähigkeiten setzte er im dritten Jahrhundert neben anderem für die Berechnung des Osterzyklus ein. Bezeichnenderweise wird schon der Märtyrer Justin aus dem zweiten Jahrhundert mit dem Beinamen „der Philosoph“ bezeichnet (siehe Gedanken zur Woche 6).
Neben seiner wegweisenden Bedeutung für den Zusammenhang von Glauben und Vernunft, Kirche und Bildung, Wissenschaft, besitzt Hilarius von Poitiers auch in sehr handfester, realpolitischer, Hinsicht seine Aussagekraft. Mit seinem Wirken und seinem Erleiden von Verfolgung verdeutlicht er, dass mit der allmählich Hinwendung des sogenannten Konstantins des Großen zum Christentum einschließlich der Abhaltung des ersten Allgemeinen Konzils von Nicäa im Jahre 325 für die Kirche die Schwierigkeiten mit der römischen Staatsmacht und speziell dem Kaisertum nicht aufhöhrten. Namentlich näherte sich Kaiser Konstantin zusehends dem Arianismus an, mit seiner Frontstellung gegen das, was heute gerne katholischer Glauben bzw. katholische Kirche genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 42-b). Richtig ernst wurde es dann unter seinem Sohn und sich im ganzen Reich durchsetzenden Nachfolger Konstantius II. Dieser militante Anhänger des Arianismus nutzte seine Macht, um flächendeckend in Ost und West einschließlich der Kaiserstädte Konstantinopel und Rom gegen die Anhänger des ja vom heiligen Nikolaus von Myra mitgetragenen Glaubensbekenntnisses von Nicäa vorzugehen. Bischöfe, welche nicht bereit waren, die proarianische Politik mitzumachen, wurden insbesondere mit Verbannung bedroht. Einer der Bischöfe, welchen wie Athanasius den Großen und Liberius von Rom dieses Schicksal traf, war tatsächlich Hilarius von Poitiers. Er seinerseits kritisierte scharf den Kaiser, den er in einer seiner Schriften sogar als „Antichrist“ bezeichnete. Besonders heftig und direkt wurde dieser proarianische Kaiser Konstantius II. durch Lucifer von Calaris/Cagliari attackiert, dem führenden Bischof Sardiniens, der als dessen Nationalpatron verehrt wird. Am Ende der Herrschaft des Konstantius II. waren alle bedeutenden Bischofssitze im Römischen Reich in den Händen von Arianern. Mitunter wird dieser „christliche“ Kaiser als der schlimmste Feind für die katholische Kirche angesehen, welcher unter weltlichen Machthabern jemals auftrat. Das von ihm beherrschte Römische Reich war Heimat für fast alle lebenden Christen. Ein Verschwinden katholischen Glaubens dort hätte nach menschlichem Ermessen die Anhänger des Glaubensbekenntnisses von Nicäa zu einem vielleicht nicht mehr überlebensfähigen Randgrüppchen gemacht. Am Ende der Herrschaft von Konstantius II. war der Arianismus im Römischen Reich dermaßen in der öffentlichen Wahrnehmung dominant, dass der nächste Kaiser, Julian Apostata, diesen für die überhaupt dominierende christliche Richtung hielt. Da Julian Apostata, auf Deutsch Julian der Abtrünnige, als Anhänger des Heidentums dieses wieder stärken wollte, beabsichtigte er, die verschiedenen christlichen Richtungen gegeneinander auszuspielen. Deswegen erlaubte er katholisch gebliebenen Bischöfen die Rückkehr aus der Verbannung. Umgehend kollabierte der bisher vom Kaisertum unterstützte Arianismus. Reihenweise erklärten umgefallene Bischöfe wieder ihre Loyalität zum Glaubensbekenntnis von Nicäa, obwohl der offen heidnische Kaiser nur die staatliche Unterstützung des Arianismus beendet hatte und das, was heute gerne die katholische Kirche genannt wird, nicht zu unterstützen beabsichtigte. Mit dem Tod des noch einmal für den Arianismus aktiven Kaisers Valens im Kampf gegen die durch ihn provozierten Goten im Jahre 378 war der Arianismus im Römischen Reich weitgehend erledigt. Aber auch später hatte die katholische Kirche immer wieder ihre liebe Not mit sich „christlich“ oder gar im Besonderen „katholisch“ nennenden Königen und Kaisern. Ein Blick allein in die Geschichte des französischen wie des englischen Königtums macht dies überdeutlich.
Gedanken zur Woche 43, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN (2021)
Wenn am Sonntag, dem 3. Jänner/Januar 2021 nach dem weltweit verwendeten gregorianischen Kalender der erste Sonntag im neuen Kalenderjahr begangen wird, so kann man es als angemessen finden, dass der Beginn des Johannesevangeliums, der berühmte Prolog, als Sonntagsevangelium auf dem Programm steht. Üblicherweise liest man diesen Prolog in einem Stück bzw. hört ihn sich, etwa im Rahmen der Heiligen Messe, in dieser ungekürzten Weise an. Die gegenwärtig im kirchlichen Bereich offiziell gebotene Möglichkeit, einige Verse zu überspringen, wird von vielen Menschen als unglücklich angesehen, um das Mindeste zu sagen.
Ähnliches haben wir in der jetzt bei uns üblichen Leseordnung mehrere Male, nämlich dass eine Lesung und/oder das Evangelium zur Heiligen Messe nicht einen durchgehenden Text aus einem Buch der Bibel enthält, sondern das Ganze mehr oder minder Auslassungen aufweist und zusammengestückelt ist. Das macht auch die Vorbereitung für die Predigt oder eine Ansprache im Gottesdienst etwas komplizierter, muss man doch genau hinschauen, ob der betreffende Vers oder Halbvers anhand des Lektionars vorgetragen werden oder übersprungen werden soll. Wenn sich der betreffende Verantwortliche anhand eines Bibelexemplares oder etwa eines Werkes wie der NEUEN ECHTER BIBEL zu Hause vorbereitet, kann es zu Schwierigkeiten bis wirklichen Irritationen kommen. Rasch wird dann vielleicht übersehen, dass dieser oder jener (Halb-)Vers gar nicht laut jetzt verwendetem Lektionar vorzulesen ist oder umgekehrt, dass man ihn bei der Vorbereitung zu Unrecht außer Acht gelassen haben könnte.
Gerade bei dem so wichtigen Prolog des Johannesevangeliums verdient sicher jeder Vers und auch jeder Halbvers aufmerksame Beachtung. Dieser Prolog bietet so etwas wie einen gedankenreichen Überblick über die inhaltliche Ausrichtung eben des Johannesevangeliums, das er einleitet. In der frühen Geschichte des Christentums besaß dieser Prolog eine zentrale Bedeutung in den theologischen Diskussionen, gerade wenn es um das Verhältnis von Erster und Zweiter göttlicher Person ging oder, wie gerne gesagt wird, von Gott-Vater und Gott-Sohn. Damit ging und geht es letztlich um die Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Das Erste Allgemeine Konzil von Nicäa im Jahre 325 hat dazu das Glaubensbekenntnis verabschiedet, welche auf dem Zweiten Allgemeinen Konzil in Konstantinopel im Jahre 381 mit Blick auf den Heiligen Geist, die Dritte göttliche Person, ergänzt wurde. Damit entstand das Nicäno-Konstantinopolitanum, dessen Namen verschieden geschrieben werden kann und das auch Großes Glaubensbekenntnis genannt wird. Im deutschen Sprachraum in Europa wird an Sonn- und Feiertagen meist die kürzere Form, genannt Apostolisches Glaubensbekenntnis gebetet. Auf beide Formen von Glaubensbekenntnis wird im KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN KIRCHE/KKK in je eigenen Unterabschnitten hingewiesen. Im Deutschen Messbuch finden wir beide abgedruckt in deutscher Sprache, das Große Glaubensbekenntnis dazu auch in lateinischer Sprache und im Kompendium des KKK beide sowohl in deutscher wie in lateinischer Sprache. Im neuen Gebet- und Gesangbuch GOTTESLOB ist das Apostolische Glaubensbekenntnis zumindest auf Deutsch, das Große Glaubensbekenntnis sowohl auf Deutsch wie auf Latein abgedruckt.
In den letzten Jahren hat sich tatsächlich eine stärkere Wiederbelebung des Interesses am Lateinischen auch innerhalb kirchlicher Kreise abgezeichnet. Entgegen allerlei Gerüchten oder Legendenbildungen ist Latein als Liturgiesprache nie abgeschafft worden. Das Messbuch von 1969, auch genannt „Missale Pauls VI.“, liegt in lateinischer Sprache vor und dies bildet die Grundlage für die Übersetzungen in die verschiedenen Sprache wie Deutsch bzw. betreffende Bearbeitungen. Ich selber habe zum Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, auch genannt Fest der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria, im Jahre 1988 mit Studienkollegen aus Innsbruck an einer Heiligen Messe in Rom teilgenommen, welche unter Leitung von Papst Johannes Paul II. auf Latein gefeiert wurde. Es war auch unter diesem Papst, dass offiziell festgestellt wurde, dass die alte Liturgie oder Tridentinische Messe, mit den verschiedenen Weisen sie zu benennen, als solches nie in der katholischen Weltkirche abgeschafft wurde. Für England und Wales etwa hatte noch Papst Paul VI. das Agatha-Christie-Indult gewährt. Eine Reihe gerade auch nichtkatholischer Künstler und Intellektuelle und sogar zwei anglikanische Bischöfe hatten den damaligen Papst gebeten, die traditionelle lateinische Form der Heiligen Messe weiterhin zu erlauben. Es wurde argumentiert, dass diese Liturgie einen unschätzbaren kulturellen Wert besäße. Die vielleicht berühmteste Mitunterzeichnerin des Schreibens war Agatha Christi. Vielen ist sicher auch der großartige jüdische Musiker Yehudi Menuhin bekannt. Mancher wichtige Theologe ließ sich das Recht garantieren, die Heilige Messe in der alten, traditionellen lateinischen oder auch tridentinisch genannten Form weiter zelebrieren zu dürfen. Dies taten z.B. der Gründer der Personalprälatur Opus Dei, Josemaría Escrivá, wie der wichtige Theologieprofessor und spätere päpstliche Protonotar Georg May. Mitunter wurden in Teilen der Weltkirche, etwa in Kanada, Personalpfarrgemeinden für die Freunde der alten Liturgie errichtet. 1984 erließ Papst Johannes Paul II. einen betreffenden Indult für die Weltkirche und 1988 forderte er die Diözesanbischöfe auf, den Wünschen betreffender Gläubiger nicht im Wege zu stehen. 2007 hat im Motu Proprio SUMMORUM PONTIFICUM Papst Benedikt XVI. jedem Priester das Recht bestätigt, in dieser liturgischen Form die Heilige Messe zu feiern. Dieses päpstliche Schreiben ist auf dem Internetauftritt des Vatikans auch in deutscher Sprache nachzulesen. Es enthält kultur- und speziell liturgiegeschichtliche Hinweise, welche zu einer vertieften Beschäftigung anregen könnten.
Im mehr außerkirchlichen Bereich haben romanische Sprachen, welche besonders eng mit dem Lateinischen verbunden sind, in den letzten Jahren mitunter einen beachtlichen Aufschwung erzielt. Weltweit dürften mehr Menschen Spanisch als Muttersprache sprechen, als das eh sehr ausdifferenzierte Englisch mit seinen unterschiedlichen Varianten. Für Galicisch und Katalonisch fand die Europäische Union eine Regelung. Auf innerstaatlicher Ebene (gerade innerhalb Teilen Spaniens) gewann Okzitanisch an Bedeutung.
1. Lesung: Sir 24,1-2.8-12
2. Lesung: Eph 1,3-6.15-18
Evangelium: Joh 1,1-18 (oder 1,1-5.9-14)
Gedanken zur Woche 43-b, Dr. Matthias Martin
TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2021)
Am 6. Jänner/Januar jeden Jahres feiert die Kirche ein Hochfest oder Fest I. Klasse, dessen Bezeichnung mitunter für einige Menschen unklar zu sein scheint. Umso mehr empfiehlt es sich, dazu einmal in die liturgischen Bücher und ähnlichen Druckwerke zu blicken. In dem bei uns zumeist verwendeten Deutschen Messbuch wird dieses Hochfest ERSCHEINUNG DES HERRN genannt. Vergleichbar verhält es sich mit dem von Papst Johannes XXIII. gewürdigten Volksschott von 1961. Dort heißt es zu diesem Tag im liturgischen Jahreskreis lateinisch „In Epiphania Domini“ und auf Deutsch eingeklammert „Fest der Erscheinung des Herrn“. Im Direktorium der Diözese St. Pölten ist dieser Tag überschrieben mit „ERSCHEINUNG DES HERRN“. Diese Bezeichnung findet sich auch im Schott-Messbuch von Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts sowohl für das Lesejahr A, das Lesejahr B wie das Lesejahr C. Hier wird in den Vorbemerkungen zu den jeweiligen liturgischen Texten darauf hingewiesen, dass dieses Hochfest auch kurz „Epiphania“ genannt wird. Der im kirchlichen Bereich offensichtlich übliche Namen “ERSCHEINUNG DES HERRN“ für diesen Festtag begegnet uns auch im Band für Advent und Weihnachtszeit des von den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier und Zürich herausgegebenen Kleinen Stundenbuchs. Auch in dem in diesem liturgischen Jahr zu verwendenden offiziellen Lektionar „Band II. Die Sonntage und Festtage im Lesejahr B“ für die Bistümer des deutschen Sprachraums finden wir wieder die Bezeichnung „ERSCHEINUNG DES HERRN“. Dabei wurde dieses Lektionar ähnlich etwa der kleinen Ausgabe des Deutschen Messbuch herausgegeben von der Deutschen, der damaligen Berliner, der Österreichischen und der Schweizer Bischofskonferenz und dazu den (Erz-)Bischöfen bzw. (Erz-)Diözesen von Bozen-Brixen, Luxemburg, Lüttich, Metz und Strassburg bevor die Bestätigung im Vatikan erfolgte. Dieselbe Wortwahl für die Bezeichnung dieses Festtages begegnet uns auch in Büchern für Fürbitten.
Die offiziellen liturgischen Bücher besitzen ihre eigene Aussagekraft und Verbindlichkeit. So heißt es bestärkend im jetzigen CODEX IURIS CONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS:
„Canon 2 – Der Codex legt zumeist die Riten nicht fest, die bei der Feier liturgischer Handlungen zu beachten sind; deshalb behalten die bislang geltenden liturgischen Gesetze ihre Geltung, soweit nicht eines von diesen den Canones des Codex zuwiderläuft.“
Nirgends begegnet uns dabei eine Bezeichnung wie „Heilige 3 Könige“ oder „Fest von den heiligen drei Königen“. So eine Bezeichnung mag sich zwar hier und da gewisser Beliebtheit erfreuen, ist aber nicht in den liturgischen Büchern der katholischen Kirche in Gebrauch.
In diese Richtung weist uns auch der biblische Text wenn wir in das Matthäusevangelium blicken. Dort heißt es laut der neuen Einheitsübersetzung:
„(2,1) Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Bethlehem in Judäa geboren wurde, siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten . . . (7) Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. . . . (13) Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, . . . (16) Als Herodes merkte, dass ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, . . . genau der Zeit entsprechend, die er von den Sterndeutern erfahren hatte.“
Es ist also bezüglich der Besucher aus dem Osten nicht von Königen oder gar heiligen Königen die Rede! Der einzige König, der aufscheint, ist der berüchtigte Herodes, der auch nicht vor der Hinrichtung engster Familienangehöriger zurückschreckte. Die Bezeichnung „Sterndeuter“ wird auch in der 4. Auflage von 2005 des betreffenden Bandes der NEUEN ECHTER BIBEL verwendet. Auch hier ist wieder der einzige König der schon erwähnte Herodes. Gleiches gilt für die bis vor kurzem verwendete ältere Ausgabe der Einheitsübersetzung. Auf dieselbe Wortwahl stoßen wir in dem Werk „Neue Konkordanz zur Einheitsübersetzung der Bibel“ von 1996. „Sterndeuter“ kommen aus dem Osten und begegnen als einzigem „König“ dem Herodes im oben schon erwähnten offiziellen Lektionar und im Schott-Messbuch. In der Deutschen Version des Evangeliumstextes nach Matthäus im älteren Volksschott ist die Rede von „Weisen“, die aus dem Morgenland kamen. Genau diese „Weisen“ habe König Herodes heimlich zu sich kommen lassen. Auch hier ist wieder die einzige als „König“ erwähnte Person Herodes! In der 9. Auflage von 1983 der „Synopse der drei ersten Evangelien“ von Josef Schmid, sind es „Magier aus dem Morgenland“, welche als König dem Herodes begegnen. Tatsächlich wird für diese Menschen, welche dem König (βασιλέως) Herodes begegnen, im griechischen Originaltext des Matthäusevangeliums das Wort μάγοι, verwendet. Solche „Magier“ genannten Personen beschäftigten sich nicht zuletzt mit der Beobachtung der Sterne, betrieben eine Sternenkunde. Bereits in den frühen Jahrhunderten des Christentums beschäftigten sich dann kirchliche Menschen mit Astronomie, nicht zuletzt um jeweils den Osterfesttermin berechnen zu können.
Entgegen mancher volkstümlicher Redensarten waren es also keine Könige aus dem Osten, welche sich auf den Weg nach Bethlehem machten und als Menschen guten Willens dargestellt, der Heiligen Familie Geschenke machten. Der einzige wirkliche König war Herodes. Es war ja auch kein Königspalast, sondern ein Stall, in dem Jesus zur Welt kam. In Abgrenzung zu Königen wird Jesus bezüglich dem von ihm so gewürdigten Johannes den Täufer im Lukasevangelium mit den Worten zitiert:
„(7,25) Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Siehe, Leute, die sich prächtig kleiden und üppig leben, findet man in den Palästen der Könige.“
Die Warnung vor den damals Mächtigen im Neuen/Zweiten Testament ist durchaus ein interessantes Thema.
Umso wichtiger sind heutzutage Aktivitäten wie die jährliche Sternsingeraktion. Hier wird nicht Propaganda etwa für irdische Könige gemacht, sondern auf Menschen hingewiesen, denen es nicht gut geht und für diese wird gesammelt. Damit verwirklicht sich ganz grundlegendes christliches Gedankengut. Ausgehend vom Alten/Ersten Testament wird ja immer wieder ausgesprochen, dass man bedürftigen Mitmenschen helfen soll. Denken wir da nur zum Beispiel an die Bücher Jesus Sirach und Tobit im Alten/Ersten Testament, den Jakobusbrief, das Matthäusevangelium und den Ersten Johannesbrief im Neuen/Zweiten Testament. Solche Hinweise ließen sich sich natürlich fortsetzen. So bemühen sich Menschen guten Willens auch in der jetzigen schwierigen Zeit, Hilfe für bedürftige Mitmenschen sicherzustellen. Die Sternsingeraktion fügt sich hervorragend in dieses gute größere Ganze ein.
Gedanken zur Woche 42, Dr. Matthias Martin
SONNTAG DER WEIHNACHTSOKTAV und FEST DER HEILIGEN FAMILIE (2020)
Wenn man in der bei uns üblichen liturgischen Ordnung am Sonntag nach dem Hochfest von Weihnachten das „Fest der Heiligen Familie“ begeht, so weist uns dies auf etwas ganz Wesentliches im menschlichen Leben im Allgemeinen und im katholischen Verständnis und Wirken im Besonderen hin.
Die Heilige Familie stellt ein Vorbild dar, das ermutigen soll und dem es im guten Sinne nachzueifern gilt. So lautet es im Tagesgebet des Deutschen Messbuches für dieses Fest:
„Herr, unser Gott,
in der Heiligen Familie
hast du uns ein leuchtendes Vorbild geschenkt.
Gib unseren Familien die Gnade,
dass auch sie in Frömmigkeit und Eintracht leben
und einander in der Liebe verbunden bleiben . . .“.
Bildende Kunst und geschriebene bzw. gedruckte Texte weisen uns auf die Heilige Familie hin. Unterstützt wird dies durch musikalische Werke. Dabei ist natürlich nicht zuletzt in Hinblick auf die Heilige Familie vor jeder missverständlichen Wortwahl zu warnen, wie ja z.B. auch beim Rosenkranzgebet sprachliche Verdrehungen zu vermeiden sind (siehe Gedanken zur Woche 23-b).
Generell ist der Mensch von Natur aus ein in Gemeinschaft lebendes Wesen, ein zoon politikon, wie es im Altgriechischen und von dort her überlieferten Philosophie heißt. Der Mensch ist nicht dazu da, gewissermaßen in einer Vereinzelung dahinzuvegetieren. In der Bibel heißt es bereits ganz vorne im Zweiten Kapitel des Buches Genesis: „(18) Dann sprach Gott der Herr: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm ebenbürtig ist“. Man muss hier beachten, dass es „ebenbürtig“ heißt, und nicht „unter ihm stehend“, „weniger wert als er“ oder vielleicht „ihm unterworfen“. Nein, es heißt in der neuen Form der Einheitsübersetzung „ebenbürtig“, in der älteren Ausgabe der Einheitsübersetzung „die ihm entspricht“. Wenig später wird dieser Gedanke der Gleichwertigkeit fortgeführt, wenn es mit Blick auf die Frau heißt:
„(2,23) Und der Mensch sprach:
Das ist endlich Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.
Frau soll sie genannt werden; denn vom Mann ist sie genommen.
(24) Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an
und sie werden ein Fleisch sein.“
Im Hebräischen, der Originalsprache dieses Teils der Bibel, sind die Worte für „Frau“ und „Mann“ fast völlig gleich, im Deutschen lässt sich das nicht direkt wiedergeben. Der Sinn aber sollte klar sein. Auf diese Stelle wurde im Matthäusevangelium Bezug genommen, als es darum ging, die schlechte Behandlung einer Ehefrau durch den Ehemann zurückzuweisen.
Die Ehe bildet die Grundlage für die Familie. Die Familie ist ihrerseits nach katholischer Überlieferung die Keimzelle von Staat und Kirche. Im Lateinischen wird sie auch Ecclesiola genannt, was so viel bedeutet wie „Kirche im Kleinen“ oder „Kirchlein“.
Dementsprechend hat die Kirche über Jahrhundert Ehe und Familie eine unverzichtbare Bedeutung zugemessen. Dabei wurde durch Konzilien wie Päpste die Gleichberechtigung beider Ehepartner immer wieder betont - einschließlich, dass eine gültige Eheschließung nur durch den freien Willen beider zustande kommt. Das bedeutet leider nicht, dass über die Jahrhunderte hin stets sämtliche Geistlichen und anderen Kirchenmitarbeiter die Grundposition von der Freiwilligkeit für die Gültigkeit einer Eheschließung wie die von der Gleichrangigkeit beider Eheleute konsequent vertreten hätten. Sehen wir die Auseinandersetzung mit dem berüchtigten Heinrich VIII. von England oder mit so manchem französischen Herrscher bis hin zu Napoleon I., so ist rasch zu erkennen, dass gar mancher Kirchenmann bestrebt war, es sich zu fein zu richten, anstelle sich unter persönlichen Opfern bis vielleicht ins Martyrium hinein dem jeweiligen Gewaltherrscher zu widersetzen. Ausgehend von der Bibel war die Lehre der Kirche aber klar: Ehe und Familie sind unverzichtbar und im Verhältnis zueinander sind die Eheleute gleichrangig, keine und keiner darf etwa zur Eheschließung gezwungen werden.
Im Kirchenrecht wird eigens Ehe bis Familie sehr weiter Raum gewidmet. Im jetzigen CODEX IURIS CONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS werden mit den Canones 1055 bis 1165 der Ehe weit mehr Canones gewidmet als jedem anderen Sakrament. In den Canones 1063 bis 1072 allein geht es dabei um „Hirtensorge und Vorbereitung zur Eheschließung“. Umso erschütternder ist die Pflichtvergessenheit von manchen Kirchenmitarbeitern einschließlich Geistlichen, die offensichtlich gerade in Zeiten wie diesen immer wieder zu Tage tritt. Dabei wird auch in der Fachliteratur der Ehe umfangreich Aufmerksamkeit geschenkt. In der dritten Auflage des von Stephan Haering, Wilhelm Rees und Heribert Schmitz herausgegebenen „Handbuch des katholischen Kirchenrechts“ geht es auf den Seiten 1243 bis 1432 um das Sakrament der Ehe. Das ist auch hier weit mehr als bezüglich jedem anderen der sieben Sakramente. Ähnlich verhält es sich auch in „Katholisches Kirchenrecht“ von Ludger Müller und Christoph Ohly. In diesem Studienbuch wird immerhin auf den Seiten 185 bis 211 das Sakrament der Ehe behandelt.
Zur zentralen Bedeutung von Ehe und Familie in und für die Kirche lautet Canon 226 § 1:
„Die im Ehestand leben, haben gemäß ihrer eigenen Berufung die besondere Pflicht, durch Ehe und Familie am Aufbau des Volkes Gottes mitzuwirken.“
Nach Canon 768 § 2 haben die Verkündiger des Wortes Gottes eigens die Aufgabe, sich im richtigen Sinne „über die Einheit und Festigkeit der Familie und deren Aufgaben“ zu äußern. In Canon 528 § 2 und Canon 529 § 1 wird die Sorge der Pfarrer für die Familien eingeschärft. Dazu kommt dann eben der ausgedehnte Bereich der Canones 1055-1165 zur Ehe im Besonderen.
1. Lesung: Gen 15,1-6; 21,1-3
2. Lesung: Kol 3,21-21 oder Hebr 11,8.11-12.17-19
Evangelium: Lk 2,22-40 (oder 2,22.39-40)
Gedanken zur Woche 42-b, Dr. Matthias Martin
TAGE DER WEIHNACHTSOKTAV einschließlich HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG (2020-2021)
Am Ende eines jeden Kalenderjahres führen Menschen den Namen eines Heiligen im Munde, ja versichern gerade im deutschen Sprachraum, wenn man ihr Reden wörtlich nimmt, sie wollten diesen Heiligen feiern. Dabei wissen offensichtlich die meisten nicht, dass es sich bei „Silvester“ als gängige Bezeichnung für den Jahresschluss am 31. Dezember schlicht und ergreifend um den Namen des Tagesheiligen handelt! Tatsächlich ist der 31. Dezember der Gedenktag des heiligen Papstes Silvester I.! In der Regel ist dieser Umstand Menschen, die erklären, sie wollten zum Jahresschluss „Silvester“ feiern, völlig unbekannt.
Das ist so ähnlich wie mit dem gregorianischen Kalender. Wenigen ist wohl bewusst, dass dieser auf den von 1572 bis 1585 amtierenden Papst Gregor XIII. zurückgeht (siehe hierzu Gedanken zur Woche 25-b). Ebenso wenig bekannt ist offensichtlich, dass es sich bei Nikolaus Kopernikus, nach welchem die „kopernikanische Wende“ benannt ist, um einen von 1473 bis 1543 lebenden katholischen Geistlichen handelt. Dieser hatte sich nicht nur mit Theologie beschäftigt, sondern auch Rechtswissenschaften, Medizin und eben gerade auch Mathematik und Astronomie studiert. Wandte er sich privat gerade der Astronomie zu, so stand er zeitlebens treu zur katholischen Kirche. Während man dort bis zum Papsttum hin aufgeschlossen auf seine Ergebnisse reagierte, wurde er von nichtkatholischer Seite mitunter heftig attackiert, ja über den Tod hinaus befehdet. Genauso lehnten stramme Gegner der katholischen Kirche den gregorianischen Kalender ab, war er doch das Produkt des von ihnen als „Antichrist“ beschimpften Papstes, eben Gregors XIII.
Mit seiner Amtszeit von 314 bis 335 überschnitt sich seinerseits die Amtszeit des als Heiligen verehrten Papstes Silvester I. mit dem weltgeschichtlich so bedeutsamen Wirken jenes römischen Kaisers Konstantin, der oft „der Große“ genannt wird. Dieser hatte sich im Jahre 312 durch den Sieg an der Milvischen Brücke vor den Toren Roms die Herrschaft im Westen des Römischen Reiches gesichert. Bereits im Jahre 313 kam es zwischen Konstantin und seinem damaligen Verbündeten, dem Kaiser im Osten des Römischen Reiches, Licinius zur Mailänder Vereinbarung. Dieses wird manchmal auch Mailänder Edikt genannt, obwohl diese Bezeichnung rechtsgeschichtlich umstritten ist. Darin wurde den Christen die freie Ausübung ihrer Religion zugesichert, nachdem es kurz vorher noch, ausgehend insbesondere von der Politik Kaiser Diocletians, zu heftigen Verfolgungen gekommen war, mit ungezählten Märtyrern, darunter einigen sehr prominenten. Gab es im Osten noch Ansätze erneuter Verfolgungen, bis sich 324 Konstantin auch dort die Herrschaft und damit die Alleinherrschaft im Römischen Reich gesichert hatte, so konnte im Jahre 325 im westkleinasiatischen Nicäa das erste Allgemeine Konzil zusammentreten. Das Christentum war damit aber entgegen mancherlei Mythenbildung noch lange nicht Staatsreligion, schon gar nicht jene Richtung des Christentums, welche sich zu dem auf dem Konzil von Nicäa verabschiedeten Glaubensbekenntnis bekannte. Dort ging es an erster Stelle um die Auseinandersetzung mit der Theologie des in Alexandrien wirkenden Priesters Arius. An diesem Konzil nahm auf Seiten des gegen Arius verabschiedeten Glaubensbekenntnisses Bischof Nikolaus von Myra, der spätere Pfarrpatron von Stein an der Donau, teil.
Der amerikanische Universitätsprofessor Paul Freedman von der Universität Yale sieht die gar nicht so glatte Hinwendung Kaiser Konstantins zum Christentum als den Beginn der Christianisierung des Römischen Imperiums. Entgegen so mancher Legende hat sich Konstantin der Große weder unmittelbar nach dem so wichtigen Sieg an der Milvischen Brücke noch in den unmittelbar darauffolgenden Jahren taufen lassen, sondern erst auf seinem Sterbebett im Jahre 337. Die Taufe empfing er auch nicht durch einen katholischen, sondern einen arianischen Geistlichen im Rang eines Bischofs. Mitunter wird dieser als Hofbischof bezeichnet. In der Auseinandersetzung mit dem keinen wissenschaftlichen Anspruch erhebenden Romanwerk „Sakrileg“ bzw. „Da Vinci Code“ von Dan Brown wurde darauf gerade von katholischer Seite hingewiesen. Aber nicht nur von Katholiken wird in diese Richtung gewiesen. Auch beispielsweise Paul Freedman betonte, dass der Kaiser Konstantin taufende Geistliche Arianer war. Das Verhältnis Kaiser Konstantins zur katholischen Kirche war insgesamt nicht einfach. So wurde unter ihm zum ersten Mal der für das Glaubensbekenntnis von Nicäa und seine Verteidigung so wichtige Kirchenvater Athanasius der Große verbannt. Die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion auf der Grundlage des Glaubensbekenntnisses von Nicäa und damit in der heute oft „katholisch“ genannten Form geschah erst unter Kaiser Theodosius dem Großen, der von 379 bis 395 regierte, zuerst über den Osten und schließlich über das Ganze des Römischen Reiches.
Konstantin der Große ging seinerseits nicht zuletzt durch energische Maßnahmen zur Reichsreform in die Geschichte ein. Nachdem das System Kaiser Diocletians mit verschiedenen miteinander regierenden Kaisern gescheitert war, unterteilte Konstantin das Römische Reich in vier Präfekturen. Die Zahl der Provinzen wurde im Rahmen des Versuchs, die Verwaltung zu stärken, erhöht, ebenso die Zahl der Reichsdiözesen, zu denen diese Provinzen zusammengefasst waren. Konsequent trennte Konstantin militärische Befehlsgewalt und zivile Verwaltungszuständigkeit und berief als militärische Spitzenmänner zwei Heermeister. Das frühere Byzanz baute er unter dem neuen Namen Konstantinopel zur neuen Reichshauptstadt aus. Dort, im heute türkischen Istanbul, schuf er neben dem weiter existierenden Senat in Rom einen zweiten Senat. Dieses Konstantinopel erhielt wie Rom auch einen Stadtpräfekten. Der Senat in Rom und der dortige Stadtpräfekt konnten in der weiteren Geschichte durchaus noch eine bemerkenswerte Bedeutung haben, während Konstantin der Große energisch bemüht war, das ganze Römische Reich ungeteilt im Griff zu haben. Hierbei wurde er vom Kronrat, der Hofkanzlei und den verschiedenen Hofbeamten unterstützt. Erfolgreich war er gerade mit seiner Währungsreform und vergrößerte auch das römische Heer.
Förderte Konstantin der Große zusehends das Christentum, so unterstützte er auch Silvester I. in Rom. Dieser erhielt örtliche Schenkungen. Dies geschah etwa in Hinblick auf den Lateran, wo sich noch heute die offiziell erste Kirche der katholischen Weltkirche befindet. Konstantin der Große ließ nicht zuletzt die erste Kirche von Sankt Peter erbauen. Dem heiligen Papst Silvester I. gelang es wohl, gerade die örtliche Kirche in Rom durch diese Zeiten zu steuern. Ihm kam zugute, dass eine Reihe engagierte Menschen in und für die Gesamtkirche wirkten, gerade eben auch der heilige Athanasius, genannt „der Große“.
Gedanken zur Woche 41, Dr. Matthias Martin
4. ADVENTSONNTAG (2020)
In der bei uns üblichen Leseordnung wird in diesem Jahr für den Vierten Adventssonntag als Tagesevangeliums ein Stück geboten, welches auch die bildende Kunst bis hin zu Filmproduktionen angeregt, allgemein kulturell interessierte Menschen beschäftigt hat. Es ist dies die Verkündigungsszene.
Der (Erz-)Engel Gabriel wird darin von Gott nach Nazaret zu Maria gesandt und es entwickelt sich zwischen beiden ein höchst bemerkenswerter Dialog. Mancher sieht in diesem Vorgang die eigentliche Geburtsstunde des Christentums und den Start, die Grundlage für das, was uns im Anschluss im Neuen/Zeiten Testament berichtet wird. Das mit der Verkündigung verbundene Hochfest sei, so diese Interpretation, überhaupt das wichtigste christliche Fest. Wurde dieses Hochfest, dieses Fest I. Klasse, früher gerne „Mariä Verkündigung“ genannt, so wird heutzutage meist die Bezeichnung „Verkündigung des Herrn“ verwendet, so auch im Deutschen Messbuch.
Ein genauerer Blick auf diese Verkündigungsszene im Lukasevangelium ist auf jeden Fall angesagt. Maria nimmt ja eine ganz wichtige Rolle im christlichen Glauben, in der christlichen Gesamtüberlieferung ein. So sind drei Hochfeste ganz ausdrücklich in der nachkonziliaren Ordnung auf Maria bezogen:
1. Hochfest der Gottesmutter Maria: Dieses wird gleich zu Beginn des Kalenderjahres am 1. Januar/Jänner gefeiert.
2. Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August. Missverständnisse in Hinblick auf dieses Hochfest sollten tunlichst vermieden und eine exakte Wortwahl gepflegt werden, wie in „Gedanken zur Woche 23-b“ schon deutlich gemacht wurde.
3. Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria oder auch Fest der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria. Gerade auch hier ist wieder vor Verwirrungen zu warnen, worauf eigens in “Gedanken zur Woche 39-b“ hingewiesen wurde.
Hinzukommen eine ganze Reihe weiterer Feste beziehungsweise Gedenktage, so etwa das Fest von der Heimsuchung Mariens und das Fest von der Geburt Mariens, das Fest von Maria Königin/Unbeflecktes Herz der allerseligsten Jungfrau Maria, vom Gedächtnis der (Sieben) Schmerzen Mariens, von Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz, Unsere Liebe Frau in Jerusalem / Mariä Opferung und andere. Mit dem deutschen Sprachraum ist eigens das Fest bzw. der Gedenktag Mariä Namen verbunden. Im kulturellen Leben nimmt Maria einen gewaltigen Platz ein, so in der Literatur, der Musik, der bildenden Kunst bis hin zum Filmwesen und der Benennung von Gebäuden. Tragen zahlreiche Ordensgemeinschaften Maria in ihrem Namen, so ist die Verehrung Mariens keineswegs auf die katholische Kirche beschränkt. Gerade bei Orthodoxen und in den altorientalischen Kirchen ist diese stark ausgeprägt. Von dort ist sogar mitunter die Besorgnis zu vernehmen, die katholische Kirche vernachlässige wohl die Marienverehrung. Darüber hinaus stößt man auf mitunter sehr stark gepflegte Marienverehrung in weiteren christlichen Gemeinschaften bis hin zu Gruppierungen, die am Rande des Christentums stehen. Bei den anderen Religionen hält gerade der Islam Maria in hohen Ehren und dies beginnt schon direkt im Koran. Muslime können ausgesprochen empört reagieren, wenn sich jemand respektlos über Maria äußert.
Immer wieder wird dabei die Vorbildfunktion Mariens für richtiges Verhalten, ihre moralische Wegweiserfunktion deutlich. Umso mehr lohnt sich ein Blick auf das Verhalten Mariens in der Verkündigungsszene. Da heißt es, sie „überlegte“. Sie hat also ihren Verstand eingeschaltet, ließ Vernunft walten. Im Weiteren fragt sie den (Erz-)Engel "(Lk 1,34) . . . Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Sie sucht nach einer einsichtigen Erklärung. Sie hat also nicht gleich zu allem „Ja und Amen“ gesagt.
So hat die Kirche stets die Pflege der Vernunft angemahnt, ist für Bildung, ein positives Verhältnis von Glauben und Vernunft eingetreten. Das heißt natürlich leider nicht, dass sich alle Geistlichen wie andere KirchenmitarbeiterInnen hierzu wie auch sonst jeweils richtig verhalten hätten. Das Fehlverhalten von Kirchenleuten ist immer wieder „ein weites Feld“, was gerade dieser Tage wieder schmerzlich deutlich wurde.
Immerhin befasste sich das V. Laterankonzil neben anderem mit der richtigen Interpretation aristotelischer Philosophie. Beim Konzil von Trient ebenfalls im 16. Jahrhundert war die Ausbildung der Geistlichen ein ganz wichtiger Programmpunkt. Mit dem Konzil von Trient verbunden ist ein eigener Aufschwung des Bildungswesens und des kulturellen Lebens. Man spricht hier manchmal eigens vom Tridentinischen Katholizismus. Das I. Vatikanische Konzil betonte, dass die Kirche die Wissenschaften und die Künste fördere. Die Meinung, nur der Glaube habe zu zählen, wurde ausdrücklich verurteilt. Auf diesem Konzil äußerte man sich in einem dogmatisch bis fundamentaltheologischen Sinn zugunsten eines positiven Verhältnisses von Glauben und Vernunft. Bildung, die Pflege der Verstandesgaben, war auch auf seine Weise für das II. Vatikanische Konzil angesagt. So wurden dort mit „Gravissimum educationis“ eine eigene Erklärung über die christliche Erziehung und mit „Optatam totius“ ein eigens Dekret über die Priesterausbildung verabschiedet. Bildung, Pflege von Verstandesgaben, taucht auch in weiteren Beschlüssen auf.
