Gedanken zur Woche 196, Dr. Matthias Martin
4. ADVENTSONNTAG und HEILIGER ABEND (2023)
Wenn gleich zwei besondere Termine des Kirchenjahres an einem Tag zusammenfallen, so bedeutet dies eine besondere Anspannung gerade für die Menschen, die aktiv in den Pfarrgemeinden wirken. Anders gesagt gilt: Es ist Stress angesagt!
So ist es grundsätzlich auch in diesem Jahr, wenn der 24. Dezember 2023 nicht nur der Tag Heiligabend, der Tag vom Heiligen Abend ist, sondern genau an diesem Tag auch der Vierte Adventsonntag begangen wird.
Andrerseits bietet diese Anordnung auch eine besondere Möglichkeit. Denn mit der Feier des Vierten Adventssonntages ist eben noch einmal diese vorweihnachtliche Zeit der Buße und Besinnung, eben der Advent, angesagt.
So heißt es dementsprechend in der vierten Strophe eines bekannten Kirchenliedes, das man gut und gerne auch zur allgemeineren Volkskultur zählen kann:
„Wir sagen euch an den lieben Advent. Sehet, die vierte Kerze brennt. Gott selber wird kommen, er zögert nicht. Auf, auf ihr Herzen, und werdet licht.“
Anschließend wird in dieser vierten Strophe der schon in drei vorherigen Strophen angestimmte Refrain wiederholt:
„Freut euch, ihr Christen, freuet euch sehr! Schon ist nahe der Herr.“
Recht beliebt war gerade vor einigen Jahren noch das kurze Gedicht, der Reim, der mitunter noch mit einem spöttischen Zusatz versehen wurde bzw. versehen wird:
„Advent, Advent,
ein Lichtlein brennt!
Erst eins, dann zwei,
dann drei, dann vier,
dann steht das Christkind vor der Tür.“
Damit kommt noch einmal die liturgische Farbe des Violett, eben auch genannt Lila, zum sichtbaren Einsatz.
Mit dem Heiligen Abend beginnt dann die Weihnachtszeit. Es kommt anstatt dem ernsten Violett das festlich-freudige Weiß zum Einsatz.
Wenn nun diese beiden liturgischen Farben, das Violett, auch genannt Lila, und das Weiß einander so direkt gegenübergestellt werden, so verdeutlicht dies augenscheinlich den Ablauf des Kirchenjahres und mag eigens zum Nachdenken darüber anregen.
Traditionsbewusste katholische Familien praktizieren manchmal auch heute noch den Tag des 24. Dezember eben als Tag konsummäßiger Zurückhaltung, zumindest noch etwas in die Richtung eines Fasttages gehend. Erst nach der Christmette oder kurz vor ihrem Beginn am Abend beginnt dann bei solchen Familien Weihnachten, die weihnachtliche Festzeit.
Tatsächlich beginnt ja erst da Weinachten. Der 24. Dezember ist auch sonst, wenn er nicht zugleich der Tag des Vierten Adventsonntags ist, eben zuerst noch einmal ein Tag dieser Adventszeit und bildet dann den Übergang zu Weihnachten, zur Weihnachtszeit mit dem liturgischen Weiß.
Bietet die Adventzeit, wie angeschnitten, so etwas wie eigenes kulturelles Erbe, so gilt dies erst recht für das Hochfest von Weihnachten.
Eigens sind ja Lieder und Gedichte zur Adventzeit entstanden und haben sich verbreitet. Geschichten entwickelten sich, wurden erzählt und weiter überliefert. Schon hier hat sich Kreativität des menschlichen Geistes vielfältig eingebracht. Es gibt da ganz unterschiedliche Adventgeschichten, etwa für Kinder wie solche für Erwachsene. Diese können ernsten wie lustigeren bis zweifelhaften Inhalts sein.
Ein ganz eigenes Stück von Volkskultur wie auch wirtschaftlichen Aktivitäten sind die so unterschiedlichen Adventskalender. Dies kann bis zur Schaffung eigener Adventswege und dergleichen gehen. Fotokunst und das Anfertigen von Bildern, die Malerei empfingen durch den Advent vielfältige Anregungen.
Erst recht ist natürlich die enorme kulturelle Bedeutung des Hochfestes von Weihnachten festzustellen. Von diesem so beliebten Fest gingen und gehen besonders viele Anregungen für das künstlerische Schaffen in seiner Breite und Tiefe aus.
Man denke hier nur an den selber noch einmal so vielfältigen Bereich der Musik. Eine ganze Reihe besonderer Weihnachtslieder entstand und fand Verbreitung. Die besondere Bedeutung des Weihnachtsfestes in diesem Bereich wird schon deutlich, wenn man bedenkt, dass ein einzelnes Weihnachtslied wie „Stille Nacht, heilige Nacht“ bereits „Das ewige Lied“ und „Das Lied der Lieder“ genannt wurde und noch wird. Viele sind sich wohl diesseits wie jenseits des Atlantiks nicht bewusst, dass die Melodie von „Oh Tannenbaum“ dann zur Melodie so mancher Hymne eines US-Bundesstaates wurde (siehe Gedanken zur Woche 41-b - HOCHFEST von WEIHNACHEN (2020)). Dieser Melodie bedienten sich gerne sowohl Anhänger der Union von Präsident Abraham Lincoln wie der Konföderation, auch die Südstaaten genannt, von deren Präsident Jefferson Davis. Dabei wurde dann auch gerne den Noten des friedlichen deutschen Weihnachtsliedes „Oh Tannenbaum“ mehr als einmal ein sehr martialischer Text unterlegt.
Aber auch viel umfangreichere musikalische Werke als lediglich bestimmte Weihnachtslieder entstanden. Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach erfreut sich als Kulturgut auch bei Menschen über Ländergrenzen hinweg fortdauernder Beliebtheit, die keinen intensiven oder gar keinen persönlichen Bezug zur eigentlichen christlichen Glaubensüberlieferung haben. Hinzu kommen eigene Vertonungen von Weihnachtsmessen. Musikstücke, die Weihnachten zum Thema haben, dem Weihnachtsgeschehen ihre Entstehung zu verdanken haben, werden gerne im Rahmen von Konzerten aufgeführt.
Nicht übersehen werden sollte, dass das Weihnachtsgeschehen und die mit ihm verbundene christliche Glaubensüberlieferung auch das Schauspielwesen beeinflusst hat. Sogenannte Krippenspiele regen auch heutzutage zu künstlerischem Wirken an und stoßen auf Interesse bei Jung und Alt. Theaterstücke unterschiedlicher Länge bringen auf je eigene Weise Weihnachten auf die Bühne.
Von daher war kultur- und technologiegeschichtlich der Weg in das Filmwesen vorgezeichnet. Auch in der Filmkunst hat Weinachten seinen festen Platz.
Auf ihre Weise können sich da Theater- und Filmkritiker herausgefordert sehen, sich ihrerseits aktiv einzubringen.
Dies gilt augenscheinlich auch für den Bereich der bildenden Kunst.
Die Herstellung von Krippenfiguren und ganzen Krippenensembles ist auch heutzutage lebendig. Ganz unterschiedliche Materialien und verschiedene Techniken kommen da zum Einsatz. Ja, wie man landläufig mitunter sagt, wird bei der Herstellung einer Weihnachtsszene mit Krippe und Figuren so manch eigene Philosophie, ein je eigener Zugang umgesetzt. Schon zu Beginn meines Geschichtsstudiums an der Universität von Innsbruck thematisierte dies an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät einer der Dozenten. Er wies darauf hin, wie bemerkenswert es doch ist, dass in mancher Krippendarstellung das Geschehen in Zusammenhang mit der Geburt so dargestellt, gewissermaßen inszeniert wird, wie wenn es Jahrhunderte später in Tirol stattgefunden hätte.
Genauso verwirklicht sich künstlerisches Schaffen mit Blick auf Weihnachten auch in der Malerei. Auch hier kommen ganz verschiedene Techniken, Materialien und Stile zur Anwendung. Dementsprechend sind ihrerseits Kunstkritiker eingeladen, sich in dieses Feld kulturellen Lebens von ihrer Warte aus einzubringen.
Auch für Literaturkritiker, Kommentatoren zu Werken des geschriebenen bzw. gedruckten Wortes gibt es von Weihnachten her immer wieder etwas zu tun. Nicht umsonst erfreuen sich wie die Kunstgeschichte auch die Literatur- und Allgemeine Sprachgeschichte bis hin zur Vergleichenden Literaturwissenschaft bei traditionsorientierten Katholiken eigener Wertschätzung.
Über die Jahrhunderte entstanden eigene Gedichte, Kurzgeschichte, andere Geschichten und Erzählungen. Auch ganze Bücher als literarische Werke entstanden.
Weihnachtsgeschichten wurden früher etwa auf Schallplatten aufgenommen. Auch das Fernsehen wurde hier angesprochen.
Das Weihnachtsfest wird sicher auch weiterhin eine enorme Bedeutung für das kulturelle Leben haben und seinerseits durch kulturelle Aktivitäten vielen Menschen nahegebracht werden.
4. Adventsonntag:
1. Lesung. 2 Sam 7,1-5.8b-12.14a.16
2. Lesung. Röm 16,25-27
Evangelium: Lk 1,26-38
Am Heiligen Abend:
1. Lesung: Jes 62,1-5
2. Lesung: Apg 13,16-17.22-25
Evangelium: Mt 1,1-25 (oder 1,18-25)
Gedanken zur Woche 196-b, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von WEIHNACHTEN und WEIHNACHTSOKTAV (2023)
Gerade in diesem Jahr stoßen gewissermaßen die liturgischen Farben Violett/Lila und Weiß aufeinander. Das Violett der als Zeit der Buße und Besinnung gedachten Adventzeit ist ja auch sonst die Liturgiefarbe vom Tage des 24. Dezember. Im Jahr 2023 sticht dieses Violett aber stärker als sonst in den Jahren am 24. Dezember üblich hervor. In diesem Jahr ist der 24. Dezember nicht nur eben so etwas wie der Ausklang der Adventzeit. Vielmehr ist in diesem Jahr mit seiner dementsprechend so kurzen Adventzeit der 24. Dezember auch der Vierte Adventsonntag. Die Feier dieses doch für sich genommenen wichtigen letzten Sonntages der Adventzeit in Violett/Lila und die Feier der Heiligen Nacht in Weiß prallen gewissermaßen aufeinander.
Ganz generell wird noch im offiziellen Kirchenrecht auch der jetzigen nachkonziliaren Zeit die Bedeutung des Sonntags unterstrichen. So lautet der Anfang von Canon/Kanon 1246 des CIC für die Lateinische Kirche:
„§1. Der Sonntag, an dem das österliche Geheimnis gefeiert wird, ist aus apostolischer Tradition in der ganzen Kirche als der gebotene ursprüngliche Feiertag zu halten. ….“
Recht scharf lautet dann die Formulierung in Canon/Kanon 1247:
„Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sind die Gläubigen zur Teilnahme an der Messfeier verpflichtet; sie haben sich darüber hinaus jener Werke und Tätigkeiten zu enthalten, die den Gottesdienst, die dem Sonntag eigene Freude oder die Geist und Körper geschuldete Erholung hindern.“
Die Bedeutung des Sonntags wird generell auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen unterstrichen. So wird zu Beginn des dortigen Canons/Kanon 881 erklärt:
„§1. Die Christgläubigen sind verpflichtet, an den Sonn- und gebotenen Feiertagen an der Göttlichen Liturgie teilzunehmen oder gemäß den Vorschriften oder der rechtmäßigen Gewohnheit der eigenen Kirche eigenen Rechts an der Feier des Stundengebetes.“
Dieser Grundgedanke wird im Weiteren im selben Canon/Kanon 881 des CCEO ähnlich wie im CIC entfaltet:
„§ 2. Damit die Christgläubigen diese Verpflichtung leichter erfüllen können, wird festgesetzt, dass die Nutzfrist von der Vesper des Vorabends bis zum Ende des Sonntages bzw. des gebotenen Feiertages läuft.
§ 3. Eindringlich wird den Christgläubigen empfohlen, dass sie an diesen Tagen, ja sogar häufiger oder auch täglich die Göttliche Eucharistie empfangen.
§ 4. Die Christgläubigen sollen sich an diesen Tagen von jenen Aufgaben und Tätigkeiten fernhalten, die den Vollzug des Gottesdienstes, die dem Sonntag eigene Freude oder die gebührende Erholung von Geist und Körper behindern.“
Gilt dies kirchenamtlich für jeden Sonntag, so ist gerade dem Vierten Adventssonntag eine Bedeutung im Leben der Gläubigen und der ganzen Kirche zuzuerkennen. Umso mehr sind dann eben die liturgischen Farben Violett/Lila und Weiß dicht nebeneinandergestellt.
Ganz generell hat es seinen Reiz, in einem traditionellen Sinne den Weg des Advents zu Ende zu gehen.
Hält man sich in der Adventzeit bis zu deren Ende an das Ideal der Einschränkung des persönlichen Lebensstils, verzichtet man in diesen liturgisch gesehen violetten Wochen auf etwas Konsum, so kann die Feier von Weihnachten umso mehr Freude bringen. Nach disziplinierter Einschränkung darf man sich nun umso mehr etwas gönnen.
Liturgiefarben haben auf jeden Fall auch in den auf den Vierten Adventsonntag und Heiligen Abend folgenden Tagen ihre besondere bis dramatische Ausdruckskraft.
Da ist das liturgische Weiß des Christtages, des Hochfestes der Geburt des Herrn Jesus Christus. Diesem Ersten Weihnachtsfeiertag folgt unmittelbar der Festtag des ersten Märtyrers, des heiligen Stephanus, mit dem liturgischen Rot. Eben noch mit der festlich-freudigen Farbe des Weiß Feiertagslaune und nun gleich mit dem Rot für das vergossene Blut von Märtyrern der Tag des ersten Märtyrers, der dafürsteht, dass Christinnen und Christen in dieser Welt immer wieder Bedrängnis leiden. Eine gewisse innere Spannung stellt das Fest von dem als Apostel und Evangelisten verehrten heiligen Johannes am 27. Dezember dar. Zum einen kommt hier das liturgische Weiß zum Einsatz. Zum anderen starb nach alter Überlieferung dieser heilige Johannes in der Verbannung. Ja es gibt dazu noch die Überlieferung, er sei überhaupt in die Verbannung gebracht worden, nachdem ein gegen ihn gerichteter Hinrichtungsversuch fehlgeschlagen sei (siehe Gedanken zur Woche 110-b – 3. OSTERWOCHE (2022)). Der heilige Johannes steht wie andere ur- bis frühchristliche Personen gerade für die Verfolgungen, die seitens des Römischen Reiches und seiner Handlanger über die sich erst entwickelnde Christenheit hereinbrachen.
In diesem Sinne hat dann das liturgische Rot von dem am darauffolgenden 28. Dezember begangenen Fest der Unschuldigen Kinder seine direkte Aussagekraft. Es geht hier ja um die der Überlieferung nach auf Befehl des Handlagers der Großmacht Rom, Herodes, ermordeten männlichen Kinder von Bethlehem (siehe Gedanken zur Woche 144-b – WEIHNACHTSOKTAV (2022)).
Ein eigenes Spannungsverhältnis zwischen freudiger bis ausgelassener Festtagsstimmung und Bedrängnis, dem Gedenken an Menschen, die als Opfer eines Unrechtsregimes für die gute Sache unverfälschten Christentums gestorben sind, verdeutlicht dann der 29. Dezember nach der jetzt meist geübten nachkonziliaren liturgischen Ordnung gerade im Jahre 2023 wie etwa auch im Jahre 2021. Da geht es darum, ob man Weiß als die harmlose, ja politisch korrekte Liturgiefarbe für den Tag in der Weihnachtsoktav oder aber das Rot zum ausdrücklichen Gedenken an den heiligen Thomas Becket als einem der prominentesten Opfer englischer Monarchie verwenden will.
Dabei haben gerade die letzten Jahrzehnte gezeigt, dass Anpassungsbereitschaft bis Anbiederei an das offizielle Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und seiner gerade auch von strikten Legitimisten abgelehnten derzeit thronenden Dynastie der katholischen Kirche übel bekommt. Dass es überhaupt 1982 zur Aufnahme offizieller diplomatischer Beziehungen zwischen dem Heiligen/Apostolischen Stuhl und dem Vereinigten Königreich kam, geschah unter dubiosen, um nicht zu sagen skandalösen Umständen. Der fortwährende Versuch, seitens der Bischofskonferenz von England und Wales dem britischen Establishment samt Monarchie gefällig zu sein, wird als ursächlich gesehen für den verheerenden Einbruch der katholischen Kirche in diesem Teil der Welt. Längst wurde bezüglich Großbritannien von einem Massenexodus aus der katholischen Kirche gesprochen und geschrieben. Ähnlich verhält es sich mit dem tatsächlichen Gebiet der Republik Irland. Immerhin betrachtet der Heilige Stuhl ohne offiziellen Widerspruch etwa irgendeiner katholischen Bischofskonferenz Nordirland weiterhin als Bestandteil des einen Irland, der einen irischen Nation. Auch im pastoralen bis diplomatischen Alltagswirken hat dies seine Auswirkungen. Ebenso behielt die Schottische Bischofskonferenz wie etwa das schottische Nationalkolleg in Rom seine innerkirchliche Eigenständigkeit. Immerhin damit kann der Kritiker englischer Monarchie und überzeugungstreue Märtyrer Thomas Becket zufrieden sein.
Etwas festlicherer Stimmung kann man sich dann eh noch der üblichen liturgischen Einteilung zufolge am 30. Dezember 2023 widmen. Da steht dieser Samstag als Tag der Weihnachtsoktav auf dem Programm. Es kommt also Weiß als Liturgiefarbe zum Einsatz.
1. Weihnachtsfeiertag in der Nacht:
1. Lesung: Jes 9,1-6
2. Lesung: Tit 2,11-14
Evangelium: Lk 2,1-14
1. Weihnachtsfeiertag am Morgen:
1. Lesung: Jes 62,11-12
2. Lesung: Tit 3,4-7
Evangelium: Lk 2,15-20
1. Weihnachtsfeiertag am Tag:
1. Lesung: Jes 52,7-10
2. Lesung: Hebr 1,1-6
Evangelium: Joh 1,1-18 (oder 1,1-5.9-14)
Gedanken zur Woche 195, Dr. Matthias Martin
3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2023)
Die lateinische Bezeichnung für den Dritten Adventsonntag GAUDETE besitzt für sich schon seine ganz eigene Aussagekraft.
Da ist erst einmal der Umstand, dass es sich bei diesem Wort um einen lateinischen Begriff handelt. Es handelt sich um den Plural des Imperatives I des Verbs, des Tätigkeitswortes/Zeitwortes „gaudere“. Dieses heißt so viel wie sich freuen. Mancher und manchem mag da das alte Studentenlied mit den Worten in den Sinn kommen „Gaudeamus igitur, iuvenus dum sumus!“. Dieses bedeutet soviel wie „Mögen wir uns freuen, solange wir jung sind!“ oder „Freuen wir uns, solange wir jung sind!“
Studentenverbindungen sind Träger kulturellen Lebens. Dazu gehört die Pflege traditionellen Liedgutes einschließlich von solchem in lateinischer Sprache. Sowohl die Pflege von Hochsprache wie Pflege der Musik sind gerade heutzutage wertvoll. Betreffende Bemühungen sind umso lobenswerter. Da gewinnen dann nicht zuletzt Studentenverbindungen Bedeutung. Zudem zeigen diese eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit, eine Überlebensfähigkeit gegenüber Widrigkeiten der jeweiligen Zeit. Dies gilt sowohl für katholisch-konfessionelle wie für nichtkonfessionelle Verbindungen. Auch nach erfolgter Vertreibung aus der (alten) Heimat haben es solche Studentenverbindungen immer wieder geschafft, neu durchzustarten. Sie sind eben bemerkenswerte Kulturträger, die nicht zu unterschätzen sind.
Seinerseits heißt GAUDETE so viel wie „Freuet euch(!)“ (siehe Gedanken zur Woche 53 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2021); Gedanken zur Woche 90 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2021) und Gedanken zur Woche 142 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2022)), eben als Imperativ.
Dass so ein wichtiger Sonntag im liturgischen Jahreskreis weiterhin einen lateinischen Namen trägt und damit im Kirchenjahr nicht alleinsteht, weist etwas auf die fortdauernde Bedeutung des Lateins in der katholischen Kirche wie in anderen Konfessionen hin.
Entgegen so mancherlei Gerüchten und beliebtem Gerede wurde das Latein weder als Liturgiesprache noch als allgemeine Kirchensprache abgeschafft. Dies geschah schon ganz und gar nicht durch das Zweite Vatikanische Konzil. Die Originalsprache für dessen 16 offiziell verabschiedete Dokumente ist in der Tat Latein! Dies gilt ganz generell, egal ob es sich um Erklärungen, Dekrete, Konstitutionen oder dogmatische Konstitutionen handelt. So verhält es sich auch mit den Codices des Kirchenrechts, den CIC für die Lateinische Kirche und den CCEO für die Katholischen Ostkirchen/katholischen orientalischen Kirchen.
Dann ist da natürlich die enorme Bedeutung der romanischen Sprache. Spanisch, manchmal auch Kastilisch genannt, wird weltweit von mehr Menschen als Mutter- oder Erstsprache gesprochen als Englisch mit allen seinen mitunter eh als eigene Sprachen angesehenen Varianten. Spanisch gehört wie Französisch als weitere romanische Sprache zu den offiziellen Arbeitssprachen der Vereinten Nationen.
Das mit dem Lateinischen besonders eng verwandte Katalanische seinerseits besitzt eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Diese wuchs in Spanien sehr stark nach dem Tod des heftig als Diktators kritisierten Langzeitherrschers Franco. Stück für Stück gelangen hier bemerkenswerte Fortschritte. Bereits wiederholt kam katalanischen Nationalisten eine Schlüsselposition bei der Regierungsbildung in Madrid zu. Dies sorgte erst jüngst für Aufsehen. Wie es gerade mit der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung weitergeht, ist Gegenstand von Spekulationen und Debatten. Dabei gibt es ja schon längst ein Vollmitglied der Vereinten Nationen, des Europarates und anderer internationaler Organisationen mit Katalanisch als seiner Amtssprache schlechthin: Andorra (siehe Gedanken zur Woche 40-b – 3. ADVENTWOCHE (2020); Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 142 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2022))!
Der Kleinstaat gehört mit San Marino und Monaco zu den Staaten mit besonders engen und historisch langlebigen Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Die jeweiligen Beziehungen jedes dieser drei Staaten zum Heiligen/Apostolischen Stuhl und seine Stellung innerhalb der katholischen Weltkirche verdienen jeweils Beachtung. Der Einfluss des Katalanischen etwa auf dem amerikanischen Doppelkontinent ist eine eigene Angelegenheit.
Über einzelne Ländergrenzen hinweg ist schon sehr bemerkenswert, dass der amerikanische Doppelkontinent in etwa südlich der gegenwärtigen Grenzen der Vereinigten Staaten von Amerika/USA Lateinamerika genannt wird.
Ich erinnere mich, wie während meiner Zeit in der Stadt Dallas eine nicht zur Bevölkerungsgruppe der Hispanics gehörende, europäischstämmige Frau, begeistert auf die Bedeutung des Lateinischen Wert legte.
Sicherlich können gute Lateinkenntnisse auch nicht schaden, wenn man sich mit dem Wallonischen einschließlich seiner jeweiligen Verbreitung in der USA befassen will. Wie im Falle des zwischen Frankreich und Spanien geteilten Katalonien ist die Frage nach der (politischen) Zukunft des zwischen Frankreich und Belgien geteilten Walloniens brisant und kann seriöserweise nicht einfach beiseite geschoben oder negiert werden.
Neben dem Hinweis auf die Bedeutung des Lateinischen enthält der Dritte Adventsonntag, der Sonntag GAUDETE, noch in anderer Hinsicht eigene Aussagekraft.
Er verdeutlicht, dass die Adventzeit keine Zeit von Jubel – Trubel – Heiterkeit sein soll, sondern von Buße und Besinnung, von ernstem persönlichem Bemühen. Gesteigerter Alkoholkonsum widerspricht dem völlig. In der kirchlichen Überlieferung bedeutet Gaudete eben, dass man sich freue, in dieser so ernsten Zeit des Advents schon weit in Richtung des so erfreulichen Festes von Weihnachten vorangekommen zu sein. Wäre die Adventzeit als Zeit trivialer Vergnügungen gedacht, passten die ernste Liturgiefarbe Violett wie der besondere Name für den Dritten Adventsonntag nicht dazu.
Gerade eine solche Zeit mit ihrem als so ernst gedachten Charakter sollte genutzt werden im Sinne des Verzichtes auf Genussmittel oder zumindest der Reduzierung von deren Konsumation. Nicht umsonst sprechen sich nicht zuletzt engagierte Christinnen und Christen immer wieder gegen das Rauchen aus. Auch gab und gibt es christliche Bestrebungen, den Alkoholkonsum zu reduzieren bis hin, Menschen ganz vom Alkoholkonsum abzubringen.
Dabei ist natürlich auch vor Übereifer zu warnen. Das Scheitern der Prohibition in den USA verbunden mit dem Aufstieg des oft „amerikanische Mafia“ genannten Phänomens ist hier ein besonders augenfälliges Beispiel.
So war das Verbot von Alkoholproduktion und -konsum sogar als Zusatz in die US-Bundesverfassung aufgenommen worden. Zusatzartikel XVIII der Bundesverfassung lautet(e) (https://usa.usembassy.de/etexts/gov/gov-constitutiond.pdf):
„Abschnitt 1
Nach Ablauf eines Jahres von der Ratifikation dieses Artikels an ist die Herstellung, der Verkauf oder der Transport alkoholischer Flüssigkeiten für Getränkezwecke innerhalb der Vereinigten Staaten, ihre Einfuhr in die oder ihre Ausfuhr aus den Vereinigten Staaten nebst allen ihrer Hoheit unterstehenden Gebieten hiermit verboten.
Abschnitt 2
Der Kongress und die Einzelstaaten sind gleichermaßen befugt, diesen Zusatzartikel durch entsprechende Gesetze zur Durchführung zu bringen.
Abschnitt 3
Dieser Zusatzartikel ist unwirksam, wenn er nicht, wie in der Verfassung vorgesehen, durch die gesetzgebenden Körperschaften der Einzelstaaten binnen sieben Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt seiner Übermittlung an die Staaten durch den Kongress, als Verfassungszusatz ratifiziert wird.“
Dieser Zusatzartikel wurde in bisher einmaliger Weise in der US-Geschichte später durch einen weiteren Zusatzartikel in der Bundesverfassung aufgehoben. Dementsprechend lautet Zusatzartikel 21:
„Abschnitt 1
Der achtzehnte Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten wird hiermit aufgehoben.
Abschnitt 2
Der Transport oder die Einfuhrt von alkoholischen Getränken in einen Einzelstaat, ein Territorium oder eine Besitzung der Vereinigten Staaten zwecks Abgabe oder dortigem Gebrauch ist hiermit verboten, wenn dies gegen ein dort gültiges Gesetz verstößt.
Abschnitt 3
Dieser Artikel ist unwirksam, wenn er nicht, wie in der Verfassung vorgesehen, durch die Konvente der Einzelstaaten binnen sieben Jahren, gerechnet vom Zeitpunkt seiner Übermittlung an die Staaten durch den Kongress, als Verfassungszusatz ratifiziert wird.“
1. Lesung: Jes 61,1-2a.10-11
2. Lesung: 1 Thess 5,16-24
Evangelium: Joh 1,6-8.9-28
Gedanken zur Woche 195-b, Dr. Matthias Martin
3. ADVENTWOCHE (2023)
In diesem Jahr ist die Adventzeit recht kurz, wenn man dem ja in der Internationalen Gemeinschaft üblichen gregorianischen/Gregorianischen Kalender folgt. Auch mit der Bezifferung dieses Jahres als das Jahr 2023 folgt man eben schon dem nach Papst Gregor XIII. (Pontifikat 1572-1585) (siehe Gedanken zur Woche 193 – 1. ADVENTSONNTAG (2023)) benannten gregorianischen/Gregorianischen Kalender. Tatsächlich ist in diesem für das Jahr 2023 der Vierte Adventsonntag als der 24. Dezember bereits der Tag von Heiligabend, der Tag, an dem Heiliger Abend gefeiert wird.
Unbestritten ist die besondere Popularität des gewissermaßen den Abschluss der Adventzeit darstellenden Weihnachtsfestes. Es ist wohl tatsächlich noch populärer als das nach alter christlicher Überlieferung noch höher angesiedelte Osterfest. Sein kultureller Einfluss ist gewaltig, auch wenn für nicht wenige Menschen der christliche Ursprung des Weihnachtsfestes nicht mehr erkennbar ist. Der Kollaps von Volkskirche, eine oft weitgehende Dechristianisierung des öffentlichen Lebens in westlichen Ländern wirkt sich auch diesbezüglich aus. Da ist es natürlich eine dauernde pastorale und überhaupt kirchenrelevante Herausforderung, Ursprung und Inhalt bestimmter Zeiten im Jahreskreis einschließlich eines Hochfestes wie Weihnachten immer wieder den Menschen nahezubringen. Arroganz und Aggressivität sind dabei völlig fehl am Platz. Die gerade in den letzten Jahren demonstrativ vorgetragenen Versuche von offiziellen Kirchenvertretern in weiten Teilen des deutschen Sprachraums, sich mit Stimmungsmache gegen tatsächliche oder vermeintliche Minderheiten zu profilieren, haben ganz offensichtlich nicht zum von betreffender Seite gewünschten Erfolg geführt.
Dabei sollte der Christ, die Christin erst einmal selber in sich gehen, Buße, Reue und Umkehr üben, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen oder gar gezielt gegen diese Stimmung machen zu wollen.
Die Zeit unmittelbar vor Weihnachten, eben der Advent, verdeutlicht dies. Mag die dort vorherrschende liturgische Farbe des Violett, auch manchmal genannt Lila, in ästhetischer Hinsicht nicht wenige Menschen ansprechen, so hat diese liturgische Farbe zuerst einmal ihre religiöse Bedeutung. Das Violett steht eben für Buße, Umkehr und Reue. Wie in anderen Konfessionen und Religionen sind mit dem Gedanken von Reue, Buße und Umkehr aktive religiöse Handlungen und in der ein oder anderen Weise die Einschränkung persönlichen Konsums bis in das öffentliche Leben hinein verbunden (siehe allgemein Gedanken zur Woche 101-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2022) und Gedanken zur Woche 102 – 1. FASTENSONNTAG (2022)).
Umso bedauerlicher ist es gerade vom christlichen Standpunkt her, dass der Grundgedanke von Buße, Umkehr, innerlicher Erneuerung in Hinblick auf die Adventzeit oft in das genaue Gegenteil verkehrt wurde. Von einer Einschränkung des Rauchens und ganz generell des Nikotinkonsums ist in aller Regel nichts festzustellen. Dabei schadet das Rauchen unbestrittenermaßen ganz erheblich der Gesundheit. Jede Zigarette, jede Zigarre und jede Tabakpfeife stellen einen massiven Angriff auf die Körperorgane des Menschen dar. Dazu kommt hier eben noch das so üble Phänomen des Passivrauchens. Während sonst der Konsum von Drogen, legalen, halblegalen wie illegalen, zunächst einmal den jeweiligen Konsumenten schädigt, so ist es beim Rauchen anders. Wer in der örtlichen Umgebung eines Rauchers ist, bekommt etwas ab und dies im gesundheitsschädigenden Sinne nicht zu knapp. Vor dem Hintergrund des gerne von wahrnehmbaren Kirchenvertretern vorgetragenen Rigorismus, ja Überrigorismus oder Fundamentalismus, bei der Kritik an anderen Menschen, an missliebigen Gruppen beziehungsweise Gemeinschaften sollten sich da Kirchenleute erst recht selber zusammenreißen und beim Verzicht auf das Rauchen im guten Sinne vorangehen.
Dies gilt natürlich auch bei anderen Gelegenheiten. Der auch im Advent heftig geübte Alkoholkonsum schädigt natürlich zuerst einmal den Organismus des betreffenden Konsumenten mit seinen verschiedenen Organen und so zahlreichen Zellen einschließlich den Gehirnzellen. Nicht umsonst gibt es den warnenden Spruch „Alkohol macht Birne hohl.“ Damit werden eine sehr ernste Tatsache oder ein Bündel von Tatsachen angesprochen, die ganz und gar nicht lustig sind, wenn man es vernünftig bedenkt.
Alkoholkonsum stellt aber auch ein über ein betreffendes Individuum stark hinausgehendes Problem dar. So stellt ein Alkoholpegel bei Teilnehmern am Straßenverkehr ein lebensgefährliches Risiko gerade auch für andere Menschen dar. Nicht umsonst wird darüber hinaus schon seit langem strikt Wert daraufgelegt, dass etwa Piloten im Flugverkehr wie verantwortliches Personal in der Schifffahrt im nüchternen Zustand ihrer Berufstätigkeit nachgehen. Flug-, Schifffahrts- bis hin zu Mineralölgesellschaften sind strikt gehalten, bei ihrem Personal auf die Einhaltung von den die Nüchternheit betreffenden Sicherheitsstandards zu achten.
Am Arbeitsplatz kann Alkoholkonsum sowohl für die betreffenden Konsumenten wie mitunter auch für deren Kollegen zur ernsten Gefährdung führen. Im Verkehrsbereich können davon eben sowieso weitere Menschen in schwerwiegender Weise betroffen sein. Gerade bei großen Schiffen stellt ein betrunkener Kapitän oder Lotse eine eigene Umweltgefahr dar.
Natürlich ist der verantwortungsvolle Umgang mit alkoholischen Produkten nicht zuletzt für kirchliche Mitarbeiter eine ernste Herausforderung. Immer wieder wird ja der Vorwurf erhoben, dass Kirchenvertreter nach dem Motto wirken „Wasser predigen und Wein trinken“. So soll es eben nicht sein, zumal ein Fehlverhalten etwa eines Kirchenmannes leicht in unterschiedlichen Medien thematisiert und verbreitet werden kann. Dabei bekennt sich die Kirche grundsätzlich zu freien Medien. Vertuschung bis Zensur lösen eh ganz und gar nicht das Problem des Fehlverhaltens bei Kirchenmitarbeitern. Eine der Wahrheit verpflichtete Freiheit der Medien vertritt auch das Zweite Vatikanische Konzil. So wird in dem Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel „Inter mirifca“ festgehalten:
„(12) Die öffentliche Gewalt hat hier mit Rücksicht auf das Gemeinwohl, dem die sozialen Kommunikationsmittel zugeordnet sind, besondere Verpflichtungen. Im Rahmen ihrer Zuständigkeit hat sie die wahre und rechte Freiheit der Information, deren die heutige Gesellschaft zu ihrem Fortschritt bedarf, zu verteidigen und zu schützen, das gilt besonders für die Pressefreiheit.“
Von Unterdrückung der Medienfreiheit zum Zwecke der Vertuschung des Fehlverhaltens von Kirchenvertretern ist hier ganz und gar nicht die Rede. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Dabei ist eigens zu beachten, dass dieses Konzilsdekret „Inter mirifica“ zu jenen offiziell verabschiedeten Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils gehört, welche von der Hauptströmung eines klassischen katholischen Traditionalismus nicht kritisiert werden. In den Gesprächen und Schriftwechseln etwa zwischen dem Vatikan und der Priesterbruderschaft St. Pius X. samt den mit ihr eng verbundenen Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften und Laienorganisationen stellt „Inter mirifica“ offenkundig kein Problem dar. Auf der anderen Seite ist „Inter mirifica“ wie andere beschlossene Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils bei sehr vielen Mitarbeitern im offiziellen Kirchenapparat scheinbar unbekannt.
Solches entbindet natürlich nicht von der Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen, für sie einzutreten und sie zu bekennen. Gerade Inhaber einer kirchlichen Funktion, eines Kirchenamtes sollten in ihrem eigenen Leben gute Vorbilder sein.
Nicht umsonst wird von verschiedenen Akteuren im Finanzbereich eine kritische bis völlig ablehnende Position gegenüber Investitionen in der Waffen- bzw. Militärbranche, in der Produktion von und dem Handel mit Alkohol und Tabak bzw. betreffenden Produkten eingenommen. Solches verdient eigene ehrliche Beachtung, nicht zuletzt bei kirchlichen Mitarbeitern und Institutionen und allgemein bei Menschen guten Willens.
Gedanken zur Woche 194, Dr. Matthias Martin
2. ADVENTSONNTAG (2023)
Die ersten Verse des synoptischen Markusevangeliums weisen bei gleichzeitigen Eigenheiten ganz bemerkenswerte Gemeinsamkeiten mit den beiden anderen synoptischen Evangelien auf, dem Evangelium nach Matthäus und dem nach Lukas.
Da sind ganz besonders zwei bemerkenswerte Punkte. Zum einen wird in allen drei Evangelien aus dem alttestamentlichen Prophetenbuch Jesaja zitiert. Dabei ist an der betreffenden mehr oder minder Parallelstelle des Lukasevangeliums dieses Jesaja-Zitat (Lk 3,4-6 bzw. Jes 40,3-5) umfangreicher als bei Matthäus (Mt 3,3 bzw. Jes 40,3) und bei Markus (Mk 1,3 bzw. Jes 40,3).
Auf jeden Fall ist eine gewisse Traditio Triplex/Triplex Traditio allein schon in dieser Hinsicht vorhanden, wenn auch nicht in umfassender Weise. Hinzu kommt, dass hier sogar eine betreffende Gemeinsamkeit mit dem Johannesevangelium (Joh 1,23 bzw. Jes 40,3) vorliegt.
Die Beziehung des Neuen, auch genannt Zweites Testament zum Alten, auch genannt Erstes Testament, ist damit auch an dieser Stelle unterstrichen und damit eine deutliche Gegenposition gegen das Auseinanderreißen der Bibel aus Altem/Erstem und Neuem/Zweitem Testament geboten. War dies in früheren Jahrhunderten des Christentums in den Auseinandersetzungen mit dem so scharf gegen das Alte/Erste Testament gerichteten Markionitentum, dem Markionismus/Marcionismus wie mit anderen Gruppierungen, die gerne unter dem Sammelbegriff „Gnosis“ zusammengefasst werden, von Bedeutung, so hat dies auch heutzutage wieder seine nicht zu unterschätzende Aussagekraft. Zum einen gibt es ja auch in dem so vielfältigen bis schillernd-verwirrenden Gesamtbereich, der im Deutschen oft vereinfachend „Protestantismus“ genannt wird, auch Gemeinschaften, die nicht nur einzelne oder so etwas wie Gruppen von alttestamentlichen Schriften, sondern das ganze Alte/Erste Testament als solches ablehnen. Dazu vertreten auch erklärte Mitglieder der römisch-katholischen Kirche gerne höchst unterschiedliche Positionen, und das bis in Grundsatzfragen der Glaubens- und Sittenlehre hinein. Dies lässt sich immer wieder auch bei Geistlichen feststellen (siehe Gedanken zur Woche 44 – TAUFE DES HERRN (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 98 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Natürlich mag man sich da eigens die Frage stellen, wieso das Jesaja-Zitat im Lukasevangelium umfangreicher ausfällt als im Matthäus-, im Markus- und im Johannesevangelium. Dies Frage mag sich wohl eigens aufwerfen für Anhänger der gerade im deutschen Sprachraum so populären Zweiquellentheorie mit der Annahme, dass das Matthäus- und Lukasevangelium mit dem Markusevangelium und der angenommenen Logienquelle/Quelle Q, oder ganz kurz Q, über grundsätzlich zwei gemeinsame Quellen verfügten. Wie wäre es dann zu diesem auch im Vergleich zum Johannesevangelium umfangreicheren Jesaja-Zitat bei Lukas gekommen? Wie kam es zu dieser eigenen lukanischen Tradito Simplex/Simplex Tradito gegenüber einer spezifischen matthäisch-markinischen Tradito Duplex/Duplex Traditio? Läge hier etwa eine redaktionelle Ergänzungstätigkeit bei dem Lukasevangelium genannten Werk vor? Oder hätten die Verfasser bzw. Redaktoren oder gar deren Gruppen bei der Erstellung des Matthäus- und des Lukasevangeliums etwa auf unterschiedliche Varianten eines bereits irgendwie vorhandenen Markusevangeliums zurückgriffen? Es ist ja eine Grundannahme bei der Zweiquellentheorie, dass es sich gerade in Hinblick auf die drei synoptischen Evangelien beim Markusevangelium um das älteste Evangelium handelt.
Dann ist sowohl in den Anfangsversen des Markusevangeliums noch die Gemeinsamkeit mit dem Matthäus- und dem Lukasevangelium wie sogar mit dem so eigenständigen, nichtsynoptischen Johannesevangelium vorhanden, dass hier auf Johannes den Täufer und dessen Tauftätigkeit hingewiesen, diese jeweils thematisiert wird (Mt 3,1-12; Mk 1,1-8; Lk 3,1-9.15-18 und Joh 1,19.25-28).
Dabei ist zu bedenken, dass Johannes der Täufer eigens der „Prophet zwischen den Testamenten“ genannt wird mit einer eigenen Überlieferung von Verehrung im Judentum (siehe Gedanken zur Woche 24-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 127-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und generell Gedanken zur Woche 131 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Tatsächlich erfreut er sich weit über die Grenzen einer einzelnen Konfession oder Religion hinaus wahrnehmbarer bis sehr starker Verehrung. Dies gilt gerade für die Religionsgemeinschaft der Mandäer, das Mandäertum (siehe Gedanken zur Woche 65-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2021); Gedanken zur Woche 141 – 2. ADVENTSONNTAG (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 24-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)). Diese wurden, ohne eine christliche Konfession, kirchliche Gemeinschaft oder Kirche zu sein, mitunter auch „Johanneschristen“ genannt (siehe Gedanken zur Woche 15-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2020) und Gedanken zur Woche 40 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2020)).
In den letzten Jahrzehnten haben diese zumindest über Jahrhunderte hinweg schwerpunktmäßig im südlicheren Teil des Zweistromlandes von Euphrat und Tigris samt dessen Umgebung lebenden Mandäer sich verstärkt an konfessionelle christliche Gemeinschaften gewandt, um Unterstützung in ihrer bedrängten Lage zu erhalten. Wie andere Menschen sind auch die Mandäer Opfer der mit dem berüchtigten Sykes-Picot-Abkommen über die Aufteilung des Nahen Ostens und der anschließenden Politik der Siegermächte des Ersten Weltkriegs verbundenen Entwicklung.
Nicht zuletzt wandten sich Vertreter der Mandäer, Repräsentanten des Mandäertums oder Mandäismus an den Vatikan. Bei ihren Kontakten betonten mandäische Vertreter die Gemeinsamkeiten mit dem Christentum, nicht zuletzt in Hinblick auf die Verehrung Johannes des Täufers.
Die Kontakte des Mandäismus zum Vatikan sind geeignet, dessen Stellung in der Internationalen Gemeinschaft ins Gedächtnis zu rufen und zu unterstreichen. So ist ja der Staat der Vatikanstadt, kurz der Vatikanstaat, ein eigener Staat mit dem Papst als Staatsoberhaupt. Der Heilige Stuhl, auch genannt der Apostolische Stuhl, stellt ein Völkerrechtssubjekt eigener Art dar. Zwar sind beide Völkerrechtssubjekte grundsätzlich miteinander verbunden, es ist aber eben doch zwischen dem Vatikanstaat und dem Heiligen Stuhl zu differenzieren.
Sowohl im CIC für die Lateinische Kirche wie im CCEO für die Katholischen Ostkirchen werden eigens die Gesandten des Papstes thematisiert. Ebenso wird dort die Wichtigkeit von Verträgen des Heiligen Stuhls mit Staaten und anderen politischen Einrichtungen betont (siehe Gedanken zur Woche 189-b – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Die Bandbreite der Tätigkeit päpstlicher Diplomaten wird in Canon/Kanon 363 des CIC angedeutet:
„§ 1. Den Gesandten des Papstes wird das Amt übertragen, den Papst selbst bei den Teilkirchen oder auch bei den Staaten und öffentlichen Autoritäten, zu denen sie entsandt sind, auf Dauer zu vertreten.
§ 2. Den Apostolischen Stuhl vertreten auch jene, die in päpstlicher Mission als Delegaten oder Beobachter zu internationalen Räten oder zu Konferenzen und Versammlungen abgeordnet sind.“
Zugleich wird damit schon ganz knapp auf die Vielfalt in den internationalen Beziehungen hingewiesen.
Der Vatikan hat seine Position in der Internationalen Gemeinschaft immer wieder genutzt, etwa im Einsatz für Flüchtlinge und Vertriebene, für seit dem Zweiten Weltkrieg besetzte Länder wie für das so globale Anliegen der Dekolonialisierung. Ähnlich wie bei den in diesem Prozess ausgesprochenen Anerkennungen von Staaten war der Heilige Stuhl beizeiten auch für Projekte wie den Atomteststoppvertrag und den Atomwaffensperrvertrag und die damit verbundenen Anliegen aktiv bis hin zu einer Vorreiterrolle.
Gegner der französischen Atomversuche in der Südsee konnten sich also umso mehr auf den Heiligen Stuhl berufen. Dies gilt auch in Hinblick auf die Forderungen nach einer weitergehenden Dekolonialisierung in der Südsee wie beispielsweise auch in der Karibik. In Schottland hat sich die dortige katholische Bischofskonferenz schon vor mehreren Jahren zusammen mit anderen gesellschaftlichen Kräften wie der offiziellen presbyterianischen Nationalkirche von Schottland für den Abzug der britischen Atomwaffen eingesetzt. Die schottische Bischofskonferenz erfuhr dabei die ausdrückliche Rückendeckung durch den Vatikan, auch wenn dies im deutschen Sprachraum geflissentlich übergangen wurde.
1. Lesung: Jes 40,1-5.9-11
2. Lesung: 2 Petr 3,8-14
Evangelium: Mk 1,1-8
Gedanken zur Woche 194-b, Dr. Matthias Martin
2. ADVENTWOCHE (2023)
Die Adventszeit vor Weihnachten soll wie die Fastenzeit vor Ostern eine besondere Zeit von Buße und Umkehr sein. Auch wenn der Trubel und die eher zu kommerziellen Werbezwecken dienende Lichterflut dem unbefangenen Beobachter anderes vermuten lassen mögen, so sollten doch gerade Christinnen und Christen in dieser Zeit in sich gehen, Selbstbeschränkung und Konsumverzicht üben. Mit so etwas können Christinnen und Christen dann gerade in unserer Zeit für ihre Mitmenschen gute Anregungen bieten, ja so etwas wie Vorbilder sein.
Dabei sind wir natürlich täglich aufgefordert, eigene Sünden, Verfehlungen, Unterlassungen zu bereuen und gegen das eigene Fehlverhalten anzukämpfen in Gedanken, Worten und Werken. Zeiten wie der Advent bringen dies aber verdichtet auf den Punkt. Der Ernst dieser vorweihnachtlichen Zeit wird dann eben auch noch in der nachkonziliaren Zeit seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil augenfällig bis in den Bereich des Hörbaren hinein unterstrichen. Man denke hier an das ernste Violett, gerade bei jüngeren Menschen auch Lila genannt, als der liturgischen Farbe für die Adventszeit wie für die Fastenzeit. An den Sonntagen der Adventzeit ist wie an den Sonntagen der Fastenzeit kein festlich-feierliches Gloria anzustimmen. Es soll eben doch recht ernst-besinnlich zugehen in dieser Zeit vor Weihnachten wie in der Zeit vor Ostern.
Zu Buße und Umkehr ist natürlich auch jene Gemeinschaft stets aufgerufen, die manchmal „die sichtbare Kirche“, manchmal „die Kirche hier auf Erden“ genannt wird und gerade in früherer Zeit mitunter als „die kämpfende Kirche“ bezeichnet wurde.
So ist es gut, wenn auch offizielle Kirchenvertreter oder kirchliche Amtsträger etwa auf Nikotin- und Alkoholkonsum verzichten. Beide Wirkstoffe, Nikotin und Alkohol, sind ja sowieso im hohen bis höchsten Maße schädlich und werden aus gutem Grunde auch legale Drogen und erlaubte Gifte genannt. Dazu führt Alkoholkonsum zur Einschränkung bis zum Verlust von Selbstkontrolle. Das kann gerade bei kirchlichen Mitarbeitern, ehrenamtlichen bis hauptamtlichen, sehr peinlich sein. Dazu wird man heutzutage sehr leicht mittels Mobiltelefon und anderen Geräten aufgenommen und gerade in die Sozialen Medien gebracht. Verstreckte Aufnahmen haben ja auch schon führende Politiker in sehr peinliche Situationen gebracht, egal ob dabei Alkohol eine Rolle spielte oder nicht. Die Einschränkung bis hin zum Verlust von Selbstkontrolle erstreckt sich grundsätzlich auch auf den sexuellen Bereich.
Fehlverhalten von Kirchenleuten und anderen Akteuren wird völlig zurecht heute nicht mehr, wie es früher sehr oft der Fall war, verharmlost und unter den Teppich gekehrt. Über ermittlungstaktische Einzelheiten und juristische Einzelregelungen lässt sich trefflich diskutieren. Auf jeden Fall sind aber Übergriffe im Allgemeinen und Übergriffe im sexuellen Bereich im Besonderen zu verurteile. Und gerade kirchliche Mitarbeiter egal in welcher Funktion und welchem Rang dürfen hiervon nicht ausgenommen werden.
Im offiziellen kirchlichen Bereich ist man während des ganzen Jahres, des Kirchenjahres wie des Kalenderjahres, sowieso zu ernster Erneuerung aufgerufen. Im weltlichen Bereich böten hier Strafrecht und angewandte Rechtspflege etwa in Frankreich, Australien und zumindest Teilen der USA ernste Anregungen, ja Vorbilder gerade für den deutschen Sprachraum. Dies gilt gerade für den so furchtbaren Bereich des sexuellen Missbrauchs, auch und nicht zuletzt durch kirchliche Mitarbeiter. Schon früher wurde festgestellt, dass jedes Staatswesen, jedes politische System seine Stärken und Schwächen hat. Es gibt dazu die deutliche Redensart, dass der kluge Mann gerne noch etwas dazulernt, der noch klügere Mann auch gerne etwas vom Feind dazulernt. Da können Staaten und andere politische Einrichtungen in Mitteleuropa noch manches von auswärtigen Staatswesen dazulernen.
Dabei ist unabhängig von politischen Gegebenheiten samt staatlicher Gesetzgebung und Rechtspflege, wie immer wieder zu betonen ist, die Kirche stets aufgerufen, gegen Missbrauch aller Art einschließlich sexuellen Missbrauchs in ihren eigenen Reihen konsequent vorzugehen. Dabei handelt es sich grundsätzlich um eine so konfessions- wie länderübergreifende Herausforderung. An dieser Stelle ist natürlich aus sehr naheliegenden Gründen erst einmal der Blick auf die katholische Kirche zu richten. Dort etwa ist die mitunter ausgeprägte systemische Tätersympathie und Verachtung gegen die Opfer ein ebenso ernstes wie offenkundiges Problem. Kirchliche Spitzenvertreter bis hin zu in der Zeit ab dem Zweiten Vatikanischen Konzil besonders einflussreichen Kardinälen sind hier besonders abschreckende Beispiele, mitunter gilt dies für ganze Bischofskonferenzen und wichtige Laiengremien. Ein eigenes so breites wie tiefes Phänomen ist die oftmals auffallend gute Vernetzung kirchlicher Täter und ihrer innerkirchlichen Strukturen im Bereich des politischen Establishments, im Gesamtbereich sogenannter gesellschaftlicher Eliten.
Immer wieder findet heutzutage nicht zuletzt Papst Franziskus deutliche Worte, auch wenn sich sehr viele von ihm ein, wie sie meinen, konsequenteres Vorgehen in der Praxis gegen kirchliche Missbrauchstäter und deren Seilschaften wünschen. Immerhin hielt er in seiner Ansprache an die Teilnehmer am ersten sogenannten nationalen Treffen der Anlauf- und Beratungsstellen der Italienischen Bischofskonferenz zum Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen am 18. November 2023 fest (siehe L’OSSERVATORE ROMANO (Nummer 48 2023 (53. Jahrgang – 1. Dezember 2023) Seite 8 und auch Gedanken zur Woche 193 – 1. ADVENTSONNTAG (2023)) u. a. fest:
„… Vor allem ›behüten‹, das heißt aktiv teilnehmen am Schmerz der verwundeten Menschen und sicherstellen, dass die gesamte Gemeinschaft verantwortlich ist für den Schutz der Minderjährigen und Schutzbedürftigsten. Die gesamte christliche Gemeinschaft muss mit dem Reichtum ihrer Bestandteile und Kompetenzen einbezogen werden, denn das Eintreten für den Schutz ist wesentlicher Teil der Sendung der Kirche beim Aufbau des Reiches Gottes. Behüten bedeutet, das eigene Herz, den eigenen Blick und das eigene Handeln auf die Kleinen und Wehrlosen auszurichten. Das ist ein Weg, der in Gerechtigkeit und Wahrheit eine innere und gemeinschaftliche Erneuerung erfordert. Wer hütet, wer das eigene Herz hütet, weiß, dass ›beim Thema des Missbrauchs kein Verschweigen oder Vertuschen akzeptiert werden darf‹ - das ist unverhandelbar-, und er weiß auch, dass es wichtig ist, ›die Ermittlung der Wahrheit und die Wiederherstellung der Gerechtigkeit innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft zu verfolgen, auch in solchen Fällen, in denen bestimmte Verhaltensweisen laut staatlicher Gesetzgebung nicht strafbar, aber den kirchenrechtlichen Bestimmungen zufolge strafbar sind‹ (vgl. CEI-CISM, Leitlinien für den Schutz der Minderjährigen und der schutzbedürften Personen).“
Direkt kritisch gegenüber etablierten gesellschaftlichen Strukturen wird dann Papst Franziskus im Weiteren:
„Hüten bedeutet auch, den Gelegenheiten zum Bösen vorzubeugen, und das ist nur möglich durch eine regelmäßige Schulung, die darauf ausgerichtet ist, Sensibilität und Aufmerksamkeit für den Schutz der Schwächsten zu vergrößern. Und das ist auch außerhalb unserer kirchlichen Welt wichtig. Denkt daran, dass den weltweiten Statistiken zufolge zwischen 42 und 46 Prozent des Missbrauchs in der Familie oder in der Nachbarschaft stattfinden. Still, alles wird vertuscht: Onkel, Großväter, Brüder, alle. Dann in der Welt des Sports, dann in den Schulen und so weiter.“
Sexueller Missbrauch wurde inzwischen ja längst als ein leider nicht seltenes Phänomen nicht zuletzt im Breiten- wie im Spitzensport aufgedeckt. Das zumindest mitunter rigorose Vorgehen offizieller Stellen im Staatswesen von Australien und den USA bei Verdachtsfällen im Schulbereich wie in anderen Teilen der Gesellschaft verdient hier eigens Beachtung und mag im rechtsstaatlichen Rahmen als Anregung dienen. Umgekehrt darf das Fehlverhalten staatlicher oder anderer weltlicher Vertreter nicht als Ausrede für das Fehlverhalten von Kirchenvertretern verwendet werden. Eigens stellt sich die Frage, inwieweit etwa bei der Vernetzung kirchlicher Missbrauchstäter mit ihren politischen, medialen und anderen Freunden nicht so etwas wie die Gründung krimineller Organisationen bzw. die Mitgliedschaft in solchen Organisationen vorliegt.
Gedanken zur Woche 193, Dr. Matthias Martin
1. ADVENTSONNTAG (2023)
Der Erste Adventsonntag stellt ja nicht nur den Beginn der durch das ernste liturgische Violett gekennzeichneten Zeit der Buße und Besinnung vor dem Hochfest von Weihnachten, welche vom Lateinischen her Advent genannt wird, dar. Vielmehr bezeichnet der Erste Adventsonntag auch den Beginn des neuen Kirchenjahres, den Anfang des neuen liturgischen Jahres. Deutlich wird dies schon, wenn man etwa die kleine Ausgabe des derzeit allgemein verwendeten Deutschen Messbuchs zur Hand nimmt. Verdeutlicht wird dies beispielsweise auch durch den Volksschott von 1961 für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus.
Dabei hat natürlich auch das „normale“ Kalenderjahr sehr viel mit der Kirche zu tun. Auch wenn es vielen unbekannt ist oder sehr gerne verdrängt wird, so geht der allgemein in der internationalen Gemeinschaft verwendete Kalender auf das Wirken von Papst Gregor XIII. (Pontifikat 1572-1585) zurück. Bezeichnenderweise wird der allgemein verwendete Kalender auch der gregorianische/Gregorianische Kalender genannt (siehe Gedanken zur Woche 140 – 1. ADVENTSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 176 – FEST von (der) VERKLÄRUNG DES HERRN (2023)).
Da ist es natürlich umso interessanter, was in der meistens zum Einsatz kommenden Leseordnung am diesjährigen Ersten Adventsonntag als Tagesevangelium vorgesehen ist.
Es ist in der Tat eine ziemliche ernste Stelle. Egal, ob man die kurze oder die längere Fassung dieses adventlichen Sonntagsevangeliums betrachtet, so wird dieser unlustige Charakter wohl sehr rasch klar.
In der kurzen Fassung des markinischen Sonntagsevangeliums von diesem Ersten Adventsonntag wird eine generelle Mahnung zur Wachsamkeit geboten. In der längeren Fassung geht es vor dieser Mahnung zunächst um Worte vom Kommen des Menschensohnes. Dann wird erst einmal erklärt, dass diesen so wichtigen Termin nur der göttliche Vater, aber nicht einmal der Sohn wisse. Werden hier, wenn man der neuen deutschen Einheitsübersetzung folgt, ernste Worte verwendet wie „Drangsal“ und von einer Verfinsterung der Sonne, so stellt dieser Teil des Markusevangeliums einen Bezugspunkt für Gegner der von den meisten sich christlich nennenden Gemeinschaften zumindest offiziell vertretenen Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit dar. Wenn etwas sehr Wichtiges dem göttlichen Vater, aber nicht seinem Sohn bekannt sein sollte, wie können dann beide wesensgleich bzw. wesenseins sein? Gibt es dann nicht doch im arianischen oder gar unitarischen Sinne eine wesensmäßige Abstufung zwischen Erster und Zweiter Göttlicher Person, zwischen dem göttlichen Vater und dem Sohn?
Oder bezieht sich diese Aussage auf die ebenfalls von den meisten sich christlich nennenden Gemeinschaften akzeptierte Lehre von den beiden in Jesus Christus vereinten Naturen, seiner göttlichen und seiner menschlichen Natur? Danach wäre der Sohn seiner menschlichen Natur nach natürlich wesensmäßig sehr deutlich unter dem göttlichen Vater und würde auch seine Allwissenheit nicht teilen, während davon die göttliche Natur Christi nicht betroffen wäre. Oder gäbe es eine Art von Arbeitsteilung zwischen den göttlichen Personen? Gerade Existenz und Wirken des Heiligen Geistes als der Dritten Göttlichen Person werden in diesem Sinne, um es ganz kurz anzuschneiden, erklärt.
Dabei findet sich die Aussage vom Wissen des göttlichen Vaters und angesprochenem Nichtwissen des Sohnes auch im Matthäusevangelium (Mt 24,36).
Auch Stellen, die das Verhältnis von Erster und Zweiter Göttlicher Person eher direkt betreffen, können also ganz unterschiedlich interpretiert werden, bis hin in ganz unterschiedlicher Weise theologisch verwendet oder nichtverwendet werden. Die angesprochene matthäisch-markinische Traditio Duplex/Duplex Traditio (Mt 24,36 und Mk 13,32) ist dafür ein gutes Beispiel. Dazu wirft sich hier die Frage auf, warum sich diese Aussage vom Nichtwissen des Sohnes nicht im ebenfalls synoptischen Lukasevangelium findet (Lk 21,29-33 im Vergleich zu Mt 24,32-36 und Mk 13,28-32). Warum liegt in diesem speziellen Fall keine synoptische Traditio Triplex/Triplex Traditio, sondern eben nur eine Traditio Duplex/Duplex Traditio vor? Lag der bei Matthäus und Markus nachzulesende Satz oder ein diesem zugrunde liegendes Textmaterial dem Verfasser oder der Redaktorengruppe des Lukasevangeliums nicht vor? Von einem historisch-kritischen Standpunkt aus mag auch die Frage aufgeworfen werden, ob hier nicht bei einer späten Erstellung eines dann vielleicht erst nach dem Matthäus- wie dem Markusevangelium verfassten Lukasevangeliums diese Formulierung bewusst weggelassen wurde. War ein solcher Vorgang Teil eines größeren Prozesses einer kirchlichen Formierung und allmählichen Durchsetzung einer Lehre von der Göttlichkeit des Sohnes in Richtung der dann am Ersten Konzil von Nicäa im Jahre 325 und am Ersten Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 als Glaubensbekenntnis verabschiedeten Lehre von der Wesensgleichheit von Gott Vater und Gott Sohn und allgemein eben von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit?
Bezeichnenderweise kam es, kaum hatte man sich von der römisch-katholischen Kirche getrennt oder zu trennen begonnen, unter den sog. Reformatoren und ihren sich formierenden Anhängern auch wegen der Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und speziell der Frage nach Stellung und Wesenheit des Sohnes zu heftigen bis gewalttätigen Kontroversen (siehe Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)). Ab Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts kam es dann zu einem enormen Aufschwung modalistischer Gemeinschaften, denen zufolge Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist eine Person sind (siehe Gedanken zur Woche 116 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 166 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2023); allgemein Gedanken zur Woche 166-b – PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 172 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Dabei verdient natürlich auch die angesprochene markinische Mahnung zur Wachsamkeit Beachtung (Mk 13,33-37). Zwar gibt es so etwas wie eine matthäsiche (Mt 25,14-15 samt Mt 24,44) und lukanische (Lk 19,12-13 samt Lk 12,38-40) Mahnung. Diese Stellen weisen aber doch deutlich ihre Eigenheiten auf. Wie sind dabei aber auch vorkommende besondere Übereinstimmungen zwischen Matthäus und Lukas (Mt 24,44 und Lk 12,40) zu erklären? Was hat es mit einer eigenen, lukanisches Sondergut darstellenden Mahnung zur Wachsamkeit (Lk 21,34-36) auf sich?
Dabei ist ja richtig verstandene Wachsamkeit in einem ganz handfesten Sinne gerade heutzutage das Gebot der Stunde. Dass es enorme Probleme mit dem kirchlichen Personal gibt, wenn man auch nur auf sexuellen und anderen persönlichen Missbrauch wie auf den Bereich der kirchlichen Vermögensverwaltung blickt, haben auch Päpste wie Benedikt XVI. und Franziskus in Wort und Schrift wiederholt ausdrücklich bestätigt. Offensichtlich hat die katholische Kirche ein sehr ernstes „Kaderproblem“. Eigene Kader führen immer wieder tatsächliche bis schreckliche Untaten durch. Derartiges lässt sich offensichtlich immer weniger vertuschen und führt fortwährend zur Zerstörung von Vertrauen, das früher der Kirche entgegengebracht wurde, und ruiniert die Bereitschaft bei ungezählten Menschen, sich am kirchlichen Leben zu beteiligen.
Umso ernster sollten die Mahnungen von Papst Franziskus genommen werden. So war jetzt in der deutschen Ausgabe L’OSSERVATORE ROMANO (Nummer 47 2023 (53. Jahrgang – 24. November 2023) Seite 3) insbesondere zu lesen:
„Missbrauch in der Kirche
darf nicht vertuscht werden
Vatikanstadt. Papst Franziskus hat Vertuschung von Missbrauch in der Kirche verurteilt. Dies sei weder akzeptabel noch verhandelbar, so der Papst am Samstag, 18. November, bei einer Audienz für Mitarbeiter von Meldestellen zu sexuellem Missbrauch in Italiens Kirche. Es gelte jede Form von Missbrauch zu bekämpfen: sexuellen ebenso wie Macht- und Gewissensmissbrauch.
Franziskus rief die Anwesenden dazu auf, ›sich um die Ermittlung der Wahrheit und die Wiederherstellung der Gerechtigkeit innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft zu bemühen, auch wenn ein solches Verhalten nach der staatlichen Gesetzgebung nicht als Verbrechen gilt, wohl aber nach kirchlichem Recht.‹ Die gesamte christliche Gemeinschaft müsse die Kleinsten und Schutzlosen beschützen.
Zudem appellierte der Papst an die Mitarbeitenden sogenannter ›Hörzentren‹, sich gegen Kinderpornografie im Internet einzusetzen. ›Wo werden diese Videos gemacht? Wer ist im betreffenden Land verantwortlich? Bitte arbeiten Sie daran! Es ist ein Kampf, den wir führen müssen, denn die schlimmsten Dinge werden über Mobiltelefone verbreitet‹, so Franziskus. …“
Wie schon Aussagen der Bibel aus Altem und Neuem, Erstem und Zweiten Testament verdeutlichen, verwirklicht sich wahre Wachsamkeit nicht einfach in gut klingenden Worten, sondern gerade in Taten und das in einem fortdauernden Sinne. Die sichtbare Kirche hier auf Erden ist also wirklich herausgefordert.
1. Lesung: Jes 63,16-b-17.19b;64,3-7
2. Lesung: 1 Kor 1,3-9
Evangelium: Mk 13,33-37 (oder Mk 13,24-37)
Gedanken zur Woche 193-b, Dr. Matthias Martin
1. ADVENTWOCHE (2023)
Passend zur ersten Adventwoche als erster Woche im Kirchenjahr werden in dieser liturgischen Woche ganz herausragende Heilige durch einen jeweiligen Gedenktag den Gläubigen vor Augen gestellt. Dann ist da auch noch das Hochfest oder Fest I. Klasse von der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesgebärerin Maria, das Hochfest von der Unbefleckten Empfängnis. Letzteres Hochfest/Fest I. Klasse steht allein schon durch das Ehrenmal am Johann-Michael-Ehmann-Platz in besonderer augenfälliger Beziehung zur Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau (siehe Gedanken zur Woche 135-b – 30 WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Die künstlerische Gestaltung dieses Ehrenmales mag eine interessante Anregung sein, sich zum einen mit dem theologischen Gehalt des Hochfestes am 8. Dezember einschließlich auch seinen biblisch-exegetischen Grundlagen zu beschäftigen. Andererseits kann die Zeit der Errichtung dieses Ehrenmales auch eine Anregung sein, sich mit den damaligen Zeitumständen, dem geschichtlichen Kontext zu beschäftigen. Es war die Zeit einer gesellschaftlichen Beruhigung nach der Revolution von 1848/49. Diese hatte ja auch die Redemptoristinnen zu Stein deutlich in Mitleidenschaft gezogen (siehe allgemein Gedanken zur Woche 123-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Es war die Zeit, als das der offiziellen katholischen Kirche sehr entgegenkommende österreichische Konkordat von 1855 geschlossen wurde. War der österreichische Kaiser aus dem Hause Habsburg automatisch Präsident des Deutschen Bundes mit seinen verschiedenen Mitgliedsstaaten, so erging es dem Konkordat von 1855 ähnlich wie eben diesem Deutschen Bund mit seinem habsburgischen Oberhaupt. Das im Deutschen Krieg von 1866 gegen den Deutschen Bund, anders gesagt die dort vorhandene habsburgfreundliche Mehrheit, siegreiche Königreich Preußen erzwang die Auflösung dieses Deutschen Bundes. Die habsburgischen Erblande wurden aus Deutschland gewissermaßen hinausgedrängt und der Weg in Richtung einer vom preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck betriebenen kleindeutschen Lösung beschritten. Das österreichische Konkordat wurde nach der Verkündigung des Dogmas von der so oft missverstandenen und verzerrt dargestellten Päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Ersten Vatikanischen Konzil durch die österreichische Regierung gekündigt. Schon vorher war unmittelbar nach der Niederlage des Hauses Habsburg und seiner Verbündeten im Deutschen Krieg der öffentlich-politische Einfluss der katholischen Kirche in den habsburgischen Erblanden deutlich zurückgedrängt worden.
Das 1854 durch den seligen Papst Pius IX. verkündete Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens ist geblieben. Überhaupt war es ja eine Blütezeit der Marienverehrung wie generell eine Zeit des Aufschwungs volkskirchlichen Lebens. Auch das kulturelle Leben, das Wirken von Künstlerinnen und Künstlern, Schriftstellerinnen und Schriftstellern bis hin zu in Architektur bzw. Bauwesen tätigen Menschen empfing von dort her Anregungen und Wirkungsmöglichkeiten. Umgekehrt belebten solche künstlerisch-kulturellen Tätigkeiten, die dort verwirklichte Schaffenskraft ihrerseits das religiöse Leben und trugen dieses mit.
Dabei war dieser Zusammenhang von Kirche und Künsten, von religiösem und kulturellem Leben natürlich nichts Neues.
Leben und Wirken des heiligen Johannes von Damaskus (ca. 650 bis in etwa vor 754 n. Chr.) verdeutlicht dies. Der von Papst Leo XIII. (Pontifikat von 1878 bis 1903) offiziell zum Kirchenlehrer erhobene Johannes von Damaskus hinterließ ein umfangreiches theologisches Werk. Darin beschäftigte er sich umfassend mit dogmatischen Themen wie auch mit Fragen der Moral, der praktischen christlichen Lebensführung. Auch mit der Kommentierung von biblischen Schriften und der Abfassung von Heiligenleben befasste er sich. Besondere Bedeutung gewann sein Eintreten für die Bilderverehrung. Insgesamt stellt sein überliefertes Werk einen bemerkenswerten Bestandteil kulturellen Erbes der Menschheit dar. Besonders Einfluss gewann das Eintreten des heiligen Kirchenlehrers Johannes von Damaskus für die Bilderverehrung, generell für einen guten Platz betreffenden künstlerischen Wirkens in der Gemeinschaft von Christinnen und Christen. Nicht umsonst war es der selber als Freund und Förderer von Kultur und Wissenschaft samt überlieferten Sprachen bekannte Papst Leo XIII., der Johannes von Damaskus als Kirchenlehrer anerkannte.
Als fruchtbarer Schriftsteller beschäftigte sich Johannes von Damaskus offensichtlich auch mit der heiligen Barbara. Mit der heiligen Margareta von Antiochien und der heiligen Katharina von Antiochien ist die heilige Barbara, auch genannt Barbara von Nikomedien eine der drei heiligen „Madl“, „Madel“ oder „Mädchen“ (siehe Gedanken zur Woche 69-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Wie diese beiden ist die heilige Barbara auch eine der „Vierzehn Nothelfer“. Deren Niederschlag und Fortleben in der bildenden Kunst einschließlich Architektur ist immer wieder augenfällig, von der ganz kleinen Kapelle am Wegesrand bis hin zur prächtigen und als Wallfahrtskirche dienenden Basilika.