Bildung, Kenntnisvermittlung liegt auch im Blickfeld des CODEX IURIS CANONICI, des CODEX DES KANONISCHEN RECHTS. So heißt es dort anspruchsvoll:
„Can. 248 – Die zu vermittelnde wissenschaftliche Ausbildung zielt darauf, dass die Alumnen, zusammen mit der allgemeinen, den Erfordernissen des Ortes und der Zeit entsprechenden Kultur eine umfassende und tiefe Kenntnis in den theologischen Disziplinen erwerben, sodass sie in dem dadurch gefestigten und von daher genährten eigenen Glauben die Lehre des Evangeliums den Menschen angemessen und auf eine deren Anlagen entsprechenden Weise zu verkündigen vermögen.“
Auch recht spezielle Vorgaben finden sich, so etwa in Canon 234 § 2, wo von geistes- und naturwissenschaftlicher Bildung für junge Leute die Rede ist, „die sich mit dem Gedanken tragen, auf das Priestertum zuzugehen“.
1. Lesung: 2 Sam 7,1-5.8b-12-14a.16
2. Lesung: Röm 16,25-27
Evangelium: Lk 1,26-38
Gedanken zur Woche 41-b, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von WEIHNACHTEN (2020)
Das Hochfest von Weihnachten stellt immer eine pastorale wie liturgische Herausforderung dar. Ich erinnere mich an die Zeit als Ministrant in jener unterfränkischen Kleinstadt, in welcher ich meine Kindheit und Jugend verbrachte. Wie sonst nur für die Feier der Osternacht war für die Feier der Christmette intensives Proben angesagt, gab es einigen Stress, der erst gegen Ende der Christmette nachließ.
Heutzutage stellt Weihnachten erst recht eine Herausforderung dar. Wie zu anderen Elementen christlicher Überlieferung haben sehr viele Menschen keinen bis gar keinen authentischen Bezug mehr zu diesem Hochfest. Bei der Wiedereinweihung des Domes der Wachau nach der großen Renovierung meinte der damalige Diözesanbischof von St. Pölten, Klaus Küng, in seiner Predigt, dass die einstige Volkskirche aufgehört hat zu bestehen. In seinem als Buch „Zur Lage des Glaubens“ herausgebrachten langen Interview mit dem italienischen Journalisten Vittorio Messori hatte der damalige Kardinal Joseph Ratzinger im Jahre 1984 bereits die Entwicklung für die Kirche seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts als sehr negativ eingestuft. Aber schon in den 70er Jahren waren in Büchern und Artikeln von anderen Menschen in diese Richtung gehende Feststellungen getroffen und Warnungen gemacht worden. Für Leser und Leserinnen deutscher Muttersprache mag hier „Wohin steuert der Vatikan?“ von Reinhard Raffalt besonders interessant sein. Auch der Lebensbericht des großen deutschen Kirchenghistorikers Hubert Jedin verdient Beachtung. Dramaturgisch wurden die problematischen Entwicklungen in der Kirche und die damit verbundene Zerrüttung von Volkskirche bemerkenswert oder gar erschütternd in dem Film „Don Camillo e i giovani d’oggi“, auf Deutsch „Don Camillo und die Jugend von heute“ oder „Don Camillo und das rothaarige Mädchen“ ins Bild gesetzt. Der auf Don Camillo von der Diözesanleitung angesetzte rabiate Mitbruder Don Francesco erinnert an einen sowjetischen Politkommissar. Mancher unserer Zeitgenossen äußerte sich zu dieser Gestalt noch heftiger. Umso deutlicher wird der grundlegende Konflikt zwischen beiden Geistlichen in diesem bemerkenswerten Spielfilm. Mag dieser Film auf der einen Seite zum Nachdenken und Nachforschen und auf der anderen Seite zum Schmunzeln, ja Lachen, anregen, so waren die Jahrzehnte seit den 60er Jahren alles andere als günstig für die Kirche. Die mitunter katastrophale Entwicklung bei den Ordensgemeinschaften wurde in „Gedanken zur Woche 20-b“ angeschnitten. Es ist nicht zuletzt Papst Franziskus, welcher die Probleme immer wieder offen anspricht, auch in Hinblick auf die Bundesrepublik als dem größten deutschsprachigen Staatsverband.
Die Krise des kirchlichen Lebens wird auch anhand von Weihnachten, des Hochfestes des Geburt Christi deutlich. So erschien zu Weihnachten 2002 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Beitrag unter der sarkastischen Überschrift „Weihnachten als Todestag des Weihnachtsmannes“. Es wurde festgehalten: „Immerhin jedes dritte Kind (39 Prozent) weiß nicht, warum Weihnachten gefeiert wird.“ Wenn eines der Kinder meinte es zu wissen, konnte die versuchte Erklärung skurril sein. Zu Weihnachten 2018 berichtete Der Tagesspiegel, dass17 Millionen Menschen in der Bundesrepublik grundsätzlich kein Weihnachten feiern. Auch von anderer Seite wird man in Richtung eines starken Rückgangs jeder Art von Weihnachtskultur gewiesen. Wiederholt ergaben Umfragen, dass die Gründe, in Familie oder Freundeskreis überhaupt irgendwie Weihnachten zu feiern, meist nicht primär religiöser Natur sind. Schon 2011 antwortete bei einer Studie nur noch rund jeder Zweite (53 Prozent), dass es sich bei Weihnachten überhaupt um einen christlichen Festtag handelt. Dabei ist zu bedenken, dass seit 2011 der Zerfall (einst) volkskirchlicher Strukturen rapide weiter ging. Die Kirchenbesuche gingen nochmals drastisch zurück und Kirchenaustritte erreichten neue Rekordwerte.
Umso größer ist die Herausforderung, den christlichen Sinn, das zugrunde liegende Motiv, den Entstehungsgrund von Weihnachten den Menschen wieder stärker nahezubringen. Zumindest in der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein und bei Menschen, die mit ihr in Beziehung stehen, gibt es dazu wirklich ermutigende Hinweise. Menschen haben in der jetzt so angespannten Situation immer wieder darauf gedrungen, das Gottesdienstangebot so weit als irgend möglich aufrecht zu erhalten oder gar ausbauen. Als wir dann seitens der Pfarrgemeinde die Gottesdienstzeiten mit einer zusätzlichen Christmette vorstellten, gab es nur positive Reaktionen. Geschäftsleute wie Privatpersonen waren wie schon bei früheren Gelegenheiten gerne bereit, Plakate der Pfarrgemeinde aufzuhängen bzw. auszulegen. Mehr als einmal bekam ich von Menschen zu hören, sie wollten in all den gegenwärtigen Bedrängnissen nicht auch noch die Weihnachts-gottesdienste verlieren. Diese abzusagen wäre ein schlimmer Schlag. Ermutigend ist auch die Produktion von „Adventkonzert: Auf nach Bethlehem“ durch die VOLKSKULTUR NIEDERÖSTERREICH in unserer Pfarrkirche, welches man auf YouTube abrufen kann. Inzwischen erhielt ich positive Rückmeldungen auch schon aus den USA und der Bundesrepublik. Sehr gelungen ist zugleich die Broschüre „Advent daheim – Lieder & Bräuche“ mit im guten Sinne traditionellen Liedern zur Advent- und Weihnachtszeit wie auch wertvollen Erläuterungen sowie dem Weihnachtsevangelium nach Lukas. Gerade Weihnachtslieder haben eine enorme kulturelle Bedeutung entwickelt. „Stille Nacht“ wurde ja auch „Das ewige Lied“ genannt, während „Oh Tannenbaum“ sogar die Melodie für die Hymne mehr als eines Bundesstaates der USA lieferte.
Die enorme Bedeutung des Weihnachtsfestes möge umso mehr wieder stärker Menschen bewusst werden. Es ist dies natürlich zuallererst das Ereignis der Geburt Jesu und die damit verbundene religiöse Botschaft. Davon nicht zu trennen ist schon rein menschlich betrachtet aber auch die vielfältige kulturelle Bedeutung. Das Liedgut von Weihnachten bietet der Menschheit gewissermaßen Klassiker der volkstümlichen Musik. Bereits im ersten Semester meines Geschichtsstudiums in Innsbruck wies einer meiner Dozenten auf Weihnachtskrippen als Beispiel für Inkulturation hin. Umso weniger überraschend war dann, dass ich später in Kunstgeschichte Weihnachtskrippen und den Bemühungen um ihre Erhaltung begegnete wie auch während meiner Tätigkeit als Pastoralassistent in Axams. Genauso verdienen die zahlreichen Weihnachtsgeschichten und –erzählungen bis hin etwa zu Weihnachtschallplatten Beachtung und Pflege. Eine Produktion wie „Adventkonzert: Auf nach Bethlehem“ ist da mit der erwähnten Broschüre ein sehr guter Beitrag.
Am Heiligen Abend:
1. Lesung: Jes 62,1-5
2. Lesung: Apg 13,16-17.22-25
Evangelium: Mt 1,1-25 (oder 1,18-25)
1. Weihnachtsfeiertag in der Nacht:
1. Lesung: Jes 9,1-6
2. Lesung: Tit 2,11-14
Evangelium: Lk 2,15-20
1. Weihnachtsfeiertag am Morgen:
1. Lesung: Jes 62,11-12
2. Lesung: Tit 3,4-7
Evangelium: Lk 2,15-20
1. Weihnachtsfeiertag am Tag:
1. Lesung: Jes 52,7-10
2. Lesung: Hebr 1,1-6
Evangelium: Joh 1,1-18 (oder 1,1-5.9-14)
Gedanken zur Woche 40, Dr. Matthias Martin
3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2020)
Der dritte Sonntag der Adventszeit sticht gleich in mehr als einer Hinsicht heraus. So hat er einen eigenen lateinischen Namen, der GAUDETE lautet. Dieser Namen für den dritten Adventsonntag kommt vom lateinischen Wort für „sich freuen“. Es ist wohl eines der berühmtesten Studentenlieder, wo es heißt: „Gaudeamus igitur, iuvenus dum sumus!“, was so viel bedeutet wie „Freuen wir uns also, solange wir sind“. Die kulturelle Überlieferung von Studentenverbindungen und der dort geleistete Einsatz verdient umso mehr Beachtung und Wertschätzung, da die katholischen Verbindungen und die Kirche auf vielfältige Weise miteinander verbunden sind. Die Päpste haben schon in verbindungsgeschichtlich früher Zeit, im 19. Jahrhundert, begonnen, katholische Studentenverbindungen zu würdigen und die Mitgliedschaft in ihnen ausdrücklich zu unterstützen. Es war dann mit dem von 1939 bis 1958 amtierenden Pius XII., dass erstmals ein offizielles Mitglied einer Verbindung im Cartellverband der Studentenverbindungen CV zum Papst gewählt wurde. Papst Pius XII. hat sich bis zu seinem Tod zu seiner CV-Mitgliedschaft bekannt und war noch kurz vor seinem Tod hocherfreut, einige seiner sogenannten Cartellbrüder treffen zu können. Mit Joseph Kardinal Ratzinger bzw. Benedikt XVI. wurde dann jemand zum Papst gewählt, der vorher selber an der Gründung einer CV-Verbindung mitgewirkt hat. Mit der KAV Capitolina gibt es eine eigene CV-Verbindung in Rom, die mit lateinischem Wahlspruch über einen deutschsprachigen Auftritt im Internet verfügt.
Der eigene Namen GAUDETE ist nicht die einzige Besonderheit, welche den dritten Sonntags im Advent auszeichnet. So ist er einer von lediglich zwei Sonntagen im Jahr, an welchem der Priester ein rosafarbiges Messgewand tragen kann. Der andere Sonntag im Jahreskreis, für den dies zutrifft, ist der vierte Fastensonntag. Dieser trägt den lateinischen Namen LAETARE, was von einem weiteren Wort im Lateinischen für „sich freuen“ herkommt. Steht ein rosafarbiges Messgewand nicht zur Verfügung, so kann ein violettes genommen werden. Junge Leute verwenden anstelle des Wortes rosa mitunter den Begriff pink und anstellte des Wortes violett gerne den Begriff lila. Dies gilt es ein bisschen zu beachten, um in Pfarrgemeinden wie im Religionsunterricht unnötige Missverständnisse zu vermeiden.
Dann verdient es Beachtung, dass nach der bei uns jetzt üblichen Leseordnung das Evangelium für den dritten Sonntag im Advent, eben GAUDETE, in diesem Jahr mit Versen aus dem berühmten Prolog des Johannesevangeliums beginnt. Dieser Prolog ist jeweils am Ende der heiligen Messe als Schlussevangelium vorzulesen, wenn die Messe im Tridentinischen, auch genannt Alten Lateinischen, Ritus gefeiert wird. In der Geschichte des christlichen Glaubens und der christlichen Theologie besitzt dieser Prolog des Johannesevangeliums überragende Bedeutung. Das zeigte sich bei den Diskussionen um das Verhältnis von Gott-Vater und Gott-Sohn zueinander, der Frage nach der Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, wie dann in den Auseinandersetzungen um das christliche Schöpfungsverständnis. Der Prolog ist eigens sehr wichtig für die Bestimmung des Verhältnisses von Jesus von Nazaret(h) und Johannes dem Täufer. Dieses Verhältnis zu bestimmen macht einen ganz erheblichen Unterschied zwischen Christentum und Mandäertum bzw. den Mandäern aus, welche mitunter etwas irreführend auch „Johanneschristen“ genannt wurden, ohne eine christliche Konfession zu sein. Mit der Herausstellung der einzigartigen Stellung Jesu weist der Prolog in dieselbe Richtung wie andere Stellen des Neuen/Zweiten Testamentes, etwa das Bekenntnis des Petrus im 16. Kapitel des Matthäusevangeliums:
„(16) Simon Petrus antwortete und sprach:
Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!"
In der Apostelgeschichte wird Petrus mit den Worten zitiert:
„(4,9) Wenn wir heute wegen einer guten Tat an einem kranken Menschen
darüber vernommen werden, durch wen er geheilt worden ist,
(10) so sollt ihr und das ganze Volk Israel wissen:
im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt
und den Gott von den Toten auferweckt hat.
Durch ihn steht dieser Mann gesund vor euch.
(17) Dieser Jesus ist der Stein, der von euch Bauleuten verworfen wurde,
der aber zum Eckstein geworden ist.
(12) Und in keinem anderen ist das Heil zu finden.
Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben,
durch den wir gerettet werden sollen.“
Dann bekommen wir schon in diesen Versen im ersten Kapitel des Johannesevangeliums einen Hinweis, dass das Judentum bereits in neutestamentlicher Zeit keine einheitliche Größe war, sondern sich in nicht wenige Strömungen, Gruppen und Untergruppen aufteilte. Diese bekämpften sich mitunter erbittert. So traten die Zeloten für den bewaffneten Widerstand gegen die römische Besatzung ein, während die Sadduzäer ausgemachte Kollaborateure waren. Zwischen Strömungen der Pharisäer gab es ihrerseits Unterschiede, ganz erhebliche etwa wegen Unterschieden in Hinblick auf Ehe und Scheidung. Dazu kamen so etwas wie Randgruppen und Rivalitäten bis Kämpfe zwischen verschiedenen zelotischen Fraktionen. Blickt man ins heutige Israel und in von diesem kontrollierte Gebiete wie in andere Länder, so findet sich auch hier ein Bild innerjüdischer Auseinandersetzungen und Aufspaltungen. Da gibt es zum Beispiel nicht wenige Juden, die für ein größeres Entgegenkommen gegenüber den Palästinensern eintreten bis hin zu solchen, welche den Staat Israel aus religiösen Gründen überhaupt ablehnen. Unterschiedliche politische Orientierungen und handfeste Stellungnahmen konnte man erst jetzt wieder bei Juden in den USA im Vorfeld der Präsidentenwahlen und bei der COVID-19-Problematik feststellen. Uneinigkeit sehen wir ja auch bei den viel zahlreicheren Christen. Gibt es da nun 20.000, 34.000 oder 47.000 eigenständige konfessionelle Gemeinschaften?
1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-11
2. Lesung: 1 Thess 5,16-24
Evangelium: Joh 1,6-8.19-28
Gedanken zur Woche 40-b, Dr. Matthias Martin
3. ADVENTWOCHE (2020)
Beim Weg auf Weihnachten hin begegnet uns in weiten Teilen der Weltkirche der Gedenktag des heiligen Johannes von Kreuz. Wie schon in „Gedanken zur Woche 31-b“ kurz angesprochen, ist dieser Heilige der loyale Mitarbeiter der heiligen T(h)eresia von Avila bei der Reform, der Erneuerung des karmelitischen Ordenslebens. Aus diesen mutigen und beharrlichen Bemühungen entstanden die Unbeschuhten Karmeliten, der Ordo Carmelitarum Discalceatorum. Beide Heilige sind als Verfasser bedeutender theologischer Schriften in die Geschichte eingegangen. Beide besitzen über den theologisch-spirituellen Bereich hinaus große literatur- und sprachgeschichtliche Bedeutung.
In dem üblichen Deutschen Messbuch ist über den heiligen Johannes vom Kreuz nachzulesen: „Er gehört zu den Klassikern der spanischen Literatur und Mystik“. Wie die heilige T(h)eresia von Avila ist auch Johannes von Kreuz als Kirchenlehrer anerkannt. Es war der selber als Verfasser bedeutender Enzykliken gewürdigte Papst Pius XI., welcher ihn wenige Jahre nach seiner Wahl zum Papst offiziell zum Kirchenlehrer erhob. Besitzen T(h)eresia von Avila und Johannes vom Kreuz große Bedeutung für die Entwicklung spanischer Literatur und Sprache, so darf das nicht in einem einseitigen Sinne missverstanden werden. So war es genau der erwähnte Papst Pius XI., welcher noch im Spanischen Bürgerkrieg mit seiner Römischen Kurie einen ausgesprochen freundlichen Standpunkt gegenüber dem Volk der Basken und seinem Streben nach Eigenständigkeit einnahm. Es ist mir selber mehr als einmal passiert, dass man sich auf probaskischer Seite auf Papst Pius XI. berief. Dies ging bis hin zur Auffassung, dieser Kritiker totalitärer Diktaturen habe eigentlich überhaupt schon die Unabhängigkeit des Baskenlandes anerkannt, auch wenn es mit deren Umsetzung in der politischen Realität noch hapere. Später haben sich Päpste wie der heute noch so beliebte Papst Johannes XXIII. und auch Paul VI. für die Basken eingesetzt. Papst Pius XII. führte im Interesse der Basken eine Veränderung der Diözesaneinteilung im südlichen Baskenland einschließlich der heutigen Autonomieregion Navarra durch. Die Basken im nördlichen Bereich, welche unter französischer Herrschaft zu leben haben, galten ebenfalls schon vor langer Zeit als besonders kirchentreu. Umso mehr ist es würdig und recht, dass das Baskische wie das Katalanische und das Galicische längst vom spanischen Staat und inzwischen auch von der Europäischen Union anerkannt sind. Übrigens gibt es einen Staat, der Vollmitglied der Vereinten Nationen, des Europarates und anderer international Organisationen ist, dessen einzige offizielle Sprache Katalanisch ist: Andorra!
Für die katholische Kirche ist natürlich das vielfältige Ordenswesen, für das sich der heilige Johannes vom Kreuz auf seine Weise einsetzte, von enormer Bedeutung. Man sieht es daran, dass nicht nur das II. Vatikanische Konzil mit „Perfectae caritatis“ ein Dekret über das Ordenswesen, die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens verabschiedete, sondern den Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften auch ein beachtlicher Teil des derzeitigen CODEX IURIS CANONICI, des CODEX DES KANONISCHEN RECHTS gewidmet ist. So betreffen die Canones 573 bis 746 die „Institute des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens“ im Rahmen von Teil III des Buches II dieses Codex. Berücksichtigt werden dabei ausdrücklich auch die sogenannten Säkularinstitute. Bezüglich der Orden werden in jeweils eigenen Canones Themenebereiche angesprochen wie das Vorhandensein von Ordensniederlassungen, ihre Errichtung und Aufhebung, die Leitung solcher Institute in der Kirche samt vermögensrechtliche Fragen. Ganze zwanzig Canones behandeln die Zulassung von Kandidaten für das Ordensleben und die Ausbildung von Ordensleuten. In zehn Canones wird immerhin versucht, die Pflichten und Rechte von Ordensinstituten und ihrer Mitglieder zu regeln. Mit zehn anschließenden Canones wird auf die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder von Orden, ihr Apostolat, und ihre Einbindung in das Ganze der Kirche eingegangen. Auch das Ausscheiden von Mitgliedern wird behandelt, samt speziellere Fragen, wie dass Ordensangehörige ins Bischofsamt berufen werden und dass Konferenzen von höheren Ordensoberen gebildet und aktiv sein können. Zwanzig Canones widmen dann sich den schon erwähnten Säkularinstituten. Im ersten dieser Canones heißt es grundsätzlich:
„Can. 710. Ein Säkularinstitut ist ein Institut des geweihten Lebens, in welchem in der Welt lebende Gläubige nach Vollkommenheit der Liebe streben und sich bemühen, zur Heiligung der Welt, vor allem von innen her, beizutragen.“
Recht idealistisch heißt es zu Beginn des großen Abschnitts über die Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften:
„Can. 573 - § 1. Das durch die Profess der evangelische Räte geweihte Leben besteht in einer auf Dauer angelegten Lebensweise, in der Gläubige unter Leitung des Heiligen Geistes in besonders enger Nachfolge Christi sich Gott, dem Höchstgeleibten, gänzlich hingeben und zu seiner Verherrlichung wie auch zur Auferbauung der Kirche und zum Heil der Welt eine neue und besondere Bindung eingehen, um im Dienste am Reich Gottes zur vollkommenen Liebe zu gelangen, ein strahlendes Zeichen in der Kirche geworden, die himmlische Herrlichkeit anzukündigen.“
Die Ausdifferenzierung in dem, was generalisierend gerne Ordensleben genannt wird, wird im Anschluss zumindest angedeutet, wiederum im Sinne einer idealisierenden Formulierung:
„Ca. 573 - § 2. Diese Lebensweise in von der zuständigen Autorität der Kirche kanonisch errichteten Instituten des geweihten Lebens übernehmen Gläubige in freier Entscheidung, die nach den eigenen Satzungen der Institute durch Gelübde oder andere heilige Bindungen sich zu den evangelischen Räten der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams bekennen und durch die Liebe, zu der diese Räte sie hinführen, sich in besonderer Weise mit der Kirche und deren Heilswerk verbinden.“
Wie im 16. Jahrhundert wache Zeitgenossen eine Krise des Ordenslebens feststellten und Persönlichkeiten wie der heilige Johannes vom Kreuz und die heilige T(h)eresa von Avila aktiv wurden, so wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder eine aktuelle Krise, ja ein sich mitunter abspielender Absturz, im Ordensleben festgestellt. Papst Franziskus fand hier deutliche Worte wie auch sein Vorgänger Benedikt XVI. Papst Franziskus war auch bereit, bei schweren Fehlverhalten Maßnahmen selbst gegen Ordensgründer und Ordenschefs zu ergreifen. Er bemüht sich, kirchenrechtlich die Zügel anzuziehen. Vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus mit einer persönlichen Anordnung Canon 579 verschärft, nachdem schon 2016 gewisse in diese Richtung gehende Ausführungsbestimmungen erlassen worden waren. Jetzt lautet Canon 579 durch Anordnung von Papst Franziskus vom 1. November 2020, nachzulesen auf Deutsch auf dem Internetauftritt des Vatikans und in der offiziellen Zeitung des Vatikans L´OSSERVATORE ROMANO:
„Die Diözesanbischöfe können nach vorheriger schriftlicher Genehmigung des Apostolischen Stuhls in ihrem Gebiet durch förmliches Dekret Institute des geweihten Lebens gültig errichten.“
Gedanken zur Woche 39, Dr. Matthias Martin
2. ADVENTSONNTAG (2020)
Was in der Einführung zu einer umfangreicheren Schrift zu lesen ist, bietet oft einen Hinweis auf den Inhalt des ganzen Werkes. Umso mehr Beachtung verdient, was die bei uns übliche Leseordnung für diesen Sonntag als Evangeliumstext zu bieten hat. Es handelt sich hierbei zum einen um den Beginn des Markusevangeliums und zum anderen ist dieser Sonntag der erste Adventsonntag, damit nicht nur der erste Sonntag in der vorweihnachtlichen Zeit der Buße und Besinnung, sondern überhaupt der erste Sonntag im neuen Kirchenjahr. Wir können also gleich in doppelter, manche und mancher mag sagen dreifacher, Hinsicht, eine grundlegende Richtungsweisung erwarten. Tatsächlich lauten die ersten Worte selbstbewusst „(1,1) Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, Gottes Sohn.“ Anschließend wird gleich ausdrücklich aus dem Prophetenbuch Jesaja zitiert. Damit wird sehr massiv auf das Alte Testament, das Erste Testament, der Bibel hingewiesen. Bemerkenswert, dass das Buch Jesaja überhaupt das längste Buch der ganzen Bibel mit ihren beiden Testamenten ist. Dieser Hinweis wird fortgeführt und vertieft. Es wird bildhaft auf Johannes den Täufer hingewiesen. Dieser wird an anderer Stelle des Neuen/Zweiten Testamentes gewürdigt, mehr als ein Prophet zu sein und es wird ein starker Bezug eigens auf das Alte/Erste Testament genommen, offensichtlich mit Blick auf das Buch Exodus, also einem der fünf Bücher Mose, wie auf das Prophetenbuch Maleachi, einem Werk aus dem Zwölfprophetenbuch, auch genannt die „Kleinen Propheten“. Anschließend wird dort im Matthäusevangelium Johannes der Täufer (Mt 11,11) als größter je von einer Frau Geborener gepriesen.
Damit ist schon beim Beginn des Markusevangeliums und somit des diesjährigen Evangeliums für den Ersten Adventssonntag wie mitten im Matthäusevangelium ein ganz starker Hinweis auf die Gesamtheit der Bibel von Altem und Neuem Testament, anders gesagt, Erstem und Zweiten Testament, geboten. Dieser Hinweis wird noch deutlicher, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass in der christlichen Überlieferung Johannes der Täufer auch der „Prophet zwischen den Testamenten“ genannt wird. Die besondere Stellung Johannes des Täufers fand ihren Niederschlag ebenso in der bildenden Kunst. Auch wurde und wird über ihn geäußert, dass er mit seinem Wirken in der Tradition des alttestamentlichen Prophetentums stand.
Die Leserin, der Leser mag sich erinnern, dass bereits in „Gedanken zur Woche 15-b“ und „Gedanken zur Woche 24-b“ mit je eigener Akzentsetzung erwähnt wird, dass sich Johannes der Täufer in verschiedenen Religionen einer starken Verehrung erfreut. Da sind zum einen Christentum und Islam, aber eben auch Judentum und Mandäertum zu nennen. Umso mehr mögen wir uns die mahnenden Worte Johannes des Täufers, wie sie in der Bibel überliefert sind, gerade in der Vorbereitungszeit auf Weihnachten zu Herzen nehmen.
Dieser Beginn des Markusevangeliums weißt damit auch augenfällige Parallelen zum Beginn des Johannesevangeliums auf, dem berühmten Prolog. Auch hier wird zum einen ausdrücklich auf das Alte/Erste Testament hingewiesen. Zum anderen wird gleichfalls im Prolog des Johannesevangeliums Johannes der Täufer als großer Zeuge der Wahrheit und Wegbereiter Jesus Christi vorgestellt. In der früher üblichen Form der Messliturgie, der Tridentinischen oder Alten Lateinischen Messe, werden die vierzehn ersten Verse des Johannesevangeliums und damit der größte Teil des Prologs jeweils am Ende der Heiligen Messe als Schlussevangelium vorgelesen.
Es wird deutlich, wie sehr die Gesamtheit der Bibel in Ehren gehalten werden soll, mit den verschiedenen Einzelschriften des Alten/Ersten und des Neuen/Zweiten Testaments. Die Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum“ äußert sich in diesem Sinne und bezieht sich seinerseits auf das Erste Vatikanische Konzil und das Konzil von Trient wie andere Bereiche der kirchlichen Überlieferung. In der dogmatischen Konstitution des Ersten Vatikanischen Konzils über den katholischen Glauben „Die Filius“ heißt es mit Bezugnahme auf das Konzil von Trient im 16. Jahrhundert:
„Und zwar sind diese Bücher des Alten und Neuen Testamentes vollständig mit all ihren Teilen, wie sie im Dekret desselben Konzils aufgezählt werden und in der alten lateinischen Vulgata-Ausgabe enthalten sind, als heilig und kanonisch anzunehmen.“
In diesem Sinne hatte sich auch schon das Konzil von (Basel – Ferrara - ) Florenz im 15. Jahrhundert geäußert, um die längst festgeschriebene Überlieferung zu verdeutlichen. Nach dem Ersten Vatikanischen Konzil war es Papst Leo XIII., welcher in der Enzyklika „Caritatis Studium“ bis ins Altertum hinein auf frühere Päpste und Konzilien samt dem Kirchenvater Augustinus zurückverwies in Hinblick auf die Verteidigung der unversehrten Gesamtheit der Bibel. Die Kirche sei gerade dazu berufen, diese Gesamtheit der Bibel zu verteidigen und die Bibel den Menschen zu erklären. Bemerkenswert, wie vor dem Hintergrund der für Schottland so ungünstigen machtpolitischen Gegebenheiten Leo XIII. mutig meinte, dass die schottische Nation in ihrer Gesamtheit großes Lob verdiene wegen der von ihr stets gezeigten Verehrung und Liebe für die Heilige Schrift. Danach haben Nachfolger Leos XIII. eigene Enzykliken über die Bibel verfasst. Dies taten z.B. der als Friedenspapst bekannte Benedikt XV. und Pius XII.
Das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“ forderte ein intensives Studium der Heiligen Schrift, welche die Seele der ganzen Theologie sein müsse. Auf dieser Linie liegend heißt es im jetzigen CODEX IURIS CANONICI, dem CODEX DES KANONISCHEN RECHTS, zur Priesterausbildung:
„Can. 252 - § 2. In der Heiligen Schrift sind die Alumnen mit besonderer Sorgfalt zu unterrichten, sodass sie einen Überblick über die ganze Heilige Schrift erlangen.“
Bei der im Canon 253 § 2 enthaltenen Aufzählung der zu lehrenden theologischen Disziplinen steht „Heilige Schrift“ an der ersten Stelle! Letztgenannte Festlegungen sind umso wichtiger, da sie analog für alle Theologiestudierenden gelten.
Die Adventzeit mag darüber hinaus von allen zur Beschäftigung mit der Bibel genutzt werden.
1. Lesung: Jes 40,1-5,9-11
2. Lesung: 2 Petr 3,8-14
Evangelium: Mk 1,1-8
Gedanken zur Woche 39-b, Dr. Matthias Martin
2. ADVENTWOCHE einschließlich HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN (2020)
Jedes Jahr feiert die Kirche am 8. Dezember ein Hochfest, ein Fest I. Klasse, das mitunter bei all seiner Bedeutung Anlass für Missverständnisse gibt. Es ist dies, wie es in dem bei uns üblichen Deutschen Messbuch genannt wird, das „Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“ oder wie es in dem durch Papst Johannes XXIII. gewürdigten Volksschott heißt das „Fest der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria“.
Oft wird dieses Hochfest mit der Lehre von Jungfräulichkeit Mariens bei der Empfängnis Jesu in einen Topf geworfen. Zu dieser heißt es aber im KATECHISMUS DER KATHOLISCHEN KIRCHE Abschnitt 496 eigens:
„Schon in den ersten Formulierungen des Glaubens hat die Kirche bekannt, dass Jesus einzig durch die Kraft des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria empfangen wurde. Auch der leibliche Aspekt dieses Geschehens wurde mitausgesagt.“
Dabei wird in diesem offiziellen Katechismus auf eine ganze Reihe frühchristlicher Dokumente hingewiesen. Auf die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens wird akzentuiert schon vorher eingegangen. Dabei wird auf das Dogma hingewiesen, welches der selige Papst Pius IX. nach intensiver Vorbereitung und Unterstützung aus der Weltkirche am 8. Dezember 1854 verkündete. Darin heißt es nach einer eigenen theologischen Hinführung:
„Zur Ehre der heiligen und unteilbaren Dreifaltigkeit, zur Zierde und Auszeichnung der Jungfrau und Gottesgebärerin, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und zum Wachstum der christlichen Religion,
kraft der Autorität unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus
und unserer
erklären, verkünden und definieren Wir,
dass die Lehre,
welche festhält, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer
Empfängnis durch die einzigartige Gnade und Bevorzugung des allmächtigen
Gottes im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des
Menschengeschlechtes, von jeglichem Makel der Urschuld unversehrt bewahrt
wurde,
von Gott geoffenbart und deshalb von allen Gläubigen fest und beständig zu glauben ist.“
In der im deutschsprachigen Teil der belgischen Konföderation mit ihren weitgehend autonomen Regionen und Gemeinschaften erscheinenden Zeitung Grenz-Echo wurde 2004 ein sehr lesenswerter Beitrag überschrieben „Das missverstandene Dogma wird 150 Jahre alt“. Dazu wurde festgehalten: „Darüber, was das Dogma beinhaltet, gibt es bis heute immer wieder Missverständnisse, weil der Name zu der irrigen Annahme verleitet, es gehe darin um die Empfängnis Jesu vom Heiligen Geist. Gegenstand des Dogmas vom 8. Dezember 1854 ist aber nicht das geheimnisvolle Ereignis, das zur Geburt Jesu führte, sondern die gesamte irdische Existenz seiner Mutter Maria.“ Eigens wird Wert darauf gelegt, dass das Dogma von 1854 keineswegs einfach die Privatmeinung eines Papstes darstellte, sondern über starken Rückhalt in der Volksfrömmigkeit wie in der theologischen Überlieferung verfügt. U. a. betont der Verfasser des Beitrages:
„Diese Meinung übernahm nach und nach auch das päpstliche Lehramt. Sixtus IV. (1471 – 1484) führte das Fest der Immaculata für die gesamte katholische Kirche ein, das Konzil von Trient (1545 – 1565) verkündete, die Aussagen der Erbsündenlehre beträfen Maria nicht. Mit der Verkündigung des Dogmas von 1854 vollendete Pius IX. diesen Klärungsprozess.“
Längst war die Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens ein großes Anliegen für Ordensgemeinschaften bis hin zur Wahl von deren eigenen Namen geworden, waren Kirchen und Altäre längst der Unbefleckten Empfängnis gewidmet worden, hatte die betreffende theologische Position ihren Niederschlag in der Kunst gefunden.
Schon im Mittelalter hatten sich zahlreiche Theologen im betreffenden Sinne ausgesprochen. Besonders wichtig war hier sicher der große Philosoph und Theologe Duns Scotus/Johannes Duns Scotus. Wegen seiner feinsinnigen, wohldurchdachten Gedankengänge und Argumente erhielt er den Ehrennamen „Doctor Subtilis“. Der Deutschlandfunk würdigte diesen so wichtigen Vertreter nicht zuletzt der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis Mariens 2008 als einen „Startheologen“ „mit eine[r] enorme[n] Wirkung bis in die heutige Zeit“. Immer wieder wird sein Einfluss auf spätere Philosophen und dabei auch auf Vertreter der deutschen Aufklärung gewürdigt.
Dabei war dieser hochgeistige Marienverehrer jemand, der Rückgrat zeigte und sich Gewaltherrschern widersetzte. So wurde er aus der Universitätsstadt Paris vertrieben, weil er sich konsequent gegen die Kampagne des berüchtigten französischen Königs Philipp des Schönen gegen Papst Bonifaz VIII. stellte. Jahrhunderte später war es dann der oft als Retter Wiens bezeichnete selige Papst Innozenz XI., der einen heftigen Konflikt mit dem französischen Königtum durchzustehen hatte. Dabei stellen diese Zusammenstöße nur so etwas Spitzen des Eisberges fortwährender Probleme der Kirche mit dem französischen Königtum dar. Der große Theologe Duns Scotus hat da den Weg in Richtung kirchlicher Selbstbehauptung gewiesen. Er war es auch, der große Bedeutung für die Formulierung und Umsetzung der Erklärung von Arbroath gewann. In dieser erklärten führende Vertreter der Schottischen Nation, gerade katholische Geistliche, dass ein König Diener seines Volkes zu sein habe und seine Amtsführung der Zustimmung eben dieses Volkes bedürfe. Ein ungerechter oder unfähiger Herrscher dürfe dementsprechend abgesetzt werden. Die wackeren schottischen Landsleute und Gesinnungsfreunde des seligen Duns Scotus, des hochgerühmten Doctor Subtilis meinten rund fünf Jahrhunderte vor der Amerikanischen Unabhängigkeits-erklärung, sie hätten konsequenterweise die Pflicht, gegen das tyrannische Regime des englischen Königtums zu kämpfen. Der fromme Franziskaner, der selige Duns Scotus, hat also, aber nicht nur, den Weg zum Dogma von 1854 gewiesen, sondern neben anderem eben auch zum unerschrockenen Kampf für Freiheit und Menschenwürde.
Gedanken zur Woche 38, Dr. Matthias Martin
1. ADVENTSONNTAG (2020)
Mit dem 1. Adventssonntag beginnt das neue Kirchenjahr, ein neues Liturgische Jahr. Umso mehr mögen wir den Blick voraus auf die kommende Zeit richten. Wir können uns in diesem Sinne die Mahnung des bei uns vorgesehenen Sonntagsevangeliums zu Herzen nehmen: „(13,33) Gebt Acht und bleibt wach!“ Im Weiteren wird dann in gleichnishafter Rede anhand eines Mannes, der sein Haus verließ, dieses Motiv weiter entfaltet, nachdem schon vorher den Lesern bzw. Hörern dieses Sonntagsevangeliums deutliche, ja heftige, Worte zugemutet wurden. Gerade die Formulierung „(13,32) Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater“ mag manche und manchen in unserer jetzigen Situation besonders ansprechen. Ist doch in Zusammenhang mit Covid 19, auch genannt Coronavirus oder Wuhan-Virus, viel Verunsicherung zum Vorschein gekommen. Menschen fragen sich, wie es weiter gehen soll, ob einschlägige Regelungen in einigen Tagen vielleicht schon wieder gelockert oder gar weiter verschärft werden. Als Folge der mit einer Reaktion auf die Pandemie und ihre wirtschaftlich-sozialen Folgen verschärften Diskussionen in der EU sind gerade die haushaltspolitischen Auseinandersetzungen heftig eskaliert und zugrunde liegende Misshelligkeiten offen zutage getreten. Längst wurde öffentlich die Frage aufgeworfen, wie diese Konflikte beigelegt werden können oder ob es gar zu einem Scheitern des EU-Haushaltes und damit vielleicht sogar des ganzen Projektes der Europäischen Union kommen könnte.
Tatsächlich sind ja im Laufe der Geschichte, gerade der jüngeren bis jüngsten Geschichte, allerlei zwischenstaatliche Zusammenschlüsse, betreffende regierungsoffizielle, internationale Organisationen oder Bündnisse gescheitert. Der Wirtschaftsgemeinschaft des COMECON, auch genannt Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe/RGW löste sich bereits 1991 auf. Gleiches geschah mit dem einst furchterregenden Militärbündnis des Warschauer Paktes. Schon vorher hatte es bereits die einst mit viel Hoffnungen und Engagement ins Leben gerufenen prowestlichen Bündnisse des CENTO-Paktes, der SEATO und des ANZUS-Paktes wie auch die Gemeinsame Afrikanisch-Mauritische Organisation und den sogenannten Balkanpakt erwischt, die eben längst zu existieren aufgehört haben. Manchen der an solchen Zusammenschlüssen beteiligten Staaten gibt es selber schon längst nicht mehr oder er hat mitunter inneren Umsturz oder Gebietsverlust erlebt. Bei vielen Menschen gibt es umso mehr eine Skepsis in Hinblick auf jetzt in den Mitgliedsländern der EU und der EU als Gesamtheit ablaufenden Vorgängen. Auf jeden Fall sollen wir uns nicht in Angst und Schrecken versetzen lassen. Nicht umsonst ist die Hoffnung zusammen mit Glauben und Liebe eine der drei christlichen Grundtugenden.
Die Zeit des erzwungenen Herunterfahrens öffentlicher Aktivitäten kann auch im guten Sinne genutzt werden. Wir können versuchen, wieder mehr zu uns selber zu kommen, in der Familie zusammen zu sein, Kontakte mittels des Telefons, der Sozialen Medien und dergleichen bewusst zu pflegen. Schon während des Ersten Lockdowns, wie er genannt wird, hat sich auf diese Weise viel Gutes verwirklichen lassen. Der Mensch ist ja nicht als Einzelwesen, sondern als Gemeinschaftswesen geschaffen. So war es erfreulich, wie viele Menschen, gerade junge Leute, umgehend bereit waren, für Mitmenschen etwa das Einkaufen und andere Besorgungen zu übernehmen. Mehr als eine Anfrage erreichte mich von hilfsbereiten Menschen, ob ich denn nicht jemanden, etwa älteres, in der Pfarrgemeinde wüsste, der da Hilfe gebrauchen könnte. Man/frau sei dazu gerne bereit. Menschen in der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus von Stein haben mir ihrerseits versichert, dass es gerade jetzt hier lebende Studentinnen und Studenten waren, welche wie schon früher ihre Hilfe anboten. Das mag umso mehr für manche und manchen Einheimische, Einheimischen eine gute Anregung sein, zu überlegen, wie man denn selber Mitmenschen in bedrängter Situation helfen kann. In der Bibel und der kirchlichen Überlieferung werden wir ja immer wieder angesprochen, die Nächstenliebe zu verwirklichen, gute Werke zu tun, Mitmenschen in ihrer Not beizustehen. Zugleich wird uns in der Bibel immer wieder Mut zugesprochen, auch in schwierigen Situationen nicht zu verzweifeln, sondern die Hoffnung aufrecht zu erhalten. Dazu finden wir schon mehr als eine Stelle in den fünf Büchern Mose. Wie sehr ein gutes Miteinander Schwierigkeiten, ja verzweifelte Situationen, überwinden lässt, macht auf ergreifende Weise das Buch Rut etwas später eigens deutlich. Aus der Bibel stammt ja auch der Spruch, dass der Glaube Berge versetzen kann.
Natürlich sind wir gerade in der jetzt beginnenden Adventszeit eingeladen, im richtigen Sinne verbunden mit angewandter Hilfsbereitschaft in uns zu gehen. Die ernste Liturgiefarbe des Violett weist uns auf Buße und Besinnung hin, wie das ja ansonsten gerade für die Fastenzeit gilt. Die Adventszeit wird bezeichnenderweise öfters die vorweihnachtliche Buß- und Besinnungszeit genannt. Wie für die Verwirklichung der praktischen Nächstenliebe durch gute Worte und Taten mag es dafür gerade in diesem Jahr vielfältige Möglichkeiten geben. In der Vergangenheit ist da manches verschüttet, ja sinnentstellt, worden. Schüler im Gymnasium von Tulln mokierten sich wiederholt über den erhöhten Alkoholkonsum von Erwachsenen während der Adventszeit. Die jungen Leute machten deutlich, dass das kein vorbildliches Verhalten für die Jugend sei und mit dem ursprünglichen Sinn der Adventszeit nicht zusammenpasse. Dabei sind Menschen immer wieder angenehm überrascht, was es für interessante und anregende Punkte in der Bibel und der unverfälschten kirchlichen Überlieferung gibt, wenn man/frau sich die Zeit nimmt, diese anzuschauen. Dazu kann eben eine Adventszeit eine gute Gelegenheit bieten, umso mehr, wenn öffentliches Treiben im Vergleich zu früheren Jahren heruntergefahren ist. Lasst uns denn miteinander die Hoffnung hochhalten, uns und den Mitmenschen gutes tun. Vielleicht findet manche und mancher dazu auch etwas im jetzt neu erscheinenden Pfarrbrief. Immerhin habe ich dazu sogar schon aus den USA eine erfreute Rückmeldung erhalten.
1. Lesung: Jes 63,16b-17.19b; 64,3-7
2. Lesung: 1 Kor 1,3-9
Evangelium: Mk 13,33-37 oder Mk 13,24-37
Gedanken zur Woche 38-b, Dr. Matthias Martin
1. ADVENTWOCHE (2020)
Wenn die Kirche am 30. November das Fest des Apostels Andreas begeht, dann ist dies ein Anlass, der weit über den engeren kirchlichen Bereich hinausgeht. Ist dieser Apostel doch der Nationalpatron Schottlands. Sein kirchlicher Festtag ist zugleich der schottische Nationalfeiertag. Der langjährige schottische Ministerpräsident Alexander Salmond hat während seiner vielbeachteten Amtszeit starken Wert auf diesen Umstand gelegt und war auch sonst der katholischen Kirche sehr wohlgesonnen. So war es auch für Alexander Salmond selbstverständlich, die schottische Nationalfahne mit dem weißen Andreaskreuz auf blauem Hintergrund in Ehren zu halten. Dabei ist es kein Sonderfall, dass ein religiöses Symbol auch auf einer Nationalfahne zu sehen ist. So kann man auf Seite 136 des Buches „Im Namen der Flagge“ von Tim Marshall nachlesen:
„Laut dem Pew Research Center hat ein Drittel der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Nationalflaggen mit religiösen Symbolen. Von diesen 64 hat ungefähr die Hälfte ein christliches Symbol und 21 haben ein islamisches. Wenig überraschend ist, dass Israel als einziges Land ein Symbol des Judentums benutzt.“
Hinzukommt der Vatikan mit den Schlüsseln Petri auf seiner Fahne. Der Vatikan ist zwar für die Vereinten Nationen wie auch Palästina ein Anerkannter Nichtmitgliedsstaat, aber eben nicht ein Vollmitglied. Dann gibt es eine ganze Reihe von Gebieten wie etwa Schottland, England, Regionen im jetzigen spanischen und französischen Staatsgebiet sowie weitgehend eigenständige Inselgruppen, z.B. die Färöer Inseln und die Alandinseln, die auch christliche Symbole, namentlich das Kreuz, auf ihrer Fahne haben, ohne die Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen zu besitzen. Dafür gibt es eine ganze Gruppe von Nationen, die auch Vollmitglieder der Vereinten Nationen sind, welche ihre Namen von Heiligen herleiten. Da ist zuerst einmal die altehrwürdige und über Jahrhunderte besonders mit dem Heiligen Stuhl bzw. dem Kirchenstaat verbundene Republik San Marino. Dann sind da jene Nationen, welche erst von den siebziger bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts hinein ihre Unabhängigkeit erlangten: Sao Tomé und Principe, St. Kitts und Newis, St. Lucia und schließlich dem Alphabet nach St. Vincent und die Grenadien.
Ihrerseits betont die schottische Regierung die Bedeutung des Nationalpatrons Andreas für die Nation von Schottland. Von offizieller Seite ist man bemüht, die Feier des Festtages des heiligen Andreas am Leben zu erhalten und zu pflegen, sowohl innerhalb wie außerhalb Schottlands. Als im Jahre 1320 mit der Erklärung von Arbroath führende Vertreter Schottlands in ihrer Botschaft an den Papst ihre Entschlossenheit bekräftigen, den Kampf für die nationale Unabhängigkeit fortzusetzen und sich niemals dem Joch des englischen Königtums unterwerfen zu wollen, geschah dies nicht zuletzt unter Berufung auf den heiligen Andreas als dem fortwährenden Nationalpatron.
Das Schottische Seminar in Rom gehört zu den ältesten dortigen nationalen Seminaren für die Priesterausbildung. Es wurde im Jahre 2016 eigens durch Papst Franziskus gewürdigt. Dabei war es nicht das einzige und auch nicht das älteste Priesterseminar, das in den Zeiten der Verfolgung für die Ausbildung des schottischen Klerus auf dem europäischen Kontinent gegründet wurde. Entgegen sachlich unbegründeten Behauptungen in zurückliegenden Jahren, gerade nach der Wahl von Papst Franziskus, verfügen Schottlands Katholiken weiterhin über eine eigene, direkt Rom zugeordnete, nationale Bischofskonferenz. Vergleichbar verhält es sich übrigens auch üblicherweise bei den anderen christlichen Konfessionen. Dies gilt sogar für die offiziellen Anglikaner. Deren wenigen schottischen Anhänger verfügen über eine eigene bischöfliche Hierarchie, die von England unabhängig ist, einen eigenen Namen als konfessionelle Gemeinschaft und sind sogar in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre unabhängig von britischen bzw. englischen Einrichtungen. Ich erinnere mich, wie wir bei meinem Rigorosum für das Doktorat in Theologie auch über die erheblichen Unterschiede bis in die Glaubens- und Sittenlehre hinein zwischen den offiziellen anglikanischen Kirchenstrukturen in Schottland, England, Wales und (Nord-)Irland sprachen.
Dabei war und ist das Eintreten für die schottische Nation seit jeher so etwas wie ein katholisches Markenzeichen. Katholikinnen und Katholiken spielten im bewaffneten Widerstand gegen die britische Herrschaft bis hin zu offenen Aufständen eine unverzichtbare Rolle und auch die Päpste standen auf der Seite schottischen Selbstbehauptungswillens. Der für sein vielfältiges Engagement immer wieder gewürdigte Papst Leo XIII. versicherte in seiner, theologische Grundsatzfragen in Verbindung mit der Situation in Schottland behandelnden, Enzyklika „Caritatis Studium“, er habe stets das Wohl der schottischen Nation betrieben. So habe er kaum zum Papst gewählt, die Gelegenheit ergriffen, unter den nun etwas besseren Umständen eine bischöfliche Hierarchie für Schottlands Katholikinnen und Katholiken wieder zu errichten. Ihre Festigkeit im katholischen Glauben habe den beiden großen Helden Schottlands, William Wallace und Robert the Bruce, ihren unbeugsamen Mut in der Verteidigung ihres Landes gegeben. Schottlands heilige Königin Margareta wird von Leo XIII. als Licht und Zierde nicht nur für Schottland, sondern die ganze Christenheit gepriesen.
Schottlands Nationalpatron Sankt Andreas ist in der kirchlichen Überlieferung so bedeutend, dass er sogar in der kürzeren Fassung des Römischen Messkanons/I. Hochgebets namentlich erwähnt wird:
„In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche
gedenken wir deiner Heiligen.
Wir ehren vor allem Maria,
die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter
unseres Herrn und Gottes Jesus Christus.
Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef,
deine heiligen Apostel und Märtyrer:
Petrus und Paulus, Andreas (!)
und alle deine Heiligen“.
Dazu passt die große Verehrung, die der heilige Andreas in manch anderer Konfession genießt, gerade bei Orthodoxen.
Gedanken zur Woche 37, Dr. Matthias Martin
CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2020)
Das Ende des Kirchenjahres, des liturgischen Jahres, ist in greifbare Nähe gerückt. Dementsprechend begeht man in den meisten Teilen der katholischen Weltkirche diesen Sonntag das Hochfest/Fest I. Klasse, den CHRISTKÖNIGSSONNTAG. Man sieht es beispielsweise in dem bei uns üblichen Deutschen Messbuch wie im offiziellen Direktorium der Diözese St. Pölten, dass dies den letzten Sonntag im liturgischen Jahreskreis markiert. Mit dem 1. ADVENTSONNTAG beginnt dann das neue Kirchenjahr. Das Kirchen- oder liturgische Jahr besitzt damit eine deutliche Eigenständigkeit gegenüber dem Kalenderjahr, wo ja das jeweilige Jahr mit dem 1. Januar beginnt und mit dem 31. Dezember, zugleich Gedenktag des heiligen Papstes Sylvester I., endet. Dabei war es wiederum ein Papst, Gregor XIII. (siehe auch Gedanken zur Woche 25-b) mit seiner Amtszeit von 1572 bis 1585, welchem wir überhaupt unseren weltweit so geschätzten Kalender zu verdanken haben.
1925 war es dann mit Hochfest/Fest I. Klasse vom CHRISTKÖNNIGSSONNTAG soweit. Mit der Enzyklika ,,Quas Primas" wurde es durch von 1922 bis 1939 amtierenden Papst Pius XI. für den Sonntag vor ALLERHEILIGEN im Kirchenjahr eingeführt. Im Volksschott von 1961, dessen Herausgabe nicht zuletzt der heute noch so beliebte Papst Johannes XXIII. würdigte heißt es:
„Papst Pius XI. wollte das Jubeljahr 1925 feierlich beschließen durch die Einführung eines neuen Festes zu Ehren des Königtums Christi. Dieses Fest soll fortdauern die Welt an die unveräußerlichen Königsrechte erinnern, die dem Heiland als Gottessohn und Erlöser zustehen, und dazu beitragen, dass die Staaten und die einzelnen Menschen sich seinem sanften Herrrscherjoche unterwerfen. Christus soll mehr und mehr herrschen im Geiste der Menschen durch den Glauben; im Willen durch die gehorsame Unterwerfung unter die Gebote Gottes und der Kirche, des sichtbaren Reiches Christi; im Herzen durch die Liebe, und auch im Leibe, der ja ein heiliger Tempel Gottes sein soll.“
Generell wurde mit dieser Einführung unterstrichen, dass Christus und damit die nach katholischer Lehre von ihm gegründete Kirche über den politischen Gegebenheiten hier auf Erden steht. Die Welt war durch den Ausgang des Ersten Weltkrieges schwer erschüttert worden. Die Kaiser und ihre Dynastien von Österreich-Ungarn und Deutschland wie der Zar und seine Dynastie von Russland und auch das Königshaus von Montenegro waren gestürzt worden. Hatte man mit der zaristischen Herrschaft im russischen Machtbereich üble Erfahrungen gemacht, man denke nur an die Vernichtung ganzer katholischer Diözesen dort während des 19. Jahrhunderts, so hatte man mit den Kaisern von Österreich-Ungarn und Deutschland wie auch dem König von Montenegro wirklich zusammenarbeiten können. Das galt interessanterweise nicht zuletzt in Hinblick auf den bis amtierenden 1918 Deutschen Kaiser und gleichzeitigen König von Preußen, Wilhelm II. Dieser war, obwohl selber Mitglied der offiziellen protestantischen Landeskirche, zu solch ehrenvollen Positionen in der katholischen Kirche gelangt wie der eines Ritters vom Heiligen Grab und eines Ehrenbailli des Malteserordens. In meinem ersten Buch „Für Gott und gegen den Führer?“ habe ich etwas diese Gegebenheiten angeschnitten. Mit dem ebenfalls gestürzten Königtum von Montenegro hatte der Heilige Stuhl schon im 19. Jahrhunderts erfolgreich ein Konkordat abgeschlossen, auf dass sich später noch freundlich die moderne Republik Montenegro bezog. Mit dem ebenfalls als solchem zu Ende gegangenen Osmanischen Reich hatte es immerhin dipomatische Beziehungen und in Sachfragen Zusammenarbeit gegeben.
Im Königreich Spanien schwelten schwere innenpolitische Konflikte, die dann in den 30er Jahren zunächst zur Flucht des Königs und dann zum großen Bürgerkrieg führten. Die heftige Spaltung ihrerseits unter spanischen Monarchisten ist dabei noch einmal ein eigener Themenbereich. Mancher neuere spanische Spielfilm bzw. Spielfilmserie führt etwas in die damaligen dortigen schwierigen Zeitumstände ein. In Elsass-Lothringen war es mit der französischen Besetzung umgehend zu heute gerne verdrängten Massenvertreibungen und gerade auch zur Ausweisung katholischer Kirchenleute bis hin zu den Bischöfen gekommen. Dabei waren auch ungezählte Nichtkatholiken Opfer dieser Ausschreitungen geworden einschließlich einer konfessions-ungebundenen Organisation wie dem Weltbund für Freundschaft, Kunst und Humor SCHLARRAFIA. In der neugegründeten sogenannten Tschechoslowakei fuhren deren Machthaber mit Rückendeckung ihrer auswärtigen Bundesgenossen einen scharf antikatholischen Kurs.
Schwierig war es damals also schon für die Katholikinnen und Katholiken. Genau in diese düstere Zeit hinein wollte nun Papst Pius XI. mit der Einführung des Hochfestes von CHRISTKÖNIG einen starken Akzent der Hoffnung und der Entschlossenheit setzen. Es konnte die Menschen an Satz im Hebräerbrief erinnern: „(13,8) Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit“. Es mag auch der Vers von zu Beginn des Buches der Geheimen Offenbarung/Apokalypse in den Sinn kommen: „(1,8) Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung."
Mit der sogenannten Liturgiereform unter dem von 1963 bis 1978 amtierenden Paul VI. wurde das CHRISTKÖNIGSFEST auf die jetzige Stelle im Jahreskreis verlegt. Damit wird der eschatologische Aspekt, der Triumph Christi am Ende der Zeiten, betont. Dazu passt sehr das in der bei uns üblichen Leseordnung vorgesehene diesjährige Sonntagsevangelium. Es ist dies das Gleichnis vom Gericht des Menschensohnes über die Völker. In Die Neue Echter Bibel lautet dazu die Überschrift „Das Weltgericht“. Darin geht es darum, dass man in seinem irdischen Leben hilfsbereit sein, gute Werke tun und gerade Notleidenden helfen soll, ja den geringsten Brüdern und Schwestern. Der geringste Bruder, die geringste Schwester, soll im Blickpunkt sein und mit Aufgeschlossenheit, Respekt und Hilfsbereitschaft behandelt werden. Das ist wahrer Dienst an Christus dem König, worauf wir in der Bibel und der kirchlichen Überlieferung immer wieder Hinweise und Anregungen finden. Daraufhin führen uns nicht zuletzt der jüngst begangene Welttag der Armen bzw. Elisabethsonntag hin.
1. Lesung: Ez 34,11-12.15-17
2. Lesung: 1 Kor 15,20-26.28
Evangelium: Mt 25,31-46
Gedanken zur Woche 37-b, Dr. Matthias Martin
34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
In der bei uns üblichen liturgischen Einteilung für die nachkonziliare Liturgie wird uns in der Woche zwischen dem CHRISTKÖNIGSSONNTAG und dem 1. ADVENTSONNTAG eine ganze Reihe von bemerkenswerten Heiligen geboten. Da sind etwa die vietnamesischen Märtyrer heiliger Andreas Dunc-Lac und Gefährten. In Zusammenhang mit ihrem Leiden und Sterben heißt es im offiziellen Direktorium der Diözese St. Pölten zur Kirchengeschichte Vietnams:
„In der Zeit vom 17. bis zum 19. Jahrhundert, vor allem unter der Herrschaft des Kaisers Minh-Mang (1820-1840), mussten viele Christen ihr Leben als Märtyrer hingeben.“
Dann wird der heiligen Katharina von Alexandrien gedacht. Diese starb ebenfalls als Opfer einer kaiserlichen Christenverfolgung, allerdings im römischen Reich. Dieses Opfer kaiserlich-römischer Willkür wurde in der Christenheit so hoch verehrt, dass sie in die Gruppe der „Vierzehn Nothelfer“ aufgenommen wurde. Außerdem ist sie Schutzpatronin einer ganzen Reihe von Menschengruppen wie der Schüler, der Studenten, der Jungfrauen, der Gelehrten und der Philosophen sowie der Bibliotheken. Die heilige Katharina von Alexandrien passt damit außerordentlich gut zur Pfarrgemeinde von Stein, befinden sich doch auf deren Pfarrgebiet verschiedene Universitäten: die DONAU-UNIVERSITÄT KREMS, die DANUBE PRIVATE UNIVERSITY Fakultät Medizin/Zahnmedizin und die KARL LANDSTEINER PRIVATUNIVERSITÄT FÜR GESUNDHEITSWISSEN-SCHAFTEN. Hinzukommen als Bildungsanstalten die IMC University of Applied Sciences Krems/IMC Fachhochschule Krems und die Volksschule Krems-Stein.
Im Sinne des liturgischen Wochenverlaufes kommen in dieser Woche ihrerseits mit dem heiligen Konrad und dem heiligen Gebhard Reichsbischöfe hinzu mit einem sehr engem Verhältnis zum ottonisch-sächsischen Kaiserhaus. Aus diesem wurde seinerseits ja mehr als ein Mitglied selber heilig- oder zumindest seliggesprochen. Dabei war damals das Heiligen Römische Reich deutscher Nation/I. Deutschen Reich/Alte Reich interessanterweise eine Wahlmonarchie und keine Erbmonarchie, wie es das österreichische Kaisertum seit dessen Gründung im Jahre 1804 war. Wie der Begriff „Monarchie“ heute von sehr vielen Menschen verstanden und gebraucht wird, so ist darunter jeweils eine Erbmonarchie zu verstehen wie eben bei beim österreichischen Kaisertum von 1804 bis zu seinem Untergang 1918. In diesem Sinne war das Heilige Römische Reich deutscher Nation/I. Deutsche Reich/Alte Reich mit den heilig- bzw. seliggesprochenen Mitgliedern des sächsisch-ottonischen Kaiserhauses samt ihnen nahestehender heiliggesprochener Menschen, etwa solcher Bischöfe, also eigentlich gar keine Monarchie.
Dementsprechend kann man auch die katholische Kirche mit dem Papst an der Spitze nicht so einfach als Monarchie bezeichnen. Dies wäre höchstens dann stattfand, wenn man darunter einfach nur die Wahrnehmung der obersten Regierungsgewalt verbunden der obersten repräsentativen Funktion durch eine einzelne Person meinte. Das Wort Monarchie vom alten Griechisch herkommend bedeutet ja zunächst einmal nur, dass eine bzw. einer und nicht mehrere herrschen, im modernen Deutsch wurde daraus aber üblicherweise etwas erbmäßiges mit, wenn es funktionieren sollte, einer Dynastie.
So war auch der vielleicht bedeutendste Heilige dieser Woche vor dem 1. ADVENTSONNTAG, der heilige Klemens I., kein Mitglied einer Erbdynastie. Er war vielmehr als Bischof von Rom ohne Erbfolge in sein Amt gekommen und wird als dritter Nachfolger des Apostels Petrus verehrt. Der heilige Klemens der Erste, mit der angenommenen Amtszeit in etwa in den Jahren 90/92 bis 101 starb selber alter Überlieferung zufolge als Opfer des römischen Kaisertums den Märtyrertod. Sein Ende soll er auf der auch sonst seit alters her für die katholische Kirche so wichtigen Halbinsel Krim gefunden haben. Die Bedeutung des heiligen Klemens I. muss schon für die frühe Kirche ganz außerordentlich groß gewesen sein. So wird er mit wenigen anderen Heiligen in der ungekürzten Fassung des Römischen Messkanons/I. Hochgebets vor der Wandlung namentlich genannt. So heißt es dem jetzigen Deutschen Messbuch zufolge:
"In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche gedenken wir deiner Heiligen.
Wir ehren vor allem Maria, die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter
unseres Herrn und Gottes Jesus Christus.
Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef, deine heiligen Apostel und Märtyrer:
Jakobus, Johannes, Thomas, Jakobus, Philippus, Bartholomäus, Matthäus,
Simon und Thaddäus,
Linus, Kletus, Klemens (!), Xystus, Kornelius, Cyprianus, Laurentius, Chrysogonus,
Johannes und Paulus, Kosmas und Damianus und alle deine Heiligen;
blicke auf ihr heiliges Leben und Sterben und gewähre uns auf ihre Fürsprache
in allem deine Hilfe und deinen Schutz."
Man möchte nicht ausschließen, dass dieser heilige Klemens identisch ist mit dem Mitarbeiter Klemens des Apostels Paulus im Philipperbrief (4,3).
Berühmt geworden ist der heilige Klemens von Rom insbesondere durch den Ersten Klemensbrief gegen Ende des 1. Jahrhunderts, der ihm gerne zugeschrieben wird. Darin werden die Christen in Korinth aufgefordert, die von ihnen abgesetzten kirchlichen Amtsträger zu rehabilitierten. Die jüngsten Auseinandersetzungen hätten der bisher so erfolgreich harmonischen Gemeinschaft schwer geschadet. In dem umfangreichen Brief werden Beispiele aus dem Alten/Ersten und dem Neuen/Zweiten Testament für ähnlich ungerechte Vorgänge angeführt. Die Christen von Korinth sollten verkehrtes Verhalten aufgeben und sich treu an die überlieferte Lehre halten. Vorbilder aus der Heiligen Schrift, gerade das des Herrn Jesus Christus selber, solle man sich vor Augen halten. Das Miteinander in der Gemeinde, christliche Geschwisterlichkeit, solle gepflegt und Sünde gemieden werden. Im Glauben fest sollten die Christen gute Werke tun und sich in Hinblick auf gute Ordnung am römischen Heer ein Beispiel nehmen. Streit innerhalb der christlichen sei schlimm und solle vermieden werden. Bemerkenswert ist der umfangreiche Bezug in diesem in der frühen Kirche hochgeschätzten Ersten Klemensbrief auf Schriften der Bibel und dass schon der Apostel Paulus mit Problemen in Korinth zu kämpfen hatte, wie die beiden Korintherbriefe im Neuen/Zweiten Testament bezeugen.
Gedanken zur Woche 36, Dr. Matthias Martin
33. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Wenn im größten Teil der katholischen Kirche der Welttag der Armen begangen wird, dann ist dies ein besonders gewichtiger Anlass. Wir werden in der Bibel immer wieder gemahnt, den Bedürftigen beizustehen, Werke der praktischen Nächstenliebe zu vollbringen.
In der heutigen Zeit mag der Welttag der Armen, in Österreich mit dem Abhalten der ELISABETHSAMMLUNG verbunden, den Blick für das Wesentliche schärfen. Bei der ganzen Unüberschaubarkeit theologischer Spitzfindigkeiten bis Polemiken und der Überfülle an sogenannten kirchlichen Beschlüssen steht man in der Gefahr desorientiert zu werden und gerade das Interesse an einer christlichen Lebensorientierung zu verlieren.
Dabei ist Wesentliches im Christentum, wie Jesus von Nazaret auf die Frage eines Schriftgelehrten antwortete, das doppelte Liebesgebot, die Liebe zu Gott und den Mitmenschen. So können wir im zehnten Kapitel des Lukasevangeliums nachlesen:
„(25) Und siehe, ein Gesetzeslehrer stand auf,
um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn:
Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?
(26) Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?
(27) Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben,
mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele,
mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken
und deinen Nächsten wie dich selbst.“
Zur Verdeutlichung, wie das mit der Nächstenliebe zu verstehen ist, wird anschließend das vielleicht berühmteste aller Gleichnisse aus der Bibel erzählt, das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter. Dieses ist ja so bekannt, dass es Eingang in unsere Sprache gefunden hat, von der Bezeichnung von Hilfsorganisationen bis hin zu dem Lied der Wiener Popgruppe Worried Men Skiffle Group „I bin a Weh“.
Der Aufruf, die Mahnung, Mitmenschen in Not zu helfen, findet sich schon im Alten, dem Ersten Testament der Bibel. Zu nennen sind hier gerade wie auch Stellen des Buches Jesus Sirach das erste Kapitel im Buch Tobit und dann im Neuen/Zweiten Testament die Rede vom Jüngsten Gericht im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums. In der christlichen Überlieferung wurde aus den verschiedenen Stellen neben der Auflistung der sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit die Auflistung der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit:
1. Die Hungrigen speisen.
2. Den Dürstenden zu trinken geben.
3. Die Nackten bekleiden.
4. Die Fremden aufnehmen.
5. Die Kranken besuchen.
6. Die Gefangenen besuchen.
7. Die Toten begraben.
Heißt es ermutigend in der neutestamentlichen Endzeitrede Jesu „(Mt 25,40) . . . Was ihr für einen meiner geringsten Brüder/Schwestern getan habt, das habt ihr getan“, so heißt es wenig Verse später warnend „(25,45) . . . Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Bei Tobit 1,17 können wir nachlesen „Mein Brot gab ich den Hungernden und Kleider den Nackten; und wann immer ich sah, dass jemand aus meinem Volk starb und hinter die Mauer von Ninive geworfen wurde, begrub ich ihn.“ Im Buch Jesus Sirach findet sich Stellen wie „(3,30) Wasser löscht loderndes Feuer und eine Liebestat sühnt Sünden“ und „(4,4) Einen bedrängten Bittsteller weise nicht ab und wende dein Gesicht nicht ab vor einem Armen!“
Wird im Hohen Lied der Liebe im 13. Kapitel des Ersten Korintherbriefes betont, dass von den drei christlichen Grundtugenden Glauben, Hoffnung und Liebe, die Liebe die größte ist, so können wir im 1. Johannesbrief nachlesen:
„(3,18) Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben,
sondern in Tat und Wahrheit.“
Ein Mensch, der solches in beispielgebender Weise verwirklicht hat, war die heilige Elisabeth von Thüringen, nach welcher eben die ELISABETHSAMMLUNG benannt ist. Sie, die Frau aus dem Hochadel, sah es als ihre Aufgabe an, Dienerin der der Armen zu werden, anstatt auf sie verächtlich herabzuschauen. So wurde sie für sehr viele Menschen die Verkörperung tätiger Nächstenliebe. Es wird überliefert, dass sie auch ihren Ehemann, Landgraf Ludwig IV., zu christlichem Tun anspornte. Ludwig IV., zugleich ein enger Vertrauter und bis zu seinem frühen Tod ranghoher Weggefährte von Kaiser Friedrich II. aus dem Geschlecht der Hohenstaufen, wird interessanterweise auch „der Heilige“, im Englischen „the Saint“, genannt. In der Ausgabe aus dem Jahre 2008 des Buches von „Der große Namenstagskalender“ von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht heißt es:
„Ludwig IV., (Hl.), Landgraf von Thüringen, unterstützte die Liebestätigkeit seiner Gattin, der hl. Elisabeth. . . . . Das Volk verehrte Ludwig schon bald nach seinem Tod und gab ihm die Beinamen ˂der Heilige˃ und ˂der Tugendsame˃.“
In dieselbe Richtung gehen die anerkennenden Worte über den Ehemann der heiligen Elisabeth in der zweiten Auflage des Lexikons für Theologie und Kirche. Schon sein Vorvorgänger, Ludwig III., erhielt den ehrenden Beinamen „der Fromme“. Ganz ähnlich seinem Nachnachfolger, dem Ehemann der heiligen Elisabeth, hatte er treu zum staufischen Kaiserhaus gestanden und sich in seinem Fall etwa bei der Gründung von Klöstern engagiert.
Besonderes Vorbild bei der Verwirklichung tätiger Nächstenliebe ist und bleibt natürlich sie, die heilige Elisabeth von Thüringen. In ihrem Sinne zu handeln sind alle Christenmenschen eingeladen. Bibel und unverfälschte kirchliche Überlieferung weisen uns dazu den Weg. Blickt man in die Welt hinaus, so wird rasch deutlich, dass tätige Nächstenliebe gerade heutzutage das Gebot der Stunde ist. Bei einem Anlass wie der ELISABETHSAMMLUNG kann davon gleich etwas verwirklicht werden.
1. Lesung: Spr 31,10-13.19-20.30-31
2. Lesung: 1 Thess 5,1-6
Evangelium: Mt 25,14-30
Gedanken zur Woche 36-b, Dr. Matthias Martin
33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Gerade in unseren Breiten wird in der katholischen Kirche am 15. November das Fest des heiligen Leopolds begangen. Er ist nicht nur ein in der Bevölkerung beliebter Heiliger, sondern ganz offiziell das Landespatron von Niederösterreich. Dementsprechend ist sein liturgischer Festtag zugleich Landesfeiertag.
In einer Information des ORF kann man lesen:
„Der 15. November ist der nö. Landesfeiertag. Gefeiert wird der Hl. Leopold, der im wirklichen Leben der Babenberger-Markgraf Leopold III. war . . .
Die Landesbehörden bleiben am 15. November geschlossen. Auch die Schüler in Niederösterreich haben frei. Traditionell findet der jeweilige Landeshauptmann Worte zum Tag des Schutzpatrons von Niederösterreich. Das offizielle Niederösterreich ehrt „seinen“ Schutzpatron.“
Diese Tradition ist natürlich auch weiterhin lebendig, wenn im Landhaus von St. Pölten eine Landeshauptfrau regiert. In katholischen Ländern gab es schließlich schon vor vielen Jahrhunderten weibliche Herrscherinnen. Denken wir da nur an Isabella von Kastilien, die Mitschöpferin des spanischen Staates, an Maria Stuart von Schottland und nicht zuletzt an Maria Theresia. Schon im 5. Jahrhundert war die Katholikin Galla Placidia zur Spitze des Weströmischen Reiches aufgestiegen. Lange führte sie die Regentschaft und setzte sich in den stürmischen Zeiten der Völkerwanderung auch für die Kirche ein. Im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, auch genannt Altes Reich oder Erstes Deutsches Reich, nahmen gerade in der Zeit der ottonisch-sächsischen Dynastie Frauen nicht nur Spitzenpostionen ein, sondern eine Reihe von ihnen wurde, wie in den Gedanken zur Woche bereits angesprochen, auch heiliggesprochen. Zusätzlich mag an die Ehefrau Kaiser Otto II. und spätere Regentin, Theophano, und die zweite Ehefrau Friedrich Barbarossas, Beatrix von Burgund, gedacht werden. Es ist also nichts wirkliches Neues und schon gar nichts Unkatholisches, wenn eine Frau in Gebieten des einstigen Reiches, in dem eben auch der heilige Leopold wirkte, die Regierung leitet.
Besonders wichtig wurde eh die Heirat des Marktgrafen Leopolds III., später eben genannt Leopold der Heilige, mit der Tochter Kaiser Heinrichs IV. und Schwester von dessen Nachfolger Heinrich V., Agnes. Einer ihrer Söhne aus erster Ehe mit dem staufischen Herzog Friedrich I. von Schwaben wurde später als Konrad III. der erste deutsche König aus dem Geschlecht der Staufer. Damit war der Babenberger Leopold III. der Heilige Schwiegersohn eines Kaisers (Heinrichs IV.), Schwager des nächsten Kaisers (Heinrichs V.) und Stiefvater eines deutschen Königs ohne Kaiserkrönung (Konrads III.). Beim heiligen Leopold liefen damit die wichtigsten dynastischen Fäden zusammen, kein Wunder dass er im ganzen Reich als Spitzenperson galt. Offensichtlich war er selber sogar sehr ernsthaft für die Wahl zum deutschen König und damit zum zu krönenden Kaiser im Gespräch, um nicht zu sagen vorgesehen. Dazu heißt es in dem bei uns verwendeten Deutschen Messbuch:
„Aus seiner Ehe mit der Kaisertochter Agnes stammt der hl. Otto von Freising. Er lehnte 1125 die Wahl zum deutschen König ab, . ..“.
Er machte sich außerordentlich um die Landesentwicklung seines eigentlichen Herrschaftsbereiches verdient. Sehr förderte er die Klöster. So gründete er Klosterneuburg, Heiligenkreuz und Kleinmariazell. Andere Klostergründungen begleitete er wohlwollend. Dabei ist bedenken, dass gerade in der damaligen Zeit Klöster nicht nur spirituell-innerreligiöse Zentren waren, sondern auch sehr wichtig waren für Kultur und Bildung und auch als Verwaltungszentren bis hin als Einrichtungen der Landesverteidigung dienen konnten. Nicht umsonst hat das Erste Vatikanische Konzil betont, dass die Kirche die Wissenschaften und die Künste fördert.
Energisch förderte Leopold die Städte. So bekam durch ihn Krems eine eigene Münzprägestätte. Der Kremser Pfennig erlangte eine ernstzunehmende Bedeutung. Verschiedene Siedlungen bekamen das Stadtrecht verliehen. Mitunter wird die Meinung vertreten, er sei es gewesen, der Stein an der Donau das Stadtrecht verliehen habe. Dies entspricht aber wohl nicht den Tatsachen. Das Stadtrecht hat Stein erst später verliehen bekommen. Ihrerseits ist seine selber so bedeutende Ehefrau Agnes nicht mit der in der ungekürzten Fassung des Römischen Messkanons/I. Hochgebets erwähnten Agnes zu verwechseln. Bei dieser in der liturgischen Überlieferung so außerordentlich hervorgehobenen heiligen Agnes handelt es sich um eine frühchristliche Märtyrerin und nicht um eine deutsche Hochadelige des Mittelalters.
Auf jeden Fall wird gerade in Stein das Andenken des heiligen Leopold in Ehren gehalten. An der Südseite der Pfarrkirche findet sich recht zentral ein Kirchenfenster, auf dem der heilige Leopold abgebildet ist. Auch findet jedes Jahr in Stein der beliebte Leopoldimarkt statt. In der Pfarrgemeinde entspricht das Gottesdienstangebot der Sonn- und Feiertagsordnung. In diesem Jahr 2020 wirken sich natürlich die Bestimmungen zur Coronakrise sehr einschränkend aus. Da mag das Wort Otto von Bismarcks in den Sinn kommen, wie es während ihrer Amtszeit die erste afroamerikanische Außenministerin der USA, Condoleezza Rice, zitierte: „Politik ist die Kunst des Möglichen“. Man mag auch an die Formulierung Otto von Bismarcks denken, die gegenüber der Europäischen Union der russische Langzeitaußenminister Sergei Lawrow bemühte: „In der Politik geht es nicht so sehr um das Wünschenswerte, als um das Machbare.“
Der heilige Markgraf Leopold hat in all den Schwierigkeiten seiner Zeit ein positives Zusammenwirken von Kirche und Staat verkörpert. Das wirkt gerade im heutigen Niederösterreich nach. Die Bedeutung einer Zusammenarbeit von Kirche und Staat wird auch im jetzigen CODEX IURIS CANONICI, dem CODEX DES KANONISCHEN RECHTS, gewürdigt, wenn es gleich zu Beginn bei den Allgemeinen Normen heißt:
„Can. 3 – Die Canones des Codex heben die vom Apostolischen Stuhl mit Nationen oder anderen politischen Gemeinschaften eingegangen Vereinbarungen weder ganz noch teilweise auf; diese gelten daher wie bis jetzt fort, ohne die geringste Einschränkung durch entgegenstehende Vorschriften dieses Codex.“
Gedanken zur Woche 35, Dr. Matthias Martin
32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Die bei uns übliche Leseordnung sieht für den Sonntag nach dem Hochfest, dem Fest I. Klasse, von ALLERHEILIGEN jenes Stück aus dem Matthäusevangelium vor, welches ein recht bekanntes Gleichnis enthält. Es ist dies das Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen. Es springt dabei ins Auge, dass auch in diesem Gleichnis Frauen im Blickpunkt stehen, dieses Gleichnis überhaupt nach, immerhin literarisch existierenden, Frauen benannt ist. So sind die betreffenden Verse in der neuen Ausgabe der Deutschen Einheitsübersetzung überschrieben „DAS GLEICHNIS VON DEN KLUGEN UND DEN TÖRICHTEN JUNGFRAUEN“. Dem mit der Bibel etwas vertrauten Menschen mag in den Sinn kommen, dass bereits im Alten/Ersten Testament ganze Bücher nach Frauen benannt wurden und auch sonst dort Frauen immer wieder bedeutende Rollen spielten bzw. spielen.