Das überlieferte Schicksal der heiligen Barbara als Märtyrerin verdeutlicht zugleich, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass Christinnen und Christen ohne Verfolgung und mitunter sogar mit ausdrücklicher staatlicher Förderung ihren Glauben leben können, wie dies eben grundsätzlich im Deutschen Bund bei aller Ausdifferenzierung nach den einzelnen Mitgliedern dieses Bundes möglich war. Die heilige Barbara starb der Überlieferung zufolge wie eben auch die heilige Katharina von Alexandrien und die heilige Margareta von Antiochien in der Zeit römischer Christenverfolgungen den Märtyrerinnentod. Die Stadt Nikomedien oder Nicomedia im westlichen Kleinasien wurde Regierungssitz des Christenverfolgers Diocletian. Dessen mit der Wahl von Nikomedien/Nicomedia zum Kaisersitz verbundene Reichsreform (siehe Gedanken zur Woche 50-b – 1. FASTENWOCHE (2021) verdient eigens Beachtung als so etwas wie Vorläuferin der Reichsform jenes Konstantins, der gerne „der Große“ genannt wird. Verhielt dieser sich gegenüber den Christen bei allen Schwierigkeiten gerade im Arianischen Streit doch schon eher freundlich, so sah das beim Christenverfolger Diocletian eben noch ganz anders aus. Ihrerseits gewann die heilige Barbara ihren festen Platz in der Dichtung und bildender Kunst, ganz allgemein in der Kulturgeschichte.
Eigens im Bereich der Landesentwicklung engagierte sich dann in seiner Zeit (ca. 1010 bis 1075) der ebenfalls als Heiliger verehrte Erzbischof Anno von Köln. Als einen Beitrag zur kulturellen Entwicklung kann man seine Errichtung von örtlichen Kirchen sehen. Der Gründung von Klöstern kam eine eigene Bedeutung zu. Diskutiert wird seine Rolle in der Reichspolitik. Wurde er etwa in dem nach ihm benannten Annolied sogar als Licht und Blüte Deutschlands gefeiert, so sehen manche seine Rolle betont kritisch. Auf jeden Fall ist zu beachten, dass dieser offizielle Heilige in sehr enger Verbindung zum Kaiserhaus der Salier stand. Dessen erster Vertreter auf dem deutschen Thron, Konrad II., ist untrennbar mit der Errichtung des Domes von Speyer verbunden. Die Stadt wurde auch schon als Hauptstadt Deutschlands bezeichnet für eine Zeit, als es die spätere preußische Metropole Berlin an der Spree noch nicht einmal als Dorf gegeben hat. Da können einem weitere wichtige Bischofssitze im Westen des Reiches in den Sinn kommen wie Basel, Straßburg, Trier, Mainz, Lüttich, Utrecht und nicht zuletzt Köln. Jeder dieser alten Reichsbischofssitze verdient für sich genommen schon genauere Beachtung, auch in ihrer kulturellen Bedeutung wie in Hinblick auf ihre Stellung im Reich.
Dessen nächster Herrscher und direkter Nachfolger Konrads II., sein Sohn Heinrich III., spielte eine ganz zentrale Rolle in der Kirchenreform des elften Jahrhunderts. Seine Stellung war in moralischer, theologischer Hinsicht so unbestritten, dass er auch die Entscheidung zu treffen hatte, welcher von drei möglichen Päpsten denn anzuerkennen sei, und wer auf seine Ansprüche zu verzichten habe. Der dramatische Umschlag der Verhältnisse begann mit dem frühen Tod Heinrichs III. Sein Sohn und Nachfolger Heinrich IV. hatte sich mit allen Aufs und Abs im Investiturstreit mit einem selber umstrittenen Papst, Reichsfürsten und anderen Akteuren herumzuschlagen. Dabei engagierte sich Heinrich IV. sehr für die Gottesfriedensbewegung. Dies geschah zwar sehr im Sinne der einfachen Bevölkerung, schuf Heinrich IV. aber gerade im Hochadel zusätzlich Feinde. Gerade sein Eintreten für und in der Gottesfriedensbewegung wie seine Bemühungen um einen Schutz der Juden verdienten es, gerade in der offiziellen katholischen Kirche unserer Tage endlich wahrnehmbar anerkannt zu werden. Das Eintreten für den sogenannten Kleinen Mann folgte gerade der Linie seines Großvaters Konrads II.
Natürlich ist gerade der heilige Nikolaus unbestrittenermaßen für sein Eintreten für die schlechter gestellten Menschen bekannt. Mehr als einmal ist er in der ihm geweihten Pfarrkirche in Stein an der Donau abgebildet.
Eigens verdient dabei seine oft übersehene Rolle als christlicher Bekenner in der Auseinandersetzung mit dem Römischen Reich Wahrnehmung und Interesse.
Auf seine Weise hatte dann in seiner Zeit auch der heilige Ambrosius (ca. 339 bis 397) sich mit römischen Machtstrukturen auseinandersetzen müssen. Er ließ sich da auch nicht von offiziell inzwischen christlichen römischen Herrschern einlullen und instrumentalisieren.
Genauso besitzt der heilige Johannes Didakus, auch genannt Juan Diego Cuauhtlatoatzin, (1474 bis 1548) seine wegweisende Aussagekraft. Dies gilt nicht zuletzt in Hinblick auf die indigenen Völker des amerikanischen Doppelkontinents. Da kann es dann auch sehr politisch werden!
Gedanken zur Woche 192, Dr. Matthias Martin
CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2023)
Bei so etwas wie klassischen Zeitungen und Zeitschriften sind üblicherweise die Inserate auf der ersten und auf der letzten Seite besonders teuer. Im Deutschunterricht hatte ich zu lernen, dass etwa bei einer Erörterung die Anordnung der Argumente, der Aufbau der Darlegung mit ihren Pros und Contras und nicht nur der Inhalt der Argumente als solche bedeutsam und zu beachten sei. Bei einer Diskussion, so ist immer wieder zu vernehmen, soll man besonders starke Argumente bis hin zum wichtigsten Argument nicht gleich äußern, sondern damit bis gegen Ende der Diskussion, wenn nicht gar bis zu einem etwaigen Schlusswort warten. Es gilt für einen Kandidaten bzw. eine Partei als sehr vorteilhaft, wenn er bzw. sie unmittelbar am Ende des Wahlkampfes ein möglichst starkes Argument noch in die Öffentlichkeit bringt, ja eine regelrechte Wahlkampfbombe platzen lassen kann. Bei einer großen Schlacht und erst recht bei einem ganzen Feldzug gilt es seit alters her, die besten Reserven, etwa besonders leistungsfähige und leistungswillige Gardeeinheiten, nicht sofort zum Einsatz zu bringen, schon gar nicht zu einem frühen Zeitpunkt leichtfertig zu verheizen. Mit so etwas wurde in der Militärgeschichte immer wieder bis zu einem späten bis sehr späten Zeitpunkt gewartet. Berühmte Feldherren wie Hannibal und Napoleon mögen hier in den Sinn kommen. Dabei ist zu bedenken, dass uns militärische Ereignisse und sprachliche Bilder immer wieder in der Bibel aus Alten/Erstem und Neuem/Zweiten Testament begegnen. Dies beginnt schon im ersten Buch der Bibel, dem Buche Genesis, und setzt sich fort bis zum letzten Buch einer landläufigen Bibelausgabe, dem Buch der Geheimen Offenbarung, auch genannt die Apokalypse, die Geheime Offenbarung des Johannes und so weiter.
Was sich also am Ende einer längeren Darstellung befindet, kann allein schon von seiner Stellung her besondere Aussagekraft gewinnen. Handelt es sich da auch noch um eine theologische Angelegenheit, so mag umso mehr der Ausdruck vom „Sitz im Leben“ in den Sinn kommen (siehe Gedanken zur Woche 101 – 8. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Da verdient es tatsächlich Beachtung, welche neutestamentlichen Verse etwa am Ende des Kirchenjahres als Sonntagsevangelium geboten werden. Dies ist nach der üblichen Leseordnung im Kalenderjahr 2023 das Gleichnis vom Jüngsten Gericht, auch genannt das Gleichnis vom Weltgericht oder das Gleichnis vom Gericht des kommenden Menschensohnes über die Völker (Mt 25,31-46). Dieses matthäische Sondergut gehört zu den bekannteren Gleichnissen und überhaupt Stellen in der Bibel. Es ist vielleicht nicht ganz so bekannt und beliebt wie das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 bzw. 10,30-37). Es weist aber als Glaubens- und Handlungsmaxime in dieselbe Richtung.
in beiden Gleichnissen, dem matthäischen wie dem lukanischen, ist der Aufbau ein dramatischer. Es wird nicht ein nettes Geschichtchen geboten. Im Gleichnis nach Matthäus geht es um das Ende der Welt mit einer dauernden Belohnung oder aber einer offensichtlich als dauernd gedachten Bestrafung. Gegen die schließlich Verurteilten werden schwere Vorwürfe erhoben. Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter wird ein auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho befindlicher Mann brutal von Räubern überfallen. Diese plündern ihn dem Gleichnis zufolge aus, schlagen ihn nieder und lassen ihn dann halbtot liegen.
In beiden Gleichnissen wird es als entscheidend dargestellt, nicht welch schönen Worte jemand vielleicht parat hat, oder welche vielleicht fromme Gefühle jemand empfindet, sondern welche guten Taten er konkret setzt. Nicht um so etwas wie eine honorige Stellung in einem System von frommen Formulierungen und Titeln geht es offensichtlich, sondern um das konkrete Tun. Dass sich da auch offizielle Vertreter von ansonsten als gut gedachter Religion falsch verhalten können, macht schon immer wieder das als so „nett“ wahrgenommene und verwendete Gleichnis vom barmherzigen Samariter deutlich. Die beiden von Amts wegen Frommen, Priester und Levit, werden hier als abschreckende Beispiele vor Augen gestellt. Auch die im Gleichnis vom Jüngsten Gericht/Weltgericht verurteilten werden nicht als Gegner religiöser Formulierungen oder damit verbundener Gefühle oder wie auch immer hingestellt. Sie werden drastisch verurteilt, weil sie es unterlassen haben, Menschen in Not zu helfen und in diesem Sinne gute Werke zu tun.
Diese beiden Gleichnisse sind diesbezüglich sicher besonders bekannt. Sie stehen aber keineswegs allein, wenn man auch nur einmal übersichtsmäßig die Bibel aus Altem und Neuem, Erstem und Zweiten Testament betrachtet.
Die Rücksichtnahme auf die Armen, ihre Berücksichtigung im Wirtschaftsleben wird schon in den Fünf Büchern Mose, in der Thora/Tora/Torah eingefordert. Dort begegnen uns in Ansätzen auch schon so etwas wie Arbeitnehmerrechte (siehe Gedanken zur Woche 75 – 22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 79 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 185 – 27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Natürlich ist dabei zu bedenken, dass die wirtschaftlich-sozialen wie technologisch-administrativen Gegebenheiten damals deutlich anders waren als heute. Die Gesellschaft war stark landwirtschaftlich geprägt. Nomaden und Halbnomaden konnten eine große bis sehr große Rolle spielen. Es gab noch kein modernes Bankenwesen mit Gehaltskonten, Anleihepapieren, Aktienmarkt bis hin zu ETFs, Kreditkarten, Währungs- und Indexwetten. Geht man an die Bibel heran, so ist es eben stets der geschichtliche Kontext in einem umfassenden Sinne zu beachten. So kann etwa das Studium der Geschichte, nicht das der Rechts-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte das Interesse an der Bibel fördern. Umgekehrt kann die Beschäftigung mit der Bibel eben zur Beschäftigung mit ganz unterschiedlichen Wissenschaftsfeldern führen, von Ur- und Frühgeschichte über Klassische Archäologie, alte bis neuere Sprachen bis hin eben wiederum zur Rechts- wie Wissenschafts- und Sozialgeschichte und allgemeinerer politischer bis militärischer Geschichte. Auch die Beschäftigung mit Numismatik und natürlich Religionsgeschichte und Philosophie können hier genannt werden, wobei die Wissenschaftsbereiche immer wieder ineinander übergehen, sich immer wieder überschneiden. Dies mag nicht zuletzt eine gesunde Kritikfähigkeit fördern gegenüber dem Missbrauch von Religion und namentlich der Bibel oder was manche dafür halten für wirtschaftliche und politische Zwecke.
Natürlich verdienen ganz generell Aussagen aus einem alttestamentlichen Buch wie Tobit, seltener genannt Tobias, Beachtung. Da wird rasch der Zusammenhang von Glauben und dem Tun guter Werke anhand eines guten Beispiels verdeutlicht, und zugleich mag geschichtliches Interesse in einem weiten Sinne gefördert werden, wenn man etwa liest:
„(Tob 1,3) Ich Tobit, folgte mit gerechten Taten den Wegen der Wahrheit alle Tage meines Lebens und viele Werke der Barmherzigkeit tat ich meinen Brüdern und meinem Volk, die mit mir in das Land der Assyrer nach Ninive in Gefangenschaft gegangen waren."
Auch sonst wird in alttestamentlichen Schriften immer wieder deutlich, dass das Tun guter Werke nicht so etwas wie eine neutestamentliche Erfindung ist. Gerade hier sind Altes/Erstes und Neues/Zweites Testament untrennbar miteinander verbunden. Allein schon der Umstand, dass das doppelte Liebesgebot die Zusammenstellung von zwei (Einzel-)Aussagen aus der Thora/Tora/Torah ist, verdeutlicht und sollte gerade bei Katholikinnen und Katholiken nicht immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden müssen.
In mitunter drastischen Gleichnissen wird dieser Grundgedanke im Neuen/Zweiten Testament fortgeführt, nicht nur im Gleichnis vom Jüngsten Gericht/Weltgericht und dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Eher abstrakte Formulierungen finden sich im Jakobusbrief mit seiner eindringlichen Mahnung, dass der Glaube ohne die Werke nutzlos und sogar tot ist (Jak 2,20 und 2,26), aber nicht nur dort.
Wer es nicht wie viel Zeit zum Lesen nimmt, mag sich die Auflistung der sieben Werke der leiblichen Barmherzigkeit und die der sieben Werke der geistigen Barmherzigkeit vergegenwärtigen oder ansehen. Gerade die zuerst genannten sieben Werke der leiblichen Barmherzigkeit oder sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit erinnern sehr direkt an das Gleichnis vom Jüngsten Gericht im Matthäusevangelium. Das mag dann ein eigener Ansporn sein, im Rahmen eigener Möglichkeiten Gutes zu tun.
1. Lesung: Ez 34,11-12.15-17a
2. Lesung: 1 Kor 15,20-26.28
Evangelium: Mt 25,31-46
Gedanken zur Woche 192-b, Dr. Matthias Martin
34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Man ist beim Fest des Apostels Andreas versucht zu sagen, dass es sich bei ihm, dem Bruder des Apostels Petrus (siehe Gedanken zur Woche 69 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 88-b – 1. ADVENTWOCHE (2021)) nicht um irgendeinen Apostel handelt. Dabei sind die Apostel in ihrer Gesamtheit schon eine sehr beachtliche und beachtenswerte Größe.
Folgt man der neuen deutschen Einheitsüberersetzung, so kann man zur Erscheinung des auferstandenen Jesus vor den Jüngern am Osterabend lesen:
„(Joh 20,20) Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. (21) Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. (22) Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! (22) Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.“
Eine allgemeine Aussendung verbunden mit der Vollmacht, Sünden zu vergeben, wird also allen Anwesenden und nicht nur einem bestimmten Apostel erteilt.
Ähnlich richtet sich der berühmte universelle Missionsauftrag am Ende des Matthäusevangeliums an die anwesenden Apostel im Allgemeinen. So ist in diesem Stück matthäischen Sondergutes, wenn man wiederum der neuen deutschen Einheitsübersetzung folgt, zu lesen:
„(Mt 28,16) Die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. (17) Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder, einige aber hatten Zweifel. (18) Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Vollmacht gegeben im Himmel und auf der Erde. (19) Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (20) und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Die nach dem Ausscheiden des Judas Iskariot aus dem Apostelkreis verbliebenen elf Apostel machen sich demnach gemeinsam auf den Weg nach Galiläa. Gemeinsam, darunter dann wohl auch der heilige Andreas, begegnen sie dem auferstandenen Herrn und werden von ihm gleichzeitig angesprochen. Auftrag zur Weltmission mit der Spendung der Taufe und Verkündigung ergeht an alle elf Jünger bzw. Apostel. Der ganzen Gruppe von Aposteln gilt auch die Beistandsverheißung.
Auch in den eigens verschieden diskutierten Schlussversen des Markusevangeliums (Mk 16,9-20) spielt sich dies grundsätzlich so ab. Auch in dieser mitunter in einem historisch-kritischen Unterton der kanonische Markus-Schluss genannten Stelle begegnet der Auferstandene der Gruppe der Elf und erteilt ihr in ihrer Gesamtheit den Missionsauftrag. Auch hier werden alle elf zu Verkündigung und Spendung der Taufe beauftragt. Es folgt ein eigener Schlussvers, der eine sich an diese Beauftragung anschließende gemeinsame Missionstätigkeit erwähnt:
„(Mk 16,20) Sie aber zogen aus und verkündeten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftige das Wort durch die Zeichen, die es begleiteten.“
Im Epheserbrief wird auf eigene Weise die Gesamtheit der Apostel thematisiert:
„(Eph 2,20) Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; …“.
Etwas später ist im Epheserbrief zu lesen:
„(Eph 3,5) … jetzt aber ist es seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart worden:“
Innerhalb des Apostelkreises scheint Andreas eine eigene, wichtige Position innegehabt zu haben. Er wird den beiden Synoptikern Matthäus und Markus zufolge gemeinsam mit seinem Bruder Simon Petrus im Zuge der Berufung der ersten Jünger durch den Herrn berufen (Mt 4, 18-22 und Mk 1,16-20). Mehr petrinisch geht es in der zum Vergleich heranzuziehenden Stelle des ebenfalls ja den Synoptikern zugerechneten Lukasevangeliums zu (Lk 5,1-11). Wieso hier Andreas nicht namentlich erwähnt wird, ist zu hinterfragen. Dies gilt umso mehr, da er es ist, der dem Johannesevangelium zufolge seinen Bruder Simon Petrus erst auf Jesus von Nazaret hinweist und ihn sogar zu diesem hinführt:
„(Joh 1,40) Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer der beiden, die das Wort des Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren. (41) Dieser traf zuerst seinen Bruder Simon und sagte zu ihm: Wir haben den Messias gefunden – das heißt übersetzt: Christus. (42) Er führte ihn zu Jesus. …“.
Es ist auch das Johannesevangelium, demzufolge Andreas beim berühmten Brotwunder Initiative zeigt:
„(Joh 6,8) Einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus, sagte zu ihm: (9) Hier ist ein kleiner Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische, doch was ist das für so viele?“
In der lukanischen Apostelliste wird Andreas direkt nach seinem Bruder Simon Petrus an zweiter Stelle genannt (Lk 6,14-16, besonders Vers 14). Dies ist auch im anderen Großevangelium und damit in der matthäischen Apostelliste der Fall (Mt 10,2-4, besonders Vers 2). Auch relativ weit vorne findet sich der Name des Andreas auf der markinischen Apostelliste, allerdings erst auf Platz Vier. Zuvor werden Simon und Petrus und die Zebedäussöhne Jakobus und Johannes genannt (Mk 3,16-19, besonders die Verse 16 bis 18).
Eine starke Stellung besitzt der Apostel Andreas in der breiteren christlichen Überlieferung und kirchlichen Praxis.
Im Bereich der Ostkirchen, insbesondere der sog. Orthodoxen Kirche, beruft man sich stark auf sein Erbe und pflegt seine Verehrung.
Auch in der gekürzten Fassung des Römischen Messkanons, des Ersten Hochgebetes wird der heilige Andreas namentlich genannt:
„In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche
gedenken wir deiner Heiligen.
Wir ehren vor allem Maria,
die glorreiche, allzeit jungfräuliche Mutter
unseres Herrn und Gottes Jesus Christus.
Wir ehren ihren Bräutigam, den heiligen Josef,
deine heiligen Apostel und Märtyrer:
Petrus und Paulus, Andreas (!)
und alle deine Heiligen;
blicke auf ihr heiliges Leben und Sterben
und gewähre uns auf ihre Fürsprache
in allem deine Hilfe und deinen Schutz.“
Gerade in der westlichen Tradition wird der heilige Andreas als Schutzpatron verschiedener Berufsgruppen wie etwa der Metzger, Bergleute und Fischer samt Fischhändler verehrt.
Sein Festtag, der 30. November, ist der unbestrittene Nationalfeiertag Schottlands, dessen Nationalpatron eben der heilige Andreas ist. Das Andreaskreuz ist in weißer Farbe auf der schottischen Nationalfahne zu sehen (siehe Gedanken zur Woche 88-b – 1. ADVENTWOCHE (2021)). Diese Nationalfahne mit dem Andreaskreuz ist unbestritten.
Damit ist diese Form mit der spezifischen Kreuzesform des schottischen Nationalpatrons erfolgreicher als die traditionelle Nationalfahne von Wales, die Fahne des heiligen Davids von Wales mit meist gelbem Kreuz auf schwarzem Hintergrund. Unter britischer Herrschaft wurde diese eindeutig christlich geprägte Fahne im offiziellen Leben bewusst verdrängt durch die Fahne mit einem roten Drachen auf weiß-grünem Hintergrund. Dieses Motiv ist zumindest sehr eng mit dem Haus Tudor verbunden, aus dem der Katholikenverfolger und generell Massenmörder Heinrich VIII. wie andere brutale Gestalten der Geschichte hervorgingen. Evangelikale Kreise wiesen warnend, ja verurteilend darauf hin, dass der rote Drache im Buch der Geheimen Offenbarung für die satanischen Mächte oder den Satan steht (Apk/Offb 12). Daher solle unter ausdrücklicher Zurückweisung britisch-monarchischer Traditionen mit dem roten Drachen auf der Fahne lieber die Fahne des heiligen David von Wales verwendet werden.
Gedanken zur Woche 191, Dr. Matthias Martin
33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2023)
Es ist eine wesentliche Herausforderung für die irgendwie in kirchlicher Verkündigung tätigen Menschen, dass nicht christliche Inhalte verloren gehen. Rasch kann etwas in Vergessenheit geraten, was eben noch als bei Katholkinnen und Katholiken als allgemein bekannt vorausgesetzt wurde. Der sich in den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts ereignende Traditionsbruch mit dem um sich greifenden Verlust überlieferter Inhalte im Kirchenvolk wurde lange von kirchlichen Amtsträgern nicht wahrgenommen, ja geflissentlich verdrängt. Wer mahnend die Stimme erhob, irgendwie auf negative Entwicklungen hinwies und sich dabei nicht zum Schweigen bringen lassen wollte, wurde negativ bis destruktiv abgefertigt. Dazu kann leicht das Sprichwort einfallen „Man erschlägt den Boten für die schlechte Nachricht.“
Parallel stellt sich fortwährend die Aufgabe, Missverständnisse bei Menschen, die mehr oder minder ausdrücklich außerhalb der Kirche stehen, zu vermeiden bzw. abzubauen. Seit den ganz frühen Tagen der Christenheit haben sich Menschen guten Willens dieser Aufgabe gestellt. Männer und Frauen bemühten sich, durch ein gutes und nach Möglichkeit tadelloses Verhalten Vorwürfe gegen das Christentum bzw. die Kirche zu entkräften. In mehr theoretischer Weise bemühten sich in christlicher Frühzeit etwa die christlichen Apologeten, gute Inhalte des Christentums zu vermitteln und Gerüchte wie gezielte Vorwürfe zu entkräften.
Eine ganz zentrale Rolle spielte dabei in Wort und Tat, gewissermaßen in Theorie und Praxis, die tätige Nächstenliebe. Die tatsächliche Caritas, das diakonische Wirken, die Werke der Nächstenliebe wurden zu so etwas wie einem Markenzeichen des Christentums. Dabei gab es aber auch schon in ganz früher Zeit bedenkliche Tendenzen, belastende interne Herausforderungen innerhalb des Christentums. Dies wird für die dortigen Zeitumstände auch schon im Alten Testament, dem Ersten Testament der Bibel, auf je eigene Weise thematisiert.
Immer wieder haben es eben dann auch Christen bei der angewandten Nächstenliebe mangeln lassen, haben das Tun guter Werke vernachlässigt. Ja auch zu so etwas wie Machtmissbrauch und Unterschlagung konnte es schon seit den ganz frühen Tagen des Christentums kommen. Die Schriften des Neuen/Zweiten Testaments machen dies deutlich. Die Lektüre der Apostelgeschichte und der neutestamentlichen Briefe kann da in einer ernüchternden Weise sehr aufschlussreich sein.
Umso mehr gilt es eben, immer wieder Grundinhalte des Christentums Menschen gegenüber zu verdeutlichen, gegen ein schlechtes Vergessen und Unter-den-Tisch-Fallenlassen anzukämpfen.
Dies gilt gerade auch in Hinblick auf die Hilfe für schlechter gestellte Menschen, den Einsatz für die Armen in dieser Welt.
In diesem Sinne wirkt Papst Franziskus. Seine Mahnung, sich für die Armen einzusetzen, zu den Menschen an den Rändern der Gesellschaft zu gehen, ist keine Neuerfindung, sondern das Wiederverdeutlichen eines Wesenselementes authentischen Christseins. In diesem Sinne ist auch die Einführung des WELTTAGES DER ARMEN zu verstehen. Mit diesem im Jahre 2016 eingeführten eigenen Tag im kirchlichen Jahreskreis wurde gewissermaßen nichts Neues erfunden, sondern eben ein christliches Grundanliegen wieder verdeutlicht (siehe Gedanken zur Woche 86 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2021)). Damit geschah hier etwas ganz Ähnliches wie bei der Betonung des Ehrentitels „Apostelin der Apostel“ für Maria Magdalena durch Papst Franziskus. Auch hier hat der amtierende Papst nichts Neues erfunden und schon gar keine neue Lehre kreiert, sondern auf ein Element christlicher Überlieferung das Augenmerk gerichtet, das bei sehr vielen in Vergessenheit geraten war (siehe Gedanken zur Woche 74 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)); Gedanken zur Woche 121-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 133 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Reißerische bis polemische Meldungen oder Kommentare haben auch da wieder ziemlich für Verzerrungen und schädliche Irreführungen gesorgt. Umso mehr bleibt es eben eine dauernde Herausforderung, authentisches Christentum zu bezeugen in Worten und Taten und gerade die Liebe zu Gott und den Menschen nach besten Kräften eifrig zu verwirklichen. Nächstenliebe verwirklicht sich nun gerade durch gute Werke zugunsten von schlechter gestellten Menschen.
Zum Ansporn mögen da auch Frauen aus der Kirchengeschichte dienen wie Elisabeth von Thüringen und Margareta von Schottland. Zugleich verdeutlichen diese beiden Persönlichkeiten die Bedeutung, die Frauen im katholischen Bereich in den Zeiten des Mittelalters erlangen konnten. Solche Persönlichkeiten mögen auch in dieser Hinsicht anregen, Vorurteile abzubauen und eben gleichzeitig eifrig zu sein in den Werken der Nächstenliebe.
Dabei möge man sich vergegenwärtigen, dass Frauen schon im Alten/Ersten Testament enorm wichtig sein konnten. Ganze alttestamentliche Bücher wurden nach ihnen benannt, so eben das Buch Rut, das Buch Judit und das Buch Ester. Auch in anderen alttestamentlichen Büchern spielen Frauen immer wieder eine ganz bemerkenswerte Rolle. Ebenso haben bei allen etwaigen persönlichen Schwächen und Fehlern auch Männer schon seit den Tagen des Alten/Ersten Testamentes Gutes getan. In Hinblick auf das Verwirklichen von Werken der Nächstenliebe, von christlicher Caritas mögen etwa der frühchristliche Diakon und Märtyrer Laurentius wie der heilige Vinzenz von Paul bemerkenswerte männliche Vorbilder aus der Kirchengeschichte sein. Natürlich ist hier gerade auch an den Erzmärtyrer des Christentums und Diakon Stephanus zu denken.
Alle Christinnen und Christen sind eben aufgerufen, eifrig zu sein in den Werken der Nächstenliebe.
So ist es wertvoll, sich immer wieder daran zu erinnern, dass in diese Richtung schon der Weg in der Thora/Tora/Torah, den auch Pentateuch genannten Fünf Büchern Mose gewiesen wird. Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft wurde da etwa anhand des Weinbaues angemahnt. Dies geschah auch in Hinblick auf die Landwirtschaft im Allgemeinen. (siehe Gedanken zur Woche 185 – 27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Interessant sind eigens die Ansätze für Arbeitnehmerrechte, die sich ihrerseits bereits in der Thora/Tora/Torah finden (siehe Gedanken zur Woche 149 – 4. SONNTAG IM JAHRESRKEIS (2023) und Gedanken zur Woche 184 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Dabei ist natürlich zu bedenken, dass sich die gesellschaftlichen Verhältnisse sehr geändert haben. In westlichen Industrieländern ist es nur noch ein recht kleiner Teil der Bevölkerung, der in der Landwirtschaft einschließlich Weinbau und Forstwirtschaft tätig ist. Umfassende Mechanisierung hat sich auch im primären Sektor der Volkswirtschaft in weiten Teilen der Welt durchgesetzt. Dies ist beim Lesen von Bibelstellen und dem Versuch, daraus Hinweise für ein gutes Verhalten in der heutigen Welt zu gewinnen, zu bedenken.
Natürlich geht es im Alten/Ersten Testament auch um direkte Hilfe für notleidende Menschen in Form von dem, was oft Almosen genannt wird. Man denke hier an die Bücher Tobit, früher auch Buch Tobias genannt, und Jesus Sirach mit dessen Ehrennamen Ecclesiasticus.
Von allen Gleichnissen der Bibel wahrscheinlich überhaupt am bekanntesten dürfte das vom barmherzigen Samariter sein (Lk 10,25-37 oder 10,30-37). Hier geht es doch ganz augenscheinlich um das Tun guter Werke zugunsten eines notleidenden Menschen. Es geht nicht um das Aufsagen eines Glaubensbekenntnisses oder etwas Ähnliches. Handelt es sich bei diesem Gleichnis vom barmherzigen Samariter um lukanisches Sondergut, so handelt es sich beim Gleichnis vom Jüngsten Gericht um matthäisches Sondergut (Mt 25,31-46). Auch hier geht es ganz deutlich um die praktische Nächstenliebe, das Tun guter Werke zugunsten von Menschen in Not.
Umso mehr mögen gerade Katholikinnen und Katholiken die Anregung aufgreifen, die der WELTTAG DER ARMEN bietet. Mögen sie in echter Treue zur Bibel aus Altem/Erstem und Neuem/Zweiten Testament und zur wahren kirchlichen Überlieferung Werke der Nächstenliebe verwirklichen. Mögen sie gerade hilfsbereit sein für die, denen es nicht gut geht und am Rand der Gesellschaft stehen. Mögen sie in diesem Sinne mitwirken, Vorurteile und Verzerrungen abzubauen und echte Alltagschristinnen und Alltagschristen sein.
1. Lesung: Spr 31,10-13.19-20.30-31
2. Lesung: 1 Thess 5,1-6
Evangelium: Mt 25,14-30 (oder 25,14-15.19-21)
Gedanken zur Woche 191-b, Dr. Matthias Martin
33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Der Blick über die Gedenktage während der 33. Woche im Kirchenjahr nach dem jetzt mehr oder minder üblichen liturgischen Kalender weist schon etwas auf die mitunter sehr tiefgreifenden Veränderungen hin, welche sich über die Jahrhunderte im kirchlichen Leben ereignet haben. Man muss kein Experte in Kirchengeschichte sein und muss sich nicht eingehender mit technologischen Entwicklungen und bzw. mit Sozialgeschichte beschäftigt haben, um eine Ahnung davon zu haben, dass sich von der Zeit Clemens /Klemens I. an der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung (siehe Gedanken zur Woche 139-b – 34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), über die Zeit frühchristlicher Märtyrerinnen wie der heiligen Cäcilia (siehe allgemein Gedanken zur Woche 12-b – PFINGSTMONTAG und 9. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)) und der heiligen Katharina von Alexandrien (siehe allgemein Gedanken zur Woche 69-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 121-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), die gerne dem Mittelalter zugerechnete Lebenszeit des heiligen Kolumban/Columban bis zu den heiliggesprochenen vietnamesischen Märtyrern (siehe Gedanken zur Woche 87-b – 34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) die Verhältnisse immer wieder geändert bis massiv geändert haben.
Zugleich werden wir anhand solcher Heiligengedenktage geistig in verschiedene Weltgegenden geführt. Je nach Land oder Region herrscht eine andere Situation, ergeben sich andere Umstände auch für das kirchliche Wirken, gibt es unterschiedliche Herausforderungen und Möglichkeiten wie Gebräuche und Überlieferungen. Nicht umsonst gibt es die recht bekannte Redensart „Andere Länder, andere Sitten.“
Blickt man etwa, angeregt durch den Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem, in diese von drei Weltreligionen als Heilige Stadt in Ehren gehaltene Metropole, so wird rasch klar, dass es dort immer wieder auch handfeste bis brutale Auseinandersetzungen gibt. Immer wieder ist aus Jerusalem von Reibereien bis ernsteren Zusammenstößen zwischen den Anhängern unterschiedlicher religiöser Richtungen und gewissermaßen Volksgruppen zu vernehmen. Die Jerusalemer Altstadt allein schon unterteilt sich ja in vier je eigene Stadtviertel: das Jüdische, das Christliche, das Muslimische und dann auch noch das Armenische Stadtviertel. An der Grabeskirche oder Kirche vom heiligen Grabe sind sechs Kirchen gewissermaßen beteiligt, und zwar zusammen mit der römisch-katholischen Kirche, Kirchen aus dem orthodoxen und dem altorientalischen, auch genannt orientalisch-orthodoxen Bereich des Christentums (siehe Gedanken zur Woche 107 – PALMSONNTAG (2022)).
Während des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) war ernsthaft im Gespräch, eine exterritoriale Zuständigkeit über ganz bestimmte als besonders wichtig für die christliche Überlieferung angesehene Örtlichkeiten wie den sogenannten Abendmahlssaal dem Vatikan zu übertragen. Dabei wäre hierbei im Einzelnen zu klären, ob unter „Vatikan“ der Staat der Vatikanstadt, kurz Vatikanstaat, oder als Völkerrechtssubjekt eigener Art der Heilige Stuhl, auch genannt der Apostolische Stuhl, zu verstehen wäre. Zwar ist es bisher nicht zu einer solchen Neuordnung im Raum Jerusalem gekommen, aber allein schon solche ernsthaften Überlegungen unterstreichen, wie vielschichtig und kompliziert die Angelegenheiten in Jerusalem und seiner engeren Umgebung sind. Jerusalem stellt dazu einen besonders umstrittenen Punkt dar, wenn es um die angestrebte Friedenslösung zwischen Israel und Palästinensern bzw. Palästina geht. Eine ganz eigene und immer wieder im Mittelpunkt von Konflikten stehende Größe stellen der Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg von Jerusalem dar. Hier wirft sich auch die Frage auf, ob die Verantwortung für diese so wichtigen islamischen Heiligtümer in erster Linie etwa in den Händen des Haschemitischen Königreiches Jordanien oder einer palästinensischen Nationalregierung oder etwa einer eigenen internationalen islamischen Behörde liegen sollte. Wie steht es dann etwa um die Kompetenzen der Arabischen Liga, der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, abgekürzt OIC, und nicht zuletzt des Königreiches Saudi-Arabien, vor allem wenn eine dauerhafte Friedenslösung für das Heilige Land erreicht werden soll?
Von den gegen kommunistische Proteste heiliggesprochenen vietnamesischen Märtyrern her wird der Blick in diese ihrerseits immer wieder blutig umkämpfte Weltreligion von Indochina-Südostasien gerichtet. Der amerikanische Vietnamkrieg, der auch die Staatsgebiete von Laos und Kambodscha betraf, ist noch manchem im Gedächtnis. Er endete erst einmal in Kambodscha und Laos in einem tiefgreifenden Regimewechsel. Besonders augenfällig waren die Folgen für Südvietnam. Die unabhängige Republik Südvietnam, auch genannt Freie Republik Südvietnam oder das freie Südvietnam ging unter und verschwand als realpolitische, handelnde Größe von der Landkarte. Noch heute kann man bei Großveranstaltungen der katholischen Weltkirche wie Weltjugendtagen und Weltfamilientreffen Exemplare der Fahne der Republik Südvietnam sehen. Dies erlebte ich selber beim katholischen Weltfamilientreffen im September 2015 in Philadelphia (siehe Gedanken zur Woche 120-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Bei antikommunistischen Exilanten und ihren Freunden und Gesprächspartnern stellt sich die Frage, ob man auf so etwas wie einen gesamtvietnamesischen Regimewechsel oder in erster Linie auf die Wiederherstellung der bzw. einer unabhängigen Republik Südvietnam hinarbeiten sollte. Sollte auch in der kirchlichen Arbeit, wo es möglich ist, eine eigene südvietnamesische Identität gepflegt und gefördert werden? Oder sollte nicht lieber so etwas wie eine gesamtvietnamesische Orientierung zumindest einstweilen bevorzugt werden?
Weitgehend in Vergessenheit geraten ist dabei zumindest im großen und so vielfältigen außervietnamesischen Bereich, dass seitens von Vertretern der französischen Kolonialmacht im Rahmen der eskalierenden Auseinandersetzungen mit den verschiedenen Strömungen vietnamesischer Unabhängigkeitsbefürworter im Jahre 1946 eine Autonome Republik Cochinchina für den südlichen Teil Südvietnams proklamiert wurde.
Nach der Eroberung der Republik Südvietnam durch das kommunistische Nordvietnam und seine örtlichen Unterstützer kam es bekanntlich zur Schaffung der Volksrepublik Vietnam. Alsbald eskalierten die bewaffneten Zusammenstöße mit den neuen Machthabern im Kambodscha. Daraus entwickelte sich der gerne übersehene Vietnamesisch-Kambodschanische oder Kambodschanisch-Vietnamesische Krieg. Dieser erreichte Ende 1978 - Anfang 1979 seinen Höhepunkt. Die mit den Roten Khmer verbündete Volksrepublik China führte daraufhin einen Grenzkrieg gegen die ja ebenfalls kommunistisch beherrschte Volksrepublik Vietnam durch. In Kambodscha dauerten die Kämpfe zumindest noch Jahre lang an. Es wurde auch eine Teilung dieses ja u. a. von den Vereinten Nationen anerkannten Landes überlegt.
Heutzutage finden immer wieder die Auseinandersetzungen um Herrschaftsrechte im Südchinesischen Meer den Weg in internationale Medien. Zu besonderen Brennpunkten haben sich seit den vierziger und Anfang der fünfziger Jahre die Spratly-Inseln und daneben auch die Paracel-Inseln entwickelt. Wiederholt wurden Befürchtungen bezüglich einer militärischen Eskalation bis hin zu einem eventuellen Krieg zwischen China und der USA samt Verbündeten geäußert.
Für den Heiligen/Apostolischen Stuhl etwa stellt sich die Frage, ob man sich auf Dauer möglichst aus dieser regelrechten Konfliktgemengelage heraushalten sollte. Oder sollte man nicht demonstrativ die Position des eigenen und so loyalen diplomatischen Verbündeten und Freundes kirchlicher Aktivitäten, der Republik Taiwan, unterstützen? Oder sollte man nicht zuletzt in Erinnerung und Ehrung der heiliggesprochenen vietnamesischen Märtyrer gerade den Schulterschluss mit südvietnamesischen bzw. vietnamesischen Exil- und Oppositionskreisen pflegen? Wie wäre es stattdessen damit, den Blick auf eine Zusammenarbeit mit der Regierung in Hanoi zu richten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund von deren offensichtlich eigenen guten Verhältnisses zur Republik Taiwan. Natürlich gibt es da auch noch und ganz generell die Überlegung einer umfassenden Verständigung mit der Volksrepublik China. Natürlich sind insbesondere auch die Interessen, Aktivitäten und Argumente der die Heimat einer der größten nationalen Ortskirchen der katholischen Weltkirche darstellenden Republik der Philippinen im Auge zu behalten.
Gedanken zur Woche 190, Dr. Matthias Martin
32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen besitzt in verschiedener Hinsicht Bedeutung, eine je eigene Aussagekraft. Dabei finden wir dieses Gleichnis lediglich im Matthäusevangelium vor. Wir haben es also auch bei diesem Gleichnis wieder mit Sondergut, einer betreffenden Traditio Simplex/Simplex Traditio eines der drei synoptischen Evangelien zu tun. Geht man von der Zweiquellentheorie aus, wonach bei der Erstellung des Matthäus- und des Lukasevangeliums sowohl eine mehr oder minder umfangreiche Fassung des Markusevangeliums als auch die ja nie etwas als archäologischer Fund oder als Archivstück vorgefundene Logienquelle oder Quelle Q als Quellen vorgelegen haben, so stellt sich die Frage, warum dieses Gleichnis eben nur im Matthäusevangelium vorhanden ist (siehe allgemein Gedanken zur Woche 184 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Manch einer mag sich im kritisch-historischen Sinne fragen, ob hier der Verfasser oder eine entscheidende Redaktoren- oder Verfassergruppe bei der Erstellung des Lukasevangeliums dieses Gleichnis nicht bewusst hätte weggelassen (siehe Gedanken zur Woche 180 – 22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). So oder so mag auch dieses matthäische Sondergut zu exegetischen Diskussionen wie zum kritischen Hinterfragen eigener Positionen anregen.
Auf jeden Fall gewann das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen ziemliche Bedeutung.
Da ist zum einen einmal die Stellung, welche die Darstellung der klugen und törichten Jungfrauen in der bildenden Kunst erlangte. Besonders bekannt sind sicher die Darstellungen am Magdeburger Dom und am Straßburger Münster. Blickt man in die nähere Umgebung von Stein an der Donau und der dortigen Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus, so mag eigens die Darstellung am Karner von Tulln an der Donau in den Sinn kommen. Dass bildliche bis figürliche Darstellungen zu biblischen Themen und die Übersetzung der Heiligen Schrift in die Volkssprache gut zusammenpassen, wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sowohl das Elsass wie das Gebiet des heutigen Niederösterreichs für die Entwicklung der deutschen Sprache und gerade auch für die Erarbeitung von Bibelübersetzungen besonders wichtig waren. In Straßburg am Rhein wurde die Bibel erstmals in deutscher Sprache gedruckt und das unbestreitbar lange vor der Tätigkeit Martin Luthers (siehe Gedanken zur Woche 79-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 96 - 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2022) und Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022)).
Natürlich werden Bibelstellen ganz verschieden und oft regelrecht gegensätzlich ausgelegt. Das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen mag aber auch in unserer Zeit zu wirtschaftlicher Vorsicht mahnen und als eine Warnung vor finanzieller Leichtfertigkeit dienen.
In ihrem Hirtenbrief zur Bundestagswahl 1980 hatten die bundesdeutschen Bischöfe noch mutig vor den Gefahren einer hohen Staatsverschuldung gewarnt. Die klaren Worte der Bischofskonferenz waren umso bemerkenswerter, da sie ganz generell als klare Kritik an der damaligen Bundesregierung gesehen wurden. Dabei gingen die Bischöfe so weit, nicht nur vor einer uferlosen Ausdehnung der Staatsverschuldung zu warnen, sondern klar deren Abbau zu fordern! Vielleicht hatten sie ja dabei tatsächlich das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen im Blick. Es gibt natürlich auch andere Bibelstellen, die hier zum Nachdenken anregen können. Als Warnung vor finanzieller Leichtfertigkeit oder mangelnder Kontrolle kann etwa die Aussage im Johannesevangelium gesehen werden, dass der spätere Verräter Judas die Kasse verwaltet und deren Einkünfte veruntreut habe (Joh 12,6). Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die drastische bis schockierende Stelle in der Apostelgeschichte vom Betrug des Hananias und der Saphira (Apg 5,1-11). Als ein Beispiel für glaubwürdiges finanzielles Handeln und gutes Vorbild mag man die Sammlung für die Urgemeinde in Jerusalem sehen, wie sie im Zweiten Korintherbrief erzählt wird (2 Kor 8,1-24). U. a. heißt es dort, wenn wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung folgen.
„(2 Kor 8,20) Denn angesichts der großen Spende, die von uns überbracht werden soll, möchten wir vermeiden, dass man uns verdächtigt. (21) Denn wir sind auf das Gute bedacht, nicht nur vor dem Herrn, sondern auch vor den Menschen. (22) Wir haben aber mit den beiden noch einen weiteren Bruder geschickt, dessen Eifer wir vielfach und bei vielen Gelegenheiten feststellen konnten und der sich in diesem Fall noch eifriger zeigt, weil er großes Vertrauen zu euch hat.“
Hier wurde also bereits offensichtlich mehr als das Vieraugenprinzip praktiziert. Dazu hielt Paulus eigens schriftlich fest, dass die Spendenaktion in der betreffenden Weise abgewickelt wurde, und teilte dies den Empfängern seines Schreibens mit.
Ein weiteres interessantes Beispiel für seriöses Verhalten in finanzieller Hinsicht findet sich bereits im Alten/Ersten Testament. So heißt es im Zweiten Makkabäerbuch:
„(2 Makk 12,43) Er <, Judas Makkabäus,> veranstaltete eine Sammlung, an der sich alle beteiligten, und schickte etwa zweitausend Silberdrachmen nach Jerusalem, damit man dort ein Sündopfer darbringe. …“
Zugleich weist diese Stelle im Alten/Ersten Testament in Richtung auf den Glauben an die Auferstehung der Toten wie des Betens und der Feier von Gottesdiensten für Verstorbene.
Auf jeden Fall sind gerade Menschen, die in der kirchlichen Vermögensverwaltung tätig sind, aufgefordert, dieser Tätigkeit mit größter Gewissenhaftigkeit nachzugehen. Anstelle von Selbstbereicherung und Schlamperei sollen das Gemeinwohl und Pflichterfüllung im Blickpunkt stehen. Im Kirchenrecht wird dies nachdrücklich thematisiert. Das wird im CIC für die Lateinische Kirche wie im CCEO für die Katholischen Ostkirchen wie in weiteren kirchlichen Dokumenten deutlich.
So wird in Canon/Kanon 1282 des CIC knapp und lapidar festgehalten:
„Alle, Kleriker oder Laien, die aufgrund eines rechtmäßigen Titels an der kirchlichen Vermögensverwaltung teilhaben, sind gehalten, ihre Aufgaben im Namen der Kirche nach Maßgabe des Rechts zu erfüllen.“
Das sind ja schon deutliche Worte gegen Schlendrian und bewussten Amtsmissbrauch.
Dabei wird im Kirchenrecht eben gerade Wert daraufgelegt, dass Spenden nicht zweckentfremdet werden. Schon gar nicht sollen sie zur Selbstbereicherung kirchlicher Amtsträger bzw. Mitarbeiter missbraucht werden (siehe Gedanken zur Woche 187-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Da mag an Redensarten gedacht werden wie „Beim Geld fängt der Ernst des Lebens an“, „Beim Geld hört die Freundschaft auf“, „Strenge Rechnung, gute Freunde“ oder auch „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“.
So sollen einem Verwalter kirchlichen Vermögens weitere Personen zur Seite gestellt werden und überhaupt ein wirksames Kontrollsystem vorhanden sein. In diese Richtung weist nicht zuletzt Canon/Kanon 1280 des CIC, wobei hier natürlich juristische Personen im Sinne des Kirchenrechts gemeint sind:
„Jedwede juristische Person muss ihren Vermögensverwaltungsrat haben oder wenigstens zwei Ratgeber, welche dem Verwalter nach Maßgabe der Statuten bei der Erfüllung seiner Aufgabe helfen.“
Auf Ebene des Bistums, der Diözese hat es einen Vermögensverwaltungsrat und ein sog. Konsultorenkollegium zu geben (siehe Gedanken zur Woche 189 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Für die Ausgestaltung im Einzelnen spielt das Partikularrecht eine eigene Rolle. Auf pfarrlicher Ebene hat ein Pfarrkirchenrat, auch genannt Pfarrwirtschaftsrat, zu wirken. Willkürherrschaft auch und nicht zuletzt in finanziellen Fragen sollte verhindert bzw. von vornherein ausgeschlossen werden.
Die katholische Kirche hat stets betont, dass das Vermögen einer kirchlichen Einrichtung, sei es eine Pfarrgemeinde, eine kirchliche Stiftung, ein Bistum bzw. eine Diözese oder eine Ordensniederlassung nicht das Privatvermögen eines kirchlichen Amtsträgers oder seiner Familie ist. Dieser klare Rechtsstandpunkt ließ sich natürlich nicht gegenüber blanker Gewalt durchsetzen, wie es in der Geschichte tatsächlich auch geschehen ist. Mitunter musste da die Kirche auch in dieser Hinsicht blanker Gewalt weichen. Auch wurde Kirchenvermögen mitunter über lange Zeiträume zur Versorgung von Günstlingen eines Königshauses zweckentfremdet, ohne nominell den Status katholischen kirchlichen Vermögens durch eine offizielle Enteignung zu verlieren. Der Gallikanismus bietet da ein besonders abschreckendes Beispiel (siehe Gedanken zur Woche 127-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
1. Lesung: Weish 6,12-16
2. Lesung: 1 Thess 4,13-18 (oder 4,13-14)
Evangelium: Mt 25,1-13
Gedanken zur Woche 190-b, Dr. Matthias Martin
32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Heilige wie Markgraf Leopold III., kurz genannt der heilige Leopold, und die heilige Margarete von Schottland verdeutlichen sehr augenfällig und leicht einzusehen den Zusammenhang von religiös-kirchlichem und staatlich-politischem Leben.
Es mag im Guten oder im Bösen sein. Kirche, Religion verwirklicht sich immer in einem konkreten geschichtlichen Rahmen, unter bestimmten sozialen, politischen, ja auch wirtschaftlichen und technologischen Umständen. Auch als Christ, oder als Anhänger einer anderen Religion oder irgendeines weltanschaulichen Systems lebt man nicht in luftleeren Raum, lebt man eben nicht gewissermaßen jenseits von Raum und Zeit.
Der heilige Leopold wirkte in vielfältiger Weise für die Landesentwicklung. Dabei sollte man sich vergegenwärtigen, dass damals mehr noch als gerade in der westlichen Welt heutzutage Klöster oft wichtige Verwaltungsmittelpunkte, Zentren für Wissenschaft, Unterricht, Kultur und wirtschaftliche Aktivitäten waren. Auch militärisch besaßen sie ihre Bedeutung. So passte es zur energischen Politik Markgraf Leopolds III., dass er nicht zuletzt Klöster gründete, aber einer Stadt auch die Entstehung einer Münzstätte ermöglichte. Auch in der großen Reichspolitik spielte er eine sehr wichtige Rolle. Hierbei waren seine verwandtschaftlichen Beziehungen sowohl zum Kaiserhaus der Salier als auch zum aufstrebenden Geschlecht der Staufer/Hohenstaufer so wichtig wie bemerkenswert (siehe Gedanken zur Woche 36-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)).
Eigentlich wäre der Gedenk- bzw. Festtag des heiligen Leopold ein guter Anlass, sich mit solchen Herrschergeschlechtern wie denen der Salier und Hohenstaufer, wie mit der allgemeineren Reichsentwicklung zu beschäftigen.
Genauso mag die Persönlichkeit der von der Kirche so außerordentlich geehrten heiligen Margareta von Schottland (siehe Gedanken zur Woche 86-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) dazu anregen, sich vorurteilsfrei mit der Bedeutung von Frauen in jenen Zeiten zu beschäftigen, welche gemeinhin Mittelalter genannt werden. Margareta war sicher eine Persönlichkeit, die individuelle Frömmigkeit mit Einsatzbereitschaft und Tatkraft verband. Damit hat sie nicht allein Schottland enorm wichtige Dienste erwiesen. Ihre Ausstrahlung geht weiter über diese für sich schon so bemerkenswerte Nation hinaus. Ein Blick auf das Wirken wie die Nachwirkungen der heiligen Margareta von Schottland mag das enge Verhältnis von katholischer Kirche und schottischer Nationalbewegung wie die große Bedeutung, die Frauen hierbei einnahmen und einnehmen (siehe allgemein Gedanken zur Woche 18-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 104-b – 3. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2022)), verständlicher erscheinen lassen.
Auch das macht wieder deutlich, dass sich eben Kirche nicht im luftleeren Raum verwirklicht.
So stellt die Regelung der jeweiligen Verhältnisse von Kirche und Staat auch heute immer wieder eine Herausforderung dar.
Eine Schwierigkeit ist dabei, dass man sich in der sogenannten Internationalen Gemeinschaft nicht darauf einigen kann, wie viele Staaten es überhaupt gibt oder geben sollte. Die deutlich konträre Anerkennungs- bzw. Nichtanerkennungspraxis der fünf Vetomächte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen/UN in Hinblick auf den Kosovo und Palästina verdeutlichen dies. Auch das Verhalten gegenüber der Republik Taiwan, die Beziehungen zu dieser Nation seitens der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat sind ziemlich konträr.
Dazu kommt die Einmischung einer traditionellen Kolonialmacht wie Frankreich mit ihrem deutlich antikirchlichen Akzent in die Politik anderer Staaten. Da war das Voranschreiten päpstlicher Diplomatie in Afrika ein sehr oft übersehener Indikator schwindenden französischen Einflusses (siehe Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). In weiten Teilen Afrikas hat sich da gerade in jüngster Zeit ein regelrechter Kollaps entwickelt. Das Verschwinden französischer Einmischungsmöglichkeiten eröffnet dem Wirken der Diplomatie des Heiligen/Apostolischen Stuhls neue Möglichkeiten und hilft, bisher Erreichtes abzusichern. Auch die diplomatischen Beziehungen und das Wirken des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens/Malteserordens verdienen hier Beachtung.
Dabei legt die Kirche auf eine nach Möglichkeit gedeihliche Zusammenarbeit mit Staaten und staatsähnlichen Einrichtungen Wert. Nicht zuletzt ein Blick in das Kirchenrecht verdeutlicht dies.
So sind weltliche Gesetze, auf die das Recht der Kirche verweist, nach Canon/Kanon 22 des CIC ebenso einzuhalten wie das eigentliche kanonische Recht. Sie dürfen nur nicht dem sogenannten göttlichen Recht oder festgelegtem kanonischen Recht zuwiderlaufen (siehe Gedanken zur Woche 63 – 10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Ganz in diesem Sinne heißt es in Canon/Kanon 1504 des CCEO:
„Weltliches Recht, auf welches das Recht der Kirche verweist, muss im kanonischen Recht mit denselben Wirkungen gewahrt werden, sofern es dem göttlichen Recht nicht widerspricht und wenn es nicht anders im kanonischen Recht vorgesehen ist.“
Eigens wird bezüglich des Arbeits- und Sozialrechts auf das weltliche Recht hingewiesen und das Unterlaufen von einschlägigen Standards durch Kirchenvertreter verurteilt. Egal wieweit dies in der Praxis auch umgesetzt wird oder nicht, so ist doch in Canon/Kanon 1286 des CIC kirchenoffiziell festgehalten:
„Die Vermögensverwalter haben:
1° bei der Beschäftigung von Arbeitskräften auch das weltliche Arbeits- und Sozialrecht genauestens gemäß den von der Kirche überlieferten Grundsätzen zu beachten;
2° denjenigen, die aufgrund eines Vertrages Arbeit leisten, einen gerechten und angemessenen Lohn zu zahlen, sodass sie in der Lage sind, für ihre und ihrer Angehörigen Bedürfnisse angemessen aufzukommen.“
Man muss kein Experte der Katholischen Soziallehre sein, um zu wissen, dass in ihr stets in hohen, ja höchsten Tönen von der Würde der arbeitenden Menschen und ihren Rechten gesprochen wird. Umso mehr sollten gerade kirchliche Arbeitgeber die soeben zitierten Worte ernst nehmen.
Dazu kommt hier eigens Paragraph 2 von Canon/Kanon 231 des CIC, wo es mit Blick auf Laien im kirchlichen Dienst heißt:
„Unbeschadet der Vorschrift des can. 230 § 1 haben sie das Recht auf eine angemessene Vergütung, die ihrer Stellung entspricht und mit der sie, auch unter Beachtung des weltlichen Rechts, für die eigenen Erfordernisse und für die ihrer Familie in geziemender Weise sorgen können; ebenso steht ihnen das Recht zu, dass für ihre soziale Vorsorge und Sicherheit sowie ihre Gesundheitsfürsorge, wie man sagt, gebührend vorgesehen wird.“
In Canon/Kanon 1030 des CCEO wird parallel zum CIC festgehalten,
„Der kirchliche Vermögensverwalter
1° muss bei Arbeitsverträgen auch das weltliche Recht bezüglich Arbeit und sozialem Leben genau wahren gemäß den von der Kirche überlieferten Prinzipien;
2° muss denen, die eine Arbeit aufgrund eines Vertrages leisten, eine gerechte Vergütung zahlen, so dass sie für ihre eigenen Bedürfnisse und die der ihren angemessen sorgen können.“
In Paragraph 2 von Canon/Kanon 409 des CCEO ist wiederum mit Blick auf Laien in einem kirchlichen Arbeitsverhältnis nachzulesen:
„Sie haben das Recht auf eine gebührende, ihren Verhältnissen entsprechende Vergütung, mit der sie, unter Wahrung auch der Vorschriften des weltlichen Rechts, für ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer Familie geziemend sorgen können; ebenso haben sie das Recht, dass für sie und ihre Familie für eine angemessene Vorsorge und soziale Sicherheit wie auch für die Krankenversicherung gesorgt wird.“
Da mag spontan die Tätigkeit Otto von Bismarcks in der Sozialgesetzgebung in den Sinn kommen. Nicht zuletzt bei dieser hatte der Reichskanzler die Zusammenarbeit mit katholischen Vertretern bzw. denen des politischen Katholizismus angestrebt.
Gedanken zur Woche 189, Dr. Matthias Martin
31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Wenn man an der einen oder anderen Stelle des Neuen/Zweiten Testamentes vermeintlich oder tatsächlich etwas zu einem Konflikt Jesu von Nazarets mit sogenannten Pharisäern und Schriftgelehrten findet, so ist wie auch sonst immer wieder beim Lesen bzw. Hören von Bibelstellen etwas wie selbstkritische Vorsicht angesagt. Man mag an den Johann Wolfgang von Goethe zugeschriebenen Reim denken, wonach jeder erst einmal vor der eigenen Türe kehren solle. Man mag auch die Rede, diese Formulierung vom Splitter im Auge des Nächsten und den Balken im eigenen Auge denken, die wir im Matthäusevangelium (Mt 7,3-5) (siehe Gedanken zur Woche 82 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)) wie im Lukasevangelium (Lk 6,41-42) vorfinden.
Bei vermeintlich oder tatsächlich kritischen Aussagen Jesu von Nazarets etwa über Pharisäer und Schriftgelehrte mag man sich vergegenwärtigen, dass der neuen deutschen Einheitsübersetzung zufolge unmittelbar vorher im Matthäusevangelium zu lesen ist:
„(Mt 7,1) Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! (2) Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden.“
Im Sinne einer Parallelstelle, einer gewissen Traditio Duplex/Duplex Traditio, könnte man erwarten, dass sich solche Worte in dieser Anordnung auch im Lukasevangelium finden. Bei einem Blick in dieses wird man diesbezüglich aber enttäuscht sein (Lk 6,39-40). Diese Verbindung von Gemeinsamkeiten bei Matthäus und Lukas und jeweiligem matthäischem und lukanischen Sondergut, von einer gewissen Traditio Duplex/Duplex Traditio und Traditio Simplex/Simplex Traditio mag zunächst einmal wieder gerade vor dem Hintergrund unterschiedlicher Theorien zur Entstehung des Neuen/Zweiten Testamentes im Allgemeinen und der drei synoptischen Evangelien im Besonderen zu Diskussionen und mehr oder minder wissenschaftlichen Nachforschungen anregen. Aber eben auch bei solch einer Gelegenheit sollte nicht Gehässigkeit über Nächstenliebe, nicht Aggressivität über Friedfertigkeit triumphieren.
Tatsächlich machen die Schriften sowohl des Alten/Ersten wie des Neuen/Zweiten Testaments immer wieder deutlich, dass auch herausragende Persönlichkeiten ihre Schwächen bis dunklen Seiten haben. Der Missbrauch von Religion und gerade so etwas wie religiösen Ämtern ist dort kein Tabu. Dies gilt nicht zuletzt auch ausgehend vom Apostelkreis in Hinblick auf das sich herausbildende Christentum, wenn man den Schriften dessen folgt, was üblicherweise das Neue Testament und seltener eben manchmal auch das Zweite Testament genannt wird. Das verdeutlicht dann auf seine Weise, dass die Bibel eben keine Aneinanderreihung netter Geschichten oder Sammlung harmloser Erzählungen für Kinder ist.
Auch Überlieferungen von außerhalb von so etwas wie jüdisch-christlicher Gesamttradition können hier zur Ernüchterung mahnen und vor falschem Optimismus, vor anthropologischer Blauäugigkeit warnen. Erzählungen wie die über Ratten in einer als heilig verehrten Säule sind vielleicht manchem schon in der eigenen Schulzeit begegnet. Der Umstand, dass im Alten Ägypten etwa bei der Ausraubung von Pyramiden wie dann von Gräbern im berühmten Tal der Könige Personen aus den eigenen Reihen des Systems beteiligt waren bzw. solche Grabräubereien unternahmen, mag ernüchternd sein. Schon damals waren offensichtlich Priester der offiziellen Staatsreligion wie Beamte und an der Schaffung von Grabmälern selber beteiligte Handwerker anfällig für drastische Korruption, für Missbrauch ihrer Positionen.
Der Kampf gegen Korruption und Machtmissbrauch ist ein immer wiederkehrendes Thema in der Menschheitsgeschichte. Der Fall von so etwas wie Imperien wurde immer wieder durch interne Auseinandersetzungen im Sinne des Kampfes um Macht und generell um Ressourcen zumindest vorangetrieben, wenn nicht im jeweiligen Fall überhaupt bedingt. Selbstbereicherung und internes Machtstreben dürften einen ganz erheblichen Anteil gehabt haben bei dem schließlich doch relativ raschen Untergang des Assyrischen Reiches. Interne Auseinandersetzungen schwächten das alte Perserreich der Achaimeniden/Achämeniden, bevor es dann dem brutalen Eroberer Alexander um Opfer fiel, der oftmals „der Große“ genannt wird. Der Aufstieg dieses Achämenidenreiches war zuvor erheblich durch interne Auseinandersetzungen innerhalb des Neubabylonischen Reiches gefördert worden. Es spricht sehr viel dafür, dass wegen kurzsichtigen Gewinnstrebens und destruktiver Missgunst in führenden gesellschaftlichen Kreisen gegen eigene Landsleute wie den so fähigen General Hannibal Karthago den Ersten wie den Zweiten Punischen Krieg verlor. Das Römische Reich, das im Rahmen des Dritten Punischen Krieges schließlich das alte Karthago gezielt völlig ausradierte (siehe Gedanken zur Woche 102-b – 1. FASTENWOCHE (2022)) wurde später selber gerade durch interne Auseinandersetzungen geschwächt. Es gibt die nicht unbegründete Meinung, dass insbesondere wiederholte Bürgerkriege, Putsche und Morde an der Staatsspitze zum Fall des Weströmischen Reiches führten. Interne Probleme sind, sehr allgemein formuliert, offensichtlich immer wieder das Schlimmste, was einem großen System widerfahren kann.
Gerade die römisch-katholische Kirche hat dann in ihrem eigenen Bereich drastische bis katastrophale Erfahrungen gemacht. Die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbundene Aufbruchsstimmung und damit oft verbundene betonte Täterfreundlichkeit ist inzwischen oft Ernüchterung bis Empörung und Entsetzen gewichen. Die umfassende Neufassung des kirchlichen Strafrechts verdeutlicht das (siehe Gedanken zur Woche 63 – 10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Dass hierbei auch der Bereich von vermögensrechtlichen oder wirtschaftlichen Vergehen angegangen wurde, sollte eigens zu denken geben.
Dabei hatte es schon bisher im offiziellen kirchlichen Vermögensrecht deutliche Formulierungen gegeben. Die Oberaufsicht des Papstes über alles kirchliche Vermögen wie die Verpflichtung, für den Unterhalt der eigenen Kleriker und anderen Kirchenmitarbeitern Sorge zu tragen, war bereits festgeschrieben (siehe Gedanken zur Woche 187 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Dies gilt u. a. auch in Hinblick auf die Zweckbindung bei Spendeneinnahmen (siehe Gedanken zur Woche 187-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Ebenso begegnen weitere Regelungen bezüglich eines korrekten Umgangs mit kirchlichem Vermögen sowohl im CIC für die Lateinische Kirche wie im CCEO für die Katholischen Ostkirchen.
Für den diözesanen Bereich etwa wird bereits in Canon /Kanon 1276 des CIC von 1983 eingeschärft:
„§ 1. Der Ordinarius hat gewissenhaft die Verwaltung des gesamten Vermögens zu überwachen, das den ihm unterstellten öffentlichen juristischen Personen gehört, unbeschadet der Rechtstitel, die ihm weitergehende Rechte einräumen.
§ 2. Innerhalb der Grenzen des allgemeinen und partikularen Rechts haben die Ordinarien unter Beachtung der Rechte, der rechtmäßigen Gewohnheiten und der Umstände durch Erlass besonderer Instruktionen für die Regelung der gesamten kirchlichen Vermögensverwaltung zu sorgen.“
Von Einladung zu Schlendrian, Vertuschung und so etwas wie Freunderlwirtschaft ist keineswegs die Rede. Im folgenden Canon/Kanon 1277 wird dies unter ausdrücklichem Hinweis auf eigene Gremien fortgeführt:
„Was das Setzen von Akten der Verwaltung betrifft, die unter Beachtung der Vermögenslage von größerer Bedeutung sind, muss der Diözesanbischof den Vermögensverwaltungsrat und das Konsultorenkollegium hören; er bedarf jedoch der Zustimmung eben dieses Rates und auch des Konsultorenkollegiums, außer in den vom allgemeinen Recht oder den Stiftungsurkunden besonders vorgesehenen Fällen, für das Setzen von Akten der außerordentlichen Verwaltung. Die Bischofskonferenz aber hat zu bestimmen, welche Akte als solche der außerordentlichen Verwaltung zu gelten haben.“
Im CCEO wird in Canon/Kanon 1022 festgehalten:
„§ 1. Es kommt dem Eparchialbischof zu, die Verwaltung aller kirchlichen Güter zu beaufsichtigen, die sich innerhalb der Grenzen der Eparchie befinden und seiner Leitungsgewalt nicht entzogen sind, unbeschadet rechtmäßiger Titel, die ihm weitergehende Rechte zuerkennen.
§ 2. Unter Berücksichtigung von Rechten, rechtmäßigen Gewohnheiten und Umständen müssen die Hierarchen durch die Herausgabe geeigneter Instruktionen innerhalb der Grenzen des gemeinsamen Rechts und des Partikularrechts der eigenen Kirche eigenen Rechts dafür sorgen, dass die gesamte Verwaltung der kirchlichen Güter angemessen geordnet wird.“
Nach Canon/Kanon 1024 geht es wiederum eigens um die Grenzen der ordentlichen Verwaltung.
1. Lesung: Mal 1,14b-2,2b.8-10
2. Lesung: 1 Thess 2,7b-9.13
Evangelium: Mt 23,1-12
Gedanken zur Woche 189-b, Dr. Matthias Martin
31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Wie sehr hochgeistige Theologie, gewissermaßen dogmatische und moralische Ansprüche, auf der einen Seite und handfeste, empirisch-bodenständige Angelegenheiten zusammenspielen, wird gerade beim Blick auf das Papstamt und seine praktische Ausgestaltung deutlich. Ein Blick auf die 31. Woche im liturgischen Jahreskreis im Jahre 2023 nach dem gerade bei uns im deutschen Sprach- und Kulturraum meist verbreiteten liturgischen Kalender mag da interessant sein.
Da wird am 9. November der Weihetag der Lateranbasilika begangen. Dieser und nicht dem Petersdom kommt entgegen weit verbreiteter Meinung der Rang der ersten Kirche des Erdkreises zu. Sie ist die eigentliche Hauptkirche des Bischofs von Rom und damit des Papstes (siehe Gedanken zur Woche 35-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 85-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 61-b – PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE im JAHRESKREIS (2021)). Zugleich gehört sie nicht zum italienischen Staatsgebiet. Sie ist vielmehr wie eine Reihe anderer Liegenschaften in Rom und dessen Umgebung exterritorial und als solche besonders nachdrücklich mit den beiden Völkerrechtssubjekten Staat der Vatikanstadt, kürzer auch Vatikanstaat, und Heiliger Stuhl, auch genannt Apostolischer Stuhl, verbunden und zugeordnet (siehe Gedanken zur Woche 85-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 71-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) und Gedanken zur Woche 138-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Eine Beschäftigung mit der Geschichte der Lateranbasilika und des Lateranpalastes verdeutlicht, dass man bei Legenden und über Jahrhunderte hin immer weiter gesponnenen Geschichten sehr vorsichtig sein soll. So hat Kaiser Konstantin, der oft „der Große“ genannt wird, das Areal des Lateranpalastes der römischen Ortskirche geschenkt wie auch andere materielle bis immobilienmäßige Zuwendungen gemacht. Die Stellung der Bischöfe in dem von Konstantin straff bis brutal geführten Reichsverband wurde aufgewertet, etwa mit Blick auf das Gerichtswesen. Dabei machte Kaiser Konstantin aber immer deutlich, dass das von ihm nach und nach ganz unter Kontrolle gebrachte Römische Reich einen und nur einen Herrscher hatte: ihn selber. Eine Reichsteilung zu seinen Lebzeiten oder eine Abtretung von dazu noch großen Teilen des Reichsgebietes an wen auch immer kam für diesen energischen Politiker und Heerführer nicht infrage. Auch engste Familienangehörige hatten sich davor zu hüten, ihn herauszufordern, wenn ihnen ihr Leben lieb war.
Auch in kirchliche Belange mischte er sich ein. Der römische Bischofssitz war in seiner Herrschaftszeit innerkirchlich eher unbedeutend. Gerade der Bischof von Rom Silvester I. (Amtszeit 314-335) machte theologisch oder kirchenrechtlich nicht spektakulär von sich reden. Von ihm ist offensichtlich keine echte Schrift erhalten geblieben. Ganz und gar nicht gibt es irgendeinen Hinweis auf eine vielleicht dazu noch phantastisch ausgemalte Tätigkeit als ein Landesherr oder gar als Imperator der westlichen Hälfte des Römischen Reiches. Hierzu findet sich kein Dekret, kein herrschaftliches Reskript, kein Gesetz und auch keine Münze. Er befehligte keine Streitkräfte und war eben kein Landesherr oder auch nur Stadtherr von Rom. Rom hatte weiterhin einen kaiserlichen Stadtpräfekten wie auch den proheidnischen Senat. Über allen thronte der eine Kaiser Konstantin, der bezeichnenderweise den alten Führungstitel der überlieferten heidnischen Reichsreligion „Pontifex Maximus“ für sich ausdrücklich beibehielt und dem Arianertum, dem Arianismus, keineswegs negativ gegenüberstand (siehe Gedanken zur Woche 79 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Tatsächlich hat wohl auch Kaiser Konstantin nicht nur christlichen Einrichtungen, sondern auch heidnischen finanzielle Zuwendungen machen lassen. Es gibt die begründete Meinung, dass solche Zuwendungen durchaus großzügig waren. Er war eben von allen der Kaiser. Seine energisch vorangetriebene Reichsreform verdient auch heute noch Beachtung und kann ein interessantes Studienobjekt sein. Dabei ergibt sich bei der Betrachtung dieser konstantinischen Reichsreform, der Münz- oder Währungsreform dieses Herrschers wie dessen umfangreiche militärische Aktionen keinerlei Platz für die erst Jahrhunderte nach seinem Tod fabrizierte angebliche sogenannte Konstantinische Schenkung. Auch hier zeigt sich, wie Legenden wuchern und mitunter auch dreiste Fälscher in der Geschichte aktiv sein können, und wie dann eine Fälschung ihre eigene Geschichte und Dynamik entwickelt. Manch eine und manch einer mag da spontan auch an die Geschichte von der angeblichen Päpstin Johanna denken. Eine ganz eigene Angelegenheit, man möchte sagen eigene Wissenshaft, ist die Entwicklung des Erzählstoffes bezüglich Robin Hoods. Die diesbezügliche Fortentwicklung zeigt sich sehr anschaulich auch in den betreffenden Verfilmungen, was einen eigenen Themenbereich darstellt. Dieses kann zur kritischen Hinterfragung von Klischees wie dem vom angeblich so edlen König Richard Löwenherz anregen und überhaupt eigenes Nachdenken fördern.