Das Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen hat seinerseits allein schon kunstgeschichtlich enorme Bedeutung erlangt. Es regte das musikalische Schaffen wie die bildende Kunst an. An einer ganzen Reihe berühmter Kirchen wurden Skulpturen angebracht, welches dieses Gleichnis darstellen. Besonders bekannt sind die Figurengruppen am Magdeburger Dom und am Straßburger Münster, also in jener Stadt, in welcher schon Jahrzehnte vor Martin Luther erstmals die Bibel in deutscher Sprache gedruckt wurde. Nicht vergessen werden sollte die Darstellung der klugen und der törichten Jungfrauen im Karner zu Tulln unmittelbar neben der ihrerseits bemerkenswerten Stadtpfarrkirche. Auch im Bereich der Malerei fand dieses Gleichnis seine Würdigung.
In der Tat ist die Botschaft des Gleichnisses bemerkenswert, ja aufrüttelnd. Werden die Menschen doch gemahnt, nicht leichtfertig in den Tag hineinzuleben, sondern sich darauf einzustellen, dass es anders kommen kann als man gedacht hat oder einem lieb sein kann. Im Sinne heutiger gesellschaftlicher Diskussionen kann man das Gleichnis als eine Anregung aufgreifen, verantwortungsbewusst Vorsorge zu treffen, über den Tellerrand des Augenblicks und der nächsten Umgebung hinauszublicken und so etwas wie Nachhaltigkeit im eigenen Tun und Denken anzustreben. Nicht umsonst heißt es mit Blick auf das Zentrum der katholischen Kirche „Rom denkt in Jahrhunderten und in Jahrtausenden“. Die Kirche von Rom, die katholische Kirche hat es nun doch schon auf rund 2000 Jahre gebracht, während Staaten kamen und gingen, Dynastien immer wieder stürzten und gar viele religiöse Gemeinschaften einmal schneller, einmal langsamer, zu existieren aufhörten. Mahnend in diese Richtung weist auch der Spruch „Ein Staatsmann denkt an die nächste Generation, ein Politiker denkt an die nächste Wahl“. Dies gilt selbstverständlich ebenso für Frauen. Nicht umsonst wurden auch solche Frauen, welche sich politisch engagiert hatten, durch die katholische Kirche heiliggesprochen. Denken wir nur an die heilige deutsche Königin Mathilde, Ehefrau Heinrichs I. und Mutter Ottos des Großen, die beiden heiligen Kaiserinnen Adelheid und Kunigunde oder die selige Gisela. Außerhalb des deutschen Sprachraums begegnen wohl besonders eindrücklich die heilige Margareta von Schottland wie die heilige Johanna von Orléans. Jüngst war ein prominenter Mitbruder erfreut, dass mir der Spruch vertraut war „Was den Franzosen ihre Johanna von Orléans ist, das ist den Schotten ihre Margareta“. Gleichfalls ihre Spuren haben Frauen als Ordensgründerinnen und Äbtissinnen hinterlassen, haben so über den Tag hinausgewirkt. Dabei entfalteten sie auf eigene Weise auch politische Wirksamkeit. Man denke da nur an Hildegard von Bingen und Mary MacKillop, gerade auch weil diese seinerzeit so manchem Kirchenmann samt dessen politischen Freunden unangenehm aufstießen.
Über den Augenblick hinausdenken, bereit sein, sich gegebenenfalls auch unbequem zu engagieren, sich hüten vor Bequemlichkeit und falscher Selbstsicherheit. Da mag gerade auch der Jakobusbrief zum Nachdenken anregen, heißt es doch in dessen vierten Kapitel:
„(13) Ihr aber, die ihr sagt: Heute oder morgen
werden wir in diese oder jene Stadt reisen,
dort werden wir ein Jahr bleiben, Handel treiben und Gewinne machen -
(14) ihr wisst doch nicht, was morgen mit eurem Leben sein wird.
Rauch seid ihr, den man eine Weile sieht, dann verschwindet er.
(15) Ihr sollt lieber sagen: Wenn der Herr will,
werden wir noch leben und dies oder jenes tun.
(16) Nun aber rühmt ihr euch voll Übermut. Solches Rühmen ist schlecht.“
Im Lukasevangelium findet sich der Apell, der direkt an das Gleichnis mit den Jungfrauen erinnert:
„(12,35) Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen!
(36) Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten,
der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen,
wenn er kommt und anklopft!
(37) Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt!
Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten,
sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen.“
Recht drastisch ist das Gleichnis mit dem reichen Gutsbesitzer ebenfalls im 12. Kapitel des Lukasevangeliums:
„(20) Da sprach Gott zu ihm: Du Narr!
Noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir zurückfordern.
Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?“
Bereit sein, sich auch unangenehmen Herausforderungen stellen, im verantwortungsbewussten Sinne Vorsorge treffen, ist gerade heute nötig. Das Gleichnis von den Jungfrauen sowie seine Darstellungen im Bereich der Kunst mögen uns da aufrütteln. Auch andere Bibelstellen und Elemente kirchlicher Überlieferung sind dazu wertvoll.
1. Lesung: Weish 6,12-16
2. Lesung: 1 Thess 4,13-18 (oder 4,13-14)
Evangelium: Mt 25,1-13
Gedanken zur Woche 35-b, Dr. Matthias Martin
32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Wenn die Kirche nach dem heutzutage meist verwendeten liturgischen Kalender am 10. November des heiligen Papstes Leos I. gedenkt, so feiert sie damit nicht nur eine Persönlichkeit der Kirchengeschichte im engeren Sinn, sondern eine herausragende Persönlichkeit der Menschheitsgeschichte überhaupt. Allein schon der Umstand, dass dieser von 440 bis 461 amtierende Papst den Beinamen „der Große“ trägt macht dies deutlich. Er ist offiziell als Kirchenlehrer anerkannt. Ihm kommt eine enorme theologische Bedeutung zu. So bestätigte das im Jahre 451 abgehaltene Konzil von Chalcedon seine Lehre von den beiden in Jesus Christus vereinten Naturen, der göttlichen und der menschlichen Natur. Zugleich vertrat Leo der Große energisch und erfolgreich die Lehr eines starken päpstlichen Primates. Demnach komme dem Papst als Nachfolger des Apostels Petrus nicht nur ein Ehrenvorsitz in der allgemeinen Kirche zu, sondern eine starke Entscheidungskompetenz in theologischen wie kirchenrechtlichen Fragen. Leo der Große scheute dabei auch den Konflikt mit dem oströmischen/byzantinischen Kaisertum in Konstantinopel nicht. Er war dabei weder der erste noch der letzte Papst, der offen Ärger mit diesem Machtzentrum im Osten hatte. Im Westen war die römische Staatsmacht demgegenüber längst im Zerfall begriffen. Das weströmische Kaisertum hatte bereits seinen Sitz nach Ravenna verlegt und ging seinem Ende entgegen. Kirchenleute übernahmen mehr und mehr öffentliche Aufgaben. Die katholische Kirche funktionierte während im Weströmischen Reich die staatliche Ordnung verfiel.
So war der spätere Papst Leo bereits vor seiner Wahl zum Papst auch in eher staatspolitischen Dingen aktiv gewesen, einschließlich der Verhinderung von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen weströmischen Staatsvertretern. Das Weströmische Reich wurde längst durch Neid und Missgunst in den eigenen Reihen bis hin zu Mord, Todschlag und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen erschüttert. Weströmische Akteure nahmen dabei immer wieder gerne die Hilfe germanischer Völker, Stämme bzw. Kämpfer an.
Seinerseits dürfte Leo der Große bei seinen Friedensbemühungen immer wieder erfolgreich gewesen sein. Er war es, der nach bekannter Überlieferung den Hunnenkönig Attila im Jahre 452 zur Beendigung seines Einfalls im heutigen Italien brachte. Erleichtert haben könnten Leos Bemühungen die großen ernsten Schwierigkeiten, in welchen die gefürchteten Hunnen selber längst steckten. Ein besonderer Erfolg im Pontifikat kam im Jahre 455, als es Leo dem Großen gelang, den Vandalenkönig Geiserich bei der Besetzung Roms dazu zu bringen, auf Brand und Mord zu verzichten. Es kam lediglich zu organisierten Plünderungen, umfangreichen Beschlagnahmungen. Die germanischen Vandalen waren tatsächlich keineswegs bekannt für besondere Mordlust oder Zerstörungswut. So wurden Kunstwerke und Zivilbevölkerung damals auch in Rom von den Vandalen verschont, sie hielten sich an ihre Absprache mit Papst Leo den Großen. „Vandale“ wurde erst viel, viel später ein Schimpfwort, verbunden mit dem davon abgeleiteten Ausdruck „Vandalismus“. Dies geschah ab Ende des 18. Jahrhunderts, also lange, lange, nachdem die Vandalen als Volk von der Bühne der Geschichte abgetreten waren und ihr legendäres Reich in Nordafrika kämpfend untergegangen war. Immerhin leitet man den Namen der jetzigen Autonomieregion in Südspanien Andalusien von den Vandalen her und nennt diese manchmal zur Verdeutlichung auch Vandalusien. Die Vandalen waren zur Zeit des erwähnten Königs und Verhandlungspartners von Leo dem Großen, Geiserich, bereits Christen. Zwar bekannten sie sich nicht zur katholischen bzw. nicänischen Form des Christentums, sondern zur arianischen, aber die bei den Arianern gespendeten Taufen wurden durch die katholische Kirche anerkannt. Dies wurde praktiziert, wenn Arianer zur katholischen Kirche übertraten. Sie waren nicht noch einmal zu taufen. Schon Jahrzehnte vor Papst Leo dem Großen hatte der heilige Papst Siricius unter Berufung auf ihn bereits vorliegende kirchliche Überlieferung und Rechtsbestimmungen scharf gemahnt, die bei den Arianern gespendeten Taufen anzuerkennen. Umso bedauerlicher ist es, wenn in unserer Zeit mitunter offiziell katholische Kirchenmitarbeiter nicht mehr bereit sind, Taufen aus anderen christlichen Gemeinschaften anzuerkennen bzw. mit gehässigen Untergriffen gegen Taufspender und Taufempfänger wirken, die ihnen nicht richtig genug “katholisch“ sind. Es wäre besser, sich an früheren Konzilien, Kirchenlehrern und als heilig verehrten Päpsten zu orientieren, betreffende Taufen ohne Gehässigkeit anzuerkennen und ein christliches Miteinander zu suchen.
Nicht umsonst wohl wird ja der Sonderstatus der römischen Kirche, der einst Leo der Große vorstand, auch in unseren Tagen in der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Das zeigt sich auch mit Blick auf die Lateranbasilika, deren Weihe eigens am 9. November gedacht wird. Zusammen mit dem Gebiet von St. Peter, der eigentlichen Vatikanstadt, werden die Lateranbasilika sowie weitere Einrichtungen in Rom einschließlich Castel Gandolfo außerhalb Roms als exterritorial gegenüber dem jetzigen italienischen Staat anerkannt und gehören damit nicht zum gegenwärtigen italienischen Staatsgebiet. Dies wird auch auf Karten mehr oder minder ausführlich berücksichtigt. In dem bei uns zumeist verwendeten Deutschen Messbuch ist nachzulesen, dass für die Lateranbasilika gilt:
„die eigentliche Kathedrale des Papstes und führt den Titel `Mutter und Haupt aller Kirchen des Erdkreises. “
In diese Richtung weist auch der Volksschott von 1961:
„Die Erzbasilika des allerheiligsten Erlösers ist die ˂Mutterkirche˃ aller Kirchen des Erdkreises, seit dem 4. Jahrhundert die Hauptkirche Roms, die eigentliche Kathedralkirche des Papstes . . .“.
Ein solcher besonderer, von der internationalen Gemeinschaft anerkannter eigenständiger Status ist Teil des Erbes Leos des Großen wie anderer herausragender Persönlichkeiten der Kirchengeschichte. Es wird wohl auch in Zukunft dabei bleiben, dass der Vatikanstaat als Staat und der Heilige Stuhl als Völkerrechtssubjekt eigener Art anerkannt bleiben, ungeachtet von anderweitigen Änderungen auf internationaler Ebene. Umso weniger verwundert, dass die weibliche Namensform von Leo, nämlich Leonie, heutzutage als Frauenname recht beliebt ist. So kann man guten Gewissens auch jeder Leonie am 10. November zum Namenstag gratulieren.
Gedanken zur Woche 34, Dr. Matthias Martin
ALLERHEILIGEN (2020)
Mit dem Hochfest oder Fest 1. Klasse von ALLERHEILIGEN begeht die Kirche eines der sicher am stärksten im Bewusstsein der Öffentlichkeit verankerten christliche Feste überhaupt. Viele Menschen nehmen gerade an diesem Tag an der Feier der Heiligen Messe teil, selbst wenn sie sonst nicht oder nicht mehr allzu aktiv am kirchlichen Leben teilnehmen. Wie auch nichtreligiöse Medien zum gegebenen Anlass immer wieder für sich betonen, nutzen viele den Tag, um die Gräber von Familienangehörigen, Verwandten und Freunden zu besuchen. Dabei ist der Festtag von ALLERHEILIGEN eigentlich nicht der Gedenktag für die Verstorbenen, was schon daran ersichtlich wird, dass an ALLERHEILIGEN die liturgische Farbe das Weiß ist, ganz so wie zu Ostern, Weihnachten und den Gedenk- bzw. Feiertagen von Heiligen, welche nicht als Märtyrer gestorben sind. Die Liturgiefarbe Weiß steht, so könnte man sagen, für erfreuliche Ereignisse im Jahreskreis und nicht so sehr für Tage der Besinnung oder Trauer.
So feiert die Kirche an ALLERHEILIGEN tatsächlich alle Heiligen, die bekannten und die unbekannten in ihrer für uns Menschen unüberschaubaren Zahl.
Einen sehr interessanten Hinweis bietet uns der Volksschott aus dem Jahre 1961 zur Feier der Heiligen Messe in der bis in die 60er Jahre üblichen Form. Dort heißt es zu ALLERHEILIGEN:
„Dieses Hochfest gegen Ende des gottesdienstlichen Jahres ist ein feierlicher Dank an Gott den Heiligmacher für die Fülle der Gnaden und Tugendfrüchte aller Heiligen. Es ist auch eine gebührende gemeinsame Ehrung der unzähligen Heiligen; denn jedem einzelnen ein eigenes Fest zu widmen, ist unmöglich. Wir bezeugen ferner unsre Mitfreude an der ewigen Freude aller Heiligen und werden zugleich angespornt, zu ihrer Nachahmung; auch wird ins uns die Sehnsucht danach geweckt, einmal Anteil an ihrem Himmelsglück zu bekommen. Dabei ermutigt uns das Fest zum Vertrauen im Ringen nach den Verheißungen Christi.“
Einen starken Hinweis in Richtung des Grundgedankens von ALLERHEILIGEN finden wir nicht zuletzt schon im neutestamentlichen Buch der Geheimen Offenburg (des Johannes), auch genannt das Buch der Apokalypse. Dort können wir u.a. lesen:
„(7,9) Danach sah ich und siehe,
eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen;
niemand konnte sie zählen. Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm,
gekleidet in weiße Gewänder, und trugen Palmzweige in den Händen.
(10) Sie riefen mit lauter Stimme und sprachen:
Die Rettung kommt von unserem Gott,
der auf Thron sitzt, und von dem Lamm.“
Schon im alttestamentlichen Buch der Weisheit heißt es verheißungsvoll:
„(3,1) Die Seelen der Gerechten aber sind in Gottes Hand
und keine Folter kann sie berühren. . . .
(6) Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt
und wie ein Ganzopfer sie angenommen.
(7) Zur Zeit ihrer Heimsuchung werden sie aufleuchten
wie Funken die durch ein Stoppelfeld sprühen. . . .
(9) Alle, die auf ihn vertrauen, werden die Wahrheit erkennen
und die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe.
Denn Gnade und Erbarmen werden seinen Heiligen zuteil
und Rettung seinen Erwählten.“
Die von der Kirche anerkannten, gewissermaßen offiziellen, Heiligen können gerade als praktische Vorbilder dienen. So mag verdeutlichen der heilige Leopold, die heilige Margareta von Schottland, das heilige Kaiserehepaar Heinrich II. und Kunigunde, dass man/frau auch in der Politik Gutes tun kann und sich nicht korrupt aufzuführen braucht. Der heilige Thomas Morus verkörpert die Verbindung von Gelehrsamkeit, Familienleben, Kampf gegen Korruption und die Bereitschaft, sich einem tyrannischen Regime in Treue zur Kirche entgegenzustellen. Ähnlich verdeutlicht das Beispiel des heiligen Anselm von Canterbury, wie lobenswert intellektuelle Anstrengung ist und dass man sich nicht vom Glanz irdischer Machthaber wie dem des englischen Königtums blenden und korrumpieren lassen soll.
Viel, viel größer ist, wie in der Bibel eben schon angedeutet ist, die Zahl der mehr oder minder unbekannten Glaubenszeugen, Märtyrer, Heiligen. Die Schätzung bezüglich der Märtyrer und Märtyrerinnen der Japanischen Christenverfolgung vom 16. zum 17. Jahrhundert allein geht an die 200.000! Das Filmdrama Silence, zu Deutsch Schweigen, von Martin Scorsese von 2016 wirft ein Schlaglicht auf diese in Europa weitgehend vergessene gewaltige Christenverfolgung. Es ist klar, dass die allermeisten Märtyrer dieser Verfolgung zu den unbekannten Heiligen zählen. So verhält es sich auch mit den ungezählten Opfern englischer Katholikenverfolgung allein schon in Irland, in Wales, Schottland und eben England einschließlich Cornwall. Immerhin gab es in den letzten Jahren manche Initiative, diese Massenmartyrien wieder ins Gedächtnis zu rufen. So wurde in Cornwall für die dortigen Opfer von Widerstand und Verfolgung ein bemerkenswertes Denkmal errichtet und die offizielle britische Rundfunk- und Fernsehanstalt BBC thematisierte, wie sehr in Schottland das Ringen um kulturelle Selbstbehauptung, politische Freiheit und Treue zur katholischen Kirche in der Auseinandersetzung mit britischer Herrschaft samt Religionspolitik für sehr viele Menschen Hand in Hand gingen. Auch hier ist von einer unbekannten Zahl der Blutzeugen und Blutzeuginnen auszugehen. Diese Reihe lässt sich fortsetzen. Denken wir nur an die Verfolgung der unierten katholisch-ukrainischen Kirche seit den Tagen des Zarentums und dann besonders heftig in den Tagen der Sowjetunion.
So bieten die offiziellen Heiligen eben einen Ausschnitt aus der Gemeinschaft der Heiligen, auf deren Fürsprache wir hoffen dürfen und die uns immer wieder anfeuern mögen, in den eigenen Anstrengungen, im Glauben festzustehen, Gutes zu tun und Böses zu unterlassen.
1. Lesung: Offb 7,2-4.9-14
2. Lesung: 1 Joh 3,1-3
Evangelium: Mt 5,1-12a
Gedanken zur Woche 34-b, Dr. Matthias Martin
ALLERSEELEN - 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Da ist er also, der besondere Tag für das Gedenken an die lieben Verstorbenen: ALLERSEELEN. Passend zu dem sehr ernsten, besonders besinnlichen Anlass ist die liturgische Farbe das ernste Violett oder Schwarz. Im Internet auf ministrantenportal.de ist Schwarz bei der Übersicht über die liturgischen Farben berücksichtigt und es heißt u.a.:
„Schwarz ist die Farbe der Trauer und des Todes, aber auch von vornehmer Festkleidung. Sie wird zur Beerdigung getragen oder als feierliches Gewand für große Ministranten und Lektoren, dann meist mit weißem Chorhemd/Rochett. Oft wird statt Schwarz auch Violett genommen. . . . In den letzten Jahren wurde diese Farbe von vielen Liturgen wieder entdeckt. Einige Zeit wurden schwarze vor allem durch violette Gewänder ersetzt. Auch an Allerseelen kann Schwarz getragen werden.“
In der offiziellen Allgemeinen Einführung zum Messbuch für die nachkonziliare Liturgie wird klargestellt, dass Schwarz bei der Liturgie für Verstorbene verwendet werden kann (Abschnitt 308, Unterpunkt e).
Dass es bei ALLERSEELEN um das Beten, die Heilige Messe feiern und generell um das Gedenken für die lieben Verstorbenen geht, macht die überlieferte lateinische Bezeichnung für diesen Tag, der ja am 2. November begangen wird, deutlich. Die lateinische Bezeichnung für ALLERSEELEN lautet sowohl im Volksschott in der Ausgabe unter Papst Johannes XXIII. wie im Missale Romanum „In Commemoratione Omnium Fidelium Defunctorum“. Dies bedeutet, dass es um Gedenken an, die Gedenkfeier für alle verstorbenen Gläubigen geht. Dieses Gedenken an die Verstorbenen ist nicht einfach eine intellektuelle Angelegenheit. Dieses Gedenken an die Verstorbenen, das Feiern der Heiligen Messe für sie hat vielmehr eine enorme spirituelle, religiöse Tiefe, es ist eine Angelegenheit der Seele, des menschlichen Herzens.
Dabei gehört es über das ganze Jahr hin zu den sieben geistigen Werken der Barmherzigkeit, für die Lebenden wie auch für die Verstorbenen zu beten. Es ist als eines der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit anerkannt, die Toten zu begraben. In diese Richtung werden wir besonders stark schon durch das alttestamentliche Buch Tobit gewiesen. Auch an anderen zahlreichen Stellen des Alten/Ersten Testaments wird deutlich, welch gute Tat es ist, einem Verstorbenen ein ehrenvolles Begräbnis zu bereiten. Das Abhalten eines Gottesdienstes, heute sagt man gerne, das Feiern der Heiligen Messe, für Verstorbene wird uns besonders augenfällig durch das 2. Buch der Makkabäer nahegebracht, wo es vor dem Hintergrund des Todes von Angehörigen des jüdischen Heeres heißt:
„(12,42) Anschließend hielten sie einen Bittgottesdienst ab und beteten,
dass die begangene Sünde wieder völlig ausgelöscht werde.
Der edle Judas aber ermahnte die Leute, sich von Sünden rein zu halten;
sie hätten ja mit eigenen Augen gesehen,
welche Folgen das Vergehen der Gefallenen gehabt habe.
(43) Er veranstaltete eine Sammlung, an der sich alle beteiligten,
und schickte etwa zweitausend Silberdrachmen nach Jerusalem,
damit man dort ein Sündopfer darbringe.
Damit handelte er sehr schön und edel; denn er dachte an die Auferstehung.
(44) Denn hätte er nicht erwartet, dass die Gefallenen auferstehen werden,
wäre es überflüssig und sinnlos gewesen, für die Toten zu beten.
(45) Auch hielt er sich den herrlichen Lohn vor Augen,
der für die hinterlegt ist, die in Frömmigkeit entschlafen.
Ein heiliger und frommer Gedanke! Darum lief er die Toten entsühnen,
damit sie von der Sünde befreit werden.“
Gerade wieder in jüngster Zeit werden diese Verse aus dem Zweiten Buch der Makkabäer über konfessionelle Grenzen hinweg mit ernstem Interesse wahrgenommen. Nicht umsonst erfreuten sich überhaupt die beiden Makkabäerbücher in den frühen Jahrhunderten der Christenheit besonderer Wertschätzung.
Dabei wird der Verstorbenen grundsätzlich in jeder heiligen Messe gedacht. Blickt man in das bei uns meist verwendete Deutsche Messbuch, so findet man das Gebet für die Verstorbenen in allen dort abgedruckten vier Hochgebeten.
So heißt es im Ersten Hochgebet, auch genannt Römischer Messkanon:
„Gedenke auch deiner Diener und Dienerinnen (N. und N.)
die uns vorausgegangen sind, bezeichnet mit dem Siegel des Glaubens,
und die nun ruhen in Frieden.
Wir bitten dich: Führe sie und alle, die in Christus entschlafen sind,
in das Land der Verheißung, des Lichtes und des Friedens.“
Im Zweiten Hochgebet ist die Formulierung zu finden:
„Gedenke (aller) unserer Brüder und Schwestern,
die entschlafen sind in der Hoffnung, dass sie auferstehen.
Nimm sie und alle, die in deiner Gnade aus dieser Welt geschieden sind,
in die Reich auf, wo sie dich schauen von Angesicht zu Angesicht.“
Im Dritten Hochgebet lautet es:
„Erbarme dich (aller) unserer verstorbenen Brüder und Schwestern
und aller, die in deiner Gnade aus dieser Welt geschieden sind.
Nimm sie auf in deine Herrlichkeit. Und mit ihnen lass auch uns,
wie du verheißen hast, zu Tische sitzen in deinem Reich.“
Im Vierten Hochgebet heißt es u. a.:
„Wir empfehlen dir auch jene, die im Frieden Christi heimgegangen sind,
und alle Verstorbene, um deren Glauben niemand weiß als du.“
So sind wir stets eingeladen, an allen Tagen des Jahres der Verstorbenen zu gedenken. ALLERSEELEN ist dafür ein besonderer Kristallisationspunkt.
Gedanken zur Woche 33, Dr. Matthias Martin
30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
„Man sieht den Wald vor Bäumen nicht“ ist eine bekannte Redensart. So droht im menschlichen Leben immer wieder die Gefahr, wegen der Fülle oder sogar Überfülle von Eindrücken, die Übersicht, den Blick auf das größere Ganze zu verlieren, sich in Einzelheiten zu verzetteln. Ein Wust an Einzelbestimmungen und Aussagen wird gerade im Rechtswesen wie im kirchlichen Leben einschließlich des Kirchenrechts immer wieder beklagt bzw. sorgt gerade heutzutage für Verwirrung. So heißt es kritisch auf Seite 11 des von Ludger Müller und Christoph Ohly gemeinsam erarbeiteten Studienbuches „Katholisches Kirchenrecht“:
„Wie oftmals in der heutigen Gesellschaft kommt es auch in der Kirche einerseits zu einem Übermaß an rechtlichen Regelungen, andererseits aber zumindest in der allgemein herrschenden Rechtserfahrung zu einer Trennung des Rechts von wesentlichen Gehalten moralischer und religiöser Art. Das Recht breitet sich immer mehr aus und scheint zugleich immer beliebiger zu werden. Diese Entwicklung führt das Recht in die Krise.
Die hier umrissene Erfahrung gilt für weltliches ebenso wie für das kirchliche Recht.“
Recht deutlich heißt es wenig später auf den Seiten 11-12 desselben Werkes:
„Ein hervorragendes Beispiel ist die Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, die eine hohe Anzahl an Neuregelungen hervorgebracht hat.
Kennzeichnend hierfür ist die von Heribert Schmitz herausgegebene Reihe „Nachkonziliare Dokumentation“ mit gesamtkirchlichen Reformdokumenten, deren abschließender Indexband die Bandzahl 58 trägt, die aber immer noch durch weitere Allgemeindekrete, Ausführungsverordnungen usw. hätte ergänzt werden können. Zur nachkonziliaren Gesetzgebung des Apostolischen Stuhles kommt eine umfassende teilkirchliche Gesetzgebung hinzu . . .“.
Der Blick bei solchem Wust mit 58 Bänden allein bei einer Sammlung auf das wirklich Wichtige, Konzentration auf das Grundlegende ist heutzutage da umso wichtiger. So verdient die Frage des jüdischen Gesetzeslehrers im Sonntagsevangelium mit Blick auf das damalige jüdische Gesetz um so mehr Beachtung, welches denn das wichtigste Gebot in diesem Gesetz sei, welches sich im Vergleich zu der soeben angesprochenen Situation in der nachkonziliaren Kirche durch eine außerordentliche Kürze, überschaubare Knappheit und Straffheit in Aufbau und Formulierung auszeichnete. Jesus Christus, auch genannt von Nazaret, gab dazu eine bemerkenswerte und ihrerseits sehr knappe Antwort. Er betonte, dass das wichtigste die Gottesliebe und genauso auch die Nächstenliebe ist:
„(22,37) . . . Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken. (38). Das ist das wichtigste und erste Gebot. (39) Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. (40) An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“
Interessant ist, dass beide Gebote direkt Zitate aus dem Alten Testament, dem Ersten Testament der Bibel, sind. Beide sind dort sogar recht weit vorne zu finden. Das Gebot zur Gottesliebe steht dementsprechend im Buch Deuteronomium und das Gebot zur Nächstenliebe im Buch Levitikus. Damit verdeutlicht sich zugleich die unaufhebbare Bedeutung des Alten/Ersten Testamentes. Dies gilt umso mehr, da wir dort immer wieder wertvolle Beispiele finden, wie Gottes- und Nächstenliebe miteinander zu verwirklichen sind. Manche und mancher mag überrascht sein, etwa im Buche Tobit Aussagen zu finden, die er bzw. sie „erst“ im Neuen, dem Zweiten, Testament erwartet hätte. Das ebenfalls alttestamentliche Buch Jesus Sirach wie der neutestamentliche Jakobusbrief mögen besonders interessant sein, wenn es jemanden um soziale Gerechtigkeit und Einsatz für Notleidende geht. Dasselbe gilt ganz besonders auch für Passagen im Lukas- und Matthäusevangelium. Im Lukasevangelium finden wir das vielleicht berühmteste Gleichnis in der Bibel überhaupt, das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (10,25-37). Richtig scharf ist dann das Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus formuliert (16,19-31). Auffallend ist hier eigens der starke ausdrückliche Bezug zum Alten/Ersten Testament. So heißt es u.a.:
„(16,29) Abraham aber sagte: Sie haben Mose und die Propheten,
auf die sollen sie hören. . . .
(31) Darauf sagte Abraham zu ihm:
Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören,
werden sie sich auch nicht überzeugen lassen,
wenn einer von den Toten aufersteht.“
Es ist nicht zuletzt dieses Lukasevangelium, in welchem mitunter mit ironischem Unterton Machtmissbrauch und Selbstgefälligkeit thematisiert werden. Dabei war dies bereits im Alten/Ersten Testament ein Thema. Schon dort wurden vor der Einführung des Königtums gewarnt und Verfehlungen, ja Verbrechen, von Königen ins grelle Licht scharfer Kritik gestellt. Man erinnere sich da z. B. an die Versammlung der Bäume im Buch der Richter (Gedanken zur Woche 18) und das Schicksal des Weinbergbesitzers Nabot als Opfer des Königs Ahab im Ersten Buch der Könige (Gedanken zur Woche 26). Auch König Salomo wurde schon im Alten/Ersten Testament nicht vor Kritik verschont, wie wiederum das Erste Buch der Könige verdeutlicht (Gedanken zur Woche 20).
Dabei ist ja die Bibel in ihrer Gesamtheit mit den verschiedenen Schriften des Alten/Ersten und des Neuen/Zweiten Testamentes doch sehr kurz im Vergleich zu der oben erwähnten Reihe mit den 58 Bänden zu kirchlichen Beschlüssen seit dem II. Vatikanischen Konzil.
1. Lesung: Ex 22,20-26
2. Lesung: 1 Thess 1,5c-10
Evangelium: Mt 22,34-40
Gedanken zur Woche 33-b, Dr. Matthias Martin
30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Was in dieser letzten Oktoberwoche 2020 nicht zuletzt für eine Pfarrgemeinde auf dem Programm steht, mag bei manchem Fragen aufwerfen, ja für Verwirrung sorgen.
So feiert die Kirche am 28. Oktober das Fest der beiden Apostel Simon und Judas. „Judas?!“ „Apostel Judas?!“ „Der soll in der Kirche mit einem liturgischen Fest geehrt werden?! Das muss doch der sein, welcher Jesus Christus für die 30 Silberlinge verraten hat und der manchmal als ˂Sohn des Verderbens˃ bezeichnet wird.“ Solche Gedanken mögen manchem durchaus wohlmeinenden Menschen spontan in den Sinn kommen.
In Zusammenhang mit dem Judas aus dem Apostelkreis, welcher der biblischen Überlieferung zufolge nach dem Letzten Abendmahl Jesus von Nazaret an seine Feinde auslieferte, wurde ja der Name Judas für sich schon zu einem Schimpfwort. Jemanden als einen „Judas“ zu bezeichnen meint oft, dass der so bezeichnete eine besonders miese Person sein müsse. Gerade wenn jemand als übler Verräter gebrandmarkt werden soll, wird der Eigenname Judas als Schimpfwort verwendet. In Zusammenhang mit den erwähnten 30 Silberlingen wurde das Wort „Judaslohn“ zu einem feststehenden, negativ besetzten, Ausdruck. Gemeint ist damit die Gegenleistung, die jemand für seinen Verrat bekommen haben soll. Sei dies nun Bargeld, eine berufliche Position oder etwa ein politisches Amt. In diesem Sinne wird mitunter auch die Wortzusammensetzung „30 Silberlinge“ in einem vorwurfsvollen Sinne verwendet. Dass ein typische Verräter „Judas“ genannt wird, geht bis in den Bereich der Spielfilme hinein.
Dabei trug beleileibe nicht nur der Verräter aus dem Apostelkreis diesen Namen. Vielmehr war Judas ein im Judentum weit verbreiteter Männernamen. So begegnet uns in den beiden Makkabäerbüchern des Alten/Ersten Testaments bereits ganz intensiv ein Mann mit eben dem Namen Judas. Dieser Judas wurde der Makkabäer genannt, erhielt den Beinamen Makkabäer (1 Makk 2,4). Genau dieser Judas wurde zum Anführer des jüdischen Freiheitskampfes gegen die Unterdrückung und religiöse Verfolgung durch das Königshaus der Seleukiden. In der Einführung der neuen Deutschen Einheitsübersetzung für die beiden Makkabäerbücher heißt es u.a.:
„Der Name ˂Makkabäer˃ (Hammer) ist ein Ehrentitel von Judas, dem Haupthelden der Erzählungen in beiden Büchern. Dieser Ruhmestitel wurde wie ein Familienname auch auf seinen Vater und seine Brüder übertragen.“
Zu Beginn des dritten Kapitels des Ersten Makkabäerbuchs findet sich eigenes Preislied auf diesen Judas, welches mit den Worten beginnt:
„(3,1) An seine Stelle trat sein Sohn Judas mit dem Beinamen der Makkabäer.
(2) Alle seine Brüder unterstützten ihn, wie auch alle,
die sich seinem Vater angeschlossen hatten.
Freudig kämpften sie den Kampf für Israel.
(3) Er machte sein Volk weithin berühmt . . .“.
Judas Makkabäus fand auch einen starken Niederschlag in den Künsten, in der Musik ebenso wie in der bildenden Kunst und in der Literatur.
Im Neuen/Zweiten Testament begegnen dann allein zwei Apostel mit demselben Namen Judas. Von diesen wird der eine oft Judas Thaddäus genannt, der andere Judas Iskariot, von dem es heißt, dass er Jesus verraten hat und der dementsprechend der besonders bekannte und berüchtigte ist. Von Judas Iskariot stammt dementsprechend auch nicht der zum Neuen/Zweiten Testament gehörende Judasbrief. Dieser ist heutzutage ziemlich in Vergessenheit geraten. Ich habe es einmal bei einem Praktikum in Nordbayern erlebt, dass engagierte Katholikinnen regelrecht aufgebracht waren, als ich sie über die Existenz dieses Judasbriefes in Kenntnis setzte. In dieser Gruppe von Katholikinnen wurde fälschlich gemeint, dieser Brief könne nur vom Verräter-Judas stammen. Ich konnte diese Irritation dann rasch bereinigen.
Dieser Judasbrief ist eine der vier ganz kurzen Briefe im Neuen/Testament, die nur über wenige Verse verfügen und nicht in Kapitel unterteilt sind. Wie für den Judasbrief gilt dies auch für den Zweiten und den Dritten Johannesbrief sowie für den Philemonbrief. In dem ja umfangreicheren Alten/Ersten Testament gibt es nur eine Schrift mit wenigen Versen ohne Kapiteleinteilung. Hierbei handelt es sich um das Buch des Propheten Obadja.
Die katholische Kirche hat die volle Zugehörigkeit des Judasbriefes zur Bibel immer verteidigt. Dies geschah schon in den frühen Tagen der Christenheit und wurde dann nicht zuletzt auf den Konzilien von (Basel – Ferrara -) Florenz und Trient bekräftigt. Auch das Zweite Vatikanische Konzil liegt auf dieser Linie. Umso mehr mag das Fest der Apostel Simon und Judas ein guter Anlass sein, das Interesse an der Bibel und da gerade auch am Judasbrief wieder zu fördern.
Genauso ist natürlich jedes Missverständnis zu vermeiden, wenn man zum 26. Oktober kommt. Dieser heutzutage gerne als Nationalfeiertag bezeichnete Tag wurde vor allem früher auch Tag der Fahne oder Staatsfeiertag genannt. Er ist kein kirchlicher Feier- oder Festtag. An ihm kann nach der heutzutage meist verwendeten Form der Liturgie die Messe vom normalen Tag im Jahreskreis gefeiert werden mit der liturgischen Farbe Grün. Es ist auch möglich das Messformular „Für Heimat und Vaterland und die bürgerliche Gemeinschaft“ und das „Um Frieden und Gerechtigkeit“ mit jeweils der liturgischen Farbe Weiß zu verwenden. werden. Jede parteipolitische Polemik, jede politische Einpeitscherei, sollte in Zusammenhang mit diesem Tag gerade im kirchlichen Bereich vermieden werden. Bezeichnenderweise hat sich die Kirche bei der vor Jahren heftig geführten Diskussion um die Änderung des Textes der Bundeshymne bewusst sehr zurückgehalten. Bei politischen Angelegenheiten lassen sich Meinungsverschiedenheiten nicht vermeiden. Auf internationaler Ebene können sich nicht einmal die ständigen Mitgliedsstaaten des UN-Sicherheitsrates einigen, welche Staaten insgesamt anzuerkennen sind und welche nicht. Grenzkonflikte gibt es in den verschiedenen Teilen der Welt, oftmals zum Glück ohne Gewaltanwendung. Die Kirche und damit jede Katholikin und jeder Katholik ist bei etwaigen Konflikten aufgerufen, im Rahmen der eigenen Möglichkeiten Frieden und Verständigung zu unterstützen.
Gedanken zur Woche 32, Dr. Matthias Martin
29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Wenn die Kirche den WELTMISSIONSSONNTAG begeht, so hakt sie nicht einfach irgendeinen Termin am Kalender ab. Nein, ganz im Gegenteil! Als Gemeinschaft begeht sie vielmehr die Bewusstmachung ihres eigenen Wesens, ist doch die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch. Hinweise zur Offenheit auf andere Völker hin, ja die Integration von Menschen bis ganzen Bevölkerungsgruppen in den hebräischen-israelitischen Religionsverband finden wir schon im Alten Testament, dem Ersten Testament. Jesus hat auf dieses Heranholen von Menschen aus anderen Völkern im Alten Testament selber ausdrücklich Bezug genommen. Dies geschah besonders in jener Rede, welche mitunter sogar „Die Antrittsrede in Nazaret“ genannt wird. Darin setzte sich dem Lukasevangeliums zufolge Jesus, oft ja mit dem Beinamen „von Nazaret“ versehen, in der Synagoge von Nazaret mit dortigen Einheimischen auseinander und meinte:
„(4,25) Wahrhaftig, das sage ich euch:
In Israel gab es viele Witwen in den Tagen des Elija,
als der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war
und eine große Hungersnot über das ganze Land kam.
(26) Aber zu keiner von ihnen wurde Elija gesandt,
nur zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon.
(27) Und viele Aussätzige gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elischa.
Aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman.“
Man erinnere sich auch (Gedanken zur Woche 16), dass nach dem Buch Rut die wohlgemerkt moabitische Titelheldin zur Stammmutter des israelitischen Könighauses und das betreffende Buch des Alten/Ersten Testaments nach ihr benannt wurde. Im Neuen/Zweiten Testament wird solche Ausrichtung dann fortgeführt bis hin zum Allgemeinen Missionsbefehl. Dessen berühmteste Formulierung finden wir wohl am Ende des Matthäusevangeliums:
„(28,18) . . . Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde.
(19) Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern;
tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
(20) und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.
Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Dies wird auch verstärkt durch die Aussage im Galaterbrief:
„(3,28) Es gibt nicht mehr Juden und Griechen,
nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich;
denn ihr alle seid einer in Jesus Christus.“
So ist die Verkündigung des Evangeliums zusammen mit der Sakramentenspendung, angefangen mit der Spendung des Taufsakramentes, die dauernde Aufgabe der Kirche. Verbunden ist damit eine bunte Vielfalt an weiteren Aktivitäten, etwa der Förderung von Bildung und Wissenschaft und natürlich des sozialen Engagements in einem sehr breiten Sinne. Hinzukommt der direkte bis manchmal eher konfrontative Einsatz für moralisch-ethische Inhalte. Zu nennen sind hier gerade der Kampf gegen die Sklaverei wie der Einsatz für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Ehe. Wie auch in der Amtszeit von Papst Franziskus verdeutlicht wurde, beinhaltet christliche Familienarbeit, generell ein christliches Glaubens- bzw. Lebenszeugnis, den Einsatz gegen alle Formen von Brautkauf und erzwungener Eheschließung wie auch gegen Drogenabhängigkeiten.
In der Weltmission wirkt sich die verfassungsmäßige Ordnung der katholischen Kirche aus und wird von ihr her mit Leben erfüllt und immer wieder bestärkt. So versteht sich ja die katholische Kirche bewusst als Weltkirche und lehnt ein Staats- bzw. Nationalkirchenwesen ab. Bei in der Mission tätigen Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften sehen wir immer wieder diese bewusst grenzüberschreitende Ausrichtung. Oft leben Bewerber und Mitglieder solcher Institute aus verschiedenen Ländern und Kulturkreisen in derselben örtlichen Gemeinschaft, demselben Haus, zusammen. Angehende Mitglieder durchlaufen in einigen Instituten ihre Ausbildung hintereinander in verschiedenen Ländern, ja auf verschiedenen Kontinenten. Natürlich gehört es zu den Aufgaben des Papstamtes, die weltweite Mission anzuregen und zu unterstützen. Der grenzüberschreitende Charakter der katholischen Kirche zeigt sich eigens eben auch im Status des Heiligen Stuhles als Völkerrechtssubjekt eigener Art und in der Unabhängigkeit des Vatikanstaates, der mit dem Heiligen Stuhl in praktischer Hinsicht intensiv verbunden ist, aber mit ihm als solches nicht identisch ist. Wie auch und manchmal gerade von nichtkatholischer Seite betont wurde und wird, ist die Unabhängigkeit von Heiligem Stuhl und Vatikanstaat sehr bedeutsam, viele meinen unerlässlich. Geht es doch heute wie einst darum, sich vom italienischen Staat und den Absichten der dort jeweils herrschenden Kreise und deren etwaiger Verbündeter glaubwürdig abzugrenzen. So darf auch die Weltmission nicht in das Fahrwasser wirtschaftlicher und politischer Ambitionen Italiens bzw. gewisser italienischer Kreise geraten. Dementsprechend waren es in der Vergangenheit immer wieder Päpste, welche die offizielle italienische Politik einer heftigen Kritik unterzogen haben.
Auf der anderen Seite bietet die Weltmission die Möglichkeit, Schwestern und Brüder in aller Welt zu unterstützen. Der Weltmissionssonntag soll solche praktische Unterstützung und das allgemeine Gefühl der weltkirchlichen Verbundenheit fördern, am Leben erhalten und jeweils praktische Wirklichkeit werden lassen. In der Pfarrgemeinde zum heiligen Nikolaus in Stein ist man sich dessen bewusst. So wird dort etwa durch Predigt und den Einsatz gedruckter Texte, durch Plakatieren und den Verkauf von Missionspralinen die weltweite Mission mitgetragen und unterstützt.
1. Lesung: Jes 45,1.4-6
2. Lesung: 1 Thess 1,1-5b
Evangelium: Mt 22,15-21
Gedanken zur Woche 32-b, Dr. Matthias Martin
29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Dass in Anschluss an den diesjährigen WELTMISSIONSSONNTAG direkt am nächsten Tag der kanadischen Märtyrer gedacht wird hat seine eigene Aussagekraft. Es macht deutlich, dass Begriffe wie Weltmission, Missionsauftrag, missionarisches Wesen der Kirche und dergleichen nicht nur schöne Worte sind. Sie besitzen vielmehr ihre unauslöschliche Bedeutung im Leben echter Menschen, spätestens seit Vertreter des Urchristentums von Jerusalem aus aufbrachen, um die Frohe Botschaft in die Welt hinauszutragen.
Ich erinnere mich, wie mir während meines Studiums der Kunstgeschichte in Innsbruck im Rahmen der praktischen Übungen unter Einsatz von Museums- wie Kirchenbeständen ein ganz bestimmtes Bild nahegebracht wurde. Es stellte die Apostel dar, wie sie nach ihrem angenommenen letzten Treffen in Jerusalem in die verschiedenen Himmelsrichtungen aufbrachen, um dorthin die Botschaft Jesu Christi zu bringen.
Später brachen dann nach der Christianisierung ihrer eigenen Heimat europäische Christinnen und Christen auf, um das Evangelium nach und nach in weiteren Weltgegenden zu verbreiten. Schließlich kamen auch die riesigen Gebiete, die man heute Kanada nennt, in den Blick solcher Missionare und Missionarinnen, gerade von Ordensleuten. Zu ihnen gehörte Jean de Brébeuf. Beim indianischen Kulturvolk der Huronen gründete er Missionsstationen und verfasste in der Sprache dieses Volkes ein Wörterbuch, eine Grammatik und einen Katechismus. Wenn man vom Volk der Huronen hört, soll man nicht britischer Hass- oder Horrorpropaganda aufsitzen. Huronen waren nicht jene heimtückischen Bestien, als die sie von britischer Seite dargestellt wurden. Vielmehr wurden sie selber Opfer insbesondere britischer und wohl zu einem gewissen Anteil auch niederländischer Politik, was die meisten von ihnen nicht überlebten. Wie sehr die oft zum katholischen Glauben bekehrten Huronen dann tatsächlich als Bösewichte dargestellt wurden, erinnert an den Spruch „Der Sieger schreibt die Geschichte“. Die Huronen waren nicht die Sieger der Geschichte. Vielmehr waren das die Briten, denen es im Rahmen des bei uns so bezeichneten Siebenjährigen Krieges gelang, die mit den Huronen verbündeten Franzosen als politische-militärische Macht ganz aus Nordamerika zu verdrängen.
Noch heute ist die britische Königin offizielles Staatsoberhaupt Kanadas, welches nach und nach durch den Zusammenschluss verschiedener Gebiete zum jetzigen Staatsverband heranwuchs und sich in einem langwierigen und komplizierten Prozess Politik und Wirtschaft von Großbritannien emanzipieren konnte. Bezeichnenderweise legte der sonst so diplomatisch zurückhaltende, ja mitunter als ängstlich kritisierte, Papst Benedikt XVI. bei seinem USA-Besuch 2008 Wert darauf, dass die Katholiken im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg sich sehr gegen Großbritannien engagierten und die erlangte Unabhängigkeit der bisherigen 13 Kolonien dann einen enormen Sprung nach vorne für die katholische Kirche brachte. Es verbesserte auch die Position der Katholiken und anderer Menschen in den damals bei Großbritannien verbleibenden Gebieten im heutigen Kanada. Britischerseits konnte man sich dort nicht mehr gar so rabiat aufführen, stand im Süden doch eine Macht, welche die Briten bereits in den einstigen 13 Kolonien und dann 13 Gründerstaaten der USA samt westlich davon gelegenen Gebieten hinausgeworfen hatte. Der in Europa vergessene Krieg von 1812 der USA gegen die britischen Positionen im heutigen Kanada machte dies eindrucksvoll deutlich. Dazu folgten lange weitere Spannungen und Konflikte zwischen Briten und den USA gerade in Nordamerika. Dies half die Position der katholischen Kirche etwa in der kanadischen Provinz Quebec erheblich zu konsolidieren. Besondere Bedeutung kam hierbei vor Ort Ordensschwestern zu. Auch konnte Mission unter verschiedenen Volksgruppen betrieben werden. Nach dem II. Weltkrieg kamen nicht zuletzt als Flüchtlinge Ukrainer und Deutsche nach Kanada, von denen viele katholisch waren. In Zusammenhang mit der Synode in Rom 1985 wies das deutsche Fernsehen auf diesen Umstand hin und stellte einen ukrainischen Erzbischof mitten in Kanada vor, der akzentfrei Deutsch sprach.
Im Geiste der später die kanadischen Märtyrer genannten mutigen Missionare bleibt es natürlich Aufgabe der katholischen Kirche, geraden für die Rechte der Ureinwohner einzutreten. Dies unterstrich auch Papst Johannes Paul II. bei seinen Besuchen in Kanada. Die Regierung des amtierenden Ministerpräsidenten Justin Trudeau räumte furchtbare gegen die Ureinwohner gerichtete Vorfälle ein, die noch in geschichtlich jüngster Zeit geschehen sind. Leider haben sich da auch manche katholischen Kirchenleute schlimm verhalten und standen auf der falschen Seite. Sexueller Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter ist auch in Kanada vorgekommen. Geld und das Streben nach dem Wohlwollen der meist englischsprachigen Oberschicht verführten auch Katholikinnen und Katholiken gerade in den letzten Jahrzehnten dazu, den Angehörigen der ursprünglich das heutige Kanada bewohnenden Völker Schlimmes anzutun. Man hat es sich halt fein richten, Spaß und persönlichen Gewinn sichern wollen. Was da mitunter inzwischen ans Licht kam, kann Wut und Entsetzen hervorrufen. Mit so etwas wurde auch das Erbe der sogenannten kanadischen Märtyrer verraten. Deren Gedenken mag aufrütteln gegen Missbrauch und Verdrehung christlicher Inhalte Stellung zu beziehen. Es mag ein Anstoß sein, in dieser Welt auf der Seite von Verfolgten und Unterdrückten zu stehen, anstatt sich mit den Tätern zu arrangieren bzw. selber zum Mittäter zu werden. Man sollte sich da nicht verführen lassen vom Glanz der britischen Monarchie als offizielle Staatsspitze Kanadas, Nordirlands etc. Schon vor einigen Jahren warnte die offizielle britische Rundfunk- und Fernsehanstalt BBC, selbst das Band zwischen Monarchie und Bevölkerung mitten in Großbritannien sei keine als sicher gegebene Angelegenheit. Die mit der britischen Monarchie insbesondere historisch so eng verbundene offizielle anglikanische Kirche in Kanada könnte einer eigenen Prognose zufolge um 2040 bereits ausgestorben sein. Wohlgemerkt: einer eigenen Prognose zufolge! Gespalten haben sich die Anglikaner in Kanada wie in anderen Teilen der Welt eh schon mehrfach. Da hilft offensichtlich dann auch keine britische Königin mehr.
Umso wichtiger ist, sich auf die Worte der Bibel und das Leben und Sterben von Märtyrern zu besinnen, wie denen, welche heute als die kanadischen Märtyrer bezeichnet werden.
Gedanken zur Woche 31, Dr. Matthias Martin
28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Die jetzige Zeit stellt eine außerordentliche Herausforderung für alle dar, für die bzw. den Einzelnen, für die Familien, für die öffentliche Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung bis zur internationale Ebene hinauf und nicht zuletzt auch für Kirchen und andere Religionsgemeinschaften.
Da gilt es immer wieder einen richtig verstandenen Kompromiss zu finden, im Sinne des auch in katholischer Überlieferung hoch verehrten antiken Philosophen Aristoteles die richtige Mitte im Handeln zwischen den Extremen zu finden. Manche Entscheidung, manche Bemühung gerade in Zeiten wie diesen ist der aufrichtige Versuch, das geringere Übel herauszufinden und irgendwie zu verwirklichen. Nicht umsonst hat der, seinerseits gerade auf den noch nicht zum Christentum gehörenden Aristoteles zurückgreifende, außerordentlich wichtige katholische Kirchenlehrer und Philosoph Thomas von Aquin sich zur Thematik des geringeren Übels geäußert. Die Unverzichtbarkeit rationaler Überlegung, forschender Geistestätigkeit wurde in der christlichen Überlieferung wie auch außerhalb von ihr immer wieder betont.
In diesem Sinne hat die Pfarrgemeinde zum heiligen Nikolaus in Stein an der Donau sich entschieden, unter Sicherung eines möglichst guten Schutzes der Gesundheit aller Beteiligten, gottesdienstliches Leben samt einer verlässlichen Sakramentenspendung anzubieten. Dies geschieht unter gewissenhafter Beachtung der jeweils geltenden Regelungen wie sie namentlich in der Zusammenarbeit von Bischofskonferenz und Bundesregierung ausgearbeitet wurden und von Zeit zu Zeit aktualisiert bzw. modifiziert werden.
So finden an diesem Sonntag, dem 11. Oktober 2020 in der Pfarrkirche zum heiligen Nikolaus drei heilige Messen statt und dazu bereits eine Vorabendmesse am vorhergehenden Samstag. Umso besser können sich Gottesdienstteilnehmer im Sinne des Gesundheitsschutzes jeweils verteilen. So wird es möglich sein, in Zusammenarbeit namentlich mit der Diözese St. Pölten wie dem Dechanten/Dekan von Krems, auch die feierliche ERSTKOMMUNION wie die FIRMUNG zu feiern.
Dem sakramentalen Leben kommt ja in der Kirche unverzichtbare Bedeutung zu. In der Theologie heißt es, dass die Kirche sakramental verfasst ist. Der deutsche Ausdruck „kirchliche Grundvollzüge“ veranschaulicht diese grundsätzliche Bedeutung der Sakramente für das Leben der kirchlichen Gemeinschaft.
Ganz zentrale Bedeutung kommt der Allerheiligsten Eucharistie zu. So heißt es in Abschnitt Fünf des Dekretes über Dienst und Leben der Priester des Zweiten Vatikanischen Konzils:
„Mit der Eucharistie stehen die übrigen Sakramente im Zusammenhang; auf die Eucharistie sind sie hingeordnet; das gilt auch für die anderen kirchlichen Dienste und für die Apostolatswerke. Die Heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst unser Osterlamm und das lebendige Brot. . . .
Die Zusammenkunft der Gläubigen zur Feier der Eucharistie, der der Priester vorsteht, ist also die Mitte der Gemeinschaft der Gläubigen.“
In den Anmerkungen dieses Konzilsdekretes wird Thomas von Aquin aus seinem berühmten Werk SUMMA THEOLOGICA mit den Worten zitiert:
„Die Eucharistie ist gleichsam die Vollendung des geistlichen Lebens und das Ziel aller Sakramente.“
Schon von daher ist der oft enorme Einsatz katholischer Familien sehr gut nachvollziehbar, den eigenen Kindern eine schöne Erstkommunionfeier zu sichern. Dies steht natürlich auch den in der Pfarrgemeinde zum heiligen Nikolaus tätigen Menschen vor Augen.
Gleichfalls wollen wir im Rahmen des Möglichen eine würdige Spendung des Firmsakramentes, eine ansprechende Feier der Firmung, sicherstellen.
Die Firmung ist ja ein weiteres der insgesamt sieben Sakramente. Wie die Taufe und die Weihe wird sie gültig ein und derselben Person in deren Leben jeweils nur einmal gespendet. So wird in Canon 845 des geltenden Codex des Kanonischen Rechtes in Treue gerade zum Konzil von Trient festgestellt:
„§ 1. Die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Weihe können nicht wiederholt werden, da sie ein Prägemal eindrücken.“
Ebenfalls in Fortführung kirchlicher Tradition wird dazu klargestellt:
„§ 2. Wenn nach einer sorgfältigen Untersuchung noch ein vernünftiger Zweifel bestehen bleibt, ob die in §1 genannten Sakramente tatsächlich oder ob sie gültig gespendet wurden, sind sie bedingungsweise zu spenden.“
Es in der katholischen Kirche schon seit ganz früher Zeit Grundregel, Taufen anzuerkennen, wenn sie mit Wasser, in der richtigen Absicht auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes gespendet wurde. Nicht zuletzt das Konzil von Trient hat dies bekräftigt und das Zweite Vatikanische Konzil äußerte sich zustimmend in diesem Sinne unter Berufung auf frühere kirchliche Erklärungen. Möchte jemand aus einer anderen christlichen Konfession der katholischen Kirche beitreten, so ist im Sinne unvordenklicher Überlieferung die dort empfangene Taufe anzuerkennen und nicht zu wiederholen.
Ebenso werden Weihen von Männern, etwa zum Diakon, zum Priester und zum Bischof, wenn sie in orthodoxen und altorientalischen Teilkirchen, der Utrechter und der davon abgespaltenen Union von Scranton der Altkatholiken gespendet wurden, von der römisch-katholischen Kirche anerkannt. Bei der ausfransenden anglikanischen Richtung können Weihen anerkannt werden, wenn derjenige in einer orthodoxen, altorientalischen oder altkatholischen Weihelinie steht. Es kommt mitunter vor, dass ein Geistlicher aus einer anderen Kirche bzw. kirchlichen Gemeinschaft/Denomination der römisch-katholischen Kirche beitreten möchte. Bei vorliegender gültiger Weihe muss und soll er nicht noch einmal geweiht werden.
1. Lesung: Jes 25,6-10a
2. Lesung: Phil 4,12-14.19-20
Evangelium: Mt 22,1-14
Gedanken zur Woche 31-b, Dr. Matthias Martin
28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
In den kommenden Tagen gedenkt die Kirche gerade einiger herausragender heiliger Frauen, die uns helfen können, die Bandbreite kirchlichen Wirkens besser zu verstehen.
Da mag gerade die heilige T(h)eresia von Avila, auch genannt Theresia von Jesus oder auch die „große T(h)eresa“ genannt werden.
Ihr Wirken für die Erneuerung karmelitischen Ordenslebens führte zur Entstehung der Unbeschuhten Karmeliten, des Ordo Carmelitarum Discalceatorum. Ihre herausragende Bedeutung wird schon daran deutlich, dass sie von der katholischen Kirche als Kirchenlehrerin anerkannt ist. Dabei ist sie ja nicht die einzige Frau, welcher diese Ehre zuteilwurde. Ebenso als Kirchenlehrerinnen werden ausdrücklich verehrt Thérése von Lisieux, auch genannt Theresia vom Kinde (und dem heiligen Antlitz) oder auch die „kleine T(h)eresa“, Hildegard von Bingen (siehe eigens Gedanken zur Woche 27-b) und Katharina von Siena. Katharina von Siena wurde wie Birgitta von Schweden und Edith Stein außerdem zur Patronin Europas erklärt.
Im Volksschott von 1961 für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus heißt es über Theresia von Avila unter anderem:
„Als ˂seraphische Jungfrau› nimmt sie unter den heiligen, durch Wissenschaft ausgezeichneten Frauen und Lehrerinnen des geistlichen Lebens einen hervorragenden Platz ein.“
Tatsächlich gewannen die von T(h)eresia von Avila verfassten Schriften gerade für das geistliche Leben enorme Bedeutung. Diese Heilige schuf Klassiker theologischer Literatur, welche auch außerhalb der katholischen Kirche Anerkennung fanden. Eigene Bedeutung besitzen eigens die von ihr überlieferten Briefe. So wird sie auch in manch anderer christlichen Konfession als der römisch-katholischen mit einem eigenen Gedenktag geehrt. Nicht zuletzt gilt sie „als Klassikerin der spanischen Sprache und ist Schutzpatronin der spanischen Schriftsteller“ wie es in einer Information aus dem karmelitischen Ordensleben in unseren Tagen heißt. Offensichtlich hat diese große Heilige, Erneuerin des Ordenslebens, Förderin von sprachlich-kultureller Entwicklung und eben Kirchenlehrerin auch das Fehlverhalten von Männern in kirchlichen Strukturen deutlich kritisiert. Das sollte sicher gerade heutzutage zu denken geben, wo kaum eine Woche vergeht, in welcher nicht neue Berichte an die Öffentlichkeit gelangen über das Fehlverhalten von sogenannten Kirchenmännern, sei es in Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch und dessen Vertuschung einschließlich der gezielten Förderung von Tätern, sei es in Zusammenhang mit finanziellen Manipulationen bzw. Veruntreuungen, sei es in Zusammenhang mit anderen üblen Vorfällen. T(h)eresia von Avila, die christliche Frau, außerordentlich anerkannt in mehr als einer Konfession mag auch da wichtige, wenn auch für manchen höchst unangenehme, Denkanstöße vermitteln. „Lustig“ weitervertuschen, Tätern gefällig sein und so tun, als ob schweres Fehlverhalten von Amtsträgern kein Problem sei, war im 16. Jahrhundert keine Lösung und ist es heute schon ganz und gar nicht. Es war ein Mega-Glücksfall für Kirche und Gesellschaft, dass diese heute als Kirchenlehrerin anerkannte mutige Frau nicht zum Schweigen gebracht werden konnte.
Zugleich verdeutlicht T(h)eresia von Avila, welch enorme Bedeutung Frauen in der Kirche gerade dann zukam, wenn sich Dinge zum besseren entwickelten. Ja für mutige Frauen und Menschen, die an deren Seite standen, war es dabei, gelinde gesagt, nicht immer einfach. Übles wurde da T(h)eresia von Avila wie dem sie loyal unterstützenden Johannes vom Kreuz angetan. Schon Jahrhunderte vorher wurde durch deutsche Kirchenmänner über Hildegard von Bingen der Kirchenbann verhängt. Johanna von Orleans wurde durch kirchliche Handlanger englischer Politik verurteilt und dem Scheiterhaufen übergeben. Mary MacKillop war zeitweise exkommuniziert, wohl auch weil sie sexuellen Missbrauch durch mindestens einen Geistlichen thematisiert hatte. Alle diese kirchlichen Frauen wurden dann irgendwann heiliggesprochen. Johanna von Orleans wird seit Jahrhunderten als Nationalheldin Frankreichs über Partei- und Konfessionsgrenzen hinweg in Ehren gehalten, Hildegard von Bingen, als Kirchenlehrerin anerkannt, erfreut sich in verschiedener Hinsicht gewaltiger Wertschätzung und Mary MacKillop ist so etwas wie die Nationalheilige Australiens. Was auf der einen Seite solchen so mutigen wie begabten Frauen angetan wurde und wie sie sich auf der anderen Seite aber dann doch inhaltlich durchsetzten, hätte man sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder vergegenwärtigen sollen. Vorschnell alles für gut finden und durchwinken was von offiziellen Amtsträgern kommt ist eben doch keine wirklich christliche Lösung. Nachhacken, unangenehme Fragen stellen und auf Besserung dringen ist im betreffenden Zusammenhang der bessere Dienst an der Kirche wie an der Gesellschaft im Allgemeinen.
Zugleich mag Leben und Werk der heiligen Theresa von Avila anregen, sich mit Geschichte und Gegenwart der Iberischen Halbinsel, nicht zuletzt jener heute den Staat Spanien bildenden Regionen zu beschäftigen. Bezeichnenderweise gab es dort bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts die Möglichkeit, dass eine Äbtissin die Chefin einer Reihe von Pfarrer sein und über deren Ein- und Absetzung entscheiden konnte. Mitunter soll die Amtseinsetzung solch einer bedeutenden Äbtissin einer Königinnenkrönung geähnelt haben. Im 20. Jahrhundert spielten dann Frauen etwa im Spanischen Bürgerkrieg in den beiden großen Konfliktlagern eine später oft und gerne übersehene wichtige Rolle.
In dem Werk „Licht der Welt“, Seite 142 der 2. Auflage, 2010 gab Papst Benedikt XVI. mit Blick auf das heutige Spanien zu bedenken:
„Es ist ein Land, das nach wie vor in einer großen geschichtlichen Bewegung steht, noch dazu mit einer Vielzahl von Kulturen, die einander begegnen, etwa von Basken und Katalanen.“
Auch bei den dortigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, Problemen und Möglichkeiten gilt es eben, aufrichtig die Dinge wahrzunehmen und im Geiste etwa großer katholischer Frauen wie der heiligen T(h)eresia von Avila nach besten Kräften zu handeln.
Gedanken zur Woche 30, Dr. Matthias Martin
27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Am Sonntag dem 4. Oktober begeht im Jahre 2020 die Pfarrgemeinde zum heiligen Nikolaus in Stein an der Donau das diesjährige Erntedankfest. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit engagierten Menschen aus der Gegend und namentlich in Zusammenarbeit mit dem Trachten- Heimatverein Krem-Stein. Allein daran sieht man schon den starken Ortsbezug, die starke lokale Verankerung des Ereignisses mit all der dazugehörenden Vor- und Nachbereitung.
Dieses Erntedankfest ist aber nicht nur ein lokales Ereignis. Die Pfarrgemeinde zum heiligen Nikolaus gehört ja unzweifelhaft zur katholischen Weltkirche. Und da mag uns so ein Erntedankfest umso mehr die eigene Verantwortung für die Erhaltung der Schöpfung, der natürlichen Umwelt bewusst machen.
Zugegeben, in Bibelstellen können alle möglichen Leute alles Mögliche hineininterpretieren und herauslesen. So gibt es die Redensart „Ein Bibelvers, 34 begründete Exegetenmeinungen“. Ja manchmal bekommt auch etwas zu hören wie „Mit der Bibel kann man alles und nichts beweisen“ oder auch „Mit der Bibel kann man alles beweisen und davon noch mal das Gegenteil“.
Es ist aber eine Tatsache, dass in der jüdisch-christlichen Gesamtüberlieferung sehr stark die Überzeugung herrscht, dass die Mahnung, mit der Schöpfung, mit dieser Erde, behutsam und verantwortungsbewusst umzugehen, bereits im ersten Buch der Bibel, im Buch Genesis, ausgesprochen wird. In dem über viele Jahrhunderte in der Christenheit besonders geschätzten Buch Jesus Sirach finden wie zahlreiche Anstöße für ein verantwortungsbewusstes Handeln im Allgemeinen und Besonderen. Dass wir uns für das Gute in der menschlichen Gesellschaft einsetzen sollen, wird im Alten Testament auch an anderen Stellen thematisiert, wie dann ebenso im Neuen Testament. Die Predigt, das Gleichnis vom Jüngsten Gericht wie das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter mögen spontan in den Sinn kommen oder auch der Jakobusbrief.
Dass christlicher Glaube mit handfestem Einsatz, mit Tun guter Werke, dem Meiden schlechter Handlungen zu tun hat, mag dann auch um so verständlicher machen, dass Papst Franziskus mit dem 24. Mai 2015 die Umweltenzyklika „Laudato si`“ veröffentlicht hat. Passend zu seinem Papstnamen schloss sich der Papst mit dem Namen für die Enzyklika ausdrücklich an den berühmten, etwa um 1225 entstandenen, Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi an. Verfasst hat der so außerordentlich beliebte Heilige seinen Sonnengesang in einem umbrischen Dialekt. Dies möge man ausdrücklich im Auge behalten, um so auch etwas immun zu sein gegen allerlei Mythenbildungen und deren Verbreitung. Die Durchsetzung einer überregionalen italienischen Sprache auf Kosten einer Vielzahl konkurrierender Sprachen und Dialekte auf der Apenninenhalbinsel samt dem manchmal Padanien genannten Gebiet ist erst mit der militärisch durchgefochtenen sogenannten Italienischen Einigung vorangekommen. In einer Reihe der britischen Rundfunk- und Fernsehanstalt BBC wurde gemeint, gesprochenes Standard-Italienisch sei überhaupt erst ein Produkt dieser Epoche.
In dem Internet-Beitrag „Vom Dialekt zur Nationalsprache“ meinte Sara Cavallari in Zusammenhang mit Vorgängen, die eben erst im 19. Jahrhundert und später stattfanden:
„Das Ergebnis ist eine lebendige und homogene Sprache, größtenteils wie wir sie heute kennen .
Sie blieb bis zum Ende des 19. Jahrhunderts jedoch nur den wenigsten, gebildeten Italienern vorbehalten. Man stelle sich vor, dass 1861, mit der Ausrufung des italienischen Königreichs, lediglich 10 % der Bevölkerung das Hochitalienische beherrschte und 75 % der Italiener Analphabeten waren. Erst mit der flächendeckenden Einführung der Pflichtschule, der Verbreitung der Massenmedien und der Massenliteratur sowie der Vermehrung der internen Migrationsflüsse erreichte das Italienische alle Bevölkerungsschichten. So begann das Hochitalienische sich mit den verschiedenen lokalen Dialekten zu vermischen oder sie zu ersetzen. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte dieser Prozess als beendet erklärt werden.“
Bis in die Zeit des Italienischen Einigungskrieges von 1859 war das heutige Italien unterteilt in eine Reihe ganz unterschiedlicher Staaten und Territorien einschließlich des Kirchenstaates, welcher sich besonders heftig gegen die Schaffung eines sogenannten italienischen Nationalstaates zur Wehr setzte und erst 1870 endgültig „geschluckt“ wurde. So mag der umbrische Titel der ersten Umweltenzyklika auch das Interesse an geschichtlichen und sprachlichen Studien fördern. Natürlich soll „Laudato si‘“ auf christlicher Grundlage ganz allgemein Umweltbewusstsein und –engagement fördern.
Dabei hatte schon der Vorgänger von Papst Franziskus, Benedikt XVI., sehr bemerkenswerte Umweltakzente gesetzt. Als zuständiges Staatsoberhaupt hatte er das ehrgeizige Ziel verkündet, der Vatikanstaat solle der erste CO₂-neutrale Staat werden. Es gab Initiativen zum Energiesparen und schon unter Benedikt XVI. schloss sich der Vatikanstaat dem Internationalen Energiespartag an. Ebenso wurde im Vatikan die Mülltrennung eingeführt. Italienische Medien bezeichneten den deutschen Papst mitunter als „grünen Papst“!
Als ich mich 2015 in den USA aufhielt, beriefen sich Anhänger eines stärkeren, gerade auch kirchlichen, Einsatzes für die Umwelt im Vorfeld des katholischen Weltfamilientreffens und des Besuches von Papst Franziskus ausdrücklich auf die Vorreiterrolle Papst Benedikts XVI. Papst Franziskus befände sich gerade mit seiner Umweltenzyklika auf einer Linie mit seinem in den USA so beliebten Vorgänger konnte man damals bis in eine Fernsehgesprächsrunde hinein vernehmen. Wie sehr Papst Franziskus sich am größeren Ganzen jüdisch-christlicher Überlieferung orientierte, mag man auch daran ersehen, dass er in „Laudato si´“ in markanter Weise gerade das alttestamentliche Buch Jesus Sirach zitiert und auf die lange monastische Tradition samt Mönchsvater Benedikt von Nursia verweist.
1. Lesung: Jes 5,1-7
2. Lesung: Phil 4,6-9
Evangelium: Mt 21,33-44
Gedanken zur Woche 30-b, Dr. Matthias Martin
27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Wenn die katholische Kirche den Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, auch genannt Fest der allerseligsten Jungfrau Maria vom Rosenkranz, oder ganz kurz Rosenkranzfest, feiert, so weist dies weit über übliche konfessionelle Grenzen hinaus.
Auf Deutsch Rosenkranz genannte Gegenstände und Gebete gibt es gerade in verschiedenen christlichen Konfessionen, in Teilen der muslimischen und der buddhistischen Welt, wie auch Gebetsketten, die einem Rosenkranz zumindest ähnlich bis sehr ähnlich sind. Die buddhistische Gebetskette der Titelheldin Annabelle in dem Filmdrama „Loving Annabelle“, welche diese gegen Ende des Films ihrer Lieblingslehrerin Simone Bradley schenkt, ist tatsächlich einem katholischen Rosenkranz recht ähnlich.
Es war dann der heilige Papst Pius V., welcher nach dem Sieg der von ihm organisierten Heiligen Liga in der Seeschlacht von Lepanto über die Flotte des (türkischen) Osmanischen Reiches dieses Fest in der katholischen Kirche einführte. Damals gelang nicht zuletzt die Befreiung abertausender christlicher Galeerensklaven. Ähnlich wie sehr viele andere christliche Denominationen steht die katholische Kirche militärischer Landesverteidigung ja nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Der Vatikanstaat hat mit der Schweizer Garde seine eigene Armee und dazu eine eigene Polizei. Der Souveräne Malteser-Ritter-Orden hat seit dem Mittelalter überlebt und unterhält volle diplomatische Beziehungen mit den meisten Staaten und ist meist als souveräner Partner in der Internationalen Gemeinschaft anerkannt. Mancher sieht ihn heutzutage als kleinsten Staat der Welt an, kleiner vom Territorium her als der Vatikanstaat. Er gibt u.a. eigene Briefmarken heraus und sollte keineswegs mit der Republik Malta verwechselt werden. Auch gibt es eigene katholische Militärseelsorge. Katholische wie evangelische Kirche pflegen bewusst positive Kontakte und Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Kameradschaftsbund, dem ÖKB.
Tatsächlich war es um das Jahr 1571 Papst Pius V. gelungen, eine Militärallianz zusammenbringen als Gegengewicht gegen das Osmanische Reich. Beteiligt daran waren natürlich der Kirchenstaat, die von der spanischen Linie der Habsburger regierten Staaten, einschließlich Neapel und Sizilien sowie die Republik Venedig. Mitunter wird die Tatsache übersehen, dass weitere Mächte an dem Bündnis beteiligt waren, so die Republik Genua, die Malteserritter, das Großherzogtum Florenz/Toskana, die Herzogtümer Savoyen, Parma und Urbino. „Italien“ war damals wenn überhaupt ein geografischer Begriff für eine Ansammlung unterschiedlicher und immer wieder untereinander verfeindeter Staaten und staatsähnlicher Gebilde. Die Republik Genua etwa verfügte lange Zeit über bedeutende Besitzungen bis ans Schwarze Meer hin einschließlich der Halbinsel Krim und gebot über Korsika. Sein eigenes Reich im Mittelmeer führte die Republik Venedig an. Dem später heiliggesprochenen Papst Pius V. war mit diesem Bündnis also ein gewichtiger Erfolg gelungen, den er mit der Einführung des Rosenkranzfestes gewissermaßen krönte.
Dabei hat der Rosenkranz nicht zuletzt die bildende Kunst angeregt. Dies gilt für Malerei wie Plastik. Es gibt eigene Rosenkranzgedichte und eigene Literatur zum Thema Rosenkranz. In der neuen Ausgabe des Gebet- und Gesangbuches „Gotteslob“ ist das Lied „Rosenkranzkönigin, Jungfrau voll Gnade“ enthalten. Ein Rosenkranz kann aus unterschiedlichen Materialien auf ganz unterschiedliche Weise gefertigt sein. Es gibt beispielsweise auch Rosenkränze in Ringform. Eine Art Schaurosenkranz zum Anbringen an eine Wand bekam ich selber anlässlich meiner Priesterweihe geschenkt. Bei einer Audienz in kleiner Runde bekam ich im Jahre 1988 wie die anderen Teilnehmer von Papst Johannes Paul II. im Vatikan einen Rosenkranz in „normaler“ Größe geschenkt. Fotos dazu hängen noch in meinem Elternhaus.
Papst Johannes Paul II. war überhaupt ein Papst, welcher sich sehr für den Rosenkranz und das Rosenkranzgebet einsetzte. Auf ihn geht auch der Lichtreiche Rosenkranz zurück mit seinen fünf lichtreichen Geheimnissen:
- Jesus, der von Johannes getauft worden ist.
- Jesus, der sich bei der Hochzeit in Kana offenbart hat.
- Jesus, der uns das Reich Gottes verkündet hat.
- Jesus, der auf dem Berg verklärt worden ist.
- Jesus, der uns die Eucharistie geschenkt hat.
Andere Päpste haben eigene Rosenkranzenzykliken veröffentlicht. Besonders fleißig war hierbei der von 1878 bis 1903 regierende Papst Leo XIII., der vielen von der ersten Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ und seiner Förderung von Bildungsaktivitäten einschließlich von Philosophie und Theologie her bekannt ist. Ihm werden 10 Rosenkranzenzykliken zugeschrieben, in denen er auch den Zusammenhang von Rosenkranz und menschlicher Gesellschaft behandelte und für die Gründung von Rosenkranzbruderschaften warb. Sich für den Rosenkranz und gleichzeitig für soziale Gerechtigkeit, Bildung und Wissenschaft einsetzen passt also sehr gut zusammen. Bei Papst Leo XIII. kam da nicht zuletzt seine deutliche, man möchte sagen tollkühne, Kritik am damals so mächtigen Britischen Empire hinzu samt seinem Einsatz für kanadische Eigenständigkeit und für Schottland. In Zusammenhang damit gibt es eigene Enzykliken Papst Leos XIII., die auch heute noch Beachtung verdienen. Den Rosenkranz zu beten hat nichts mit falsch verstandener Frömmelei zu tun. Der katholische Rosenkranz hat sich von Aussagen der Heiligen Schrift her entwickelt und verweist seinerseits auf diese zurück. Umso mehr mag er bei mancher und manchem das Interesse an der Bibel fördern. Auch das kulturelle Leben und künstlerische Schaffen mag für manche und manchen in Zusammenhang mit dem Rosenkranz interessant sein.
Papst Pius V., der den Gedenktag Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, das Fest der allerseligsten Jungfrau Maria vom Rosenkranz einführte, war auch sonst eine vielfältige und energische Persönlichkeit, als religiöses Oberhaupt wie auch als Staatsoberhaupt. Man nennt ihn einen der großen Päpste der katholischen Erneuerung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Beziehung vom Seesieg von Lepanto mit dem Wirken des heiligen Pius V. begegnete mir sogar in meinem Studium der Kunstgeschichte in Gestalt eines kunstvoll gefertigten Messkelches.
Gedanken zur Woche 29, Dr. Matthias Martin
26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Freunden theologischer Ausdrücke mag der Begriff „Sitz im Leben“ spontan in den Sinn kommen beim Durchlesen des nach der bei uns üblichen Leseordnung als Sonntagsevangelium vorgesehenen Stücks aus dem Matthäusevangelium. Wie schon beim Evangelium vom letzten Sonntag, dem 25. Sonntag im Jahreskreis, wird uns ein Gleichnis vor Augen gestellt, bei dem es um die Arbeit im Weinberg geht. Dieser erneute Rückgriff auf das landwirtschaftliche Milieu und konkret auf den Weinbau im Besonderen verwundert den bzw. die nicht, der bzw. die etwas mit den geschichtlich-kulturellen Gegebenheiten vertraut ist. War doch in neutestamentlicher Zeit der überwältigende Teil der Bevölkerung, in etwa vier Fünftel, in der Landwirtschaft einschließlich des Weinbaus tätig. Der „Sitz im Leben“ war also, dass die Beschäftigung mit der Landwirtschaft einschließlich des Weinbaus etwas allgemein Übliches war. Ein betreffendes Gleichnis musste damals lebenden Menschen also um so eher verständlich sein und dies galt noch für viele Jahrhunderte nach der Entstehung des Neuen, des Zweiten, Testaments.