Andererseits engagierte sich in so etwas wie der wirklichen Geschichte Papst Leo I., auch Leo der Große genannt, sowohl für das finanzielle Wohlergehen gerade seiner römischen Kirche wie in so etwas wie dogmatischer Theologe. Auch wirkte dieser gerade am 10. November als Heiliger verehrte Kirchenmann wie ein Diplomat. Bekannt sind vor allem seine Begegnungen mit dem Hunnenkönig Attila und seine Übereinkunft mit dem Vandalenkönig Geiserich. In Hinblick auf die Begegnung Leos I., eben auch Leo der Große genannt, mit Attila entwickelte sich die Überlieferung dazu legendenhaft-phantasievoll stark weiter. Bei dem Verhältnis von Leo I. und Vandalenkönig Geiserich wird deutlich, dass die Vandalen besser waren, als der ihnen oft Jahrhunderte später angedichtete üble Ruf, der seine eigene Entwicklung durchgemacht hat. Hier entwickelte sich so etwas wie Legendenbildung oder gar Mythenbildung auf Kosten der Betroffenen, eben der Vandalen. Wer aber zu den Verlierern der Geschichte gehört und gar Opfer eines kaltblütigen oströmisch-byzantinischen Völkermordes wurde (siehe Gedanken zur Woche 35-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 81 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 102-b – 1. FASTENWOCHE (2022)) kann sich gegen so etwas dann eh nicht mehr wehren. Passend dazu wurden Päpste persönlich Opfer zuerst römischer und dann oströmisch-byzantinischer Übergriffe, aber nicht Opfer etwaiger vandalischer Aktionen.
Dass gegen römische und später oströmisch-byzantinische Aggression auf Verständigung hin orientierte Diplomatie und dergleichen wenig bis nichts half, hatten verschiedene Staaten, ethnische und konfessionell-religiöse Gemeinschaften erfahren müssen.
Dabei betont der Apostolische/Stuhl sein grundsätzliches Recht, diplomatische Aktivitäten betreiben und diplomatische Beziehungen unterhalten zu dürfen. Dazu gehört das Recht auf den Einsatz eigener Diplomaten.
So heißt es recht grundsätzlich aus kirchlicher Sicht in Canon/Kanon 362 des gegenwärtigen CICs:
„Der Papst besitzt das angeborene und unabhängige Recht, seine Gesandten zu ernennen und sie zu den Teilkirchen in den verschiedenen Nationen oder Regionen wie auch zugleich zu den Staaten und öffentlichen Autoritäten zu entsenden, desgleichen sie zu versetzen oder abzuberufen, allerdings unter Wahrung der Normen des internationalen Rechts, soweit es die Entsendung und Abberufung von Gesandten bei den Staaten betrifft.“
Dies weist namentlich in dieselbe Richtung wie Canon/Kanon 3 desselben CICs, in dem kirchlicherseits das vollständige Einhalten der „vom Apostolischen Stuhl mit Nationen oder anderen politischen Gemeinschaften eingegangenen Vereinbarungen“ (siehe Gedanken zur Woche 36-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 83-b – 30. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) erklärt wird. In diese Richtung weist sehr direkt auch Canon/Kanon 4 des CCEO (siehe Gedanken zur Woche 117-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS und HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2022)).
Allgemein werden in Canon/Kanon 46 des CCEO für die Katholischen Ostkirchen mit der starken Selbstverwaltung insbesondere für die patriarchalen und großerzbischöflichen Kirchen unter ihnen und die verschiedenen Liturgien samt stärkerer Stellung und Bedeutung von Partikularrecht auch die päpstlichen Gesandten berücksichtigt:
„§ 1. Bei der Ausübung seines Amtes stehen dem Papst die Bischöfe zur Seite, die ihm Zusammenarbeit und Unterstützung leisten können auf unterschiedliche Weise, unter ihnen die Bischofssynode; Hilfe bieten ihm überdies die Kardinäle, die Römische Kurie, die päpstlichen Gesandten sowie andere Personen wie auch, gemäß den Erfordernissen der Zeit, verschiedene Einrichtungen; alle diesen Personen und Einrichtungen erfüllen die ihnen anvertraute Aufgabe in seinem Namen und unter seiner Autorität zum Wohle aller Kirchen gemäß den vom Papst selbst festgesetzten Normen.“
Neben der Bedeutung und Existenz päpstlicher Gesandter wird auch in diesem Paragraphen 1 von Canon/Kanon 46 wiederum die volle Einheit der Katholischen Ostkirchen und der Lateinischen Kirche unter einer päpstlichen Gesamtleitung verdeutlicht.
Dabei zeigt sich die oberste päpstliche Leitung für die verschiedenen Kirchen eigenen Rechts eben zum einen auch im vermögensrechtlichen Bereich wie zum anderen im diplomatischen Bereich, Schlagwort päpstliche Gesandte.
Gedanken zur Woche 188, Dr. Matthias Martin
30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Mag nach gegenwärtigen weltlichen Einteilungen auch so etwas wie die Sommerzeit für eine Saison enden, so hat das kirchliche Wirken natürlich weiterzugehen. Dieses bezieht sich gerade auf solch grundsätzliche Tätigkeitsfelder wie die Feier des Gottesdienstes und Spendung der Sakramente, die apostolische bis ausdrücklich missionarische Tätigkeit und die Caritas, gerade für die Armen.
Oft weniger im Blick der Öffentlichkeit, aber ebenfalls unverzichtbar für das Leben der Kirche als Gemeinschaft sind die Tätigkeiten im Bereich der Verwaltung einschließlich etwa die Matrikenrevision, die angemessene Versorgung der Kleriker und anderer kirchlicher Mitarbeiter und nicht zuletzt die Erhaltung der baulichen und generell der künstlerisch-kulturellen Substanz und des damit verbundenen Erbes im kirchlichen Bereich. Nicht umsonst begegnet uns hier immer wieder ein Ausdruck wie „Baulast“. Neben den Bauwerken ist es natürlich auch eine Aufgabe, andere Kulturgüter zu bewahren, gewissermaßen zu hegen und zu pflegen. Dies gilt etwa im Hinblick auf Gemälde und Statuen wie im Hinblick auf Bücher und liturgische Gewänder.
Gerade in Zeiten des Rückgangs von Kirchensteuer- bzw. Kirchenbeitragszahlern, von Gottesdienstbesuchern bis hin zum Rückgang von Ordensleuten ist dies eine sehr ernste Angelegenheit und auf seine Weise eben eine Last.
Umso weniger darf leichtfertig mit kirchlichem Vermögen wie mit dem Vertrauen von Spendern bzw. Kirchensteuer- und Kirchenbeitragszahlern umgegangen werden.
Vergegenwärtigt man sich dies, so werden Aussagen im CIC für die Lateinische Kirche und im CCEO für die Katholischen Ostkirchen wie auch Verlautbarungen und Dokumente des Apostolischen Stuhls, von Patriarchen- und Großerzbischofssitzen, von Bischofskonferenzen, örtlichen Bischöfen bis hin zu einzelnen Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften etwas verständlicher.
Dabei spiegelt sich im kirchlichen Vermögensrecht auch kirchliches Verfassungsrecht wider. Es verdient eigens der von seinen Traditionen, Liturgien und auch kirchenrechtlichen Überlieferungen her so vielfältige Bereich der Katholischen Ostkirchen, auch genannt die katholischen orientalischen Kirchen oder die Unierten Kirchen, Beachtung.
Wie im CIC für die Lateinische Kirche (siehe zur Einführung Gedanken zur Woche 187-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) wird auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen der Blick auf die rechtmäßige Veräußerung von Stammvermögen kirchlicher juristischer Personen gerichtet. So wird in Canon/Kanon 1035 eben dieses CCEOs festgehalten:
„§ 1. Zur Veräußerung kirchlicher Güter, die aufgrund rechtmäßiger Zuweisung das Stammvermögen einer juristischen Person bilden, ist erforderlich:
1° ein gerechter Grund wie zum Beispiel dringende Notlage, offensichtlicher Nutzen, Frömmigkeit, Caritas oder ein pastoraler Grund;
2° die von Sachverständigen schriftlich angefertigte Schätzung des Wertes der zu veräußernden Sache;
3° in den im Recht vorgeschriebenen Fällen die schriftliche Zustimmung der zuständigen Autorität, ohne welche die Veräußerung ungültig ist.
§ 2. Auch andere von der zuständigen Autorität vorgeschriebene Vorsichtsmaßnahmen müssen gewahrt werden, damit ein Schaden für die Kirche vermieden wird.“
Damit werden wir hier eben grundsätzlich in dieselbe Richtung wie im CIC für die Lateinische Kirche gewiesen. Dort finden wir ja den recht grundsätzlich formulierten Canon/Kanon 1291 (siehe Gedanken zur Woche 187-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Hinzu kommt innerhalb des CIC gerade Canon/Kanon 1293:
„§ 1. Zur Veräußerung von Vermögen, dessen Wert die festgesetzte Untergrenze überschreitet, wird außerdem verlangt:
1° ein gerechter Grund, wie zum Beispiel dringende Notwendigkeit, offenbarer Nutzen, Frömmigkeit, Caritas oder ein anderer gewichtiger pastoraler Grund;
2° eine von Sachverständigen schriftlich vorgenommene Schätzung der zu veräußernden Sache.
§ 2. Auch andere, von der rechtmäßigen Autorität verfügte Sicherheitsvorkehrungen sind zu beachten, damit Schaden für die Kirche vermieden wird.“
Es finden sich also im CIC für die Lateinische Kirche wie im CCEO eben für die Katholischen Ostkirchen dieselben inhaltlichen Positionen. Umso mehr sollte dieses Anliegen des Schutzes kirchlichen Vermögens vor Schlamperei, Leichtfertigkeit und Selbstbereicherung einschließlich Freunderlwirtschaft ernst genommen und nach besten Kräften beherzigt werden. Nicht umsonst betrifft die von Papst Franziskus vorgenommene Verschärfung des kirchlichen Strafrechts, wie sie insbesondere in den CIC Eingang fand (siehe allgemein Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)), auch den Umgang mit Kirchenvermögen, das Verhalten in Hinblick auf den Umgang mit den Vermögenswerten von juristischen Personen im Sinne des Kirchenrechts. Dies geht, wie im CIC und im CCEO angesprochen, recht verstanden Hand in Hand mit der authentischen Umsetzung der kirchlichen Grundfunktionen von Martyria, Diakonia und Leiturgia (siehe Gedanken zur Woche 83 - 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)) einschließlich, wenn man so will, Koinonia für die Verwirklichung von Gemeinschaft. Es mögen hier natürlich auch die drei christlichen Grundtugenden Glauben, Hoffnung und Liebe als die Größte unter diesen drei in den Sinn kommen (siehe Gedanken zur Woche 104 – 3. FASTENSONNTAG (2022) und allgemeiner Gedanken zur Woche 159 – HOCHFEST von OSTERN (2023)).
Der Verstoß gegen ethisch-moralische Normen, sei es im sexuellen Bereich, sei es im Bereich von materiellem Besitz und Eigentum, kann gerade heutzutage weitreichende Empörung hervorrufen. Dies gilt nicht umsonst gerade dann, wenn sich betreffende Vorfälle im kirchlichen Bereich ereignen. Umso mehr ist Misstrauen angesagt, wenn etwa katholische Geistliche davon reden, man solle oder dürfe nicht so sehr das angeblich „kalte“ Kirchenrecht wahrnehmen. Wie erst jüngst veröffentlichte Forschungsergebnisse aus dem Bereich der helvetischen Ortskirche bestätigten, dient derartige „Argumentation“ routinemäßig zur Begünstigung von Tätern bis hin zur damit verbundenen gezielten Zerstörung von Opfern und auch Bekämpfung von Menschen, die auf Seiten solcher Opfer und nicht von Tätern stehen (siehe Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 91-b – 4. ADVENTWOCHE (2021)).
Doppelmoral bei Kirchenvertretern ruft umso mehr weitreichende Empörung hervor, da kirchliche Amtsträger bei ihnen missliebigen Menschen selber sehr gerne einen regelrechten Überrigorismus bis Hyperrigorismus vertreten mit aller damit verbundenen regelrechten Unbarmherzigkeit. Bezüglich zielstrebigen Fehlverhaltens tritt in der katholischen Kirche immer wieder ein ernstes Kaderproblem, also ein Problem mit dem eigenen Personal, zutage. Nicht umsonst findet sich im Kirchenrecht auch manche Formulierung gegen die Begünstigung der Verwandtschaft kirchlicher Mitarbeiter, so in Canon/Kanon 1298 des gegenwärtigen CICs:
„Wenn es sich nicht um sehr unbedeutende Sachen handelt, darf ohne eine besondere schriftliche Erlaubnis der zuständigen Autorität Kirchenvermögen weder an deren eigene Verwalter noch an Personen verkauft, vermietet oder verpachtet werden, die mit dem Verwalter bis zum vierten Grad blutsverwandt oder verschwägert sind.“
Natürlich gilt es auch hier, solche ernsthaften Worte in glaubwürdiger Weise mit Leben zu erfüllen. Auch hier geht es um die konsequente glaubwürdige Umsetzung im kirchlichen Leben, geht es um die Verwirklichung im Alltag.
Unter besonderem Verweis auf in Hinblick auf verfassungsrechtliche Gegebenheiten katholischer Ostkirchen interessante Canones/Kanones heißt es vergleichbar im Canon/Kanon 1041 des CCEO:
„Wenn die Angelegenheit nicht von sehr geringer Bedeutung ist, dürfen kirchliche Güter an die eigenen Verwalter und an deren Verwandte(n) bis zum vierten Grad der Blutsverwandtschaft oder Schwägerschaft nicht verkauft oder vermietet werden ohne eine besondere Erlaubnis der in cann. 1036 und 1037 genannten Autorität.“
1. Lesung: Ex 22,20-26
2. Lesung: 1 Thess 1,5c-10
Evangelium: Mt 22,34-40
Gedanken zur Woche 188-b, Dr. Matthias Martin
ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN - 30. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Volkskirche und zahlreiche religiöse Traditionen haben sich gerade in weiten Teilen Europas ziemlich verflüchtigt. Zu gewissen Tagen im Jahr sticht so etwas wie christliches Erbe aber doch immer wieder etwas hervor.
Zu diesen Tagen sind gerade ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN am 1. und 2. November zu zählen. Gerade ALLERHEILIGEN ist in verschiedenen Ländern und einzelnen Territorien ein gesetzlicher bzw. öffentlich-rechtlicher Feiertag (siehe Gedanken zur Woche 84-b – ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Die Verteidigung eines solchen arbeitsfreien Tages ist immer wieder ein gemeinsames Anliegen von Kirche und Gewerkschaften wie überhaupt von verschiedenen Arbeitnehmervertretungen bzw. Arbeitnehmervereinigungen.
Gerade in der Zeit von ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN erinnern sich Menschen an Mitmenschen, die ihnen in diesem Leben nahstanden und ihnen auf dem Weg in die Ewigkeit vorausgegangen sind. Dementsprechend machen sich viele auf den Weg zu Friedhöfen, schmücken dort die Gräber und besuchen im Sinne ihrer Verstorbenen eigens Gottesdienste. Dies kann man sowohl im städtischen bis großstädtischen wie im ländlichen Raum beobachten. Es wird verwirklicht, egal ob ein örtlicher Friedhof ein kircheneigener Friedhof ist oder nicht.
Dabei sind die würdige Gestaltung und Erhaltung von Friedhöfen während des ganzen Jahres ein kirchliches Anliegen. Mag dies einer breiteren Öffentlichkeit auch nicht so oder nicht mehr bewusst sein, so ist es wohl ein Grundanliegen, bei dem sich gerade die katholische Kirche und Menschen guten Willens mit durchaus unterschiedlichem konfessionellem Herkommen und sozialer Stellung immer wieder treffen können.
Die Bemühung um die würdige Gestaltung von Friedhöfen schlägt sich auch im Kirchenrecht nieder. So heißt es recht grundsätzlich in Canon/Kanon1243 des gegenwärtigen CICs:
„Zur Wahrung der Friedhofsordnung, besonders hinsichtlich Schutz und Pflege des heiligen Charakters des Friedhofs, sind durch Partikularrecht geeignete Normen zu erlassen.“
Der Hinweis auf das Partikularrecht ist umso verständlicher, wenn man sich bewusst macht, dass es gerade auch in Hinblick auf Beerdigungs- und Friedhofswesen beachtliche Unterschiede je nach Volksgruppe oder Gebiet geben kann und auch gibt.
Die Fürsorge um Friedhöfe und generell um Begräbnisstätten passt sehr gut und folgerichtig zur Bemühung um einen würdigen Zustand von Gottesdienststätten im Allgemeinen. So nehmen ja gerade zu ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN auch viele Menschen an Gottesdiensten teil, die sonst während des Jahres nicht so sehr mit dem kirchlichen Leben verbunden sind. Geht es im Kirchenrecht um die würdige Gestaltung und Pflege von Friedhöfen, so wird dies auch in Hinblick auf Kapellen und Kirchen und was damit gewissermaßen an Sachwerten verbunden ist, im Kirchenrecht thematisiert. So lautet Canon/Kanon 1220 des geltenden CIC recht allgemein:
„§ 1. Alle, die es angeht, haben dafür zu sorgen, dass in den Kirchen jene Sauberkeit und Zierde gewahrt werden, die einem Gotteshaus ziemen, und dass von ihm ferngehalten wird, was mit der Heiligkeit des Ortes unvereinbar ist.
§ 2. Zum Schutz von heiligen und kostbaren Sachen ist in ordentlicher Weise für die Erhaltung zu sorgen und sind geeignete Sicherungsmaßnahmen anzuwenden.“
Parallel dazu findet sich in Canon/Kanon 872 des CCEO für die katholischen Ostkirchen als Kirchen eigenen Rechts:
„§ 1.Fernzuhalten von Kirchen ist alles, was mit der Heiligkeit des Ortes unvereinbar ist.
§ 2. Alle, die es betrifft, müssen dafür sorgen, dass in Kirchen jene Sauberkeit gewahrt wird, die dem Haus Gottes gebührt, und dass Sicherungsmittel angewandt werden, um heilige und wertvolle Sachen zu schützen.“
Neben einer pastoralen, in einem engeren Sinne religiösen Bedeutung kommt solchen Worten des Kirchenrechts auch eine allgemeine kulturelle wie zwischenmenschliche Bedeutung zu. Gepflegte Kirchen mit eigenen Kunstwerken können auch Menschen aus anderen Kulturkreisen und aus anderen konfessionellen bzw. religiösen Gemeinschaften ansprechen. Auf solche Weise können gutes menschliches Miteinander gefördert und so etwas wie interkonfessionelle Kontakte und Völkerverständigung gepflegt werden.
Dabei sollen Gegenstände, die in besonderer Weise mit Kirchen, dem Abhalten von Gottesdiensten und der Sakramentenspendung verbunden sind, nicht kommerzialisiert werden. So wird sowohl im CIC als auch im CCEO verboten, mit Reliquien Handel zu treiben. Auch werden jeweils heilige Bilder und Ikonen unter den besonderen Schutz des Kirchenrechts gestellt (siehe Gedanken zur Woche 184-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Auch hier sollte über solch ernsten Regelungen nicht leichtfertig hinweggegangen werden. Es geht hier ganz grundsätzlich um so etwas wie kirchliche Glaubwürdigkeit und Möglichkeiten einer respektvollen Begegnung mit unterschiedlichen Menschen. Solches sollte nicht leichtfertig verspielt werden und bereits angerichteter Schaden nach Möglichkeit korrigiert werden.
Dementsprechend besitzen auch die Worte von Canon/Kanon 1269 des CIC von 1983 ihre ernste Bedeutung:
„Heilige Sachen können, falls sie sich im Eigentum von Privatpersonen befinden, durch Ersitzung von Privatpersonen erworben werden, wobei es ihnen jedoch nicht erlaubt ist, sie zu profanem Gebrauch zu benutzen, es sei denn, sie hätten die Weihung oder die Segnung verloren; gehören sie aber einer öffentlichen juristischen Person in der Kirche, so können sie nur von einer anderen kirchlichen öffentlichen juristischen Person erworben werden.“
Es wird hier auf eigene Weise verdeutlicht, dass kirchliche Mitarbeiter mit und ohne Weihe etwa nicht Herren über kirchliche Vermögenswerte sind. Statt mit ihnen sich bereichern oder amüsieren zu wollen, haben sie sich um im Kirchenrecht als „heilige Sachen“ bezeichnete Dinge mit besonderer Sorgfalt zu kümmern und überhaupt kirchliche Vermögenswerte in einem ernsthaften Sinne treuhänderisch zu verwalten.
Auch durch die Worte von Canon/Kanon 1018 des CCEO werden Menschen in diese Richtung gewiesen:
„Heilige Sachen, die nämlich durch Weihung oder Segnung für den Gottesdienst bestimmt sind, können durch Ersitzung von Privatpersonen erworben werden, wenn sie im Privateigentum stehen; es ist nicht aber erlaubt, sie für profanen Gebrauch zu verwenden, wenn sie nicht die Weihung bzw. Segnung verloren haben; wenn sie aber einer kirchlichen juristischen Person zustehen, können sie nur von einer anderen kirchlichen juristischen Person erworben werden.“
Auch hier wird dazu wieder deutlich, dass im CCEO für die Katholischen Ostkirchen anders als im CIC für die Lateinische Kirche eben nicht zwischen öffentlichen juristischen Personen und privaten juristischen Personen des Kirchenrechts ausdifferenziert wird (siehe generell Gedanken zur Woche 187 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Die Ausdifferenzierung zwischen öffentlichen juristischen Personen und privaten juristischen Personen wird für den CIC in dessen Canon/Kanon 116 deutlich angesprochen:
„§ 1. Öffentliche juristische Personen sind Gesamtheiten von Personen oder Sachen, die von der zuständigen kirchlichen Autorität errichtet werden, damit sie innerhalb der für sich festgesetzten Ziele nach Maßgabe der Rechtsvorschriften im Namen der Kirche die ihnen in Hinblick auf das öffentliche Wohl übertragene eigene Aufgabe erfüllen; die übrigen juristischen Personen sind private.
§. 2. Öffentliche juristischen Personen erhalten diese Rechtspersönlichkeit entweder von Rechts wegen oder durch ein besonderes Dekret der zuständigen Autorität, das diese ausdrücklich gewährt; private juristische Personen erhalten diese Rechtspersönlichkeit allein durch ein besonderes Dekret der zuständigen Autorität, das diese Rechtspersönlichkeit ausdrücklich gewährt.“
Etwas anders wird im CCEO formuliert. So heißt es in dessen Canon/Kanon 921 § 1.:
„Juristische Personen werden für einen der Sendung der Kirche entsprechenden Zweck eingerichtet entweder kraft einer Rechtsvorschrift selbst oder kraft einer durch Dekret gegebenen besonderen Verleihung seitens der zuständigen kirchlichen Autorität.“
Im unmittelbar vorgehenden Canon/Kanon 920 des CCEO wird mit eigenem Akzent einigermaßen parallel zu Canon/Kanon 113 § 2, Canon/Kanon 115 § 1 und Canon/Kanon 116 § 1 des CIC festgehalten:
„In der Kirche gibt es außer physischen Personen auch juristische Personen, sie sind entweder Gesamtheiten von Personen oder Gesamtheiten von Sachen, das heißt Inhaber von Rechten und Pflichten im kanonischen Recht, die ihrem Wesen entsprechen.“
Es gibt damit eben auch hier wie an anderer Stelle im CCEO keine Ausdifferenzierung in „öffentliche juristische Personen“ und „private juristische Personen“. Dies macht einen Unterschied zwischen dem CIC und dem CCEO aus.
Gedanken zur Woche 187, Dr. Matthias Martin
29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Wenn in der Kirche der WELTMISSIONSSONNTAG gefeiert wird, so stellt dies nicht irgendein Datum dar, das halt auf dem kirchlichen Kalender abzuhaken ist. Der WELTMISSIONSSONNTAG weist vielmehr auf ein unverzichtbares Wesenselement authentischen Christentums hin. Es ist dies die Umsetzung des Auftrages, wie er in besonders bekannter Weise am Ende des Matthäusevangeliums formuliert ist (Mt 28,16-20), hinauszugehen, allen Menschen die Frohe Botschaft Jesu Christi zu verkünden und sie zu taufen auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. In dieselbe Richtung werden wir nicht zuletzt am offiziellen Ende des Markusevangeliums (Mk 16,9-20; insbesondere 16,15-20) hingewiesen. Interessanterweise wird bei diesem in der exegetischen Diskussion immer wieder eigens beachteten Teil des Markusevangeliums offensichtlich auf gleich zwei Stellen des Alten/Ersten Testamentes Bezug genommen (Mk 16, 19).
Diese allerletzten Verse des Markusevangeliums verdeutlichen damit noch einmal innerhalb des Kanons biblischer Schriften die Verbindung des Alten und des Neuen Testaments, des Ersten und des Zweiten Testaments.
Dabei lässt sich nicht leugnen, dass Bibelstellen in der Menschheit und auch unter Menschen und Gruppierungen, die sich irgendwie „christlich“ nennen, unterschiedlich bis entgegengesetzt ausgelegt werden. So gehen auch die Meinungen, was mit den Versen, die in den üblichen Bibelausgaben den Abschluss des Markusevangeliums bilden, anzufangen sei, weit auseinander. Dies überrascht umso weniger, wenn man sich nur kurz vergegenwärtigt, dass es auch unterschiedliche Theorien gibt, ob denn nicht ein mehr oder minder selber schon formuliertes Markusevangelium bei der Abfassung des Matthäus- und des Lukasevangeliums vorgelegen sei, oder ob nicht doch das Matthäusevangelium gerade unter den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas das älteste sei. Da mag die Diskussion über den sog. Kanonischen Markusschluss (eben Mk 16,9-20) Menschen eher als eine Detaildiskussion erscheinen. Umso mehr mögen die Meinungsverschiedenheiten über das Verhältnis des Johannesevangeliums zu den drei synoptischen Evangelien auch außerhalb des Bereichs praktizierender Mitglieder christlicher Konfessionen und dergleichen auf Interesse stoßen. Steht dieses Johannesevangelium am Anfang der Entstehung neutestamentlicher Schriften einschließlich der vier gängigen Evangelien oder an dessen Ende? Ist diesem Johannesevangelium unter den vier Evangelien bis hin überhaupt unter den neutestamentlichen Schriften eine inhaltliche Priorität zuzuweisen, oder aber ist ihm nicht eher zumindest mit einer theologisch-geistesgeschichtlichen Vorsicht zu begegnen? Stehen das Johannesevangelium auf der einen und die drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus uns Lukas auf der anderen Seite nicht für zwei verschiedene Grundrichtungen in der Jüngerschaft Jesu von Nazarets, woraus nach und nach das erwuchs, was heute „Christentum“ genannt wird?
Immerhin gelang es, solche Grundrichtungen zusammenzuführen. Bei allen internen Auseinandersetzungen bis hin zu Spaltungsvorgängen, die bereits in neutestamentlichen Schriften wahrnehmbar sind, gelang es, ein entscheidendes Maß an Einheit zu sichern. Das uns heute vorliegende Neue/Zweite Testament mit den vier Evangelien, der einen Apostelgeschichte, den sieben sog. katholischen Briefen und den mehr oder minder als Paulinen bezeichneten vierzehn weiteren Briefen einschließlich dem Hebräerbrief sowie dem apokalyptischen Buch am Ende der nach allgemein praktizierter Anordnung gestalteten Bibel legt von solcher Integrationsleistung Zeugnis ab.
Nach katholischer Auffassung sollte kirchliches Wirken einschließlich missionarischer Tätigkeit dabei unter einer Gesamtleitung durch den Papst stattfinden. Grundsätzlich dieselbe Position nimmt die ihrerseits bedeutende und auch gültige Weihen für kirchliche Ämter aufweisende koptische Kirche ein. Deren oberster leitender Bischof wird seinerseits sogar „Papst“ genannt. Eine Betonung solch sichtbarer Einheit unter einem mit allgemeiner Leitungsgewalt hier auf Erden ausgestatteten obersten Bischof kennt auch die armenisch-apostolische Kirche. Deren oberster Vertreter auf Erden wird „Katholikos“ genannt. In der syrisch-orthodoxen Kirche ist für den obersten Bischof die Bezeichnung „Patriarch“ üblich. In dem so vielfältigen und aufgespaltenen Bereich der Pfingstkirchen ist auch bei der Frage, ob jeweils eine ausschließlich ortskirchliche Organisationsstruktur oder eher so etwas wie Landes- oder Nationalkirchentum oder aber eine straffe weltkirchliche Struktur vorliegt, die jeweilige Gruppierung im Einzelnen zu betrachten.
In der katholischen oder römisch-katholischen Kirche begegnet einem das Papstamt als Verkörperung von Einheit an verschiedenen Stellen im Kirchenrecht, und zwar sowohl im CODEX IURIS CANONICI, kurz CIC, wie im CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM, kurz CCEO. Dies zeigt sich auch im kirchlichen Vermögensrecht.
So wird in Canon/Kanon 1256 des CIC von 1983 festgehalten:
„Das Eigentum am Vermögen steht unter der obersten Autorität des Papstes jener juristischen Person zu, die das Vermögen rechtmäßig erworben hat.“
Gerade im Sinne kirchlicher Selbstbehauptung gegenüber Übergriffen politischer und wirtschaftlicher Mächte kann Canon/Kanon 1273 desselben CIC verstanden werden:
„Kraft des Leitungsprimats hat der Papst die oberste Verwaltung und Verfügung über alle Kirchengüter.“
Grundsätzliche Aussagekraft kommt dazu nicht zuletzt Canon/Kanon 1257 zu:
„§ 1. Jedes Vermögen, das der Gesamtkirche, dem Apostolischen Stuhl oder anderen öffentlichen juristischen Personen in der Kirche gehört, ist Kirchenvermögen, für das die folgenden Canones sowie die eigenen Statuten gelten.
§ 2. Für das Vermögen einer privaten juristischen Person gelten die eigenen Statuten, nicht aber die folgenden Canones, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.“
In dieselbe Richtung werden wir im CCEO hingewiesen, etwa in dessen Canon/Kanon1008:
„§ 1. Der Papst ist der höchste Verwalter und Verfügungsberechtigte aller zeitlichen Güter der Kirche.
§ 2. Das Eigentum an den zeitlichen Gütern der Kirche kommt unter der höchsten Autorität des Papstes jener juristischen Person zu, welche die Güter rechtmäßig erworben hat.“
Derartige Formulierungen sollen helfen, eine Zweckentfremdung bei Kirchenvermögen zu verhindern. Allgemein drücken sie den Gedanken kirchlicher Einheit aus. Natürlich sind diese Formulierungen nicht so zu verstehen, als dass der Papst sich persönlich einbringen würde in die örtliche Vermögensverwaltung, etwa einer einzelnen Pfarrgemeinde oder Ordensniederlassung. Er sollte vielmehr so etwas wie ein letzter menschlich sichtbarer Garant für kirchliche Einheit sein und dafür, dass die Dinge grundsätzlich in die richtige Richtung gehen mögen.
Auch wenn hier nicht wie in Canon/Kanon 1257 des CIC von 1983 ausdifferenziert wird zwischen öffentlichen juristischen Personen und privaten juristischen Personen, so dient auch Canon/Kanon1009 des CCEO der grundsätzlichen Klärung in Hinblick auf kirchliches Vermögen:
„§ 1. Träger, der nach Maßgabe des kanonischen Rechts fähig ist, zeitliche Güter zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern ist jede juristische Person.
§ 2. Alle zeitlichen Güter, die juristischen Personen gehören, sind kirchliche Güter.“
Nicht zuletzt der unguten Vermengung von kirchlichem Vermögen und dem Privatvermögen kirchlicher Mitarbeiter einschließlich deren Familienangehörigen sollte damit schon etwas ein Riegel vorgeschoben sein. Dazu kommen noch weitere betreffende Canones/Kanones in CIC und CCEO sowie eigene römische Dokumente sowie Beschlüsse und Verlautbarungen von Bischofskonferenzen und örtlichen Bischöfen. Das bedeutet aber nicht, dass geschriebenen, wohl gesetzten Formulierungen auch immer entsprochen werde.
Dies gilt auch in Hinblick auf vermögensrechtliche Übergriffe von weltlicher Seite, wie sie sich im Laufe der Geschichte ereignet haben. Man denke hier nur an (Fürsten-)Reformation samt englischen Katholikenverfolgungen, an die Französische Revolution und das Wüten kommunistischer Regime und ihrer jeweiligen örtlichen oder nationalen Verbündeten.
Blanker Gewalt können dann friedliche Formulierungen wie in Canon/Kanon 1254 des jetzigen CIC oft wenig entgegensetzen:
„§1. Die katholische Kirche hat das angeborene Recht, unabhängig von der weltlichen Gewalt, Vermögen zur Verwirklichung der ihr eigenen Zwecke zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern.
§ 2. Die eigenen Zwecke aber sind vor allem: die geordnete Durchführung des Gottesdienstes, die Sicherstellung des angemessenen Unterhallts des Klerus und anderer Kirchenbediensteter, die Ausübung der Werke des Apostolats und der Caritas, vor allem gegenüber den Armen.“
Im CCEO findet sich dazu insbesondere Canon/Kanon 1007:
„Die Kirche benötigt bei ihrer Sorge um das geistliche Wohl der Menschen zeitliche Güter und nutzt sie, soweit ihre eigene Sendung es erfordert; deshalb steht ihr das angeborene Recht zu, jene zeitlichen Güter zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern, die für die ihr eigenen Ziele, vor allem für den Gottesdienst, die Werke des Apostolates und der Caritas und für den angemessenen Unterhalt der Bediensteten notwendig sind.“
1. Lesung: Jes 45,1.4-6
2. Lesung: 1 Thess 1,1-5b
Evangelium: Mt 22,15-21
Gedanken zur Woche 187-b, Dr. Matthias Martin
29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Gedenktage für Heilige aus dem Ordensbereich können in verschiedener Hinsicht zu Nachdenken und inhaltlicher Beschäftigung anregen. So mögen derartige Gedenk- bzw. Festtage das Interesse auf die Geschichte des zusammenfassend gerne einfach als Ordenswesen bezeichneten Bereichs von religiösem Leben überhaupt lenken. Rasch mag dabei deutlich werden, dass das, was vereinfachend oft als „Orden“ bezeichnet wird, eine ziemliche Vielfalt aufweist. Diese zeigt sich in eher theoretisch-wissenschaftlicher wie in praktischer Hinsicht.
Nicht zuletzt mag der Blick einer heiliggesprochenen Persönlichkeit aus dem Bereich der Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften verdeutlichen, dass es verschiedene Epochen auch in Hinblick auf Entwicklung und Wirken von Instituten des (gott-)geweihten Lebens samt Säkularinstituten und von Gesellschaften des apostolischen Lebens gibt sowie den im CCEO für die Katholischen Ostkirchen eigens berücksichtigten Gesellschaften des gemeinsamen Lebens nach Art der Religiosen und den im gesamtkirchlichen Rahmen eigenständigen Klöstern.
So steht Leben und Wirken des heiligen Johannes von Capestrano, oder kürzer einfach Johannes Capestran/Capestrano oder auch Kapistran (1386-1456), für die Blütezeit klassischer Bettelorden in der Gründertradition insbesondere des heiligen Franziskus/Franz von Assisi und des heiligen Dominikus. Dabei war auch der heilige Johannes Capestran/Kapistran als Anhänger einer strengen Observanz innerhalb der größeren franziskanischen Ordensbewegung von den langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen franziskanischen Richtungen betroffen. Gilt der heilige Franz von Assisi heutzutage oft als ein besonderer Friedensheiliger, so ging es mitunter zwischen den sich auf sein Erbe berufenden Gruppen samt deren auch politischen Verbündeten gar nicht friedlich zu. Ein Blick auf den Lebensweg des heiligen Johannes Capestran/Kapistran verdeutlicht, wie kritisch man eigens gegenüber so etwas wie italienischer Nationalmythologie sein soll (siehe Gedanken zur Woche 137-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 128 – 23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Egal, welcher Verwaltungseinheit derzeit sein Geburtsort Capestrano oder auch eine Stadt wie das umbrische Perugia zugeteilt sein mögen, so gab es zu Lebzeiten dieses franziskanischen Heiligen noch lange keinen Staat „Italien“ im heutigen Sinne. Der wurde erst ab in etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts nach und nach zusammenerobert (siehe Gedanken zur Woche 71-b - 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 80-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 156-b – 4. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESMUTTER/GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 111-b – 4. OSTERWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 134-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Der Lebensweg des heiligen Johannes Capestran/Kapistran mag anregen, sich mit verschiedenen Sprachen der Apenninenhalbinsel samt Padaniens und in der Nähe befindlicher Inseln sowie der Geschichte dortiger Regionen und Staatswesen zu beschäftigen. Ebenso verdienen die Bemühungen des Heiligen Beachtung, gemäßigte Anhänger der hussitischen Bewegung mit der katholischen Kirche zu versöhnen und damit auch den Frieden in dem oft innerlich zerrissenen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation/Erstem Deutschen Reich zu fördern. Die hussitische Bewegung hatte längst in brutaler Weise zur Bereicherung des böhmischen Adels auf Kosten von Kirchengütern gedient. Zu diesen Bemühungen des heiligen Johannes Capestran/Kapistran, Konflikte innerhalb des Ersten Deutschen Reiches beizulegen, passt das Eintreten des Heiligen für eine große Abwehrfront gegen das expansive Osmanische Reich.
Auf das Ordensleben wird man auch durch den Lebensweg des heiligen Antonius Maria Claret (1807-1870) hingewiesen. Dieser ging selber als Ordensgründer in die Geschichte ein. Zugleich weist er insbesondere auf katalanische Geschichte und Kultur hin. Nicht zuletzt mag er auch zur Beschäftigung mit dem Schicksal einstiger spanischer Kolonien in Übersee wie Kuba anregen (siehe Gedanken zur Woche 135-b – 30. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Noch bei dem von Frankreich angeführten und von Spanien und Großbritannien unterstützten Überfall auf Mexiko ab 1861 hatte das damals eben noch als spanische Kolonie kontrollierte Kuba als ein strategisches Sprungbrett gedient.
Leider haben sich damals auch Kirchenleute zu Handlangern der von Frankreich angeführten Aggression gemacht. Dabei sollte die friedliche Beilegung von Konflikten im Sinne allgemeiner rechtlicher Normen doch viel mehr das Ziel sein. Dies gilt nicht zuletzt bei Vermögensstreitigkeiten.
Diesem Ziel soll nicht zuletzt die mit dem Jurisdiktionsprimat verbundene oberste Leitung der Gesamtkirche durch den Papst hier auf Erden dienen (siehe Gedanken zur Woche 187 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Die päpstliche Oberaufsicht kann sich konkret in Vermögensangelegenheiten auswirken. So findet sich in Canon/Kanon 1292 bezüglich der Veräußerung von Vermögenswerten kirchlicher juristischer Personen die Festlegung:
„§ 2. Handelt es sich jedoch um Sachen, deren Wert die Obergrenze überschreitet, oder um Sachen, die der Kirche aufgrund eines Gelübdes geschenkt worden sind, oder um künstlerisch oder historisch wertvolle Sachen, so bedarf es zur Gültigkeit der Veräußerung außerdem der Erlaubnis des Heiligen Stuhles.“
Gerade vor dem Hintergrund von häufigen Vorfällen bis Exzessen in Hinblick auf Zerstörung und willkürliche Veräußerung von Kulturgütern seit den sechziger Jahren auch durch Kirchenvertreter bzw. kirchliche Mitarbeiter verdient die ausdrücklich vorgenommene Erwähnung von „künstlerisch oder historisch wertvolle Sache“ eigene Beachtung. Natürlich sollten betreffende Rechtsnormen auch tatsächlich beherzigt werden. Leichtfertiger bis krimineller Umgang hat hier offenkundig schon sehr viel Schaden angerichtet.
Zum rechtlichen Schutz kirchlichen Vermögens heißt es vorher eher allgemein im CIC in Canon/Kanon 1291:
„Zur gültigen Veräußerung von Vermögensstücken, die durch rechtmäßige Zuweisung das Stammvermögen einer öffentlichen juristischen Person bilden und deren Wert eine rechtlich festgesetzte Summe überschreitet, wird die Erlaubnis der nach Maßgabe des Rechts zuständigen Autorität verlangt.“
Vergleichbare Festlegungen finden sich auch im CCEO. In Canon/Kanon1036 wird u. a. festgehalten:
„§ 4. In den anderen Fällen ist die Zustimmung des Apostolischen Stuhls erforderlich, wenn der Wert der Güter die vom Apostolischen Stuhl selbst festgesetzte oder genehmigte Summe überschreitet und wenn es sich um wertvolle Dinge oder um aufgrund eines Gelübdes der Kirche geschenkte Dinge handelt.“
In den Paragraphen 1 bis 3 dieses Canons/Kanons 1036 werden die eigenen verfassungsrechtlichen Traditionen der Katholischen Ostkirchen/katholischen orientalischen Kirchen eigenen Rechts verdeutlicht. Von diesen besitzen einige ja den Status als patriarchale oder großerzbischöfliche Kirchen (siehe zu den grundsätzlichen kirchenrechtlichen Gemeinsamkeiten Gedanken zur Woche 119 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Eine speziellere Regelung bezüglich oberster Aufsichtspflicht des Apostolischen/Heiligen Stuhls findet sich zu Beginn des derzeit sechs Paragraphen umfassenden Canons/Kanons 1052 des CCEO:
„§ 1. Die Herabsetzung von Verpflichtungen, die Göttliche Liturgie zu feiern, ist dem Apostolischen Stuhl vorbehalten.“
Ausdrücklich wird sowohl im CIC für die Lateinische Kirche wie im CCEO für die Katholischen Ostkirchen festgehalten, dass Spenden gewissenhaft zu verwalten sind und nicht willkürlich oder zweckentfremdend verwendet werden dürfen. Vertrauen in Hinblick auf die Handhabung von Spenden kann schnell zerstört werden. Nicht umsonst gibt es mahnende Sprichworte oder Redensarten wie „Beim Geld hört die Freundschaft auf“, „Beim Geld fängt der Ernst des Lebens an“ und „Strenge Rechnung, gute Freundschaft“ oder auch „Strenge Rechnung, gute Freunde“.
So wird in Canon/Kanon 1267 des gegenwärtigen CIC betont:
„§ 1. Falls nicht Gegenteiliges feststeht, gelten Gaben, die Oberen oder Verwaltern jedweder kirchlichen juristischen Person, auch einer privaten, gemacht werden, als der juristischen Person selbst übereignet.
…
§. 3. Gaben, die von Gläubigen für einen bestimmten Zweck gegeben sind, dürfen nur zu diesem Zweck verwendet werden.“
In diese Richtung werden wir auch deutlich in Canon/Kanon 1016 des CCEO für die Katholischen Ostkirchen gewiesen:
„§ 1. Für einen bestimmten Zweck geleistete Spenden können nur für diesen Zweck gewidmet werden.
§ 2. Wenn nicht das Gegenteil feststeht, gelten Spenden, die den Leitern oder Verwaltern irgendeiner juristischen Person geleistet wurden, als dieser juristischen Person selbst gegeben.“
Auch und gerade bei der Verwaltung von Kirchenvermögen im Sinne des Vermögens von kirchenrechtlich gesehen anerkannten juristischen Personen und dem Umgang mit Spenden im kirchlichen Bereich sollte jede Selbstherrlichkeit, Schlampigkeit und Selbstbereicherung peinlichst vermieden werden. Auch hier gibt es wohl fortdauernd sehr ernsten Handlungsbedarf.
Gedanken zur Woche 186, Dr. Matthias Martin
28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl, wie wir es im Matthäusevangelium vorfinden, ist ein gutes Beispiel, dass es mit einem wie auch immer gearteten Verständnis der Bibel keine so einfache Sache ist.
Da mag zunächst einmal bei einem synoptischen Vergleich auffallen, dass ein Gleichnis von einem großen Gastmahl auch im anderen Großevangelium unter den Synoptikern, dem Lukasevangelium (Lk 14,15-24) vorliegt. Aber dieses Gleichnis im Lukasevangelium ist eben kein Gleichnis von einem königlichen Hochzeitsmahl, sondern gewissermaßen eher allgemein das Gleichnis vom großen Gastmahl, das irgendein Mann veranstaltet.
So heißt es gemäß der neuen deutschen Einheitsübersetzung im Matthäusevangelium:
„(Mt 22,2) Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete. (3) Er schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Sie aber wollten nicht kommen.“
Demgegenüber ist im Lukasevangelium zu lesen:
„(Lk 14,16) … Ein Mann veranstaltete ein großes Festmahl und lud viele dazu ein. (17) Zur Stunde des Festmahls schickte er seinen Diener aus und ließ denen, die er eingeladen hatte, sagen: Kommt, alles ist bereit! (18) Aber alle fingen an, einer nach dem anderen, sich zu entschuldigen. Der erste ließ ihm sagen: Ich habe einen Acker gekauft und muss dringend gehen und ihn besichtigen. Bitte entschuldige mich!“
War es nun ein König oder halt irgendeine männliche Person, die ein Festmahl organisierte und dazu einlud? Wieso ist im Lukasevangelium als Gastgeber eben nur von einem „Mann“ die Rede, anders als im Matthäusevangelium? Bietet etwa die so beliebte theologisch-historische Zuordnung eine Verstehenshilfe, einen Erklärungsansatz, wonach das Matthäusevangelium das judenchristliche Evangelium sei, während das Lukasevangelium einen heidenchristlichen Hintergrund aufweise und für Menschen einer graeco-römischen Welt erarbeitet worden sei.
Im jüdischen Bereich kannte man noch aus eigenem Erleben Könige. Denken wir hier nur an die Hasmonäerdynastie und die herodianische Dynastie. Beide Dynastien begegnen in der Bibel. Dazu lag neben dem jüdisch-israelitischen Bereich das Königreich der Nabatäer. dieses zwar schon vor der Zeitenwende unter römische Vorherrschaft geraten und ein römischer Klientelstaat geworden, so konnte es doch lange noch eine gewisse Eigenständigkeit bewahren, bevor es unter Kaiser Trajan völlig ist Römische Reich eingegliedert wurde (106 n. Chr.). Mit Schwerpunkt weiter im Nordosten erstreckte sich das Königreich der Parther, das allein schon wegen zahlreicher jüdischer Bewohner in seinem Herrschaftsbereich mit dem damaligen Judentum in Beziehung stand. Dazu wirkte die parthische Großmachtpolitik auch in den Bereich hinein, den man gerne das Heilige Land nennt.
Ebenso besaß bis in das Jahr 30 v. Chr. und der damals erfolgten Eingliederung in das Römische Reich Ägypten mit den Ptolemäern eine eigene Herrscherdynastie. Diese hatte ihrerseits für einige Zeit eben so etwas wie das Heilige Land beherrscht. Dazu lebten im Kernbereich ptolemäischer Herrschaft, Ägypten, ihrerseits zahlreiche Juden. Alexandrien am Mittelmeer war ein Zentrum jüdischen Lebens.
Für Menschen mit Herkunft aus dem Judentum war also das Vorhandensein eines Königs bzw. von Königen damals nichts Ungewohntes. Ist von daher die Formulierung des Gleichnisses im Matthäusevangelium zu erklären?
Anders stellte sich die Situation wohl für Menschen aus dem gräco-römischen Bereich dar. Rom hatte längst das Königtum abgeschafft. Es firmierte als eine „Republik“, auch wenn darunter nicht das zu verstehen war, was heutzutage meist gerade in westlichen Ländern darunter verstanden wird. Bei seiner sukzessiven Machtergreifung wahrte der später Augustus genannte Octavian die Formen der römischen Republik. Der Senat und das Amt von Konsuln wurden nie angeschafft. Beide Institutionen überlebten namentlich den Untergang des Weströmischen Reiches. Wie in manchem Historienfilm bis hin zu einer Serie wie „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“ in künstlerischer Freiheit angesprochen wird, war im gerne „kaiserlich“ genannten Rom die republikanische Verfassung offiziell noch vorhanden. Es war eben durch Ämterübertragungen und Erteilung von Zuständigkeiten die Macht in der Realität bei einem Mann konzentriert, dessen Unwillen zu erregen tödliche Folgen haben konnte. Allerdings konnte der Senat in Momenten der Krise seinerseits beachtlichen Einfluss ausüben. Dies zeigte sich in späterer Zeit auch bei Wahlen für das Amt des römischen Bischofs, des Papstes. Für Menschen mit römischem Hintergrund war ein König eine eher fremde bis ausdrücklich abgelehnte Angelegenheit. Bezeichnenderweise nahm kein römischer Machthaber ab Augustus den Königstitel an. Eine republikanische Fassade zu bewahren, darauf war grade Octavian/Augustus sehr bedacht.
Auch in griechischen Stadtstaaten war es oft schon früh zur Beseitigung des Königtums gekommen. In anderen Fällen hatte dieses eine Einschränkung seiner Macht erfahren, um dann eventuell ganz abgeschafft zu werden. Ein gutes Beispiel dafür ist Athen. Diesem gelang sein Aufstieg ohne Königtum. Auch der Attische Seebund hatte keinen König. Grundsätzlich hatten die zeitweise anstelle alter Stadtstaaten bedeutenden Bünde keinen König.
Auch im berühmten Sparta wurde schließlich das Königtum abgeschafft. Schon zuvor waren anstelle der verbleibenden zwei Heerkönige die Ephoren die Leiter der spartanischen Außen- und Innenpolitik. Dazu kamen in der klassischen Zeit mit der Gerusia der Rat der Alten und mit der Apella die Heeresversammlung.
Also auch hier eine starke Entwicklung weg vom Königtum. Wollte der Verfasser des Lukasevangeliums bzw. dessen Redaktoren auf diesen geschichtlich-gesellschaftlichen Hintergrund Rücksicht nehmen?
Aber auch sonst weist das jeweilige Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl nach Matthäus und das vom großen Gastmahl nach Lukas jeweils große Unterschiede in Wortlaut und Handlung auf. So werden bei Matthäus entsandte Diener des Königs sogar durch Eingeladene getötet. Anschließend werden die Mörder getötet und ihre Stadt zerstört (Mt 22,6-7). Bei Lukas wird im Gleichnis vom großen Gastmahl nichts von derartigem erzählt. Dort wird dafür den doch friedlichen Entschuldigungen der eingeladenen Gäste, nicht zu kommen, breiterer Raum eingeräumt (Lk 14,18-20).
Ein ganz eigener Fall von lukanischem Sondergut liegt in Vers 23 dieses 14. Kapitels vor. Dort erteilt der Herr seinem wohlgemerkt anders als im Matthäusevangelium eh nur einzelnen Diener den Auftrag, noch zusätzlich neue Gäste von der Straße zum Festmahl zu holen. Dabei heißt es u. a. „nötige die Leute hereinzukommen“, wenn man der neuen deutschen Einheitsübersetzung folgt. Diese Stelle innerhalb des Verses wird im Deutschen auch mit den Worten wiedergegeben „zwing sie herein“.
Dabei wurde gerade diese so knappe, aus nur ganz wenigen Worten bestehende Formulierung sehr wirkmächtig. Sie wurde als theologische Begründung dafür angeführt, dass der Staat gegen Menschen mit anderer religiöser Einstellung, anderen theologischen Positionen auch gewaltsam vorgehen solle. Menschen sollten diesem Verständnis zufolge sehr handfest in die Kirche hineingezwungen werden. Eine solche Auslegung und drastische Anwendung einer so kurzen einzelnen Bibelstelle war dem frühen Christentum noch fremd gewesen. Ab der sog. Konstantinischen Wende waren es dann erst einmal arianische Kaiser oder solche mit proarianischen Sympathien gewesen, die Anhänger des Glaubensbekenntnisses von Nicäa wie den Kirchenvater Athanasius und zu ihm stehende Kirchenleute unterdrückten, bis hin, dass sie ihre theologischen Positionen zu vernichten suchten (siehe Gedanken zur Woche 81 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 127-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 145-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2023)).
Später eigneten sich auch katholische Theologen solche Ansichten an. Einen tragischen Höhepunkt erlebte die Menschheit mit der Verfolgung und zumindest weitestgehenden Vernichtung der Katharer. Die zu diesem Zwecke entwickelte Inquisition erlebte dabei ihren geschichtlich wohl größten „Triumph“. Dabei wurde noch während der Katharerkriege und Katharerkreuzzüge offenkundig, dass das Ganze in Okzitanien für einen französischen Kolonialkrieg missbraucht wurde (siehe Gedanken zur Woche 135 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Die auch in unseren Breiten bekanntere und nicht so verdrängte spanische Inquisition war ihrerseits eine berüchtigte Einrichtung der sich herausbildenden spanischen Monarchie (siehe Gedanken zur Woche 106-b – 5. FASTENWOCHE (2022)).
Die Verfolgung missliebiger Menschen unter Vereinnahmung des Christentums, gerade in seiner katholischen Überlieferung, hat erheblich zur Schaffung des spanischen Staates wie zum Aufstieg des französischen Königtums von einer Regionalgröße zur Großmacht beigetragen. Gerne verwendete eben dieses französische Königtum später pseudokatholische Propaganda und Gewaltpolitik auch zum Vorgehen gegen Päpste und katholische Ordensleute. Dass sich die katholische Kirche bzw. Teile derselben doch immer wieder vor den Karren brutaler französischer Machtpolitik spannen ließ, wurde ihr von dieser Seite sehr schlecht gedankt und fällt ihr auch heutzutage immer wieder auf den Kopf.
Auf jeden Fall sollte die dramatische Wirkungsgeschichte des lukanischen Sondergutes in Lk 14,23 „nötige die Leute hereinzukommen“, oder kürzer „zwing sie herein“, deutlich machen, dass man bei Auslegung und Verwendung von Bibelsprüchen im guten Sinne vorsichtig sein soll.
1. Lesung: Jes 25,6-10a
2. Lesung: Phil 4,12-14.19-20
Evangelium: Mt 22,1-14 (oder 22,1-10)
Gedanken zur Woche 186-b, Dr. Matthias Martin
28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Wie sehr die katholische Kirche eine wahrhaft internationale und damit wirklich „katholische“ Gemeinschaft ist, verdeutlicht schon ein Blick auf diejenigen Heiligen und Seligen, welche sie nach dem bei uns zurzeit üblichen liturgischen Kalender in der 28. Woche im Jahreskreis besonders ehrt.
So stammte die heilige Hedwig von Andechs, wie ihr Beinnamen schon andeutet, aus Bayern. Als Tochter des für die Geschichte Bayerns und damit des umfangreicheren Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, kurz Ersten Deutschen Reiches, so wichtigen Grafengeschlechts derer von Andechs wurde sie durch Heirat Herzogin von Schlesien. Gerade bei deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern erfreut sich die Frau besonderer Verehrung. Auf Hinweise bezüglich ihr erwiesener Verehrung kann man auch in einer US-amerikanischen Millionenstadt stoßen. Hat der Ausgang des Ersten und des Zweiten Weltkrieges und die Politik der alliierten Siegermächte deutsche und auch andere Menschen in die weite Welt hinaus verstreut, so erging es irischen Menschen als Opfer englischer bzw. britischer Eroberungs- und Besatzungspolitik ähnlich, und das schon vorher. Dabei waren von der irischen Insel bereits in früheren Jahrhunderten zahlreiche Menschen aufgebrochen, um gerade auf dem europäischen Kontinent die Frohe Botschaft Jesu Christi zu verkünden. Einer von ihnen war der heilige Gallus. Sein Wirken gewann besondere Bedeutung für den alemannischen Raum. Dies verdeutlicht u. a. der Vorstoß, ihn zum Bischof von Konstanz zu machen wie der Umstand, dass er Patron und sogar Namensgeber von Stadt, Kanton und Bistum/Diözese St. Gallen ist. Der auf die alte Reichsabtei zurückgehende Stiftsbezirk St. Gallen ist längst als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Englisch-britische Zerstörungswut gegen katholische Klöster nicht nur in der irischen Heimat des heiligen Gallus konnten dies nicht vernichten. Bereits in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts meinte ein prominenter Katholik aus dem ja alemannischen Vorarlberg, nachdem bisher irische Katholiken so viel für die Katholiken gerade auf dem europäischen Kontinent getan hätten, sei es an der Zeit, dass nun von dort aus etwas für die Katholiken in Irland, besonders in Nordirland, getan werde.
Auf ihre Weise hat auch die heilige Ordensfrau Margareta Maria Alacoque aus dem heute zu Frankreich gehörenden Burgund das spirituelle und allgemeinere kulturelle Erbe der Menschheit bereichert. Die Verehrung des Allerheiligsten Herzens Jesu empfing von ihr wichtige Impulse mit Ausstrahlung in die bildende Kunst und in Gründung und Leben von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften hinein. Zahllose Kunstwerke und die Namen eben von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften bezeugen dies.
Allein schon der Beinamen des heiligen Ignatius von Antiochien weist darauf hin, dass Grenzen auch zwischen offiziellen Gründungsmitgliedern der heutigen Vereinten Nationen/UN nicht unumstritten sind. Starb der heilige Ignatius von Antiochien als Opfer römischer Christenverfolgungen unter Kaiser Trajan den Märtyrertod, so sind die modernen Konflikte in so etwas wie einem syrisch-türkischem Grenzgebiet oder syrisch-türkisch-kurdischem Dreieck keineswegs beigelegt.
Möglicherweise stammte auch der heilige Lukas aus Antiochia/Antiochien am Orontes. Diskutiert wird mitunter, ob er heidnischer oder jüdischer Abstammung war. Bekanntlich wird ihm nach alter Überlieferung die Verfasserschaft des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte zugewiesen. Als christlicher Verkünder soll er in Achaia das Martyrium erlitten haben. War Achaia schon in der Zeit der zusammenfassend als „griechisch“ bezeichneten Stadtstaaten und anderen kleineren Staatswesen auf der Balkanhalbinsel bedeutend gewesen, so gab es im Mittelalter ein beachtenswertes Fürstentum Achaia, das eigenes Interesse verdiente.
Etwas irreführend werden der heilige Johannes de Brébeuf, der heilige Isaak Jogues und Gefährten manchmal als „kanadische“ Märtyrer bezeichnet. Einen kanadischen Staatsverband gab es ja damals noch lange nicht. Die heutige Provinz von Neufundfundland und Labrador kam sogar erst nach dem Zweiten Weltkrieg zum noch an Großbritannien gebundenen kanadischen Staatsverband. Dessen Emanzipation von der alten Kolonialmacht ist ein langwieriger, oft übersehener Prozess. Ein weiterer Schritt wurde gesetzt, als nach dem Tod von Elisabeth II. für ihren Nachfolger Karl/Charles III. kanadischerseits der Titel geändert wurde. Zum einen wurde kanadischerseits jeder Bezug auf das Vereinigte Königreich gestrichen und zum anderen auch der auf althergebrachtes anglikanisches bis presbyterianisches Staatskirchentum hinweisende Titel „Verteidiger des Glaubens“. Wenig in Europa wurde auch die Änderung vor wenigen Jahren des Namens der jetzigen Provinz von Neufundland und Labrador wahrgenommen. Dabei stellte diese Namensergänzung einen weiteren Erfolg für die dort bis heute überlebenden Völker und Stämme aus der Zeit vor der französischen und britischen Kolonisierung dar (siehe Gedanken zur Woche 142-b – 3. ADVENTWOCHE (2022); allgemein Gedanken zur Woche 76-b - 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 80-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Unproblematisch ist sicher die Bezeichnung des heiligen Johannes de Brébeuf, des heiligen Isaak Jogues und Gefährten als „Nordamerikanische Märtyrer“.
Werden diese Missionare natürlich mit dem Rot der Märtyrer gefeiert, so wird für den heiligen Paul vom Kreuz das liturgische Weiß verwendet. Dieser Gründer der „Kongregation vom Leiden Jesu Christi“, lateinisch Congregatio Passionis Jesu Christi, gerne Passionisten genannt, stammte aus Piemont. Gestorben ist er in Rom.
Das Wirken des heiligen Wendelin wird in der Überlieferung in Beziehung mit dem heutigen Saarland gesehen. Dass er Einsiedler gewesen sein soll, weist uns auf diese ja auch im CIC und CCEO ausdrückliche angeführte Form des geistlichen Lebens hin (siehe Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 147-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und allgemeiner Gedanken zur Woche 174-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). In der kleinen Ausgabe des jetzt bei uns allgemein verwendeten Deutschen Messbuchs ist zum heiligen Wendelin nachzulesen:
„Die Kirchentitel und die volkstümliche Verehrung erstrecken sich über West- und Süddeutschland, durch Auswanderer kam sie um 1800 auch nach Nordamerika und Osteuropa.“
Demgegenüber steht der am selben Tag besonders gewürdigte selige Jakob Kern für den Chorherren oder auch Regularkanoniker genannten Zweig des Ordenslebens. Er fand seine Berufung im Prämonstratenserorden, bei den Prämonstratensern (siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 167-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2023)). Der Eintritt des seligen Jakob Kern in diese lateinisch Candidus et Canonicus Ordo Praemonstratensis genannte Chorherren-Gemeinschaft wirft ein Schlaglicht auf die Auseinandersetzung nicht nur der katholischen Kirche mit dem tschechischen Nationalismus. Dieser führte nicht nur zur Gewalt gegen andere Volksgruppen bis hin zu blutiger Vertreibung, sondern auch zur Gründung der militanten sog. „Tschechoslowakischen Kirchen“. Anders als ihr regelrecht anmaßender Name irreführend nahezulegen versucht, hat diese Gruppierung in der slowakischen Bevölkerung nie Fuß gefasst. Noch in der Endphase der Zweiten Tschechoslowakei berichteten mir römisch-katholische Priester aus der Slowakei, dass diese Gruppierung in der ganzen Slowakei nur über zwei Pfarrgemeinden verfügte, die im Wesentlichen aus Beamten aus Prag bestanden. Schon vorher war längst klar, dass es auch in Mähren kaum je ernsten Zulauf gegeben hatte. Dazu waren die Mitgliederzahlen längst kollabiert.
Mehr Standfestigkeit als diejenigen, die zu dieser vermeintlichen Tschechoslowakischen Kirche abfielen, haben die heilige Ursula und ihre Gefährtinnen bewiesen. Dem allerdings diskutierten Überlieferung nach haben sie von hunnischer Hand im Raum Köln das Martyrium erlitten. Immerhin verbreitete sich noch im 12. Jahrhundert ihre Verehrung bis in den Mittelmeerraum und nach Russland.
Gedanken zur Woche 185, Dr. Matthias Martin
27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Das Gleichnis vom Gutsbesitzer oder Hausherrn, der einen Weinberg anlegt und ihn verpachtet, liegt tatsächlich bei allen drei Synoptikern (Mt 21,33-46; Mk 12,1-12; LK 20,9-19) vor. Von den vier “kanonischen“ und damit in mehr oder minder üblichen Bibelausgaben vorhandenen Evangelien weist nur das Johannesevangelium keine Variante dieses Gleichnisses auf. Bezeichnenderweise wird dieses in Varianten somit in Traditio Triplex/Tiplex Traditio vorliegende Gleichnis gerne das “Gleichnis von den bösen Winzern“ genannt. Dies weist schon etwas darauf hin, dass in diesem Text durchaus dunkle Seiten des Menschseins angesprochen werden.
Damit steht dieses etwas drastische Gleichnis in einer Linie mit zahlreichen Stellen in der Bibel, angefangen mit dem ersten Buch im Alten/Ersten Testament, Genesis, bis zum Abschluss des Neuen/Zweiten Testaments. Die Bibel ist keine Aneinanderreihung netter Geschichtchen, die vielleicht allesamt als Vorlage für „liebe“ Kinderbilderbücher dienen könnten. Esl werden eben auch gerade dunkle Seiten, Böses, irgendwie Hässliches aus dem menschlichen Leben angesprochen. Dabei wird hier Böses wie Gutes nicht als etwas irgendwie Magisches dargestellt. Es wird vermittelt, dass es Menschen anheimgestellt ist, sich für das Gute oder für das Böse zu entscheiden.
Dies geschieht eindrücklich eben schon im Buche Genesis, in dessen Verlauf nicht zuletzt die Gefahren des Weinkonsums thematisiert werden. Diesem erliegen im Verlauf von Genesis etwa so bedeutende Persönlichkeiten wie Noah (Gen 9,20-27) und Loth (Gen 21,30-36/38) (zu beiden siehe Gedanken zur Woche 105-b – 4. FASTENWOCHE (2022)).
Zur Entscheidung zwischen Gut und Böse mag spontan gerade die Geschichte der Versuchung von Adam und Eva und ihre anschließende Vertreibung aus dem Paradies (Gen 3,1-24) in den Sinn kommen. Kurz darauf finden sich eigene eindringliche Worte zur Wahl des Menschen zwischen Gut und Böse, auch wenn diese Verse wohl weniger bekannt sind:
„(Gen 4,6) Der HERR sprach zu Kain: Warum überläuft es dich heiß und warum senkt sich dein Blick? (7) Ist es nicht so: Wenn du gut handelst, darfst du aufblicken; wenn du nicht gut handelst, lauert an der Tür die Sünde. Sie hat Verlangen nach dir, doch du sollst über sie herrschen.“
Wie im neutestamentlichen Gleichnis von den bösen Winzern und deren Untaten wird auch die anschließende Tötung Abels durch seinen Bruder Kain, nicht als ein Unglücksfall, nicht als ein magischer Vorgang verstanden. Die Missetaten sind jeweils Ergebnis der Entscheidung eines Menschen bzw. von Menschen.
Begegnen Weinbau, Weinkonsum und im allgemeineren Sinne Ackerbau mitunter in Zusammenhang mit bösen Handlungen von Menschen, so können sie auch als Gelegenheit wahrgenommen werden, etwas Gutes zu tun. Auch dies wird schon in den Fünf Büchern Mose angesprochen. Da werden auch für den Weinbau und seine Früchte soziale Verhaltensweisen eingefordert.
So ist im Buch Levitikus nachzulesen:
„(Lev 19,10) In deinem Weinberg sollst du keine Nachlese halten und die abgefallenen Beeren nicht einsammeln. Du sollst sie dem Armen und dem Fremden überlassen. Ich bin der HERR, euer Gott.“
Glauben, Religion und richtiges, soziales Tun wird hier also auf das Engste miteinander verbunden. Eine Reduktion von Religion auf angenehme Gefühle, nette Worte und etwa ein Vertrauen, der liebe Gott werde doch hoffentlich schon lieb sein, wird wie auch sonst immer wieder bereits in alttestamentlichen Schriften auch hier verworfen. Soziale Verantwortung sollte auch sonst laut diesem Buch Levitikus wahrgenommen werden. So heißt es im Vers unmittelbar vor der eben zitierten Stelle:
„(Lev 19,9) Wenn ihr die Ernte eures Landes einbringt, sollst du das Feld nicht bis zum äußersten Rand abernten. Du sollst keine Nachlese von deiner Ernte halten.“
In dem ebenfalls zum Pentateuch, der Thora/Tora/Torah gehörenden Buch Deuteronomium findet sich die Stelle wiederum nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung:
„(Dtn 23,25) Wenn du in den Weinberg eines anderen kommst, darfst du so viel Trauben essen, wie du magst, bis du satt bist, nur darfst du nichts in ein Gefäß tun. (26) Wenn du durch das Kornfeld eines andern kommst, darfst du mit der Hand Ähren abreißen, aber die Sichel darfst du auf dem Kornfeld eines andern nicht schwingen.“
Damit wird das Anliegen einer grundlegenden Existenzsicherung auch aus dem Blickwinkel des auf solche Versorgungsmöglichkeiten angewiesenen Menschen schon in den Fünf Büchern Mose angesprochen. Der Bezug zum Weinbau und generell zur Landwirtschaft springt ins Auge. Es war eben noch die Zeit einer vorindustriellen und stark landwirtschaftlich geprägten Lebensweise. Dies wird auch sonst deutlich, etwa wenn vor der Einführung der Monarchie gewarnt wird. Diese Warnung wird ja schon im Buch der Richter nicht zuletzt in Form der Pflanzenfabel von der Versammlung der Bäume (Ri 9,7-15 bzw. Ri 9,8-15 und siehe Gedanken zur Woche 184 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS) ausgesprochen.
Weiter hinten im Alten/Ersten Testament warnt dann Samuel, seinerseits der Prophet und führende Richter des damaligen Israels eindringlich vor der Einführung des Königtums, wobei er ausdrücklich auf den zu erwartenden Zugriff eines amtierenden Königs auf landwirtschaftliche Besitztümer wie Felder, Weinberge und Ölbäume hinweist:
„(1 Sam 8,10) Samuel teilte dem Volk, das einen König von ihm verlangte, alle Worte des HERRN mit. (11) Er sagte: Das werden die Rechte des Königs sein, der über euch herrschen wird: Er wird eure Söhne holen und sie für sich bei seinen Wagen und Pferden verwenden und sie werden vor seinem Wagen herlaufen. (12) Er wird sie zu Obersten über Tausend und zu Führern über Fünfzig machen. Sie müssen sein Ackerland pflügen und seine Ernte einbringen. Sie müssen seine Kriegsgeräte und die Ausrüstung seiner Streitwagen anfertigen. (14) Eure besten Felder, Weinberge und Ölbäume wird er euch wegnehmen und seinen Beamten geben. (15) Von euren Äckern und euren Weinbergen wird er den Zehnten erheben und ihn seinen Höflingen und Beamten geben. (16) Eure Knechte und Mägde, eure besten jungen Leute und eure Esel wird er holen und für sich arbeiten lassen. (17) Von euren Schafherden wird er den Zehnten erheben. Ihr selber werdet seine Sklaven sein. (18) An jenem Tag werdet ihr wegen des Königs, den ihr euch erwählt habt, um Hilfe schreien, aber der HERR wird euch an jenem Tag nicht antworten.“
Eigens fällt hier beim aufmerksamen Lesen oder Hören wieder die stark landwirtschaftliche Orientierung auf. Es geht um den Zugriff auf Felder oder Äcker, Weinberge, Ölbäume, auf Esel und Schafherden. Von einem Zugriff auf Banken und Industriebetriebe oder auch nur auf Handwerksbetriebe ist noch nicht die Rede. Schon gar nicht werden Konten und Wertpapiere und vielleicht Wertpapierfonds samt ETFs erwähnt. Der erstere, eben landwirtschaftliche Bereich samt Weinbau, lag im Blickfeld. Anderes entwickelte sich erst später im Laufe der Geschichte und gewann erst da dann seine heute übliche Bedeutung, solche Wichtigkeit. Auch in Hinblick auf die Arbeitsverhältnisse von Menschen ergaben sich Veränderungen. Die Ausdrücke „Knechte“ und „Mägde“ werden traditionell mit dem landwirtschaftlichen Bereich assoziiert. In einer industriellen und postindustriellen Gesellschaft ist demgegenüber üblicherweise von „Arbeitern“ und „Angestellten“ zu vernehmen. Bei „Beamten“ namentlich eines Königs handelte es sich einst um eine kleine, elitäre Gruppe innerhalb einer Gesellschaft und noch nicht eine ihrerseits große Gruppe innerhalb einer Gesellschaft im Rahmen einer zahlenmäßig enorm angewachsenen öffentlichen Verwaltung. Die zitierte Stelle im Ersten Buch Samuel weist ihrerseits in diese geschichtliche Richtung. Überhaupt liefert ja die Bibel immer wieder Hinweise auf gesellschaftliche Zustände und Entwicklungen. Dabei werden auch so finstere Bereiche wie Sklaverei sowie Aufstieg und Wirken von Unterdrückerregimen einschließlich Massenmorde und Massendeportationen nicht ausgespart.
Die Bibel ist eben keine Ansammlung netter Geschichtchen, mögen das viele Menschen glauben oder nicht!
1. Lesung: Jes 5,1-7
2. Lesung: Phil 4,6-9
Evangelium: Mt 21,33-42.44.43
Gedanken zur Woche 185-b, Dr. Matthias Martin
27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Wie man auch immer zu ihm stehen mag, der von 1958 bis 1963 amtierende Papst Johannes XXIII. mit seinem bürgerlichen Namen Angelo Giuseppe Roncalli gehört zu den weit über den engeren Kreis aktiver Katholikinnen und Katholiken irgendwie wahrgenommenen kirchlichen Persönlichkeiten. Dass heißt allerding nicht, dass man sich oft mit seinem Wirken tatsächlich intensiver auseinandergesetzt hätte. Da ergeht es Johannes XXIII. ähnlich (siehe Gedanken zur Woche 133-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); allgemein Gedanken zur Woche 57 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG bis 4. OSTERWOCHE (2021), ja gewissermaßen parallel wie dem von ihm einberufenen und eröffneten Zweiten Vatikanischen Konzil, das von seinem Nachfolger Papst Paul VI. abgeschlossen wurde.
Sehr gerne findet eine Berufung auf dieses rein historisch untrennbar mit Johannes XXIII. verbundene Konzil statt, um wirklich das genaue Gegenteil von dem zu vertreten, was in den tatsächlich verabschiedeten 16 Konzilsdokumenten nachzulesen ist (siehe Gedanken zur Woche 181-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und allgemeiner Gedanken zur Woche 90-b – 3. ADVENTWOCHE (2021); zur Frage der Handhabung des Papstprimates in Zusammenhang mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eigens Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023); zur Frage des biblischen Kanons aus Sicht des Zweiten Vatikanischen Konzils siehe Gedanken zur Woche 146-b - 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Die Lektüre der tatsächlichen Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils wie der tatsächlich von Johannes XXIII. herausgegebenen Dokumente, die Beschäftigung mit seinen Worten und Taten könnten viele Menschen zum Staunen bringen. Darauf wurde über die Jahrzehnte hin bis vereinzelt in den Bereich von öffentlich-rechtlichen Rundfunksendungen hinein zwar längst hingewiesen, aber scheinbar mit nur geringer Resonanz.
Es bleibt immerhin zu hoffen, dass die von Papst Johannes XXIII. einberufene Synode für sein Bistum Rom gute Anregungen bietet für Menschen, die mit der jetzigen Synode in Rom für die katholische Weltkirche zu tun haben. Es gilt ja immer wieder, aus der Geschichte zu lernen, sich Erfahrungen zu Nutze zu machen von Menschen, die bereits früher gelebt und gewirkt haben.
Da weist allein schon der Papstname Johannes darauf hin, dass es auch in der Kirche nicht immer wieder so einfach und klar vonstattengeht, wie sich das viele, gewissermaßen innerhalb und außerhalb derselben denken.
Da ist zum einen der Umstand, dass es einen Johannes XXIII. in der Kirchengeschichte mehr oder minder ernsthaft schon einmal gegeben hat. Dieser war mit seinem weltlichen Namen Baldassare Cossa papaler Vertreter oder vermeintlicher Papst der Pisanischen Obedienz während des avignonesischen Papstschismas. Nachdem es einen inzwischen allgemein anerkannten Papst geben hatte, den man bei aller Kritik an seinen theologischen Aussagen und seiner Kirchenpolitik Johannes XXII. nannte, bezeichnete sich nun nach seiner Wahl im Bereich eben der Pisanischen Obedienz Baldassare Cossa als „Johannes XXIII.“ Der historisch wirklich versierte Angelo Giuseppe Roncalli machte nun bei seinem Amtsantritt durch die Wahl von “Johannes XXIII.“ als Papstnamen klar, dass auch nicht der zweite von der Pisanischen Obedienz gewählte Spitzenvertreter tatsächlich Papst gewesen sei (siehe Gedanken zur Woche 133-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Tatsächlich hatte es starke Argumente für die Legitimität der Pisanischen Obedienz gegeben. So wurde und wird der erste Mann, den man im Rahmen der sich formierenden Pisanischen Obedienz zum „Papst“ wählte als „Alexander V.“ gezählt. In der Papstzählung steht er, mit weltlichem Namen Pietro Philargi/Petros Philargis und mitunter mit Beinamen wie „von Candia“ oder „de Candia“ bezeichnet, zwischen den allgemein anerkannten Päpsten Alexander IV. (1254-1261) und Alexander VI. (1492-1503). Lange Zeit galt in so etwas wie der offiziellen katholischen Kirche die Wahl Alexanders V. mehr oder minder als nicht einfach von der Hand zu weisen bis hin irgendwie rechtmäßig. Vor allem wurde diese Position nicht etwa verurteilt. Wurde den Gegenpäpsten der avignonesischen Richtung jede Anerkennung in allgemeinerer kirchlicher Überlieferung samt Aufnahme in die Papstzählung ausdrücklich verweigert, so war die Angelegenheit in Hinblick auf die Papstprätendenten der Pisanischen Obedienz eben nicht so einfach. Hier hatten sich im Rahmen einer, nennen wir sie einmal so, Kirchenversammlung in Pisa, Vertreter weiter Teile der katholischen Kirche zusammengefunden, um die Spaltung zwischen dem römischen Papst und dem avignonesischen Gegenpapst durch die Wahl eines neuen Papstes beenden. Mitunter wurde die Zeit zwischen der Wahl Alexanders V. am 26. Juni 1409 und der Absetzung seines Nachfolgers in der Pisanischen Obedienz, eben des ersten Johannes XXIII. auf dem Konzil von Konstanz im Mai 1415 als Zeit eines mehr oder weniger rechtmäßigen Amtsführung des Papsttums pisanischer Obedienz gesehen.
Für deren Ernsthaftigkeit spricht, dass der im Jahre 1492 zum Papst gewählte Rodrigo de Borja. auch geschrieben Borgia, eben als Papstnamen „Alexander VI.“ annahm und damit Petros Philargis (von Candia) als Alexander V. unangefochten in der Papstzählung beließ.
Gegenpäpsten aus der avignonesischen Richtung wurde niemals solche Ehre zuteil. Der nächste Papst, der sich als Papst Clemens/Klemens oder Benedikt nannte, verweigerten dem jeweiligen avignonesischen Gegenpapst bzw. den avignonesischen Gegenpäpsten die Anerkennung, die Alexander VI. eben Petros Philargis als einem Alexander V. zugestand. Eine Anerkennung der gegenpäpstlichen Vertreter der avignonesischen Richtung kam durchgehend nicht in Frage. Dies unterstrich dann auch Papst Johannes XXIII., bürgerlich Angelo Giuseppe Roncalli, nicht zuletzt durch seine sehr klare Feststellung bezüglich seines Papstnamens. Er stellte sich damit sehr deutlich hinter den Standpunkt, dass die Römische Obedienz eh die einzig richtige gewesen sei. Er wies ja auch die Möglichkeit einer zumindest teilweisen nachträglichen Anerkennung eines Papstprätendenten der Pisanischen Obedienz zurück. Dabei war diese ja gestartet worden als ein Kompromissversuch zwischen eben dem römischen Papsttum und dem avignonesischen Gegenpapsttum mit Frankreich als Triebkraft hinter letzterem. Der abgesehen von Splittergrüppchen als rechtmäßig von 1958 bis 1963 amtierende Papst anerkannte Johannes XXIII. wies selbst diesen auf so etwas wie gemäßigte Vertreter des avignonesischen Gegenpapsttums zugehenden Kompromissversuch, der sich in der erwähnten Kirchenversammlung von Pisa und der Wahl Petros Philarigs manifestierte, zurück.
Auch sonst war dieser Papst Johannes XXIII. eine energische Persönlichkeit. Schon als päpstlicher Diplomat hatte er sich den Wünschen französischer Machthaber widersetzt. Dies passte zu seiner konsequenten Verwerfung des einstigen avignonesischen Gegenpapsttums. Er machte schon in jungen Jahren deutlich, dass zu gottesdienstlichen Anlässen in Diplomatenkreisen Französisch nicht unbedingt als Sprache neben Latein zum Zuge kommen müsste, sondern dass dafür im katholischen Sinne auch eine andere Sprache in Frage käme. Später stellte er sich, natürlich mit seinen sehr begrenzten Möglichkeiten, Säuberungsforderungen französischer Staatsvertreter, die sich auch gegen Kirchenmitarbeiter einschließlich amtierenden Mitbrüdern im Bischofsamt richteten, entgegen. Als Papst legte er Wert auf Unabhängigkeit auch gegenüber Mächten wie Spanien, Frankreich und Großbritannien, auch wenn es um das Schicksal von Volksgruppen mit ihren eigenen Sprachen ging (siehe allgemein Gedanken zur Woche 40-b – 3. ADVENTWOCHE (2020) und Gedanken zur Woche 135 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)), die unter deren Herrschhaften leben mussten und zum Teil heute noch dem spanischen, französischen bzw. britischen Staatsverband anzugehören haben. Jüngste Erfolge etwa für die Anerkennung des Baskischen, des Galicischen und des Katalanischen wie Fortschritte für das Gälische sowohl in Irland als auch in Schottland, für das Walisische, das Schottische oder Scots wie das Korsische sind ganz in diesem Sinne.
Zum Wirken Johannes XXIII. passt, dass mit dem Jahr 1960 ein Jahr in der Mitte seines Pontifikates als das „Afrikanische Jahr“ der Dekolonialisierung in die Geschichte einging. Natürlich blieb und bleibt noch viel zu tun. Die willkürlich durch die Kolonialmächte gezogenen Grenzen stellen auch heute noch schwere Belastungen dar, wie das Schicksal etwa von Berbern samt Tuareg verdeutlicht. Vieles ist aber schon erreicht worden. Dies geschah ganz im Sinne Johannes XXIII., der auch örtlicher katholischer Hierarchie den Rücken gestärkt hatte bei ihrer Kritik an der brutalen französischen Kriegsführung während des Algerienkrieges mit der unbestrittenen Vernichtung von mehr als achttausend Siedlungen.
Gedanken zur Woche 184, Dr. Matthias Martin
26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Das Gleichnis im Matthäusevangelium von den beiden unterschiedlichen Söhnen, von denen der eine seinem Vater gegenüber sich zunächst unwillig äußert, dann aber doch das Richtige tut, sein Bruder aber genau entgegengesetzt handelt, indem er seinem Vater verbal eine nette Zusage macht, diese dann aber nicht in die Tat umsetzt, ist wohl eines der nicht allzu bekannten biblischen Gleichnisse oder überhaupt bekannteren Stellen in der Bibel aus Altem/Erstem und Neuem/Zweiten Testament.
Dabei handelt es sich auch bei diesem matthäischen Sondergut um eine ganz bemerkenswerte Stelle. Da wirft sich zum einen einmal, gewissermaßen spontan, die Frage auf, warum es sich denn hier um ein solches Sondergut handelt. Warum ist dieses Gleichnis wohl nur als matthäische Traditio Simplex oder Simplex Traditio zu finden? Warum liegt es nicht auch zumindest entweder auch im Markus- oder etwa im Lukasevangelium vor? Geht man von der zumindest im deutschen Sprachraum unter Theologen gerade noch vor einigen Jahren so beliebten Zweiquellentheorie aus, dann könnte man erwarten, dass entweder dieses Gleichnis auch im Markusevangelium als eine Vorlage für die beiden darauf aufbauenden und umfangreicheren Evangelien nach Matthäus und Lukas vorhanden wäre. Oder aber man möchte erwarten, dass dieses Gleichnis von den beiden sich so unterschiedlich verhaltenden Söhnen in der angenommenen Logienquelle oder kurz Quelle Q schon vorgelegen sei. Dann stellt sich natürlich die Frage, warum dann dieses, doch eine Gruppe von Versen umfassende Gleichnis nicht auch im anderen Seitenreferenten oder Großevangelium unter den Synoptikern, eben im Lukasevangelium zu finden ist?
Warum haben wir es eben hier mit keiner Traditio Duplex/Duplex Traditio oder gar einer Traditio Triplex/Triplex Traditio, sondern nur mit einer eben matthäischen Traditio Simplex zu tun? Ganz nüchtern lässt sich feststellen, dass es eine ganze Reihe von Theorien gibt, mit denen versucht wird zu erklären, wie es zur Bildung des heutzutage vorliegenden Neuen/Zweiten Testaments gekommen sein mag. Dies gilt im Besonderen in Hinblick auf die drei synoptischen Evangelien, eben Matthäus, Markus und Lukas. Unter Vermeidung von aller Lieblosigkeit und Gehässigkeit ist dabei festzustellen, dass sich diese Theorien mitunter deutlich widersprechen.
Klar ist bei dem Gleichnis von dem Vater und seinen beiden verschiedenen Söhnen, dass es sich wieder um ein Gleichnis aus dem landwirtschaftlichen Bereich, konkret aus dem Weinbau handelt. Dies begegnet uns ja gerade im Neuen/Zweiten Testament immer wieder. Beim Alten/Ersten Testament mag spontan die gleichnishafte Erzählung von der Versammlung der Bäume in den Sinn kommen (Ri 9,7/8-15 und siehe Gedanken zur Woche 18 – 15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 33 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 79 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 101 – 8. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Schon hier tritt nicht zuletzt ein Weinstock auf (Ri 9,12-13).
Es waren ja insgesamt Zeiten, in denen die meisten Menschen in landwirtschaftlichen Bereichen einschließlich dem Weinbau tätig waren.
Auch die grundsätzliche Herausforderung, dass Religion, dass Glaube an Gott nicht einfach nur aus schönen Worten und angenehmen Gefühlen zu bestehen hat, stellte sich fortwährend vom Alten/Ersten Testament an auch im Neuen/Zweiten Testament. Ja, diese Herausforderung stellte und stellt sich auch in nachbiblischer Zeit. Immer geht es darum, Gutes zu tun und Böses zu unterlassen. Dabei werden in den Schriften der Bibel eben auch dunkle Seiten von Menschen, überhaupt des Menschseins nicht ausgespart.
Zugleich wird eben schon ab den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch herausgestellt, dass es im Sinne authentischer Religion darum geht, gute Taten bis hin zu Arbeitnehmerrechten zu verwirklichen. Spätere Schriften des Alten/Ersten und dann solche des Neuen/Zweiten Testaments und die nachbiblische Überlieferung haben solche Grundlinien der Thora/Tora/Torah fortgeführt (siehe Gedanken zur Woche 75 – 22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und siehe Gedanken zur Woche 79 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
So wurden dann gelebte Nächstenliebe und ernstes Verantwortungsbewusstsein so etwas wie ein Kennzeichen für das frühe Christentum. Handfeste Hinweise in diese Richtung findet man auch schon in neutestamentlichen Schriften, die gemeinhin dem Apostel Paulus zugeschrieben werden. Zugleich kann man solche damit neutestamentlichen Aussagen als Anregung aufgreifen, sich nicht zuletzt mit Geschichte und Geografie zu befassen. So heißt es etwa in dem eben keineswegs auf bloßen Glauben beschränkten Römerbrief:
„(Röm 15,25) Doch jetzt gehe ich nach Jerusalem, um den Heiligen einen Dienst zu erweisen. (26) Denn Mazedonien und Achaia haben beschlossen, eine Sammlung als Zeichen ihrer Gemeinschaft für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem durchzuführen. (27) Ja, das haben sie beschlossen und sie sind auch deren Schuldner. Denn wenn die Heiden an ihren geistlichen Gütern Anteil erhalten haben, so sind sie auch verpflichtet, ihnen mit irdischen Gütern zu dienen.“
Bei dem Lesen solcher Bibelstellen zumindest einen Geschichtsatlas zur Hand zu haben, kann da für das Verständnis ganz nützlich sein. Dies gilt auch in Hinblick auf den Ersten Korintherbrief, wenn dort u. a. zu lesen ist:
„(1 Kor 16,1) Was die Geldsammlung für die Heiligen angeht, sollt auch ihr euch an das halten, was ich für die Gemeinden Galatiens angeordnet habe. (2) Jeder soll immer am ersten Tag der Woche etwas zurücklegen und so zusammensparen, was er kann. Dann sind keine Sammlungen mehr nötig, wenn ich komme. (3) Nach meiner Ankunft werde ich eure Vertrauensleute mit Briefen nach Jerusalem schicken, damit sie eure Liebesgabe überbringen. (4) Ist es der Mühe wert, dass ich selbst hinreise, dann sollen sie mit mir reisen. (5) Ich werde zu euch kommen, wenn ich durch Mazedonien gereist bin …“.
Ein umfassender Anspruch für das richtige Verhalten im Alltag mit einer Abgrenzung gegen Fehlverhalten findet sich im Galaterbrief:
„(Gal 5,13) Denn ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder und Schwestern. Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe! (14) Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Wenn ihr aber einander beißt und fresst, dann gebt Acht, dass ihr nicht einer vom anderen verschlungen werdet! …
(19) Die Werke des Fleisches sind deutlich erkennbar: Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, (20) Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, (21) Neid, maßloses Trinken und Essen und Ähnliches mehr. Ich sage euch voraus, wie ich es früher vorausgesagt habe: Wer so etwas tut, wird das Reich Gottes nicht erben. (22) Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, (23) Sanftmut und Enthaltsamkeit, gegen all das ist das Gesetz nicht.“
Das mag an das doppelte Liebesgebot im Rahmen der Frage nach dem größten Gebot oder zentralen Handlungsgebot in den drei synoptischen Evangelien (Mt 22,34-40; Mk 12,28-34; Lk 10,25-28) als Zusammenstellung von Aussagen aus den Büchern Mose, der Thora/Tora/Torah, und zwar konkret aus den Büchern Levitikus und Deuteronomium erinnern (siehe Gedanken zur Woche 81 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 84 - 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021).
Auch an den Ersten Korintherbrief mit seiner Aussage, dass unter den Grundtugenden von Glauben, Hoffnung und Liebe die Liebe das Höchste ist (1 Kor 12,31-13,13) mag man denken (siehe Gedanken zur Woche 89-b – 2. ADVENTWOCHE einschließlich HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2021) und Gedanken zur Woche 134 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Umso weniger steht etwa der Jakobusbrief, die vielleicht ja überhaupt älteste Schrift des Neuen/Zweiten Testamentes, alleine mit seiner Warnung vor einer Verkürzung bis Pervertierung des Christseins durch Beschränkung auf schöne Worte und vielleicht Gefühle und seiner konsequenten Mahnung, eifrig gute Werke zu vollbringen.
1. Lesung: Ez 18,25-28
2. Lesung: Phil 2,1-11 (oder 2,1-5)
Evangelium: Mt 21,28-32
Gedanken zur Woche 184-b, Dr. Matthias Martin
26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Der Oktober stellt den Monat für manchen Neubeginn dar. So können gerade auf der Nordhalbkugel etwa Semester von Hochschulen und Universitäten beginnen. Auch in kirchlichen Einrichtungen können neue Arbeitseinheiten starten, wobei es natürlich auch kirchliche Hochschulen und Universitäten gibt.
Ziemlich jeder Mensch hofft, gerade wenn ein größerer Arbeits- oder Lebensabschnitt beginnt, dass es ihm hierbei gut ergehen und das gelingen möge, was er sich vorgenommen hat. Ebenso ist es ganz natürlich und von solchen Wünschen nicht zu trennen, dass man hofft, von Not, Leid und Rückschlägen verschont zu bleiben.
Unabhängig vom jeweiligen Gottesbild wenden sich dann Persönlichkeiten, welche man gerne religiöse Menschen nennt, an eine von ihnen verehrte Gottheit bzw. an von ihnen verehrte Gottheiten. Immer wieder begegnen uns in verschiedenen Religionen und Konfessionen dabei Wesen, die sehr gerne „Engel“ genannt werden. Auf sie setzen ungezählte Menschen ihre Hoffnungen, von Unglücksfällen und anderem Unglück bewahrt zu bleiben. In der katholischen Kirche hat sich auch im liturgischen Bereich eine eigene Verehrung der Heiligen Schutzengel entwickelt. In den offiziellen liturgischen Büchern finden wir dazu Bemerkenswertes. Anregungen für das eigene spirituelle Leben und Vollzüge, die damit zusammenhängen, kann da der Volksschott von 1961, also noch aus dem Pontifikat von Papst Johannes XXIII. geben. Dort heißt es als Erläuterung zum 2. Oktober als dem Fest der Heiligen Schutzengel:
„Auf dem Wege zum himmlischen Vaterlande bedrohen uns viele Gefahren, sowohl von außen als von innen. Wie den Reisenden auf unsicheren Wegen Führer beigegeben werden, so ist einem jeden Menschen für seine Pilgerschaft hienieden ein Engel zugeteilt.
Der Schutzengel erleuchtet unsern Verstand durch Belehrung und Einsprechung, er sucht den Willen von der Liebe zu irdischen Dingen abzuziehen und das Verlangen nach den ewigen zu entzünden; er mahnt uns zur Pflichterfüllung, er stärkt uns im Kampfe gegen die bösen Geister, ruft uns zur Buße, bringt unsere Gebete vor Gott und erwirkt als treubesorgter Fürsprecher Gnaden.“
Bemerkenswert ist, dass verheißungsvoll davon die Rede ist, dass einem jeden Menschen ein Schutzengel zur Seite gestellt sei. Es wird hier also kein Unterschied gemacht etwa bezüglich Geschlecht, Alter, sozialem Stand, ethnischer Zugehörigkeit oder familiäre Zuordnung. Es wird hier auch kein Unterschied gemacht in Hinblick auf Konfessions- oder Religionszugehörigkeit. Die Gleichheit aller Menschen wird hier sehr deutlich ausgesprochen. Man sollte nicht leichtfertig darüber hinweggehen. Ebenso ist die ausdrückliche wohlwollende Nennung des menschlichen Verstandes zu beachten. Dies mag eigens Katholikinnen und Katholiken helfen, der Versuchung zu widerstehen, Verstand bzw. Vernunft herabzuwürdigen. Der Begriff „Pflichterfüllung“ mag anspornen, sich nach besten Kräften zu bemühen, auf dem eigenen Lebensweg Gutes zu tun und Böses zu unterlassen. Im Rahmen des je nach den individuellen Gegebenheiten Möglichen soll das Leben gewissermaßen angefüllt sein mit Gutem, in Gedanken, Worten und Werken. In diesem Sinne mögen sich Menschen auch eingeladen sehen zur Teilnahme am kirchlichen Leben einschließlich dem liturgischen Leben. Dazu passen die eigenen liturgischen Hinweise im Volksschott von 1961 im Anschluss an den zitierten Text.
Geschichtliche und da gerade liturgiegeschichtliche Informationen bekommt der Leser im Erläuterungstext zum „Gedenktag“ der Heiligen Schutzengel vom 2. Oktober in der kleinen Ausgabe des nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil erschienenen Deutschen Messbuchs geboten:
„Eine besondere Verehrung der Schutzengel ist seit dem 9. Jh bekannt, sie verbindet sich schon mit dem älteren Fest des hl. Erzengels Michael, das zugleich allen Engeln galt. Das besondere Fest wurde im 16. Jh einigen Kirchen gestattet und 1615 in den Römischen Kalender aufgenommen.“
Hiermit wird nicht zuletzt wieder einmal klargestellt, dass sich gerade nach so etwas wie katholischem Selbstverständnis etwas wie Kirche immer in der menschlichen Geschichte verwirklicht. Kirche und, allgemeiner gesagt, Religion bewegen sich nicht in einem luftleeren Raum. Die Beschäftigung mit Geschichte stellt dann immer wieder eine Begegnungsbereich von Glauben und Vernunft dar. Dies passt sehr gut zur wiederholt durch die Kirche ausgesprochenen Würdigung der menschlichen Vernunft im Allgemeinen und wissenschaftlichen Bestrebungen im Besonderen.
Ein sehr weites und für den einzelnen Menschen irgendwie unendliches Feld stellt da die Kunstgeschichte dar. Im Laufe der Zeit entwickelten sich sehr viele unterschiedliche Arten der Darstellung von Schutzengeln. Dies lässt sich in der Malerei wie in der Plastik feststellen. Auch entstanden zu den Schutzengeln Gedichte und wurden eigene Sprüche formuliert. Ebenso wurden Bücher zur Thematik der Schutzengel verfasst.
Den Engeln und dabei auch den Schutzengeln kommt eine eigene kulturelle Bedeutung zu, unabhängig davon, welcher religiösen Überlieferung ein Mensch folgt, und welche theologischen Positionen und dergleichen er vertreten mag.
Dabei gilt auch hier, dass betreffende Kulturgüter zu schützen sind. Kunstgegenstände sollen nicht leichtfertig in Gefahr gebracht oder verunstaltet werden. Dass es sich hierbei um eine sehr ernste Angelegenheit handelt, schlägt sich auch im Kirchenrecht nieder.
So heißt es ziemlich klar in Canon/Kanon 1189 des CIC von 1983 für die Lateinische Kirche:
„Wenn die in Kirchen oder Kapellen zur Verehrung durch die Gläubigen aufgestellten wertvollen Bilder, also solche, die sich durch Alter, Kunstwert oder Verehrung auszeichnen, restauriert werden müssen, darf dies niemals ohne schriftlich erteilte Erlaubnis des Ordinarius geschehen; dieser hat, bevor er die Erlaubnis erteilt, den Rat von Sachverständigen einzuholen.“
In Canon/Kanon 887 des CCEO von 1990 für die Katholischen Ostkirchen geht es in dieselbe Richtung:
„§ 1. Wertvolle Ikonen oder Bilder, das heißt solche, die sich durch Alter oder Kunst auszeichnen und in Kirchen für die Verehrung durch die Christgläubigen vor Augen gestellt sind, können nicht in eine andere Kirche übertragen oder veräußert werden, es sei denn mit schriftlicher Zustimmung des Hierarchen, der über diese Kirche seine Gewalt ausübt …
§ 2. Wertvolle Ikonen oder Bilder dürfen nicht restauriert werden, es sei denn mit der schriftlichen Zustimmung desselben Hierarchen, der, bevor er diese gewährt, Sachverständige zu Rate ziehen muß.“
Das kirchliche Vermögensrecht soll nicht zuletzt dem Schutz solcher Kunstwerke dienen. Das im Bereich der Kirche, konkret im Bereich der im Sinne des kanonischen Rechts juristischen Personen, vorhandene kulturelle Erbe ist nach besten Kräften zu bewahren. Es darf nicht verschleudert, willkürlich Gefahren ausgesetzt oder Opfer persönlicher Bereicherungsabsichten werden. Dabei kann leider nicht bestritten werden, dass hier in sehr großer Zahl in den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil üble Dinge passiert sind. Kulturgüter wurden nicht selten Opfer innerkirchlicher Zerstörungswut oder Zerstörungslust. Es kam vor, dass etwa wertvolle Heiligenfiguren von Priestern, deren Eigentum sie in keiner Weise waren, willkürlich verschenkt wurden. Für manche Pfarrei und andere kirchliche Einrichtungen bzw. juristische Personen im Sinne des Kirchenrechts entstand unwiederbringlicher Schaden. Zu bemerken ist, dass es mitunter staatliche Stellen bzw. Vertreterinnen und Vertreter staatlicher Strukturen waren, die solchem Unheil entgegenzutreten versuchten bzw. schlimmeres verhüteten. Solche Menschen haben Gutes unternommen, unabhängig von so etwas wie persönlichen theologisch-dogmatischen Positionen. Oft aber kam es eben zu sehr bedauerlichen Ereignissen, die nicht hätten vorkommen sollen und dürfen.
Dabei sollten eigens Reliquien überhaupt jeder Geschäftemacherei und Leichtfertigkeit entzogen sein. So lautet Canon/Kanon 1190 des CIC von 1983 sehr klar:
„§ 1. Es ist verboten, heilige Reliquien zu verkaufen.
§ 2. Bedeutende Reliquien und ebenso andere, die beim Volk große Verehrung erfahren, können ohne Erlaubnis des Apostolischen Stuhls auf keine Weise gültig veräußert oder für immer an einen anderen Ort übertragen werden.
§ 3. Die Vorschrift des § 2 gilt auch für Bilder, die in einer Kirche große Verehrung beim Volk genießen.“
Ernst sind auch die Worte in Canon/Kanon 888 des gegenwärtigen CCEO:
„§ 1. Heilige Reliquien dürfen nicht verkauft werden.
§ 2. Bedeutende Reliquien, Ikonen oder Bilder, die in einer Kirche durch große Verehrung des Volkes ausgezeichnet werden, können auf keine Art und Weise gültig veräußert oder in eine andere Kirche dauerhaft übertragen werden, es sei denn mit Zustimmung des Apostolischen Stuhls oder des Patriarchen, der diese nur mit Zustimmung der Ständigen Synode erteilen kann, unbeschadet can. 1037.
§ 3. Hinsichtlich der Restaurierung dieser Ikonen oder Bilder muß can. 887 § 2 gewahrt werden.“
Bei dem ausdrücklich angeführten Canon/Kanon 1037 handelt es sich um einen umfassenderen Canon/Kanon über die Veräußerung kirchlichen Vermögens. Dabei ist zu bedenken, dass der Großerzbischof einer großerzbischöflichen Kirche eigenen Rechts dieselben Rechte besitzt wie der Patriarch einer patriarchalen Kirche eigenen Rechts, außer etwas anderes wäre ausdrücklich festgehalten.
Gedanken zur Woche 183, Dr. Matthias Martin
25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, anders auch genannt etwa das Gleichnis vom gleichen Lohn für ungleiche Arbeit findet, sich nur im Matthäusevangelium. Wir finden es also nicht in dem anderen der beiden Seitenreferenten, dem anderen der beiden Großevangelien unter den drei synoptischen Evangelien. Findet sich dieses Gleichnis also nicht im Lukasevangelium, so ist es auch nicht im Markusevangelium vorhanden. Weniger überraschend ist wohl der Umstand für Menschen, die sich etwas mit dem Neuen/Zweiten Testament beschäftigt haben, wenn sie feststellen, dass dieses Gleichnis wie etwaige Teile von ihm auch nicht im Johannesevangelium zu finden sind. Das Johannesevangelium nimmt doch unter diesen vier kanonischen Evangelien eine, ja die Sonderstellung ein.
Wie auch bei anderen neutestamentlichen Schriften gehen die Meinungen deutlich auseinander, wann welches dieser Evangelien entstanden sein dürfte, und wie es zu dessen Abfassung samt vielleicht angenommener redaktionellem Bearbeitung und besonderen entstehungsgeschichtlichen Abschluss gekommen sein dürfte.
Eigens stellt sich die mitunter kontrovers diskutierte Frage nach dem grundsätzlicheren Verhältnis der drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas und eben dem so eigenen Johannesevangelium. War es zumindest einige Zeit lang im Rahmen historisch-kritischer Exegese beliebt, von einer besonders späten Abfassung des Johannesevangeliums auszugehen, so gibt es auch die entgegengesetzte Grundposition. Demzufolge wäre das Johannesevangelium zu einem besonders frühen Zeitpunkt abgefasst worden, namentlich schon vor der Zerstörung Jerusalems und des dortigen Tempels durch die Römer im Jahre 70 n. Chr. im Rahmen des Ersten Jüdischen Krieges, auch genannt Erster Jüdischer Aufstand. Betrachtet mancher erklärte Anhänger christlichen Glaubens das Johannesevangelium mit einem gewissen Misstrauen oder stuft es irgendwie gegenüber den drei synoptischen Evangelien mehr oder minder herab, so kann es mehr oder minder ausgeprägt auch die entgegengesetzte Position geben. Demnach stünde inhaltlich und vielleicht auch entstehungsgeschichtlich das Johannesevangelium in einem guten Sinne an erster Stelle unter allen vier neutestamentlichen Evangelien. So ist gegebenenfalls die Meinung zu vernehmen, eben das Johannesevangelium sei das älteste unter allen neutestamentlichen Evangelien. Es stünde daher dem authentischen Wirken Jesu von Nazarets besonders nahe. Bei den synoptischen Evangelien sei das dann nicht mehr ganz so der Fall. Ganz anders ist die Meinung, das Johannesevangelium weise nicht nur einige terminologische Gemeinsamkeiten mit dieser so vielfältigen wie umstrittenen Geistesströmung auf, welche gerne Gnosis genannt wird. Das Johannesevangelium sei vielmehr selber ein Produkt aus dem vielfältigen gnostischem Gesamtmilieu und hätte in einem authentischen christlichen Neuen/Zweiten Testament mehr oder minder nichts verloren. Auch eine solche Position kann man, ohne sich danach gezielt umzuhören oder gar Glaubenspolizei zu spielen, auch bei einem bekennenden Katholiken bis hin zu Theologen in angesehener Position samt sogenanntem Nihil obstat als Bestätigung für eine kirchenamtlich akzeptierte Lehrtätigkeit in Theologie vernehmen.
Auf jeden Fall haben wir es bei dem betreffenden Gleichnis also grundsätzlich mit matthäischem Sondergut, mit matthäischer Traditio Simplex oder Simplex Traditio zu tun. Da wirft sich natürlich vom Standpunkt der strikten Zweiquellentheorie mit der dortigen Annahme, dass sowohl das Matthäus- als das Lukasevangelium mit dem Markusevangelium und einer ja empirisch-positiv nicht vorgefundenen Logienquelle/Quelle Q grundsätzlich zwei gemeinsame Quellen hätten, wieder die Frage auf, wie es dazu kommen konnte. Warum ist dann von diesem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg, vom gleichen Lohn für ungleiche Arbeit insbesondere nichts im Lukasevangelium vorhanden? Liegen etwa zumindest zwei verschiedene Ausgaben, unterschiedliche Arten dieser gerade im deutschen Sprachraum so gerne angenommenen Quelle Q vor? Oder wurde dieses sperrige, spontan von vielen vielleicht als befremdend aufgefasste Gleichnis etwa bei der Erarbeitung bis Fertigstellung des Lukasevangeliums gar bewusst fallengelassen? Im Sinne einer bewusst historisch-kritischen Herangehensweise könnte jemand die Idee haben, dies sei bei der Entstehung des Lukasevangeliums geschehen, um bei Lesern und Hörern aus der heidnischen Welt bis hin zu Angehörigen römisch-etablierter Kreise möglichst Anstoß zu vermeiden (siehe allgemein Gedanken zur Woche 180 – 22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Weniger überraschend oder kontroversiell diskutiert dürfte der Umstand sein, dass es sich bei dieser Stelle wiederum um ein Gleichnis aus dem Bereich der Landwirtschaft handelt. Die allermeisten Menschen waren ja damals und noch für mehrere Jahrhunderte in der Landwirtschaft einschließlich Fischerei, Weinbau und Forstwirtschaft und damit im primären Sektor einer Volkswirtschaft tätig (siehe allgemein Gedanken 20 – 17. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 175 - 17. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Unabhängig von einem eigenen Blick auf den ebenfalls diesem primären Bereich zugerechneten Bergbau lässt sich feststellen, dass sich dieser Schwerpunkt in den Beschäftigungsverhältnissen erst mit der Industriellen Revolution ändert. Und auch dies galt nicht für alle Länder und Regionen bzw. nicht jeweils im gleichen Maße.
Ein Gleichnis aus der Landwirtschaft einschließlich dem Weinbau entsprach also umso mehr der gewohnten Umwelt sehr vieler Menschen, und auch bei so etwas wie Städtern dürfte über das Zusammenleben in einem Gebiet oder Land mit mehrheitlich in der Landwirtschaft tätigen Menschen eine gewisse Vertrautheit noch eher gegeben gewesen sein.
Der Rückgang landwirtschaftlicher Beschäftigungsverhältnisse schreitet ja auch noch in diesen Tagen voran. Noch vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten war der Bevölkerungsanteil von in landwirtschaftlichen Bereichen tätigen Menschen auch in westlichen Industrieländern um einiges höher. Dementsprechend lässt sich regelrechte Landflucht in die Städte bis Millionenstädte auch für die jüngste Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein feststellen. Dies stellte und stellt auch kirchliches Wirken einschließlich örtliche Seelsorge in betreffenden Gegenden vor Herausforderungen.
Eine eigene, fortwährende Herausforderung stellt natürlich der richtige Umgang mit Stellen der Bibel dar. Es ist ja nicht so, dass sich die Bibel aus sich selbst heraus erklärte. Dies gilt erst recht für eine sperrige, irgendwie ungewohnte, leicht befremdlich wirkende Stelle wie das angesprochene Gleichnis aus dem Matthäusevangelium.
Da hat man zum einen die gerade für damalige Menschen mehr oder minder neutestamentlicher Zeit gewohnte Situation, dass ein Land- oder Gutsbesitzer Tagelöhner für seine landwirtschaftliche Besitzung anwirbt. Auch die erwähnte Geldeinheit des Denars war offensichtlich nichts Unübliches. Unüblich, ja befremdlich aber ist dann das Verhalten dieses Gutsbesitzers, allen Arbeitern denselben Lohn auszuzahlen, egal ob sie nun nur eine Stunde oder bis zu einen ganzen Tag für ihn gearbeitet hatten.
Dabei fordert gerade das Matthäusevangelium ja nicht zur Untätigkeit auf, zum Unterlassen etwa von guten Taten. Man denke hier nur an das scharf in Richtung des Tuns guter Werke für Bedürftige formulierten Gleichnisses vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46). Dieses stellt dazu seinerseits matthäisches Sondergut dar. Gleiches gilt für das ebenfalls zum aktiven Tun anspornenden Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen (Mt 25,1-13), das ebenfalls matthäisches Sondergut darstellt. Nimmt man gezielt das Matthäusevangelium in den Blick, so lässt sich feststellen, dass noch in den allerletzten Versen dieses Synoptikers (Mt 28,16-20) mit der allgemeinen Aussendung, dem universellen Missionsbefehl sehr zu aktivem Tun gedrängt wird.
Handelt es sich auch hier wiederum um matthäisches Sondergut, so hat es auch lukanisches Sondergut in sich, wenn es um die Aufforderung zu aktivem Handeln, zum Hinweis auf das Tun guter Werke geht. Besonders bekannt bei solchem lukanischem Sondergut ist unbestreitbar das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-37) und das Gleichnis vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater (Lk 15,11-32).
Auch bei der, auf in je eigener Weise sowohl im Matthäus- als auch im Lukasevangelium angesprochenen Aussendung einer Anzahl von Jüngern (Mt 10,5-15 und Lk 10,1-16) geht es um aktives Handeln. Dies wird hier abgerundet durch das lukanische Sondergut von der Rückkehr der in größerer Zahl zu aktivem Tun ausgesandten Jüngern (Lk 10,17-20).
Der gute Hirte handelt aktiv und scheut auch nicht persönliches Risiko im Gleichnis vom verlorenen Schaf sowohl im Matthäus- als auch im Lukasevangelium (Mt 18,12-14 und Lk 15,1-7 oder 15,3-7). Aktives Handeln legt auch die Frau im spezifisch lukanischen Gleichnis von der verlorenen Drachme an den Tag (Lk 15,8-10).
Nirgends geht es hier wie an anderen Stellen des Neuen/Zweiten Testaments darum, untätig die Zeit verrinnen zu lassen und die Hände einfach gemütlich in den Schoß zu legen.
Da mag manchem auch ganz besonders der Erste Johannesbrief und der Jakobusbrief in den Sinn kommen. Dabei geht es auch in den mehr oder minder dem Apostel Paulus zugeschriebenen Briefen im Neuen/Zweiten Testament wiederholt um das richtige Verhalten einschließlich dem Vollbringen guter Taten. Dazu zählt auch die Sammlung für die (Ur-)Gemeinde in Jerusalem (Röm 15,25-28; 1 Kor 16,1-4; 2 Kor 8,1-22; 9,1).
Umso mehr sollten nicht einzelne Verse wie die im Matthäusevangelium vom Gleichnis über die Arbeiter im Weinberg mit der ungewohnten Entlohnungspraxis isoliert betrachtet werden.
1. Lesung: Jes 55,6-9
2. Lesung: Phil 1,20ad-24.27a
Evangelium: Mt 20,1-16
Gedanken zur Woche 183-b, Dr. Matthias Martin
25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Allein schon der Blick auf einen einzelnen Heiligen mag anregen, sich in einem guten Sinne kritisch mit Geschichte und insbesondere mit der Überlieferung angeblicher oder tatsächlicher Fakten zu beschäftigen. Nicht davon zu trennen ist die Frage, welche Rückschlüsse man für das eigene Leben und Wirken im Hier und Heute gewinnen kann.
Nicht zuletzt ist die Mahnung bekannt, dass, wenn man nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lerne, man umso mehr in der Gefahr stünde, solche Fehler zu wiederholen. Etwas drastischer mag man da auch an den düsteren Zukunftsroman „1984“ von George Orwell denken. Dort heißt es warnend „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft.“ Dass dabei realpolitische, handfest machtpolitische, gerade auch bildungs- und medienpolitische Verhältnisse sehr prägend sind, in diesem Sinne geschaffen und dann ausgenutzt werden, macht die weitere Formulierung in Orwells „1984“ deutlich: „Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“
Unabhängig von einem einzelnen Autor wie George Orwell ist etwa der Satz bekannt „Der Sieger schreibt die Geschichte“. In dem mit mehreren Oscars ausgezeichneten Film „Braveheart“ wird zugespitzt gleich zu Beginn festgehalten, dass diejenigen die Geschichte schrieben, welche vorher die Helden aufgehängt hätten. Die Verleihung verschiedener Auszeichnungen für diesen Film bzw. die bei ihm Mitwirkenden einschließlich Oscars, samt dem für den besten Film, stieß ganz offensichtlich in probritischen Kreisen sehr unangenehm auf. In der Bundesrepublik Deutschland führten diese Auszeichnungen wohl ganz realpolitisch dazu, dass der Verbreitung dieses Filmes nicht extra Hindernisse in den Weg gelegt wurden.
Zum Thema Manipulation ist gerade ein Blick auf das „Wahrheitsministerium“ zu London (!) in „1984“ interessant. Genau dieses sog. Wahrheitsministerium, in dem die Hauptperson des Romans, Winston Smith, bis zu seiner Verhaftung beschäftigt ist, betreibt die Propaganda im Sinne der mit absolutem Machtanspruch in dem fiktiven totalitären Staatswesen Ozeanien regierenden Einheitspartei. Dazu gehört, dass ständig die Geschichte umgeschrieben wird, gerade durch das Neuverfassen früher erschienener Zeitungsartikel. Das angebliche Wahrheitsministerium ist also in Wirklichkeit das schamlose Lügenministerium. Bemerkenswert ist dabei, was gerne gerade im deutschen Sprachraum übersehen wird, dass die architektonischen Hinweise bezüglich dieses ständig Propagandalügen verbreitenden angeblichen Wahrheitsministeriums deutlich auf das britische angebliche Informationsministerium während des Zweiten Weltkrieges hinweisen und in diesem Sinne offensichtlich von George Orwell bewusst formuliert wurden. Den rücksichtlosen Einsatz von Lügen in der Propaganda hatte bezeichnenderweise der Kriegspremier Winston Churchill unumwunden zugegeben, ja dies in triumphierender Weise getan. Die Gestaltung des drastischen Zukunftsromans „1984“ durch George Orwell geschah offensichtlich ganz bewusst vor einem solchen historischen Hintergrund.
Dies mag eigens ein Anstoß sein, kritisch gegenüber so etwas geschichtlicher Überlieferung und vorherrschenden Meinungen zu sein.
In diesem Sinne verdient auch das Leben von Menschen Beachtung, welche etwa von der katholischen Kirche als Heilige verehrt werden.
Ein besonders gutes Beispiel mag diesbezüglich der heilige Hieronymus bieten. Allein schon seine Tätigkeit als Bibelübersetzer in engem Nahverhältnis zu Papst Damasus I. ist da ganz bemerkenswert (siehe Gedanken zur Woche 79-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 90 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2021)). Steht dieses historische Faktum doch direkt der immer wieder zu vernehmenden Behauptung entgegen, die katholische Kirche habe sich generell gegen Bibelübersetzungen und deren Zugänglichkeit gestellt.
Auf einer Linie mit solcher irreführenden Art von Überlieferung steht die weiterhin immer wiederkehrende Behauptung, Martin Luther habe als erster die Bibel ins Deutsche übersetzt oder doch zumindest den ersten Druck der Bibel in deutscher Sprache veranlasst. Dass dieses schon lange vor ihm geschehen war und dem Elsass dabei eine besondere Bedeutung zukam, ist allem pseudogeschichtlichen Gerede und Geschreibe zum Trotze eine wirkliche historische und allgemeinkulturelle Tatsache (siehe Gedanken zur Woche 79-b - 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 86-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Etwas betreffenden immer wiederkehrenden falschen Behauptungen verlässlich entgegen zu setzen, ist eine eigene Sisyphusarbeit. Gerade Kirchenmitarbeiterinnen und Kirchenmitarbeiter sollten sich davon aber nicht abschrecken lassen. Man sollte sich gerade bei bewusst kirchlich verstandenen Tätigkeiten nicht von Bequemlichkeit oder einem mehr oder minder wahrheitselastischen bis faktenfreien Zeitgeist bestimmen lassen.
Natürlich ist, und dessen war sich gerade der heilige Hieronymus bewusst, Bibelübersetzung nicht gleich Bibelübersetzung. Grundsätzlich ist sowieso darauf zu achten, welche Einzelschriften oder Bücher in eine Bibelausgabe Eingang finden. Allein schon wegen der unterschiedlichen Grammatik in den jeweiligen Sprachen ist oft eine direkte, wörtliche Übersetzung nicht möglich. Die Abgrenzung von Dialekt und Sprache stellt eine eigene Herausforderung dar (siehe Gedanken zur Woche 109 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2022)). Darauf wurde auch in jüngster Zeit kirchlicherseits hingewiesen. Passend dazu gibt es unterschiedliche Meinungen oder Berechnungen, wie viele Sprache es weltweit oder in bestimmten Ländern bzw. Regionen gäbe.
Auch Bibelübersetzungen können von Inkompetenz wie sehr zweifelhaften Absichten oder Interessenslagen geleitet sein. Da kommt man dann sehr schnell wieder in England bzw. dem heutigen Großbritannien mit der King James Bible/Bibel zu einem drastischen Beispiel.
Auf der anderen Seite steht da die besondere Wertschätzung, die Kirchenvater Hieronymus eigens dem alttestamentlichen Buch Judit erwies (siehe Gedanken zur Woche 74 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Die Titelheldin dieser Schrift ist schließlich so etwas wie die Widerstandskämpferin gegen ein Imperium mit monarchischer Staatsspitze. Die Distanzierung von diesem alttestamentlichen Buch in gewissen sich „christlich“ nennenden Kreisen ist umso weniger überraschend. Eine vergleichbare Entwicklung ergab sich ja gerade auch bei den Makkabäerbüchern und dem Buch Tobit.
Bei dem ebenfalls von Hieronymus verteidigten Buch der Geheimen Offenbarung mit seiner Stellung gegen imperiale Ansprüche beließ man es dann von betont adelsfreundlicher oder schlichtweg monarchistischer Seite eher mit vorsichtigerer Relativierung. Die Verteidigung des Buches der Geheimen Offenbarung, auch etwa genannt Buch der Apokalypse, stand einst gegen eine willige Anpassung bis Anbiederei an das nun vermeintlich christlich gewordene römische Kaisertum seit der sog. Konstantinischen Wende. Dass eine solche authentisch christliche Abgrenzung nicht selbstverständlich ist, beweist nicht zuletzt der Erfolg des englisch-monarchistischen Machwerkes der King James Bible/Bibel.
Dessen Auswirkungen sind bis heute deutlich wahrzunehmen. Der weitgehende Zerfall des englischen bzw. britischen Empires hat daran bisher eher wenig geändert. Umso mehr darf man auf einen guten Erfolg des offensichtlich von ehrlichem Willen getragenen Projektes einer Übersetzung gerade des Neuen Testaments ins (schottische) Gälische hoffen. Dieses Projekt verbindet die wichtigsten christlichen Konfessionen Schottlands, mit den ja ganz eigenen religiösen, verwaltungsmäßigen, parteipolitischen Gegebenheiten, kulturellen Überlieferungen und auch eigenen Regelungen im öffentlichen Religionsrecht in dieser Nation. Das Verhältnis der größeren christlichen Gemeinschaften zueinander hat sich in Schottland in den letzten Jahrzehnten eh schon deutlich gebessert. Dieses gemeinsame Übersetzungsprojekt ist ein Zeichen dafür, dass schon viel erreicht wurde, und fördert seinerseits weitere gute Entwicklungen im Verhältnis der beteiligten Konfessionen zueinander wie im kulturellen Leben.
Leben und Wirken des heiligen Hieronymus erfreuten sich schon von alters her in verschiedenen christlichen Konfessionen ausdrücklicher Wertschätzung bis hin zur Anerkennung von Hieronymus eben als Heiliger. Da mag dann sein Vorbild in unseren Tagen umso besser ein Ansporn sein, sich auch konfessionsüberschreitend für etwas Gutes in Kirche und Welt einzusetzen.
Gedanken zur Woche 182, Dr. Matthias Martin
24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Das Gleichnis vom zumindest vorübergehend großzügigen König und seinem unbarmherzigen Knecht (Mt 18,21-35 oder 18,23-34) gehört wohl nicht zu den bekanntesten der Bibel. Diesbezüglich finden sich wohl eher Stellen wie das Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46), das vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater (Lk 15,11-32) und natürlich das vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,28-36) gewissermaßen in der ersten Reihe. Mancher bzw. manche mag hier spontan auch an das Gleichnis von den klugen und den törichten Jungrauen (Mt 25,1-13) erinnern und bei einer eigenen monarchiekritischen Orientierung nicht zuletzt an die bereits alttestamentliche Erzählung von der Versammlung der Bäume denken (Ri 9,7-15 oder 9,8-15).
Dabei besitzt aber auch dieses erwähnte Gleichnis vom König und seinem unbarmherzigen Knecht seine eigene Aussagekraft. Man soll ja überhaupt das Ganze der Bibel in den Blick zu nehmen bereit sein und sich nicht auf einige mehr oder minder besonders populäre Stellen, deren Authentizität dann eh noch ein eigenes Problem darstellen kann, beschränken.
So stellt dieses Gleichnis zuerst einmal matthäisches Sondergut dar. Wir haben es hier im Wesentlichen also mit einer aus einem Abschnitt des Matthäusevangeliums bestehenden Traditio Simplex/Simplex Traditio zu tun.
Lediglich die aus einer Anfrage des Petrus und der dem eigentlichen Gleichnis vorangestellten gewissermaßen Kurzantwort Jesu (Mt 18,21-22) bestehende Hinführung weist im Wortlaut einzelne Gemeinsamkeiten, eine kleine Schnittmenge mit einer Stelle im Lukasevangelium (LK 17,4) auf. Dabei sind die betreffenden Verse bei Matthäus und bei Lukas keineswegs identisch. Die meisten Worte stellen vielmehr auch hier in einer Reihe von Einzelfällen jeweils matthäisches bzw. lukanisches Sondergut dar. Dazu ist der jeweilige Kontext, der spezifische Handlungsablauf zwischen diesen beiden Großevangelien verschieden. Das mag für Anhänger von so etwas wie einer strikten Zweiquellentheorie die Frage aufwerfen, wie es zu solchen Unterschieden habe kommen können, wenn doch ein angenommener Text des Markusevangeliums und die eben einmal angenommene Quelle/Logienquelle Q die gemeinsame Basis, eben die beiden gemeinsamen Quellen für das Matthäus- und das Lukasevangelium sein sollen. Auf jeden Fall kann sich auch hier wie in anderen Fällen, wenn es um Stellen der Bibel geht, manche Diskussion entzünden. Immerhin werden sowohl das Matthäus- wie das Lukasevangelium meist als Bestandteile der Bibel im Allgemeinen und des Neuen Testamentes, das manchmal auch das Zweite Testament genannt wird, im Besonderen anerkannt. Lediglich eher so etwas wie protestantische Randgruppen lehnen eine solche Zuweisung zum Kanon biblischer bzw. neutestamentlicher Schriften ab. Für religiöse Gemeinschaften bis hin zu ganzen Weltreligionen, welche sich ihrerseits als nichtchristlich verstehen, stellt die Frage, welche Schriften als Ganzes und welche Teile von Schriften denn nun einer als „christlich“ einzustufenden Bibel zugehören oder zugehören sollen, eh kein theologisches Problem dar.
Schwieriger wird es da schon mit dem alttestamentlichen Buch Jesus Sirach. Nach alter Überlieferung trägt dieses auch den Ehrennamen Ecclesiasticus (siehe Gedanken zur Woche 127 – 22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Bei aller Wertschätzung, ja bevorzugten Verwendung in früherer christlicher Überlieferung, Theologie und Praxis, wird dieses Buch nicht nur von im Regelfall vernachlässigbaren oder meist gar nicht wahrgenommenen Randgruppen des so schillernd-vielfältigen „Protestantismus“ als Bestandteil der Bibel zurückgewiesen. Hier haben wir es bei mehr oder minder intensiv als protestantisch bezeichneten Gruppierungen oder konfessionellen Gemeinschaften mit einer vergleichsweise breiteren Infragestellung bis ausdrücklichen Ablehnung zu tun. Interessiert sich jemand konkret für die Position einer gerade im deutschen Sprachraum als protestantisch bezeichneten Gemeinschaft bezüglich des Buches Jesus Sirach, dem Buch Ecclesiasticus also, so ist die jeweilige Gemeinschaft bis hin zu deren etwaigen einzelnen Gremien und Repräsentanten eigens in den Blick zu nehmen. Da kann es dann eben auch innerhalb ein und derselben „protestantischen“ Gemeinschaft eine Bandbreite von Einzelpositionen und Praktiken geben, ohne dass dies gleich zu einer weiteren Spaltung führen muss.
Dabei weist das Gleichnis vom vorübergehend großzügigen König und seinem unbarmherzigen Knecht bemerkenswerte inhaltliche Gemeinsamkeiten mit eben diesem Buch Jesus Sirach/Ecclesiasticus auf. Dies wird schon deutlich, wenn man nur einmal einen Blick auf die Verse der Ersten Lesung für den 24. Sonntag im Jahreskreis des Jahres 2023 nach der jetzt in der römisch-katholischen Kirche üblichen Leseordnung wirft. Da geht es eben auch, in starken bis dramatischen Worten über Vergebung und Verständigung, um den Verzicht auf Rache und Ausspielen einer eigenen Position gegen einen Mitmenschen.
Ein die Menschen mahnender Vers in dieser Gruppe von Versen des Buches Jesus Sirach, oder kur einfach Sirach, mag da direkt die eigenen Gedanken auf das Vater unser/Vaterunser mit dessen Vergebungsbitte lenken:
„(Sir 28,4) Mit einem Menschen gleich ihm hat er kein Erbarmen, aber wegen seiner Sünden bittet er um Verzeihung?“
Auch andere Verse weisen hier deutlich in diese Richtung. Das gilt zunächst einmal für die allerersten Verse dieses 28. Kapitels von Jesus Sirach, des Buches Ecclesiasticus:
„(Sir 28,1) Wer sich rächt, erfährt Rache vom Herrn; seine Sünden behält er gewiss im Gedächtnis.
(2) Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du bittest, deine Sünden vergeben!
(3) Ein Mensch verharrt gegen einen Menschen im Zorn, beim Herrn aber sucht er Heilung?“
Nach dem zunächst schon zitierten einzelnen vierten Vers geht es weiter:
„(Sir 28,5) Er selbst – ein Wesen aus Fleisch, verharrt im Groll. Wer wird seine Sünde vergeben?
(6) Denke an das Ende, lass ab von der Feindschaft, denk an Untergang und Tod und bleib den Geboten treu!
(7) Denk an die Gebote und grolle dem Nächsten nicht, denk an den Bund des Höchsten und übersieh die Fehler!“
Die dringliche und inständige Aufforderung zur Vergebung und zum Verzicht auf Vergeltung ist also nicht auf das Neue Testament beschränkt. Wir finden dies vielmehr schon im Alten Testament vor. Dort, im Ersten Testament der Bibel, wird auch in Hinblick auf Vergebung und Versöhnung der Weg in dieselbe Richtung gewiesen, wie dann im Zweiten Testament der Bibel, eben nicht zuletzt durch das Gleichnis vom zunächst so großzügigen und vergebungsbereiten König und seinem seinerseits so unbarmherzigen Knecht und gleichzeitigen Schuldner.
Beachtenswert ist dabei, dass allein schon in diesen wenigen zitierten Versen aus Sirach/Ecclesiasticus eindringlich auf den offensichtlich schon vorhandenen Bund mit Gott und mehr als einmal auf die Gebote hingewiesen wird. Damit gelangt man von diesem, in der noch nicht wie in neuerer Zeit so geteilten und zerrissenen Christenheit so besonders gerne herangezogenen Buch Jesus Sirach sogar sehr deutlich zu den Fünf Bücher Mose, dem Pentateuch, anders gesagt zur Thora/Tora/Torah!
Damit wird das fortgesetzt, was schon im Prolog des Buches Jesus Sirach/Ecclesiasticus angesprochen wird (siehe Gedanken zur Woche 70-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Dieses Grundmotiv begegnet dann sowohl in der Bergpredigt nach Matthäus (Mt 5,17-20) (siehe Gedanken zur Woche 61 – Hochfest von Pfingsten (2021); knapper Gedanken zur Woche 71 – 18. Sonntag im Jahreskreis (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 81 – 28. Sonntag im Jahreskreis (2021)) wie im Gespräch des auferstandenen Herrn Jesus mit den Emmausjüngern nach Lukas (Lk 24,13-32 oder 24,13-35) (siehe ebd.; Gedanken zur Woche 120 – 15. Sonntag im Jahreskreis (2022) und Gedanken zur Woche 131 – 26. Sonntag im Jahreskreis (2022)) wieder!
Nicht vergessen werden darf dabei der egalitäre Ansatz im Pentateuch, in den Fünf Büchern Mose. Beim Bundesschluss am Berg Sinai gibt es eben nur das Volk und dann gewissermaßen Bundesvolk. Kein Monarch und kein Adel waren dort dabei gewesen oder vorgesehen. Diese Grundlinie setzt sich fort, nicht zuletzt im Buch Jesus Sirach/Ecclesiasticus. Gerade auch zum Beispiel im Buch der Richter, in den Büchern Rut und Weisheit geht es in diesem Sinne weiter. Im Buch Tobit, manchmal auch Tobias genannt, in Judit, der Susanna-Geschichte im Buch Daniel und den beiden Makkabäerbüchern findet sich dazu Bemerkenswertes bis Revolutionäres. Anregungen kann eigens das Buch Baruch einschließlich seinem Schlussteil, dem sogenannten Brief des Jeremia, vermitteln.
1. Lesung: Sir 27,30-28,7
2. Lesung: Röm 14,7-9
Evangelium: Mt 18,21-35
Gedanken zur Woche 182-b, Dr. Matthias Martin
24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Bibel und kirchliche Überlieferung sind grundsätzlich nicht voneinander zu trennen. Da gilt zum einen, dass ein und derselbe Text ganz unterschiedlich bis entgegengesetzt verstanden, völlig verschieden ausgelegt oder auch bewusst etwa in einem propagandistischen bzw. agitatorischen Sinne eingesetzt werden kann.
Dies gilt natürlich auch und gerade in Hinblick auf die Texte jener Sammlung von mehr oder minder einzelnen Schriften, welche so gerne „Bibel“ oder etwa „Heilige Schrift“ genannt wird. Bei dieser Sammlung von Schriften kommt hinzu, dass zu klären ist, welche Schriften denn überhaupt als Bestandteile eben einer solchen „Bibel“ oder „Heiligen Schrift“ anerkannt sein sollen, welchen Schriften vielleicht ein solcher Status zu verweigern, aber sonst ein positiver Wert zuzuerkennen wäre, und welche Schriften vielleicht gar rundherum abzulehnen wären. Sollte man sich auf eine Auflistung bezüglich der Schriften geeignet haben, welche zu so etwas wie „Bibel“ gehören sollen oder müssen, so bleibt die Frage, welche einzelnen Teile, die mehr oder minder häufig als Teile solcher „biblischen“ Bücher oder Schriften überliefert sind, denn nun für die Herausgabe Bibel zu berücksichtigen seien und welche nicht. So stößt man mitunter in neueren Bibelausgaben auf eingeklammerte Textteile oder auf solche, über die es in einem Anmerkungsapparat heißen mag, dass diese nicht in allen oder etwa nicht in als besonders alt angesehenen Handschriften der Überlieferungsgeschichte enthalten seien. Für einen einzelnen Vers oder Halbvers kann es da im Laufe der Geschichte schon eingehende bis hasserfüllte Diskussionen gegeben haben (siehe allgemein Gedanken zur Woche 172 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Sollte man sich aber auch diesbezüglich geeinigt haben, bleibt immer noch die ihrerseits oft kontroversielle Frage der richtigen Übersetzung. Diese Frage stellt sich umso mehr, da ja das Neutestamentliche Griechisch, das Koinē, und erst recht das Althebräische über eine ganz eigene Grammatik mit nicht zuletzt eigenen Zeitformen verfügen (siehe generell Gedanken zur Woche 180-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Hinzu kommt ständig die Frage, wie denn ein einzelner Begriff oder auch eine umfassendere Formulierung im sozio-kulturellem oder allgemeinen geschichtlichen Zusammenhang in einem jeweiligen Kontext zu verstehen sind.
Wertvolle Hinweise kann dabei eben so etwas wie die kirchliche Überlieferung bieten. Natürlich kann auch ein Ausdruck wie „kirchliche Überlieferung“ oder etwa „Tradition der Kirche“ unterschiedlich verstanden werden. Ja, auch ein solcher Ausdruck kann missbraucht werden.
Gerade kirchliche Entscheidungen und Verhaltensmuster der frühen Jahrhunderte verdienen aber doch eigene Beachtung. Angehörige des sich entwickelnden Christentums standen nicht zuletzt sprachlich und überhaupt sozio-kulturell noch der Ursprungszeit von so etwas Christentum, der gewissermaßen neutestamentlichen Zeit, näher. Dazu ist eben die Abgrenzung zwischen biblischen und außerbiblischen Schriften nicht so klar, wie dies landläufig sehr oft angenommen wird. Allein schon ein Blick auf den jeweiligen biblischen Kanon alter konfessioneller Gemeinschaften wie der orthodoxen, der altorientalischen und der römisch-katholischen Richtung des Christentums verdeutlicht dies. Da gibt es eben diese Unterschiede in Zusammensetzung und Umfang jeweiliger empfohlener bis offizieller Bibelausgaben. Schriften, die außerhalb eines solchen biblischen Kanons mehr oder minder vieler oder weniger konfessionellen Gemeinschaften zu finden sind, können durchaus ein bemerkenswertes Alter und einen starken Informationswert aufweisen. Dies geht dann weiter mit überlieferten Beschlüssen und dergleichen von im Laufe der Jahrhunderte abgehaltenen Synoden und Konzilien, mit den Schriften und einschlägigen Fragmenten frühchristlicher Persönlichkeiten. Es kommen hinzu die Schriften einschließlich Aufzeichnungen etwa zu Predigten und Ansprachen sogenannter Kirchenväter und so fort. Da es im Christentum aber nicht einfach um Worte und aus Worten bestehende Schriften geht, besitzt das Lebenszeugnis von Menschen seit den Tagen des Alten und dann des Neuen Testaments mit all den literarischen und allgemeinhistorischen Übergängen und mehr oder minder heutigen fachlichen Diskussionen um Datierungen, inhaltliche Beeinflussungen und generell historische Ein- oder Zuordnungen seine eigene und manchmal sehr starke Aussagekraft.
Da ist dann etwa auch der liturgische Kalender für eine Woche im Kirchenjahr eigens interessant. Nehmen wir etwa anhand des heutzutage gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum meist verwendeten liturgischen Kalender für die Feier von Gottesdiensten im nachkonziliaren/Nachkonziliaren Ritus die 24. Woche im Jahreskreis kurz in den Blick.
Da werden mit dem heiligen Lambert und dann dem heiligen Januarius zwei Bischöfe als Tagesheilige geehrt, welche in unterschiedlichen Jahrhunderten der Märtyrertod starben. Wurde der heilige Lambert im Rahmen eskalierender Auseinandersetzungen von einem Vertreter des Adels oder dem örtlichen Adel zu Beginn des achten Jahrhunderts getötet, so starb Januarius in der Zeit der Christenverfolgung des römischen Gewaltherrschers Diocletian zu Beginn des vierten Jahrhunderts den Märtyrertod. Bezeichnenderweise agitierten im 20. Jahrhundert gerade Kommunisten gegen die Verehrung dieses Opfers brutaler staatlicher Verfolgung und versuchten hartnäckig, diese zu diskreditieren.
Gar nicht gut sind Kommunisten offensichtlich auch auf ein Angedenken zu Ehren von koreanischen, vietnamesischen Märtyrern und solchen aus dem Gebiet des gegenwärtigen Chinas zu sprechen (siehe etwa Gedanken zur Woche 87-b – 34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Da besitzt dann der Gedenktag der heiligen Andreas Kim Taegon, Paul Chong Hasang und Gefährten aus Korea um so mehr Aussagekraft. Auch diese Menschen, Priester und vor allem Laien, Frauen wie Männer, Junge und Alte sowie Verheiratete und Unverheiratete haben ihre ganz eigene, über Tagespolitik und örtliche Pastoral hinausweisende Aussagekraft (siehe Gedanken zur Woche 130-b – 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
So stellt das heutige kommunistische Nordkorea eine besonders schlimme Diktatur dar. Treuherzige Bekundungen auch sogenannter „christlicher“ Vertreter, der jeweilige Gesprächspartner aus den Reihen dieses Regimes sei doch ein so freundlicher Zeitgenosse gewesen, und man solle anstatt Kritik zu üben und auch noch Opfern eines solchen Regimes helfen zu wollen, lieber „Dialog“ führen, ändern daran nichts. Nicht ernsthaft zu bestreiten ist etwa auch, dass es im Rahmen der vorübergehenden Besetzung des größten Teils Südkoreas als Folge des kommunistischen Überfalls auf dieses Land zu gezielten Massakern kommunistischerseits kam. Diese Verbrechen richteten sich nicht zuletzt gegen örtliche Christinnen und Christen.
Auch hier haben wieder Christinnen und Christen ihre Treue zum christlichen Glauben mit dem Blut bezeugt, so wie einst eben Andreas Kim Taegon, Paulus Hong Hasang und Gefährten. Auch hierbei ist wieder der geschichtliche Zusammenhang, ist der internationale Hintergrund zu betrachten. So wurde das kommunistisch-nordkoreanische Regime massiv von den kommunistischen Herrschern in Peking und der Sowjetunion unterstützt und noch aufgestachelt. Wenige Jahre vor Ausbruch des Koreakrieges hatten die USA und Großbritannien noch als Verbündete der Sowjetunion Josef Stalins und der chinesischen Kommunisten ihrerseits auch Nordkorea den Kommunisten gewissermaßen in den Rachen geworfen.
Umso beeindruckender ist der Bekennermut bis hin zur Martyriumsbereitschaft koreanischer Christinnen und Christen auch dieser Zeit.
Zum Martyrium in ihrer Zeit waren auch der heilige Matthäus und etwas später der heilige Mauritius und Gefährten bereit gewesen. Das einstige Römische Reich und andere damalige Reiche sind vergangen, betreffende Dynastien wurden gestürzt. Die Verehrung solcher Märtyrer und das Zeugnis ihres Lebens und Sterbens aber sind geblieben. Das sollte auch heutzutage zu im guten Sinne kritischen Nachdenken und Handeln ermutigen und vor Naivität gegenüber weltlichen Machthabern bewahren helfen.
Gedanken zur Woche 181, Dr. Matthias Martin
23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Die sog. Gemeinderegel, welche manchmal auch mit anderen Bezeichnungen wie etwa „Die brüderliche Zurechtweisung“ bedacht wird, stellt weitgehend matthäisches Sondergut, also so etwas wie matthäische Traditio Simplex/Simplex Traditio dar. Sie ist aber doch eine besonders bemerkenswerte Stelle im Neuen/Zweiten Testament. Diese weitgehend singulär matthäische Gemeinderegel besitzt eine nicht zu übersehende Stellung in der biblischen Gesamtüberlieferung aus Altem und Neuem Testament, anders gesagt aus Erstem und Zweiten Testament.
Geht man bewusst von den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas aus, so lässt sich feststellen, dass auch sonst ja immer wieder Sondergut besondere Beachtung bis in die bildende Kunst hinein gewann. Man denke hier beispielsweise nur an die lukanische Weihnachtsgeschichte (Lk 2,1-20), die matthäische Erzählung von den Weisen, den Sterndeutern aus dem Osten (Mt,2,1-12), die nur bei Lukas erwähnte Auferweckung des Jünglings von Nain (Lk 7,11-17), das matthäische Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24-30) samt dessen zumindest ansatzweise knappe Erklärung (Mt 13,36-43), das wiederum matthäische Gleichnis vom seinerseits so unbarmherzigen Schuldner (Mt 18,23-35), das lukanische Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,28-37) wie das ebenfalls lukanische Gleichnis vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater (Lk 15,11-31). Es mag bezüglich prominenten Sondergutes auch das lukanische Gleichnis vom reichen Prasser und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31), das matthäische Gleichnis vom gleichen Lohn bei unterschiedlich langer Arbeit (Mt 20,1-16), das lukanische Sondergut von der Begegnung Jesu mit dem Zöllner Zachäus (Lk 19,1-10), die matthäischen Gleichnisse von den klugen und den törichten Jungfrauen (Mt 25,1-13) und vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46) in den Sinn kommen. Auch in Hinblick auf Passion und Auferstehung Jesu begegnet immer wieder Sondergut.