Zugleich bestätigt die erneute und durchaus anerkennende Bezugnahme gerade auf die Arbeit im Weinberg, dass Jesus und seine Jünger wohl einen positiven Bezug zum Wein hatten. Bekanntlich wurde das letzte Abendmahl mit Wein begangen, womit sich Jesus und seine Jünger in wohlbekannter jüdisch-alttestamentlicher Tradition befanden. Bis auf von Zeit zu Zeit auftauchende Randgruppen waren die Christen nie Aquarier oder Hydroparastaten, also Menschen, welche den Wein völlig ablehnten, bis hin zu seiner Ersetzung bei der Eucharistiefeier durch eine nichtalkoholische Flüssigkeit, allen voran Wasser. Demgegenüber hat Jesus von Nazareth in Übereinstimmung mit seinen Jüngern wiederholt Bezug auf den Wein und den Weinbau genommen und selber Wein getrunken. Im Sinne des Gesamtzeugnisses der Schrift hat die katholische Kirche umso mehr stets an der Verwendung des Weins bei der heiligen Messe festgehalten.
Der Wein, sein Anbau und sein Konsum werden tatsächlich schon im Alten Testament, dem Ersten Testament, wiederholt angesprochen. Dabei wird aber auch eine Ambivalenz deutlich. Weinkonsum wird nicht bedenkenlos, sozusagen ohne Hemmungen, empfohlen. Nein, ganz im Gegenteil! So wird im ersten Buch der Bibel, im Buche Genesis, auch genannt das 1. Buch Mose, Noah als erster Ackerbauer bezeichnet, der einen Weinberg pflanzte. Unmittelbar im Anschluss daran aber heißt es bereits, dass sich Noah mit dem Wein betrank und in eine äußerst peinliche Situation geriet. Laut Kirchenvater Augustinus ist das eine ganz zentrale Stelle für das christliche Verständnis von Sünde.
Immer wieder begegnen uns schon im Alten/Ersten Testament der Wein, Weinberg und Weinbau. Von Interesse sind für den heutigen Leser, die heutige Leserin wahrscheinlich gerade die eher allgemein ausgerichteten Aussagen im Buch Jesus Sirach. Dass das Trinken von Wein etwas für sich hat, aber immer kontrolliert geschehen sollte, wird dabei deutlich:
„(31,25) Beim Wein spiele nicht den starken Mann!
Denn viele hat der Wein zugrunde gerichtet.
(26) Ein Schmelzofen prüft die Härte des Metalls,
so der Wein die Herzen beim Streit der Hochmütigen.
(27) Gleich wie Leben ist Wein für die Menschen,
wenn du ihn maßvoll trinkst.
Was ist das Leben, wenn der Wein fehlt?
Er ist geschaffen zur Heiterkeit des Menschen.
(28) Fröhlichkeit des Herzens und Heiterkeit der Seele bringt der Wein,
zur rechten Zeit und maßvoll getrunken.
(29) Bitterkeit der Seele ist Wein, der zu viel getrunken wird
in Erregung und bei einer Auseinandersetzung.
(30) Trunkenheit vermehrt die Neigung eines Unverständigen
bis zur Beleidigung,
beeinträchtigt die Kraft und schlägt Wunden.
(31) Beim Weingelage tadle den Nächsten nicht,
verachte ihn nicht wegen seiner Heiterkeit!
Sag zu ihm kein schmähendes Wort
und treibe ihn nicht in die Enge mit einer Forderung!“
Ja um die richtige Dosierung geht es also auch beim Weintrinken! Im richtigen Maße genossen kann Wein förderlich sein für das Miteinander. Der Wein ist für sich recht verstanden ein Kulturgut. Er regte über Generationen an zu Werken in Dichtung, Gesang und bildender Kunst. Er soll aber wie jedes andere alkoholische Getränk nicht maßlos, nicht unkontrolliert, genossen werden. Aus sehr gutem Grunde gibt es ja verschiedene Regeln und Kontrollen etwa in Hinblick auf den Alkohol im Straßenverkehr. Auf die richtige Dosierung kommt immer ganz entscheidend an. In diese Richtung weist uns die so erfolgreiche Verfilmung des berühmten Romans von Umberto Eco „Der Name der Rose“. Da erklärt ja der offensichtlich für die Klosterapotheke zuständige Klosterbruder, dass ein und derselbe Stoff als Heilmittel oder aber als Gift wirken kann, je nach Dosierung. Vorsicht in Hinblick auf den Alkoholkonsum ist gerade bei jungen, heranwachsenden Menschen sicher zu Recht angesagt. Mit ihren mitunter für Europäer als hart erscheinenden Beschränkungen in Hinblick auf Verkauf und Konsum von Alkohol haben es die Vereinigten Staaten von Amerika immerhin zur Weltmacht gebracht. Allerdings ist dort der Versuch, den Alkoholkonsum ganz zu beseitigen trotz großen Aufwandes gescheitert. Die sogenannte Zeit der Prohibition ist heutzutage insbesondere noch ein Thema für Spielfilme.
Das richtige Maß, keine Übertreibung in die eine oder andere Richtung ist gerade beim Wein und generell bei Alkoholkonsum das Richtige. Was schon im Alten/Ersten Testament dazu zu lesen ist, hat da auch heute noch seine Bedeutung. Nicht umsonst war das zitierte Buch Jesus Sirach über Jahrhunderte das in der Christenheit am meisten verwendete Buch.
1. Lesung: Ez 18,25-28
2. Lesung: Phil 2,1-11 (oder 2,1-5)
Evangelium: Mt 21,28-32
Gedanken zur Woche 29-b, Dr. Matthias Martin
26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Der Lebensweg und das spezifische Wirken einer Heiligen, eines Heiligen, lassen sich umso besser verstehen, wenn man sich zumindest etwas mit den geschichtlichen Zusammenhängen, dem sozio-kulturellen Hintergrund vertraut gemacht hat.
Ein gutes Beispiel dafür ist die heilige Lioba, derer die Kirche insbesondere am 28. September gedenkt. Als Angehöriger einer sogenannten angelsächsischen Familie stammte sie aus dem Gebiet des heutigen England. Tatsächlich war das heutige England, der größte und bevölkerungsreichste Teil des gegenwärtigen Vereinigten Königreiches von Großbritannien, lange Zeit eine Ansammlung unterschiedlicher unabhängiger Königreiche, wie in „Gedanken zur Woche 25-b“ bereits angeschnitten wurde. In der Völkerwanderung vom europäischen Festland nach Britannien gekommen, pflegten die sich nach und nach zur Bevölkerungsgruppe der Angelsachsen vereinigenden Menschen intensive Beziehungen zu ihrem Verwandten auf dem Festland. Bezeichnenderweise tragen noch heute drei deutsche Bundesländer das Wort Sachsen im Namen: Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Mehr als einmal kam mit örtlichen Katholiken in Dallas auf diese Tatsache das Gespräch, als ich mich von 2015 bis 2016 als Priester in den USA aufhielt. Bis zur Eroberung Englands durch die Normannen im 1066 war auch die gemeinsame Sprache Bindeglied zwischen Angelsachsen auf der Insel und den Menschen gerade im Ostteil des Fränkischen Reiches und dann in Gebieten des I. Deutschen Reiches, auch genannt Heiliges Römisches deutscher Nation. Danach führte das Überstülpen des mittelalterlichen Französisch der neuen normannischen Herren zur Herausbildung der neueren englischen Sprache, in der manche Ausdrücke genau gleich wie im Französischen geschrieben werden, bei anderen zumindest die Beziehung zum Französischen auffällt. Die erste Ehefrau Ottos des Großen, Editha, war eine angelsächsische Königstochter und stand damit für diese traditionell enge Beziehung zwischen den Angelsachsen auf der britischen Insel und ihren Verwandten auf dem Kontinent vor dem Jahre 1066.
So widmeten sich angelsächsische Missionare und Missionarinnen von der Insel gerade ihrer Stammesverwandten auf dem Kontinent. Der berühmteste war wohl der heilige Bonifatius, dem der Ehrentitel „Apostel Deutschlands“ verliehen wurde. Er war es, der seine Verwandte, die heilige Lioba, rief, auf dem Festland beim Missionswerk mitzuarbeiten. So wurde die heilige Lioba erste Äbtissin des Klosters Tauberbischofsheim im heutigen Bundesland Baden-Württemberg. Im Werk „Der große Namenstagskalender“ heißt es über sie. „Lioba war sehr gebildet in Wissenschaften und Kunst, angesehen als Lehrerin und Erzieherin . . .“. In dieselbe Richtung geht es in der kleinen Ausgabe des bei uns üblichen Deutschen Messbuchs, wenn dort über die heilige Lioba nachzulesen ist, dass „sie als erste Äbtissin von Tauberbischofsheim und als angesehene Lehrerin und Erzieherin wichtige Mitarbeit leistete.“
Dies verdeutlicht, welch bedeutende Stellung Frauen erlangen konnten. Im Laufe der Zeit ging manche katholische Frau als Ordensgründerin, Wissenschaftlerin, Kirchenlehrerin, Reichsäbtissin und dergleichen in die Geschichte ein. Manche Frau, die im irdischen Leben als Herrscherin bis Armeekommandantin gewirkt hatte, wurde heiliggesprochen.
Es wird anhand der heilige Lioba auch deutlich, welch positives Verhältnis Glauben und Vernunft, Kirchlichkeit und Wissenschaft samt Kunst einnehmen können und sollen. Gerade Klöster mit oft eigenen Schulen boten Frauen und Mädchen über Jahrhunderte Bildungsmöglichkeiten, die ihnen sonst meist verwehrt waren. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden auch eigene weibliche Schulorden. Man denke hier nur an die Ursulinen, verschiedene Kongregationen von Dominikanerinnen und Franziskanerinnen sowie an die Congegratio Jesu, früher gerne Englische Fräulein genannt. Als es noch den größere Teile des heutigen Italien umfassenden Kirchenstaat gab, konnten Frauen im Rahmen päpstlicher Politik schon als Universitätsprofessorinnen berufen werden. Oder denken wir einfach an die heilige Hildegard von Bingen, die ganz gewiss nicht dem Klischee eines armen katholischen Hascherls oder frömmelnden Dummchens entspricht und die in „Gedanken zur Woche 27-b“ etwas vorgestellt wurde.
Der Zusammenhang von Ordenswesen mit Bildung und Erziehung findet auch im heutigen römischen Kirchenrecht, dem CODEX IURIS CONONICI/KODEX DES KANONISCHEN RECHTS, seine Würdigung. So heißt es in Canon 801:
„Ordensinstitute, denen die Erziehungsaufgabe eigen ist, haben diese ihre Aufgabe getreu beizubehalten und sich um die katholische Erziehung auch durch ihre, mit Zustimmung des Diözesanbischofs, gegründeten Schulen zu bemühen.“
Ergänzend dazu heißt es in Canon 802:
„§ 1. Wenn es keine Schulen gibt, in denen eine Erziehung in christlichem Geist vermittelt wird, ist es Aufgabe des Diözesanbischofs, dafür zu sorgen, dass solche gegründet werden.
§ 2. Wo es sich empfiehlt, soll der Diözesanbischof dafür sorgen, dass auch Berufsschulen und technischen Schulen sowie andere von den besonderen Verhältnissen geforderte Schulen gegründet werden.“
Der Verbindung von Ordensgemeinschaften mit dem Gesamtbereich von Erziehung und Bildung wird auch im Ordensdekret des II. Vatikanischen Konzils angesprochen.
Eigene Beachtung verdient dazu in unseren Tagen das Milieu der betont traditionsorientierten Katholikinnen und Katholiken, also jener, welche Wert auf die alte lateinische Messe legen. Dort wirken eigene Kongregationen von Ordensfrauen, welche sich dem Unterrichtswesen, Erziehung und Bildung widmen. Andere, wiederum nicht zuletzt Ordensgemeinschaften von Frauen, der traditionellen Richtung haben Bildungsaktivitäten mit im Tätigkeitsprogramm. Egal welche Liturgie man/frau als Katholikin, Katholik bevorzugt, der Zusammenhang von Ordenswesen und Wissenschaft-Bildung-Erziehung sollte nicht verleugnet werden, wie gerade auch die dabei unverzichtbare Bedeutung von Frauen, einst und jetzt. Die heilige Lioba hat mit anderen den Weg gewiesen!
Gedanken zur Woche 28, Dr. Matthias Martin
25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Der theologische Ausdruck „Sitz im Leben“ erlangte im Laufe der Zeit eine solche Bedeutung, dass er eigens ins Englische, insbesondere ins Amerikanische Englisch übernommen wurde, welches seinerseits gerne einfach auch als das Amerikanische bezeichnet wird. Es zeichnet gerade dieses Amerikanische, Amerikanische English oder American English aus, dass es recht offen ist für die Aufnahme von Begriffen oder Worten aus dem Deutschen, nicht zuletzt in den Bereichen der Philosophie und Theologie. So findet sich im Amerikanischen auch der, wie viele meinen, typisch deutsche philosophische Ausdruck „Ding an sich“. Längst hat es das deutsche Wort „Zeitgeist“ bis auf die Titelseiten amerikanischer Zeitungen und in den allgemeinen zivilgesellschaftlichen Diskurs der USA hinein geschafft. Ein anderes Wort, was in diesem Zusammenhang in den Sinn kommen mag ist Schadenfreude, wegen der anderen Groß- und Kleinschreibung im Amerikanischen schadenfreude geschrieben. Ich erinnere mich noch, wie ich vor Jahren als Kaplan in einem angesehen US-amerikanischen Magazin genau dieses betreffende Wort, in dieser Form benutzt durch einen prominenten Autor vorfand und einigermaßen überrascht war. Ich sprach eine gebildete amerikanische Bekannte darauf an und sie versicherte, dass „schadenfreude“ als Wort im Amerikanischen bzw. Amerikanischen Englisch allgemein verbreitet sei.
Umso besser passt sicher die Verbreitung des Begriffes „Sitz im Leben“, welche dieser gefunden hat. Er besagt, dass man bei einer Bibelstelle den geschichtlichen Zusammenhang zu betrachten hat, in welchem diese Bibelstelle formuliert wurde, welche Aussageabsicht mit ihr im Rahmen eines solchen Gesamtzusammenhanges verbunden sein könnte.
Da Sonntagsevangelium mit dem Weinbergbesitzer, welcher während eines Arbeitstages wiederholt Arbeiter für seinen Weinberg anwirbt, ist ganz in diesem Sinne zu betrachten. Nicht umsonst hat beispielsweise der heilige Papst Pius X. die Bedeutung guter Geschichtskenntnisse für die Theologie unterstrichen, gehörte Geschichte schon im Altertum zum Lehrplan christlicher Bildungseinrichtungen und beschäftigten sich Kirchenfrauen und –männer mit geschichtlichen Ereignissen, traten als Geschichtsschreiber/-innen hervor.
Nun war die Gesellschaft im ersten Jahrhundert zweifelsohne sehr landwirtschaftlich geprägt. In etwa vier Fünftel der Menschen waren in der Landwirtschaft samt Bereichen wie dem Weinbau beschäftigt. Dies blieb auch noch sehr lange so. Erst mit der Industriellen Revolution begann ein rapider Wandel, welcher auch heute noch anhält. Der Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Menschen ist in unseren Breiten auf unter fünf Prozent geschrumpft und schrumpft weiter. Demensprechend haben die Menschen normalerweise weit weniger einen direkten Bezug zur Landwirtschaft einschließlich Weinbau und Forstwirtschaft, als dies früher der Fall war. Anders gesagt, in früheren Zeiten, wie damals, als das Neue Testament entstand, hatten die allermeisten Menschen noch viel eher ein direktes Verständnis für Vorgänge und Gegenstände in der Landwirtschaft samt Weinbau. So verwundert es nicht, dass die Gleichnisse im Neuen Testament oft genau aus diesem Bereich genommen sind. Denken wir da an das Gleichnis vom guten Hirten, der jedem einzelnen Schaft nachgeht, wenn es sich verirrt haben sollte. Denken wir an das sowohl im Lukas-, wie im Matthäus- und Markusevangelium vorkommende Gleichnis vom Sämann und den unterschiedlichen Orten, wohin seine Saat fällt. Ebenso finden wir das Gleichnis vom Senfkorn in diesen drei Evangelien vor. Manchem mag spontan das Gleichnis von der Aussaat und dem Feind, der nachts Unkraut auf den Acker sät, gegenwärtig sein. Regte dieses Gleichnis nicht zuletzt die theologische Diskussion über Herkunft, Stellung und eventuelle Tätigkeit des Bösen an, so fand es in der Neuzeit Eingang in die politische Propaganda. Die Beispiele für Gleichnisse aus dem Bereich der Landwirtschaft einschließlich des Weinbaus ließen sich fortsetzen.
Es ist ja auch bemerkenswert, dass laut dem Lukasevangelium es Hirten auf dem freien Feld waren, welche als erste Kunde von der Geburt des Jesuskindes erhielten. Genau diese Hirten eilten dann laut lukanischer Weihnachtsgeschichte zur Krippe, also einer Einrichtung, die ihrerseits mit Landwirtschaft zu tun hatte.
Dabei waren diese Hirten aus der Weihnachtsgeschichte wie die Tagelöhner, welche im heutigen Gleichnis vom Eigentümer für die Arbeit im Weinberg angeworben und dann ausbezahlt werden, in der gesellschaftlichen Rangordnung der damaligen Zeit recht weit unten angesiedelt. Den Hirten gehörten die Herden, für die sie zu sorgen hatten nicht und sie hatten bei Wind und Wetter auf freiem Feld auszuharren. Jenseits aller späteren Hirtenromantik waren sie ziemlich arm dran. Die Tagelöhner mussten sich, wie im Gleichnis des heutigen Sonntagsevangeliums angeschnitten wird, Tag für Tag um eine Erwerbsmöglichkeit umschauen. Sozialversicherungen, Kollektiv-/Tarifvertrag, Betriebsrat und umfassende Gesundheitsversorgung waren für sie undenkbar. Umso interessanter, dass im Neuen Testament, dem Zweiten Testament der Bibel, immer wieder solche Personengruppen in den Blickpunkt gerückt werden. Es werden uns da nicht, wie man heute sagen würde, die Reichen, Mächtigen und Schönen hübsch präsentiert, sondern Menschen, denen es nicht gut ging, die sich täglich um ihre Existenzsicherung mühen mussten, die in der Gesellschaft nicht obenauf waren. Vergegenwärtigt man sich einen solchen geschichtlichen Hintergrund, dann gewinnen Stellen wie das bei uns vorgetragene Sonntagsevangelium besondere Aussagekraft. Der „Sitz im Leben“ kann doch recht interessant sein.
1. Lesung: Jes 55,6-9
2. Lesung: Phil 1,20ad-24.27a
Evangelium: Mt 20,1-16a
Gedanken zur Woche 28-b, Dr. Matthias Martin
25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Wenn es Heilige sogar in den Römischen Messkanon, auch genannt das I. Hochgebet geschafft haben, muss es sich wohl um außerordentlich bemerkenswerte Persönlichkeiten der christlichen Geschichte handeln. Genau dies trifft für die beiden Heiligen Kosmas und Damian zu, heißt es doch auf Deutsch an betreffender Selle:
„In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche gedenken wir deiner Heiligen.
Wir ehren vor allem Maria, die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter
unseres Herrn und Gottes Jesus Christus.
Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef, deine heiligen Apostel und Märtyrer:
Petrus und Paulus, Andreas,
Jakobus, Johannes, Thomas, Jakobus,
Philippus, Bartholomäus, Matthäus,
Simon und Thaddäus,
Linus, Kletus, Klemens, Xystus, Kornelius,
Cyprianus, Laurentius, Chrysogonus,
Johannes und Paulus, Kosmas und Damianus (!)
und alle deine Heiligen.“
Beider wird gemeinsam nach dem bei uns meist verwendeten liturgischen Kalender am 26. September und im Kalender für die alte lateinische Liturgie am 26. bzw. 27. September gedacht. Beide Heilige waren der Überlieferung nach Zwillingsbrüder und taten als Ärzte viel gutes, setzten das Gebot der Nächstenliebe eifrig in die Tat um. Es heißt ja im alttestamentlichen Buch Jesus Sirach, dass man sich hilfsbereit den Armen zuwenden soll und gleich zweimal ist im neutestamentlichen Jakobusbrief die Mahnung ausgesprochen, dass der Glaube tot ist ohne die Werke. Ganz offensichtlich haben die beiden Heiligen, Kosmas und Damian auch mutig den christlichen Glauben als solchen bekannt. Schließlich starben sie als Märtyrer in der Auseinandersetzung mit der römischen Staatsmacht. Meist wird hierbei die sehr systematische Christenverfolgung unter dem Kaiser Diocletian zu Anfang des 4. Jahrhunderts angegeben. Schon vor Jahren las ich aber auch die Meinung, dass beide Opfer des von 361 bis 363 herrschenden Julian Apostata, auch genannt Julian der Abtrünnige, geworden seien. Dieser Julian Apostata hatte noch einmal versucht, unter Einsatz auch staatlicher Gewaltmittel, das Christentum im Römischen Reich zurückzudrängen und dem Heidentum dauernde Herrschaft zu sichern. Sehr früh schon gab es die Meinung, er habe eine neue allgemeine Christenverfolgung geplant, zu der es dann aber wegen seines frühen Todes bei den Kämpfen gegen die Perser nicht mehr gekommen sei. Es gibt nun die Meinung, gewissermaßen die Minderheitenmeinung, Kosmas und Damian, seien von einem kaiserlichen Stoßtrupp eben unter diesem Julian dem Abtrünnigen getötet und rasch verscharrt worden. In diese Richtung geht auch, wenn es in einem neueren Beitrag heißt, es „löste seine Politik stellenweise heftige antichristliche Übergriffe aus . . .“. Meist aber wird, wie gesagt, die allgemeine Christenverfolgung unter Kaiser Diocletian als Zeit und Grund ihres Märtyrertodes angegeben.
Auf jeden Fall wurden der Überlieferung nach auch der heilige Mauritius und seine Gefährten, deren am 22. September gedacht wird, Opfer kaiserlich-römischer Christenverfolgung. Diese Christenverfolgung fand an der Wende vom dritten zum vierten Jahrhundert unter dem schon erwähnten kaiserlichen Gewaltherrscher Diocletian und seinen Mitherrschern statt. Das Römische Reich war damals in die Herrschaftsbereiche zweier Kaiser mit dem jeweiligen Titel Augustus unterteilt. Von diesen beiden war Diocletian der oberste. Beiden leitenden Kaisern stand ein rangniedrigerer Herrscher, manchmal auf Deutsch Juniorkaiser genannt, zur Seite. Ein solcher Nebenherrscher oder Juniorkaiser trug den Titel Caesar und verfügte über ein eigenes Herrschaftsgebiet.
Mauritius und seine Gefährten erlitten wohl im Gebiet des heutigen Kantons Wallis den Märtyrertod. Als Angehörige des römischen Heeres hatten sie sich zum Christentum bekannt und geweigert, die kaiserliche Politik, sei es in Gestalt der Verfolgung von Christen, sei es in Gestalt heidnischer Opferhandlungen, mitzumachen.
Später wurde dann gerade der heilige Mauritius als Patron des ersten/I. deutschen Reiches, auch genannt das Alte Reich wie auch das Heilige Römische Reich deutscher Nation, verehrt. In diesem Sinne hat sich gerade Otto der Große engagiert. Von seiner Dynastie wurden selber ja, wie in „Gedanken zur Woche 8-b“ und „Gedanken zur Woche 18-b“ angeschnitten, einige Mitglieder sowie Unterstützer heiliggesprochen. Nicht zuletzt wurden der heilige Mauritius und Gefährten Patron(e) des von Otto dem Grüßen begründeten Erzbistums Magdeburg. Waren der heilige Mauritius und Gefährten als Opfer einer antichristlichen Staatsmacht, des damaligen römischen Kaisertums, den Märtyrertod gestorben, so steht die Entwicklung und Förderung ihrer Verehrung für eine positive und nachhaltige Zusammenarbeit von Kirche und Staat. Dazu passt auch das Fortleben des heiligen Mauritius und seiner Gefährten in der bildenden Kunst einschließlich der Architektur.
Die Gründung des Erzbistums Magdeburg durch Otto den Großen gewann große Bedeutung für die Landesentwicklung, für die Förderung von Kultur, Bildung und Sozialwesen. Diese theologisch-spirituell mit der Verehrung des heiligen Mauritius und seiner Gefährten in Beziehung stehende Erzbistumsgründung war also im guten Sinne nicht nur eine rein innerkirchliche Angelegenheit. Da mag man auch an das Wirken des heiligen Brun(o) denken. Dieser heiliggesprochene Bruder Ottos des Großen und Sohn der heiligen Mathilde wirkte nachhaltig als Erzbischof von Köln und Herzog des damals sehr großen deutschen Herzogtums Lothringen. Das damalige Zusammenspiel von Kirche und Reich wird verdeutlicht, wenn es im Buch „Der große Namenstagskalender“ von Jakob Torsy und Hans-Joachim Kracht in der Ausgabe von 2008 auf Seite 361 heißt:
„In diesen Positionen war Brun eine der besten Stützen der Reichs- und Kirchenpolitik Ottos. Bei Zwistigkeiten innerhalb der Familie war Brun um Versöhnung bemüht. Die Zeitgenossen rühmen seine Gelehrsamkeit und Frömmigkeit.“
Gedanken zur Woche 27, Dr. Matthias Martin
24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Der anstehende Sonntag ist in diesem Jahr 2020 für die Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau der Sonntag, an welchem die traditionelle GELÖBNISWALLFAHRT nach Maria Langegg im Dunkelsteinerwald durchgeführt wird. Da ist es umso mehr würdig und recht wenn in der heutzutage meist verwendeten Leseordnung schon in der Ersten Lesung so etwas wie besonders Schmankerl geboten wird. Tatsächlich wird die interessierte Katholikin, der interessierte Katholik nicht enttäuscht.
So ist die die Erste Lesung aus dem alttestamentlichen Buch Jesus Sirach genommen. Jesus Sirach, auch mit dem Ehrennamen Ecclesiasticus oder auch Liber Ecclesiasticus benannt, wurde über Jahrhunderte hinweg in der Christenheit wohl am häufigsten von allen biblischen Büchern überhaupt verwendet. Es gehört im Alten Testament/I. Testament zu den Weisheitsbüchern, wie auch das Buch Ijob, das Buch der Psalmen, das Buch der Sprichwörter/Sprüche, das Buch Kohelet, das Hohelied, das Buch der Weisheit.
In den Schriften des Neuen/II. Testamentes gibt es mehrere Bezüge auf das Buch Jesus Sirach. In der christlichen Theologiegeschichte spielt es überhaupt eine enorme Rolle.
In der heutigen Ersten Sonntagslesung werden wir aufgefordert, dem Nächsten nicht zu grollen, mit ihm Erbarmen zu haben und über seine Fehler im menschenfreundlichen Sinne gewissermaßen hinwegzusehen. Damit ist bereits in dieselbe Richtung gewiesen wie im Sonntagsevangelium. Da wird die Mahnung, dem Nächsten zu vergeben, ihm gegenüber mit all seinen Fehlern großzügig zu sein, mit einem Gleichnis untermauert. Es ist dies das Gleichnis vom König und dem unbarmherzigen Knecht. Dieser schuldet im Gleichnis dem König die astronomische Summe von 10.000 Talenten. Dabei steht gemäß den Gegebenheiten im Altertum das Wort Talent für eine Geldeinheit. Die im Gleichnis erwähnten 10.000 Talente sind genau jene gigantische Summe, welche das Reich von Karthago mit seinem vorrübergehend so erfolgreichen General Hannibal nach seiner verheerenden Niederlage im Zweiten Punischen Krieg an Rom zu zahlen hatte. Es handelt sich also nach heutigem Geldwert um eine Summe im Bereich von zig, wohl eher hunderten von Milliarden Euro. Dabei ist eine direkte Umrechnung nicht möglich, aber die Bedeutung der gewaltigen Summe lässt sich auf jeden Fall erahnen.
Der betreffende Knecht nimmt im Gleichnis diese Großzügigkeit des Herrschers an, ist aber nicht bereit, einem anderen Knecht dessen im Vergleich dazu ganz winzige Schuld auch nur zu stunden. Darauf zieht der bisher so großzügige Herrscher mit ihm andere Seiten auf. Es heißt im Evangelium:
„(18,34) Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Peinigern,
bis er die ganze Schuld bezahlt habe.
(35) Ebenso wird mein himmlischer Vater euch behandeln,
wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt.“
Deutlich ist auch schon die Aufforderung zum Verzeihen bei Jesus Sirach. Damit wird auf eigene Weise herausgestellt, dass es keinen Widerspruch zwischen Altem und Neuen Testament, dem Ersten und dem Zweiten Testament, gibt. Das wird natürlich auch sonst in der Gesamtheit der Bibel immer wieder deutlich. Besonders ins Auge stechen kann die Feststellung innerhalb der Bergpredigt, wie sie im Matthäusevangelium überliefert ist:
„(5,17) Denkt nicht, ich sei gekommen,
um das Gesetz und die Propheten aufzuheben!
Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen!
(18) Amen, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen,
wird kein Jota und kein Häkchen des Gesetzes vergehen,
bevor nicht alles geschehen ist.
(19) Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt,
und die Menschen entsprechend lehrt,
der wird im Himmelreich der Kleinste sein.
Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.“
Das doppelte Liebesgebot im Neuen Testament ist die Kombination einzelner Aussagen zur Gottes- und Nächstenliebe, welche wir bereits im Alten, dem Ersten, Testament finden. So heißt es bereits im Buch Deuteronomium, und damit in einem der Fünf Bücher Mose:
„(6,4) Höre Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig.
(5) Darum sollst du den Herrn, deinen Gott,
lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“
Ebenfalls in einem der Fünf Bücher Mose, im Buch Levitikus, finden wir das grundsätzliche Gebot zur Nächstenliebe:
„(19,18) . . . Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst . . .“.
Verbunden ist diese allgemeine Formulierung des Gebotes der Nächstenliebe bereits hier in Levitikus mit dem Aufruf, auf Rache und Vergeltung zu verzichten.
So ist allein schon die Erste Lesung aus dem Buch Jesus Sirach umso mehr geeignet, den Blick auf die Gesamtheit biblischer Schriften anzuregen und Menschen guten Willens zusammenzuführen.
Es ist verdient zugleich Beachtung, dass auch schon die Goldene Regel im Alten/Ersten Testament zu finden ist, wenn auch hier formal gesehen in negativer Formulierung. So steht im Buch Tobit:
„(4,15) Was du hasst, das tu niemand anderem an! . . .“
1. Lesung: Sir 27,30-28,7
2. Lesung: Röm 14,7-9
Evangelium: Mt 18,21-35
Gedanken zur Woche 27-b, Dr. Matthias Martin
24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
In dem ganz knapp gefassten offiziellen Direktorium der Diözese St. Pölten wird die heilige Hildegard von Bingen gewürdigt als „Äbtissin, Mystikerin, Kirchenlehrerin, Gründerin von Rupertsberg und Eibingen“. Sehr vielen männlichen Heiligen werden bei weitem nicht so viele positive Bezeichnungen zugebilligt. Das deutet schon an, um welch vielseitige und herausragende Persönlichkeit es sich bei jener Frau handeln muss, derer die katholische Kirche gerade am 17. September gedenkt.
Es weist auch auf die überragende Bedeutung Hildegard von Bingens hin, dass ihrer sowohl in der seit Ende der 60er Jahre üblichen Liturgie wie in der alten Lateinischen/Tridentinischen Liturgie an diesem Tag gedacht wird. Ein Blick in das jetzt bei uns übliche Deutsche Messbuch für die neue Liturgie wie in den Volksschott für die Lateinische/Tridentinische Liturgie ist recht aufschlussreich. Die Wertschätzung, ja Verehrung für diese Frau aus dem Mittelalter geht aber weit über die katholische Kirche mit ihren verschiedenen liturgischen Überlieferungen hinaus. Ich erinnere mich noch gut an einen Vortrag, den vor Jahren eine rumänisch-orthodoxe Expertin in Niederösterreich über die heilige Hildegard von Bingen hielt. Auch im Bereich protestantischer Konfessionen erweist man der heiligen Hildegard von Bingen gerne Referenz. Ausdrücke wie „Hildegard-Medizin“ und „Ernährung nach Hildegard von Bingen“ und dergleichen begegnen den heutzutage immer wieder.
Tatsächlich lässt sich die von 1098 bis 1179 lebende Ordensfrau nicht in ein oft geläufiges Schema pressen. Sie war nicht nur Ordensfrau, sondern gründete im Rheinland selber Klöster. Sie war Mystikerin und im religiösen Sinne Visionärin, die zu einer herausragenden theologischen-spirituellen Schriftstellerin wurde. Fürsten und selbst Päpsten gegenüber bezog sie etwa in Briefen klar Stellung, sie geigte ihnen nötigenfalls die Meinung. Damit erinnert sie an andere mittelalterliche Ordensfrauen wie Katharina von Siena und Birgitta von Schweden, die inzwischen als Patroninnen Europas anerkannt sind. Dass Hildegard wenn es sein musste, heftig ihre Frau stehen konnte, beweist ihr Konflikt mit dem damaligen Erzbistum Mainz. Das brachte ihr sogar den Kirchenbann aus Mainz ein, konnte sie aber offensichtlich nicht einschüchtern.
Damit war der vielfältige Wirkungsbereich der heiligen Hildegard keineswegs erschöpft. Ganz offensichtlich verfügte sie über große naturwissenschaftliche und medizinische Kenntnisse. Gerade in den letzten Jahren erwuchs wieder ein verstärktes Interesse an diesem Teil ihres Wirkens weit über den Bereich praktizierender Katholikinnen und Katholiken hinaus. Dabei ist verschiedenes zu beachten. Sicher werden gerade Aussagen zu medizinischen bzw. Ernährungsfragen, welche Hildegard von Bingen zugeschrieben werden, unterschiedlich interpretiert. Es ist auch nicht immer klar, welche unter ihrem Namen überlieferte Aussagen tatsächlich von ihr stammen. So werden in seriöserer Literatur vorsichtige Ausdrücke verwendet wie „die unter Hildegards Namen überlieferte Natur- und Heilkunde“. Im guten Sinne heißt es beispielsweise in dem Werk „Hildegard von Bingen begegnen“ von Hildegard Gosebrink auf Seite 156 der 2002 in Augsburg erschienen Ausgabe:
„Dieses Beispiel möge verdeutlichen, wie grotesk eine heutige Argumentation damit ist, Hildegard habe in ihrer Medizin dies oder jenes empfohlen. Die inhaltliche Berufung auf den visionären Ursprung der unter ihrem Namen überlieferten Natur- und Heilkunde verbietet sich aufgrund theologischer Redlichkeit im Umgang mit dem Glauben an die Offenbarung.“
Schon vorher wird gemahnt:
„Eine eindeutig von Hildegard verfaßte Natur- und Heilkunde gibt die Quellenlage kaum her; nicht für alle Teile der recht späten Handschriften ist die Autorenschaft Hildegards anzunehmen; vielmehr rechnet man mit Umstellungen und Einschüben fremder Autoren. Wer durch die Lektüre der gesicherten Werke Hildegards mit ihrem Latein vertraut ist, dem fallen in etlichen Abschnitten stilistische Differenzen zu ihren üblichen Formulierungen auf. Auch inhaltliche Gründe legen für ganze Abschnitte Zweifel nahe, was ihre Abfassung durch Hildegard angeht“ (Seite 147 ebendort).
Um so sehr sollte mit einem kritischen Geist an alles Mögliche und Unmögliche herangegangen werden, was inzwischen unter dem Namen Hildegard von Bingens oder unter Berufung auf sie verbreitet wird. Zu Recht überschreibt die Autorin Gosebrink einen Abschnitt ihres Hildegard-Buches mit den Worten „Vorsicht vor Vermarktung!“ (Seite 157).
Das schmälert aber keineswegs die herausragende Stellung Hildegard von Bingens. Verdeutlicht doch diese mutige Ordensfrau gar manches, was gerade heute nicht unter den Teppich gekehrt werden darf. Da ist die dringende Notwendigkeit, dass in der Religion die Vernunft, ja wissenschaftliches Streben, nicht verächtlich gemacht werden dürfen. Wie in manchem Beitrag von „Gedanken zur Woche“ schon angeschnitten wurde, muss der Vernunft, der Verstandestätigkeit, den verschiedenen Wissenschaften der ihnen gebührende Platz gerade in der Kirche eingeräumt werden. Der Verstand sollte nicht an der Kirchentüre abgegeben werden! Vor billigen bis völlig unsinnigen Autoritätsargumenten ist auch in unserer Zeit zu warnen und das nicht zuletzt in der katholischen Kirche!
Dann ist die heilige Hildegard von Bingen ein Beispiel von vielen, welch hochbedeutsame Positionen im Mittelalter wie vorher schon im Neuen Testament und später etwa in der beginnenden Neuzeit Frauen einnehmen konnten. Sie konnten wirken als Ordensgründerinnen, Schriftstellerinnen, als (Reichs-)Äbtissinnen und Landesherrscherinnen. Gar manche von diesen wurde heiliggesprochen bis hin als Kirchenlehrerin anerkannt. Frauen konnten grundsätzlich lange Zeit Mitglieder von Domkapiteln werden und immer wieder über das Schicksal von sogenannten Kirchenmännern (mit-)entscheiden. Wenn Hildegard von Bingen hilft, sich an solche oft verdrängte Geschichte wieder zu erinnern und dementsprechend Vorurteile hinter sich zu lassen, dann wäre das doch ganz hervorragend!!!
Gedanken zur Woche 26, Dr. Matthias Martin
23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Wenn ein Stück aus der Bibel „Gemeinderegel“ genannt wird, muss es sich um einen besonders wichtigen Teil der Bibel handeln. Heißt doch das zusammengesetzte Hauptwort, dieses Substantiv, ja so viel wie, dass sich nach dieser Regel die christliche Gemeinde, die Kirche zu richten hat. Genau diese sogenannte Gemeinderegel wird uns nach der bei uns üblichen Leseordnung nun als Sonntagsevangelium vorgelegt. Passend zu den beiden Lesungstexten geht es zentral darum, dass die Wahrheit verteidigt wird, diese zu ihrem Recht kommt und so Ungerechtigkeiten und die Verbreitung von Unwahrheiten verhindert werden.
Wie gefährlich das Produzieren von Unwahrheiten, damit verbundene Verleumdung sein kann, wird schon im Alten, dem Ersten, Testament warnend thematisiert. Besonders drastisch sind da die Fälle von Nabot mit seinem Weinberg und von Susanna mit Daniel und den beiden Ältesten. Hier wird zugleich deutlich, wie sehr moralischen Anliegen und Religion missbraucht werden können, bis hin zur Ermordung von Menschen, die den eigentlichen Tätern im Wege stehen.
Im 21. Kapitel des Ersten Buches der Könige wird hier der aufrichtige Weinbergbesitzer Nabot zum Opfer des Königs Ahab von Samarien und dessen Frau Isebel, die es auf den Weinberg des Nabot abgesehen hatten. Um den rechtmäßigen Eigentümer Nabot aus dem Weg zu räumen, wird dieser unter Einsatz falscher Zeugen wegen angeblicher Gotteslästerung und Redens gegen den König verurteilt und gesteinigt. Anschließend ergreift der selber so üble König von dem Weinberg des Nabot Besitz. Susanna wird von zwei Gemeindeältesten, wie das ebenfalls alttestamentliche Buch Daniel überliefert, genau jenes Vergehens bezichtigt, dass diese offenkundigen Lüstlinge mit dieser schönen Frau selber begehen wollten, nämlich des Ehebruches. So heißt es in der deutschen Einheitsübersetzung:
"(13,8) Die beiden Ältesten sahen sie täglich kommen und umhergehen;
da regte sich in ihnen die Begierde nach ihr.