Zu guter Letzt stellen sowohl die lukanische Emmausgeschichte (Lk 24,13-35) wie der Schluss des Matthäusevangeliums (Mt 28,16-20) jeweils Sondergut dar.
Dieser kurze und geraffte Überblick verdeutlicht schon, dass jeweiligem Sondergut besondere Wirkmächtigkeit zukommen kann, ihm eine besondere Ausstrahlung zu eigen sein kann.
Dies trifft dann auch auf die so nur im Matthäusevangelium überlieferte Gemeinderegel zu. Lediglich zu Beginn gibt es eine wenige Worte umfassende Überschneidung mit dem Lukasevangelium (Mt 18,15 und Lk 17,3b). Aber auch hier finden wir keine wortwörtliche Übereinstimmung zwischen den betreffenden Versen bzw. Versteilen vor. Dazu ist die betreffende Formulierung bei der Anordnung des Lukasevangeliums offensichtlich in einen anderen Zusammenhang eingebaut. Gerade im Sinne eines bewusst historisch-kritischen Zuganges könnte man hier von einem kompositorischen Unterschied sprechen. Wie Menschen an die Bibel oder Teile der Bibel herangehen, kann eben ganz verschieden bis völlig widersprüchlich sein.
Dementsprechend gibt es ja auch ganz unterschiedliche Versuche einer Erklärung, wie es denn einerseits zu bis in den Wortlaut gehenden Übereinstimmungen und andererseits zu sprachlich-stilistischen wie inhaltlichen Unterschieden allein schon zwischen den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas und dann auch noch zur sehr eigenständigen Stellung des Johannesevangeliums gegenüber diesen drei synoptischen Evangelien kam. Diese besondere Stellung des Johannesevangeliums wird gar als isolierte Stellung oder in einem deutlichen Sinne als Sonderstellung gesehen.
So ist es dann nicht verwunderlich, dass es im Johannesevangelium keine Gemeinderegel wie eben im Matthäusevangelium gibt. Gleiches gilt für das Markusevangelium und im Lukasevangelium finden sich für diesen synoptischen Bereich oder Unterabschnitt eben nur wenige Worte der Übereinstimmung, während diese Gemeinderegel oder eben „brüderliche Zurechtweisung“ eine Besonderheit des Matthäusevangeliums darstellt.
Wie in anderen Fällen von Sondergut gerade von Matthäus und analog von Lukas stellt sich die Frage, warum diese Gemeinderegel so nur im Matthäusevangelium vorliegt. Mit Blick auf die Zweiquellentheorie lässt sich eigens fragen, warum diese Gemeinderegel so nicht im Markusevangelium und als Gesamtheit auch nicht im Lukasevangelium vorhanden ist.
War dieses Überlieferungsmaterial nun etwa dem Verfasser bzw. den für die Redaktion des Markusevangeliums tätigen Menschen und überhaupt dem zur Entstehung des Markusevangeliums führenden Überlieferungsstrang unbekannt? Gilt dies auch bezüglich der angenommenen Quelle/Logienquelle Q? Wenn das den wesentlichen Teil der matthäischen Gemeinderegel bildende Überlieferungsmaterial weder bei der Entstehung des Markusevangeliums noch in Material, das bei der Verfassung bis Endredaktion des Lukasevangeliums zur Verfügung stand, vorhanden bzw. bekannt war, wie kam es dann in das uns vorliegende Matthäusevangelium hinein? Diese Fragestellung gilt natürlich auch für anderes Sondergut, gerade das angesprochene prominentere, sowohl bei Matthäus als auch bei Lukas.
Wie kam es darüber hinaus zum Vorhandensein von markinischem Sondergut, also kürzeren oder längeren Textteilen, die im Markus-, aber weder im Matthäus- noch im Lukasevangelium und auch nicht im Johannesevangelium sind?
Immerhin gehören zum markinischen Sondergut zwei eigene Wundererzählungen. Hierbei handelt es sich zum einen um die Verse von der Heilung eines Taubstummen (Mk 7,31-37) und zum anderen um Verse von der Heilung eines Blinden (Mk 8,22-26). Ebenso stellt das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29) markinisches Sondergut dar.
Im Sinne einer bewusst historisch-kritischen oder immanentistischen Herangehensweise ließe sich die Frage aufwerfen, ob hier nicht eine bewusste, theologisch oder pastoral motivierte Bearbeitung eines schon vorliegenden Markusevangeliums durch die Verfasser des Matthäus- und des Lukasevangeliums durchgeführt wurde. Ließ man bei der Abfassung dieser beiden Seitenreferenten, ja auch Großevangelien genannt, etwa die markinische Erzählung von der Heilung eines Blinden fallen, weil dort Jesus von Nazaret irgendwie nicht so professionell als Wunderheiler erschienen wäre? Wollte man mit dem Weglassen der Erzählung von der Heilung eines Taubstummen unangenehme Fragen vermeiden, warum etwa Jesus nicht allein durch sein Wort heilte, und warum Jesus diesen Taubstummen zunächst weg von der Menge nahm. Durch das Weglassen dieser Verse von der Heilung eines Taubstummen hätte sich auch die Frage, warum Jesus von Nazaret den dort befindlichen Menschen verbot, von dieser Heilung zu erzählen, sie es aber um so mehr taten, erübrigt.
Wurde bei dem vielleicht bei der Erarbeitung des Matthäus- und des Lukasevangeliums doch vorliegendem Gleichnis von der selbstwachsenden Saat befürchtet, dieses könne zu Passivität verführen, zu einer Art pastoralen Faulheit? Hier wächst ja augenfällig die Saat ohne dass Mitarbeiter eines Ackerbesitzers oder Gutsherren bzw. dieser selber etwas dazu tun. In der matthäischen Gemeinderegel etwa geht es ja demgegenüber darum, dass so etwas wie Gemeindevertreter selber aktiv handeln und nicht die Hände in den Schoß legen. In diese Richtung gehen auch die angesprochenen Worte im Lukasevangelium, welche eine Übereinstimmung mit den Worten der matthäischen Gemeinderegel aufweisen. Erst recht weisen natürlich Gleichnisse wie das vom barmherzigen Samariter, das vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater sowie das vom Jüngsten Gericht und das den von törichten und den klugen Jungfrauen in die Richtung von aktivem Handeln. Dies gilt auch für weitere Stellen, nicht zuletzt eben im Matthäus- und im Lukasevangelium.
Wurde die knappe markinisches Sondergut darstellende Stelle über das scheinbar gespannte Verhältnis von Jesus zu seinen Angehörigen (Mk 3,20-21) vielleicht weggelassen, um diese als problematisch bis peinlich empfundene Stelle nicht noch weiter zu verbreiten?
Solche Fragen ergeben sich eben gerade von einer Zweiquellentheorie her, mit der Annahme, das Markusevangelium und die ja nicht wirklich, empirisch-positiv vorgefundene (siehe Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und allgemeiner Gedanken zur Woche 180 – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) Quelle Q seien die Quellen bei der Erarbeitung des Matthäus- und des Lukasevangeliums gewesen. Bei anderen (Grund-)Annahmen bis theologisch-philosophischen Prämissen oder Axiomen ergeben sich andere Fragen bis Erklärungsversuche.
Unterschiedliche Meinungen bezüglich der Bibel, schlicht als unterschiedliches Bibelverständnis oder auch anders bezeichnet, spielen eine gewichtige Rolle bei den gerade im methodistischen und anglikanischen Bereich derzeit voranschreitenden Spaltungsvorgängen. Bei diesen ist kein Ende abzusehen, was man nicht verdrängen sollte.
Polemik wie Vertuschung sind da nicht hilfreich. Die matthäische Gemeinderegel mag dies verdeutlichen. Sie unterstreicht, dass es auch in einer sich als christlich verstehenden Gemeinschaft zu Konflikten kommt und diese schwerwiegend sein können.
1. Lesung: Ez 33,7-9
2. Lesung: Röm 13,8-10
Evangelium: Mt 18,15-20
Gedanken zur Woche 181-b, Dr. Matthias Martin
23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Es ist bemerkenswert, wenn nach dem bei uns üblichen liturgischen Kalender in einer einzigen Woche gleich zwei spezifisch marianische Fest- bzw. Gedenktage gefeiert werden.
Da ist in dieser 23. Woche im Jahreskreis im Jahr 2023 zum einen das Fest vom HEILIGSTEN NAMEN MARIENS und zum anderen der Gedenktag vom GEDÄCHTNIS DER SCHMERZEN MARIENS. Letzterer Gedenktag wird auch FEST DER SIEBEN SCHMERZEN MARIENS genannt. Demgegenüber wird das Fest vom HEILIGSTEN NAMEN MARIENS etwa in der kleinen Ausgabe des jetzt allgemein verwendeten Deutschen Messbuchs auch knapper MARIÄ NAMEN genannt (siehe allgemein Gedanken zur Woche 41 – 4. ADVENTSONNTAG (2020)).
In dieser Ausgabe des neueren Deutschen Messbuchs wird auch auf die Veränderungen eingegangen, welche diesen Fest- und Gedenktag im Rahmen der sog. Liturgiereform betroffen haben. So heißt dort zu MARIÄ NAMEN am 12. September:
„Das Fest erinnert an den Sieg über die Türken bei Wien (Sonntag in der Oktav von Mariä Geburt 1683). Als Verdoppelung zu Mariä Geburt im Generalkalender gestrichen, bleibt es wegen des historischen Bezuges zum Sprachgebiet und der Verwurzelung im Volk im Regionalkalender erhalten.“
Dieser Regionalkalender ist dabei grundsätzlich für den ganzen deutschen Sprachraum bestimmt, über dialektmäßige, politische und soziale Grenzen hinweg. So wurden ja auch etwa das Deutsche Messbuch in seiner kleinen wie seiner großen Ausgabe, die Lektionare und die kirchlichen Stundenbücher für die Gesamtheit des deutschen Sprachraums erarbeitet und in Kraft gesetzt. Dies gilt auch für andere Werke wie etwa die lateinisch-deutsche Ausgabe des CIC, des CODEX IUIRS CANONICI – CODEX DES KANONISCHEN RECHTES und die lateinisch-deutsche Ausgabe des CCEO, des CODEX CANONUM ORIENTALIUM – KODEX DER KANONES DER ORIENTALISCHEN KIRCHEN sowie die deutsche Ausgabe des L‘OSSERVATORE ROMANO, als der offiziellen Zeitung des Vatikans.
Die Verehrung Mariens verbindet dabei Menschen aus unterschiedlichen christlichen Konfessionen, ja auch im Koran und überhaupt in der islamischen Überlieferung hat Maria ihren bemerkenswerten Platz (siehe Gedanken zur Woche 41 – 4. ADVENTSONNTAG (2020)). Dazu passen die Hinweise auch direkt von Muslimen, dass nicht wenige Muslime sich gerne zu katholischen Marienwallfahrtsorten aufmachen. In jüngster Zeit ist ein verstärktes Interesse an Maria, die ja aus dem jüdischen Volk stammte, auch im Judentum zu beachten. So kann die richtig verstandene und nicht extreme, irgendwie übertriebene Verehrung Mariens Menschen aus unterschiedlichen Regionen und Ländern wie auch aus unterschiedlichen Konfessionen und Religionen zusammenführen. Dies ist nicht zuletzt bemerkenswert vor dem Hintergrund der so stark zu beobachtenden Tendenzen, sich auseinanderzuleben etwa innerhalb der katholischen Kirche. Dass sich sehr viele Menschen längst von der Kirche getrennt haben, ist eine Tatsache, die ehrlicherweise zuzugeben ist. Verdrängen oder verleugnen hilft hier nichts. Sich ehrlich und nach bestem Wissen und Gewissen den Tatsachen zu stellen, ist gerade heutzutage wieder eben auch in Hinblick auf das kirchliche Leben Gebot der Stunde.
Dies gilt natürlich auch in Hinblick auf angenehme, erfreuliche Tatsachen und Gesamtzusammenhänge. So mag der Umstand, dass in verschiedenen Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils die Allerseligste Jungfrau Maria in unterschiedlicher Hinsicht gewürdigt bzw. den interessierten Menschen vor Augen gestellt wird (siehe Gedanken zur Woche 73 - HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL und 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 41 – 4. ADVENTSONNTAG (2020)), helfen, Menschen unterschiedlicher Richtungen innerhalb der katholischen Kirche wieder stärker zusammenzuführen.
Dass Wallfahrtsorte im Allgemeinen und da gerade Marienwallfahrtsorte im Besonderen immer wieder beachtlichen Zuspruch finden, ist ganz generell ermutigend. In den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, als in vielen Ländern der Welt bei Katholiken bereits Kirchenbesuch und Sakramentsempfang wie auch Ordens- und Priesterberufungen massiv einbrachen, stieg das Interesse für manchen Wallfahrtsort und manche Wallfahrtstradition noch an. Dass dies auch nichtmarianische Wallfahrtsorte betreffen konnte, verdeutlicht eindrucksvoll Santiago de Compostela als Wallfahrtsort und Grablege des heiligen Apostels Jakobus (siehe Gedanken zur Woche 122-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Mit Galicien und dessen auch nationaler, politischer Hauptstadt Santiago de Compostela so eng sprachlich verbunden ist das südlich davon gelegene Portugal. In den letzten Jahrzehnten machten sich die Päpste immer wieder in das dortige Fatima auf. Dies geschah auch in Hinblick auf das im historischen Okzitanien gelegene Lourdes. Sehr große Wertschätzung erfreuen sich diese Wallfahrtsorte auch bei Katholikinnen und Katholiken, welche infolge einer in einigen Punkten bis generell sehr kritischen Haltung gegenüber dem Zweiten Vatikanischen Konzil sehr oft kein ungetrübtes oder gar herzliches Verhältnis zur offiziellen Hierarchie der römisch-katholischen Kirche (mehr) haben. Wie schon angesprochen, kann da eine unverzerrte und gewissermaßen vernünftige Marienverehrung helfen, Konflikte abzubauen und das Gemeinsame zu fördern. Dass dies natürlich eine eigene Herausforderung ist, verdeutlicht allein schon die Tatsache, dass selbst bei so etwas wie offiziellen Theologen die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils im Wesentlichen oft unbekannt sind. Oft ist nicht einmal bekannt, dass auf diesem Konzil insgesamt 16 Dokumente, und zwar als Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen verabschiedet wurden.
Dies erschwert natürlich auch sonst immer wieder die sachliche Diskussion. So ist die massive, ja enthemmte Betonung des päpstlichen Universalprimates gerade in Jurisdiktionsfragen in der allgemeinen Wahrnehmung sehr stark ausgeblendet. Gleiches gilt auch für die im Zweiten Vatikanischen Konzil betonte Alleinregierung des jeweiligen Bischofs über seine Diözese, sein Bistum. Auch die Betonung einer traditionellen Lehre zu Ehe und Familie durch das Zweite Vatikanische Konzil einschließlich scharfer Verurteilung von Abtreibung ist auch innerkirchlich weitgehend bis weitestgehend unbekannt.
Es ist anzunehmen, dass die von ganz verschiedener Seite immer wieder zu vernehmende Berufung auf das Zweite Vatikanische Konzil bis hin zur gereizten Aufforderung an den Heiligen Stuhl, alle Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils gefälligst zu verteidigen, oft ohne Kenntnis der Texte geschieht.
Wer sich alles auf das Zweite Vatikanische Konzil beruft, ist oftmals nicht dafür bekannt, eine intensive Verehrung der Allerseligsten Jungfrau Maria, Priesterausbildung im Sinne des Kirchenlehrers Thomas von Aquin, scharfe Verurteilung von Abtreibung und Aufweichungen bei traditioneller Ehelehre, wie sie in der durch das Zweite Vatikanische Konzil wiederholt angeführten Enzyklika „Casti Conubii“ (1930) formuliert wurde, und die Beachtung des priesterlichen Zölibats zu betreiben. Auch wirkt die mitunter lautstarke blanko Würdigung des Zweiten Vatikanischen Konzils durch konfessionelle Gemeinschaften, die etwa das in apostolischer Sukzession weitergegebene Bischofsamt als wirkliches kirchliches Entscheidungs- oder Regierungszentrum und einen regelrecht enthemmten Papstprimat keineswegs befürworten, sondern in der Praxis beständig zurückweisen, als nicht sachlich fundiert.
Da mag ein Blick auf die Allerseligste Jungfrau vielleicht etwas zum Nachdenken anregen und Deeskalation erleichtern. Marienwallfahrtsorte und andere Wallfahrtsorte wie Marienverehrung im Allgemeinen besitzen allein schon in kultureller Hinsicht enorme Bedeutung. Dies gilt sowohl bezüglich der bildenden Künste wie in Hinblick auf das ebenfalls so weite Feld der Musik.
Gedanken zur Woche 180, Dr. Matthias Martin
22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Die erste Leidensvorhersage oder Leidensankündigung Jesu von Nazarets in den synoptischen Evangelien bietet den Lesern des Neuen/Zweiten Testaments in erheblichem Ausmaß eine Traditio Triplex/Triplex Traditio. Sie findet sich also in allen drei der synoptischen Evangelien (Mt 16,21-23; Mk 8,31-33; Lk 9,22).
Auffällig ist dabei, dass die gewissermaßen eigenwilligen Bemerkungen des Petrus und seine scharfe Zurechtweisung durch Jesus nur im Matthäus- und im Markusevangelium zu finden sind (Mt 16,22-23 und Mk 8,32b-33). Dieser Teil stellt also Traditio Duplex/Duplex Tradito dar. Wie es zum Fehlen dieser drastischen Aussagen im Lukasevangelium kam, mag auf verschiedene Weise erklärt werden. Wurde betreffender bei Matthäus und Markus vorfindlicher Überlieferungsstoff etwa bei der Erstellung des Lukasevangeliums fallengelassen, um sich damit in den Augen von Hörern und Lesern eine Peinlichkeit zu ersparen? Einer solchen Überlegung können Menschen zuneigen, die Befürworter einer wie auch immer in den Einzelheiten ausformulierten bzw. vorgetragenen Zweiquellentheorie sind. Demnach wäre ja das Markusevangelium zusammen mit der angenommenen und versuchterweise rekonstruierten Quelle Q die quellenmäßige Basis für die Abfassung des Matthäus- wie des Lukasevangeliums gewesen (siehe Gedanken zur Woche 119 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 121 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 134 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Oder lag vielleicht dem Verfasser bzw. den redaktionellen Urhebern des heutigen Lukasevangeliums eine etwas andere Variante eines frühen Markusevangeliums vor? Folgte man statt der Zweiquellentheorie aber der Zwei-Evangelien-Theorie mit der Annahme, sowohl das Lukasevangelium als auch das Markusevangelium seien unter Benutzung eines zuerst schon vorliegenden Matthäusevangeliums verfasst worden (siehe Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 134 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)), so könnte natürlich auch im Rahmen solcher Überlegungen ein bewusstes Wegfallenlassen, um nicht zu sagen Wegretuschieren des bei Matthäus und Markus, aber eben nicht bei Lukas zu findenden durchaus brisanten Stoffes angenommen werden. Oder lag bei der Erarbeitung des heute so genannten Lukasevangeliums im allgemeineren Sinne dieser Zwei-Evangelien-Theorie etwa eine zumindest diese Versteile nicht umfassende, also etwas kürzere Fassung des Matthäusevangeliums vor?
Die Meinung, es habe bei der Erstellung des Lukasevangeliums dieses bewusste Weglassen des als peinlich empfundenen Stoffes der Auseinandersetzung zwischen Jesus von Nazaret und Petrus gegeben, ließe sich auch mit der in der Farrerhypothese/Farrer-Theorie geäußerten Grundposition vereinbaren, demzufolge bei der Erstellung des Lukasevangeliums sowohl das wohl besonders alte Markusevangelium wie dann das wohl später verfasste Matthäusevangelium schon als Quelle vorgelegen sei (siehe ebd.).
Das Lukasevangelium wurde jedenfalls wiederholt verdächtigt, bewusst gefällig für eine heidnische Umwelt verfasst worden zu sein. In diesem Sinne wäre ja eine scharfe Zurechtweisung des Petrus als Erstem der Apostel durch Jesus von Nazaret mehr noch als eine Belehrung Jesu durch Petrus eine Peinlichkeit. Gerade im Lukasevangelium erscheint der heidnisch-römische Statthalter Pontius Pilatus in einem eher positiven Bild. Schuldig an der Verurteilung und Hinrichtung Jesu von Nazarets erscheinen dort umso mehr Vertreter des wohlgemerkt ja in verschiedene Richtungen und Untergruppen aufgespaltenen Judentums. Eine solche Ausrichtung mag man erst recht erkennen, wenn man von einem aus dem Lukasevangelium und der Apostelgeschichte bestehenden lukanischen Doppelwerk ausgeht. In der Apostelgeschichte werden ausdrücklich jüdische Vertreter vorwurfsvoll mit dem Tod Jesu von Nazarets in Verbindung gebracht (siehe Apg 2,36; 3,14-15; 4,10; 5,30 und 7,52-53). Dies geht so weit, dass in dieser Apostelgeschichte eben Pontius Pilatus ausdrücklich recht gut wegkommt. So finden wir dort nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung die Worte:
„(Apg 3,13) Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht verherrlicht, den ihr ausgeliefert und vor Pilatus verleugnet habt, obwohl dieser entschieden hatte, ihn freizulassen.“
Das Verhör Jesu durch seinen gewissermaßen jüdischen Landesherrn Herodes Anitpas wird nur im Lukasevangelium erwähnt (Lk 23,6-12). Auch die anschließend bei Lukas zu findenden Verse über das Gespräch des Pontius Pilatus mit jüdischen Vertretern einschließlich Hohepriestern (Lk 23,13-16) stellt wiederum lukanisches Sondergut dar. Wir finden dieses nicht im Matthäus- und nicht im Markusevangelium. Dabei erscheint Pilatus hier in einem freundlichen Licht, was in die Richtung geht, er habe letztlich Jesus von Nazaret vor der Hinrichtung retten wollen:
„(Lk 23,13) Pilatus rief die Hohepriester und die anderen führenden Männer und das Volk zusammen (14) und sagte zu ihnen: Ihr habt mir diesen Menschen hergebracht und behauptet, er wiegle das Volk auf. Und siehe, ich selbst habe ihn in eurer Gegenwart verhört und habe an diesem Menschen die Schuld, wegen der ihr ihn anklagt, nicht gefunden, (15) auch Herodes nicht, denn er hat ihn zu uns zurückgeschickt. Ihr seht also: Er hat nichts getan, worauf die Todesstrafe steht. (16) Daher will ich ihn auspeitschen lasen und dann freilassen.“
Am ehesten findet sich noch eine inhaltlich ähnliche Formulierung im Johannesevangelium:
„(Joh 18,38b-39) Nachdem er <,Pontius Pilatus,> das gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: Ich finde keine Schuld an ihm.“
Oder lag im Sinne einer Vierquellentheorie/Vier-Quellen-Theorie bestimmtes Material dem Verfasser bzw. der Redaktorengruppe des Lukasevangeliums vor, das aber denen des Matthäus- und des Markusevangeliums nicht zur Verfügung stand?
Im Sinne einer historisch-kritischen Herangehensweise könnte jemand den Verdacht hegen, im Lukasevangelium solle gerade auch Petrus als führende Persönlichkeit des Apostelkreises im Sinne christlicher Imagepflege in einem möglichst guten Licht erscheinen.
All solche Überlegungen erübrigen sich natürlich, wenn man von so etwas wie einer Verbalinspiration und dies gerade in Hinblick auf die vier gemeinhin als neutestamentlich angesehenen Evangelien ausgeht. Demnach wären die Texte gerade dieser vier neutestamentlichen Evangelien wörtlich von Gott her diktiert worden. Eine menschliche Bearbeitung von so etwas wie dem heute vorliegenden Bibeltexte könne nicht stattgefunden haben, und so etwas wie eine in die Textüberlieferung eingreifende menschliche Redaktionsgeschichte habe es nicht gegeben oder diese sei eben irrelevant.
Es ergibt sich dann auch ein eigenes Bild, wenn man einer Marcion-Hypothese, der Theorie einer Marcion-Priorität anhängt (siehe Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022)). Sollte das Evangelium des Marcion/Markion wirklich den vier kanonischen Evangelien vorausgehen und diese ihrerseits eine Reaktion des sich als Großkirche durchsetzenden Milieus gewesen sein? Geht man dabei davon aus, dass bei einer Priorität des Evangeliums des Marcion/Markion das Matthäus- und das Markusevangelium älter als das Lukasevangelium wären und diesem wie vielleicht auch das Johannesevangelium als Quellen gedient hätten, so wäre doch wiederum denkbar, dass eine betreffende redaktionelle Bearbeitung bei der Abfassung des Lukasevangeliums stattgefunden hätte. Diese hätte dann wiederum das bewusste Ziel verfolgen können, die unangenehme Stelle mit der verbalen Auseinandersetzung zwischen Jesus von Nazaret und Petrus unter den Tisch fallen zu lassen.
Auf der anderen Seite finden sich die nachfolgenden Worte Jesu über die Nachfolge Jesu als Leidensnachfolge wiederum in allen drei synoptischen Evangelien (Mt 16,24-28; Mk 8,34-9,1; Lk 9,23-27). Da liegt also wieder Traditio Triplex/Triplex Traditio vor, mitunter bis in den Wortlaut hinein. Diese grundsätzliche Übereinstimmung gilt auch für den so schwierigen letzten Vers dieses Abschnitts (Mt 16,28; Mk 8,1; Lk 9,27).
Bei einer ganz historisch-kritischen Herangehensweise ließe sich dieser immerhin ja bei allen der drei synoptischen Evangelien überlieferte Vers als „Beleg“ anführen, bei Jesus von Nazaret habe man es nicht mit einem göttlichen Propheten, einem göttlich inspirierten Wahrheitsverkünder oder gar mit jemanden, der wesensgleich mit dem göttlichen Vater sei, zu tun. Vielmehr sei dieser ein Mensch gewesen, der sich etwa in der eschatologischen Naherwartung geirrt habe. Blickt man nur etwas in die jüngere bis jüngste Kirchengeschichte oder Geschichte von Geistesströmungen im christlichen Bereich, so findet man im doch sehr vielfältigen „Protestantismus“ umso eher Anknüpfungspunkte bzw. Zeugen für alle möglichen Herangehensweisen und Theorien gerade auch in Hinblick auf die Bibel oder einzelner Teile von dieser. Schon im 16. Jahrhundert traten da auch schon Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit offen zu Tage (siehe Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTSONNTAG (2022); Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023) und allgemeiner Gedanken zur Woche 146 – TAUFE DES HERRN (2023)).
1. Lesung: Jer 20,7-9
2. Lesung: Röm 12,1-2
Evangelium: Mt 16,21-27
Gedanken zur Woche 180-b, Dr. Matthias Martin
22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Wenn ein neues Schuljahr beginnt, dann mag dies als gute Anregung verstanden werden, den grundsätzlich positiven Zusammenhang von Glauben und Kirche auf der einen und Lernen, Wissenschaft und ganz generell Vernunft auf der anderen Seite in den Blick zu nehmen. Dabei sollte dies natürlich möglichst vorurteilsfrei geschehen.
Allein schon der Umstand, dass das Christentum das ist, was gerne eine „Buchreligion“ genannt wird, weist in diese Richtung. Will man als Gemeinschaft den Text eines Buches Menschen zugänglich machen, so bedarf es eines Personals, das zur Herstellung solcher Schriftstücke überhaupt in der Lage ist. Dabei ist die Herstellung von Büchern schon so etwas wie eine handwerkliche Herausforderung. Handelt es sich dabei um als besonders wertvoll eingestufte Texte, gewissermaßen um „heilige“ Texte, so ist hier ganz generell besondere Gewissenhaftigkeit angesagt und es ist nicht überraschend, wenn man sich um eine besondere künstlerisch-ästhetische Ausgestaltung solcher Bücher bemüht. Engagierte Bemühungen in diese Richtungen lassen sich tatsächlich in verschiedenen Religionen und kulturellen Gemeinschaften feststellen. Dann geht es natürlich darum, dass jemand solche Bücher auch lesen kann. Lesen und Schreiben ist also schon von daher mit religiösem Leben untrennbar verbunden, gerade eben, wenn es sich um so etwas wie Buchreligionen bzw. eine Buchreligion handelt.
Dies wird gefördert, wenn dem Verlesen betreffender religiöser Texte in Gottesdiensten eine Ehrenstellung eingeräumt wird. Tatsächlich lässt sich gerade bei Religionen, die Wert auf die Überlieferung bis Verbreitung von Texten legen, ein Interesse an grundlegendem Unterricht erkennen.
Dann ergibt sich etwa im Christentum die Notwendigkeit, aus alten Originalsprachen biblische Texte in so etwas wie aktuelle Sprachen zu übersetzen. Die Vermittlung bzw. Förderung weiterführender Sprachkenntnisse, von Fachkompetenzen in Wortschatz, Grammatik und Rechtschreibung in mehr als einer Sprache ergibt sich schon von daher. Dies ist um so bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass mit einer Sprache jeweils eine eigene Vorstellungswelt, kulturelle und überhaupt menschliche Überlieferungen verbunden sind. Es gibt ja auch Aussagen wie, dass eine Sprache zu lernen eine neue Welt kennen zu lernen bedeutet. Auch die Aussage, dass die Sprache die Welt sei, in der ein Mensch lebe, passt hierzu in einer ernsthaften Weise. Da ist es für sich schon bemerkenswert, dass das Hebräisch, in welchem ja die meisten Schriften des Alten/Ersten Testamentes in ihrer ursprünglichen Form überliefert sind, in einem eigenen Alphabet geschrieben wird. Dies gilt auch für das Griechische, von dem eine alte Version ja auch schon die Überlieferungssprache für einige der Schriften des Alten/Ersten Testamentes bzw. deren verschiedene Versionen und dann des Neuen/Zweiten Testamentes darstellt. Beschäftigt sich jemand in Zusammenhang mit alttestamentlichen Schriften mit dem Althebräischen, auch genannt das Klassische Hebräisch, so begegnet er bzw. sie einer ganz eigenen Grammatik, einer eigenen grammatikalischen Ordnung. Manch eine bzw. einer spricht hier allein schon von einer eigenen Vorstellungswelt. Da ist es dann schon nützlich, zu wissen, dass das Hebräische zu den Semitischen Sprachen gehört. Das aus verschiedenen Arten von Sprache, von in unterschiedlichen Alphabeten und dergleichen überlieferten Dialekten und Sprachen hervorgegangene Neutestamentliche Griechisch, das Koinē-Griechisch, wird seinerseits in einem eigenen Alphabet geschrieben. Dieses ist mit seinem phönizischen Hintergrund (siehe Gedanken zur Woche 97 - 4. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)) schon nicht mehr ganz so verschieden von dem jetzt bei uns gebräuchlichen lateinischen Alphabet. Auch die Grammatik wird einem Menschen nicht ganz so fremdartig erscheinen wie etwa die des Althebräischen. Dabei gibt es auch Besonderheiten im Koinē, welche gerade beim Streben um verlässliche Bibelübersetzungen zu beachten sind. So gibt es dort etwa die Vergangenheitsform des Aorists, die uns gerade in den Schriften des Neuen/Zweiten Testaments immer wieder begegnet. Nicht vorhanden ist diese Vergangenheitsform etwa im Deutschen sowie im Englischen samt dem Amerikanischen.
Dann ist mit dem Lesen bzw. Hören biblischer Texte die Herausforderung verbunden, diese für Leser und Hörer lebendig zu machen. Geschriebene bzw. gedruckte Texte sollen ja keine toten Buchstaben sein. So sollen, um es sehr knapp zu sagen, Vortragen und Vernehmen biblischer Texte die Menschen bestärken in Glauben, Hoffnung und Liebe, sie gerade anleiten zu einer guten Liebe zu Gott und den Menschen, ihnen helfen, eigene Fehler und Fehlorientierungen zu überwinden, helfen zu einer guten Ausrichtung in Gedanken, Worten und Werken.
Dazu ist es gut, möglichst mit geschichtlichen Hintergründen, mit sozio-kulturellen Hintergründen zumindest etwas vertraut zu sein. Die Beschäftigung mit der Bibel mag da zu einem lebenslangen aufmerksamen Lernen anregen. Ich habe es selber erlebt, wie sich anhand von Versen aus dem Neuen/Zweiten Testament in einem ganz einfachen pfarrlichen Bibelkreis die Frage nach den jeweiligen historischen Verhältnissen im sog. Heiligen Land ergaben. Man war mir dankbar, dass ich rasch einige Hinweise zu den sich in neutestamentlicher Zeit mitunter recht rasch wandelnden politisch-administrativen Verhältnissen in dieser Region geben konnte, die auch Niederschlag im Neuen/Zweiten Testament fanden. Es macht ja einen Unterschied, ob etwa Jerusalem und seine engere Umgebung zur fraglichen Zeit von einem jüdischen Herrscher als König von Roms Gnaden oder direkt von einem römischen Statthalter regiert wurden und sich dann auch dies wiederum zugunsten eines Angehörigen der herodianischen Dynastie änderte.
Zumindest etwas über Geschichtskenntnisse zu verfügen, kann das Verständnis biblischer Texte fördern und helfen, Missverständnisse zu vermeiden. Auch bei Menschen, die weder ein Studium der Geschichte noch der Theologie verfolgten, regte das Neue/Zweite Testament mitunter die Beschäftigung mit Alter Geschichte an, etwa ein bisschen interessierter auf die herodianische Dynastie und das römische Kaisertum mit der julisch-claudischen Dynastie und der nachfolgenden flavischen Herrscherfamilie zu blicken.
Vorgänge, wie sie in der Bibel aus Altem/Erstem und Neuem/Zweiten Testament in der einen oder anderen Weise erzählt werden, führen natürlich ganz stark in Richtung Archäologie. So ist es kein Wunder, dass man sich im modernen Staat Israel und ihm freundlich gesinnten Kreisen eifrig mit archäologischen Forschungen und deren Dokumentierung beschäftigt. Gerade gefördert durch das vielleicht bekannteste Gleichnis der ganzen Bibel, das vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 bzw. 10,28-37), bezieht sich dies auch auf das samaritische/samaritanische Erbe. Von dort kommt man dann auch leicht zur Entwicklung des jüdisch – samaritischen wie des christlich – samaritischen Verhältnisses einschließlich in der Zeit der Kreuzfahrerstaaten. Das gerade in neutestamentlicher Zeit sehr angespannte, ja feindselige Verhältnis zwischen Juden und Samaritern/Samaritanern ist eigens wichtig für das Verstehen dieses berühmten Gleichnisses vom barmherzigen Samariter wie anderer Stellen des Neuen/Zweiten Testaments, etwa den Versen von der Begegnung Jesu mit der samaritischen/samaritanischen Frau und einigen ihrer Landsleute (Joh 4,1-42) und dem unfreundlichen Zusammentreffen mit Angehörigen eines samaritischen/samaritanischen Dorfes (Lk 9,51-56).
Dazu passen dann auch geografische Kenntnisse, wenn es um das Lesen biblischer Texte wie anderer Texte aus der Geschichte des Judentums und des Christentums und deren Verständnis geht.
So ist es um so weniger überraschend, dass sich schon in früher Zeit im Judentum wie im Christentum eine geistige Tätigkeit über so etwas wie einen engeren Glaubensbereich hinaus entwickelte. Das Judentum entwickelte ein eigenes Interesse an Unterricht, Bildung und intellektuellem Diskurs. In der katholischen Kirche entstanden eigens Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften, die sich gezielt mit dem Unterrichtswesen beschäftigen. Gewisse Unterrichts- bis etwa wissenschaftliche oder schriftstellerische Tätigkeiten finden sich überhaupt in so ziemlich allen Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften. Derartige Bestrebungen fanden und finden sich generell auch bei unterschiedlichen kirchlichen Vereinigungen, bei katholischen Vereinen und Verbänden.
So verdient der Beginn eines neuen Schuljahres gerade im kirchlichen Bereich Beachtung und Interesse.
Gedanken zur Woche 179, Dr. Matthias Martin
21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Dass es mit der biblischen einschließlich der neutestamentlichen Überlieferung nicht so einfach ist, wie sich mancher denkt, macht nicht zuletzt die Formulierung des Messiasbekenntnisses samt der Primatsstelle (siehe allgemein Gedanken zur Woche 177 – 19. SONNAG IM JAHRESKREIS – Bistum/Diözese St. Pölten: HOCHFEST von ST. HIPPOLYT (2023)) deutlich.
So wird das Messiasbekenntnis des Petrus in allen drei synoptischen Evangelien überliefert (Mt 16, 13-20; Mk 8,27-30; Lk 9,18-21). Wir haben es hier also mit einer TraditioTriplex/Triplex Traditio zu tun. Dazu findet sich eine gewisse inhaltliche Parallele wiederum mit einem fragenden Jesus von Nazaret und einem im Sinne einer Antwort handelnden Petrus auch im Johannesevangelium (Joh 6,66-71).
Die in der Kirchengeschichte bis in die Allgemeine einschließlich Politische Geschichte hinein so außerordentlich wichtige matthäische Primatsstelle (Mt 16, 17-19) ist hingegen nur als betreffendes Sondergut überliefert (siehe Gedanken zur Woche 117 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Diese Worte gingen gerade in einer Art Kurzform in die breitere Kulturüberlieferung ein, von Briefmarken bis zum Bauwerk des Petersdoms in Rom.
Gerade der jetzige Papst Franziskus betont sehr deutlich, sowohl das Oberhaupt der katholischen Kirche wie ebenfalls mit weitreichenden Vollmachten des Vatikanstaates zu sein. Ist dieser ein anderes Völkerrechtssubjekt als der Apostolische Stuhl, welcher auch der Heilige Stuhl genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 137-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), so hat dies generell seine praktischen Auswirkungen in die Gestaltung der internationalen Beziehungen. Schließlich handelt eben dieses Völkerrechtssubjekt Apostolischer/Heiliger Stuhl sehr oft auch im Sinne des Vatikanstaates und wird als Völkerrechtssubjekt eigener Art eben durch den Papst verkörpert. Schon vom gesunden Menschenverstand her ist ja davon auszugehen, dass der jeweilige Papst als Oberhaupt der katholische Kirche genannten religiösen Gemeinschaft nicht grundsätzlich anders handelt wie als Staatsoberhaupt des Vatikanstaates oder als Verkörperung des Völkerrechtssubjektes sui generis Heiliger/Apostolischer Stuhl. Vergleichbares gilt in Hinblick auf die diplomatischen Vertreter eben dieses Völkerrechtssubjektes sui generis, also eigener Art, genannt Apostolischer oder Heiliger Stuhl, wenn sie im Sinne des Staates der Vatikanstadt, des Vatikanstaates handeln.
Dabei zeigt Papst Franziskus sowohl in der Funktion etwa als weltweites Kirchenoberhaupt, wie als Bischof von Rom, wie als Oberhaupt des kürzer so genannten Vatikanstaates wie als Verkörperung des Völkerrechtssubjektes Apostolischer/Heiliger Stuhl, wie energisch er handeln kann und handeln will.
So strich er in dem am 13. Mai 2023 veröffentlichten und in Kraft gesetzten neuen Grundgesetz für den Staat der Vatikanstadt (https://press.vatican.va/content/salastampa/en/bollettino/pubblico/2023/05/13/230513c.html; https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2023/05/13/0365/00791.html und https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2023-05/papst-franziskus-vatikan-verfassung-aenderung-reform-grundgesetz.html), den Vatikanstaat, die ganz zentrale Führungskompetenz des jeweiligen Papstes, als in diesem Fall von ihm selber heraus, wenn es um die Regierung und Vertretung eben dieses Staatswesens mit seinem eigenen Staatsvolk, seinem Staatsgebiet und seiner Staatsgewalt geht. Von so etwas wie einer Eingrenzung päpstlicher Amtsgewalt oder irgendeinem Kontrollsystem in Hinblick auf den jeweiligen Papst und damit Staatschef ist nichts zu vernehmen. Die direkte Hinordnung der täglichen Regierungstätigkeit auf den Papst und damit dessen direktes Durchgriffsrecht auch in alltäglichen Arbeitsvorgängen wird betont. Ja es wird betont, dass alle Staatsgewalt in den Händen dieser einen Person liegt, die landläufig gerne schlicht „Papst“ genannt wird. Bemerkenswert ist die ausdrücklich theologische Fundierung der machtvollen Position des Papstes als Staatsoberhaupt. Anstatt sich etwa auf Nützlichkeitserwägungen und die Berufung auf Gebräuche, auf vertraute Übungen in der Internationalen Gemeinschaft, die dem Papst eine wahrnehmbare Bedeutung zugestehen, zu beschränken, wird seine machtvolle Stellung und aktive Tätigkeit an der Spitze des Vatikanstaates ausdrücklich mit der petrinischen Amtsgewalt als Nachfolger des Apostelfürsten Petrus begründet. Anstatt den Vatikanstaat in Richtung etwa parlamentarischer Mitsprache oder anderen Formen von Kontrolle und Aufteilung von Macht zu entwickeln, wird das Gegenteil getan. Soweit irdisch-menschlich wahrnehmbar, hat demzufolge genau eine Person zu sagen, wo es lang geht, wenn wir dem neuen Grundgesetz für Vatikanstaat folgen. Dies ist der Papst und sonst gar niemand! Der Papst ist laut der Festlegung eben durch Papst Franziskus gedacht als der Gesetzgeber, der oberste Richter und das wirkliche Regierungsoberhaupt des Vatikanstaates. Seine umfassende Zuständigkeit in Hinblick auf Gesetzgebung, Rechtsprechung und Regierungstätigkeit im Sinne von ausführender Staatsgewalt wird unterstrichen.
Dazu passt die Betonung einer strengen und genauen Haushaltsführung. Auch hier soll nichts am Papst vorbeilaufen oder gar hinter seinem Rücken geschehen können. Auf dieser Linie liegt die grundsätzliche Betonung der Stellung des Staates der Vatikanstadt, des Vatikanstaates und des Apostolischen Stuhles in der Internationalen Gemeinschaft.
Von einem Einknicken etwa vor der italienischen Politik oder vor Vertretern der gegenwärtigen Europäischen Union ist nichts zu spüren. Nach innen wie nach außen betont Papst Franziskus nicht zuletzt mit diesem neuen Grundgesetz für den Staat der Vatikanstadt seine Position.
Dies sollte in mehrfacher Hinsicht zu denken geben. Zum einen hat eben gerade noch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) die Position des Papsttums betont. In Hinblick auf den auch auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869-1870) angesprochenen Jurisdiktionsprimat könnte man von einer regelrechten Enthemmung durch das Zweite Vatikanische Konzil sprechen. In den Jahren nach diesem Konzil zeigten Päpste immer wieder Härte, ja eine Unbarmherzigkeit, wenn es etwa um die Erarbeitung und Umsetzung der sogenannten Liturgiereform ab Ende der sechziger Jahre oder um die neue vatikanische Ostpolitik ging. Dies zeigte sich auch, wenn es um die Gründung neuer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften oder das Vorgehen gegen kanonische Lebensverbände ging. Da hat mancher und manche in den letzten Jahrzehnten schon so etwas wie ein blaues Wunder oder eine böse Überraschung erlebt. Derzeit beweist Papst Franziskus gerade gegenüber der bisher einzigen Personalprälatur in der katholischen Weltkirche, dem Opus Dei, dass er die Richtung bis in kirchenrechtliche Einzelheiten hinein vorgibt.
Entschlossenheit bewies Papst Franziskus immer wieder auch bei Personalentscheidungen einschließlich Kardinalsernennungen. Hier war er offensichtlich ganz und gar nicht bereit, etwa die früheren Besatzungsmächte im Nahen Osten und sonst so rücksichtslosen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien samt ihren mehr oder minder traditionellen Verbündeten überhaupt um ihre Meinung zu fragen (siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 115-b – PFINGSTMONTAG und 10. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Dies gilt auch in Hinblick auf die Konkordatspolitik und überhaupt die Vertragspolitik des Apostolischen Stuhls. Die Erfolge des Apostolischen Stuhles und seiner Partner gerade in Afrika wurden schon vor einiger Zeit von aufmerksamen Beobachtern als Zeichen für einen schwindenden französischen Einfluss gesehen (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken Woche 108 – HOCHFEST von OSTERN (2022)). Auch wenn sie in hiesigen Breiten sehr gerne übersehen bis geflissentlich verdrängt werden, so sprechen die jüngsten französischen Niederlagen in der Zentralafrikanischen Republik sowie den Republiken Burkina Faso und Niger eine sehr deutliche Sprache. Passend dazu schreitet man auch in der Republik Mali energisch voran, sich endgültig von der einst so gefürchteten Kolonialmacht Frankreich zu emanzipieren. Eigens verdienen die Vorgänge in der riesigen Demokratischen Republik Kongo Beachtung.
Seinerseits bewies Papst Franziskus auch gegenüber dem Souveränen Malteser-Ritter-Orden, dem Malteserorden, seinen Willen, sich durchzusetzen.
1. Lesung: Jes 22,19-23
2. Lesung: Röm 11,33-36
Evangelium: Mt 16,13-20
Gedanken zur Woche 179-b, Dr. Matthias Martin
21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Gerade der als einer der vier großen westlichen Kirchenväter gezählte heilige Augustinus war und ist immer wieder Anlass für Diskussionen und Auseinandersetzungen. Zum einen erfreut er sich als Denker und Schriftsteller großer Wertschätzung über einen engeren Bereich hinaus von sich als christliche Konfessionen oder Kirchen verstehenden Gemeinschaften. So wird etwa sein Werk „Confessiones - Bekenntnisse“ als eines der großen Werke der Weltliteratur gesehen. Da spant sich der Bogen besonderer Wertschätzung beispielsweise von einem Gymnasium im nordbayerischen Regierungsbezirk Unterfranken bis hin zur Professorenschaft der berühmten US-Universität Yale, welche auch als „Eliteuniversität“ bezeichnet wird.
Nicht nur in der Theologie- bzw. Kirchengeschichte, sondern auch in der allgemeineren Geistesgeschichte, namentlich in der Philosophiegeschichte hat der von verschiedenen Konfessionen als Heiliger verehrte Augustinus einen bedeutenden Platz. Nicht zuletzt kann man auf sein Werk stoßen, wenn man sich mit der lateinischen Sprache und in ihr verfasster Literatur beschäftigt. Allein hier kommt dann auch schon den drei anderen der vier großen westlichen Kirchenväter, Ambrosius, Hieronymus und Gregor dem I., auch genannt Gregor der Große, eine eigene Bedeutung zu. Da muss man keineswegs Katholik bzw. Katholikin oder auch nur irgendwie Christ bzw. Christin sein, um sich für die betreffende Werke einschließlich etwa schriftlich überlieferten Predigttexten zu interessieren.
Auf der anderen Seite werden gerade Aussagen des heiligen Augustinus unterschiedlich bis kontrovers ausgelegt. Meinungsverschiedenheiten entwickelten sich bereits in früher Zeit, egal ob man dann diesbezüglich von einer Spätantike, von Frühmittelalter oder wie auch immer redet oder schreibt.
Dann zeigt sich auch beim Lebenslauf von Augustinus und seinem vielfältigen bis schillerndem Wirken, dass das Christentum nie eine einheitliche Größe war. Dies wird doch schon im Neuen/Zweiten Testament deutlich, selbst in so ganz kurzen neutestamentlichen Schriften wie dem Zweiten und Dritten Johannesbrief und dem Judasbrief (siehe Gedanken zur Woche 151 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Der seinerseits so kurze Philemonbrief wie der im Vergleich dazu längere Jakobusbrief verdeutlichen, dass soziale Spannungen auch schon in ganz früher Zeit im jungen Christentum präsent waren. Ist dieser Philemonbrief etwa gar in Richtung einer Rechtfertigung der Sklaverei zu verstehen, oder aber weist er in eine ganz andere Richtung?
Augustinus war selber in allerlei theologisch-konfessionelle Kontroversen verstrickt und hat sich da mitunter ziemlich leidenschaftlich geäußert. Mancher sah ihn deswegen schon als Vorvater der späteren Inquisition und Ketzerkreuzzüge. Andere kritisieren ihn in Zusammenhang mit einer angenommenen Leibfeindlichkeit. Besonders seine Aussagen zum Themenkomplex von Rechtfertigung – Sündhaftigkeit – möglicher göttlicher Vorherbestimmung waren immer wieder Anlass zu Kontroversen bis hin zu konfessionellen Spaltungen. Je nach konfessionellem oder kirchenpolitischem Standpunkt beriefen bzw. berufen sich die einen auf Aussagen von Augustinus, die von anderen gemieden oder als peinlich eingestuft werden. Ziemlich unbestritten ist, dass gerade Aussagen von Augustinus zur Gesamtthematik von Sünde – Rechtfertigung – etwaige Vorherbestimmung/Prädestination Anlass zu heftigen Schwierigkeiten gaben (siehe Gedanken zur Woche 72-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Beriefen und berufen sich etwa Vertreter von die Wahlfreiheit des Menschen zurückweisenden protestantischen Richtungen gerne auf ihnen hierzu passenden Aussagen des Augustinus, so können sie mit anderen seiner Aussagen und Taten, etwa zum Bischofsamt und zu einer positiven Würdigung der Vernunft im kirchlich-religiösen Leben umso weniger anfangen. Erst recht gilt dies für die Aussage des heiligen Augustinus „Roma locuta, causa finita/Roma locuta, causa finita est“, was so viel heißt wie „Hat Rom gesprochen, so ist die Sache/Angelegenheit entschieden“.
Eigens ist umstritten, inwieweit die religiöse Bewegung des Manichäismus, zu deren Sympathisanten der junge Augustinus jahrelang zählte, nun eine innerchristliche Erscheinung oder grundsätzlich einem nichtchristlichen Bereich zuzuordnen sei. War der über Jahrhunderte hinweg so erfolgreiche Manichäismus, der eben zeitweise auch den späteren Kirchenvater Augustinus in seinen Bann zog, so etwas wie eine Ausprägung von Christentum oder überhaupt eine eigene Religion? Nicht mehr mit dem heiligen Augustinus als historischer Persönlichkeit zusammen hängt die Frage, wie lange Reste des Manichäismus noch existiert hätten, und ob es nicht gar eine Linie durchgehenden manichäischen Glaubens und Lebens in Gebieten des jetzigen Chinas gäbe bzw. nachzuweisen sei.
Innerhalb der katholischen Weltkirche kann man insbesondere auf unterschiedliche Einschätzungen stoßen, welcher Zweig des Ordenslebens denn sich besser auf den heiligen Augustinus zurückführen lasse bzw. seinen Geist authentischer verkörpere. So gehören die lange Augustiner-Eremiten genannten Augustiner zu den Bettelorden. Über die Jahrhunderte wirkten sie gerade in größeren Städten und in Wallfahrtsorten. Nicht zu verwechseln mit ihnen sind eben die Augustiner-Chorherren. Diese gehören eben zu den Chorherren, zu den Regularkanonikern. Mitunter werden sie auch als einer der Prälatenorden bezeichnet (siehe Gedanken zur Woche 160-b – 2. OSTERWOCHE (2023) und Gedanken zur Woche 167-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2023)).
Natürlich sollte gerade bei solchen innerkatholischen Diskussionen jede Gehässigkeit und Lieblosigkeit vermieden und stattdessen wertschätzende Nächstenliebe verwirklicht werden.
Aus dem breiten Strom von in einem weiten Sinne augustinischen Ordensleben entstammt eine ganze Reihe unterschiedlicher Gemeinschaften. Dazu zählt für die neuere Zeit etwa das Säkularinstitut der Augustinusschwestern und die Kongregation bischöflichen Rechts der Ritaschwestern.
Vom 19. bis ins 20. Jahrhundert hinein gab es ja eine regelrechte Welle an Neugründungen bei den kanonischen Lebensverbänden, bei den Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften. So entstanden insbesondere zahlreiche Kongregationen, sowohl bischöflichen als auch päpstlichen Rechts. Auch der Bereich, der im CIC von 1983 ebenfalls den Instituten des geweihten Lebens zugezählten Säkularinstitute konnte sich damals stark entwickeln. Eine Rolle spielte da eben auch der breite Strom augustinischer Überlieferung. Papst Pius XII. (1939-1958) vollzog dann die ausdrückliche weltkirchliche Anerkennung der kanonischen Lebensform von Säkularinstituten.
Dabei sollen die Angehörigen aller kanonischen Lebensverbände an der kirchlichen Einheit festhalten. Dies soll gerade in der Loyalität zum Papst zum Ausdruck kommen.
So wird in Canon/Kanon 590 des CIC von 1983 festgehalten:
„§ 1. Die Institute des geweihten Lebens unterstehen, weil sie in besonderer Weise dem Dienst für Gott und die ganze Kirche gewidmet sind, aus einem eigenen Grunde ihrer höchsten Autorität.
§ 2. Die einzelnen Mitglieder sind gehalten, dem Papst als ihrem höchsten Oberen auch kraft der heiligen Gehorsamsbindung Folge zu leisten.“
Im CCEO für die Katholischen Ostkirchen heißt es u. a. in Canon/Kanon 412:
„§ 1. Alle Religiosen sind dem Papst untergeben als ihrem höchsten Oberen, dem zu gehorchen sie verpflichtet sind auch kraft des Gehorsamsgelübdes.“
Sowohl im CIC von 1983 wie im CCEO wird unmittelbar im Anschluss daran die Hinordnung der Institute des geweihten Lebens auf den Papst hin weiter ausgeführt. So wird in Canon/Kanon 591 des CIC von 1983 festgehalten:
„Um für das Wohl der Institute und für die Erfordernisse des apostolischen Wirkens besser vorzusorgen, kann der Papst kraft seines Primates im Hinblick auf die ganze Kirche mit Rücksicht auf den allgemeinen Nutzen Institute des geweihten Lebens der Leitung der Ortsordinarien entziehen und sich allein oder einer anderen kirchlichen Autorität unterstellen.“
In dieselbe Richtung weist uns sehr deutlich der CCEO in Canon/Kanon 412 § 2:
„Damit er umso besser für das Wohl der Institute und die Erfordernisse des Apostolates vorsorgen kann, kann der Papst aufgrund seines Primates über die ganze Kirche im Hinblick auf den Gemeinnutzen Institute des geweihten Lebens der Leitung des Eparchialbischofs entziehen und sie sich allein oder einer anderen kirchlichen Autorität unterstellen.“
Gedanken zur Woche 178, Dr. Matthias Martin
20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Die Stelle von der Begegnung Jeus von Nazarets mit der offensichtlich nichtjüdischen Frau im Gebiet von Tyrus und Sidon gehört zu den sperrigen, Menschen vielleicht befremdenden Stellen in der Bibel.
Deren Stellen gibt es dabei in der Bibel nicht wenige. Immer wieder bestätigt sich, dass die Bibel eigentlich kein Kinderlesebuch und kein harmloses Erbauungsbuch ist. Schon gar nicht können sich Menschen auf die Bedeutung von Bibelstellen einigen. Dabei gib es sowieso zwischen sich „christlich“ nennenden Gruppierungen, Konfessionen, Kirchen, Sekten oder wie man im Falle des Falles jeweils sagen will, deutliche Meinungsverschiedenheiten, welche Schriften und einzelne Teile von Schriften denn überhaupt zur Bibel gehören.
Dies wurde schon in der ganz frühen Zeit des Christentums deutlich. Zu besonderer Prominenz in Hinblick auf Auseinandersetzungen um die Zusammensetzung der Bibel brachte es Markion/Marcion. Dies geht so weit, dass die Theorie entwickelt wurde, ein oder das Evangelium des Markion/Marcion ginge nicht nur dem Lukasevangelium, sondern allen vier großkirchlichen Evangelien voraus (siehe Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTWOCHE (2022)).
Andererseits gibt es allein schon zwischen konfessionellen Hauptzweigen des Christentums Meinungsverschiedenheiten, was denn zur Bibel gehört. Besonders umfangreiche Bibeln nach Anzahl der dort zusammengstellten Schriften gibt es bei den altorientalischen Kirchen. Etwas knapper wird dann der biblische Kanon, wenn man zur sog. Orthodoxie, zur orthodoxen Kirche kommt. Besonders vielschichtig bis völlig widersprüchlich wird es, wenn man zu dem ja zigtausende unterschiedliche Gemeinschaften umfassenden Bereich kommt, der im Deutschen oft „Protestantismus“ genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 121 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Dabei sollte man sich auch im altorientalischen wie im orthodoxen Bereich des Christentums die einzelne konfessionelle Gemeinschaft bzw. selbstregierte (Teil-)Kirche, oft genannt Autokephalie, ansehen, um irreführende Verallgemeinerungen bis Peinlichkeiten zu vermeiden.
Waren etwa nordamerikanische Sklavenhalter dem alttestamentlichen Buch Exodus besonders abhold (siehe Gedanken zur Woche 170 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)), so warfen andere sich als Christen verstehende Menschen gerade dem neutestamentlichen Römerbrief vor, eine falsche und zurückzuweisende Obrigkeitshörigkeit zu propagieren, bis hin zu dessen ausdrücklicher Verwerfung und gewissermaßen Ausschluss aus der Bibel.
Einen besonders dreisten Fall, sich seine Bibel zurechtzuzimmern, bietet der dritte Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Thomas Jefferson (1743-1826).
Der stellte aus den vier Evangelien so etwas wie eine eigene, selbstgemachte Bibel zusammen. Diese wird die Jefferson Bible, auf Deutsch Jefferson Bibel, oder so beschönigend wie irreführend „The Life and Morals of Jesus of Nazareth“ genannt. Mit Hilfe eines Rasiermessers schnitt er die ihm genehmen Bibelstellen heraus und klebte diese wie es ihm dünkte in ein leeres Buch. Alle die Stellen aus den Evangelien und dortigen Einzelaussagen schied er gezielt aus, die seinen persönlichen Ansichten nicht entsprachen. Er wollte eine in seinem Sinne gereinigte Pseudo-Bibel schaffen. Dabei ist es allein schon eine sehr entlarvende Tatsache, dass es sich bei Thomas Jefferson lebenslang um einen rücksichtslosen Sklavenhalter handelte. Anders als andere Teilnehmer am Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg hat er nie seine Sklaven freigelassen. Auch seine ausdrückliche Gutheißung brutaler Gewaltanwendung gegen Andersdenkende in Zusammenhang mit der blutigen Französischen Revolution muss doch als sehr bedenklich bis völlig entlarvend angesehen werden. Man denke da an die Massaker des damals neuen Frankreichs in der katholischen Vendée, genannt „republikanischer Völkermord“, und dem großangelegten Massenmord an kirchentreuen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und anderen Kirchenangehörigen, neben weiteren Brutalitäten. Die nicht zuletzt unternommene Heranziehung der King James Bible/Bibel bei der Erstellung seines „Werkes“ ist mehr als peinlich. Was für ein brutaler und heimtückischer Gewaltherrscher der englische König James I. war, der diese „Bibel“ in Auftrag gab, steht außer Frage. Dass genau dieses Propagandaprodukt sich später beim berüchtigten Ku Klux Klan/Ku-Klux-Klan ausgesprochener Beliebtheit erfreute, war kein Zufall (siehe Gedanken zur Woche 155 – 3. FASTENSONNTAG (2023)).
Da sollte man doch lieber bei kulturellen und theologischen Meinungsverschiedenheiten immer noch respektvoll miteinander umgehen.
Tatsächlich werden ja Bibelstellen bei Menschen hoffentlich guten Willens, die weder Anhänger der Machenschaften König James I. von England noch einer Organisation wie des Ku Klux Klan/Ku-Klux-Klan sind, immer wieder höchst unterschiedlich interpretiert und gewissermaßen eingeordnet.
Ein gutes Beispiel dafür ist eben die Stelle im Matthäusevangelium, in welcher es um die Begegnung Jesu mit einer nichtjüdischen, gewissermaßen heidnischen, Frau im Gebiet von Tyrus und Sidon geht. Diese Frau wird mitunter ausdrücklich als „Syrophönizierin“ bezeichnet (siehe „Synopse der drei ersten Evangelien. Mit Beifügung der Johannes-Parallelen“ von Josef Schmid, Regensburg 9. Auflage 1983, die Seiten 5 und 98). Im matthäischen Text wird sie eine „kanaanäische Frau“ genannt (Mt 15,22; siehe etwa die Interlinearübersetzung „Das Neue Testament. Interlinearübersetzung Griechisch-Deutsch“ mit der Übersetzung von Ernst Dietzfelbinger und griechischem Text aus der Nestle-Aland-Ausgabe, 6. Auflage 1998).
Mit eigenen Akzenten und Worten wird diese Begegnung auch im Markusevangelium erzählt (Mt 15,21-28 und Mk 7,24-30). Im Markusevangelium betritt dabei Jesus ein Haus. Laut Matthäusevangelium dürfte es Jesus vermieden haben, ein heidnisches Haus zu betreten (Mk 7,24 zu Mt 15,21-22). Die Erwähnung des Eintretens in das Haus steht als markinisches Sondergut da. Interessant ist auch, dass die Frau im markinischen Text als „Syrophönizierin“ (Mk 7,26) bezeichnet wird (siehe wieder die Synopse von Schmid und die Interlinearübersetzung von Dietzfelbinger; siehe auch die neue Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung).
Auf jeden Fall verhält sich Jesus von Nazaret der ihn um Hilfe bittenden syrophönizischen Frau gegenüber zunächst abweisend, ja schroff. Ist das nun so zu verstehen, dass der historische Jesus als Jude nicht an Menschen aus dem Heidentum für seine Bewegung interessiert war? Tatsächlich gibt es ja die Meinung, dem historischen Jesus sei es um die Sammlung der Stämme Israels gegangen und eine Heidenmission sei nicht geplant gewesen. Heidenmission, ja ein Aufbruch hin zu den Völkern der Welt sei erst eine nachösterliche Angelegenheit und habe sich auch da erst nach und entwickelt.
Gerade wenn man von einer traditionellen Christologie ausgeht, wie sie im Konzil von Chalcedon (451) formuliert wurde, mit der Verbindung von menschlicher und göttlicher Natur in Jesus (Christus), mag man zu anderen Schlüssen können. Dann könnte Jesus die nichtjüdische Frau etwas aus der Reserve locken und zu einer ihn betreffenden klareren Aussage habe bringen wollen. Oder wollte er erst einmal ganz grundsätzlich verdeutlichen, wer hier der Herr, wer hier gewissermaßen der Chef sei? In diese Richtung wurde etwa diese Art von Dialog zwischen Jesus und Maria bei der Hochzeit von Kana gerade in der frühen Kirche ausgelegt (Joh 2,3-5). Da mag dann heute lebenden Menschen eben die Lehre von der göttlichen Natur Christi/Jesu Christi zumindest schlagwortartig in den Sinn kommen.
Dann ist da auch noch etwa das Vorliegen markinischen Sondergutes bezüglich des Eintretens Jesu in ein Haus. Dies gilt besonders dann, wenn man dieses ausdrücklich als ein „heidnisches“ Haus ansieht. Gerade Anhänger der Zweiquellentheorie bzw. einer diese fortentwickelnden Vierquellentheorie mit der Annahme, bei der Erarbeitung des als betont judenchristlich angesehenen Matthäusevangeliums habe das Markusevangelium als eine der zwei bzw. vier Quellen gedient, können die Meinung vertreten, die Sache mit dem Betreten eines heidnischen Hauses durch Jesus von Nazaret sei bewusst redaktionell beseitigt worden, um Jesus für jüdische bzw. judenchristliche Leser besser, gewissermaßen unbelastet, dastehen zu lassen. Andere mögen die Meinung vertreten, dass dieses Betreten eines Hauses bei Matthäus nicht erwähnt sei, habe keine inhaltliche Bewandtnis. Anhänger einer strengen Lehre von Verbalinspiration der Bibel werden die Meinung, das Markusevangelium sei bei der Entstehung des Matthäusevangeliums im obigen Sinne redaktionell bearbeitet worden, als empörend bis gotteslästerlich betrachten. Anhänger einer Matthäuspriorität wie einer Zwei-Evangelien-Theorie, wonach auf jeden Fall das Matthäusevangelium als älter als das Markusevangelium zu gelten habe, werden als solche die Meinung zurückzuweisen haben, das Markusevangelium habe bei der Erstellung des Matthäusevangeliums irgendwie als Quelle gedient. Für sie müsste es ja umgekehrt gewesen sein.
Auf jeden Fall sollte man bei Meinungsverschiedenheiten, auch wenn sie neutestamentliche Texte betreffen, nicht so selbstherrlich wie Thomas Jefferson vorgehen, und man sollte die für König James I. wie den Ku Klux Klan/Ku-Klux-Klan typische Brutalität sowieso meiden.
1. Lesung: Jes 56,1.6-7
2. Lesung: Röm 11,13-15.29-32
Evangelium: Mt 15,21-28
Gedanken zur Woche 178-b, Dr. Matthias Martin
20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Manchem ist das Motto geläufig „Viel Feind‘, viel Ehr‘!“. Die einen schreiben es dem eng mit dem Hause Habsburg verbundenen und von Maximilian I. in den Ritterstand erhobenen Landsknechtsführer Georg von Frundsberg (1473-1528) zu. Gerne wird es aber daneben mit dem preußischen König Friedrich II. (1712-1786), auch genannt Friedrich der Große, in Verbindung gebracht. Die obersten Kriegsherrn Georg von Frundsberg, Maximilian I. und Karl V., standen in Treue zur katholischen Kirche. Mancher meint, ohne die beharrlichen Versuche Kaiser Karls V. die katholische Kirche zu stützen und gleichzeitig zu wahrer Erneuerung zu bewegen, hätte diese nicht die Stürme der Reformationszeit so überstanden und Kraft zu neuem Aufschwung gewonnen, wie es tatsächlich der Fall war. Ja, es gibt die historisch ernsthafte Meinung, keiner der damaligen Päpste habe der katholischen Sache so treu und verlässlich gedient wie eben Kaiser Karl. V. Eine ruhmreiche Ausnahme stellt für die Zeit, als dauernde Kirchenspaltung zusehends offenkundig wurde, der bei seiner Wahl als Verkörperung ehrlicher Erneuerungsbemühungen gefeierte und nach seinem raschen Hinscheiden von Menschen guten Willens sehr betrauerte Marcellus II. (Pontifikat 09. April bis 01. Mai 1555) dar. Kaiser Karl V. soll bis zu seinem eigenen Hinscheiden diesem gutwilligen Drei-Wochen-Papst nachgetrauert haben.
Zu den Verlusten für die katholische Kirche in Gefolge des in aller Komplexheit „Reformation“ genannten welthistorischen Vorgangs gehört auch, dass die das Kurfürstentum Brandenburg regierende Linie der Hohenzollern protestantisch wurde. Dieser Linie, die inzwischen neben anderem eine Königskrone erworben hatte, entstammte König Friedrich II. Gemäß protestantischem Staatskirchentum war er zugleich oberster protestantischer Landesbischof. Seinen katholischen Untertanen war er freundlich und keineswegs übelwollend gesonnen. So erbaute er für sie in Berlin die Hedwigs-Kathedrale und setzte damit einen deutlichen Akzent für die öffentliche Präsenz der katholischen Kirche und gegen deren Unterdrückung. Nachdem katholische Königshäuser den Jesuitenorden verboten, die Habsburger unter Maria Theresia diesen fallengelassen hatten und auf solchen massiven Druck hin ihn Papst Clemens XIV. (1769-1774) im Jahre 1773 aufgelöst hatte, beschützte ihn König Friedrich II./der Große in seinem eigenen Herrschaftsbereich. Man mag an die kulturellen Ideale des Barockkatholizismus denken, wenn man sich sein musikalisches Wirken wie seinen persönlichen Einsatz im Bereich der Architektur vergegenwärtigt. Nicht zuletzt war Friedrich II./der Große sehr im Bereich der Philosophie engagiert. Dort hinterließ er der Menschheit eine Reihe eigener Werke. Ganz im Sinne der Aufklärung arbeitete er an einer großen Reform des Gesetzeswesens. So konnte wenige Jahre nach seinem Tod das „Allgemeine Preußische Landrecht“ im Jahre 1794 in Kraft treten (siehe allgemein Gedanken zur Woche 94-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Ganz bemerkenswerte Gemeinsamkeiten mit ihm weist der auffallend deutschfreundliche heilige Papst Pius X. auf (1903-1914), dessen die katholische Kirche nach dem heutzutage üblichen liturgischen Kalender am 21. August gedenkt. Wie beim Lebenswerk Friedrichs II./des Großen können hier natürlich nur Stichworte genannt werden. Die Einzelbereiche des Wirkens jeder dieser beiden Persönlichkeiten sind jeweils doch schon bände- bis bibliothekenfüllend.
So war St. Pius X. ein großer Förderer der Kirchenmusik, was infolge deren allgemeiner kultureller bzw. geistiger Bedeutung auch außerkirchlich längst gewürdigt wurde. Sehr bemühte er sich um die Pflege der Philosophie, natürlich mit Blick auf das mehr innerkirchliche Leben. Eigens betonte er den Wert der Geschichtswissenschaft (siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 126-b - 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)) bis hin zur Integration der historisch-kritischen Methode in die Selig- und Heiligsprechungsverfahren (siehe Gedanken zur Woche 110-b – 3. OSTERWOCHE (2022)). Seine Bemühungen um eine angemessene Reform kirchlichen Wirkens schlug sich nicht zuletzt in seiner Kurienreform nieder. Wie Friedrich II./der Große packte er auch eine ganz große Reform des Rechtswesens an. So konnte wenige Jahre nach seinem Tod 1917 der auf ihn zurückgehende CODEX IURIS CANONICI, der damalige CIC, in Kraft treten (siehe allgemein Gedanken zur Woche 94-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Sein mutiges Auftreten gegenüber politischen Machthabern bis hin zu Großmächten seiner Zeit passt auf jeden Fall sehr gut zu dem anfangs zitierten Spruch „Viel Feind‘, viel Ehr‘!“.
So scheute er nicht den Konflikt mit der damaligen Kolonialmacht Portugal. Ist dieser Staat längst zum dauernden Netto-Empfänger der jetzigen Europäischen Union verkommen, so gebot er zu Lebzeiten des hl. Pius X. über ein großes Kolonialreich (die Gebiete der heutigen Staaten Angola, Mozambique, Guinea-Bissau, Kap Verde, São Tomé und Príncipe, Ost-Timor/Timor-Leste, das Territorium von Macao sowie einzelne Besitzungen in Indien, darunter das Gebiet von Goa). Gegenüber solch einem Imperium hat der heilige Papst Pius X. den Konflikt nicht gescheut.
Auch von Spanien ließ er sich nicht einschüchtern. Wie Portugal hat dieses Staatswesens längst seine außereuropäischen Kolonialbesitzungen verloren und ist seinerseits Dauerempfänger von EU-Zahlungen geworden. Zur Zeit des hl. Pius X. sah es zumindest noch etwas anders aus (siehe die spanische Herrschaft im Gebiet des jetzigen Staates Äquatorialguinea, von West-Sahara samt dem Gebiet von Ifni wie generell die Ausdehnungspolitik auf Kosten Marokkos).
Bekannt ist mancher und manchem sein Konflikt mit der damaligen Supermacht Frankreich. Ein Blick auf die Weltkarte für die Zeit des Pontifikats Pius X. verdeutlicht die gewaltige Ausdehnung des Französischen Imperiums mit seinen so brutal geschaffenen Schwerpunkten in Afrika und Ostasien, samt Besitzungen in der Karibik, dem Indischen und den Pazifischen Ozean und etwas wie Außenposten in Südamerika, auf dem Indischen Subkontinent und vor der Küste Nordamerikas. Gerade auch Kirchenmänner waren da geneigt, gegenüber der brutalen Macht Frankreichs klein beizugeben. Der heilige Pius X. und ihm loyale Menschen waren aber zum Konflikt bereit. Der systematische Einsatz etwa französischer Soldaten gegen katholische Ordensschwestern und die routinemäßige Brutalität in der französischen Kolonialpolitik änderten daran nichts. Die Eskalation mit der französischen Staatsmacht wurde dadurch gefördert, dass auf kirchliche Eigenständigkeit bedachte katholische Kreise auch die Existenz nichtfranzösischer Sprachen wie des Bretonischen und des Baskischen unterstützten.
Dazu passt die kritisch-ablehnende Haltung von St. Pius X. gegenüber dem mit Frankreich verbündeten und Katholiken wie andere Menschen brutal unterdrückenden Russland.
Dem blutig zusammeneroberten und in vielfältiger Weise heterogenen italienischen Staat (siehe Gedanken zur Woche 111-b- 4. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 137-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 139 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2022)) stand er sowieso ablehnend gegenüber.
Eigene Beachtung verdient die nicht unkritische Haltung St. Pius X. gegenüber den USA und seine ausdrückliche Ablehnung von dortigem Anglo- Nationalismus. Schon sein Vorgänger Leo XIII. (1878-1903) hatte innerkirchlichen „Amerikanismus“ verurteilt. Damit stellte er sich gegen jene Katholiken, die um der Anpassung an den WASP-„Mainstream“ (siehe Gedanken zur Woche 151 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)) willen sich intolerant gegen die Katholiken aus den Katholischen Ostkirchen verhielten und im Sinne von Anglisierung eine möglichste „Amerikanisierung“ der vielfältigen Ortskirche in den USA vorantrieben. In diesen vom heiligen Pius X. abgelehnten Kreisen schreckte man um der Anpassung willen auch nicht vor demonstrativer Kriegsbegeisterung zurück.
Solche Problemstellungen ergaben und ergeben sich immer wieder. Denken wir an so etwas wie staatstragende Katholiken in Frankreich und an Sympathisanten des britischen Königshauses in nominell katholischen Kreisen etwa auch beim letzten großen Überfall auf den Irak.
Der heilige Papst Pius X. hat vor solcher Anpassung bis Anbiederei gewarnt und gegen sie aktiv Stellung bezogen. Das sollte auch in heutigen Tagen als Mahnung ernst genommen werden.
Gedanken zur Woche 177, Dr. Matthias Martin
19. SONNTAG IM JAHRESKREIS –
Bistum/Diözese St. Pölten: HOCHFEST von ST. HIPPOLYT (2023)
Folgt man dem liturgischen Jahr, so wird deutlich, dass ein Bistum, eine Diözese, auch bezüglich des liturgischen Kalenders ihre eigenen Akzente aufweisen kann. Dies gilt etwa in Hinblick auf die Feier des Diözesanpatrons bzw. der Diözesanpatronin oder Diözesanpatrone. Dessen bzw. deren Gedenktag ist im fraglichen Bistum ohne weiteres als Hochfest zu feiern, während er sonst vielleicht gerade irgendein Gedenktag unter ferner liefen ist. Dies gilt auch, wenn das eine Bistum wie die umfangreicheren Teile der Weltkirche gemeinsam zur Lateinischen Kirche eigenen Rechts gehören. Solcher Unterschied wird auch schlagend, wenn beide Bistümer zur selben Kirchenprovinz gehören. So verdrängt im Erzbistum Wien im Jahre 2023 der 19. SONNTAG IM JAHRESKREIS den gemeinsamen Gedenktag des heiligen Pontianus und des heiligen Hippolyt (https://www.erzdioezese-wien.at/dl/NONsJKJKoMooKJqx4MJK/dir_2022_23_v2_9_August_2023_pdf). Im Bistum St. Pölten geht es andersherum. Da verdrängt der Gedenktag des Diözesanpatrons, der dazu Namensgeber von Bistum, Landes- und Bistumshauptstadt ist, den 19. Sonntag im Jahreskreis. Da feiert man am 13. August 2023 das HOCHFEST vom HEILIGEN HIPPOLYT (https://www.erzdioezese-wien.at/dl/NONsJKJKoMooKJqx4MJK/dir_2022_23_v2_9_August_2023_pdf). Da ist im diözesanen Direktorium zu lesen, dass es sich beim heiligen Hippolyt um den „Diözesanpatron und Stadtpatron von St. Pölten“ handelt (siehe auch Gedanken zur Woche 72-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Sein einstiger Kontrahent und anschließender Leidensgenosse und Mitheiliger Pontianus wird hier nicht erwähnt.
Anders wird das im Erzbistum Wien gehalten. Da wird ähnlich wie im üblichen Deutschen Messbuch beider Märtyrer gemeinsam gedacht, und man kann im Wiener Direktorium lesen:
„Der hl. Hippolyt, ein Schüler des hl. Irenäus, war der bedeutendste griechische Theologe und Schriftsteller im Westen zur Zeit der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert. Als Calixtus, ein ehemaliger Sklave, zum Papst gewählt wurde, geriet Hippolyt in Gegensatz zu ihm und ließ sich zum Gegenpapst wählen. Diese Kirchenspaltung dauerte auch unter den Päpsten Urban und Pontianus fort, doch wurde in der Christenverfolgung durch Kaiser Maximinus Thrax Hippolyt mit dem rechtmäßigen Papst Pontianus gleichzeitig auf die Insel Sardinien in die Verbannung geschickt. Beide verzichteten dort auf ihr Amt, um die Spaltung der Kirche zu beenden, und Hippolyt ermahnte seine Anhänger, die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Beide starben in der Verbannung und wurden am 13. August 236 in Rom als Märtyrer beigesetzt.“
Der Gedenktag beider Heiliger, die einst in Rom um das Amt des dortigen Bischofs und damit um das stritten, was oft die Nachfolge Petri genannt wird, passt auf jeden Fall zum Sonntagsevangelium nach der allgemeineren Leseordnung. Hier geht es nämlich um den Seewandel Jesu, das erzählte Schreiten Jesu über den See.
Dabei wird der seltene Fall einer besonderen Tradito Triplex/Triplex Traditio geboten. Der Wandel über den See wird nämlich nicht in den drei Synoptikern, Matthäus, Markus und Lukas, erzählt, sondern in je eigener Weise in den drei Evangelien nach Matthäus, Markus und Johannes! (Mt 14,22-33; Mk 6,45-52; Joh 6,16-21).
Dabei ist die Erzählung jeweils eben nicht wortident. Nicht zuletzt finden wir auch hier matthäisches Sondergut. Matthäisches Sondergut stellt sogar eine Gruppe von vier unmittelbar aufeinander folgenden Versen dar. Diese lauten nach der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung:
„(Mt 14,28) Petrus erwiderte ihm und sagte: Herr, wenn du es bist, so befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme! (29) Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus. (30) Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst. Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich! (31) Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?
Etwas später erscheint ebenfalls im Matthäusevangelium (Mt 16,13-23) wieder mit knapperen Parallelstellen in anderen Evangelien, und zwar dieses Mal den beiden Synoptikern Markus und Lukas (Mk 8,27-33 und Lk 9,18-22) erneut Petrus keineswegs als strahlender Superheld, sondern als etwas schillernde Person, die Schwachpunkte erkennen lässt.
Wird uns hier, wiederum als matthäisches Sondergut, zunächst mit der besonderen Bevollmächtigung durch Jesus (Mt 16,17-19) die sog. Primatsstelle geboten, so wird wenig später genau Petrus durch Jesus sehr scharf zurechtgewiesen (Mt 16,23 und Mk 8,33).
Dies mag als Mahnung verstanden werden, dass es auch bei kirchlichen Amtsträgern menschliche Schwächen gibt, die nicht vertuscht werden dürfen.
Wenn unmittelbar nach jener Stelle im Matthäusevangelium, welche die klassische Bibelstelle für den Papstprimat, eben die Primatsstelle in traditioneller Theologie ist, Petrus sogar mit dem Wort „(Mt 16,23) du Satan (vgl. auch Mk 8,33)“ durch Jesus niedergebügelt wird, so sollte dies als Warnung vor einem unkritischen Papalismus sehr ernst genommen werden.
Im Sinne etwa des Konzils von Trient sind auch Päpste nur sündige Menschen. Auch ein Papst soll im traditionellen Sinne beichten gehen. Die sog. päpstliche Unfehlbarkeit ist durch das Erste Vatikanische Konzil so eng definiert, dass sie in rund 2000 Jahren Kirchengeschichte nach ernster Einschätzung ein- bis vielleicht ein dutzendmal schlagend wurde.
War offensichtlich beim Streit zwischen Calixtus/Kallistus und Hippolyt und der damit verbundenen konkurrierenden Amtsführung bis zum Ausgleich zwischen Pontianus und Hippolyt doch einigermaßen klar, dass Calixtus/Kallistus und seine Nachfolger einschließlich Pontianus rechtmäßig im Amt waren, so gab es im Laufe der Kirchengeschichte sog. Papstwahlen und Pontifikate, bei denen es nicht so klar war.
So wird schon für das Jahr 366 von einer „Doppelwahl“ für die Nachfolge des römischen Bischofs Liberius gesprochen. Von je einem ernstzunehmenden Teil der römischen (Orts-)Kirche wurde zum Einen Damasus, später meist Damasus I. genannt, und zum Anderen Ursinus gewählt. Heutzutage wird meist Ursinus als „Gegenpapst“ bezeichnet. Damasus I. kam sogar ins Heiligenverzeichnis. Dabei waren die Anhänger des Ursinus, gewissermaßen seine Fraktion, in den vorhergehenden Bedrängnissen durch den arianischen Kaiser Konstatin II. diejenigen gewesen, die sich dessen brutaler Einmischungspolitik samt Versuchen, das Glaubensbekenntnis von Nicäa zu beseitigen (siehe Gedanken zur Woche 145-b - TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2023)) als loyale Anhänger des römischen Bischofs/Papstes Liberius widersetzt hatten. Damasus rekrutierte seine Anhänger aus der Richtung des arianischen Gegenpapstes oder römischen Gegenbischofs von kaiserlichen Gnaden, Felix II. Er hatte sich wohl selber als Handlanger in den Augen einiger Kirchenmitglieder kompromittiert. Zum Einen infolge des brutalen Vorgehens seiner Anhänger und zum Anderen infolge des Eingreifens der römisch-imperialen Staatsmacht unter dem engagiert heidnischen Stadtpräfekten Vettius Agorius Praetextatus konnte sich schließlich Damasus (I.) durchsetzen. Wie auch bei späteren Auseinandersetzungen um die Besetzung des römischen Bischofsstuhls bzw. Papstamtes verlief der Entscheidungsprozess mehr oder weniger mulitpolar und keineswegs monokausal.
Dies wurde noch in spätantiker oder frühmittelalterlicher Zeit bei den zwiespältigen Wahlen von Bonifatius I. und Eulalius im Jahre 418 und von Bonifatius II. und Dioskur im Jahre 530 deutlich (siehe Gedanken zur Woche 73-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Ein ganzer eigener Fall ist dann der des Gegenpapstes, Papstes oder Papstprätendenten Philippus. Die Bezeichnung „Papst“ bei seinem Namen wird in der Sonderausgabe von 2006 der dritten Ausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK in Band VIII Abschnitt 237 mit einem eingeklammerten Fragezeichen versehen. In diesem Beitrag von Manfred Heim heißt es:
„(31.7.768). Nach dem Sturz Konstantins II. wurde der Presbyter Ph, Mönch im röm. Vitus Klr, v. der Langobardenpartei unter Waldipert z. Papst erhoben u. ohne Bf-Weihe im Lateran inthronisiert, jedoch noch am Abend desselben Tages v. einer Adelsgruppe um den Primicerius Christopherus wieder ins Klr verbracht. Ph ist weder als Papst noch als Gegenpapst befriedigend einzureihen.“
Dieselbe Position wird von Georg Schwaiger in seinem Beitrag in der zweiten Ausgabe des LThKs, Band VIII, Abschnitt 465 einschließlich einem eingeklammerten Fragezeichen beim Wort „Papst“ vertreten.
In der Papstliste in Band VIII, Abschnitt 57 der zweiten Ausgabe des LThK ist unter Punkt 93 unterhalb von „hl. Paul I“ und „Constantinus II“ auch „Philipp“ aufgeführt.
In Band VII der dritten Ausgabe des LThK, Abschnitt 1349 ist Philippus mit einem * versehen. Dazu heißt es in Georg Schwaiger, Papstliste, in: ebd., 1347:
„In der unten aufgeführten P sind die mit * bezeichneten Namen – mit den genannten Einschränkungen – nicht als rechtmäßig anerkannte Bf. V. Rom zu betrachten.“
Weitere umstrittene Papstwahlen und Absetzungen folgten bekanntlich in der Geschichte!
19. Sonntag im Jahreskreis:
1. Lesung: 1 Kön 19,9-13a (oder 1 Kön 19.9ab.11b-13)
2. Lesung: Röm 9,1-5
Evangelium: Mt 14,22-33
Hochfest von heiligen Hippolyt:
1. Lesung: Ez 34,11-16
2. Lesung: Hebr 11,32-36
Evangelium: Mt 23,8-12
Gedanken zur Woche 177-b, Dr. Matthias Martin
19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023)
Das geflügelte Wort von der Sisyphusarbeit wie auch von der Sisyphusaufgabe ist recht bekannt. Es bedeutet, dass ein Mensch oder eine Personengruppe eine Arbeit zu tun hat, einer Aufgabe nachzugehen hat, die nie zu einem positiven Abschluss kommt. Glaubt man etwa, etwas vorangekommen zu sein, so hat man mehr oder minder von vorne anzufangen. Das gesteckte Ziel ist nie erreichbar, wenn es sich im eigentlichen Sinne um eine Sisyphusarbeit oder Sisyphusaufgabe handelt.
Weniger bekannt ist, woher die Redensart kommt. Sie kommt tatsächlich wie so vieles andere in unserer Sprache bzw. breiteren kulturellen Überlieferung aus der griechischen Mythologie. Derzufolge war Sisyphos der Sohn eines thessalischen Königs. Weil er nicht davor zurückschreckte, auch die Götter in diesem Strang griechischer Mythologie zu täuschen, wird er zu einer nie endenden Strafe in der Unterwelt verurteilt. Dort muss er nun einen Felsblock einen steilen Hang hinaufrollen. Doch immer kurz vor Erreichen des Gipfels verliert er die mühevolle Kontrolle über den Stein, und dieser rollte wieder den Abhang hinunter. Der solchermaßen verurteilte Sisyphus muss mit seiner Arbeit erneut beginnen, die allen vorübergehenden Erfolgen beim Hinaufrollen zum Trotze niemals endet. Eingegangen ist dieser Mythos seit langer Zeit schon in die bildende Kunst wie auch in die Literatur. Hier ist gerade an den philosophischen Essay „Der Mythos des Sisyphos“ mit dem französischen Originaltitel „Le mythe de Sisyphe“ des französischen Autors Albert Camus zu denken.
In gewisser Hinsicht ist natürlich pastorale Tätigkeit hier im irdischen Leben immer etwas von einer Sisyphusarbeit. Von der traditionellen Theologie her kann man formulieren, dass die menschliche Natur geschwächt und in diesem Zusammenhang zur Sünde geneigt ist. Dabei sollte man es natürlich unterlassen, von einer totalen Verderbtheit der menschlichen Natur zu sprechen oder zu schreiben. Da der Mensch aber fortdauernd zur Sünde geneigt ist, lassen sich seine Schwächen, lässt sich allein schon von daher das Böse, die Entfremdung von Mensch zu Mensch wie von Mensch zu Gott nicht wirklich beseitigen. Es gibt immer wieder Rückschläge. Auch im erkenntnismäßigen Bereich gilt dies. Was einmal als Erkenntnis, als Erklärung irgendwo gewonnen oder vermittelt wurde, ist stets in Gefahr, vergessen oder verfälscht zu werden.
Ausdruck von der Sisyphusarbeit mag gerade in den Sinn kommen, wenn man sich dem 15. August, dem Hochfest von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL nähert.
Ja, es heißt tatsächlich richtig AUFNAHME IN DEN HIMMEL und nicht HIMMELFAHRT! Nach der in der katholischen Kirche und auch etwas darüber hinaus überlieferter Überzeugung wurde Maria durch die Gnade Gottes erwählt, in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen. Sie ist nicht selber in den Himmel aufgefahren, weder in einen Himmel in einem empirisch-naturwissenschaftlichen Sinne, noch in den Himmel in einem religiös-mythologischen Sinne. Im Englischen werden diese Begriffsinhalte, welche im Deutschen allesamt mit dem Wort Himmel bezeichnet werden, mit zwei sehr deutlich verschiedenen Worten bezeichnet. Sky bezeichnet den Himmel als empirische Örtlichkeit. Heaven bezeichnet die religiös-mythologische, mancher würde formulieren metaphysische Größe.
Beim Hochfest von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL geht es natürlich um eine religiös-theologische Angelegenheit. Am Hochfest vom 15. August wird also der Blick in Richtung Heaven gerichtet. In diesen Heaven wurde betreffendem theologischem, ja lehramtlichem Verständnis nach Maria in Gnaden aufgenommen. Sie ist dorthin selber nicht aufgefahren. Ausdrücke wie „Maria Himmelfahrt“ und dergleichen sind und bleiben irreführend (siehe Gedanken zur Woche 23-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 41 – 4. ADVENTSONNTAG (2020); Gedanken zur Woche 125-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2022) und allgemeiner Gedanken zur Woche 73 – HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL und 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
ist ein Blick in die englische bzw. amerikanische Sprache aufschlussreich, wenn es um das geht, was eben auf Deutsch AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL genannt wird.
So wird dort deutlich zwischen Asencion und Assumption unterschieden.
Asencion kann etwa heißen „Aufstieg“ und auch „Aufsteigen“. Hier liegt dann ein eigenes Handeln oder bestimmte eigene Eigenschaft vor, die zu einem Aufstieg oder Aufsteigen führt.
Anders ist es bei dem Wort Assumption. Dieses kann etwa „Annahme“ heißen, bedeutet so viel wie, dass jemand oder etwas aufgenommen, angenommen oder in einen Verfügungsbereich, in die Kontrolle von jemanden übernommen wird. Hier geschieht also etwas mit dem Betreffenden, er ist nicht der Handelnde bzw. der in erster Linie Handelnde.
So heißt dann in Varianten des Englischen die Himmelfahrt Christi „Ascension of the Lord“, „Ascension of Jesus“ oder schlicht und ganz kurz „The Ascension“. Christi Himmelfahrt kann auch genannt werden „Ascension Day“.
Anders ist es im Englischen bzw. Amerikanischen, wenn es um Maria geht. Das Hochfest vom 15. August wird „Assumption oft he Blessed Virgin Mary“ oder kürzer etwa „Assumption of Mary“ genannt. Es können auch Bezeichnungen wie „Feast of the Assumption“ oder „Assumption Day“ begegnen. In englischsprachigen Erläuterungen wird betont, dass es an diesem Hochfest um den Glauben geht, Gott habe Maria in den Himmel aufgenommen. Da kann man dann etwa eine Formulierung lesen wie „The Christian feast day oft he Assumption of Mary celebrates the belief that God assumed the Virgin Mary into Heaven following her death.“
Es geht hier in Hinblick auf Maria bzw. das Hochfest vom 15. August also jeweils darum, dass Maria aufgenommen, irgendwie angenommen wurde. Wird Jesus Christus in Hinblick auf das Hochfest von CHRISTI HIMMELFAHRT als „Lord“ bezeichnet, was soviel wie „Herr“ oder gar „Gott“ heißt, wird Maria eben nicht mit einer Bezeichnung als „Mistress“ oder „Lady“ bedacht, was soviel hieße eben wie „Herrin“. Der Begriff „Lord“ lässt sich im betreffenden Kontext etwa mit Blick auf Jesus Christus eben sogar mit „Gott“ übersetzen. Maria wird aber nirgends in der katholischen Überlieferung bzw. Liturgie als „Goddess“ oder mit dem früher im Gebrauch befindlichen Wort „Deess“ bedacht. Beide Worte, „Goddess“ und „Deess“, bedeuten so viel wie „Göttin“, also eine weibliche Gottheit.
Der Unterschied zwischen Jesus Christus und seiner „Himmelfahrt“ und Maria mit ihrer „Aufnahme in den Himmel“ wird also umso deutlicher.
Man muss kein katholischer Traditionalist sein, um zu betonen, dass die katholische Kirche, auch genannt römisch-katholische Kirche, wie zahlreiche andere Konfessionen eine (Allerheiligste) Dreifaltigkeit und eben keine Vierfaltigkeit mit Maria als einer angenommenen göttlichen Person verehrt. Bei nichttrinitarischen Gemeinschaften wie (biblischen) Unitariern und Vertretern einer Einssein-/Oneness-Theologie (siehe Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 146 – TAUFE DES HERRN (2023)) wird die Zurückweisung jeder Art von Vergöttlichung Mariens ebenfalls sehr deutlich.
Unpräzise und gewissermaßen übereifrige Wortwahl in Hinblick auf ein Hochfest wie das vom 15. August oder auch das vom 8. Dezember können sehr leicht die Verwirrung fördern und schweren Schaden anrichten. Nicht umsonst hat sich die katholische Kirche wie auch andere Kirchen oder konfessionelle Gemeinschaften von einstigen Kollyridianer/Philomarianiten wie dann in neuerer Zeit von Mariaviten und weiteren gewissermaßen marianistischen Gruppen sehr deutlich abgegrenzt (siehe Gedanken zur Woche 116 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 125-b – 20 WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2022)).
Dazu ist dann allein schon einmal ein Blick auch in die alten kirchlichen und in der Ökumene eine wichtige Rolle spielenden Glaubensbekenntnisse nützlich. Dies gilt etwa für das sog. Apostolische Glaubensbekenntnis, das Glaubensbekenntnis von Nicäa und das Nicäno-Konstantinopolitanum/Große Glaubensbekenntnis sowie das sog. Athanasische Glaubensbekenntnis, welches auch das Quicumque genannt wird.
Gedanken zur Woche 176, Dr. Matthias Martin
FEST von VERKLÄRUNG DES HERRN (2023)
Wenn in der katholischen Kirche wie in nicht wenigen anderen Kirchen bzw. konfessionellen Gemeinschaften am 6. August eigens das Fest von VERKLÄRUNG DES HERRN, auch genannt VERKLÄRUNG CHRISTI, gefeiert wird, so sollte dies gerade bei kirchlichen Mitarbeitern, geweihten wie nicht geweihten, ein Anlass für ernstes und ehrliches Nachdenken sein.
Immerhin handelt es sich um ein Fest, welches der katholischen und orthodoxen Kirche sowie lutherischen Gemeinschaften gemeinsam ist. Hinzukommt, dass es mehr oder minder auch in dem zusehends gespaltenen Anglikanertum/Anglikanismus sowie bei den aufgesplitterten Altkatholiken begangen wird.
Bei orthodoxen Kirchen wird dieses Fest mitunter mit einer terminlichen Verschiebung gefeiert, da eine Reihe orthodoxer Kirchen bzw. Gemeinschaften bekanntlich noch an dem nach dem römischen Machthaber Julius Cäsar (100-44 v. Chr.) benannten julianischen Kalender festhält. Demgegenüber hat sich in anderen christlichen Kirchen, konfessionellen Gemeinschaften und verschiedenartigen Gruppierungen längst der nach Papst Gregor XIII. (Pontifikat 1572-1585) benannte gregorianische Kalender durchgesetzt. Dieser wird ja auch in der internationalen Gemeinschaft längst allgemein verwendet. Ein Blick auf die Tätigkeit internationaler Organisationen bestätigt dies. Dabei ist der Siegeszug des auf die Initiative eines Papstes zurückgehenden und sogar nach ihm benannten gregorianischen Kalenders nur ein Beispiel für die Durchsetzung und Gewinnung allgemeiner Akzeptanz für eine aus dem inneren Bereich der katholischen Kirche kommende Festlegung oder Entdeckung.
Man denke hier nur an die nach dem katholischen Ordensmann Gregor Mendel (1822-1884) benannten Mendelschen Regeln zur Vererbungslehre, mitunter auch die Mendelschen Gesetze genannt. Zumindest in der wahrnehmbaren Öffentlichkeit sind diese Erkenntnisse heutzutage ziemlich unbestritten. Ebenso bestreiten höchstens noch gesellschaftliche Randgruppen die Erkenntnisse des einst von Martin Luther so heftig attackierten Nikolaus Kopernikus (1473-1543) (siehe allgemein Gedanken zur Woche 6 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2020)). Sein auch von päpstlicher Seite wohlwollend aufgegriffenes Wirken eröffnete den Weg zu immer weiteren Erkenntnissen in Astronomie samt Astrophysik und Astrobiologie. Überhaupt stieß Kopernikus auch eine Neubetrachtung philosophischer Überlieferung an. Bei seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war ihm zugutegekommen, dass er sich vorher nicht zuletzt Studien in Mathematik und Astronomie gewidmet hatte. Dies mag an den Fächerkanon der Artes Liberales erinnern, wie er sich seit dem Altertum entwickelt und wie er durch das Mittelalter hindurch überliefert die Fächer der Grammatik, der Rhetorik, der Logik bzw. der Dialektik umfasst. Hinzu kommen die mathematischen Disziplinen der Geometrie und Arithmetik, dazu der Musik und schließlich eben auch der Astronomie. Bereits in frühen Jahrhunderten können auch Fächer wie Geografie und Geschichte begegnen, wenn man sich mit der Geschichte des Christentums oder allgemeiner mit Geistesgeschichte beschäftigt.
Die wiederholte Zurückweisung ja Verurteilung der Fideismus genannten Meinung, nur der Glaube, lateinisch Fides, habe zu zählen, durch die Kirche sollte als Ermutigung gesehen werden, sich eifrig mit wissenschaftlichen Studien und generell mit Wissenschaften zu beschäftigen (siehe Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 54-b – 5. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2021); Gedanken zur Woche 110-b – 3. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 128 – 23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 160-b – 2. OSTERWOCHE (2023)).
Schließlich geht die Entwicklung der wissenschaftlichen Geologie und der Kristallkunde auf den Konvertiten zur katholischen Kirche Niels Stensen (1638-1686) zurück. So wurde er der „Vater der Geologie“ genannt. Auch in Medizin bzw. Anatomie wirkte der in Zusammenhang mit seinem Engagement zum Bischof geweihte mutige Konvertit in bahnbrechender Weise. Mit dem Nachweis, dass Frauen über eigene Eierstöcke verfügen, leistete er bahnbrechendes gegen frauenfeindliche Vorurteile.
Ihm dürfte zumindest in der weiteren Öffentlichkeit da niemand so direkt widersprechen.
Nicht umsonst wurde etwa auch mancher Mondkrater nach einem katholischen Geistlichen benannt. Einer der solchermaßen geehrten katholischen Geistlichen in der Wissenschaftsgeschichte ist Georges Lemaītre (1894-1966). Auf ihn geht insbesondere die Theorie vom Urknall, die Urknalltheorie zurück. Die Päpste Pius XII. (Pontifikat 1939-1958) und Johannes XXIII. (Pontifikat 1958-1963) würdigten ihn sehr.
Auf der anderen Seite muss man sich aber eingestehen, dass seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts kirchliches Leben weggebrochen, Volkskirche kollabiert ist. Wer kann wohl in westlichen Gesellschaften mit dem Ausdruck FEST VON DER VERKLÄRUNG CHRISTI noch etwas anfangen?
Vor Jahren war bereits unbestritten, dass ein ernstzunehmender Teil der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland nicht einmal mehr weiß, dass Weihnachten das christliche Hochfest von der Geburt Christi ist. Inzwischen hat sich der Kollaps kirchlichen Lebens nicht zuletzt im deutschen Sprachraum noch erheblich beschleunigt. Das wiederholte Uminterpretieren und Verschweigen unangenehmer Fakten konnte dies nicht verhindern, sondern hat die Krise nicht gebremst, nur verschlimmert. Verfolgt man sehenden Auges die kirchlichen Entwicklungen, so entgehen einem nicht der Absturz bei den Kirchenbesucherzahlen, beim Priester- und Ordensnachwuchs. Trotz der riesigen Einnahmen aus Kirchensteuern und darüber hinaus mehr als großzügigen staatlichen Zahlungen an die beiden einstigen großen Volkskirchen in der Bundesrepublik kommt es dort inzwischen zu massenweisen Zusammenlegungen von Pfarreien bis hin zu Dekanaten. Kirchenschließungen und die Aufgabe von Klöstern sind längst keine Seltenheit mehr gerade in westlichen Ländern. Die ununterbrochene Produktion immer neuer kirchlicher Dokumente, bei der auch kirchliche Hauptamtliche längst jeden, auch nur annähernden Überblick verloren bzw. ihn nie gewonnen haben, hat diese Entwicklung nicht gestoppt oder gebremst. Die Auflösung von Volkskirche seit den sechziger Jahren ging vielmehr einher mit dieser angeschwollenen kirchlichen Papierproduktion. Auch das Abhalten von mit viel Zweckpropaganda vorbereiteten und begleiteten Versammlungen konnte dies und das bei allen dort wiederum produzierten Papieren nicht verhindern.
Längst sollte klar geworden sein, dass die Strategie eines Gesundschrumpfens nicht erfolgreich ist. Vor wenigen Jahren kam aus dem protestantischen Bereich die Warnung, man könne sich nicht zurücklehnen und gemütlich gesundschrumpfen.
Schon Jahre vorher stellte der damalige Kardinal und spätere Papst Joseph Ratzinger insbesondere in seinem Verkaufsschlager auf dem Buchmarkt „Zur Lage des Glaubens“ eine für die katholische Kirche verheerende Entwicklung seit Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils fest. In der Zwischenzeit sind nicht zuletzt von Wissenschaftlern in Großbritannien und Frankreich Veröffentlichungen erschienen, in welchen der Massenexodus aus der katholischen Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil bzw. das Verschwinden einer einst christlichen Lebenswelt thematisiert werden. Die weltweit so angesehene Havard Universität in den USA wies unwidersprochen auf den massiven Mitgliederverlust der katholischen Kirche in den USA hin. Und dies geschah noch vor der jüngsten Enthüllungswelle mit dem Schwerpunktbereich Sexueller Missbrauch.
Die Anpassung an den Zeitgeist oder herrschende politische Strukturen bzw. an so etwas wie den dominierenden wirtschaftlich-politischen Komplex dürfte tatsächlich keine Lösung sein.
Die vorgerückten Auflösungserscheinungen des offiziellen Anglikanertums gerade in Großbritannien mit dem kirchenpolitischen Kernbereich für Anglikaner in England sowie in Kanada verdeutlichen dies (siehe Gedanken zur Woche 151 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Der Versuch des amtierenden Erzbischofs von Canterbury, Justin Welby, mittels der Krönung Charles III. eine Beitritts- oder Rückkehrwelle zugunsten der anglikanischen Staatskirche von England zu erreichen, ging in kontraproduktiver Peinlichkeit unter. Von seinem handstreichartigen Versuch, die Menschen in Richtung eines pseudofreiwilligen Gehorsamseides auf den zugleich das Oberhaupt der Staatskirche darstellenden Königs zu überrumpeln hat sich offensichtlich sogar eben dieser König deutlich distanziert. Die Behauptung Welbys, so ein mehr oder minder öffentlich zu leistender Treueeid auf den König sei ein Angebot für Menschen guten Willens, unterstellt jedem, der nicht „freiwillig“ einen solchen provokanten Treueeid leisten will, reine Böswilligkeit.
Anstatt sich bei einem so weltlichen Oberhaupt einer Staatskirche wie Großbritannien und seinen Bediensteten anzudienen, sollte man sich doch lieber an Jesus Christus orientieren, sich bemühen, Christus nachzufolgen.
Das Fest von der VERKLRÄUNG DES HERRN verdeutlicht dies.
1. Lesung: Dan 7,9-10.13-14
2. Lesung: 2 Petr 1,16-19
Evangelium: Mt 17,1-9
Gedanken zur Woche 176-b, Dr. Matthias Martin
18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Der Überblick über die Seligen und Heiligen, deren in einer Woche im liturgischen Jahreskreis gedacht wird, kann immer wieder bemerkenswerte Akzente kirchlichen Lebens verdeutlichen.
So ein Gang durch die Woche im Jahreskreis mag etwa gerade in der heutigen massiven Krise des Ordenslebens mit einbrechenden Mitgliederzahlen, Überalterungsproblemen und der Schließung von Niederlassungen bei vielen Gemeinschaften verdeutlichen, dass das, was verallgemeinernd Ordensleben genannt wird, keine Nebensächlichkeit für die Kirche ist und damit auch nicht vernachlässigt werden sollte.
Zum Abbau von historischen Klischees ist allein schon ein Blick auf den Lebensweg des heiligen Cajetan/Kajetan von Thiene (1480-1547) nützlich. Er verkörpert hervorragend katholische Reformbewegungen in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts. Mit Gefährten, darunter den späteren Papst Paul IV. (Pontifikat 1555-1559) gründete er bereits im Jahre 1524 den Orden der Theatiner, offizielle Ordo Clericorum Regularium oder Ordo Theatinorum mit der Abkürzung CR. Die Gründung erfolgte wenige Jahre nach Ende des leider sehr stark in Vergessenheit geratenen Fünften Laterankonzils (1512-1517). Dieses hatte eine ganze Bandbreite von Themen in Angriff genommen wie die Förderung der Einheit der Christen, Fragen im Spannungsfeld von Gaube und Vernunft unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Philosophie, die deutliche Zurückweisung der massiven Einmischungen der französischen Monarchie in das kirchliche Leben sowie in verschiedener Hinsicht die Reform kirchlicher Tätigkeiten im Geiste wahrer Erneuerung einschließlich der Tätigkeit der römischen Kurie. Ziel war gerade auch eine Erneuerung des Klerus.
Genau auf dieser Linie lag die Gründung des Theatinerordens durch den heiligen Cajetan von Thiene und seinen Gefährten und damit die Gründung des ältesten und bis heute bestehenden Ordens von Regularklerikern (siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 171-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Gefördert wurde der Orden im Laufe der Zeit gerade durch die kurbayersische Linie der Wittelsbacher. In München entstand die berühmte Theatinerkirche. Schließlich wurde der heilige Cajetan/Kajetan von Thiene zum Patron der altbayerischen Wittelsbacher erklärt.
Die Theatinerkirche in München ist als Sehenswürdigkeit bekannt und so etwas wie ein Blickfang. Es wäre erfreulich, wenn dieses Kulturdenkmal auch einen Anstoß bei Menschen vermitteln täte, sich etwas mit dem katholischen Ordenswesen und da nicht zuletzt mit den so bemerkenswerten Neugründungen des 16. Jahrhunderts zu beschäftigen. Natürlich verdient die Münchner Theatinerkirche als solche Beachtung auch als ein Teil des allgemeineren kulturellen Erbes. Zugleich mag ein Blick auf die im Laufe der Geschichte umfangreiche Tätigkeit von Theatinern im künstlerischen Bereich und in den Wissenschaften einschließlich den Naturwissenschaften ermutigen, selber den positiven Zusammenhang von Glauben und Vernunft zu sehen. Das ist dann gerade auch im Sinne des Fünften Laterankonzils. Insbesondere in praktischer Hinsicht betonte dann noch im 16. Jahrhundert das Konzil von Trient (1545-1563) die Bedeutung einer guten Ausbildung von Trient beim Klerus und traf damit so etwas wie eine Richtungsentscheidung zugunsten Bildung und Wissenschaft und gegen fiedistische Irrwege (siehe Gedanken zur Woche 45 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 58 – 5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2021) und Gedanken zur Woche 128 – 23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Gerade dann das Erste Vatikanische Konzil (1869-1870) betonte ganz generell den positiven Zusammenhang von Glauben und Vernunft. Es bleibt zu hoffen, dass die sehr in Vergessenheit geratene und oft mutwillig verdrängte erste dogmatische Konstitution dieses Konzils, „Dei Filius“, wieder stärker wahrgenommen und als Beitrag für ernste Reflexion und Diskussion genutzt wird (siehe Gedanken zur Woche 131-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
In Hinblick auf theatinische Ordenstradition sollte dazu auch nicht vergessen werden, sondern lieber wieder stärker ins Bewusstsein gerückt werden, die Beteiligung von Frauen. So entstanden im Gebiet des jetzigen Italiens verschiedene Ordens- bzw. ordensähnliche Gemeinschaften von Frauen, die schließlich dem Theatinerorden angegliedert wurden. Heutzutage besteht theatinisches Ordensleben von Frauen in Gestalt der Kongregation päpstlichen Rechts der „Theatinerinnen (von) der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria“ oder „Schwestern von der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria“. In der Geschichte der, sagen wir es kurz, Theatinerinnen spiegelt sich etwas von der allgemeinen Geschichte von Kirche und Welt wider. Die Schwesterngemeinschaft wurde nicht zuletzt durch den amtierenden Papst Franziskus gewürdigt (https://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2018/june/documents/papa-francesco_20180616_suore-teatine.html). Das passt in bemerkenswerter Weise zur Tätigkeit von Papst Franziskus, Frauen in der Kirche generell einen würdigen Platz zu sichern.
Gehen wir im jetzt zumeist verwendeten liturgischen Kalender für das Jahr 2023 in der 18. Woche im Jahreskreis weiter vor, so wird die Bedeutung von Frauen für kirchliches Leben und kirchliche Entwicklungen wie generell für das geistig-kulturelle bis politische Leben eigens deutlich.
So stößt man da alsbald auf die heilige Edith Stein (1891-1942) mit ihrem Ordensnamen Theresia Benedicta vom Kreuz. Diese Heilige wurde 1999 durch Papst Johannes Paul II. zusammen mit zwei anderen Frauen, der heiligen Birgitta von Schweden (1303-1373) und der heiligen Katharina von Siena (1347-1380) zur Schutzpatronin/Patronin Europas erhoben. Durch ihr beeindruckendes Wirken verdeutlicht die heilige Edith Stein/Theresia Benedicta vom Kreuz die zentrale Wichtigkeit eines positiven Zusammenhangs von Glauben und Vernunft, von Kirche und Wissenshaft. Ihr Erbe mag als Anstoß dienen, sich eingehend mit Philosophie zu beschäftigen, was ja auch ganz im Sinne von Kirchenlehrern, Synoden und Konzilien ist. Zugleich weist das Leben, Sterben und auf uns gekommene Erbe der heiligen Edith Stein auf das furchtbare Schicksal ungezählter Menschen in Zusammenhang mit Rassenverfolgungen, Vertreibung und Flucht während des 20. Jahrhunderts hin (siehe Gedanken zur Woche 124-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Nicht zuletzt mag dies ein Anstoß sein, die Arbeit von Vertriebenen- und Spätaussiedlerverbänden zu schätzen und zu unterstützen. Die jüdische Herkunft und ihre von daher herrührende Ermordung durch die Nationalsozialisten der heiligen Edith Stein mit ihrem karmelitischen Ordensnamen Theresia Benedicta vom Kreuz mag gerade zum Eintreten für die Rechte jüdischer Menschen im jetzigen polnischen Machtbereich motivieren. Die Behandlung jüdischer Menschen und ihrer Erben durch den auch sonst nicht zimperlichen polnischen Staatsapparat (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)) mit seinen Unterstützern auch in der Europäischen Union sollte mehr als nur zu denken geben. Leid und Unrecht dürfen nicht verdrängt werden. Mögliche Nachahmungstäter und dergleichen werden durch so etwas immer nur ermutigt.
Mut hat schließlich auf ihre Weise auch die heilige Klara von Assisi (1194-1253) bewiesen. Die so engagierte Weggefährtin des heiligen Franz von Assisi ließ sich durch frauenfeindliche Vorurteile nicht abschrecken, sondern wurde zur Mitinitiatorin eines der großen Aufbrüche der Kirchengeschichte. Franziskanerinnen gewannen ihrerseits eine vielfältige Bedeutung, die auch von Kirchenfeinden wahrgenommen wurde. Die Verfolgungen gerade der Bettelorden in der sog. Reformationszeit und das nicht nur in dem Terrorregime des Massenmörders Heinrich VIII. von England und dann in der Zeit von Französischer Revolution und Napoleonischen Kriegen verdeutlichen dies.
Dabei verdient das Ordensleben auch über die (klassischen) Bettelorden hinaus Beachtung und Wertschätzung. Leben und Werk der heiligen Johanna Franziska von Chantal unterstreichen dies. Zugleich lebte diese in besonders beeindruckender Weise vor, dass es in einem unverfälschten, unkorrumpierten Christentum um die Verbindung von Glauben und guten Werke geht und da gerade für die Notleidenden.
Gedanken zur Woche 175, Dr. Matthias Martin
17. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Zu den ganz kurzen Gleichnissen gehören die im Matthäusevangelium enthaltenen Gleichnisse vom Himmelreich und dem Schatz, vom Himmelreich und dem Kaufmann mit der Perle sowie vom Himmelreich und dem Fischnetz.
Zugleich stellen diese drei knapp gefassten Gleichnisse offensichtlich matthäisches Sondergut dar.
Da mag sich natürlich spontan die Frage aufwerfen, warum denn gleich diese ganze Gruppe wenn auch kurzer Gleichnisse scheinbar nur im Matthäusevangelium vorhanden ist und namentlich nicht im Markusevangelium und auch nicht im ebenfalls synoptischen Lukasevangelium. Dies Frage wirft sich vor allem in Zusammenhang mit der Zweiquellentheorie auf. Warum fehlen diese Verse im Lukasevangelium, das nach der Zweiquellentheorie doch mit einem einst wie auch immer schon im Einzelnen vorhandenen Markusevangelium und der versuchterweise rekonstruierten Logienquelle Q, auch genannt die Redequelle oder die Spruchqelle (Q) über die beiden selben Quellen wie das Matthäusevangelium verfügen müsste (siehe Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 121 - 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 125 - 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS und VORABEND von AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2022)). Es handelt sich hierbei zumal nicht um das einzige matthäische Sondergut, welches dementsprechend beim anderen Seitenreferenten Lukas „fehlt“.
Denken wir da nur einschlägige Aussagen von der Geburt Jesu (Mt 1,18-25), den Auftritt der Sterndeuter nach der Geburt Jesu (Mt 2,1-11), die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten und den Kindermord von Bethlehem (Mt 2,13-23), die matthäische Bergpredigt als eine umfangreiche und über Material im Lukasevangelium hinausgehende Zusammenstellung (Mt 5,1-7,29), die Heilung zweier Blinden und eines Stummen (Mt 9,27-34), die eigene Einladung an Mühselige und Beladene (Mt 11,28-30) und unmittelbar vor den erwähnten drei so kurzen Gleichnissen von dem Schatz, der Perle und dem Fischnetz (Mt 13,44-50) das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker und dessen Deutung (Mt 13,24-30.36-43). Dazu kommen weitere sich gewissermaßen hinziehende Teile von matthäischem Sondergut, einzelne Worte und mehr.
Matthäisches Sondergut setzt sich nach dieser Dreiergruppe von kurzen Gleichnissen fort. So finden wir u. a. als matthäisches Sondergut eine Verheißung von Gebetserhörung (Mt 18,19-20), das Gleichnis vom König und seinem verschuldeten wie unbarmherzigen Diener (Mt 18,23-35), das Gleichnis vom gleichen Lohn für unterschiedlich lange geleistete Arbeit (Mt 20,1-16), das Gleichnis von sich unterschiedlich verhaltenden Söhnen (Mt 21,28-32), das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt 25,1-13) sowie das vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46) bis hin zu eigenen Aussagen über das Ende des Judas Iskariot (Mt 27,3-10). Dazu kommen Versgruppen matthäischen Sonderguts gerade mit Aussagen über von Pontius Pilatus entsandte Wächter am Grab des gekreuzigten Jesus (Mt 27,62-66) und den erzählten Betrug im Sinne offensichtlicher Vertuschung der Auferstehung (Mt 28,11-15). Noch einmal matthäisches Sondergut stellt der Schluss des Matthäusevangeliums mit dem trinitarischen Taufbefehl dar (Mt 28,16-20).
Gerade hier handelt es sich noch einmal um einen besonders bekannten Teil des Neuen/Zweiten Testaments und überhaupt von so etwas wie christlicher Bibel aus Altem/Erstem und Neuem/Zweiten Testament.
Wieso aber findet sich solches mitunter doch sehr bekanntes und beliebtes Erzählgut nicht in anderen Evangelien? Dabei handelt es sich bei den hier angesprochenen Fällen matthäischen Sonderguts nur um eine geraffte Aufzählung von ganzen Erzählteilen ohne eben in die weiterführenden Einzelheiten von Worten, Satzteilen und dergleichen an anderen Stellen des Matthäusevangeliums einzugehen.
Lag dem Matthäusevangelium vielleicht unabhängig von einer mit dem Lukasevangelium gemeinsamen Logien-/Spruch-/Redequelle Q und dem Markusevangelium noch eine weitere Quelle zugrunde? Wäre diese dann den Verfassern oder Endredaktoren sämtlicher anderer Evangelien und wohl auch der anderen neutestamentlichen Schriften unbekannt gewesen? Oder handelt es sich im Sinne einer Matthäuspriorität mit dem Matthäusevangelium als zumindest ältestem der drei synoptischen Evangelien bis hin überhaupt aller vier Evangelien um Wegbrechen bzw. Auslassen von matthäischem Überlieferungsgut?
Wer etwas die Diskussion über die Entstehung der neutestamentlichen Schriften und da nicht zuletzt der synoptischen Evangelien verfolgt, weiß, dass die Datierungen zur Entstehung neutestamentlicher Schriften samt z. B. des Lukasevangeliums und Aussagen zu angeommenen literarischer Abhängigkeiten auseinandergehen.
Sehr rasch mag sich die Frage aufwerfen, wie es denn umgekehrt auch zu spektakulärem lukanischem Sondergut kam. Man denke hier nur die Vorankündigungen und Erzählungen der Geburten Johannes des Täufers und Jesu von Nazarets mit der doch so beliebten lukanischen Weihnachtsgeschichte samt Beschneidung im Tempel (Lk 1,5-2,40) und die Erzählung von Jesus als Zwölfjährigem im Tempel (Lk 2,41-52). Zum weiteren Verlauf mögen ganz spontan insbesondere die Gleichnisse vom barmherzigen Samariter (Lk 10,28-37) und vom verlorenen Sohn mit dem barmherzigen Vater (Lk 15,11-31) das in den Sinn kommen.
Wie kam nun dieses und weiteres Sondergut in das Lukasevangelium hinein?
So können schon ganz kurze Gleichnisse im Rahmen matthäischen Sondergutes zu weitreichenden Fragen, Überlegungen und Studien Anstoß geben.
Dabei wird natürlich der Bezug bei dieser Gruppe von knappen Gleichnissen zum primären volkswirtschaftlichen Sektor deutlich (siehe Gedanken zur Woche 20 – 17. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)). So geht es im ersten Gleichnis um einen Schatz, der in einem Acker vergraben sei (Mt 13,44). Man muss nun kein Experte, keine Expertin sein, um zu wissen, dass ein Acker Basis und Ort für landwirtschaftliche Tätigkeit ist. Im zweiten Gleichnis geht es um eine besonders wertvolle Perle (Mt 13,45). Perlen wachsen ja und sind damit ihrerseits dem primären Sektor zuzuordnen. Zumal hat geht die Tätigkeit von Perlentauchern in Richtung von Fischereiwesen. Perlen zu züchten wiederum ist pflanzerische Tätigkeit und wie immer man dies nennen will. Das im Vergleich dazu etwas umfangreichere Gleichnis vom Fischernetz bzw. dem Himmelreich und dem Fischernetz (Mt 13,47-50) geht natürlich auch wieder in Richtung des primären volkswirtschaftlichen Sektors, zu dem ja auch die Fischerei gehört.
Interessant ist dabei, dass der Kaufmann, der im Gleichnis schöne Perlen sucht, durchaus positiv dargestellt, ja als so etwas wie ein Vorbild für Gläubige präsentiert wird. Von einer Kritik am Kaufmannsstand ist hier nichts zu finden. Das Element der Erzählung, wonach er sein ganzes Vermögen verkauft, um die eine besonders schöne Perle kaufen zu können, unterstreicht den Ernst der Suche nach dem Himmelreich. Es geht in diesem Gleichnis ja offenkundig nicht um eine betriebswirtschaftliche Information. Aber es wird dieser Kaufmann mit einem offensichtlich als vorhanden angenommenen persönlichen Vermögen als durchaus achtbare Person dargestellt. Er handelt offensichtlich in wirtschaftsrechtlicher Hinsicht völlig korrekt. Zum einen tätigt er einen Verkauf und finanziert damit zum anderen dann einen Kauf. Er verkauft sein eigenes Vermögen und kauft damit die besonders wertvolle Perle.
So handelt auch der Mann, der unmittelbar vorher im dortigen Gleichnis den Schatz im Acker findet. Er nimmt den Schatz nicht, wie viele annehmen würden, einfach an sich. Er tätigt vielmehr erst einen Verkauf, nämlich all dessen, was er besaß. Dann tätigte er den Kauf des Ackers. Dabei dürfte die Rede vom Verkauf des ganzen Vermögens auch hier dazu dienen, den Ernst des Strebens nach dem Himmelreich zu verdeutlichen und nicht dazu, in einem weltlichen Sinne betriebswirtschaftliche Hinweise zu vermitteln.
Jeder der beiden Personen lässt sich für das, was er verkauft, etwas bezahlen. Und jeder zahlt für das, was er erwerben will, und dafür scheinbar sogar sehr viel.
So sollen ja auch gerade kirchliche Einrichtungen bzw. die Vertreter betreffender juristischer Personen des kirchlichen Bereichs in wirtschaftlichen Angelegenheiten sehr korrekt handeln. Das offiziell gültige Kirchenrecht unterstreicht dies.
Auffälligerweise wurde ja unter Papst Franziskus das gesamte Strafrecht des CIC einschließlich der Regelungen für wirtschaftliche Vergehen verschärft (siehe Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Allein schon dies sollte zu denken geben.
1. Lesung: 1 Kön 3,5.7-12
2. Lesung: Röm 8,28-30
Evangelium: Mt 13,44-52 (oder 13,44-46)
Gedanken zur Woche 175-b, Dr. Matthias Martin
16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Die Gedenktage des heiligen Ignatius von Loyola, des heiligen Alfons Maria von Liguori und des hl Petrus Julianus Eymard weisen schon auf die Vielfalt des katholischen Ordenslebens, die Ausdifferenzierungen bei den kanonischen Lebensverbänden im Allgemeinen und bei den Religiosenverbänden im Besonderen hin. Nun wird in der deutschen Übersetzung des CIC, des CODEX IURIS CANONICI von 1983 für die Lateinische Kirche vereinfachend von „Ordensinstitute“ gesprochen. In der kirchlichen Überlieferung und auch noch in der lebendigen Praxis wird aber sehr wohl zwischen Orden im eigentlichen Sinne und (religiösen) Kongregationen ausdifferenziert (siehe Gedanken zur Woche 148-b – 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Genau für diese Ausdifferenzierung zwischen Orden und Kongregationen stehen auf der einen Seite der heilige Ignatius von Loyola und auf der anderen Seite miteinander der heilige Alfons Maria von Liguori und der heilige Petrus Julianus Eymard. So gründete der heilige Alfons von Liguori mit den Redemptoristen, seltener auch Ligorianer oder Liguorianer genannt, eine (religiöse) Kongregation (siehe Gedanken zur Woche 20-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 123-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Auch der heilige Petrus Julianus Eymard ging als Kongregationsgründer in die Geschichte ein. So heißt es im Direktorium der Diözese St. Pölten für das Jahr 2023 über sein Wirken:
„Er gründete zwei Gemeinschaften zur eucharistischen Anbetung: die Kongregation der Priester vom heiligen Sakrament (Eucharistiner) und die Dienerinnen des Allerheiligsten Altarsakramentes.“
Der heilige Ignatius von Loyola gründete mit den Jesuiten, der Gesellschaft Jesu, einen Orden im engeren Sinne (siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 20-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)), genauer einen Orden von Regularklerikern.
Ausdrücklich ist diese Ausdifferenzierung zwischen Orden im eigentlichen Sinne und Kongregationen ja auch noch festgehalten im CCEO, dem CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM für die Katholischen Ostkirchen (siehe Gedanken zur Woche 148-b – 3. WOCHE. IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 174-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Der Lebensweg solcher Heiliger mag anregen, sich mit ihrem sozialen, kulturellen, allgemeingeschichtlichen Umfeld zu beschäftigen. Dies kann dann auf seine Weise konfessionellen wie nationalstaatlichen bzw. nationalistischen Mythenbildung, penetranten Vereinfachungen, die für interessierte Kreise doch so zweckdienlich sind, entgegenwirken.
So waren die Jesuiten die wohl bekannteste Gründung des 16. Jahrhunderts im Bereich der Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften mit ihren Kongregationen und Ansätzen auch für die Herausbildung von Gemeinschaften, die heutzutage Säkularinstitute genannt werden. Man denke hier nur an Barnabiten, Ursulinen, Barmherzige Brüder von Gott, Piaristen, Kapuziner und Unbeschuhte Karmeliten, um bei wenigen im deutschen Sprachraum etwas bekannten Gemeinschaften zu bleiben. Dass die katholische Kirche im 16. Jahrhundert eine im schlechten Sinne erstarrte Gemeinschaft gewesen wäre, wird allein schon durch Neugründungen und Aufbrüche bei Orden- und ordensähnlichen Gemeinschaften widerlegt. Auch begeistertes Engagement auf eine einzige Gemeinschaft dieser Zeit zu begrenzen ist eine Irreführung. Darüber hinaus gab es beachtliche Aktivitäten, viele Neuansätze auch bei bereits bestehenden Orden. Das Wirken etwa von Mitgliedern des Dominikanerordens auf der Iberischen Halbinsel im 16. Jahrhundert verdiente es, nicht zuletzt im deutschsprachigen Mitteleuropa vorurteilsfrei wahrgenommen zu werden. Man kann bei Kartäusern auf ein vielfältiges Wirken stoßen, das überraschend sein mag, für heute Lebende wie auch für Menschen vorangegangener Jahrhunderte. Das Wirken von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, von Dritten Orden und Laienbruderschaften erstreckte sich von Krankenpflege und Armenhilfe über verschiedene Bereiche von Seelsorge samt Mission bis hin zu Unterricht und Wissenshaft. Nicht zuletzt die bildenden Künste empfingen Anregung und großzügige Förderung. Natürlich ging dann dort sehr viel in Zusammenhang mit antikatholischen Bilderstürmen als Kulturerbe der Menschheit verloren, wurde willentlich vernichtet.
Gerade katholische Orden und ordensähnliche Gemeinschaften wurden im 16. und 17. Jahrhundert Opfer flächendeckender Verfolgungen. Bei betreffenden Landesherrn einschließlich Patrizierkreisen spielte die Absicht eine ganz große Rolle, sich Klostervermögen und überhaupt kirchliches Vermögen aneignen zu können. Von verschiedener Seite wurde dieses ökonomische Grundmotiv für eine Positionierung gegen die katholische Kirche betont. Im Gebiet des Heiligen Römischen deutscher Nation/Ersten Deutschen Reiches wurde diesem rabiaten Beutezug seitens diverser Landesfürsten auch nicht durch den Augsburger Religionsfrieden Einhalt geboten. Dieser war für antikatholische Landdesfürsten dafür da, möglichst missachtet zu werden, gerade eben, wenn es um Klostervermögen und anderes Kirchenvermögen ging.
Ein eigenes vielsagendes Kapitel ist etwa die Bibliothek, die sich der antikatholische Kurfürst von der Pfalz namentlich durch das Ausplündern von Klöstern über Jahrzehnte hinweg zusammenraubte, bevor es dann in Zusammenhang mit dem gerade vom amtierenden Pfälzer Kurfürsten vorangetriebenen Dreißigjährigen Krieg zu einem heftigen Rückschlag kam. Raub und Kriegstreiberei führt eben nicht immer zum Erfolg, auch wenn erst einmal nicht zuletzt Ordensleute die Opfer waren bzw. sind.
Wenn man sich für eine theologisch wie geschichtlich orientierte Diskussion damaliger Ereignisse interessiert, so ist die Enzyklika „Editae saepe“, genannt die „Borromäus-Enzyklika“ noch heute ein beachtenswerter Beitrag (https://www.vatican.va/content/pius-x/en/encyclicals/documents/hf_p-x_enc_26051910_editae-saepe.html). Nicht umsonst hatte deren Verfasser, der heilige Papst Pius X. (1903-1914) ausdrücklich den Wert guter Geschichtskenntnisse betont.
Unbestritten ist beispielsweise die systematische Katholikenverfolgung in Zusammenhang mit der Etablierung der Anglikanischen Staatskirche in England und von England kontrollierten Gebieten. Das-Zu-Tode-Foltern von katholischen Ordensleuten und Priestern war im Sinne des Anglikanertums eine Selbstverständlichkeit. Das galt auch für die Anwendung grausamer Folter- und Hinrichtungsarten für Katholikinnen und Katholiken ganz allgemein wie für Anhängerinnen und Anhänger anderer missliebiger Positionen. Dass nun konservative Anglikaner in Zusammenhang mit den inneranglikanischen Auseinandersetzungen um gleichgeschlechtliche Paare allen Ernstes meinen, die offizielle englische Staatskirche hätte bisher immer die Werte der Bibel aufrechterhalten, ist in einem drastischen Sinne entlarvend. Die Gemetzel an Katholikinnen und Katholiken und auch die blutige Verfolgung von Anhängerinnen und Anhängern anderer theologischer Richtungen wären demnach das Vertreten biblischer Werte eines wahren Christentums gewesen. Gleiches gilt offensichtlich für konservative Anglikaner in Hinblick auf die von Großbritannien mit seiner anglikanischen Staatskirche betriebenen Ausrottung ganzer ethnischer Gemeinschaften, nach dem Vorspiel insbesondere in Cornwall, Schottland und Irland namentlich gegen ganze indigene Völker Nordamerikas bis hin zur tasmanischen Urbevölkerung auf dem australischen Kontinent. Der systematische britische Luftterror gegen einheimische Völker in Asien wie in Afrika wäre doch etwas, was bei aller fortdauernden und unleugbaren Verbindung des offiziellen Anglikanertums mit eben dieser britischen Staatsmacht durchaus kritisch zu betrachten wäre. Konservative Anglikaner haben aber offensichtlich auch damit keinerlei Problem, sondern halten dies offensichtlich weiterhin für das Umsetzen oder Vertreten christlicher Werte. Nur über eine etwas verständnisvollere Haltung gegenüber homosexuellen Paaren erregen sie sich jetzt, und meinen eben, das sei Abfall von christlichen Werten. Die bis hin zur Ausrottung ganzer Völker gehende britische Politik mit anglikanischem Segen, die Zerstörung ungezählter Menschenleben im Rahmen britischer Kolonialpolitik samt der Beteiligung der Anglikanischen Kirche am Sklavenhandel waren aber für solche konservativen Anglikaner über jeden Verdacht erhaben und nicht einmal zu bedauern. Man möge daran denken, dass im Rahmen des Burenkrieges Großbritannien mit seinem angeblich biblische bzw. christliche Werte vertretenden Staatskirchentum die ersten modernen Konzentrationslager errichtete. Nach Abschluss des Ersten Weltkrieges kam es dann zum Einsatz von Giftgas gegen die Bevölkerung des heutigen Iraks wie dort beginnend des Luftterrors. In der Zwischenzeit erklärte der seinerzeit amtierende anglikanische Erzbischof von Canterbury allen Ernstes, Großbritannien, eigentlich das Vereinigte Königreich, führe eben einen „Holy War“, zu Deutsch einen „Heilligen Krieg“. Die ganz offensichtliche bedingungslose Rechtfertigung von all dem und weiterer von der Geschichte und Gegenwart offiziellen Anglikanertums nicht zu trennenden „Vorfälle“ durch konservative Anglikaner sollten eindrücklich deutlich machen, dass man gegenüber solchen vermeintlichen „christlichen“ Bündnispartnern mehr als vorsichtig sein sollte.
Gedanken zur Woche 174, Dr. Matthias Martin
16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Auch ein weniger bekanntes Gleichnis in der Bibel kann eine starke, ja vielfältige und tiefgehende Aussagekraft haben. Hört ein heute lebender Mensch von Gleichnissen, denkt er spontan vielleicht an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-37), an das Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. vom verlorenen Sohn und dem barmherzigen Vater (Lk 15,11-32) oder an das Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46). Diese drei Gleichnisse, welche vom Bekanntheitswert her so etwas wie zur Spitzenklasse bei den Gleichnissen und generell bei Bibelstellen gehören, sind ja auch vielfältig in die bildende Kunst und in die religionspädagogische bis volkskatechetische Tätigkeit eingegangen.
Manch eine bzw. manch einer mag auch denken an das Gleichnis vom reichen Gutsherrn (Lk 12,13-21 oder 12,16-21), an das vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lk 16,19-31) oder an das vom verlorenen Schaf (Mt 18,10-14/18,12-14 und Lk 15,3-7). In Hinblick auf das Alte/Erste Testament mag dazu die gleichnishafte Pflanzenfabel von der Versammlung der Bäume besonders in den Sinn kommen (Ri 9,7-15 oder 9,8-15).
Das sind aber eben nur besonders bekannte Gleichnisse. Dabei hat eben auch so ein unspektakuläres wie das vom Gottesreich und dem Sauerteig (siehe eben Mt 13,33) seine nicht zu unterschätzende Bedeutung.
Dies verdeutlicht zunächst einmal wieder die Bedeutung der ganzen Heiligen Schrift, die Aussagekraft einer gewissermaßen unverkürzten Bibel, wie dies die katholische Kirche seit ihrer frühen Zeit in Abgrenzung zu Marcion/Markion und anderen getan hat. Gerade weniger geläufige oder gefällige Teile der Bibel sind unverzichtbar. Sie sollten nicht unter den Tisch fallen, egal ob es sich um einen Versteil, einen bestimmten Vers, eine Gruppe von Versen innerhalb einer biblischen Schrift, eine bestimmte biblische Schrift oder gar eine ganze Gruppe von biblischen Schriften, ob von Büchern des Alten/Ersten oder des Neuen/Zweiten Testaments handelt. In Hinblick auf die vier neutestamentlichen Evangelien mag man eigens betonen, dass dies gilt, egal ob ein betreffendes Textstück nun Sondergut eines dieser Evangelien, Traditio Duplex/Duplex Traditio, Traditio Triplex/Triplex Traditio darstellt oder sogar scheinbar in allen vier Evangelien, also den drei Synoptikern und dem Johannesevangelium vorzufinden ist.
Dies gilt dann im guten Sinne eben auch für das ganz kurze Gleichnis vom Sauerteig bzw. vom Gottesreich und dem Sauerteig. Dabei finden wir dieses als Traditio Duplex/Duplex Traditio bei den beiden Großevangelien Matthäus und Lukas vor (Mt 13,33 und Lk 13,20-21/13,21).
In beiden Varianten, also auch der nach Matthäus, ist die handelnde Person eine nicht namentlich bezeichnete Frau. Offensichtlich handelt es sich um eine einfache Frau, eine Frau, die normaler Hausarbeit und dergleichen nachgeht. Dies erinnert an Stellen im Alten/Ersten Testament.
So war es mit der Witwe von Sarepta eine Frau aus einfachen, ja ärmlichen Verhältnissen, die dem Propheten Elija half. Sie war ganz offensichtlich kein Mitglied eines damaligen Königshauses, von örtlichem Adel oder einer Patrizierfamilie (1 Kön 17,8-24). Sie, eine Phönizierin aus alles andere als gehobenen Verhältnissen, vertraute auf das Wort des Propheten Elija. Sie war bereit, von ihrem fast nicht mehr vorhandenen Vorrat etwas für ihn zum Essen zu bereiten. Auch konnte der Prophet in ihrem Haus wohnen. Wie im Ersten Buch der Könige erzählt wird, ging ihr Mehltopf wie ihr Ölkrug während einer gut dreijährigen Dürre nicht zur Neige. Auch erweckte laut dieser alttestamentlichen Erzählung Elija den dahingeschiedenen Sohn der Witwe wieder zum Leben. Dieser mit ihren einfachen Mitteln, gewissermaßen auf hausfraulicher Basis, handelnden Frau, wurde besondere Gnade zuteil und nicht einer Königin oder Adeligen. In der jüdisch-christlichen Überlieferung nimmt sie einen Ehrenplatz ein. Dies zeigte sich auch in der bildenden Kunst, sowohl in der Malerei wie in figürlicher Darstellung (https://www.alamy.de/fotos-bilder/die-witwe-von-sarepta.html?sortBy=relevant und https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&sxsrf=AB5stBh41D0uHfRn6zABPTxUogIuLU37lQ:1688761184676&q=Witwe+von+Sarepta+Darstellung&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwjIoJfUtf3_AhWn1gIHHXvzCccQ0pQJegQICBAB&biw=1366&bih=615&dpr=1). Eigens wird in der im Lukasevangelium überlieferten Antrittsrede Jesu in der Synagoge von Nazaret sehr lobend auf diese einfache Frau von Sarepta, diese hilfsbereite phönizische Witwe, hingewiesen (Lk 4,25-26).
Ähnliches wird auch in Zusammenhang mit dem Unterstützer des Elija, dem dann als Propheten wirkenden Elischa (1 Kön 19,14-21) überliefert. Bei ihm ereignete sich ein Ölwunder zugunsten der Ehefrau eines seiner Gefolgsmänner (2 Kön 4,1-7). Eine andere Frau, deren Ehemann noch am Leben war, verköstigte den Elischa und ließ ihn ähnlich der phönizischen Witwe von Sarepta bei sich wohnen. Auch sie erfuhr besondere Gnaden (2 Kön 4,8-37).
Frauen, die einfach und mit einfachen Mitteln Gutes getan haben, werden hier als Vorbilder und in besonderer Weise als von Gott gesegnet herausgestellt.
Dies passt zur theologisch-spirituellen Tradition, das häusliche Wirken von Maria, der Mutter Jesu von Nazarets, herauszustellen. Ihr stiller, treuer Dienst im Haus von Nazaret wird hier betont und als vorbildlich dargestellt. Es wird gewissermaßen auch in dieser Überlieferung die Aufmerksamkeit auf die vielen, oft so kleinen guten Werke gerichtet, die Maria getan hat. Man kann sich leicht vorstellen, dass sie in ihrem häuslichen Wirken auch mit Sauerteig gearbeitet hat.
Nicht einmal hartgesottene Monarchisten werden normalerweise leugnen, dass Jesus von Nazaret nach biblischer Überlieferung sehr früh mit König Herodes in einen schweren Konflikt geriet und Mitglieder von dessen Dynastie auch später Böses taten, wobei die Hinrichtung Johannes des Täufers nur so etwas wie die sprichwörtliche Spitze des Eisberges ist. Besonders klar ist, dass es der Statthalter des römischen Kaisers und Adelssprössling Pontius Pilatus war, der Jesus von Nazaret foltern und kreuzigen ließ. Seine Kollaborateure kamen aus den besser gestellten Familien. Sie waren die den Priesteradel darstellenden Sadduzäer.
Vergessen oder verdrängt wird aber sehr oft, dass bereits der Prophet Elija ein heftiger Kritiker des damaligen Königs von Israel war. Elischa hatte dann sein Werk fortzusetzen und sein Erbe lebendig zu erhalten.
Mit Monarchie und Adel gab es auch sonst immer wieder Konflikte. Auf der anderen Seite waren es einfache Frauen, welche sich für das Gute einsetzten. Dieses ganz kurze Gleichnis vom Sauerteig mag daran erinnern und das Bewusstsein dafür schärfen.
Einsatzbereitschaft von Frauen unter schwierigen Umständen wird nicht zuletzt etwa in alttestamentlichen Büchern wie Rut, Tobit, Judit, Ester und den beiden Makkabäerbüchern dargestellt. Natürlich lohnt sich auch die Lektüre der Fünf Bücher Mose, etwa des Buches Genesis und des Buches Exodus, und danach im Verlauf des Alten/Ersten Testaments das Lesen des Buches Rut. Auch das Buch Jesus Sirach aus der alttestamentlichen Weisheitsliteratur mag den Blick für das Wirken gerade von einfachen Frauen schärfen. Dabei ist natürlich zu bedenken, dass manche dortigen Formulierungen heutzutage sperrig und schwer verständlich klingen können. Das Ringen um ein richtiges Verständnis solcher Texte ist eine dauernde Herausforderung. Sind natürlich die Katholikinnen und Katholiken im Sinne unverfälschter kirchlicher Überlieferung eingeladen, die ganze Bibel zu lesen, so sind gute Kenntnisse zum geschichtlichen Hintergrund und zu den soziokulturellen Zusammenhängen wie wirtschaftlichen und technologischen Gegebenheiten sehr zu empfehlen. Einseitige Interpretationen von Bibelstellen bis verzerrende Schlussfolgerungen können immer wieder geschehen. Dies geschieht offensichtlich auch Hinblick auf die Stellung und Würde von Frauen. Da mag allein schon dieses kurze Gleichnis von eben der Frau, dem Sauerteig und dem Himmelreich etwas gegensteuern.
1. Lesung: Weish 12,13.16-19
2. Lesung: Röm 8,26-27
Evangelium: Mt 13,24-43 (oder 13,24-30)
Gedanken zur Woche 174-b, Dr. Matthias Martin
16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Der Gedenktag des heiligen Scharbel Mahluf (1828-1898) mag eine eigene Anregung sein, sich mit Geografie und Geschichte zu beschäftigen, weist uns sein Lebensweg doch in Richtung des Staatsgebietes der heutigen Republik Libanon. Als der heilige Scharbel Mahluf, geboren wurde, lebte und schließlich aus dem irdischen Leben schied, gab es die Republik Libanon noch nicht. Daher sollten Behauptungen wie, er sei im Libanon geboren worden und dergleichen, besser unterlassen werden. Das jetzige Gebiet der u. a. als Vollmitglied der Vereinten Nationen/UN anerkannten Republik Libanon gehörte damals noch einige Jahre lang zum Osmanischen Reich. Dieses unterhielt auch mit dem Heiligen/Apostolischen Stuhl in Rom Beziehungen. Im Laufe der Zeit wurden daraus offizielle diplomatische Beziehungen. Schwierigkeiten bereiteten dem Apostolischen/Heiligen Stuhl bei der Entwicklung von Beziehungen einschließlich diplomatischer Beziehungen immer wieder imperialistische Mächte wie Frankreich. So konnte der Apostolische Stuhl erst nach der Niederlage Frankreichs im Jahre 1940 diplomatische Beziehungen mit China wie auch mit Japan aufnehmen. Da könnte man in etwa feststellen „Frankreichs Verlegenheit ist des Heiligen Stuhles Gelegenheit“. So gilt ja auch der Abschluss von Konkordaten und ähnlichen Verträgen zwischen dem Apostolischen Stuhls und Staaten in Afrika, vor allem wenn sie früher unter französischer Herrschaft oder Hegemonie standen, als Zeichen für den schwindenden Einfluss Frankreichs im Allgemeinen und auf dem afrikanischen Kontinent im Besonderen (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Das Gebiet der heutigen Republik Libanon hatte längst die Begehrlichkeiten Frankreichs geweckt. Wie auch in Mitteleuropa und auf der Iberischen Halbinsel bemühte sich Frankreich auch im Nahen Osten, Konflikte zwischen örtlichen Bevölkerungsgruppen zu schüren und diese rücksichtslos für sich auszunutzen. Da nahm man französischerseits auch keine Rücksicht auf den Apostolischen Stuhl bzw. auf den Kirchenstaat, wenn es ins Kalkül passte. So kam es bereits unter Napoleon III. 1860 zu einer französischen Landung in Beirut. Man gab vor, die christliche, meist katholische Bevölkerung zu beschützen. Die Gegenseite wurde von Großbritannien unterstützt, das wenige Jahre vorher mit Frankreich zusammen im Krimkrieg (1853-1856) gekämpft hatte, um zusammen mit dem Königreich Sardinien vorgeblich das Osmanische Reich gegen das seinerseits expansionshungrige russische Zarenreich zu beschützen. Das eiskalte Wechseln von Bündnispartnern ist also keine neue Erscheinung des 20. Jahrhunderts und keine literarische Erfindung George Orwells in seinem Roman „1984“ mit den drei dortigen Groß- oder Supermächten Ozeanien, Eurasien und Ostasien. Unbestritten ist, dass der gebürtige Brite George Orwell gerade von britischer Machtpolitik aus nächster Nähe gelernt und damit etwa für „1984“ literarische Anregungen empfangen hat.