(13,9) Ihre Gedanken gerieten auf Abwege
und sie wandten ihre Augen davon ab, zum Himmel zu schauen
und an die gerechten Strafen zu denken.“
Man sieht, dass schon in alttestamentlicher Zeit religiöse Amtsträger unter Einsatz gröbster Unwahrheiten verbunden mit der Bereitschaft, Menschenleben zu zerstören, üblen Begierden nachgehen konnten. Uns heutigen Menschen fällt da wohl der Begriff „sexueller Missbrauch“ spontan ein. Anders als beim Opfer monarchischer Bösartigkeit, Nabot, fand Susanna aber einen mutigen Fürsprecher, welcher die Machenschaften der beiden Ältesten entlarvte. Dieser junge Daniel war bereit, ungeachtet des eigenen Risikos, gegen das bereits gefällte und auf grober Lüge beruhende Urteil anzugehen. In einem deutschen Wikipedia-Artikel heißt es zu dieser Geschichte der Susanna und dem mutigen Einsatz Daniels gegen Lüge und Machtmissbrauch insbesondere seitens religiöser Vertreter:
„Abgesehen von ihrer religiösen Bedeutung gilt die Geschichte in der Entwicklung der Rechtsprechung als wegweisend, weil sie den auch heute noch wichtigen Grundsatz der unabhängigen Zeugenbefragung betont.“
Dazu kommt und das darf als Ermutigung für wahrheitsliebende Menschen angesehen werden, dass dieses Stück des biblischen Buches Daniel stark das künstlerische Schaffen angeregt hat. Dies gilt sowohl für die Literatur wie die Malerei, wenn man etwa auf das Werk von Rembrandt, Peter Paul Rubens und Jacopo Tintoretto blickt. Auch Komponisten haben die Geschichte der Susanna mit ihrer warnenden Botschaft thematisiert, so etwa Orlando di Lasso und Georg Friedrich Händel.
Der Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit und gegen Lüge, Macht- und sexuellen Missbrauch war und ist eben ein Dauerthema. Zumindest im offiziellen Kirchenrecht und Aussagen des Lehramtes hat sich die katholische Kirche gegen Klatsch, Tratsch und Missbrauch gestellt. So gilt ausdrücklich, dass sogenannte Römische Dokumente jeweils eine richtige Protokollnummer besitzen müssen. Sollte dies nicht erfüllt sein, so existiert das vermeintliche Römische Dokument rechtlich gesehen nicht einmal, geschweige denn, dass es gültig wäre. Genauso ist durch unvoreingenommene Befragung sicherzustellen, dass sich Brautleute frei von Angst, Furcht und Manipulation heiraten wollen. Die Trauzeugen sollen helfen, dass sichergestellt wird, dass in einem guten Sinne die Dinge rechtens vonstattengehen. Das ist gerade auch die Aufgabe des an einer Trauung beteiligten Geistlichen. Ein Priester oder Diakon spendet den Brautleuten nicht das Ehesakrament, das spenden sich im korrekten Falle die Brautleute nach katholischer Auffassung gegenseitig. Der Priester oder Diakon ist nur ein Helfer und soll deswegen seine Aufgabe umso gewissenhafter erfüllen.
Die sehr ernste Krise, in welcher sich das Ansehen des Klerus heutzutage befindet, sollte ein Ansporn sein, sich auch in diesem Bereich umso mehr nach Kräften anzustrengen. Immer weniger können sich offizielle Kirchenvertreter bei etwaigen Schlampereien, Macht- bis sexuellen Missbrauch darauf verlassen, dass dies wohl einfach durchginge. Wenn wir die biblische Botschaft ernst nehmen, ist das ein gutes Zeichen!
1. Lesung: Ez 33,7-9
2. Lesung: Röm 13,8-10
Evangelium: Mt 18,15-20
Gedanken zur Woche 26-b, Dr. Matthias Martin
23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Ich erinnere mich recht lebendig, wie während meines Einsatzes als Priester in Stadt und Diözese Dallas mich eines Tages im Supermarkt ein afroamerikanischer Katholik ansprach. Er habe erfahren, dass ich als örtlicher Geistlicher Mitglied bei den Kolumbusrittern sei. Er selber sei Mitglied bei den Rittern vom Heiligen Petrus Claver. Diese seien speziell ein Zusammenschluss afroamerikanischer Katholiken, während die Kolumbusritter ja nicht an eine bestimmte Volksgruppe gebunden seien. Mein Gesprächspartner erzählte mir etwas über die Entstehung der auf Deutsch so genannten Ritter vom Heiligen Petrus Claver und deren Kampf gegen die Ausgrenzung und Benachteiligung der afroamerikanischen Menschen, gerade auch im Rahmen der katholischen Kirche.
Es ist kein Zufall, dass diese Gemeinschaft innerhalb der katholischen Kirche den heiligen Petrus Claver als Namensgeber und Schutzpatron erwählte. Hatte sich doch dieser von 1580 bis 1654 lebende Ordensmann sehr für die aus Afrika stammenden Sklaven im Gebiet des heutigen Kolumbiens eingesetzt. In den von Spanien und Portugal beherrschten Gebieten Lateinamerikas wurde die Sklaverei bis weit in das 19. Jahrhundert hinein aufrechterhalten. Einen großen Sprung nach vorne in der Beendigung der Sklaverei brachte da der Sieg im Kampf gegen die spanische Kolonialherrschaft im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts, auch wenn danach noch vieles zu tun blieb.
Allein bei der Verschleppung und dem Transport über den Atlantik kamen Millionen von Opfern ums Leben. Das macht auf sehr brutale Weise deutlich, dass die sich so gerne als katholisch präsentierenden Kolonialmächte Portugal und Spanien oft ganz und gar nicht christlich orientiert waren. Im Laufe der Zeit ließen sich die spanischen Herrschaften dann weitere Sklaven von den Briten liefern. Diese stellen wohl überhaupt die größte Sklavenhandelsnation der Geschichte dar. Eigens verriet Großbritannien seine Verbündeten im international ausgefochtenen Spanischen Erbfolgekrieg, um sich Vorteile im globalen Sklavenhandel zu sichern. Erst jüngst hatten heftige innenpolitische Auseinandersetzungen in Großbritannien mit der Königin als Oberhaupt der Staatskirche von England die Vergangenheit mit Sklaverei und seinen Abermillionen Opfern zum Thema, einschließlich dem Umstand, dass verantwortliche Übeltäter des Sklavenhandels bis her noch in Großbritannien in aller Öffentlichkeit geehrt wurden bzw. werden. Dies gilt auch für den Bereich der offiziellen anglikanischen Kirche, was jüngst umso mehr für Empörung sorgte.
Leider haben aber eben auch, sich damals „katholisch“ gebende Staaten, wie die Kolonialmächte Spanien, Portugal und Frankreich in Zusammenhang mit Sklaverei und Sklavenhandel furchtbares begangen. Sie haben sich da eben nicht an der wiederholten ausdrücklichen Verdammung solcher Untaten durch die verschiedenen Päpste orientiert, sondern eben mit ihren Schandtaten fortgefahren, einschließlich mit dem Einsatz gewissermaßen kaschierter Formen von Versklavung in „moderner“ Ausführung. Sie schreckten dabei auch nicht davor zurück, mit ausdrücklich antikatholischen Kolonialmächten wie Dänemark, den Niederlanden und eben Großbritannien zusammenzuwirken.
Dabei hatte z.B. schon Papst Johannes VIII. im September 873 die Fürsten von Sardinien zu Befreiung der Sklaven und Distanzierung vom Sklavenhandel aufgefordert:
„wenn Ihr dies nicht verbessert, zieht Ihr Euch eine große Sünde zu und werdet Euch deswegen nicht, wie Ihr hofft, die Vorteile, sondern vielmehr die Schäden vergrößern. Wie Wir erfahren haben, werden also auf das Betreiben von Griechen hin viele, die von Heiden als Gefangene entführt wurden, in Eurer Gegend verkauft und, nachdem sie von Euren Landsleuten gekauft wurden, unter dem Joch der Sklaverei gehalten, obwohl doch feststeht, dass es fromm und heilig ist, wie es sich für Christen schickt, dass Eure Landsleute, wenn sie sie von den Griechen gekauft haben, sie um der Liebe Christi freilassen und nicht von Menschen, sondern von unserem Herrn Jesus Christus selbst den Lohn empfangen. Daher ermahnen Wir Euch und gebieten mit väterlicher Liebe, dass Ihr, wenn Ihr irgendwelche Gefangenen von ihnen gekauft habt, sie zum Heil Eurer Seele frei fortgehen lasst.“
Unter Berufung auf seine Vorgänger bezog dann im Jahre 1839 auch Gregor XVI. heftig Stellung gegen die Sklaverei, diese Schande sei „in allen Gebieten der Christen zu entfernen“, denn:
„. . . Wir sehen, dass es zu Unserer Hirtensorge gehört, dass Wir Uns bemühen, die Gläubigen vom unmenschlichen Handel mit Afrikanern oder irgendwelchen anderen Menschen völlig abzubringen
. . . ermahnen Wir daher kraft Apostolischer Autorität alle Christgläubigen jedweden Standes und beschwören sie nachdrücklich im Herrn: Keiner soll es künftig wagen, Indianer, Afrikaner oder andere derartige Menschen ungerecht zu quälen, ihrer Güter zu berauben, in die Sklaverei zu führen, anderen, die solches wider sie verüben, Hilfe oder Unterstützung zu leisten oder jenen unmenschlichen Handel auszuüben, in dem Afrikaner, die, als ob sie keine Menschen, sondern bare und bloße Tiere wären, wie auch immer in die Sklaverei geführt wurden, . . .“.
Der heilige Petrus Claver war im Kampf gegen die Sklaverei und im Einsatz für Befreiung eine Inspiration für Menschen guten Willens. Das Gedenken an den heiligen Petrus Claver mag unser Bewusstsein gegenüber den Missbrauch des Christentums und die Bereitschaft zum Einsatz für Freiheit und Menschenwürde stärken.
Gedanken zur Woche 25, Dr. Matthias Martin
22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Das heutige Sonntagsevangelium mit der scharfen Zurechtweisung des Simon Petrus durch den Herrn Jesus Christus mag manche und manchen überraschen. Befindet sich dieser doch etwas harsche Evangeliumstext unmittelbar nach dem Evangelium vom letzten Sonntag mit dem erhebenden Christusbekenntnis des Petrus und der darauf ausgesprochenen besonderen Würdigung des Petrus eben durch Jesus Christus. Da wird Petrus gar seliggepriesen und gesagt, die von ihm ausgesprochene Existenz Jesu als der Christus, was so viel heißt wie Messias, und damit verbunden seine Stellung als „Sohn des lebendigen Gottes“ hätten ihm nicht „Fleisch und Blut offenbart“, sondern der „Vater im Himmel“.
Nun aber kommt im heutigen Sonntagsevangelium die ganz scharfe Zurechtweisung des Petrus durch Jesus von Nazareth, der jenen sogar als „Satan“ bezeichnet. Zum Glück ist die Übersetzung in der noch sehr neuen Ausgabe der Einheitsübersetzung in deutscher Sprache näher beim griechischen Originaltext als die bisherige, für einige Jahrzehnte verwendete Ausgabe der Einheitsübersetzung. So heißt es jetzt:
„(16,23) Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus:
Tritt hinter mich, du Satan!“
Das ist exakter und weniger irreführend als die Formulierung in der älteren Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung. Dort hieß es: „(16,23) . . . Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen!“. Bei letzterer Übersetzung gewinnt man spontan den Eindruck, Jesus habe den Petrus davongejagt, im Sinne von definitivem Rauswurf aus der Gemeinschaft der Apostel. Dieser Rauswurf hat aber offensichtlich nicht stattgefunden. Die neuere Übersetzung mit der Aufforderung „Tritt hinter mich“ passt genau zur theologisch-kulturellen Überlieferung, wie sie damals im Judentum lebendig war. Hatte sich der Schüler, der Jünger, in eine falsche Richtung entwickelt, so wurde er aufgefordert, sich wieder hinter den Lehrer, seinen Rabbi, seinen Meister zu begeben. Er sollte sich dann wieder, ja umso mehr, bemühen, diesem wahrhaftig zu folgen, anstatt sich falsch zu verhalten, anstatt eine falsche Richtung zu verfolgen. Anstatt sich von Jesus zu trennen, sollte Petrus umso eifriger und aufmerksamer Jesus in Wahrhaftigkeit folgen und sich nicht weltlichen, allzu menschlichen Absichten hingeben. Dazu passt, was im Anschluss im Matthäusevangelium über die richtige Jüngerschaft zu lesen ist:
„(16,24) Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern:
Wenn einer hinter mir hergehen will,
verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
(25) Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren;
wer aber sein Leben um meinetwillen verliert,
wird es finden.“
Ganz in diese Richtung weist uns die Zweite Lesung aus dem Römerbrief nach der bei uns üblichen Leseordnung. Dort werden die Christinnen und Christen aufgefordert, sich nicht dieser Welt anzugleichen. In Anlehnung an die Bücher Mose im Alten Testament, dem Ersten Testament, könnte man auch sagen, sie sollen den Tanz um das Goldene Kalb nicht mitmachen, sondern dem einen wahren Gott in Gedanken, Worten und Werken die Bundestreue halten. Vom modernen Deutsch her könnte man auch sagen, die Christinnen und Christen sollen nicht dem Zeitgeist hinterherrennen, sondern bereit sein, sich von diesem kritisch abzugrenzen. Dass es christliche Gemeinde, letztlich die Kirche, nicht versuchen soll, es mit den Mächtigen und Reichen sich angenehm zu richten, ist nicht zuletzt die heftige Mahnung im berühmten neutestamentlichen Jakobusbrief. Vor wenigen Jahren sorgte Papst Benedikt XVI. für Aufsehen, als er gerade die offizielle Kirche in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Entweltlichung aufforderte. Die dortigen Kirchenstrukturen müssten das markant Christliche stärker und in unbequemer Weise herausstellen.
Man muss ja nicht Anhänger einer bestimmten politischen Richtung sein, um es zumindest als schwer bedenklich anzusehen, dass für das Verhältnis von Kirche und Staat in der jetzigen Bundesrepublik immer noch das Reichskonkordat aus dem Jahre 1933 gilt, welches auch Hitlerkonkordat bzw. Nazikonkordat genannt wird. Genau jenes Reichs-, Hitler- oder eben auch Nazikonkordat sichert den offiziellen Kirchenstrukturen in der Bundesrepublik Jahr für Jahr milliardenschwere Einkünfte wie auffällige rechtliche Vorteile. Ob das bei aller Rhetorik gegen Nationalsozialismus wie überhaupt gegen den früheren deutschen Reichsverband glaubwürdig ist, wurde natürlich schon vor Papst Benedikt XVI. von verschiedener Seite kritisch hinterfragt. Genauso befremdet es zumindest manchen, dass selbst das sogenannte Preußenkonkordat im Gebiet der jetzigen Bundesrepublik weiterhin in Geltung ist, obwohl Preußen schon kurz nach Ende des II. Weltkrieges für aufgelöst erklärt wurde. Bedenklich erscheinen muss wohl auch, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der am Abschluss des ebenfalls noch gültigen Bayerischen Konkordats von 1924 beteiligte bayerische Justizminister, Franz Gürtner, später unter Adolf Hitler Reichsminister für Justiz war.
Wenn nun der Erste der Apostel, Petrus, einst durch Jesus von Nazareth selber scharf zurechtgewiesen wurde, müssen sich auch Christinnen und Christen in unserer Zeit einschließlich Vertreter der Kirchenhierarchie kritisch hinterfragen lassen.
1. Lesung: Jer 20,7-9
2. Lesung: Röm 12,1-2
Evangelium: Mt 16,21-27
Gedanken zur Woche 25-b, Dr. Matthias Martin
22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Nach dem bei uns heutzutage meistverwendeten liturgischen Kalender wird in dieser Woche, konkret am 3. September, eines Heiligen gedacht, welcher oft der Anlass für durchaus gut gemeinte Verwechslungen ist. Es ist dies der heilige Papst Gregor der Große. Ja, genau der, bei dem sehr viele Menschen erfreut meinen, das sei doch jener, welchem wir den weltweit längst akzeptierten gregorianischen Kalender zu verdanken hätten.
Tatsächlich handelt es sich aber bei Gregor dem Großen, um den Papst Gregor I., welcher von 590 bis zu seinem Tod am 12. März 604 amtierte. Demgegenüber handelt es sich bei dem Papst der Schaffung des sogenannten Gregorianischen Kalenders um Gregor XIII. Dieser amtierte rund ein Jahrtausend nach Gregor I., genannt der Große. Gregors XIII. Amtszeit dauerte nämlich von 1572 bis 1585. Die Kalenderreform und deren praktische Umsetzung war dabei nicht die einzige bedeutende Leistung, die dieser engagierte Freund von Wissenschaft und Bildung erzielte. So unterstützte er auf internationaler Ebene die Gründung gerade von Priesterseminaren und gründete in Rom selber wichtige Kollegien. Neben anderen wichtigen Dingen bemühte sich Gregor XIII. auch um die Förderung des religiösen Gesangs.
Und damit sind wir ganz besonders augenfällig bei seinem berühmten Vorgänger, eben Gregor dem Großen. Nach ihm ist ja der Gregorianische Gesang oder auch Gregorianische Choral benannt. Manchmal wird auch die bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts allgemein gefeierte Alte lateinische Messe die Messe Gregors der Großen genannt. Zugleich wurde Gregor I. einer der ganz großen Theologen der Kirchengeschichte. Er hinterließ ein umfangreiches Gesamtwerk an Schriften, das ihm einen eigenen Platz in der Literaturgeschichte der Menschheit über konfessionelle Grenzen hinaus sichert. Dabei ging es ihm um die praktische Umsetzbarkeit theologischer Impulse, um eine möglichst gute Lebenswirklichkeit für die Menschen und die Kirche, anstatt um spitzfindige Haarspalterei. So engagierte er sich auch in der Hilfe gegen Hunger und Seuchen für die Mitmenschen. Dem diente nicht zuletzt die wohldurchdachte und erfolgreiche Neuordnung des kirchlichen Grundbesitzes. Noch heute wird das Eintreten Gregors des Großen für die einfache Landbevölkerung gewürdigt. Er wies mit solchem Wirken den Weg zur Herausbildung des Kirchenstaates. Noch in unserer Zeit ist ja der Papst nicht nur ein religiöses Oberhaupt, sondern eben auch ein Staatsoberhaupt. Ebenso hat die mit dem Heiligen Stuhl so eng verbundene Republik San Marino die Stürme der Zeit überdauert.
Kirchliche Erfolge und Beharrungsvermögen wurden dadurch stark gefördert, dass sich Gregor der Große um ein gutes Verhältnis zu den germanischen Völkern bzw. Staaten samt dortiger Mission bemühte. So konnte Gregor der Große das Verhältnis zu dem damals bereits über weite Teile des heutigen Italien herrschenden Volk der Langobarden verbessern. Eine sehr wertvolle Ansprechpartnerin war für ihn dabei die aus Bayern stammende langobardische Königin Theodelinde. Diese bekennende Katholikin wird selber als Selige oder auch als Heilige verehrt. Um dieses Verhältnis zu pflegen und Theodelinde eigens zu gutem Tun anzuregen, ließ Gregor der Große künstlerisch bemerkenswerte Gegenstände anfertigen und der aufgeschlossenen Königin verehren. Diesem Aspekt päpstlichen Wirkens begegnete ich selber im Rahmen meines Studiums im Fachbereich Ur- und Frühgeschichte, bei dem es zu allermeist um Funde, um Gegenstände und deren Auswertung geht.
Noch Jahrhunderte nach Gregor I. und Theodelinde gab es in etwa an der Schnittstelle vom heutigen Mittel- zu Süditalien langobardische Fürstentümer, für deren Schutz sich der heiliggesprochene deutsche Kaiser Heinrich II. persönlich engagierte.
Gelang es Gregor dem Großen in Zusammenarbeit mit der bemerkenswerten Theodelinde, die Langobarden an die katholische Kirche heranzuführen, so war er auch sonst recht erfolgreich. Zum Reich der Westgoten, welches damals den Großteil der iberischen Halbinsel bis in das heutige Südfrankreich hinein umfasste, konnte er gute Beziehungen aufbauen. So konnte nach dem Übertritt seines Königs Rekkared zum katholischen Glauben im westgotischen Staat die katholische Kirche einen bemerkenswerten Aufschwung erzielen. Die Reichssynoden in Toledo erlangten starke theologische Bedeutung und werden noch heute zitiert.
Dazu trieb Gregor I. persönlich die Christianisierung der Angelsachsen voran. Die zweite Ausgabe des Lexikons Für Theologie und Kirche, LThK, hält eigens zum Begriff Angelsachsen fest: „der . . . Sammelname (Angli Saxones) . . . zur Bez der Angeln, Sachsen u Jüten, die um Mitte des 5. Jh Britannien mit Ausnahme v Wales, Cornwall u Schottland besetzten u die 7 Königreiche Kent, Wessex, Essex, Mercia, Ostanglia, Northumberland gründeten“. So etwas wie ein Staat England entstand erst viel später, während Wales, Cornwall und Schottland auch heute als keltische Nationen bezeichnet werden. Das gleiche gilt für das derzeit noch geteilte Irland. Dabei gibt es für die katholische Kirche eh nur ein Irland, wie sich an der kirchlichen Einteilung samt der einen Irischen Bischofskonferenz, dem diplomatischen Wirken des Heiligen Stuhles bis hin zur Durchführung von Papstbesuchen deutlich zeigt.
Gedanken zur Woche 24, Dr. Matthias Martin
21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Es ist wohl eine der bekanntesten Bibelstellen, die uns im Rahmen des diesjährigen Sonntagsevangeliums 2020 nach Matthäus am 21. Sonntag im Jahreskreis geboten wird. Es ist dies die manchmal als Primatsstelle bezeichnete Formulierung als Teil des Sonntagsevangeliums:
"(16,18) Ich aber sage dir: Du bist Petrus
und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen
und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.
(19) Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben;
was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein,
und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.“
Ein Teil dieser Worte ist in lateinischer Sprache in der Kuppel des Petersdomes in Rom zu lesen. Ebenso griff man darauf zurück, als die Post der Republik Rumänien zu Ehren der Papstwahl Benedikts XVI. einen Briefmarkenblock herausgab. Die Verwendung der lateinischen Version des biblischen Textes wurde dadurch erleichtert, dass Rumänisch eine mit dem Lateinischen sehr eng verwandte Sprache ist, enger verwandt, als sonst üblicherweise romanische Sprache.
Wie der Begriff Primatsstelle andeutet, wird diese Bibelstelle besonders stark herangezogen, den Primat des Papstes, der nach römisch-katholischem Verständnis auf dem Primat Petri beruht, zu begründen. Es ist aber nicht die einzige Stelle, mit welcher dieser Primat Petri bzw. Primat des Papstes begründet wird. Besondere Bedeutung kommt hier noch der Stelle im Lukasevangelium zu: „(22,32) Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du wieder umgekehrt bist, dann stärke deine Brüder!“ Ebenso ist hierbei die dreifache Beauftragung des Petrus und nur des Petrus durch den auferstandenen Herrn Jesus Christus am See von Tiberias, zu nennen, wie sie sich im Schlusskapitel des Johannesevangeliums findet:
„(21,15) Als sie gegessen hatten, sagte Jesus zu Simon Petrus:
Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?
Er antwortete ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.
Jesus sagte zu ihm: Weide meine Lämmer!
(16) Zum zweiten Mal fragte er ihn:
Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?
Er antwortet ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.
Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!
(17) Zum dritten Mal fragte er ihn:
Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?
Da wurde Petrus traurig, weil Jesus ihn zum dritten Mal gefragt hatte:
Liebst du mich?
Er gab ihm zur Antwort: Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe.
Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!“
Hierbei ist zu bedenken, dass im Alten Orient das dreifache Aussprechen einer Beauftragung, einer Vollmachterteilung, eine endgültige Autorisierung bedeutete.
Es wird dabei deutlich, dass ein Kirchenamt, auch nicht das Papstamt, ein Selbstzweck ist. Es ist vielmehr wahrzunehmen auf der Grundlage des christlichen Glaubens, ganz allgemein gesprochen zur Förderung von Glauben und Hoffnung, Verwirklichung von Gottes- und Nächstenliebe. Was in den letzten Jahren etwa zum Thema sexueller Missbrauch und finanzielle Korruption durch Kirchenvertreter herausgekommen ist, ist davon das krasse Gegenteil und verdeutlicht nur, wie es eigentlich auf keinem Fall sein sollte!
Auf der anderen Seite hat der Papst eine ganz außerordentliche Stellung innerhalb der internationalen Gemeinschaft inne. So ist er beileibe nicht nur ein religiöses Oberhaupt. Religiöses Oberhaupt der größten religiösen Gemeinschaft, was die katholische Kirche ja ist, zu sein, wäre für sich schon etwas. Aber der Papst ist noch einiges mehr. So ist der Papst auch international anerkanntes Staatsoberhaupt. Der von ihm angeführte Vatikanstaat verfügt über ein eigens Staatsgebiet, ein eigenes Staatsvolk und eigene Staatsgewalt. Besonders beliebt sind wohl die vatikanischen Briefmarken und Münzen, sowie die Armee des Vatikans, die Schweizergarde, mit Deutsch als offizieller Sprache dieser Armee. Darüber hinaus ist der Papst die Verkörperung eines Völkerrechtsubjektes eigener Art, des Heiligen Stuhles. Dieses Völkerrechtsubjekt Heiliger Stuhl ist nicht mit dem Vatikanstaat identisch, wird aber oft mit ihm in einen Topf geworfen.
So ist das Papstamt natürlich religiös begründet und hat zuerst einen religiösen Auftrag, nimmt aber weit über die katholische Kirche hinaus Aufgaben war. Der Heilige Stuhl hat volle diplomatische Beziehungen zu den meisten Staaten der Welt, unabhängig von der religiösen Orientierung der jeweiligen Bevölkerungsmehrheit oder Staatsführung und wirkt direkt in internationalen Organisationen mit. Manch eine/-r mag sich an die ein oder andere päpstliche Ansprache vor den Vereinten Nationen in New York erinnern. Es gilt als sehr bedeutsam, dass nach dem II. Weltkrieg der Heilige Stuhl (volle) diplomatische Beziehungen mit antikommunistischen Exilregierungen aus dem östlichen Europa aufrechterhielt. Auch erkannte der Heilige Stuhl gerne einst insbesondere von Frankreich und Großbritannien unterworfene Gebiete als unabhängige Staaten und diplomatische Partner an. Der Heilige Stuhl hat da einen ganz wichtigen Beitrag zur Dekolonialisierung geleistet. Eigens muss es Anhängern der britischen Monarchie übel aufstoßen, dass für den Heiligen Stuhl Nordirland schlichtweg ein Teil Irlands ist und sich viele Katholikinnen und Katholiken mit der Rückendeckung des Heiligen Stuhls in der schottischen Unabhängigkeitsbewegung engagieren.
1. Lesung: Jes 22,19-23
2. Lesung: Röm 11,33-36
Evangelium: Mt 16,13-20
Gedanken zur Woche 24-b, Dr. Matthias Martin
21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
In der letzten vollen Woche des Augusts 2020 werden uns die Gedenktage einer Reihe ganz herausragender Heiliger geboten. Mit besonderem Interesse mag so manche/-n etwa das Erinnern an Mutter und Sohn, die heilige Monika und ihren Sohn den hl. Augustinus erfüllen. Auch der Gedenktag der Enthauptung Johannes des Täufers hat es gewissermaßen in sich.
Dass die Kirche erst einer Mutter und dann ihres Sohnes gedenkt, verdeutlicht zum einen die Bedeutung von Frauen bereits in der altkirchlichen Überlieferung und zum anderen die Wertschätzung, welche die Kirche traditionell der Familie entgegenbringt. Im Sinne eines überlieferten Verständnisses von Ehe und Familie lässt sich auch der Gedenktag der Enthauptung Johannes des Täufers sehen.
So wird mit diesem Gedenktag, auch genannt Fest 3. Klasse, eigens des Märtyrertodes Johannes des Täufers gedacht. Dieser hatte bekanntlich das Verhalten des Königs Herodes Antipas in Ehesachen heftig kritisiert. Der Text in dem heute bei uns üblichen deutschen Messbuch betont, dass es später ein römischer Kaiser, also wieder ein Monarch, Julian Apostata, war, welcher das mutmaßliche Grab Johanes des Täufers zerstören ließ. Über den besonderen Vorgänger des Herrn Jesus Christus, Johannes den Täufer, heißt es höchst ehrenvoll in einer Ausgabe des bis in die 60er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts häufig verwendeten sogenannten Volksschotts unter leichter Anpassung an heutigen Sprachgebrauch zitiert,:
„Wie die Geburt (24. Juni), so ehrt die Kirche auch den Martertod des Größten unter den von einer Frau Geborenen durch ein eigenes Fest. Der Introitus und die Lectio erinnern an den Freimut des heiligen Vorläufers. Das Evangelium erzählt den Hergang seines Martyriums.“
Es war dann ein anderer Johannes, der bis heute so beliebte Papst Johannes XXIII., welcher die Herausgabe dieses Volksschotts ausdrücklich würdigte.
Dabei muss man kein Katholik sein, um den heiligen Johannes den Täufer zu verehren. Schon der antike jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus erwähnt, wie sehr nicht wenige Juden Johannes den Täufer verehrten, den der umstrittene König habe hinrichten lassen,
„obwohl er ein edler Mann war, der die Juden anhielt, nach Vollkommenheit zu streben, indem er sie ermahnte, Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegen Gott zu üben und so zur Taufe zu kommen. Dann werde, verkündigte er, die Taufe Gott angenehm sein, weil sie dieselbe nur zur Heiligung des Leibes, nicht aber zur Sühne für Sünden anwendeten; die Seele nämlich sei dann ja schon vorher durch ein gerechtes Leben entsündigt. Da nun infolge der wunderbaren Anziehungskraft solcher Reden eine gewaltige Menschenmenge zu Johannes strömte, fürchtete Herodes, das Ansehen des Mannes, dessen Rat allgemein befolgt zu werden schien.“
Speziell, wer noch vor Ausbruch des Bürgerkrieges die syrische Hauptstadt Damaskus besuchte, konnte sich von der großen Verehrung bei den Muslimen überzeugen, welche Johannes der Täufer genießt. Gibt es doch die Überlieferung, dass dort einst in einer christlichen Basilika der Kopf Johannes des Täufers aufbewahrt wurde und sich nun in der dort vorhandenen Umayyaden-Moschee befinde. Die Anhänger der mandäischen Religion wurden vor allem in früherer Zeit ihrerseits auch Johanneschristen genannt.
Zahlreiche Konfessionen aus den unterschiedlichen Hauptrichtungen des Christentums begehen eigens den Gedenktag bzw. das Fest der Enthauptung Johannes des Täufers. Noch häufiger wird das Fest der Geburt Johannes des Täufers, in der katholischen Kirche ja ein Hochfest, ein Fest I. Klasse, begangen. Verschiedene christliche Konfessionen haben darüber hinaus weitere Gedenk- und Festtage zu Ehren Johannes des Täufers.
War der so über alle Ländergrenzen hinweg geehrte Johannes der Täufer als Opfer eines tyrannischen Monarchen gestorben, so setzte sich der als Kirchenvater anerkannte Augustinus in seinem sehr umfangreichen literarisch-philosophisch-theologischen Werk kritisch mit dem damals schon in schwerer Krise befindlichen Römischen Reich auseinander. Nicht zuletzt befasste er sich intensiv mit dem Verständnis von Ehe und Familie. Noch in der Eheenzyklika Papst Pius XI. ,,Casti Conubii" aus dem Jahre 1930 wird ihm dafür ausordentlich starker Respekt gezollt.
So können uns die angesprochenen Gedenktag umso mehr eine Fülle, ja Überfülle, Denk- und Handlungsanregungen bieten.
Gedanken zur Woche 23, Dr. Matthias Martin
20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Am 16. Sonntag im Jahreskreis wird uns dieses Jahr der üblichen Leseordnung zufolge jenes Stück des Matthäusevangeliums als Sonntagsevangeliums geboten, welches in der Neuausgabe der Deutschen Einheitsübersetzung überschrieben ist mit „Der Glauber der heidnischen Frau“. Tatsächlich ist dort davon die Rede, dass sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurückzog. Beide Städte in der heutigen Republik Libanon waren keine jüdischen Städte, sondern von alters her Metropolen der Phönizier. Von dort aus wurde neben vielem anderen das berühmte Karthago gegründet, gelegen in der heutigen Republik Tunesien. Zwar gab es vielfältige Kontakte und Zusammenarbeit zwischen Juden und Phöniziern wie man im Alten/Ersten Testament bestätigt bekommt, aber beide waren unabhängig voneinander mit einer je eigenen Kultur.
So war es dann auch keine jüdische Frau, welche Jesus ansprach und ihn um Heilung bat. Schließlich entsprach Jesus ihrem Wunsch. Damit wird im heutigen Evangelium bereits in die Richtung der späteren Weltmission gewiesen, wie sie besonders markant angesprochen wird im Allgemeinen Missionsbefehl am Ende des Matthäusevangelium und in der Pfingsterzählung in der Apostelgeschichte. Natürlich ist hier auch an andere Stellen des Neuen/Zweiten Testamentes zu denken, so allgemein an die ganze Apostelgeschichte und die Paulusbriefe. Bezeichnenderweise ist es seit Erlangung der Unabhängigkeit für die Republik Libanon in der dortigen Verfassung festgeschrieben, dass ein Katholik aus der maronitischen Überlieferung unserer Weltkirche Staatspräsident zu sein hat. Auch andere Zweige der katholischen Kirche und andere christliche Konfessionen sind zusammen mit Muslimen und Drusen in Regierung und Parlament der Republik Libanon vertreten.
Nicht wenige Menschen, die in den letzten Jahrzehnten aus dem Nahen Osten nach Mitteleuropa gekommen sind, sind beispielsweise keine Muslime, sondern in nicht wenigen Fällen Christen oder Anhänger anderer religiöser Überlieferung mit manchmal bemerkenswerten Gemeinsamkeiten mit dem Christentum bis hin zu fließenden Übergängen Richtung Christentum. Einer ernstzunehmenden Schätzung zufolge ist rund die Hälfte der Einwohner des gegenwärtigen türkischen Staatsgebietes eigentlich gar nicht türkisch!
In Richtung von Grenzüberschreitung weist uns dabei schon das Alte/Erste Testament. Ein gutes Beispiel bietet die Erste Lesung. Da ist die Rede von den „Fremden, die sich dem Herrn anschließen, um ihn zu dienen und den Namen des Herrn zu lieben, um seine Knechte zu sein“. In der neutestamentlichen Lesung aus dem Römerbrief wird dann eigens der Weg der jungen Kirche zu den Heidenvölkern thematisiert. So wird wieder einmal klar, dass die Kirche ihrem Wesen nach zutiefst missionarisch ist. Bezeichnenderweise wird Pfingsten, das HOCHFEST DES HEILIGEN GEISTES, GEBURTSTAG DER KIRCHE wie auch BEGINN DER WELTMISSION genannt.
Das von 1962 bis 1965 tagende II. Vatikanische Konzil verabschiedete mit „Ad gentes“ ein eigenes Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche. Dort heißt es gleich zu Beginn:
„Zur Völkerwelt von Gott gesandt, soll die Kirche ‘das allgemeine Sakrament des Heils‘ sein. So müht sie sich gemäß dem innersten Auftrag ihrer eigenen Katholizität und im Gehorsam gegen den Auftrag ihres Stifters, das Evangelium allen Menschen zu verkünden. Denn auch die Apostel, auf die die Kirche gegründet worden ist, haben, den Spuren Christi folgend, ‘das Wort der Wahrheit verkündet und Kirchen gezeugt‘. Pflicht ihrer Nachfolger ist es, diesem Werk Dauer zu verleihen, ‘damit das Wort Gottes seinen Lauf nehme und verherrlicht werde‘ (2 Thess 3,1) und die Herrschaft Gottes überall auf Erden angekündigt und aufgerichtet werde.“
Zwar ist dieses Missionsdekret des so gerne von vielen im Mund geführten II. Vaticanums ganz offensichtlich kaum je in der Weltkirche zur Kenntnis und ansonsten gerne wieder vergessen worden, der durch die Bibel aufzeigte Auftrag, zu den Völkern zu gehen, bleibt. In neuester Zeit hat den bleibenden Missionsauftrag der Kirche gerade Papst Franziskus sehr dringlich angesprochen und herausgestellt.
1. Lesung: Jes 56,1.6-7
2. Lesung: Röm 11,13-15.29-32
Evangelium: Mt 15,21-28
Gedanken zur Woche 23-b, Dr. Matthias Martin
20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Am 15. August begeht die katholische Kirche das Hochfest, das Fest I. Klasse, von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL. Ja, so wird dieser in verschiedenen Gebieten und Staaten der Welt auch als staatlicher Feiertag anerkannte katholische Festtag genannt. Man kann auf Deutsch in Anlehnung an die lateinische Grammatik auch sagen bzw. schreiben, dass es das Hochfest MARIÄ AUFNAHME IN DEN HIMMEL ist.
In dem bei uns üblichen deutschen Messbuch wird genau diese Schreibweise „Mariä Aufnahme in den Himmel“ verwendet. Vergleichbar verhält es sich im Direktorium der Diözese St. Pölten.
In dem allgemein sehr anerkannten und ursprünglich von Heinrich Denzinger herausgegebenen Sammelband „Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen“ ist mit Blick auf die Lehre von der Definition der Aufnahme Mariens in den Himmel und vom „Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel“ die Rede. In der betreffenden Apostolischen Konstitution vom 1. November 1950 hielt Papst Pius XII. fest:
„Es ist von Gott geoffenbarte Glaubenslehre, dass die Unbefleckte Gottesgebärerin und immerwährende Jungfrau nach Vollendung des irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“
Nachdem schon unmittelbar vorher Maria erwähnt wurde, heißt es in Kapitel 59 der Konstitution des II. Vatikanischen Konzils über die Kirche mit dem Namen „Lumen Gentium“:
„. . . Schließlich wurde die unbefleckte Jungfrau, von jedem Makel der Erbsünde unversehrt bewahrt, nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommener ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren (Apk 19,16) und dem Sieger über Sünde und Tod.“
Ähnlich wird im Katechismus der Katholischen Kirche(KKK) von „ihrer Aufnahme in den Himmel“ und der „Aufnahme der heiligen Jungfrau“ geschrieben.
Es wird also immer wieder klargemacht, dass die gnadenhafte Erwählung Mariens von Gott ausging, dass das göttliche Heilshandeln an Maria wirksam wurde. Maria konnte dies nicht aus sich selber heraus anstoßen, irgendwie in Gang setzen. Daher heißt es ja auch „Aufnahme in den Himmel“. Maria konnte sich nicht selber in den Himmel bringen. Anders als Jesus Christus hat sie ja keine göttliche Natur, sondern einzig und allein eine menschliche Natur. In den Dokumenten des Lehramtes der katholischen Kirche wird immer wieder das Heilshandeln Gottes betont. Maria ist ja selber keine Gottheit oder Göttin. Die katholische Kirche und die allermeisten christlichen Konfessionen bekennen exakt die Allerheiligste Dreifaltigkeit von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist. Die Verehrung Mariens als Gottheit bzw. eine betreffende Lehre von einer Vierfaltigkeit haben gerade einmal irgendwelche sich noch „christlich“ nennende Randgruppen vertreten.
Dementsprechend heißt es mit Blick auf die Aufnahme Mariens in den Himmel und das Wirken Jesu im betreffenden Gesätzchen des glorreichen Rosenkranzes:
„der dich, o Jungfrau, in den Himmel aufgenommen hat“.