Wie rabiat seinerseits Frankreich in der Regierungszeit von Napoleon III. (1852-1870) auf verschiedenen Kontinenten vorging, macht schon ein kurzer Überblick deutlich. Da war die sehr aggressive Ausdehnung des französischen Kolonialreiches gleich in verschiedenen Teilen Afrikas bis hin zum Staatsgebiet der heutigen Republik Djibouti. Auch in Indochina wurde durch die französische Expansionspolitik beizeiten der Grund gelegt für spätere blutige Konflikte. In China ist wohl gerade in den gebildeten Kreisen die französische Beteiligung an dem ansonsten von Großbritannien betriebenen Lorcha-Krieg gegen das damals geschwächte Reich der Mitte unvergessen (siehe Gedanken zur Woche 112-b – 5. OSTERWOCHE (2022)). Damit nicht genug, so im Pazifik wurde das bei Europäern sogenannte Neukaledonien von Frankreich unterworfen.
Dabei schob die französische Staatsmacht gerne den vermeintlichen Schutz von Christen, gerade von Katholiken als angebliches Motiv für ihre Kolonialpolitik und überhaupt für die ständigen und auch gerne in verschiedenen Weltgegenden gleichzeitig stattfindenden Einmischungen vor. Dies hinderte das Regime Napoleons III. nicht, nach und nach den Kirchenstaat dem aufstrebenden italienischen Nationalismus in den Rachen zu werfen. Die damals von Napoleon III. als Preis für seine Unterstützung annektierten Gebiete von Savoyen und Nizza verblieben bis heute im französischen Machtbereich.
Anders erging es da Mexiko. Trotz Mittäterschaft Großbritanniens und Spaniens beim französischen Überfall endete dieser nach wenigen Jahren im Desaster für die Aggressoren und im Triumph des erbitterten mexikanischen Widerstandes (siehe Gedanken zur Woche 60-b – 7. OSTERWOCHE (2021)).
Ebenso musste Frankreich inzwischen Syrien und mit dem Libanon die Heimat des heiligen Scharbel Mahluf wieder aus dem eigenen Machtbereich entlassen, die man sich im Rahmen des geheimen Sykes-Picot-Abkommens als Beute aus dem Ersten Weltkrieg einstweilen unterworfen hatte (siehe Gedanken zur Woche 97 – 4. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 107 – PALMSONNTAG (2022)). Um ihren offiziellen Verbündeten Frankreich bzw. das umstrittene De Gaulles-Regime zu schädigen, hatten die Britten offensichtlich während des Zweiten Weltkriegs und nach dessen Ende im Libanon und in Syrien die dortigen Unabhängigkeitsbewegungen freundlich behandelt. Das verdeutlicht wieder einmal, dass bei betreffenden imperialistischen Regimen man oft nicht seinen gegenwärtigen Verbündeten trauen kann.
Der friedliche und Menschen aus verschiedenen religiösen Überlieferungen ansprechende heilige Scharbel Mahluf weist seinerseits auf Einsiedlertum, das Eremitentum hin. Dieses findet ja auch heutzutage im CIC für die Lateinische Kirche und umfangreicher im CCEO für die Katholischen Ostkirchen Berücksichtigung (siehe Gedanken zur Woche 147-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Demgegenüber steht der heilige Abt Berthold für das koinobitische Mönchtum im Allgemeinen und für benediktinisches Klosterwesen im Besonderen. In der benediktinischen Ordenstradition wird die Eigenständigkeit des einzelnen Klosters betont, besonders wenn dieses im Rang einer Abtei steht (siehe Gedanken zur Woche 167-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2023)).
Eine grundsätzliche Unterteilung kennt der CIC bei den Orden- und ordensähnlichen Gemeinschaften zwischen denen diözesanen und denen päpstlichen Rechts:
„Can. 589 – Ein Institut des geweihten Lebens wird als Institut päpstlichen Rechts bezeichnet, wenn es vom Apostolischen Stuhl errichtet oder von ihm durch förmliches Dekret anerkannt wurde, als diözesanen Rechts dagegen, wenn es vom Diözesanbischof errichtet ist, aber kein Anerkennungsdekret vom Apostolischen Stuhl erhalten hat.“
Diese Unterteilung gilt auch für die Gesellschaften des apostolischen Lebens in der Lateinischen Kirche, wie in Canon/Kanon 732 des CIC von 1983 deutlich wird.
Demgegenüber kennt der CCEO für die Katholischen Ostkirche neben Klöstern und Ordens- bzw. ordensähnlichen Gemeinschaften eparchialen und päpstlichen Rechts auch solche patriarchalen Rechts bzw. stauropegiale Klöster:
„Can. 434 - Ein Kloster ist päpstlichen Rechts, wenn es vom Apostolischen Stuhl errichtet oder durch dessen Dekret als solches anerkannt wurde; patriarchalen Rechts, wenn es stauropegial ist; eparchialen Rechts, wenn es vom Bischof errichtet wurde und kein Anerkennungsdekret des Apostolischen Stuhls erlangt hat.“
Auf der Linie dieser Unterteilung im CCEO liegt auch der dortige Canon/Kanon 505:
„§ 1. Ein Orden ist päpstlichen Rechts, wenn er vom Apostolischen Stuhl errichtet oder durch dessen Dekret als solcher anerkannt worden ist; patriarchalen Rechts aber, wenn er vom Patriarchen errichtet worden ist und kein Anerkennungsdekret des Apostolischen Stuhls erlangt hat.
§ 2. Eine Kongregation ist
1° päpstlichen Rechts, wenn sie vom Apostolischen Stuhl errichtet oder durch dessen Dekret als solche anerkannt worden ist;
2° patriarchalen Rechts, wenn sie vom Patriarchen errichtet oder durch dessen Dekret als solche anerkannt worden ist und kein Anerkennungsdekret des Apostolischen Stuhls erhalten hat;
3° eparchialen Rechts, wenn sie vom Eparchialbischof errichtet worden ist und kein Anerkennungsdekret des Apostolischen Suhls oder des Patriarchen erhalten hat.“
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass für solche Fälle in einer großerzbischöflichen Kirche eigenen Rechts der dortige Großerzbischof dieselben Rechte besitzt wie in einer patriarchalen Kirche eigenen Rechts der dortige Patriarch (siehe Canon/Kanon 152 des CCEO bzw. Gedanken zur Woche 119 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Gedanken zur Woche 173, Dr. Matthias Martin
15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Es ist nicht selbstverständlich, dass, wenn man als Sonntagsevangelium eine Stelle aus einem der drei synoptischen Evangelien vor Augen hat, sich dieser Inhalt mehr oder weniger auch bei den beiden anderen Synoptikern findet. Es gibt ja nicht nur solche Traditio Triplex/Triplex Traditio. Es gibt eben auch Aussagen und erzählte Ereignisse, die in zwei der drei Syoptiker zu finden sind und uns damit eine Traditio Duplex/Duplex Traditio bieten. Ja, es gibt von einzelnen Worten bis hin zu ganzen Perikopen hin eben auch die Fälle, dass etwas nur in einem dieser drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas zu finden ist. Solches Sondergut oder Traditio Simplex/Simplex Traditio kann ihrerseits besonders beliebte Stellen der Bibel umfassen (siehe Gedanken zur Woche 136 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) sowie z. B. Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 144 – HOCHFEST von WEIHNACHTEN (2022)).
Da ist dann umso bemerkenswerter, dass das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1-9; Mk 4,1-9; Lk 8,4-8) wie auch direkt anschließende Aussagen über den Zweck der Gleichnisreden Jesu (Mt 13,10-17; Mk 4,10-12; Lk 8,9-10) und schließlich eine ausdrückliche Deutung dieses Gleichnisses vom Sämann (Mt 13,18-23; Mk 4,13-20; Lk 8,11-15) in allen drei synoptischen Evangelien zu finden ist.
mag sich bei einem heute lebenden Menschen die Frage aufwerfen, warum dieses so umfangreich überlieferte und auch noch gleich erläuterte Gleichnis wieder eines aus dem Bereich der Landwirtschaft ist. Dabei steht dieses sogar bei den drei Synoptikern überlieferte Gleichnis mit einer Sprache aus dem Bereich landwirtschaftlicher Tätigkeit nicht allein. Ein kurzer, natürlich knapp gehaltener Überblick mag dies verdeutlichen.
So spielt das lukanisches Sondergut darstellende und besonders bekannte Gleichnis vom verlorenen Sohn, auch genannt das Gleichnis vom barmherzigen Vater und dem verlorenen Sohn, ganz stark im landwirtschaftlichen Bereich (Lk 15,11-31). Gleiches gilt für das manchmal Befremden auslösende Gleichnis vom ungerechten Verwalter (Lk 16,1-13), und schon vorher für das drastische Gleichnis vom reichen Gutsherrn (Lk 12,16-21). Diese Verwendung von sprachlichen Bildern setzt sich im lukanischen Sondergut fort mit dem Gleichnis vom Knecht (Lk 17,7-10) fort.
Auch im matthäischen Sondergut findet man ein markantes Beispiel für ein Gleichnis aus dem landwirtschaftlichen Bereich mit dem Gleichnis von der gleichen Bezahlung für die unterschiedlich lange im Weinberg arbeitenden Arbeitskräfte (Mt 20,1-16). Gleiches gilt für das Gleichnis für die sich bezüglich der Arbeit im Weinberg unterschiedlichen verhaltenden Söhne (Mt 21,28-32). Ein Gleichnis mit angeschlossener Deutung im matthäischen Sondergut ist das vom Unkraut unter dem Weizen (Mt 13,24-30 und dann 13,36-43). Auch in dem anschließenden kurzen Gleichnis vom Himmelreich und dem Schatz im Acker handelt es sich um matthäisches Sondergut (Mt 13,44). Dies setzt sich fort mit dem Gleichnis vom Fischnetz (Mt 13,47-50), also wieder einmal einem Gleichnis aus dem Primärsektor von Volkswirtschaft.
Bemerkenswert ist, dass es in dem ja weniger vorhandenen markinischen Sondergut mit dem Gleichnis von der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29) auch ein Gleichnis aus dem landwirtschaftlichen Bereich gibt.
Selbstverständlich spielt das Gleichnis von den bösen Winzern ebenfalls wieder im Weinbau und damit generell im landwirtschaftlichen Bereich. Interessanterweise liegt auch dieses Gleichnis wie das vom Sämann bei allen drei Synoptikern vor, bietet uns also wieder bei allen abweichenden Einzelheiten eine Traditio Triplex/Triplex Traditio (Mt 21,33-46; Mk 12,1-12; Lk 20,9-19).
Zuvor findet man ebenfalls bei allen drei Synoptikern das Gleichnis vom Senfkorn, das ausgesät wird (Mt 13,31-32; Mk 4,30-32; Lk 13,18-19).
Demgegenüber stellt die gleichnishafte Rede vom Glauben und dem Senfkorn wiederum ein Beispiel von Traditio Duplex/Duplex Traditio dar, und zwar der beiden Großevangelien Matthäus und Lukas gegen das ja kürzere Markusevangelien dar (Mt 17,20 und Lk 17,6). Dies trifft bei allen Ausdifferenzierungen auch für das wohl ziemlich beliebte Gleichnis vom verlorenen Schaf zu (Mt 18,12-14 und Lk 15,3-7).
Bei den drei synoptischen Evangelien spielen also Worte oder Gleichnisse aus landwirtschaftlichen Bereichen eine sehr große Rolle, egal ob man auf jeweiliges Sondergut, auf Traditio Duplex/Duplex Traditio oder auf Material blickt, das als Traditio Triplex/Triplex überliefert ist.
Im Johannesevangelium bezeichnet sich Jesus von Nazaret im Rahmen einer umfangreicheren Gleichnisrede (Joh 10,1-18) selber sogar nach dem Bild eines Hirten:
„(Joh 10,11) Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. … (14) Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen und die Meinen kennen mich.“
Dabei ist in dieser gleichnishaften Rede noch eine andere Verknüpfung Jesu von Nazarets, mit dem landwirtschaftlichen Bereich gegeben in der Formulierung:
„(Joh 10,7) Weiters sagte Jesu zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen.“
In den Abschiedsreden des Johannesevangeliums wird man mit einem Bild des Weinbaus in das Zentrum eines angezielten Glaubensverständnisses geführt. Da werden Jesus und der himmlische Vater wie auch die Jünger sehr direkt mit gleichnishafter Rede aus dem landwirtschaftlichen Bereich, genauer aus dem Weinbau, verbunden:
„(Joh 15,1) Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. (2) Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt … (4) … Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. (5) Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht … (6) Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen.“
Geht es hier auch um das Fruchtbringen, so begegnet uns gleichnishafte Rede mit einer Begrifflichkeit aus dem weiteren Bereich der Landwirtschaft, dazu ebenso in den synoptischen Evangelien. Gleich dreimal wird in den Großevangelien oder Seitenreferenten nach Matthäus und Lukas davon gesprochen, dass ein guter Baum gute Früchte hervorbringe und ein schlechter Baum schlechte Früchte, woran man den jeweiligen Baum erkennen könne (Mt 7,16-20; Mt 12,33-35; Lk 6,43-45). Da stellt sich, gerade wenn man historisch-kritischer Exegese folgen will, die Frage, wie es zu dieser Art Doppelung im Matthäusevangelium gekommen sein mag. In Anlehnung an die Formulierung, dass es Politiker gibt, die sich widersprechen und solche, die sich wiederholen, könnte aber jemand argumentieren, Jesus von Nazaret habe tatsächlich sich zweimal in diese Richtung geäußert oder äußern können.
In dem in Hinblick auf die ganz unterschiedlich angenommene Autorenschaft wie die Auslegung der dort vorzufindenden Aussagen zu christlichem Amtsverständnis und Lehre vom Opfer mitunter besonders kontroversiell diskutierten Hebräerbrief wird Jesus wiederum als Hirte bezeichnet:
„(Hebr 13,20) Der Gott des Friedens aber, der Jesus, unseren Herrn, den erhabenen Hirten der Schafe, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut eines ewigen Bundes“.
Im Ersten Petrusbrief und damit in einem der sieben sog. katholischen Briefe begegnet uns ebenfalls eine Formulierung von Jesus als Hirten:
„(1 Petr 2,25) Denn ihr hattet euch verirrt wie Schafe, jetzt aber habt ihr euch hingewandt zum Hirten und Hüter eurer Seelen.“
Solche gleichnishafte Wortwahl setzt sich in diesem neutestamentlichen Brief fort:
„(1 Petr 5,2) Weidet die euch anvertraute Herde Gottes, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern mit Hingabe; (3) seid nicht Beherrscher der Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde! (4) Wenn dann der oberste Hirte erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen.“
Hier ist der geschichtliche Hintergrund, der sozio-kulturelle Zusammenhang sehr aufschlussreich.
Tatsächlich waren die allermeisten Menschen in landwirtschaftlichen Bereichen einschließlich dem Weinbau tätig. Umso mehr waren sie mit dortigen Vorgängen und einem betreffenden Wortschatz vertraut. Dies änderte sich erst mit der Industriellen Revolution.
1. Lesung: Jes 55,10-11
2. Lesung: Röm 8,18-23
Evangelium: Mt 13,1-23 (oder 13,1-9)
Gedanken zur Woche 173-b, Dr. Matthias Martin
15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Mitunter kann man die Redensart vernehmen, dass Kunst eine Sprache sei, die Grenzen überschreite. Natürlich darf so eine Redensart nicht verabsolutiert werden. Sie hat aber doch einiges für sich, egal ob man nun die bildende Kunst in ihren verschiedenen Formen oder die Musik in ihren so vielgestaltigen Ausformungen in den Blick nimmt.
Architektur, Malerei wie plastische Kunst, also Plastik können immer wieder gerade auch Menschen Inhalte oder Anregungen vermitteln, welche des Lesens und Schreibens nicht oder nur sehr begrenzt kundig sind. Dies gilt etwa für Kinder, die auf dem Bildungsweg noch nicht so weit vorangeschritten sind. Es gilt natürlich auch für Menschen, die gemeinhin als Analphabeten bezeichnet werden. Der Analphabetismus ist schließlich ein beharrliches Phänomen in der Menschheit. Wie neueste statistische Angaben verdeutlichen, ist Analphabetismus gerade in den letzten Jahren in Mitteleuropa wieder festzustellen gewesen.
Umso mehr kommt bildlichen bis figürlichen Darstellungen gerade in unserer Zeit eine enorme Bedeutung zu. Man bedenke hier auch die riesigen Tourismusströme. Es ist davon auszugehen, dass sehr viele Reisende bzw. Urlausgäste nicht der jeweiligen Landessprache mächtig sind. Umso mehr können künstlerische Darstellungen bei ihnen auf Interesse stoßen. Sie können da nicht zuletzt helfen, etwas vom Selbstverständnis einer religiösen Gemeinschaft, von den Inhalten zu verdeutlichen, welche diese wirklich vertritt. Dies kann dann ein sehr wertvoller Beitrag zur Deeskalation in unserer so konfliktreichen Zeit sein. Ja es kann Menschen mit unterschiedlichem ethnischem wie religiös-konfessionellem Hintergrund etwas zusammenbringen.
So sollte man umso mehr das künstlerische Erbe zu schätzen wissen, das etwa in Ravenna in der heutigen Provinz Emilia-Romagna auf uns gekommen ist. Nicht umsonst ist Ravenna und zwar gerade in Hinblick auf dortige frühe christliche Monumente auch im Rahmen der Bemühungen der UNESCO um Erfassung und Darstellung des Weltkulturerbes gewürdigt worden. Die Stadt ist in besonderer Weise geeignet, italienisch-nationalistische Mythen zu entkräften. So war das damals noch direkt an der Adria gelegene Ravenna im Jahre 476 n. Chr. Ort der unblutigen Machtübernahme des ersten germanischen Machthabers der Apenninenhalbinsel und Padaniens Odoaker. Mancher spätrömische Herrscher oder Strippenzieher hätte von der Gutmütigkeit Odoakers etwas lernen können. Während es für diese, auch wenn sie offiziell getaufte Christen waren, selbstverständlich war, andere Menschen blutig aus dem Weg zu räumen, ohne dabei auf schriftliche Zusicherungen und Verträge und überhaupt auf Treu und Glauben Rücksicht zu nehmen, schickte Odoaker den vielleicht als Pseudo-Kaiser des Weströmischen Reiches zu bezeichnenden Romulus Augustulus in eine wohldotierte Art von Staatspension. Hatten römischer Mob und seine Anführer noch wenige Jahrzehnte vorher einen systematischen Massenmord an den Kindern und Ehefrauen von Menschen germanischer Herkunft veranstaltet, die im römischen Heer dienten, so war Odoaker derartige Brutalität, die in Richtung Völkermord ging, völlig fern. Er ließ eben nicht einmal das „Kaiserlein“ Romulus Augustulus hinrichten. Dabei war dieser selber erst kurz vorher durch eine Art Putsch auf den weströmischen Kaiserthron in Ravenna gekommen. Der mitunter anstelle des Augustulus Romulus als letzter weströmischer Kaiser angesehene Julius Nepos hatte nach Dalmatien fliehen müssen. Dort hielt Julius Nepos aus, bis er Opfer eines Mordkomplotts wurde, der offensichtlich aus höheren Kreisen römischer Herkunft angezettelt wurde. Dalmatien als letzter Sitz eines weströmischen Kaisers wie die unblutige Machtübernahme des germanischen Heerführers Odoaker in Ravenna passt nun ganz und gar nicht in die mythologisierende Ideologie Benito Mussolinis und Co., wonach der italienische (National-)Staat des 20. Jahrhunderts in der Tradition des Römischen Reiches stünde (siehe Gedanken zur Woche 111-b – 4. OSTERWOCHE (2022)).
Odoaker führte auch keine blutige Säuberung gegen den römischen Senat durch, sondern ließ diesen in Rom grundsätzlich unbehelligt im Rahmen seiner Bemühungen um eine gedeihliche Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gruppierungen einschließlich der katholischen Kirche.
Später war eben dieses Ravenna Schauplatz einer jahrelangen Belagerung durch den Ostgoten Theoderich den Großen. Dort in Ravenna errichtete er dann selber seine Hauptstadt. Seine besondere Verbundenheit mit der Stadt dokumentierte Theoderich der Große nicht zuletzt dadurch, dass er eben dort sein in architekturgeschichtlich wie kirchengeschichtlich so bemerkenswertes Mausoleum errichten ließ. Der weitere Verlauf der Geschichte verhinderte, dass seine Regelung, dass in diesem Mausoleum, wenn möglich täglich eine Heilige Messe für ihn gefeiert werden sollte, umgesetzt wurde.
Den nun herrschenden oströmisch-byzantinischen Eroberern Ravennas fielen auch andere Elemente des ostgotischen Wirkens in Ravenna wie anderswo zum Opfer.
Mit Ravenna ist schließlich untrennbar laut Überlieferung Leben, Leiden und Sterben des heiligen Apollinaris verbunden. Dieser wird als erster Bischof von Ravenna betrachtet. Wie so viele andere Christen und natürlich auch Christinnen ist der heilige Apollinaris bereits als Opfer römischer Christenverfolgungen gestorben. Dies schlug sich ganz massiv in örtlichen Werken der bildenden Kunst einschließlich der Architektur nieder.
Offensichtlich haben auch die arianischen Ostgoten den heiligen Apollinaris in hohen Ehren gehalten. Eigene Aussagekraft besitzen Mosaiken, die offensichtlich auf die ostgotische Epoche in Ravenna zurückgehen. Ich erinnere mich, wie anlässlich einer Fernsehdokumentation ein Betrachter ganz überrascht war, dass auch die arianischen Ostgoten Jesus Christus als Weltenherrscher verehrten und dementsprechend darstellten. Von einer gewissermaßen Herabstufung Jesu Christi auf die Ebene eines „normalen“ Propheten oder wie auch immer war beim kulturellen Schaffen ostgotischerseits in Ravenna keine Spur. Ein Mosaik kann eben sehr aussagekräftig sein und eine Anregung bieten, überlieferte Meinungen in einem guten Sinne kritisch zu hinterfragen. Theoderich der Große und seine Ostgoten erkannte als Arianer durchaus Jesus Christus als göttliches Wesen an, das aber ihrer Meinung nach nicht auf einer Ebene mit Gott Vater stand. Sie waren keine Photinianer (siehe Gedanken zur Woche 166 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2023) oder in diese Richtung gehenden sog. Bonosianer.
Immerhin hat später auch das Kaiserhaus der Habsburger sich ausdrücklich auf Theoderich den Großen berufen. Seine Statue in der Schwarzmanderkirche zu Innsbruck, der dortigen Hofkirche, legt Zeugnis davon ab. Das ist wieder ein sehr gutes Beispiel für die Aussagekraft von Werken der bildenden Kunst. Dies gilt eben in einem noch umfassenderen Maße für große Werke aus der ostgotischen Zeit in Ravenna. Gerade in den letzten Jahren bestätigten Forschungen die Mutmaßung, dass nach der Eroberung Ravennas durch Ostrom-Byzanz Werke ostgotischen Kulturschaffens umfrisiert wurden im Sinne der neuen oströmisch-byzantinischen Herrscher. So war wohl eine berühmt gewordene vermeintliche Darstellung von Justinian ursprünglich eben eine Darstellung Theoderichs des Großen, die nach der Eroberung der ostgotischen Hauptstadt Ravenna durch die Invasoren aus Konstantinopel nur etwas umgearbeitet worden sein dürfte. Der Spruch „Der Sieger schreibt die Geschichte“ ist wohlbekannt. Das gilt eben auch in Hinblick auf die Vereinnahmung, Veränderung von Kunstwerken und ganzer künstlerischer Ensembles.
So ist die Tendenz der letzten Jahre umso mehr zu begrüßen, die Ideologie und Propaganda der byzantinisch-oströmischen Eroberer und Verfolger so bedeutender Gruppen von Menschen kritischer zu hinterfragen, als dies in der Vergangenheit üblich war. Den untergangenen Ostgoten wie auch anderen Opfern eines Gewaltherrschers wie Justinian (siehe Gedanken zur Woche 81 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 106 – 5. FASTENSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 133 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)) so etwas wie späte historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist ein bemerkenswertes Ziel.
Ein Gedenktag wie der des heiligen Apollinaris von Ravenna mag dazu eine eigene Anregung bieten.
Gedanken zur Woche 172, Dr. Matthias Martin
14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Auf den ersten Blick mag eine in der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung als ein einzelner Absatz präsentierte Gruppe von Versen eines Evangeliums als eine einfache, geschlossene Angelegenheit erscheinen. Die unbefangene Leserin, der unbefangene Leser mag sich denken, dass solche Verse des Matthäusevangeliums so etwas wie einen einfachen, einheitlichen Textbestand darstellten. Wenn diese Gruppe von Versen dann noch als solche nach der zurzeit üblichen Leseordnung das jeweilige Sonntagsevangelium bildet, kann dies einen solchen Eindruck noch bestärken.
Tatsächlich unterteilt sich dieses nicht lange Sonntagsevangelium vom 14. Sonntag im Jahreskreis im Jahre 2023 in so etwas wie zwei (Unter-)Abschnitte, in zwei sich voneinander abhebende Bereiche.
Der erste (Unter-)Abschnitt oder Bereich begegnet mit einzelnen Abweichungen auch in dem anderen Seitenreferenten der neutestamentlichen Evangelien, eben im Lukasevangelium. Wir haben hier also ziemlich klar eine Traditio Duplex/Duplex Traditio vorliegen (Mt 11,25-27 und Lk 10,21-22). Dieser Traditio Duplex/Duplex Traditio in den beiden Seitenreferenten oder Großevangelien gegenüber fehlt dieses Textstück offensichtlich im Markusevangelium. Dabei handelt es sich ja beim Markusevangelium doch um das dritte der synoptischen Evangelien, wenn man eben zuerst einmal das Matthäus- und das Lukasevangelium in den Blick nimmt. Das Johannesevangelium demgegenüber wird sowieso nicht den synoptischen Evangelien zugezählt und nimmt von seinem Textbestand her augenscheinlich eine Sonderstellung gegenüber den drei anderen in den üblichen neutestamentlich Schriftkanon gelangten Evangelien ein.
Da mag sich mancher spontan fragen, warum denn diese Gruppe von Versen nicht im Markusevangelium vorzufinden ist. Ist dieses vielleicht doch, wie mitunter gemeint wurde und wird, so etwas wie eine Kurzfassung der zum Zeitpunkt seiner angenommenen Abfassung bereits vorliegenden Evangelien nach Matthäus und -Lukas? Diese Annahme stellt eine strikte Gegenposition zur gerade im deutschen Sprachraum so beliebten Zweiquellentheorie dar, demzufolge die Verfasser bzw. Redaktoren des Matthäus- und des Lukasevangeliums ihrerseits auf ein bereits vorliegendes Markusevangelium zurückgegriffen hätten wie auch auf eine weitere (Logien-)Quelle Q (siehe Gedanken Woche 125 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS und VORABEND von AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2022); Gedanken zur Woche 134 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 136 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Insbesondere für Anhängerinnen und Anhänger der Zweiquellentheorie mag sich die Frage aufwerfen, wieso dann die drei anschließenden Verse des Matthäusevangeliums (Mt 11,28-30), also die im betreffenden Sonntagsevangelium zweite (Unter-)Gruppe von Versen nun nicht im Lukasevangelium auftaucht, sondern offensichtlich matthäisches Sondergut darstellt? Lagen den Verfassern des Matthäus- und des Lukasevangeliums vielleicht zwei verschiedene Varianten von Quelle Q vor? Oder ist aus irgendeinem Grund betreffendes Textmaterial im Überlieferungsprozess bzw. Redaktionsvorgang verloren gegangen oder bewusst ausgelassen worden?
Bemerkenswert ist dabei, dass in diesem matthäischen Sondergut ganz offensichtlich direkt auf das alttestamentliche Prophetenbuch Jeremia zurückgegriffen wird (Mt 11,29). Dies passt zur landläufigen Einordnung des Matthäusevangeliums als dem judenchristlichen Evangelium des Neuen/Zweiten Testaments bzw. als dessen am meisten jüdischen Evangeliums. Ist hier in einem historisch-kritischen Sinne von einer bewussten redaktionellen Bearbeitung auszugehen, die eben das Ziel gehabt hätte, in diesem Teil des Matthäusevangeliums etwas aus dem Alten/Ersten Testament einubauen und damit den Bezug zur jüdischen Überlieferung pflegen zu können? Liegt das Fehlen dieses kleinen Stückes im Lukasevangelium darin begründet, dass sein Verfasser selber nicht aus dem Judentum gestammt habe oder schon sehr hellenisiert gewesen sei? Oder wurde betreffendes Überlieferungsgut anders als in der Redaktionsgeschichte des Matthäusevangeliums bei der Erstellung des Lukasevangeliums bewusst ausgelassen, da es hier um ein Ansprechen einer nichtjüdischen Leserschaft gegangen wäre? Steht in dieser kurzen Stelle, wie sie im Matthäusevangelium aber eben nicht im Lukasevangelium zu finden ist, tatsächlich ein judenchristliches Matthäusevangelium einem heidenchristlichen Lukasevangelium gegenüber?
Solche Überlegungen mögen immerhin schon einmal verdeutlichen, dass der Umgang mit dem Bibeltext nicht einfach ist, auch dann nicht, wenn man sich geeinigt haben sollte, einen Einzeltext überhaupt als Teil der Bibel anzuerkennen und dieselbe Bibelübersetzung zu verwenden. Nicht umsonst gibt es die Aussage, dass, wenn man zwei Menschen mit demselben Text in einen Raum setze, man anschließend zwei verschiedene Interpretationen desselben Textes geboten bekäme. In dieselbe Richtung weist die Aussage, dass man, wenn sich zwei Menschen mit demselben Text beschäftigten, drei verschiedene Interpretationen geboten bekäme.
Dann wirft sich noch eine eigene, theologisch besonders brisante Frage auf, wenn man den ersten Teil des matthäischen Sonntagsevangeliums samt der lukanischen Parallelstelle aufmerksam betrachtet. Es geht hier insbesondere um Vers 27 dieses elften Kapitels des Matthäusevangeliums. Im Falle der lukanischen Parallelstelle geht es dann dementsprechend besonders um Vers 22 des dortigen zehnten Kapitels.
Wieso wird hier jeweils vom Vater und dem Sohn gesprochen, aber nicht vom Heiligen Geist? Dieser wird in diesen Parallelstellen scheinbar nicht erwähnt. Dabei geht es doch hier um die Übertragung, das Übergeben vom Vater an den Sohn und das Kennen des Vaters. Sollte diese Stelle in einem pneumatomachischen Sinne (siehe Gedanken zur Woche 166 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2023)) verstanden werden? Demzufolge wäre der Heilige Geist wesensmäßig nicht auf einer Ebene mit dem Vater und dem Sohn, also Gott Vater und Gott Sohn, zu sehen. Oder sollte aus diesen Parallelstellen bei den beiden synoptischen Großevangelien ein gewisssermaßen semimodalistischer Standpunkt (siehe Gedanken zur Woche 166-b – PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) herausgelesen werden? Einem solchen zufolge käme dann jeweils Gott Vater und Gott Sohn eigenes Personsein zu, aber eben nicht dem Heiligen Geist. Wie wäre dann bei einer sich nur an den bloßen Wortsinn haltenden Betrachtung eben auch der Umstand zu verstehen, dass in dem Eröffnungsvers zu diesem Unterabschnitt im Matthäusevangelium (Mt 11,25) der Heilige Geist nicht erwähnt wird. Demgegenüber wird in dem ja weitgehend wortgleichen parallelen Vers im Lukasevangelium (Lk 10,21) der Heilige Geist sehr wohl erwähnt. Im Weiteren ist dann überhaupt nur vom Vater und dem Sohn die Rede (Mt 11,26-27 und Lk 10,22).
Zu einem Konsens zu kommen, stellt umso mehr eine Herausforderung dar. Die bloße Berufung auf die Bibel bietet da, wie gerade die Geschichte des Christentums in Überfülle verdeutlicht, keine Lösung. Bei einem Blick allein schon auf so etwas wie die Hauptrichtungen des Christentums wird rasch deutlich, dass es zwischen diesen deutliche Unterschiede gibt, welche Schriften nun denn als Teil der Bibel anzuerkennen sind. Innerhalb der Fülle von irgendwie „protestantisch“ genannten Gemeinschaften gibt es dann sowieso eigene Unterschiede in Hinblick auf die als biblisch anerkannten oder aber zurückgewiesenen wie ausdrücklich verurteilten Schriften. Da gilt dann immer wieder gewissermaßen „Deine Bibel ist nicht meine Bibel“. Und selbst wenn sich Gesprächspartner geeinigt haben, bestimmte Schriften als Teile einer verbindlichen Bibel anzuerkennen und andere nicht, so stellt sich die ja schon immer wieder diskutierte Frage nach der jeweils richtigen Übersetzung. Sollte auch dieses Problem in Hinblick auf biblische Texte gelöst sein, können unterschiedliche Menschen immer noch und sowieso in denselben Text ganz unterschiedliches hinein- oder aus ihm herauslesen. Vergleichbares kann man auch beobachten, wenn es um Verfassungstexte und ähnliches, völkerrechtliche Verträge bis hin zu Menschenrechtserklärungen geht.
Kirchliche Einheit zu erzielen bzw. zu erhalten ist allein schon vor diesem Hintergrund kein leichtes Unterfangen, sondern eine echte Herausforderung. Schon ein paar Verse aus dem Matthäusevangelium und die lukanische Parallelstelle dazu können dies bewusst machen.
1. Lesung: Sach 9,9-10
2. Lesung: Röm 8,9.11-13
Evangelium: Mt 11,25-30
Gedanken zur Woche 172-b, Dr. Matthias Martin
14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Das Auf und Ab des kirchlichen Lebens spiegelt sich gerade auch im Ordensleben, im Auf und Ab von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften wider.
So haben beispielsweise so bedeutende Gelehrte aus dem Inneren der Kirche wie der spätere Papst Benedikt XVI., bürgerlich Joseph Ratzinger (siehe Gedanken zur Woche 20-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)), und Georg May (siehe Gedanken zur Woche 52-b – 3. FASTENWOHE (2021)) schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass sich das kirchliche Leben im Allgemeinen und das, was zusammenfassend Ordensleben genannt wird, im Besonderen in einer sehr schweren Krise befindet. Dass vor unangenehmen Wahrheiten die Augen nicht verschlossen werden sollten und es schon gar nichts bringt, das Fieberthermometer für das Anzeigen des Fiebers zu zerschlagen oder den Boten für die schlechte Nachricht zu erschlagen, machte Georg May in geschichtlichem Zusammenhang sehr lesenswert deutlich in dem Werk „Die deutschen Bischöfe angesichts der Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts“. Ich erinnere mich noch, wie gegen Beginn meines Geschichtsstudium an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck mir ein evangelisch-lutherischer Dozent genau dieses Werk wärmstens empfahl. Auch sonst stellte Georg May immer wieder geschichtliche Bezüge her. Seine Mitarbeit an dem im Wesentlichen von Hubert Jedin herausgegebenen „Handbuch der Kirchengeschichte“ kommt nicht von ungefähr. Dass Georg May auch nicht vor besonders kontroversiell diskutierten Themen zurückschreckte, verdeutlicht etwa sein Werk „Kirchenkampf oder Katholikenverfolgung?“ Dabei machte er in knapper Form weiter zurückreichende geschichtliche Bezüge schon in „Echte und unechte Reform“ deutlich.
Tatsächlich können uns über die Gestaltung kirchlichen Lebens wie gerade auch des Verhältnisses von Kirche und Staat jene Persönlichkeiten der Geschichte sehr wertvolle Hinweise liefern, die man Heilige nennt.
Blickt man auf diese, deren während einer einzigen Woche im Kirchenjahr besonders gedacht wird, so kann mitunter sehr rasch die Bedeutung wie die Vielfalt des Ordenslebens deutlich werden. Gute Vorkenntnisse schaden da natürlich nicht. Ja, je besser eigene Vorkenntnisse bei einem solchen Herangehen sind, umso so besser ist es eben.
So kommt natürlich Benedikt von Nursia eine ganz zentrale in der Herausbildung und Konsolidierung von mehr als religiösem oder kirchlichem Leben in einem engeren Sinne zu. Die nach ihm benannte Ordensregel, eben die Benediktsregel, ist ein Klassiker der schriftlichen Überlieferung der Menschheit, ist gewissermaßen ein Klassiker der Weltliteratur. Ihren Platz in letzterer hat auch die stark spirituell-theologisch geprägte Beschreibung des Lebens des Benedikt von Nursia, die bereits wenige Jahrzehnte nach dessen Tod Papst Gregor der Große, sprich Papst Gregor I. (590-604) verfasste. Überhaupt hinterließ dieser selber im abendländischen Mönchtum verankerte Papst ein umfangreiches literarisches, theologisch-praktisch wie eher theologisch-systematisches Erbe. Dieses ist auch in verschiedener Hinsicht als geschichtliches Quellenmaterial interessant. So dürfte der Ostgotenkönig Totila ein ziemlich gutes Verhältnis zum „Vater des abendländischen Mönchtums“ gehabt haben. So wird ja der heilige Benedikt auch genannt.
Aus dem Strom benediktinischer Geistigkeit ist eine Fülle von Klöstern, Kongregationen und eigenen Orden bis hin zu neuerdings auch manchen Säkularinstitut hervorgegangen. Man denke hier nur an die Zisterzienser und die Trappisten, die sich ihrerseits als so etwas wie eigene Zweige von Ordensleben vom Stamm benediktischen Denkens und Lebens her entwickeln konnten (siehe Gedanken zur Woche 167-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2023)).
Gerade wegen der Betonung der Eigenständigkeit von Klöstern im Benediktinertum ist immer wieder jedes Kloster im Einzelnen zu betrachten. Dies gilt erst recht, wenn es sich um ein Kloster im Rang einer Abtei handelt. So gibt es Benediktinerklöster bis hin zu monastischen Kongregationen, welche mehr Kontemplation und liturgisches Leben betonen. Andere sind mehr in der Pfarrseelsorge und bzw. oder im schulischen bis universitären Bereich engagiert. Dies konnte beizeiten in betreffenden Klöstern bis hin zur intensiveren Beschäftigung mit Astronomie und Bereichen der Naturkunde gehen.
Eine eigene Bedeutung gewann die vielfältige benediktinische Ordens- oder Klosterüberlieferung in Zusammenhang mit der ottonisch-salischen Reichskirche. Trotz aller Rückschläge und Verluste etwa in Zusammenhang mit dem Investiturstreit, dem Zerfall der schützenden und fördernden kaiserlichen Zentralgewalt und natürlich der Reformation und den französischen Eroberungskriegen konnten sich reichsunmittelbare Klöster bis Anfang des 19. Jahrhunderts halten. Dann ließ der Gewaltherrscher Napoleon mit seinen Verbündeten auch damit kurzen Prozess machen. Schlagworte wie Reichsdeputationshauptschluss und Ende des Alten Reiches sind mancher und manchem auch in unseren Tagen geläufig.
Bei der Entwicklung und Festigung des ottonisch-salischen Reichskirchensystems samt der Unterstützung des Klosterwesens spielten natürlich auch der heilige Kaiser Heinrich II. und seine heilige Ehefrau Kunigunde eine große Rolle. Dabei wusste das heilige Kaiserehepaar aber offensichtlich sehr gut zu differenzieren. Förderung kirchlicher Einrichtungen und gleichzeitige aktive Wachsamkeit gegen Missbräuche gingen bei ihm wohl Hand in Hand. Kaiser Heinrich II. war da zu energischem Durchgreifen auch gegenüber Mönchen und dergleichen bereit und erwies damit dem Gemeinwohl umso bessere Dienste. Auch mit seiner aktiv handelnden Ehefrau, eben der heiligen Kaiserin Kunigunde, war im guten Sinne nicht zu spaßen. Die Kirche hat ihnen ihr vielfältiges Wirken ausdrücklich gedankt. Bereits in Zeiten, als Heiligsprechungen noch selten waren und noch nicht von einer „Inflation an Selig- und Heiligsprechungen“ gesprochen wurde, erhob man Heinrich II. und Kunigunde zur Ehre der Altäre.
Dabei verdeutlicht die heilige Kunigunde eigens die wichtige bis sehr wichtige Rolle, die in Zeiten des Mittelalters Frauen in Reich und Kirche spielen konnten (siehe Gedanken zur Woche 18-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 35 – 32. SONNTAG IM JARHESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 68-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 70-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 120-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Wichtige Bedeutung kam da auch Nonnen bzw. Ordensfrauen zu.
Dass sich auch Männer im Bereich der Krankenpflege engagieren können und sollen, verdeutlicht der heilige Kamillus von Lellis, auch de Lellis oder Camillo de Lellis geschrieben. Als einer der großen Ordensgründer des 16. Jahrhunderts schuf er einen eigenen Krankenpflegeorden (siehe Gedanken zur Woche 171-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Die Vielfalt katholischer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften kann eigens daran etwas ersehen werden, dass angeregt von den Ideen und der Gründung des heiligen Kamillus von Lellis/de Lellis im Laufe der Zeit auch verschiedene Frauengemeinschaften bis in den Bereich der Säkularinstitute hinein entstanden. Diese werden mitunter zusammenfassend Kamillianerinnen genannt. Ermutigend für die heute nicht nur für das Ordensleben so schwierigen Zeiten ist die geschichtliche Tatsache, dass die kamillianische Gemeinschaft auch die furchtbaren Bedrängnisse von der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen her überlebte und ihr anschließend ein erneuter Aufstieg gelang.
Für die Vielfalt des Lebens von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften steht auch der heilige Bonaventura aus den noch frühen Zeiten der längst vielfältig verzweigten und gewachsenen franziskanischen Ordensbewegung. Er verband das Wirken eines Ordensmannes bis zur Erlangung des Amtes eines Ordensgenerals mit der Tätigkeit eines auch in die allgemeine Geistesgeschichte eingehenden Philosophen und Theologen. Eigens betonte er die nicht zu vernachlässigende Bedeutung der natürlichen Vernunft auch für fromme Menschen.
Gedanken zur Woche 171, Dr. Matthias Martin
13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Die ziemlich harschen Worte über die wahre Nachfolge Jesu im Matthäusevangelium mögen zu Nachdenken und einem weiterführenden, ja umfangreichen wie vielfältigem Studium anregen. Zunächst mögen die Worte, wonach die Liebe zu Vater, Mutter, Sohn und Tochter nicht der Nachfolge Jesu im Wege stehen dürften, irritieren. Das verdeutlicht rasch, dass man einzelne Stellen, Halbverse, Verse und Gruppen von Versen nicht aus dem Zusammenhang reißen und dann noch irgendwie von daher verabsolutieren soll. Tatsächlich finden sich betreffende Verse in einer längeren Reihe von Einzelaussagen (Mt 10,17-39 bzw. bis einschließlich Mt 11,1) über die Anforderungen und auch Gefahren in der Nachfolge des Jesus von Nazaret, oder wie man auch sagt, in der Nachfolge Christi.
Da sollte man sich insbesondere die geschichtliche Situation vergegenwärtigen, in welcher solche Worte überliefert und dann irgendwann und irgendwie niedergeschrieben wurden. Geschichtskenntnisse und was damit verbunden ist wie etwa geografische und sprachwissenschaftlich-philologische Kenntnisse sind doch sehr nützlich bis unabdingbar. Sie haben in unverfälschter katholischer Überlieferung ihren festen Platz. Dies beginnt schon in den frühen Jahrhunderten. Gerade wohl der Druck von außen, der sich bekanntlich auch in römischen Christenverfolgungen entlud, drängte dazu, sich argumentativ zu engagieren, geistig-intellektuelle Schlagkraft zu entwickeln und zu pflegen.
Dass es keine gemütliche Situation für die ersten Jünger Jesu von Nazaret gab, ist offenkundig. Ein römischer Statthalter wie Pontius Pilatus war für seine Grausamkeit bekannt. Überhaupt hatten die Römer das gerne das Heilige Land genannte Gebiet als Heimat der Juden und Samariter/Samaritaner nicht aus Menschenfreundlichkeit unterworfen. Sie verfolgten beinharte finanzielle und generell wirtschaftliche Interessen, bei denen es um die intensive Ausbeutung des fraglichen Gebietes ging. Dabei zeichnete sich besagter Pontius Pilatus selbst für römische Verhältnisse noch einmal durch besondere regelrechte Mordlust aus (siehe Gedanken zur Woche 90 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2021); Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021) und Gedanken zur Woche 106 – 5. FASTENSONNTAG (2022)). Eine Gestalt wie gerade Pontius Pilatus auch noch beschönigend als „Landpfleger“ zu bezeichnen, wie dies ja in der ein oder anderen Bibelausgabe vorkam, ist grob die historischen Tatsachen verzerrend. Ja es ist eine Verhöhnung der zahlreichen Opfer allein schon dieses Pontius Pilatus, namentlich der so vielen jüdischen und samaritischen/samaritanischen Opfer. Soll mit einer vorgeblichen Übersetzung, in der ein Pontius Pilatus so nett als „Landpfleger“ bezeichnet wird, die römische Monarchie in ein freundlicheres Licht gerückt werden? Liegt einem solchen Manöver nicht eine manipulierende promonarchistische Absicht zugrunde, samt vielleicht dem Bestreben, mit seinem Vertreter Pontius Pilatus nicht zuletzt die Institution des Adels freundlicher erscheinen zu lassen.
Ein Karrierist wie Pontius Pilatus war eine brutale Tätergestalt, von dem für die unterworfenen Menschen nichts Gutes zu erwarten war. Zu diesen Unterworfenen gehörten historisch-empirisch betrachtet Jesus von Nazaret und seine Jünger mit ihrem Umfeld. Dass als Handlanger Roms ein Herodes, auch der Kindermörder von Bethlehem genannt, aufsteigen konnte, passt ins drastische Bild. Das Leben damals im sog. Heiligen Land war also keineswegs einfach.
Unter diesen Umständen einem unangepassten Prediger wie Jesus von Nazaret nachzufolgen war also allein schon von daher eine ziemliche Herausforderung.
Die weitere Geschichte mit dem herrschenden Rom verlief weder für das Judentum noch das sich allmählich herausbildende Christentum harmonisch. Man denke hier nur an die auf Befehl des Pontius Pilatus durchgeführte Folterung und Kreuzigung Jesu von Nazarets, die Zerstörung Jerusalems durch die Römer wie an die christlichen wie auch jüdischen Märtyrer als Folge römischer Unterdrückungs- bis Verfolgungspolitik. Wer sich da einem Jesus von Nazaret anschließen wollte, nahm ein wirkliches Risiko auf sich. Dazu bildete sich alsbald in dem sich entwickelnden Christentum eine missionarische Aktivität heraus, welche den daran beteiligten Menschen einiges abverlangte.
Bezeichnenderweise finden sich auch im Lukasevangelium Worte vom Nehmen des eigenen Kreuzes und sogar etwas schärfer von einer Herabstufung der Beziehung zu den engsten Familienangehörigen (Lk 14,26-27). Bei dieser Art lukanischen Parallelstelle zur matthäischen Stelle gibt es aber eben Unterschiede im einzelnen Wortlaut. Diese Art Parallelstellen sind nicht wortident. Es liegt nur in einem etwas weiteren Sinne eine Traditio Duplex/Duplex Traditio vor. Manches der einzelnen Worte ist auch hier so etwas wie matthäisches bzw. lukanisches Sondergut. Geht man von der Zweiquellentheorie zur Entstehung der drei synoptischen Evangelien aus, so fragt sich, wie es zu diesen Unterschieden zwischen Matthäus und Lukas kam. Beruhen diese Unterschiede auf redaktionellen Bearbeitungen einer gemeinsamen Quelle, etwa gar der oft angenommenen aber nicht unumstrittenen Logienquelle/Quelle Q, die manchmal ganz kurz Q genannt wird. Oder gab es vielleicht zwei Varianten dieser ja als solcher nie vorgefundenen Quelle Q (siehe Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)), welche den Autoren bzw. Endredaktoren des Matthäus- und des Lukasevangeliums vorlagen?
Dabei liegt die Mahnung zur konsequenten, ja radikalen Nachfolge auf einer Linie mit auch sonst im Neuen/Zweiten Testament gemachten Aussagen. Eine betont kritisch-abgrenzende Position gegenüber der umgebenden Welt wird generell überhaupt im Johannesevangelium eingenommen. Auch sonst werden immer wieder Spannungen in der einen oder anderen Weise und mit der einen oder anderen Akzentsetzung angesprochen.
Deutliche Worte über richtig verstandene Nachfolge mit einer Relativierung natürlicher Verwandtschaftsbeziehungen finden sich nicht zuletzt etwas weiter hinten im Matthäusevangelium mit inhaltlichen Entsprechungen im Markus- wie im Lukasevangelium. Da liegt also sogar bei allen Unterschieden im einzelnen Wortlaut eine gewisse Traditio Triplex/Triplex Traditio vor (Mt 12,46-50; Mk 3,31-35 und Lk 8,19-21). Folgt man der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung so lautet dort der matthäische Text u. a.:
„(Mt 12,46) Als Jesus noch mit den Leuten redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen und wollten mit ihm sprechen. (47) Da sagte jemand zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir sprechen. (48) Dem, der ihm das gesagt hatte, erwiderte er: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Siehe, meine Mutter und meine Brüder. (50) Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“
Da mag man sich fragen, wie denn der Begriff „Brüder“ zu verstehen ist. Diese Frage warf sich längst auf gerade in Hinblick auf eine mitunter angenommene frühere Ehe Josefs, des Ehemanns Mariens, wie im Hinblick auf die Lehre von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens. Nicht zuletzt in dieser Frage gab es alsbald zwischen sog. protestantischen Reformatoren bzw. protestantischen Richtungen oder Gruppierungen Meinungsverschiedenheiten.
Immerhin findet sich eine bemerkenswerte Stelle mit der Betonung persönlichen Tuns anstelle verwandtschaftlicher Beziehungen auch in dem gegenüber den drei Synoptikern so selbständigen Johannesevangelium. So lautet nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung ein Vers in den johanneischen Abschiedsreden:
„(Joh 15,14) Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“
Man mag da natürlich an eine weitere Stelle im synoptischen Lukasevangelium denken:
„(Lk 11,27) Es geschah aber: Als er das sagte, da erhob eine Frau aus der Menge ihre Stimme und rief ihm zu: Selig der Schoß, der dich getragen, und die Brust, die dich gestillt hat! (28) Er aber erwiderte: Ja, selig sind vielmehr, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“
Also auch hier wieder eine sehr direkte Betonung eigenen Tuns gegenüber etwa familiären Beziehungen.
1. Lesung: 2 Kön 4,8-11.14-16a
2. Lesung: Röm 6,3-4.8-11
Evangelium: Mt 10,37-42
Gedanken zur Woche 171-b, Dr. Matthias Martin
13. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Für den vielfältigen Neuaufbruch im Ordensleben (siehe allgemein Gedanken zur Woche 67-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) wie darüber hinaus im kirchlichen Leben steht der im deutschen Sprachraum zu Unrecht ziemlich in Vergessenheit geratene heilige Antonius Maria Zaccaría (1502-1539). Auf ihn gehen die Gründung der „Regularkleriker vom heiligen Paulus“ zurück, die meist die Barnabiten genannt werden. Die lateinische Ordensbezeichnung lautet Congregatio Clericorum regularium Sancti Pauli. Auch ein Zweig für Ordensfrauen, die Sancti Pauli Sorores Angelicae/Sorores Angelicae Sancti Pauli, die „Englischen Schwestern vom heiligen Paulus“, auf Deutsch gerne Angeliken oder Engelschwestern genannt, konnte ins Leben gerufen werden. Der Ausdruck „englisch“ ist hier natürlich nicht als nationale oder ethnische Bezeichnung misszuverstehen. Er rührt vielmehr von den heiligen Engeln her, so wie es im Gebetsleben ja auch den Ausdruck „Englischer Gruß“ gibt. Dieser Ausdruck geht auf die im Lukasevangelium (Lk 1,28) überlieferte Anrede Mariens durch den Erzengel Gabriel zurück. Die Verkündigungsszene, wo dies zu finden ist (Lk 26-38), gehört sicher zu den bekannteren Bibelstellen und hat eigens Eingang in die bildende Kunst gefunden.
Besondere Bedeutung kam bei deren Entstehung der Angeliken oder Engelschwestern gerade den Frauen Ludovica Torelli von Guastalla (1499-1569) und Paola Antonia Negri, auch genannt Virginia Negri (1508-1555), zu. Das Schicksal, das Paola Antonia Negri erlitt, mag an die in unseren Breiten bekanntere Maria Ward erinnern (1585-1645). Diese steht für das tapfere Durchhalten von der englischen Katholikenverfolgung betroffener Menschen. Dabei stieß Maria Ward bei ihrer eigenen Tätigkeit als Gründerin jenes Frauenordens, der umgangssprachlich „Englische Fräulein“ genannt wird, auf innerkirchliches Unverständnis und sehr belastende Schwierigkeiten. Schlimmer ist es vor ihr wohl Virginia Negri ergangen. Hier wirft sich die Frage auf, ob ihr nicht wirklich Unrecht zugefügt wurde, das es so weit als möglich endlich gut zu machen gilt. Schließlich wurde die einst exkommunizierte Mary MacKillop (1842-1909) längst sogar heiliggesprochen (siehe Gedanken zur Woche 31-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS 2020) und Gedanken zur Woche 35 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)). Auch einem später als Heiligen wie als großen Kirchenlehrer anerkannten Athanasius (ca. 295/300-371) hat man Gerechtigkeit widerfahren lassen. Dabei hatten ihn zunächst auf wenn auch heimtückischen wie brutalen Druck des römischen Kaisers hin die meisten Bischöfe erst einmal fallenlassen.
Umso mehr verdient nicht zuletzt Paola Antonia Negri, auch genannt Virginia Negri, dass man sich ihr im größeren kirchlichen Rahmen unvoreingenommen zuwendet. Vielleicht ist sie ja doch ein tragisches Opfer der Verkettung ungünstiger Zeitumstände und einer grundsätzlichen Frauenfeindlichkeit geworden.
Auf jeden Fall gelang dem seinerseits erst 1890 selig- und dann 1897 heiliggesprochenen Antonius oder Antonio Maria Zaccaria auch eine Laiengemeinschaft zu gründen. Auch das Vierzigstündige Gebet und das Freitagsleuten gehen im erheblichen Maße auf ihn zurück.
Bei aller Bedeutung des so vielfältigen Wirkens des heiligen Antonius/Antonio Maria Zaccaria waren die von ihm gegründeten Barnabiten nicht der einzige Orden von Regularklerikern, welche im 16. Jahrhundert entstanden. Weitere Ordensgemeinschaften entstanden im 16. Jahrhundert außerhalb des Regularkleriker genannten Zweigs des Ordenslebens.
Am bekanntesten ist von den Ordensgemeinschaften von Regularklerikern ist die offiziell so genannte „Gesellschaft Jesu“, lateinisch Societas Jesu, die Jesuiten. Diese gehen auf den baskischstämmigen heiligen Ignatius von Loyola (1491-1556) zurück.
Am ältesten unter den Regularklerikerorden sind die bereits 1524 entstandenen Theatiner. Ihre lateinische Bezeichnung lautet Ordo Clericorum Regularium oder Ordo Theatinorum. Dieser entstand bereits im Jahre 1524.
Um 1526 entstanden die „Regularkleriker vom Guten Jesus“ als weiterer Regularklerikerorden. Hier verdient nicht zuletzt der Einfluss von Frauen bei der Vorgeschichte und Gründung der Gemeinschaft Beachtung. Allerdings wurde dieser für sich so bemerkenswerte Orden bereits im Jahre 1651 durch Papst Innozenz X. aufgehoben, nachdem er vorher offensichtlich dramatisch geschrumpft war.
Anderen Ordensgründungen des 16. Jahrhunderts erging es da besser. So gibt es die 1530 gegründeten Barnabiten und den ebenfalls schon erwähnten Zweig von Ordensschwestern noch heute.
Überlebt haben auch die 1532 vom heiligen Hieronymus Aemiliani (1486-1537) ins Leben gerufenen Somasker, lateinisch Ordo Clericorum Regularium a Somascha. Auch dieser Orden von Regularklerikern überstand bis heute die Stürme der Zeit. Auch ein Gewaltherrscher wie Napoleon konnte ihn nicht vernichten.
Dies trifft ebenso für die "Regularkleriker der Mutter Gottes“, lateinisch Clerici regulares Matris Dei, zu nach ihrer Gründung im Jahre 1583.
In etwa in dieser Zeit entstanden die auf den heiligen Camillo/Kamillus de Lellis (1550-1614) zurückgehenden Orden der Kamillianer, lateinisch Ordo Sancti Camilli. Mitunter werden diese auch „Regularkleriker vom Krankendienst“ genannt.
Einen ganz eigenen Akzent setzen die „Minderen Regularkleriker“, lateinisch Clerici regulares minores. Auch Caraccioliner oder Marianer genannt, legen deren Mitglieder als besonderes viertes Gelübde ab, keine kirchlichen Würden anzustreben.
Schließlich kam um 1597 mit den „Regularklerikern der Mutter Gottes von den Frommen Schulen“, lateinisch Ordo Clericorum Regularium Pauperum Matris Dei Scholarum Piarum, noch ein weiterer Orden von Regularklerikern während des 16. Jahrhunderts hinzu. Von diesen Piaristen gingen weitere Gründungen von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften aus (siehe Gedanken zur Woche 74-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Darüber hinaus ist das 16. Jahrhundert mit der Entstehung von Ordensgemeinschaften verbunden, die nicht dem Bereich der Orden von Regularklerikern zuzuordnen sind.
So gingen die Kapuziner, lateinisch Ordo Fratrum Minorum Capuccinorum, aus einer franziskanischen Erneuerungsbewegung hervor. Sie sind ein strenger Bettelorden, der auch in seiner kirchenrechtlichen Verfasstheit betont Wert auf das Ideal der apostolischen Armut legt.
Gleichfalls den Bettelorden sind die Unbeschuhten Karmeliten, lateinisch Ordo Fratrum Carmelitarum Discalceatorum, zuzurechnen. Auch wenn es manchen Männern missfiel, so spielte eine Frau, die heilige Theresia/Teresia von Avila (1515-1582) eine zentrale Rolle bei der Entstehung dieses Reformzweiges karmelitischen Ordenslebens (siehe Gedanken zur Woche 31-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)). Als Kirchenlehrerin anerkannt wie ihr Weggefährte Johannes von Kreuz (1542-1591) ging auch sie eigens in die Literaturgeschichte ein. Dies verdeutlicht auf eigene Weise, wie sehr kulturelles Leben, von der Architektur über Musik, Literatur zur Philosophie und Ordenswesen untrennbar miteinander verbunden sind.
Passend dazu nahmen sich die auf die heilige Angela Merici (1474-1540) zurückgehenden Ursulinen, lateinisch Ordo Sanctae Ursulae und deutsch „Orden der heiligen Ursula“, gerade der Bildung von Mädchen und Frauen an. Inzwischen hat sich so etwas wie eine aus mehreren Kongregationen und eigenständigen Klöstern bestehende erweiterte ursulinische Ordensfamilie entwickelt.
Demgegenüber wandten sich die „Barmherzigen Brüder vom heiligen Johannes von Gott“, lateinisch Ordo Hospitalarius Sancti Joannis de Deo, ganz bewusst der Krankenpflege zu. Auch diese Gründung des heiligen Johannes von Gott (1495-1550) wirkt bis auf den heutigen Tag.
Eine ganz eigene Größe stellt das Oratorium des heiligen Philipp Neri (1515-1595), lateinisch Institutum Oratorii Sancti Philippi Nerii oder Congregatio Oratorii, dar. Hier wird Wert auf die Eigenständigkeit der einzelnen Häuser gelegt.
Natürlich verdient jede der erwähnten Ordensgemeinschafen genauere Betrachtung. Dies gilt eigens auch für die Persönlichkeiten, die zu diesen Gründungen führten. Dies mag nicht zuletzt eine differenzierte Betrachtung der Kirchengeschichte und überhaupt von Geschichte fördern wie Impulse für die eigene Lebensführung vermitteln.
Gedanken zur Woche 170, Dr. Matthias Martin
12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Wenn in einem Stück des Matthäusevangeliums eine ziemlich deutliche Aufforderung zu mutigem Bekenntnis, ja zur Bereitschaft zum Martyrium ergeht, so ist dies kein isolierter Einzelfall. In der Bibel wie in der weiterführenden Geschichte, theologisch-kirchlichen Überlieferung wird immer wieder deutlich, dass es in dieser Welt eine Herausforderung ist, sich zu Jesus Christus zu bekennen, insbesondere, wenn man eine Anpassung an den jeweils herrschenden Zeitgeist, das Sich-Andienen an die jeweils Mächtigen ablehnt.
Dabei ist dieses schon durch das Alte Testament, das Erste Testament vorgezeichnet. Das Buch Exodus mit dem Bundesschluss am Sinai stellt versklavte Menschen als die Auserwählten Gottes dar und nicht die Vertreter der pharaonischen Monarchie Altägyptens (siehe Gedanken zur Woche 65-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2021)).
Später war es dann so etwas wie ein Markenzeichen des Volkes des Alten Bundes, dass es anders als die Nachbarvölker lange Zeit kein Königtum hatte. Im Alten/Ersten Testament werden dann immer wieder das Fehlverhalten bis brutale Verbrechen auch israelitischer Könige offen angeprangert (siehe Gedanken zur Woche 87 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2021)).
Die dezidierte Ablehnung des Buches Exodus durch nordamerikanischen Sklavenhalter war kein Zufall, sondern in übler Weise folgerichtig (siehe Gedanken zur Woche 155 – 3. FASTENSONNTAG (2023)). Dies gilt auch für die mehr oder minder ausgeprägte Ablehnung anderer alttestamentlicher Bücher wie des Buches Tobit, des Buches Judit, der beiden Makkabäerbücher sowie von Teilen der Bücher Ester und Daniel durch konfessionelle Gemeinschaften, welche seit ihrer frühen Zeit im besonderen Nahverhältnis zu monarchischen Systemen standen, gerne ein ausgeprägtes, um nicht zu sagen brutales monarchistisches Staatskirchentum etablierten.
Bücher wie eben Judit, Tobit und die Makkabäerbücher stehen eben für eine ganze Bandbreite von Formen des Widerstandes gegen Unterdrückerregime, besonders offenkundig gegen Regime mit einem Monarchen an der Spitze. Dies geht vom gewaltlos erduldeten Martyrium über so etwas wie gewaltlosen Widerstand im zivilen Ungehorsam bis hin zum bewusst energischen bewaffneten Widerstand. Wird in den beiden Makkabäerbüchern sowohl das leidende, auf Gegengewalt verzichtende Martyrium vor Augen gestellt, so auch der bewusst bewaffnete bis im großen Stil militärische Widerstand gegen eine brutale Monarchie. Steht das meist Buch Tobit und seltener Buch Tobias genannte Werk über weite Strecken für gewaltlose Verweigerung gegenüber dem königlichen Unterdrückerregime verbunden mit dem mutigen Versuch, auch unter solch bedrängenden Umständen Gutes zu tun, so sollte man diese alttestamentliche Schrift bis zu ihrem Ende lesen. Da wird offen Freude über die Zerschlagung des Assyrischen Reiches geäußert (siehe Gedanken zur Woche (siehe Gedanken zur Woche 158-b – HEILIGE WOCHE/KARWOCHE (2023)). Ein ganz eigenes Stück von Widerstandsliteratur stellt das ebenfalls alttestamentliche Buch Judit dar, wohl nicht zufällig bei Vertretern von staatskirchlichen Systemen mit Monarchen an der Spitze wiederum sehr unbeliebt und nicht als Teil der Bibel anerkannt. Dies gilt ja auch gerade für andere alttestamentliche Bücher wie eben Tobit und die Makkabäerbücher. Bezeichnenderweise wurden das Erste und das Zweite Makkabäerbuch auch schon als IRA-Literatur aus der Zeit vor Christi Geburt bezeichnet. Umso dreister sind die mitunter feststellbaren Versuche, seitens der britischen Monarchie und ihrer verschiedenen Unterstützer auch noch dieses Stück Menschheitserbe für sich zu vereinnahmen.
Auf der anderen Seite verdient allein schon das Oratorium „Juditha triumphans“ von Antonio Vivaldi Beachtung, welches dieser für die Republik Venedig schuf. Offensichtlich stieß dieses große musikalische Werk gerade wieder in jüngster Zeit auf bemerkenswertes Interesse (siehe z. B. https://imslp.org/wiki/Juditha_Triumphans,_RV_644_(Vivaldi,_Antonio) ; https://www.staatsoper-stuttgart.de/en/schedule/a-z/juditha-triumphans/ ; https://www.rondomagazin.de/kritiken.php?kritiken_id=2693 und https://www.youtube.com/watch?v=dd_2D9Rg_Tk&t=2115s).
Der Konflikt zwischen religiöser Überzeugung und brutaler imperialistischer Staatsmacht mit ihren jeweiligen Handlangern setzte sich im Neuen/Zweiten Testament fort. Offenkundig wurde Jesus von Nazaret durch den Statthalter des römischen Kaisers, Pontius Pilatus, zum Tode verurteilt und durch kaiserliche Soldaten gefoltert, ausgeraubt und schließlich gekreuzigt. Schon vorher war Johannes dem Täufer durch den örtlichen dynastischen Helfershelfer Roms, Herodes Antipas, zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Aus dessen Dynastie stammte bereits der andere Handlanger Roms, der als Kindermörder von Bethlehem genannte Herodes.
Dazu passen die wiederholten Aufrufe zum furchtlosen Bekenntnis samt Ankündigungen von Verfolgungen allein schon im Neuen/Zweiten Testament. Betreffende Aussagen finden sich sowohl in den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas wie in dem so eigenständigen Johannesevangelium. Dies setzt sich fort bis zum letzten Buch des Neuen/Zweiten Testaments, dem Buch der Geheimen Offenbarung.
Einen von interessierter Seite gerne verdrängten Hinweis finden wir etwa sogar in dem vermeintlich so obrigkeitsfreundlichen bis obrigkeitshörigen Römerbrief. Auf offensichtlich akute Bedrängnisse wird wohl im Sinne von einer Durchhaltetheologie eingegangen, wenn in der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung zu lesen ist:
„(Röm 8,18) Ich bin nämlich überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.“
Von einer Situation von Bedrängnis bis hin zu aktiver Verfolgung wird wohl nicht zuletzt im Ersten Petrusbrief ausgegangen, wenn dort gemahnt wird:
„(1 Petr 4,14) Wenn ihr wegen des Namens Christi beschimpft werdet, seid ihr seligzupreisen; denn der Geist der Herrlichkeit, der Geist Gottes, ruht auf euch. (15) Wenn einer von euch leiden muss, soll es nicht deswegen sein, weil er ein Mörder oder ein Dieb ist, weil er Böses tut oder sich in fremde Angelegenheiten einmischt. (16) Wenn er aber leidet, weil er Christ ist, dann soll er sich nicht schämen, sondern Gott darin verherrlichen. (17) Denn jetzt ist die Zeit, in der das Gericht beim Haus Gottes beginnt; wenn es aber bei uns anfängt, wie wird dann das Ende derer sein, die dem Evangelium Gottes nicht gehorchen?“
Eine eigene Traditio Triplex/Triplex Traditio bezüglich der Ankündigung von Verfolgungen findet sich noch weiter hinten in den drei synoptischen Evangelien (Mt 24,9-14; Mk 13,9-13, Lk 21,12-19). In Hinblick auf das Johannesevangelium mag man hierzu gerade an die Abschiedsreden denken (siehe insbesondere Joh 15,18-16,4.33).
Die frühen Christenverfolgungen gingen mit Märtyrernamen in den Römischen Messkanon ein wie allgemeiner in die Weltliteratur. Im Laufe der Zeit ging dann auch das filmische Schaffen darauf ein.
Die frühen Christen haben sich durch alle Bedrängnisse und Verfolgungen in großer Zahl nicht einschüchtern lassen. Sie griffen vielmehr die Herausforderung auf. Offensichtlich in einem guten Sinne kirchliche Strukturen wurden aufgebaut und beeindruckendes caritatives Wirken entwickelt. Letzteres räumte auch mancher Gegner des Christentums ein. Nicht zuletzt setzte man sich argumentativ mit den Vorwürfen auseinander, die gegen das Christentum erhoben wurden. Beginnend bei frühchristlichen Apologeten kam es zu einer intensiven Berührung des christlichen Glaubens mit dem weiten und tiefen Gesamtbereich der Philosophie wie mit geschichtlicher Überlieferung. Wie schon im Neuen/Testament bemühte man sich im frühen Christentum gerade durch eine gute moralisch-ethische Lebensführung und Meidung böser Taten, Menschen für das Christentum zu überzeugen oder zumindest freundlicher gestimmt zu machen.
Dies sollte in der heutigen Zeit Kirchenvertretern sehr zu denken geben. Es geht im authentischen Christentum eben nicht um Anbiederei an die jeweils Mächtigen und das damit auch noch Hand in Hand gehende Vertuschen von Schandtaten, die in den eigenen Reihen geschehen sind. Das Zeugnis von Altem und Neuem Testament wie der frühen Zeit christlicher Überlieferung weist in eine andere Richtung, in eine ganz andere.