Vor Verfälschungen oder Verdrehungen des Textes ist gerade hier deutlich zu warnen. Zumindest im einen oder anderen deutschsprachigen Dialektgebiet kann bzw. muss man mitunter verdrehte Versionen dieses Gesätzchens, dieses Geheimnisses, des Rosenkranzes hören, die soweit gehen können, dass Maria ihrerseits Jesus in den Himmel aufgenommen hätte („den du, oh Jungfrau, in den Himmel aufgenommen hast"). Das Ganze ist jetzt kein Witz! So etwas an Verdrehung sollte nicht der Fall sein. Ich erinnere mich, wie während meiner Tätigkeit als Religionslehrer am Tullner Gymnasium schon vierzehn- bis fünfzehnjährige Schüler vor jeder Ungenauigkeit in der religiösen oder theologischen Wortwahl warnten. Solche Schüler unterstrichen, dass das Christentum, die katholische Kirche ja keine Muttergottheit anerkenne. Dementsprechend gäbe es für uns keine Muttergöttin wie Hera in der alten Vielgötterreligion Griechenlands oder Juno in der offiziellen Religion des alten Roms. Zu diesem klaren Verständnis hatte nach ihrer eigenen Angabe den Schülern interessanterweise nicht zuletzt der Geschichtsunterricht verholfen.
Es ist nicht zuletzt in Hinblick auf die Beziehung zu anderen christlichen Konfessionen und zu nichtchristlichen Religionen wie den Islam umso wichtiger, Missverständnisse, Ungenauigkeiten und Textverdrehungen zu vermeiden. Daran mitzuwirken ist gerade in unseren oft so verworrenen Zeiten Aufgabe aller Geistlichen, kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ja aller Katholikinnen und Katholiken guten Willens.
Gedanken zur Woche 22, Dr. Matthias Martin
19. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Das Sonntagsevangelium nach Matthäus für den Sonntag der 19. Woche im liturgischen Jahreskreis stellt eine für viele vielleicht etwas überraschende, wenn nicht gar befremdliche, Begegnung Jesu mit Petrus vor. Im Verlauf dieser Begegnung beginnt Petrus, der das Boot verlassend über das Wasser zu Jesus kommen will, einzusinken. Er wird daraufhin vom Herrn Jesus Christus als „Kleingläubiger“ bezeichnet, aber Jesus rettet ihn auch. Es war Petrus, der immerhin, als er einzusinken begann, eben auf Jesus seine Hoffnung setzte, gerettet zu werden und ihn um Hilfe anrief. Bei aller etwaigen Schwäche, Petrus hat seine Hoffnung auf Jesus gesetzt. Es ist jener Petrus, der im Neuen Testament gewissermaßen regelmäßig als der Erste der Apostel genannt wird, der als so etwas wie der Sprecher des Apostelkreises auftritt. Nicht einmal zwei Kapitel nach dem Stück aus dem Matthäusevangelium mit dem Einsinken des Petrus im See und der Rettung durch Jesus Christus ist es dann genau Petrus, welcher in markanter Weise den Glauben an Jesus, den Christus, bekennt:
„(16,16) Simon Petrus antwortete und sprach:
Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“
Jesus seinerseits tut dies nach der Erzählung des Evangeliums nicht ab, nimmt es vielleicht irgendwie zur Kenntnis, sondern greift es in bemerkenswerter Weise auf:
„(16,17) Jesus antwortete und sagte zu ihm:
Selig bist du, Simon Barjona;
denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart,
sondern mein Vater im Himmel.
(18) Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen
werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt
werden sie nicht überwältigen.
(19) Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben;
was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein,
und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.“
Das ist eine wohl besonders starke Stelle in der Bibel, welche auf eine persönliche und letztlich belastungsfähige Beziehung zwischen Jesus Christus und Simon Petrus hinweist, aber natürlich nicht die einzige. Diese Beziehung hat der Person des Petrus über alle eigenen Schwächen und Rückschläge hinweg die Kraft gegeben, Jesus nachzufolgen. Hatte er sich vom Herrn entfernt, so empfand er Reue und strebte wieder eine gute Gemeinschaft mit ihm an.
So geschah es laut dem Schlusskapitel des Johannesevangeliums bei der Begegnung des Petrus und anderer Jünger mit dem auferstandenen Herrn Jesus Christus am See von Tiberias. Hier bekennt Petrus dreimal, dass er Jesus liebe, gewissermaßen der Kontrapunkt zur dreimaligen Verleugnung am Abend der Verhaftung Jesu, oftmals genannt Gründonnerstag. Schließlich führte ihn sein Weg als Jünger Jesu Christi, als urchristlicher Missionar, nach Rom. Dort erlitt er nach alter Überlieferung wie auch der Apostel Paulus und weitere Christen in der Verfolgung des berüchtigten Kaisers Nero das Martyrium. Das Hochfest, das Fest I. Klasse, von PETRUS UND PAULUS am 29. Juni erinnert daran.
Die Beziehung zu Jesus hatte für Petrus eine letztendlich tragfähige Grundlage gehabt. Um tragfähige Grundlage geht es in einer eigenen Art der Formulierung auch in der Zweiten Lesung aus dem Römerbrief. Da wird deutlich, dass Glauben, religiöse Beziehung, Leben als Gemeinschaft von Glaubenden, keine subjektive Angelegenheit ist. Es geht eben immer wieder darum, sich der richtigen Grundlage zu vergewissern, anders gesagt, sich an etwas Verlässliches zurückzubinden. So ist an dieser Stelle im Römerbrief die Rede von den „Bundesschlüssen“, vom „Gesetz“, dem „Gottesdienst“, den „Verheißungen“ und den „Vätern“. Damit ist religiöses Leben in bestimmter Weise persönlicher Willkür entzogen. Es wird verdeutlicht, wie gut und wichtig eine intensive Beschäftigung mit dem Alten Testament, dem Ersten Testament der Bibel, ist, wenn man eine gute, verlässliche Glaubensgrundlage anstrebt. Von solchem gefestigten und zugleich persönlicher Willkür entzogenem Glauben her können dann gute Früchte erwachsen, das Tun guter Werke und das Meiden böser Taten. Seinerseits mag uns jener Apostel, der Petrus genannt wird, bei all seinen persönlichen Schwächen und Rückschlägen ein Vorbild sein.
1. Lesung: 1. Kön 19,9a.11-13a
2. Lesung: Röm 9,1-5
Evangelium: Mt 14,22-33
Gedanken zur Woche 22-b, Dr. Matthias Martin
19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2020)
Natürlich verdienen es alle die verschiedenen Heiligen, welcher in der 19. Woche im liturgischen Jahreskreis gedacht wird, betrachtet zu werden. Jede und jeder von ihnen hat ihre bzw. seine besondere Aussagekraft, verkörpert jeweils mit einem besonderen Akzent authentisches christliches Leben in Glauben, Hoffnung und Liebe.
Der heilige Laurentius, dessen die Kirche am 10. August gedenkt, ist dabei ein frühchristlicher Märtyrer, dessen Ansehen schon in der alten Kirche so groß war, dass er in den Römischen Messkanon aufgenommen wurde. So heißt es in der ungekürzten Fassung des I. Hochgebetes, auch genannt Römischer Messkanon, vor der Wandlung:
„In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche gedenken wir deiner Heiligen.
Wir ehren vor allem Maria, die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter
unseres Herrn und Gottes Jesus Christus.
Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef, deine heiligen Apostel und Märtyrer:
Petrus und Paulus, Andreas,
Jakobus, Johannes, Thomas, Jakobus,
Philippus, Bartholomäus, Matthäus,
Simon und Thaddäus,
Linus, Kletus, Klemens, Xystus, Kornelius,
Cyprianus, Laurentius (!), Chrysogonus,
Johannes und Paulus, Kosmas und Damianus
und alle deine Heiligen.“
In derselben Woche wie des heiligen Laurentius, der sich um die Armenhilfe der römischen Kirche kümmerte und unter dem Kaiser Valerian das Martyrium erlitt, gedenkt die Kirche auch des heiligen Hippolyt. Dieser hat seine ganz besondere Beziehung zur Diözese und zur Stadt von St. Pölten. „Pölten“ ist nämlich so etwas wie die deutsche Verballhornung, eine Art deutsche Kurzform von Hippolyt oder lateinisch Hippolytus. Der heilige Hippolyt ist also nicht nur der Schutzpatron, sondern auch Namensgeber der Diözese wie ihrer Hauptstadt, welche zugleich die Landeshauptstadt von Niederösterreich ist. Dabei wirkte Hippolyt gar nicht in der damaligen römischen Stadt Aelium Cetium, dem heute nach ihm benannten St. Pölten. Er wirkte vielmehr beginnend in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts bis in das 3. Jahrhundert hinein in Rom. Der fähige Theologe ließ sich aber im Jahre 217 gegen den eigentlich gewählten Kalixtus/Kallistus zum Gegenpapst wählen. Gerne wird daher Hippolyt als erster Gegenpapst der Kirchengeschichte bezeichnet. Sein Lebensweg und sein Weiterwirken bieten aber nicht nur historische Details, sondern haben gerade für uns heute lebende Menschen eine enorme theologische Aussagekraft. Tatsächlich einigte sich Hippolyt mit dem späteren Papst Pontianus darauf, gemeinsam als Papst und Gegenpapst zurückzutreten und damit der kirchlichen Wiedervereinigung in Rom den Weg zu bahnen! Beide einstigen Kontrahenten werden als Opfer römischer Christenverfolgung als Märtyrer anerkannt und als Heilige verehrt! Beide einstigen Kontrahenten, Pontianus und Hippolyt waren bereit, von ihren Ansprüchen und etwaigen Befindlichkeiten zurückzutreten und um der kirchlichen Einheit willen für die Wahl eines gemeinsamen Nachfolgers den Weg frei zu machen. Solches Verhalten hat sicher gerade in den kirchlichen Zuständen unserer ganz aktuellen Zeit einen bemerkenswerten Vorbildcharakter.
Zugleich beweist die Anerkennung des langjährigen Gegenpapstes Hippolyt als Heiligen wie die offizielle Wertschätzung als bedeutenden Theologen samt seiner Position als Namensgeber von Stadt und Diözese St. Pölten, dass gerade in früheren Zeiten die offizielle Kirchenhierarchie großzügiger sein konnte, als es mancher heute denkt. Er ist dabei beileibe nicht die einzige Persönlichkeit der Kirchengeschichte, welche mehr oder minder im Schisma war, und später als Heiliger bzw. Heilige anerkannt wurde. Die Kirchenleitung früherer Jahrhunderte war ganz offensichtlich bereit, immer wieder das Gute auch in Menschen zu sehen, die für sie, sagen wir, gewöhnungsbedürftig und etwas aufsässig gewesen waren. Denken wir da etwa an die Heiligsprechung und Verehrung des Benno von Meißen, der einst so bedeutsam den heute meist als Gegenpapst angesehen Clemens III. unterstützt hatte, wie in „Gedanken zur Woche 14-b“ angesprochen wurde.
Dann wird ja, wie schon erwähnt auch Pontianus von der katholischen Kirche als Heiliger verehrt, also jener Papst, der von diesem Amt zurücktrat. Genauso wird sein direkt gewählter Nachfolger Anterus sowohl als rechtmäßig amtierender Papst seiner Zeit wie als Heiliger anerkannt. Beide, der heilige Papst Pontianus und der heilige Papst Anterus, stehen in einem Verhältnis zueinander wie in unseren Tagen ganz aktuell Benedikt XVI. und Franziskus. Das alles, samt der durchgeführten Aufnahmen in das Heiligenverzeichnis macht deutlich, dass ein Papst zurücktreten und man noch zu seinen Lebzeiten gültig einen Nachfolger wählen kann. Ein paralleler Fall ereignete sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Gewählt im Jahre 1294 dankte der sich vom Papstamt überfordert fühlende Cölestin V. noch im selben Jahr ab, um den Weg für die Wahl eines seiner Meinung nach geeigneteren Nachfolgers frei zu machen. Dieser wurde tatsächlich gewählt und als Bonifaz VIII. allgemein als Papst anerkannt. Der als Papst freiwillig zurückgetretene Cölestin V. wurde später heiliggesprochen! Er steht damit besonders augenfällig in einer Reihe eben mit dem heiligen Pontianus! Mindestens zwei als Heilige anerkannte Päpste, die in ihrer Amtszeit zurücktraten mit jeweils einem allgemein als Papst anerkannten Nachfolger den Weg frei zu machen! Dazu kommt der nicht heiliggesprochene, aber längst allgemein als rechtmäßiger Papst für diesen Moment der Kirchengeschichte anerkannte, Papst Gregor XII. Es war die Zeit mit den Gegenpäpsten von Avignon und dann noch einem dritten Bewerber, der unterstützt von seinem ernstzunehmenden Anhang, behauptete, er sei der Papst. Auf Initiative des deutschen Königs Sigismund trat das zunächst noch nicht allgemein anerkannte Konzil von Konstanz zusammen, um dieses wie andere Probleme zu lösen. Während seine beiden Kontrahenten ausdrücklich verurteilt wurden, dankte Gregor XII. freiwillig in Zusammenarbeit mit dem Konzil ab und unterstütze die Wahl eines Nachfolgers. Auch er also ein Papst, der abdankte, so wie einst die heiligen Päpste Pontianus und Cölestin V. und in unserer Zeit Benedikt XVI.!
Gedanken zur Woche 21, Dr. Matthias Martin
18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Der Teil der neutestamentlichen Evangelien, welcher uns durch die bei uns übliche Leseordnung als Sonntagsevangelium in diesem Lesejahr für den 18. Sonntag im Jahreskreis vorgelegt wird, ist die Erzählung der Speisung der Fünftausend gemäß dem Matthäusevangelium.
Spontan mag der eine von uns sehr beeindruckt sein vom Fortgang der geschilderten Handlung mit ihrem erfreulichen Ausgang. Der andere mag sich spontan fragen, was dies realistisch betrachtet mit unserer Lebenssituation wirklich zu tun haben mag. Zum einen müsste sich das Ganze vor rund 2000 Jahren abgespielt haben, in einem sozio-kulturell ganz anderem Umfeld, als in dem, in welchem wir heute leben. Dann sei ja, wenn man der lehramtlichen Überlieferung der katholischen Kirche wie der meisten anderer christlicher Konfessionen folgt, in Jesus von Nazaret, auch genannt Jesus Christus, nicht nur die menschliche Natur, sondern auch die göttliche Natur vorhanden gewesen. So erklärte etwa das im Jahre 451 tagende Konzil von Chalcedon:
„In der Nachfolge der heiligen Väter also lehren wir alle übereinstimmend,
unseren Herr Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen:
derselbe ist vollkommen in der Gottheit und
derselbe ist vollkommen in der Menschheit;
derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch
aus vernunftbegabter Seele und Leib.“
Nun, eine göttliche Natur bei sich selber zu haben, wird hoffentlich niemand von uns behaupten. Was können wir also vielleicht für eigenes Verhalten von dieser Evangeliumsstelle als Anregung gewinnen? Ich denke, da ist der Blick auf die Apostel wie die anderen Menschen aufschlussreich. Die Jünger befanden sich in einer schwierigen, irgendwie peinlichen Situation. Angenehm war die Situation auch nicht für die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer Jesu, um deren Versorgung mit Lebensmitteln es ging. Die Ressourcen waren offensichtlich äußerst beschränkt. Es brachen aber nicht Verteilungskämpfe aus! Vielmehr verlief alles friedlich. Auf schwierige Situationen friedlich reagieren, das Miteinander anstatt das Gegeneinander zu betonen, das ist doch etwas, wonach Menschen, wonach Christinnen und Christen immer wieder streben sollten. Dann ist noch bemerkenswert, dass die Menschen, wohl gerade die Mitglieder des engeren Jüngerkreises um Jesus von Nazaret, auch in dieser Situation ihre Hoffnung auf ihn gesetzt haben. Hoffnung! Nicht umsonst ist die Hoffnung zusammen mit Glauben und Liebe eine der drei theologischen Tugenden, die auch göttliche Tugenden, mitunter christliche Tugenden oder seltener eingegossene Tugenden genannt werden. Erinnern wir uns in diesem Zusammenhang, dass es im Hohen Lied der Liebe, gerne verwendet bei kirchlichen Trauungen, heißt:
„Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (1 Kor 13,13).
Bei Beginn des Rosenkranzes wird jeweils folgend einem „Gegrüßet seist du Maria“ und den Worten „und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus“ gebetet:
„der ins uns den Glauben vermehre“
„der in uns die Hoffnung stärke“
„der in uns die Liebe entzünde“
Der Hinweis auf die christliche Grundtugend der Hoffnung neben den beiden anderen von Glauben und Liebe kommt vielleicht im Alltag von Christinnen und Christen mitunter zu kurz. Umso besser, wenn wir auf diese Tugend einmal ganz bewusst unseren Blick richten! Das Sonntagsevangelium mag dazu eine gute Anregung sein. In diese Richtung können uns auch die beiden Lesungen weisen, die aus dem alttestamentlichen Buch Jesaja und die aus dem neutestamentlichen Römerbrief. Letztere verdeutlicht zugleich, dass so etwas wie Glaube und Hoffnung immer etwas mit dem eigenen Tun, persönlichem Streben und Handeln zu tun haben. So wird in diesen wenigen Versen des Buches Jesaja zum Eintreten für Recht und Gerechtigkeit aufgefordert und zum Meiden jeder bösen Tat. Auch hier wird wieder verdeutlicht, wie wichtig es ist, ein gutes Miteinander anstelle von Ausgrenzung und Konflikt anzustreben. Das Ansehen des alttestamentlichen Buches Jesaja in der kirchlichen Überlieferung wird eigens durch die Tatsache hervorgehoben, dass auf den Propheten Jesaja ausdrücklich Bezug genommen wird, in jenem Gebet, das der Priester in der früher allgemein üblichen Messliturgie zu sprechen hat, bevor er das Evangelium vorträgt.
So sind wir alle eingeladen, immer wieder den Blick zu richten auf die Tugend der Hoffnung in einem guten christlichen Sinn, immer wieder diese Tugend zu bekräftigen, diese zu erneuern. Verbunden ist sie natürlich mit den beiden anderen Tugenden von Glauben und Liebe. Eine jede und ein jeder von uns möge, um besonders an die Erste Lesung aus dem Buch Jesaja anzulehnen, die Gerechtigkeit lieben und böse Taten nach besten Kräften meiden.
1. Lesung: Jes 55,1-3
2. Lesung: Röm 8,35.37-39
Evangelium: Mt 14,13-21
Gedanken zur Woche 21-b, Dr. Matthias Martin
18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
In der 18. Woche im liturgischen Jahreskreis wird uns neben anderen Persönlichkeiten der kirchlichen Überlieferung ein Heiliger geboten, der allein schon in sprachlich-kultureller Hinsicht eine Ausnahmestellung einnimmt. Es ist dies der heilige Johannes Maria Vianney! Heiliger Johannes wer, heiliger was? Ja, so mag manche und mancher spontan fragen. Tatsächlich ist der der heilige Johannes Maria Vianney genau jener Heilige, der anders als sonst üblich bei Heiligen nicht mit seinen eigentlichen Namen genannt wird. Vielmehr wird dieser Heilige aus der Zeit vom 18. zum 19. Jahrhundert üblicherweise nach seiner Amtsbezeichnung genannt: Heiliger Pfarrer von Ars!
Ja unter dieser Bezeichnung ist er wohlbekannt und wird geschätzt, ja oft verehrt über die Grenzen der katholischen Kirche hinaus! Unter dieser Bezeichnung, heiliger Pfarrer von Ars, so heißt es, verehren ihn auch manche Protestanten und erweisen ihm mitunter selbst Muslime Wertschätzung. Als „Heiliger Pfarrer von Ars“ wird er auch in mancher Ausgabe der Allerheiligenlitanei angerufen. Sein bürgerlicher oder Taufname aber ist weit, weit weniger bekannt.
Er geriet selber in die Wirren der Französischen Revolution und die damit verbundene Verfolgung der romtreuen Katholiken und der Napoleonischen Herrschaft hinein. Heute oft vergessen wurde der auch von nichtchristlichen Staaten diplomatisch anerkannte Kirchenstaat mehr als einmal von französischen Truppen besetzt. Der friedfertige Papst Pius VI. starb als Gefangener der französischen Besatzer. Sein Nachfolger Pius VII. wurde nach gescheiterten Entspannungsbemühungen samt einem umstrittenen Konkordat durch den sich inzwischen als Kaiser gebenden Napoleon I. inhaftiert und der Kirchenstaat wieder zerschlagen. Zur Befreiung von Papst Pius VII. und der Wiederherstellung des Kirchenstaates kam es erst nach der Niederlage Napoleons. Das seit der Revolution in Frankreich geraubte Kirchenvermögen hat die Kirche nicht mehr zurückerstattet bekommen. Es war also keine einfache Zeit und keine für die katholische Kirche besonders nettes Gebiet, in welches, Johannes Maria Vianney hineingeboren wurde und irgendwie hineinzuwachsen hatte. És ist bemerkenswert, dass er aus dem Armeedienst des napoleonischen Frankreichs desertierte und jahrelang im Verborgenen zu leben hatte. Wie gefährlich dies war, wird deutlich, wenn man sich die Massaker gerade an Katholiken vergegenwärtigt, die im Zusammenhang mit der Französischen Revolution geschahen, oder die heute besonders gerne verdrängten Massenmorde Napoleons an Kriegsgefangenen und Zivilisten, waren es Muslime oder Christen.
So verwundert es nicht, dass der spätere heilige Pfarrer von Ars erst nach dem endgültigen Sturz Napoleons Priester werden konnte. Er wurde nach einer Tätigkeit als Kaplan schließlich Pfarrer in der kleinen Gemeinde von Ars bei Lyon. Nun mag manche und mancher denken, dass das wohl eine fromme Gegend hätte sein müssen, hatten doch einst in ebendieser Metropole Lyon in der Zeit vor der Annexion durch Frankreich zwei Allgemeine Konzilien der katholischen Kirche stattgefunden. Wie auch immer einst die religiöse Praxis in früheren Jahrhunderten in dieser Region gewesen sein mag, in der Zeit von Johannes Maria Vianney, des angehenden (heiligen) Pfarrers von Ars, war man dort meist schon längst von der katholischen, ja überhaupt religiösen, Praxis deutlich entfernt. Der Heilige ließ sich dadurch aber nicht entmutigen. Streng gegen sich selbst und gütig gegen seine Mitmenschen ging er an das Werk der religiösen Erneuerung. In dem bei uns ja üblichen Deutschen Messbuch heißt es über ihn:
„Als Pfarrer von Ars wirkte er apostolisch durch äußerste Anspruchslosigkeit seiner Lebensführung, Heiterkeit, Demut und Güte, insbesondere aber als Beichtvater, Prediger und Seelenführer. Aus der seelsorglichen Ruine, die der Ort darstellte, wurde durch ihn eine Musterpfarrei.“
Der heilige Pfarrer wurde unter anderem zum Patron der Pfarrer erklärt. Schon vorher hatte sich bereits das Konzil von Trient intensiv mit der Stellung des Priesters im Gottesvolk in theoretischer und praktischer Hinsicht beschäftigt. Ging damals im 16. Jahrhundert von diesem Konzil tatsächlich eine Erneuerung des religiösen Lebens und damit verbunden, vielfältiger Aktivitäten in Kultur, Bildung und Sozialwesen aus, so wurde der heilige Pfarrer von Ars zum Sinnbild eines nicht zu entmutigenden, glaubwürdigen Seelsorgers. Später verabschiedete dann das von 1962 bis 1965 tagende II. Vatikanische Konzil je ein eigenes Dekret über Dienst und Leben der Priester und über die Priesterausbildung. Diese beiden Dekrete des II. Vatikanischen Konzils gehören zu den wenig umstrittenen Beschlüssen, dieser erst neuerdings wieder ziemlich heftig diskutierten Kirchenversammlung, sind aber ziemlich in Vergessenheit geraten. Da mag das Gedenken an den heiligen Johannes Maria Vianney, den heiligen Pfarrer von Ars, ein geeigneter Anlass sein, ohne jeder Polemik und ohne Gehässigkeit einmal stärker den Blick auf diese beiden Konzilsdekrete zu richten.
Gedanken zur Woche 20, Dr. Matthias Martin
17. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Mit den drei, knapp bis sehr knapp formulierten, Gleichnissen werden wir im Sonntagsevangelium nach der bei uns üblichen Leseordnung wieder einmal in Richtung Landwirtschaft einschließlich Fischerei gewiesen. Beide Tätigkeitsfelder gehören ja zum Primären Bereich der Volkswirtschaft, in welchem bis zur Industriellen Revolution der ganz überwiegende Teil der beruflich aktiven Menschen beschäftigt war.
So ist es leicht nachvollziehbar, dass die Landwirtschaft einschließlich damit verbundene und oft nicht zu trennende Bereiche wie Garten- und Weinbau, Fortwirtschaft und Fischerei in der Bibel immer wieder Stoff für Gleichnisse wie den allgemeineren Handlungshintergrund abgeben. Dementsprechend passt es in größere Bild biblischer Überlieferung, dass wir mit dem ersten Gleichnis auf den Ort landwirtschaftlicher Arbeit schlechthin hingewiesen werden: den Acker. So geht es hier um einen Schatz, der in einem Acker vergraben war und den ein Mann dort entdeckte. Beim dritten Gleichnis werden wir zur Fischerei hingeführt. Da wird ja das Himmelreich mit einem Netz beim Fischfang verglichen.
Es mag uns in den Sinn kommen, dass im Schlusskapitel des Johannesevangeliums der auferstandene Herr Jesus Christus den Jüngern am See von Tiberias erscheint, als diese beim Fischfang sind. Nachdem die beteiligten Jünger in der vorgehenden Nacht als der eigentlich typischen Zeit für das Fischen nichts gefangen hatten, sind sie nach dieser Erzählung in Anwesenheit des Auferstandenen höchst erfolgreich. Im Anschluss an ein Essen erfolgt dann die besondere Beauftragung des Simon Petrus in ihrer dreifachen Form. Simon Petrus war selber ein Fischer, also ein Mann aus ganz einfachen Verhältnissen, wie natürlich sein Bruder, der Apostel Andreas, auch.
So heißt e zur Berufung dieser beiden ersten Apostel, wie auch der beiden als nächstes berufenen, im Matthäusevangelium:
„(4,18) Als Jesus am See von Galiläa entlangging,
sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas;
sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer.
(19 Da sagte er zu ihnen: Kommt her, mir nach!
Ich werde euch zu Menschenfischern machen.
(20) Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm nach.
(21) Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder,
Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes;
sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her.
Er rief sie (22) und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus nach.“
Im Markus- und im Lukasevangelium finden wir eine sehr ähnliche, eine parallele Erzählung. Für so wichtig wurde offensichtlich diese Berufung einfacher Fischer eingestuft! Besonders eindrücklich ist für viele Menschen, dass es zu Weihnachten einfache Hirten waren, welche den Weg zur Krippe fanden. Man muss sich hier vergegenwärtigen, dass die Lebenssituation solcher Hirten damals nichts mit irgendwelcher Hirtenromantik zu tun hatte. Diese Hirten standen in der gesellschaftlichen Rangordnung weit unten, manche sagen, ganz unten. Aber gerade ihnen wird durch den Engel der Weg zu Krippe gewiesen, nicht Vertretern „besserer“ Kreise, nicht Sprösslingen „feiner“ Familien. Zumindest ist es so im Lukasevangelium nachzulesen. Oder denken wir an den Jakobusbrief mit seiner Warnung vor der Bevorzugung der Reichen in ihrer prächtigen Kleidung und mit goldenen Ringen und seiner Verurteilung jeder Geringschätzung der Armen. Dabei beginnt das Eintreten für die Geringgestellten schon ganz vorne im Alten Testament, dem Ersten Testament. Für menschenwürdigen Lebensunterhalt auch der Armen und dass deren Rechte nicht verletzt werden dürfen wird dort bereits Stellung bezogen. Solches finden wir schon in den Büchern Mose.
Ganz anders ist immer wieder schon im Alten Testament die Position gegenüber den Höhergestellten in der Gesellschaft. Heftig wird die gesellschaftliche Oberschicht gerade im Buch Amos kritisiert und ihr so etwas wie ein göttliches Strafgericht angedroht. In anderen Büchern des Alten/Ersten Testaments wird vor der Einführung des Königtums gewarnt und wird immer wieder das Fehlverhalten eines Monarchen offen angesprochen, ja angeprangert. Davon wird auch Salomon nicht ausgenommen, welcher in der ersten Sonntagslesung eigentlich noch gut wegkommt. So heißt es im selben Ersten Buch der Könige, dass Salomon unter dem Einfluss ausländischer, anderen Kulten zugeneigter, Frauen dem einen Gott Israels die Treue gebrochen habe. Schon im Ersten Buch der Könige heißt es dazu scharf:
„(11,9) Der Herr aber wurde zornig über Salomo,
weil er sich sein Herz von ihm, dem Gott Israels, abgewandt hatte,
der ihm zweimal erschienen war
(10) und ihm verboten hatte, fremden Göttern zu dienen.
Doch Salomo hielt sich nicht an das,
was der Herr von ihm verlangt hatte.“
Später war es dann wieder ein König, der berüchtigte Herodes, welcher die Bezeichnung „der Kindermörder von Bethlehem“ erhielt.
Die Bibel macht also immer wieder deutlich, dass Menschen aus einfachen Verhältnissen mit Respekt und Aufgeschlossenheit zu begegnen, bei sogenannten besseren Kreisen, etwa königliche Herrschaften, eine kritische Haltung angesagt ist.
1. Lesung: 1 Kön 3,5.7-12
2. Lesung: Röm 8,28-30
Evangelium: Mt 13,44-52 (oder 13,44-46)
Gedanken zur Woche 20-b, Dr. Matthias Martin
17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)
Der bei uns übliche liturgische Kalender weist uns in dieser Woche auf einen eigenen, gewichtigen Bereich des kirchlichen Lebens hin, den des Ordenslebens, auf die zahlreichen Ordensgemeinschaften und ordensähnlichen Gemeinschaften. So wird zumindest auf regionaler Ebene am 27. Juli des verehrten Abtes von Garsten, Berthold, gedacht. Später in der Woche stehen der heilige Ignatius von Loyola und der heilige Alfons von Liguori auf dem Programm.
Beide sind Ordensgründer. Verfolgte der heilige Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert zunächst eine militärische Karriere in den sich allmählich zum Staat Spanien vereinigenden Königreichen der Iberischen Halbinsel außerhalb Portugals, so wurde er schließlich zum Gründer des Jesuitenordens. Im 18. Jahrhundert wirkte der heilige Alfons von Liguori. Mit dem damals so bedeutenden Königreich Neapel als Ausgangspunkt schuf er die „Kongregation des allerheiligsten Erlösers“, oft Redemptoristen genannt. Rasch verbreitete sich die neue Gemeinschaft in den dem Königreich Neapel benachbarten Kirchenstaat und von dort in weitere Gebiete hinein.
Ob eine einzelne selbstverwaltete Abtei im damaligen Ersten Deutschen Reich, ob der Jesuitenorden, die Redemptoristen oder eine andere ordensähnliche oder Ordensgemeinschaft, jede von diesen hat ihr eigenes Profil, zeichnet sich durch ganz besondere Akzente aus. Nach den massenhaften zwangsweisen Klosterauflösungen unter dem Habsburgerherrscher Joseph II. mit den sehr oft übersehenen Klosterauflösungen unter seiner Mutter Maria Theresia als Vorspiel und dann den Verheerungen der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege kam es im 19. Jahrhundert zu einer beeindruckenden Erneuerung des Ordenslebens. Zahlreiche neue Gemeinschaften wurden gegründet, gerade solche für Frauen. Solche Ordensgemeinschaften wirkten vielfältig mit ihren jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten, sei es in der Mission, im Bildungswesen, in den verschiedenen Zweigen sozialer Tätigkeit. Erneute Angriffe auf Klöster noch während des 19. Jahrhunderts nicht zuletzt in Spanien, der Kulturkampf in Mitteleuropa und die fortwährende Diskriminierung der Katholikinnen und Katholiken im britischen und im russischen Machtbereich konnten diesen beeindruckenden Aufwärtstrend nicht brechen. So konnten sich gerade auch Jesuiten- und Redemptoristenorden sehr ausdehnen. Der Aufschwung des Ordenswesens dauerte bis ins 20. Jahrhundert hinein fort, Verfolgungen samt Zwangsauflösungen etwa in Frankreich ab 1901 zum Trotze.
Die Bedeutung des Ordenswesens wurde dadurch bestätigt, dass das von 1962-1965 tagende II. Vatikanische Konzil dem Ordenswesen ein eigenes Dekret widmete. Es wird nach seinen lateinischen Anfangsworten „Perfectae caritatis“ und gehört zu den recht wenig kritisierten Ergebnissen dieser Kirchenversammlung, ist aber doch irgendwie ziemlich in Vergessenheit geraten. Liest man den Text dieses Konzilsdekretes, so gewinnt man den Eindruck, dass seine Erarbeitung von einem großen Optimismus getragen wurde. Als das große Ziel wurde die „zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens“ angegeben. Die Eigenheiten der jeweiligen „Ordensgemeinschaften sowie . . . der Gesellschaften des gemeinsamen Lebens ohne Gelübde und der Weltinstitute“ (1. Artikel) wurden anerkannt. Immer wieder wird deutlich, dass es eine Vielfalt und Vielzahl solcher Gemeinschaften gibt. So ist in dem Dekret davon die Rede, dass es „die gänzlich auf die Kontemplation hingeordneten Institute , deren Mitglieder in Einsamkeit und Schweigen, anhaltendem Gebet und hochherziger Buße für Gott allein da sind“ (7. Artikel). Etwas später heißt es: „Zahlreich sind in der Kirche die Kleriker- und Laieninstitute, die sich mannigfachen apostolischen Aufgaben widmen. Ihre Gaben sind verschieden gemäß der ihnen verliehenen Gnade. . . . In diesen Instituten gehören die apostolische und die caritative Tätigkeit zum eigentlichen Wesen des Ordenslebens“ (8. Artikel). Insgesamt stellt dieses Dekret über das Ordenswesen einen noch heute lesenswerten Text dar.
Es ist aber eine Tatsache, dass das Ordenswesen sich seit Jahrzehnten in einer dramatischen Krise befindet. Papst Franziskus hat dies längst in deutlichen Worten thematisiert und die Deutsche Ausgabe der offiziellen Zeitung des Vatikans, des Osservatore Romano, hat diese seine Worte eigens wiedergegeben. Schon vorher ließ der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und spätere Papst Benedikt XVI. in dem theologischen Bestseller „Zur Lage des Glaubens“ als drastisches Beispiel für die Krise des Ordenslebens festhalten:
„Tatsächlich war noch vor zwanzig Jahren, zu Beginn der sechziger Jahre, Quebec die Region mit den meisten Ordensfrauen, bezogen auf die Einwohnerzahl von sechs Millionen. Zwischen 1961 und 1981 sind die Ordensfrauen infolge von Austritten, Todesfällen und Stagnation des Nachwuchses von 46933 auf 26294 zurückgegangen. Also ein Schwund um 44 Prozent, und es ist noch kein Ende abzusehen. Die neuen Berufungen sind im gleichen Zeitabschnitt immerhin um gut 98,5 Prozent zurückgegangen.“
Tatsächlich ist dieser Schrumpfungsprozess des Ordenslebens in dem mehrheitlich französischsprachigen und Quebec genannten Teil Kanadas weitergegangen. Inzwischen zeichnete die Bischofskonferenz der USA zusammen mit dem Dachverband der meisten dortigen Frauenorden ein ungeschminkt drastisches Bild. Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Möge das Gedenken an Ordensleute wie den Abt Berthold, den heiligen Ignatius von Loyola und den heiligen Alfons von Liguori zumindest das Interesse am Ordenswesen wieder etwas fördern.
Gedanken zur Woche 19, Dr. Matthias Martin
16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)
Es sind wohl zwei der bekannteren biblischen Gleichnisse, welche uns in der ungekürzten Fassung des Evangeliums zum 16. Sonntag im Jahreskreis geboten werden. Handelt es sich beim ersten dieser beiden Gleichnisse doch um das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen und beim zweiten um das Gleichnis vom Senfkorn. Abgerundet werden diese durch das vielleicht nicht so bekannte, aber auch höchst bemerkenswerte Gleichnis vom Sauerteig oder Gleichnis von der Frau und dem Sauerteig, einer anschließend stark auf das Alte Testament hinweisenden Überleitung und dann eine eigene Deutung des Gleichnisses vom Unkraut unter dem Weizen.
Um die Aussageabsicht dieser Gleichnisse besser verstehen zu können, solche Bibelstellen in das größere Ganze christlicher oder auch jüdisch-christlicher Überlieferung einordnen zu können, ist es gut, wenn man sich zumindest etwas den sozio-kulturellen Hintergrund vergegenwärtigt, den geschichtlichen Zusammenhang in den Blick nimmt. So wurde sicher nicht umsonst, schon in den ersten christlichen Jahrhunderten noch vor der Konstantinischen Wende, in der Kirche Wert auf eine Ausbildung nicht zuletzt in Geschichte und Philosophie gelegt. Auf je eigene Weise wurde diese geistig-intellektuelle Ausrichtung bestätigt in neuerer Zeit beispielsweise durch das V. Laterankonzil, welches von 1512 bis 1517 tagte und durch das mit Unterbrechungen von 1545 bis 1563 tagende Konzil von Trient. Es war dann das I. Vatikanische Konzil von 1869 bis 1870, welches die Behauptung, nur der Glaube habe zu zählen und der Vernunft komme nicht ihre eigene Bedeutung zu, ausdrücklich verurteilte. In Hinblick auf die Unverzichtbarkeit von Geschichtskenntnissen hat die Wochenzeitung der Diözese St. Pölten KIRCHE BUNT in ihrer Ausgabe vom 10. Mai 2020 eigens auf mich mit meinem Herkommen und Wirken hingewiesen. Dabei wurde mein Hinweis auf das II. Vatikanische Konzil berücksichtigt, wie dieses mit seiner Tagungszeit von 1962 bis 1965 den Wert historischer Kenntnisse noch einmal verdeutlichte. Man mag natürlich auch an den heiligen Papst Pius X. denken, wie er in seiner heftigen Auseinandersetzung mit damaligen Geistesströmungen und der Politik in Frankreich mahnte, dass ohne solide Kenntnisse in Philosophie und eben auch in Geschichte keine ernstzunehmende Theologie möglich sei.
Da wird es dann eben umso verständlicher, dass die beiden ersten Gleichnisse im Sonntagsevangelium aus dem Bereich der Landwirtschaft und das dritte aus der Haushaltsarbeit genommen sind. So waren bis zur Industriellen Revolution die allermeisten Menschen in der Landwirtschaft tätig, einschließlich damit verbundenen und nicht wirklich zu trennenden Bereichen wie Garten- und Weinbau, Forstwesen und Fischerei.
Haushaltsarbeit gab es schon, als die Menschen noch in Höhlen in wohnten, unsere Vorfahren also noch überwiegend Höhlenmenschen waren. Dies gilt, egal ob unsereiner und unsereine heutzutage etwas mehr oder weniger Erbgut von Cro-Magnon-Menschen, von Neandertalern bis hin zu Denisova-Menschen mit sich herumträgt.
Das mit der heute sogenannten Hausarbeit, lange eigentlich Höhlenarbeit, setzte sich dann fort, als immer mehr Menschen in Häusern gleich welcher Bau