1. Lesung: Jer 20,10-13
2. Lesung: Röm 5,12-15
Evangelium: Mt 10,26-33
Gedanken zur Woche 170-b, Dr. Matthias Martin
12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2023)
Das Evangelium vom Sonntag zu Beginn der Zwölften Woche im Jahreskreis bietet nach der gerade im deutschen Sprachraum üblichen Leseordnung schon einen Hinweis auf Bedrängnissen bis offene Verfolgungen, denen sich Christinnen und Christen im Laufe der Geschichte zu stellen hätten. Nun gehen bekanntlich die Meinungen weit bis sehr weit auseinander, wann welcher Text des Neuen/Zweiten Testaments entstanden sei, und ob es und wenn ja welche entstehungsgeschichtlich-literarischen Abhängigkeiten es bei ganzen neutestamentlichen Schriften wie kleineren Einheiten bis hin zu Teilen einzelner Verse überhaupt gäbe. Dementsprechend gehen auch die Meinungen auseinander, was denn nun der authentische Text sei.
Bei Ankündigungen oder Vorhersagen bezüglich Bedrängnissen und Verfolgungen in den ja doch von den meisten sich „christlich“ nennenden Gruppierungen als Evangelien anerkannten Schriften ist gerade in der westlichen Welt die Meinung verbreitet, hierbei handle es sich mitunter oder gar überhaupt um Rückprojektionen oder zumindest redaktionelle Überarbeitungen. Beim Matthäusevangelium wird eigens die Frage diskutiert, ob dieses als Ganzes erst nach der Eroberung Jerusalems durch die Römer und der damit verbundenen Zerstörung des jüdischen Tempels im Jahre 70. n. Chr. entstanden sei oder vorher oder vielleicht gerade während des erbitterten jüdischen Abwehrkampfes gegen die römischen Belagerer. Sind die drei synoptischen Evangelien nach Markus, Lukas und eben Matthäus als solche vor dem so eigenständigen und für manchen gar isolierten Johannesevangelium entstanden? Gibt es da vielleicht tatsächlich einen zeitlichen Vorsprung für das Matthäusevangelium, eine Matthäuspriorität? Oder soll man sich lieber an die gerade im deutschen Sprachraum in Theologenkreisen beliebte Zweiquellentheorie und ähnliches wie einer Vierquellentheorie halten, wonach das Markusevangelium und eine angenommene Quelle Q/Logienquelle Q die Grundlage auch für die Abfassung der nach dieser Theorie oder Grundrichtung von Einzeltheorien erst später verfassten Großevangelien nach Matthäus und Lukas (siehe z. B. und Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 134 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); zur Problematik mit dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein dieser (Logien-Quelle Q siehe Gedanken zur Woche 99 - 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und mit Blick eigens auf eine Vierquellentheorie Gedanken zur Woche 136 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 144 – HOCHFEST von WEIHNACHTEN (2022)). Sollte man nun das Johannesevangelium als eine Art von Spätschrift unter den neutestamentlichen Evangelien auffassen oder als parallel zu den synoptischen Evangelien entstanden? Oder ist dieses Johannesevangelium, wie manche meinen, sogar eine besonders frühe Schrift des seinerzeit in Entstehung begriffenen Neuen/Zweiten Testaments?
Immer wieder kann man eben auf ganz verschiedene bis entgegensetzte Meinungen stoßen. Dies betrifft in vielfältiger Weise sowohl ganze neutestamentlichen Schriften und Gruppen von neutestamentlichen Schriften wie eben auch einzelne Verse und Teile von Versen.
Tatsachenist auf jeden Fall, dass das Christentum schon in einer ganz frühen Phase attackiert wurde. Mancher sieht etwa die Verhaftung, Folterung und Kreuzigung Jesu von Nazaret als Beginn von Christenverfolgung. Andere sehen eine Kontinuität von Bedrängnissen und Verfolgungen schon vom Alten/Ersten Testament her. Nicht umsonst erfreuten und erfreuen sich die (beiden) Makkabäerbücher bei christlichen Gemeinschaften und Persönlichkeiten, die sich konsequent kritisch gegenüber weltlicher Macht positionierten, besonderer Beliebtheit. Es ginge nach einer solchen Interpretation dann insbesondere mit Johannes dem Täufer, auch genannt „der Prophet zwischen den Testamenten“ (siehe Gedanken zur 131 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)) weiter.
Anhaltspunkte für eine sehr frühe Verfolgung von Christinnen und Christen bieten uns die Gedenktage des nicht zuletzt als Märtyrer verehrten heiligen Irenäus von Lyon und der ersten heiligen Märtyrer der Stadt Rom sowie das Hochfest heiliger Petrus und heiliger Paulus. An jedem dieser Tage ist als Liturgiefarbe das Rot der Märtyrer vorgesehen. Dies gilt auch für die Feier des Vorabends des Hochfestes vom heiligen Petrus und dem heiligen Paulus.
Das frühe Christentum hat letztlich der Versuchung widerstanden, sich mit dem Römischen Reich, dessen Staatskult und gerade in der Oberschicht praktizierten Ausschweifungen zu kompromittieren. Gab es auch manchen, der in der Zeit der Verfolgung schwach wurde, ja auch manchen kirchlichen Amtsträger, welcher ein Kaiseropfer brachte oder sich sonst wie mit der römischen Staatsmacht zumindest sehr bedenklich zu arrangieren versuchte, so war das frühe Christentum doch insgesamt von einem bemerkenswerten Widerstandsgeist erfüllt. Davon zeugen Redensarten wie „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche“ oder auch „Das Blut der Märtyrer ist der Samen der Christen“.
war die Überzeugung, dass man sich dem totalen Machanspruch des römischen Staates gerade in dem engeren religiösen bzw. religionsrechtlichen Bereich zu widersetzen habe, keineswegs auf die frühkatholische Richtung im Christentum beschränkt. Starben zwar zahlreiche von der katholischen Kirche als Päpste betrachtete römische Bischöfe auf die ein oder andere Weise wie auch andere kirchliche frühkatholische Amtsträger als Opfer römischer Christenverfolgungen, so stehen diese keineswegs allein. Frauen wie Männer, junge wie ältere Menschen starben als Märtyrerinnen und Märtyrer. Auch und gerade in mitunter für einige Zeit große Richtungen des Christentums, die sich von der frühen katholischen Kirche getrennt hatten, widersetzte man sich dem römischen Anspruch und hielt das Martyrium gar für eine Christenpflicht.
Sehr rigoros waren da etwa die Anhängerinnen und Anhänger des auch sonst strenge Positionen zur christlichen Lebensführung vertretenden Montanismus. Montanisten forderten nicht zuletzt eine todesmutige Bereitschaft zum Martyrium. Die vielleicht in der ganzen Kirchengeschichte für so etwas wie katholische Kirche gefährlichste Abspaltung, der Marcionismus/Markionismus bzw. die Marcioniten/Markioniten, grenzten sich auf ihre Weise vom römischen Staat und dortigen Zuständen ab. Ein Blick auf den Zusammenhang von Markionitentum und Martyrium ist eigens reizvoll. Es wird sogar berichtet, in der Kirche des Markion sei von allen Mitgliedern konsequente Ehelosigkeit, also Zölibat für alle gefordert worden. Gerade darin trafen sich offensichtlich Marcioniten/Markioniten mit den ihrerseits der heidnischen Gesellschaft so kritisch gegenüberstehenden Enkratiten, bei denen auch sonst Enthaltsamkeit, strenge christliche Askese großgeschrieben wurde.
sich herausbildendenden frühen katholischen Kirche warfen die Novatianer gerade einen zu laschen Umgang mit Christinnen und Christen vor, die in der Verfolgung schwach geworden nun aber in die Kirche zurückkehren wollten. Überhaupt können nach novatianischer Theologie schwere Sünden wie Glaubensabfall, Mord und Unzucht nicht durch die Kirche vergeben werden. Auch hier verband sich eine kritische Haltung gegenüber dem römischen Staat und dortigen gesellschaftlichen Vorgängen mit dem gegen die frühe katholische Kirche gerichteten Vorwurf, diese nähme das Christentum zu locker. Offensichtlich ist auch der Gründer der novatianischen Kirche, Novatian, den Märtyrertod gestorben. Als Märtyrer wird der vom Novatianismus unabhängige zeitweilige römische Gegenbischof Hippolyt in der katholischen Kirche verehrt.
Trotz des Schismas hat übrigens die katholische Kirche die Gültigkeit novatianischen Weihen ausdrücklich anerkannt. Ansonsten galt die Anerkennung zumindest der dort gespendeten Taufe auch für andere christliche Gemeinschaften, mit denen sich die frühe katholische Kirche nicht in Gemeinschaft bzw. nicht in voller Gemeinschaft befand. Solche Anerkennung konnte sich gegebenenfalls auch auf die in solchen Gemeinschaften gespendeten Weihen erstrecken.
Widerstandsgeist gegen römische Kaiser und ihre Handlanger wurde dann auch bei den nach dem Nationalpatron Sardiniens, Lucifer von Calaris/Cagliari benannten Luciferianern deutlich. Diese meinten, Geistlichen, die unter kaiserlichen Druck dem Glaubensbekenntnis von Nicäa untreu geworden wären, dürfe kirchliche Wiedereingliederung nicht zuerkannt werden. Gerade einmal schwach gewordene Geistliche müssten konsequent vom kirchlichen Dienst ferngehalten werden. Manche der von Lucifer von Calaris/Cagliari überlieferten Schriften trägt einen schon kämpferischen Titel wie „De non conveniendo cum haereticis“, „De regibus apostaticis“ und „Moriendum esse pro Dei filio“.
Also auch bei den Gefolgsleuten des Lucifer von Calaris/Cagliari trat wieder der Vorwurf zutage, die gewissermaßen katholische Hauptkirche sehe wichtige Dinge zu locker und handhabe sie nicht energisch genug.
Eine ähnliche Kritik begegnet bei der sich dann intern spaltenden Bewegung der Donatisten. Der Donatismus warf der katholischen Kirche ein zu entgegenkommendes Verhalten gegenüber Geistlichen vor, die Zeiten heidnisch-römischer Christenverfolgungen schwach geworden waren. Die katholische Kirche schätze das Martyrium zu wenig, ja verrate es. Hier wie schon vorher wurde also der katholischen Kirche eine zu nachgiebige, zu weltlich orientierte, zu liberale Haltung vorgeworfen.
Auch die eine ganz eigene Größe der Kirchengeschichte wie allgemeiner Kulturgeschichte darstellenden Manichäer befürworteten das Martyrium. Nicht zuletzt Menschen aus ihren Reihen erlitten noch in römischer Zeit den Märtyrertod.
Gedanken zur Woche 169, Dr. Matthias Martin
11. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Folgt man gerade den drei synoptischen Evangelien, so begann Jesus von Nazaret schon sehr früh mit der bewussten Rekrutierung von Mitarbeitern, mit so etwas wie personalpolitischer Strukturierung. Tatsächlich liegt bei diesen drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas Material einer Traditio Triplex/Triplex Traditio vor, wenn es um die Berufung bzw. besondere Aussendung der zwölf Apostel geht. Der Vorgang ist jeweils der gleiche, auch wenn es im Wortlaut Unterschiede gibt, einschließlich der Möglichkeit einer dahingehenden Traditio Duplex/Duplex Traditio. Dies kann sowohl der Fall sein in Form einer Übereinstimmung in einer Formulierung oder einem Wort von Matthäus und Markus gegen Lukas wie in Form einer Übereinstimmung von Markus und Lukas gegen Matthäus (Mt 10,1-4; Mk 6,7-9; Lk 9,1-4). Dabei ist allerdings zu bedenken, wenn man von einer betreffenden Anordnung der Parallelstellen bei den drei Synoptikern ausgeht, dass wesentliche Aussagen zur Berufung der zwölf Apostel im Markusevangelium und im Lukasevangelium gegenüber der Anordnung im Matthäusevangelium gewissermaßen vorgelagert sind (Mk 3,14-19 und Lk 6,13-16). Dies betrifft gerade die Aufzählung der Apostelnamen. Wie kam es zu dieser unterschiedlichen Anordnung des Stoffes? Wieso wurde wohl vorliegender Stoff unterschiedlich verarbeitet?
Wie lässt sich dies mit der gerade im deutschen Sprachraum doch so beliebten Zweiquellentheorie (siehe Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 121 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)) und allgemeiner Gedanken zur Woche 119 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)) zur Entstehung drei synoptischen Evangelien vereinbaren?
Das Johannesevangelium nimmt wieder eine ganz eigene Stellung ein.
Dabei verdient auch der Umstand Beachtung, dass im Matthäusevangelium der Aussendung der zwölf Apostel, dieser besonderen Jünger, die Aufforderung vorausgeht, um die Entsendung von Arbeitern in die Ernte zu bitten (Mt 9,37-38). Im Lukasevangelium findet sich zwar ebenfalls diese Aufforderung. Sie findet sich aber an einer anderen Stelle (Lk 10,2), und zwar in Zusammenhang mit einer Aussendung von zweiundsiebzig Jüngern. Dabei gibt es auch alte Textzeugnisse, die hier nur von siebzig ausgesandten Jüngern sprechen. Man kann dieses in Hinblick auf Ordnung des Stoffes und genauen Wortlaut festzustellende Detail als gutes Beispiel dafür sehen, dass es mit der Berufung auf den (angeblichen) biblischen Text tatsächlich keine so einfache Sache ist.
Wieso findet sich dieselbe Aufforderung beim einen Seitenreferenten oder Großevangelium einmal da und beim anderen Seitenreferenten an einer anderen Stelle? Wieso weicht bei der Aussendung von siebzig oder zweiundsiebzig Jüngern die Zahlenangabe in der Textüberlieferung ab? Wieso handelt es sich bei dieser weit größeren Zahlenangabe von einmal ausgesandten siebzig bzw. zweiundsiebzig Jüngern mit ihrer im synoptischen Vergleich auch eigenen Stellung (Lk 10,1-16) samt der Erzählung der Rückkehr dieser durch Jesus ausgesandten größeren Anzahl von Jüngern (Lk 10,17-20) um lukanisches Sondergut? Wie kam dies in das Lukasevangelium hinein ohne weder im Markusevangelium noch im anderen Großevangelium, eben dem Matthäusevangelium vorhanden zu sein?
Auf jeden Fall verdient der Umstand Beachtung, dass die vorhandenen Jünger in unterschiedlicher Anordnung des Textmaterials sowohl im Matthäus- (Mt 9,37-38) wie im Lukasevangelium (Lk 10,2) mit derselben Begründung aufgefordert werden, um viele Arbeiter für die Ernte zu bitten. Folgt man der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung, so heißt es dazu bei Matthäus:
„(9,37) Da sagte er <, also Jesus von Nazaret,> zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. (38) Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“
Zu Lukas kann man in der neuen deutschen Einheitsübersetzung lesen:
„(10,2) Er <, also Jesus von Nazaret,> sagte zu ihnen: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“
Das, was man heutzutage gerne Personalfrage nennt, wird wohl ziemlich eindringlich thematisiert. Dies gilt erst recht dann, wenn man sich der Auswertung des neutestamentlichen Textbestandes gerade in Hinblick auf die vier Evangelien anschließt, dass es sich bei dieser Aufforderung, um die Entsendung von Arbeitern für die Ernte zu bitten, um den einzigen Fall handelt, in welcher Jünger aufgefordert werden, für ein bestimmtes Anliegen zu beten. Die betreffende doppelte Textstellte bei den Synoptikern ist dabei sicher in einem theologischen, ja pastoral-ekklesialen Sinne zu verstehen. Es geht hier ja offenkundig nicht um eine bodenständige landwirtschaftliche Angelegenheit, auch wenn dies vielleicht von irgendjemandem irgendwann oder auch heutzutage in diesem Sinne verstanden wurde bzw. verstanden wird. Gerade in dem so schillernden Bereich einander befehdender Grüppchen, Gruppen, konfessioneller Gemeinschaften und dergleichen, die zusammenfassend gerne „Protestantismus“ genannt werden, gibt es ja, vorsichtig ausgedrückt, allerlei. Da gibt es eben auch immer wieder Aussagen, die man als zumindest eigenwillig oder überraschend zu bezeichnen geneigt ist.
Deutlich wird hier wohl aber tatsächlich, wie ganz zentral die Personalfrage für eine religiöse Bewegung oder Glaubensgemeinschaft ist. Dahingehend steht diese Doppelstelle von Matthäus und Lukas so auch nicht allein im Neuen/Zweiten Testament (siehe Gedanken zur Woche 148 – 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2023)).
Umso ernster ist die heutige Krise bei den Berufungen für eine Tätigkeit im Bereich kirchlicher Ehrenämter wie für den Ordens- und Priesterstand zu nehmen. Verdrängen hilft da nicht weiter und ist keine Problemlösung. Schon gar nicht hilft es, den Boten für die schlechte Nachricht zu erschlagen oder wie es im Französischen heißt, das Fieberthermometer zu zerschlagen, damit das Fieber nicht mehr angezeigt wird.
Tatsächlich hat sich ja die Kirche bzw. haben sich kirchliche Vertreter auch in jüngster Zeit immer wieder Gedanken um die Berufungen zu einer Tätigkeit im kirchlichen Bereich gemacht. Dies betrifft sowohl den seinerseits so weiten Bereich ehrenamtlichen Engagements wie den Bereich fester Lebensstellungen. Dazu gehört dann eben auch der seinerseits so vielfältige Bereich von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften. Gerne kann man dazu in eher praktischer Hinsicht auch die Einrichtung von Personalprälaturen zählen, auch wenn davon bisher erst eine in der katholischen Weltkirche kirchenrechtlich errichtet wurde. So gibt es nicht umsonst sowohl in einem weiten Sinne ein katholisches Ordensrecht wie den Bereich eines davon ziemlich unabhängig zu sehenden katholischen Vereinigungsrechts. Natürlich ist das eine nicht gegen das andere auszuspielen. Das Vorhandensein von vielerlei Vereinen in Zusammenhang mit der Tätigkeit von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften belegt dies. Vereine kann es in Hinblick auf Ordens- und ordensähnliche Gemeinschafen und ihre vielfältigen Tätigkeiten etwa als Fördervereine mit ganz kleiner bis großen Mitgliederzahl geben. Auch kommen Vereine als Trägervereine in Frage wie in diesem Sinne etwa auch Stiftungen. Dann gibt es ja auch noch den Bereich der Dritten Orden und ähnlichen Vereinigungen (siehe eher allgemein Gedanken zur Woche 154 – 2. FASTENSONNTAG (2023)). Das rechtliche Konstrukt eines Vereins ist im Falle diesbezüglich geeigneter weltlicher Gesetzgebung auch in Hinblick auf die Konferenz bzw. Konferenzen von Ordensoberen denkbar.
Auch in dem weiten und vielfältigen Bereich von Vereinigungen katholischer Gläubiger mit kanonischer Anerkennung einschließlich der kanonischer Lebensverbände und Personalprälaturen gibt es eben starke Überschneidungen mit dem weltlichen Recht. Dies trifft gerade dann zu, wenn der jeweiligen staatlichen Struktur, in der betreffende Vereinigungen tätig sind oder sein wollen, ehrlicherweise eine gewisse Rechtsstaatlichkeit zuzubilligen ist.
1. Lesung: Ex 19,2-6a
2. Lesung: Röm 5,6-11
Evangelium: Mt 9,36-10,8
Gedanken zur Woche 169-b, Dr. Matthias Martin
11. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2023)
Allein schon die Gedenktage des heiligen Abtes Romuald (ca. 952-1027) und des heiligen Aloisius/Aloysius Gonzaga (1568-1591) weisen darauf hin, dass das katholische Ordenswesen eine eigene Vielfalt aufweist. Dabei handelt es bei diesen beiden Heiligen erst einmal eben nur um zwei Heilige. Nimmt man weitere Selige und Heilige hinzu, so gewinnt man weitere Hinweise. Das Bild wird dann noch vielfältiger.
Dies gilt auch in Hinblick auf Heilige wie den Märtyrerbischof John Fisher (ca. 1469-1535) und seinen Leidensgenossen in englischer Katholikenverfolgung aus dem Laienstand Thomas Morus (1477/78-1535). Immerhin lebte dieser gerade als vorbildlicher Familienvater, herausragender Gelehrter und mutiger politischer Dissident bekannte Heilige zeitweise in der Kartause von London. Er prüfte sich in dieser Zeit, welcher Berufung er folgen solle. Als klar wurde, dass sein Lebensweg nicht der eines Kartäusers und überhaupt nicht der eines Ordensmannes sein sollte, ließen ihn die damaligen Kartäuser von London und überhaupt der Kartäuserorden ziehen. Sie versuchten nicht, ihn mit psychischem Druck, Intervenieren bei seiner Familie oder Diskreditierung bei möglichen Arbeitgebern und Geschäftsfreunden zurückzuhalten. Ganz im Gegenteil! Thomas Morus, auch genannt Thomas More, blieb seinerseits dem Kartäuserorden und überhaupt dem katholischen Ordenswesen wohlwollend-freundschaftlich verbunden. Er konnte damals noch nicht ahnen, dass die in Treue zu ihrer Ordensregel und -überlieferung so weltabgewandt lebenden Kartäuser von London wie er selber, der inzwischen verheiratete und hochangesehene Jurist und Autor, Opfer der grausamen Katholikenverfolgungen des Begründers der anglikanischen Staatskirche Heinrichs VIII. werden sollten. Das gleiche Schicksal erlitt auch der zum Kardinal ernannte John Fisher. Dieser hatte sich als Bischof von Rochester auch um gute Zusammenarbeit mit und ein gutes, regeltreues, Leben bei den Ordensleuten in seiner Diözese bemüht.
Dabei wurden nicht nur die bereits genannten Kartäuser von London Opfer der Vernichtungspolitik Heinrichs VIII. Diese betraf grundsätzlich alle katholischen Gemeinschaften in seinem Machtbereich, die man als Ordens- oder ordensähnliche Gemeinschaften bezeichnen kann. Das Taktieren und die damit verbundene Beschwichtigung des Massenmörders Heinrichs VIII., wie es noch länger mancher Abt und sein Kloster versucht hatten, konnten dies nicht verhindern. Derartige Anpassungspolitik arbeitete vielmehr Heinrich VIII. und seinem Täterregime in die Arme. Man konnte Katholiken und da namentlich ihre Ordensgemeinschaften leichter Stück für Stück vernichten (Gedanken zur Woche130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und allgemeiner Gedanken zur Woche 81-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Bei der Inhaftierung, Zermürbung einschließlich Folterung und Hinrichtung gefangener Kartäuser bewies das System Heinrichs VIII. und seiner anglikanischen Staatskirche eine grausame Zielstrebigkeit, die man sonst typisch für totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts halten würde. Wie bei solchen Regimen gingen auch bei Heinrich VIII. und seinen Nachfolgern auf dem englischen Königsthron die Verfolgung von religiösen Gemeinschaften und ethnisch orientierte Vernichtungspolitik Hand in Hand (siehe Gedanken zur Woche 136-b – ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Indigene Völker Nordamerikas waren nicht die ersten und nicht die letzten Opfer englischer bzw. britischer Politik, die gerade im Namen des eigenen Staatskirchentums betrieben wurde. Wie der gegenwärtige kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau bestätigte, gilt auch hier die Redensart vom Fluch der bösen Tat, wenn man etwa das Schicksal indigener Völker im Gebiet des heutigen kanadischen Staatsverbandes betrachtet.
Umso empörender bis irrsinniger, dass sich auch katholische Kirchenvertreter einschließlich manche Ordensleute nicht zuletzt im heutigen Kanada zu probritischen Mittätern, im schlimmsten Sinne zu Kollaborateuren britischer Politik gemacht haben. Kritiker daran können sich inzwischen immerhin ausdrücklich auch auf Papst Franziskus berufen (siehe Gedanken zur Woche 32-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 76-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Sich bei einem Täterregime wie dem englischen bzw. britischen anzudienen, beschädigt ja doch sehr massiv die eigene Glaubwürdigkeit und ist in besonders drastischer Weise auch Verrat an den Menschen, die Opfer eines solchen Regimes wurden. In Hinblick auf die katholische Kirche waren das eben jene Menschen, die sich weigerten, anglikanisches Staatskirchenwesen und die davon nicht zu trennende englische Machtpolitik seit Heinrich VIII. bedingungslos anzuerkennen. Zahlreiche dieser Opfer waren auch Ordensleute aus den verschiedenen Gemeinschaften, von den Kartäusern über die Prälatenorden bis hin zu Bettelorden und dann auch späteren Gründungen wie dem Jesuitenorden. Die Übersicht über die Opfer englischer Verfolgungspolitik ist auch eine Einführung in das katholische Ordenswesen. Da gibt es natürlich die traditionelle Ausdifferenzierung von Orden und Kongregationen, heutzutage gerne unter dem Begriff „Religioseninstitute“ zusammengefasst. Diese sind im CIC von 1983 mit den seit Pius XII. (Pontifikat 1939-1958) ausdrücklich als eigene Größe anerkannten Säkularinstituten und neuen Formen des geweihten Lebens unter der Bezeichnung „Institute des geweihten Lebens“ zusammengefasst. Dann gibt es eben bei den gewissermaßen eigentlichen Orden noch eine eigene Auffächerung
Dabei geht es ja auch anders im Verhältnis von Kirche und Politik, als dies die erwähnten Opfer englischer Politik erlitten. Die Lebenswege des heiligen Romuald und des heiligen Aloisius/Aloysius von Gonzaga verdeutlichen dies.
So konnte der heilige Romuald im Bereich des sächsisch-ottonischen Herrschergeschlechts ungestört wirken. Er konnte eine ordensähnliche Gemeinschaft gründen und in einigen Klöstern eine Erneuerung verwirklichen. Auf sein Wirken geht die Entstehung der Ordensgemeinschaft der Kamaldulenser zurück. Diese stellen einen der strengeren Zweige benediktinischen Ordenslebens dar. Innerhalb kamaldulensischen Ordenslebens gab es seinerseits Ausdifferenzierungen. Nicht zuletzt entstand ein weiblicher Zweig, die Kamaldulenserinnen. Erlitt kamaldulensisches Ordensleben gerade durch die Französische Politik und die mit ihr verbundene erneute französische Expansionspolitik schwere Verluste, so hat es doch bis auf den heutigen Tag überlebt.
Dabei stand der heilige Romuald Kaiser Otto III. nahe, auf den er großen Einfluss ausübte. Stammte Otto III. aus dem sächsischen Kaiserhaus, aus der ottonischen Dynastie, welche selber eine Reihe auch offiziell anerkannter Heiliger hervorbrachte, so war es dann Heinrich III. aus dem deutschen Kaiserhaus der Salier, welcher sich besonders um den Orden der Kamaldulenser verdient machte. Kam es auch bisher zu keiner offiziellen Heiligsprechung Kaiser Heinrichs III., so sind seine Verdienste und sein eifriges Bemühen um eine im guten Sinne des Wortes Kirchenreform, um Erneuerung des kirchlichen und überhaupt des gesellschaftlichen Lebens unbestritten.
Auf ihre Weise war die Familie des heiligen Aloisius/Aloysius von Gonzaga mit dem römisch-deutschen Kaisertum in Treue verbunden. Sein eigener Lebensweg weist in diese Richtung und mag eigens dazu anregen, sich mit der Geschichte und Geografie zu beschäftigen.
Wieder ganz anders erging dem heiligen Johannes dem Täufer. Dass dieser Opfer eines örtlichen Herrschers und Handlangers des Römischen Imperiums aus der herodianischen Dynastie, Herodes Antipas, wurde, bestreiten wohl auch Personen nicht, die zur Rechtfertigung alter römischer Machtpolitik neigen. Gerade der Umstand, dass Johannes dem Täufer seine Kritik am Eheverhalten des betreffenden prorömischen Herrschers buchstäblich den Kopf kostete, macht ihn zu einem Vorgänger des heiligen John Fisher und des heiligen Thomas Morus und letztlich all ihrer nicht wirklich mehr zu zählenden Mitmärtyrerinnen und Mitmärtyrer. Dabei hat der Massenmörder Heinrich VIII. bei weitem mehr Menschen abschlachten lassen als Herodes Antipas. Der war im Vergleich zu dem englischen Unrechtstäter Heinrich VIII. so etwas wie ein kleines Würstchen.
Gedanken zur Woche 168, Dr. Matthias Martin
10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)
Es ist keine Frage, dass christliche Feiertage eine vielfältige Bedeutung besitzen, die weit über den engeren kirchlichen oder konfessionellen Bereich hinausgeht. So sind etwa katholische Feste und erst recht Hochfeste Teil und Verkörperung des kulturellen Erbes. Man muss nicht Expertin oder Experte der Musikwissenschaft, der Kunstgeschichte oder von sprachwissenschaftlichen Disziplinen sein, um sich dessen etwas bewusst zu sein. Musik, bildende Kunst und Literatur sind untrennbar mit solchen (Hoch-)Festen verbunden und haben von dort starke Anregungen empfangen und tun dies auch noch heute. Da mag man zuerst an die Hochfeste von Ostern und Weihnachten denken. Es gilt aber grundsätzlich auch für andere kirchliche Feste und Hochfeste. Hier ist nicht zuletzt das HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI, von alters her auch FRONLEICHNAHM genannt, zu erwähnen. Texte und ihre etwaige Vertonung auch zu diesem Hochfest stellen ein Kulturgut dar. Für deren Erarbeitung hat sich eigens der so wichtige Kirchenlehrer und Klassiker der Philosophiegeschichte Thomas von Aquin engagiert.
Fronleichnamsprozessionen stoßen auch heute noch auf Interesse einschließlich bei Nichtkatholiken bis in die islamische Welt hinein. An manchem Ort ist die traditionelle Fronleichnamsprozession so etwas wie eine eigene Touristenattraktion. Umso wertvoller ist dieses Hochfest im Sinne von Kulturpflege wie im Sinne der Förderung von Dialog und menschlicher Begegnung. Ja, es gibt auch christliche Gemeinden außerhalb der römisch-katholischen Kirche, welche FRONLEICHNAM feiern bis hin zur Durchführung von Fronleichnamsprozessionen (siehe etwa Gedanken zur Woche 116-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2022)).
Leider ist in einigen Gegenden, wo er früher als staatlicher bzw. öffentlicher Feiertag anerkannt war, der Fronleichnamstag im Laufe der Zeit dieser Stellung beraubt worden. Dabei ist ja ein staatlicher bzw. öffentlich anerkannter Feiertag auch in einem allgemeinen sozialen Sinne bedeutsam und kann, soweit vorhanden, als Teil des sozialen Besitzstandes gesehen werden. Das gilt eben auch eben auch in Hinblick auf das HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI, von FRONLEICHNAM. So liegt dort, wo der Donnerstag von FRONLEICHNAM noch ein staatlicher bzw. öffentlicher Feiertag ist, zu dessen Verteidigung nicht zuletzt eine Zusammenarbeit zwischen interessierten kirchlich-konfessionellen Gemeinschaften und Gewerkschaften wie auch anderen Arbeitnehmervereinigungen samt etwaigen Arbeiter-/Arbeits- oder Arbeitnehmerkammern nahe. Derartiges darf auch angedacht werden gerade in Hinblick auf Teilgebiete von Bundesstaaten und Konföderationen, in denen der Donnerstag von FRONLEICHNAM anders als in anderen Gebieten des jeweiligen Bundesstaates bzw. der jeweiligen Konföderation derzeit nicht als öffentlicher Feiertag anerkannt ist. Vielleicht lässt sich ja hier oder dort eine noch ausstehende staatliche oder tarifvertragliche Anerkennung für den Donnerstag von FRONLEICHNAM als Feiertag erreichen. Wer es nicht versucht, hat halt schon verloren.
Aber es ist natürlich klar, dass nicht alle Wünsche, auch in Hinblick auf die staatliche bzw. öffentliche Anerkennung von Feiertagen umsetzbar sind. Da gilt es eben in jenen Gemeinden, Gebieten bis ganzen Staatsverbänden, wo der Donnerstag von FRONLEICHNAM eben nicht als arbeitsfreier Tag anerkannt ist, Fronleichnamsprozessionen etwa am darauffolgenden Sonntag durchzuführen. Diese Möglichkeit wird ja auch von der katholischen Kirche schon seit langem ausdrücklich gutgeheißen. So ist in der kleinen Ausgabe des bei uns üblichen nachkonziliaren Deutschen Messbuchs zu lesen:
„Wo Fronleichnam kein gebotener Feiertag ist, wird das Hochfest auf den Sonntag nach Dreifaltigkeit verlegt.“
Dieses Messbuch wurde schließlich herausgegeben „Für die Bistümer des deutschen Sprachgebietes“, wie es kirchenamtlich heißt. An seiner Herausgabe waren nicht nur die Bundesdeutsche samt damaliger Berliner, die Schweizer und die Österreichische Bischofskonferenz beteiligt. Beteiligt waren grundsätzlich auch die (Erz-)Bistümer/(Erz-)Diözesen von Bozen-Brixen, Luxemburg, Lüttich, Metz und Straßburg (siehe Gedanken zur Woche 43-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2021)). Regionale Unterschiede auch in Hinblick auf die staatliche oder wie auch immer zu nennende Anerkennung von Festtagen überraschen hier also nicht. Wenn man die Brutalität der französischen Politik in Elsass-Lothringen bedenkt, wo zusammen mit Nichtkatholiken auch Katholiken ab Ende des Ersten Weltkrieges ausgewiesen wurden, einschließlich Bischöfen, Priestern und Ordensleuten, so verwundert die jetzige staatliche Nichtanerkennung des Donnerstages von FRONLEICHNAM in dem von Frankreich kontrollierten Elsass-Lothringen nicht (siehe Gedanken zur Woche 63 – 10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Durch solche Widrigkeiten möge man sich aber eben nicht entmutigen lassen. Nicht umsonst ist die Hoffnung zusammen mit Glauben und Liebe eine der drei christlichen Grundtugenden.
Die Pflege des HOCHFESTES DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI; von FRONLEICHNAM mag auch durch den Umstand einen eigenen Impuls erhalten, dass es eine ganze Reihe von Instituten des geweihten Lebens und ganz allgemein von Orden und ordensähnlichen Instituten gibt, die im Besonderen die Verehrung des Altarsakramentes, der Allerheiligsten Eucharistie pflegen bzw. einen betreffenden Namen für ihre Gemeinschaft führen. Dies kann sich jeweils auch ganz bewusst auf die Pflege der Ewigen Anbetung der Allerheiligsten Eucharistie beziehen. Auch hier zeigt sich wieder die Vielfalt dessen, was vereinfachend gerne das katholische Ordenswesen genannt wird.
Da stellt dann eben die Verehrung der Allerheiligsten Eucharistie, des Altarsakramentes bis hin zur Ewigen Anbetung das Spezifikum solcher Gemeinschaften innerhalb der katholischen Weltkirche dar. Hierzu ist Canon/Kanon 578 des CIC von 1983 bemerkenswert. Diesem zufolge sollte der Stifterwille eines Institutes des geweihten Lebens und seine jeweilige Natur und Zielsetzung bewahrt bleiben (siehe Gedanken zur Woche 149-b – 4. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Diese Anerkennung, ja Verteidigung des geistig-geistlichen Erbes eines solchen Institutes wird in Canon/Kanon 586 des CIC von 1983 bekräftigt (siehe Gedanken zur Woche 165-b – 7. OSTERWOCHE (2023)). Damit aber noch nicht genug. In Canon/Kanon 619 etwa wird festgehalten, die jeweiligen Oberen sollten ihren Mitbrüdern bzw. Mitschwestern auch „in der Befolgung der Vorschriften und Überlieferungen des eigenen Institutes“ ein Vorbild sein. In Canon/Kanon 631 § 1 desselben Codex/Kodex für die Lateinische Kirche wird es als eine der Aufgaben des jeweiligen Generalkapitels festgeschrieben, „das in can. 578 beschriebene Erbgut des Institutes zu schützen“. In Canon/Kanon 610 § 1 wird vorgeschrieben, dass bei der Errichtung von Ordensniederlassungen zu beachten ist, „was für die ordnungsgemäße Führung des Ordenslebens der Mitglieder notwendig ist gemäß den eigenen Zielsetzungen und dem Geist des Instituts.“
Das Erbe und die Gründungsabsicht bei zahlreichen innerkirchlichen Gemeinschaften, gerade bei Instituten des geweihten Lebens, mögen sich Menschen also nicht zuletzt bei einem Hochfest wie dem von FRONLEICHNAM immer wieder bewusst machen. Dabei stellt natürlich die Erhaltung und Pflege des Ordenslebens gerade in unseren Zeiten eine drängende Herausforderung dar. Dies gilt auch für den seinerseits so breiten Bereich des katholischen Vereins- und Verbändewesens. Es gibt schließlich in der Weltkirche auch die Tradition von Bruderschaften wie pfarreiinternen Gruppen von der Ewigen Anbetung. Auch hier mag persönliches Engagement für Menschen guten Willens reizvoll sein.
Auf jeden Fall sind alle Katholikinnen und Katholiken eingeladen, sich aktiv und konstruktiv in das kirchliche Leben einzubringen. Und zu diesem gehören eben auch die Eucharistische Anbetung und Hochfeste wie das von FRONLEICHNAM samt Prozessionen, wann auch immer diese gehalten werden können.
1. Lesung: Hos 6,3-6
2. Lesung: Röm 4,18-25
Evangelium: Mt 9,9-13
Gedanken zur Woche 168-b, Dr. Matthias Martin
10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2023)
Hinweise auf das katholische Ordensleben, auf dieses weite und breite Feld der kanonischen Lebensverbände finden wir mit gewisser Aufmerksamkeit immer wieder im liturgischen Kalender. Aus Gründen der Einfachheit kann man sich hierbei für einen gewissermaßen kursorischen Überblick, zumindest erst einmal, auf den gegenwärtig mehr oder minder für die Feier der Heiligen Messe im nachkonziliaren Ritus, auch genannt die Messe Pauls VI., üblichen liturgischen Kalender beschränken.
Man mag von dort Anregungen empfangen, sich mit den verschiedenen Zweigen eben des Lebens und Wirkens kanonischer Lebensverbände im Einzelnen oder eher in umfassender Weise zu beschäftigen.
Da weisen der Gedenktag der seligen Hildegard Burjan und der Gedenktag des heiligen Antonius von Padua schon etwas in Richtung der Vielfalt, der Aufzweigungen von dem hin, was verallgemeinernd gerne das katholische Ordensleben oder auch die Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften bzw. Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften genannt wird.
Dazu wird hier der grundsätzliche Charakter der katholischen Kirche als einer Weltkirche mit dem Auftrag zur weltweiten Mission verdeutlicht. Die Betrachtung des Lebenslaufes der seligen Hildegard Burjan mag in bemerkenswerter Weise helfen, Missverständnisse in Hinblick auf die katholische Kirche und die mit ihr verbundene Überlieferung wie die Allgemeine Geschichte abzubauen oder gleich zu vermeiden. So schloss sich die spätere Selige erst im Erwachsenenalter und dies dann ganz bewusst der katholischen Kirche an. Als Katholikin engagierte sie sich politisch und wurde zur Gründerin einer eigenen ordensähnlichen Gemeinschaft. So ist im Direktorium der Diözese St. Pölten für das Jahr 2023 u. a. nachzulesen:
„Hildegard Burjan wurde am 30. Jänner 1883 als Tochter der jüdisch-liberalen Eltern Freund in Görlitz geboren. 1907 heiratete sie den gebürtigen Ungarn Alexander Burjan. Nach schwerer Krankheit und unerwarteter Genesung konvertierte sie 1909 zum katholischen Glauben. Ihr neu geschenktes Leben wollte sie ganz für Gott und die Menschen einsetzen. Von 1918 bis 1920 war sie die erste christlich-soziale Abgeordnete im österreichischen Parlament. Sie hat sich gegen Kinderarbeit und für die Rechte der Frauen und der Familien eingesetzt, wozu sie auch die Schwesterngemeinschaft der Caritas Socialis gegründet hat.“
Geboren im Königreich Preußen als größten Bundesstaat im Deutschen Reich nach der kleindeutschen Lösung Ottos von Bismarck, fand sie einen neuen Lebensmittelpunkt in Österreich, das bekanntlich mit seinem Kaiser aus dem Hause Habsburg bis zu dessen Auflösung nach Ende des Deutschen Krieges von 1866 den Präsidenten des Deutschen Bundes stellte. Interessant ist dabei ihre Eheschließung mit einem Ungarn. Schließlich war es nach der Niederlage Österreichs und seiner Verbündeten wie den Königreichen Hannover, Württemberg, Bayern und Sachsen im Deutschen Krieg und der von Bismarck als Gegner einer großdeutschen Lösung erzwungenen Auflösung des Deutschen Bundes zum sog. Ausgleich mit den Ungarn in den habsburgischen Erblanden gekommen. Das von der Einigungspolitik Bismarcks ausgeschlossene Staatswesen hieß von da an bis zu seinem Kollaps im Jahre 1918 Österreich-Ungarn.
Im Kampf gegen die Kinderarbeit schloss sich die selige Hildegard Burjan an die preußische Reformpolitik noch aus der Zeit im Deutschen Bund vor Otto von Bismarcks Regierungszeit an. Letzterer selber ist bekannt namentlich für seine Sozialgesetzgebung, die Schaffung von Sozialversicherungen wie die Einführung des gleichen, direkten und geheimen, des Allgemeinen Wahlrechts erst einmal für Männer bei Reichstagswahlen. In vielen Ländern ging mit Ende des Ersten Weltkrieges die Entwicklung in Richtung des Allgemeinen Wahlrechts für Frauen weiter. Dabei ist passend zur katholischen Seligen Hildegard Burjan wie des Einsatzes gerade katholischer Frauen in Irland und Schottland gegen die britische Herrschaft zu bedenken (siehe Gedanken zur Woche 18-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)), dass es in Großbritannien und den von diesem besetzten Teilen Irlands erst einmal noch kein Allgemeines Wahlrecht für Frauen so wie endlich für Männer gab. In Großbritannien mit seiner anglikanischen Staatskirche von England dauerte es noch einige Zeit, bis Frauen beim Wahlrecht zumindest offiziell Männern gleichberechtigt waren. Das britische besetzte Nordirland blieb auch danach noch ein besonderes Problemgebiet, namentlich für katholische Frauen wie Männer.
Bevor es in Großbritannien und Nordirland mit der Gleichberechtigung von Frauen im Wahlrecht überhaupt so weit war, war Hildegard Burjan längst schon in Österreich wie ihre Kolleginnen im Deutschen Reich einschließlich dessen einstweiliger Nationalversammlung ins Parlament gewählt worden. Dabei war es für Burjan verständlich, sich parteipolitisch einzubringen und zu vernetzen. Selbstverständlich gab es katholische Frauen in unterschiedlichen politischen Gruppierungen. Nicht zuletzt die Entstehung von akademischen Vereinigungen für Frauen im sog. deutschnationalen Bereich schon vor dem Ersten Weltkrieg sollte da nicht übersehen werden. Solches in den Blick zu nehmen kann helfen, heutzutage manche unangenehme Überraschung und Realitätsverkennung zu vermeiden, im deutschen Sprachraum und darüber hinaus.
Immerhin ist schon etwas bekannt, dass Frauen über die Jahrhunderte als Ordensgründerinnen und Ordensoberinnen einschließlich als Reichsäbtissinnen (siehe Gedanken zur Woche 27-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken 80 – 27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)) wirkten und wirken.
In dieser kirchenhistorischen wie spirituellen und kirchenrechtlichen Überlieferung steht die selige Hildegard Burjan gerade als Gründerin der Caritas Socialis. Über deren Selbstverständnis findet man in „Die Frauenorden in Österreich. Ein Informationsheft der Vereinigung der Frauenorden Österreichs“ (Wien ohne Jahresangabe, 1. Auflage, Seite 42) die Worte zu lesen:
„Die Schwestern der Caritas Socialis leben nach dem Evangelium Christi in Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam. Sie leben in Gemeinschaft und sind mit ihren Talenten und Fähigkeiten für die jeweils nötigen Aufgaben verfügbar. Das Ziel dieser Gemeinschaft ist, gemäß dem Willen ihrer Gründerin, durch den sozialen Dienst die barmherzige Liebe Gottes den Menschen erfahrbar zu machen.“
Eigens fügt sich die Gründung der Caritas Socialis ein in die Welle von Neugründungen gerade von Frauengemeinschaften vom 19. Jahrhundert bis in die Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da ist es schwierig bis unmöglich, eine Übersicht zu gewinnen bei der Fülle von Gründungen, Aufzweigungen, Vereinigungen und Umbenennungen eben gerade bei Gemeinschaften von Frauen. Bezeichnenderweise gibt es die Redensart, wie viele Ordensfrauen es gäbe, wisse auch der Papst nicht. Ja man konnte auch schon die Formulierung vernehmen, wie viele Ordensfrauen es gäbe, wisse nicht einmal der Liebe Gott!
Hinzu kommen die mitunter einschneidenden Änderungen im Kirchenrecht. 1917 kam es zur Unterzeichnung des damaligen CODEX IURIS CANONICI, abgekürzt CIC, durch Papst Benedikt XV. für die ganze katholische Kirche. 1983 trat der neue CIC in Kraft. Dieser gilt nur noch für die Lateinische Kirche. Für die Katholischen Ostkirchen gibt es eigens seit 1990 den CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM, abgekürzt CCEO, mit eigenen Akzenten gerade sowohl für das allgemeinere kirchliche Verfassungsrecht wie für das Ordensleben, einschließlich den Gesellschaften des gemeinsamen Lebens nach Art der Religiosen, den Säkularinstituten, den Gesellschaften des apostolischen Lebens, den geweihten Jungfrauen, den kirchlich anerkannten Witwen und Eremiten. Diese Themen und Einzelpunkte wurden im Rahmen von „Gedanken zur Woche“ schon verschiedentlich berücksichtigt oder zumindest angeschnitten. Gleiches gilt für die in rascher Folge und großer Anzahl vorgenommenen Änderungen im Kirchenrecht, bei denen kein Ende abzusehen ist.
Gedanken zur Woche 167, Dr. Matthias Martin
DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2023)
Der DREIFALTIGKEITSSONNTAG nimmt eine so zentrale wie aussagekräftige Stellung im Kirchenjahr ein. So folgt er zum einen dem Hochfest von PFINGSTEN und damit dem Hochfest des Heiligen Geistes, dem Hochfest der Dritten Göttlichen Person. Dazu gehört zu diesem Hochfest von Pfingsten ja eigens auch der PFINGSTMONTAG.
Zum anderen geht der DREIFALTIGKEITSSONNTAG direkt dem HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI voran. Egal ob man nun in einer Pfarrgemeinde oder größeren kirchlichen Einheit dieses Hochfest direkt am betreffenden Donnerstag oder erst am darauffolgenden Sonntag etwa durch eine feierliche Prozession feiert, so ist bei diesem Hochfest der besondere Bezug zu Jesus Christus und damit zur Zweiten Göttlichen Person ins Auge springend bzw. in den Ohren klingend. Dies ist bei genauerer Betrachtung auch dann der Fall, wenn man als Bezeichnung für dieses Hochfest die aus älterem Deutsch, aus dem Mittelhochdeutschen stammende Bezeichnung FRONLEICHNAM anstelle der für sehr viele heutige Menschen direkter verständlichen, eben HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI verwendet (siehe Gedanken zur Woche 13-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2020) und allgemeiner Gedanken zur Woche 62-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHEFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2021)). Gehen wir von FRONLEICHNAM aus im Jahreskreis weiter voran, so kommen mir mit dem Hochfest vom HEILIGSTEN HERZEN JESU alsbald zu einem weiteren Hochfest oder Fest Erster Klasse, das sich sehr offenkundig auf die nach traditioneller Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit Zweite Göttliche Person bezieht.
Geht man im kirchlichen Jahreskreis zurück, so kommt man von PFINGSTEN einschließlich PFINGSTMONTAG zum Hochfest von CHRSTI HIMMELFAHRT. Natürlich hat dieses Hochfest zentral mit Gott Sohn, der Zweiten Göttlichen Person zu tun. Gerade der Bezug zur Ersten Göttlichen Person, zu Gott Vater sollte hier aber nicht aus den Augen verloren werden.
So heißt es gegen Ende des jetzt üblichen Schlusses des Markusevangeliums laut neuer Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung:
„(Mk 16,19) Nachdem Jesus, der Herr, dies zu ihnen gesagt hatte, wurde er in den Himmel aufgenommen und setzte sich zur Rechten Gottes.“
In diese Richtung geht es auch, wenn in der Apostelgeschichte mit Blick auf den alsbald gesteinigten Stephanus zu lesen ist:
„(Apg 7,55) Er aber, erfüllt vom Heiligen Geist, blickte zum Himmel empor, sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen (56) und rief: Siehe, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“
Gewissermaßen die klassische trinitarische Stelle vielleicht der ganzen Bibel findet sich bei dem recht bekannten Schluss des Matthäusevangeliums mit dem trinitarischen Taufbefehl:
„(Mt 28,19) Darum geht zu allen Völkern und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (20) und lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Zu beachten ist auch das lukanische Sondergut, das sich in der Anordnung des Lukasevangeliums unmittelbar vor der Himmelfahrt findet, und wo der Auferstandene u. a. mit den Worten zitiert wird:
„(Lk 24,49) Und siehe, ich werde die Verheißung meines Vaters auf euch herabsenden. Ihr aber bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet.“
Offensichtlich ist hiermit eine Verheißung des Heiligen Geistes ausgesprochen. In der Anordnung des lukanisches Doppelwerkes aus Lukasevangelium und Apostelgeschichte, dessen Existenz als ein betreffendes Doppelwerk ja gerne angenommen wird, wird diese Verheißung dann alsbald erfüllt. Dies geschieht mit Beginn des zweiten Kapitels der Apostelgeschichte. Dort heißt es u. a., wiederum nach der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung:
„(Apg 2,1) Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. (2) Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. (3) Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. (4) Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“
Diese Worte aus der Apostelgeschichte haben nicht zuletzt die bildende Kunst angeregt, im Bereich der Malerei und darüber hinaus. Dabei ist aber zu bedenken, dass natürlich alle möglichen Bibelverse und Gruppen von Bibelversen ganz unterschiedlich, ja entgegensetzt ausgelegt werden. Dazu stellt sich die Frage, was man denn überhaupt als biblische Schrift anerkennen solle oder sogar anerkennen müsse bzw. was denn zur Bibel gehöre. Gerade in den frühen Jahrhunderten des Christentums gab es hier heftige Auseinandersetzungen. Man denke hier nur an Markion/Marcion (siehe Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022)). So spricht umso mehr für die Aussage, dass es zunächst anstelle eines Christentums durchaus verschiedene Christentümer gegeben habe. Erst nach und nach habe sich so etwas wie eine Hauptrichtung relativ erfolgreich durchgesetzt, die mitunter frühkatholische Kirche genannt wird.
Zu einem umfassenden Konsens, welche Einzelschriften und welche Teile von Einzelschriften als Teile der Bibel anzuerkennen seien, ist es aber wohl nie gekommen. Je nach konfessionellem Zweig findet man da in unserer Zeit leichter wohl als früher greifbar verschiedene Bibeln, unterschiedliche Verzeichnisse der kanonischen Schriften. Bei diesen wiederum können die Meinungen im Einzelnen auseinandergehen, was denn nun zu einem jeweiligen biblischen Buch gehöre. So lässt sich gerade mit Blick auf die alttestamentlichen Bücher Ester und Daniel feststellen, dass deren jeweiliger Umfang zwischen sich „christlich“ nennenden Gruppierungen durchaus umstritten ist.
Dann kommt natürlich die vielschichtige und pluralistische Diskussion hinzu, die insbesondere von dem so breiten Feld der historisch-kritischen Exegese herrührt. Dies betrifft dann nicht zuletzt die oben angeführte trinitarische Taufformel im Kontext der Aussendung der Jünger am Ende des Matthäusevangeliums. Ist diese trinitarische Taufformel vielleicht erst relativ spät irgendwie in den Text einer Matthäusevangelium genannten Schrift hineingekommen? Derartiges wird aber im christlichen Bereich gerne verneint, mitunter wiederum unter ausdrückliche Berufung auf (vermeintliche) Ergebnisse einer historisch-kritischen Exegese. Da wird dann wieder diese trinitarische Taufformel als sehr alter Textbestandteil verteidigt. Dazu kommt die Frage, wie diese trinitarische Taufformel sich mit Aussagen im Neuen/Zweiten Testament verträgt, wo von einer Taufe auf den Namen Jesu die Rede ist. So heißt es schon in der Fortführung des Pfingstberichts in der Apostelgeschichte:
„(Apg 2,38) Petrus antwortete ihnen: Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung eurer Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.“
Von einer Taufe auf den Namen des Vaters und des Heiligen Geistes ist hier offensichtlich nicht die Rede! In eben diese Richtung gehend könnte man Stellen in dem Bereich der so unterschiedlich interpretierten und zugeordneten Paulusbriefe verstehen. Da heißt es in dem immerhin meistens als einem der Originalpaulusbriefe eingestuften, wenn auch sonst in sehr wichtigen Fragen völlig unterschiedlich interpretierten Römerbrief:
„(Röm 6,3) Wisst ihr denn nicht, dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft wurden?“
Vor dem Hintergrund, dass es gerade beim Römerbrief auch in Hinblick auf die richtige Übersetzung schon heftige Meinungsverschiedenheiten gab, sei hier betont, dass es sich hier um ein Zitat anhand der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung handelt, die zugegebenermaßen keineswegs von allen sich christlich nennenden Gemeinschaften anerkannt ist. Dieser Übersetzung zufolge lautet dann auch in dem wiederum zumindest meistens den Originalpaulinen/Original-Paulinen zugezählten Galaterbrief:
„(Gal 3,27) Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.“
So ist denn gerade in dem bekanntlich so breiten wie zerstrittenen, schillernden Bereich des „Protestantismus“ die trinitarische Taufformel keineswegs unumstritten. Insbesondere Gruppen aus dem Bereich der Einssein Pfingstler/Oneness-Pfingstler (siehe Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTSONNTAG (2022)) lehnen diese ab und taufen nur auf den Namen Jesus. Dabei sind ja auch diese Einssein Pfingstler keine einheitliche Größe. Schon gar nicht sollte man sie mit anderen „Protestanten“ in einen Top werfen. Das gilt gerade, aber nicht nur, in Hinblick auf die Trinitätstheologie.
1. Lesung: Ex 34,4b.5-6.8-9
2. Lesung: 2 Kor 13,11-13
Evangelium: Joh 3,16-18
Gedanken zur Woche 167-b, Dr. Matthias Martin
9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2023)
Die Bedeutung des über die Jahrhunderte so vielfältig entwickelten Ordenswesens wie die Vielschichtigkeit des Verhältnisses von Staat und Kirche wird anhand von Persönlichkeiten der Kirchen- wie der allgemeinen Geschichte immer wieder deutlich. Auch ein kirchlicher Feiertag, ein Hochfest kann da seine eigene Aussagekraft aufweisen. Dies springt ins Auge, wenn in ein und derselben Woche sowohl betreffender Heiliger gedacht wird, wie ein Hochfest gefeiert wird.
Dies ist in diesem Jahr nach dem derzeit zumeist verwendeten liturgischen Kalender in der 9. Woche im Jahreskreis der Fall. Da wird in derselben Woche sowohl des heiligen Bonifatius wie des heiligen Norbert von Xanten gedacht und das HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI, auch genannt FRONLEICHNAM, gefeiert.
Beim heiligen Bonifatius handelt es sich um jenen Heiligen, der in der Überlieferung ziemlich einhellig mit dem Ehrentitel „Apostel Deutschlands“ ausgezeichnet wurde (siehe Gedanken zur Woche 29-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)). Dabei ist zu bedenken, dass etwa noch das Gebiet des Deutschen Bundes unter der Präsidentschaft des jeweiligen habsburgischen Kaisers von Österreich im 19. Jahrhundert weit über das jetzige Territorium der Bundesrepublik Deutschland hinaus ging. Dies gilt ebenso für das vorherige Heilige Römische Reich deutscher Nation, auch genannt Erstes/I. Deutsches Reich, Altes Reich oder einfach Deutsches Reich.
Dabei war der heilige Bonifatius noch zur Zeit des Fränkischen Reiches aktiv gewesen. Als Sprössling aus dem örtlichen Adel wurde er um das Jahr 672/673 in dem noch lange unabhängigen Königreich Wessex geboren. Dies weist darauf hin, dass erst nach Jahrhunderten durch die keineswegs geradlinige Vereinigung der verschiedenen Königreiche von Angeln und Sachsen allmählich so etwas wie England entstand (siehe Gedanken zur Woche 25-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und allgemein Gedanken zur Woche 68-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Die Geschichte, Sprachen und Kulturen wie religiösen bzw. konfessionellen Verhältnisse von Cornwall, Wales, Schottland und Irland sind darüber hinaus eigenständig zu betrachten. Winfried, wie er hieß, bevor er Bonifatius genannt wurde, wurde Benediktiner und wirkte zunächst im Bildungsbereich, was natürlich ein eigener Hinweis auf die Beziehung von Bildung, Kultur und Kirche, namentlich Ordenswesen ist. Die Benediktiner sind in einem engeren Wortsinne Mönche. Ihre Häuser sind möglichst eigenständig und nicht einer zentralen oder gar zentralistischen Ordensleitung unterstellt. Ein solches selbstverwaltetes Kloster kann zur Abtei gemacht werden. Eine solche Abtei war das Benediktinerkloster Kladrau, für dessen Erhalt und Selbstverwaltung sich der heilige Johannes Nepomuk gegen den böhmischen König so mutig einsetzte, und was nicht selten als Hauptgrund für sein Martyrium gesehen wird (siehe Gedanken zur Woche 164-b – 6. OSTERWOCHE einschließlich HOCHFESTFEST von der HIMMELFAHRT CHRISTI/CHRISTI HIMMELFAHRT (2023)). Abteien und andere Benediktinerklöster sind meist zu monastischen Kongregationen unter Wahrung gewissermaßen benediktinischer Selbstverwaltung zusammengeschlossen. Diese monastischen Föderationen/Kongregationen bilden gemeinsam eine Konföderation (siehe Gedanke zur Woche 154-b – 2. FASTENWOCHE (2023)). Dasselbe Verfassungsmodell begegnet im Grundsatz bei den aus einer benediktinischen Reformbewegung hervorgegangenen Zisterziensern. Gleiches gilt in diesem Zusammenhang für noch strengeren Trappisten, welche offiziell „Zisterzienser der strikten Observanz“ genannt werden.
In der Übersicht „Männerorden in Österreich. Ein Informationsheft der Österreichischen Superiorenkonferenz“ (Wien ohne Jahresangabe, 2. Auflage, Seite 107) ist zu lesen:
„Die Zisterzienser von der strengen Observanz gehören zur großen Familie der Klöster, welche die Regel des abendländischen Mönchsvaters Benedikt († 547) zur Grundlage haben.“
Dabei entstanden Zisterzienser und Trappisten/Zisterzienser von der strengen Observanz erst lange nach dem Wirken des heiligen Bonifatius.
Dieser brach auf, um auf dem europäischen Kontinent, von dem im Rahmen der Völkerwanderung Angeln und Sachsen in Richtung des heutigen Englands aufgebrochen waren, das Evangelium zu verkünden. Er tat dies in einer sehr am päpstlichen Rom orientierten Weise. Vom jeweiligen Papst wurde er mit der Mission in germanischen Gebieten beauftragt, zum Bischof geweiht und dann auch zum Erzbischof ernannt. Schließlich wurde Bonifatius Legat für Germanien. Er gründete ganz bewusst Bistümer sowie Klöster. Er erhielt aus dem späteren, damals ja noch nichtexistierenden England wichtige Unterstützung gerade durch Nonnen. Dies ist ein Hinweis auf die damalige Bedeutung von Frauen, nicht zuletzt Ordensfrauen oder Nonnen, gerade im kirchlichen Bereich der damaligen Zeit mit all seiner Bedeutung. Trotz aller Probleme mit örtlichem Adel gelang Bonifatius eine starke Verbreitung und Festigung des Christentums in seinem Wirkungsbereich. Er konnte dabei erfolgreich mit der Spitze des fränkischen Reiches zusammenarbeiten. Dies unterstreicht, wie sehr Kirche und Staat, Religion, Gesellschaft und weltliche Macht jeweils miteinander verbunden sind. Das gilt im Guten wie im Schlechten. Dies schlägt sich auch im Bereich des Kirchenrechts bis heute nieder. Man denke nur an Canon/Kanon 3 des CIC von 1983 und den so umfangreichen Bereich von Konkordaten und anderen Verträgen kirchlicher Einrichtungen mit Staaten und anderen politischen Strukturen. Auf seine Weise thematisiert dies das auch heute noch sehr beachtenswerte „Lehrbuch des katholischen Kirchenrechts auf Grundlage der kirchlichen Quellen und der Staatsgesetze in Oesterreich und den übrigen deutschen Bundesstaaten“ (Gießen 1863) von Johann Friedrich Schulte. Der Titel dieses Werkes ist allein schon richtungsweisend.
Dass auch die Spitze des Fränkischen Reiches trotz guten Willens nicht in allen Fragen für eine gute Regelung sorgen konnte, machte der Märtyrertod des heiligen Bonifatius am 5. Juni 754 deutlich, als er und seine Gefährten von heidnischen Friesen erschlagen wurde.
In seiner Zeit und mit eigenen Akzenten war dann auch das Wirken des heiligen Norbert von Xanten sehr bedeutend. Geboren um das Jahr 1082 und verstorben am 6. Juni 1134, wirkte er ab 1126 als Erzbischof von Magdeburg. Nicht zuletzt ging er als Gründer des Ordens der Prämonstratenser in die Geschichte ein. Diese werden nach ihrem Gründer auch manchmal Norbertiner genannt. Sie orientieren sich an der Regel des Augustinus. Sie gehören wie etwa die Augustiner-Chorherren, die nicht mit dem Bettelorden der Augustiner zu verwechseln sind, zu den Regularkanonikern, auch genannt Chorherren. Auch hier besitzt das einzelne Ordenshaus starke Selbstverwaltung im Sinne von Canon/Kanon 613 des CIC von 1983 für die Lateinische Kirche, der auch für Benediktiner, Zisterzienser und Trappisten bedeutsam ist. In dem bereits zitierten Informationsheft „Die Männerorden in Österreich“, Seite 78 heißt es u. a.:
„Jede Kanonie (Abtei) bildet für sich eine eigene Klosterfamilie, mit ihrer eigenen Tradition und Aufgabenstellung.“
Eigene Bedeutung besitzt bei den Prämonstratensern das Generalkapitel als Ordenseinrichtung.
Ganz eigene Bedeutung gewann die heilige Juliana von Lüttich (etwa 1192 bis zum 5. April 1258), die auch Juliana von Kornelienberg genannt wird. Diese Ordensfrau gab den Anstoß für die Einführung des Hochfestes von FRONLEICHNAM, dem HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI (siehe Gedanken zur Woche 13-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2020)). Als bedeutende Kirchenfrau der gemeinhin Mittelalter genannten Zeiten steht die heilige Juliana von Lüttich/Kornelienberg nicht allein. Sie selber erhielt wertvolle Unterstützung durch ihre Freundin, die selige Eva von Lüttich.
Gedanken zur Woche 166, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von PFINGSTEN (2023)
Das Hochfest von PFINGSTEN besitzt gleich in mehrfacher Hinsicht eine herausragende Bedeutung. Es ist zum einen das HOCHFEST DES HEILIGEN GEISTES. Zum anderen wird es gerne als die Geburtsstunde der KIRCHE wie auch als Beginn von weltweiter MISSION gesehen (siehe Gedanken zur Woche 61 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2021) und Gedanken zur Woche 115 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2022)).
Jeder dieser Aspekte kann als besondere Anregung, ja als Herausforderung gesehen werden.
Da ist eben die Bedeutung von PFINGSTEN als HOCHFEST DES HEILIGEN GEISTES. Geht man davon aus, dass christlicher Glaube als Glaube an die Allerheiligste Dreifaltigkeit von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist, anders gesagt, von Erster Göttlicher Person, Zweiter Göttlicher Person und Dritter Göttlicher Person, zu verstehen ist, so genügt allein schon dies, PFINGSTEN eine überragende Bedeutung im Jahreskreis zuzuweisen. Dabei bezeugt die christliche Hauptüberlieferung eine Wesensgleichheit, manchmal auch genannt Wesenseinheit, dieser drei göttlichen Personen. War die Wesensgleichheit bzw. Wesenseinheit des Heiligen Geistes, der Dritten Göttlichen Person, mit Gott Vater, der Ersten Göttlichen Person, und Gott Sohn, der Zweiten Göttlichen Person, auf dem ersten Allgemeinen Konzil von Nicäa im Jahre 325 noch eher so etwas wie ein Nebenthema, so rückte die Beziehung des Heiligen Geistes mit den beiden ersten Göttlichen Personen rund um das zweite Allgemeine Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 in den Mittelpunkt.
Dies zeigt sich deutlich bei dem auf dem jeweiligen Konzil verabschiedeten Glaubensbekenntnis. Das originale Glaubensbekenntnis von Nicäa ist kürzer als das von Konstantinopel. Und tatsächlich werden hier vor allem zusätzlich Aussagen über den Heiligen Geist als der Dritten Göttlichen Person getroffen. Ob dieser Ergänzungen wird das 381 verabschiedete Glaubensbekenntnis manchmal das Große Glaubensbekenntnis genannt. Die andere Bezeichnung lautet Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel oder auch Nicäno-Konstantinopolitanum.
Folgt man den Textüberlieferungen zum nicänischen Glaubensbekenntnis von 325, so heißt es dort recht knapp „Und/und an den Heiligen Geist“, nachdem vorher insbesondere der Glaube an Gott Sohn, die Zweite Göttliche Person, eher umfangreich bekannt wurde.
Im Jahre 381 kamen eben nun vor allem Aussagen über den Heiligen Geist als der wesensgleichen Dritten Göttlichen Person hinzu.
So heißt es nun im Großen Glaubensbekenntnis:
„Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten,“
Fortgeführt werden diese Ergänzungen durch Einzelaussagen in Richtung Ekklesiologie, also Lehre von der Kirche, Sakramentenlehre, und Eschatologie, also Lehre von den Letzten Dingen:
„und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche.
Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt. “
Das Bekenntnis der einen, heiligen katholischen und apostolischen Kirche passt wiederum zum Pfingstfest als angenommener Geburtsstunde der Kirche, als so etwas wie der Beginn von Weltkirche. Katholisch heißt so viel wie allgemein, umfassend oder universal/universell. Wie bei der Aufzählung der verschiedenen Länder, Regionen und Völkerschaften im sog. Pfingstbericht der Apostelgeschichte (Apg 2,5-12) wird hier der Weg in Richtung einer gemeinsamen internationalen, ja weltweiten Kirche gewiesen. Diese sollte dann ethnische, sprachlich-kulturelle, geografische wie politische Grenzen überschreiten. In diesem Sinne ist die Selbstbezeichnung katholisch gerade bei der Römisch-katholischen Kirche Ausdruck grundlegenden Selbstverständnisses und sollte nicht als Floskel abgetan werden. Nach solchem katholischen Selbstverständnis sollten die Christen geeint sein im Bekenntnis des einen Glaubens samt damit verbundenen moralisch-ethischen Überzeugungen, gemeinsamen Sakramenten und einer gemeinsamen kirchlichen Leitung.
Zur Bekräftigung der Wesensgleichheit von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist wurde zunächst in der (römisch-)katholischen Kirche die oben in spitzen Klammern angegebene Formulierung „und dem Sohn“ eingefügt. Diese im Lateinischen „filioque/Filioque“ genannte Formulierung verdeutlicht, dass der Sohn keineswegs geringer als der göttliche Vater ist, sondern eben gleichen Wesens. Zugleich wird damit die Wesensgleichheit des Heiligen Geistes mit den beiden erstgenannten göttlichen Personen betont. Ihre Beziehungen zueinander sind als symmetrisch zu verstehen, ohne Abstufung oder Unterordnung(en). Allerdings folgten Ostkirchen, welche nicht in (voller) Einheit mit der römisch-katholischen Kirche stehen, nicht dem Weg Einfügung des Filioque, bei aber völliger Übereinstimmung im Glauben an die Wesensgleichheit, manchmal genannt Wesenseinheit, von den drei göttlichen Personen von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist. Auch die orthodoxen und altorientalischen Kirchen sind ja klarerweise Vertreter eines trinitarischen Christentums. Klar formulierte Meinungsunterschiede gibt es gerade in dem so schillernden und vielfältigen Gesamtgemenge, das eben vereinfachend gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum „Protestantismus“ genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Tatsächlich gab es in der frühen Kirchengeschichte starke Tendenzen, in dem, was verallgemeinernd „Christenheit“ genannt wird, der Zweiten Göttlichen Person gegenüber der Ersten Göttlichen Person einen untergeordneten Rang zuzuweisen. Gerade im vierten Jahrhundert wurde diese Theologie dann auch dahingehend ausformuliert, dass der Heilige Geist seinerseits sowohl gegenüber Gott dem Vater wie Gott dem Sohn gegenüber als an wirklich erst dritter Stelle untergeordnet gedacht wurde. Gegen solchen Sudorditianismus sollte gerade das Große Glaubensbekenntnis von 381, das Nicäno-Konstantinopolitanum, die verbindliche Gegenposition formulieren. Zugleich wurde damit nochmals auch nach der anderen Seite hin ein Modalismus, mitunter Sabellianismus genannt, zurückgewiesen. Dieser in einer breiteren Öffentlichkeit seit Anfang des 20. Jahrhunderts mit unterschiedlichen Akzentsetzungen und konfessionellen Gruppierungen wiederbelebten bis neuformulierten Grundposition zufolge gäbe es ja nur eine göttliche Person, welche unter verschiedenen Namen und auf verschiedene Weisen wirke und in der Heilsgeschichte in Erscheinung träte (siehe Gedanken zur Woche 114 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022) und Gedanken zur Woche 116 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2022)).
Das Konzil von Nicäa mit seinem Glaubensbekenntnis ist dabei gerade als Reaktion auf die suborditianistische Theologie des aus dem im heutigen Ägypten gelegenen Alexandrien stammenden Arius zu verstehen. Dessen Name und der Begriff Arianismus und die Bezeichnung Arianer für seine keineswegs so einheitliche Anhängerschaft ist manchem heute lebenden zumindest etwas bekannt. Entgegen heute gerne geäußerter Behauptungen erkannte Arius durchaus Jesus Christus, dem Sohn des himmlischen Vaters, einen göttlichen Rang zu, die präexistente Existenz als der eines göttlichen Wesens. Dessen Wesenheit oder Natur stünde aber unter der des göttlichen Vaters. Gerne wurde dann in den zunächst recht breiten arianischen Tendenzen samt interner Aufspaltungen der Heilige Geist wiederum dem Sohn untergeordnet. Dies ergab dann so etwas wie einen klassischen Sudorditianismus.
Das Konzil von Konstantinopel des Jahres 381 mit seinen Ergänzungen in das Glaubensbekenntnis richtet sich natürlich auch gegen eine solche Systematisierung. Insgesamt aber ging es aber gegen jede Position, der zufolge der Heilige Geist unter Gott Vater und Gott Sohn stünde. Die Anhänger einer Theologie von einem niederen Rang des Heiligen Geistes gegenüber Gott Vater und Gott Sohn wurde als Pneumatomachen durch die Großkirche verurteilt, wozu eben gerade dieses zweite Allgemeine Konzil mit seinem erweiterten Glaubensbekenntnis diente. Manchmal wurden die Anhänger dieser Richtung auch in Zusammenhang mit einem Bischof von Konstantinopel Makedonianer/Macedonianer genannt.
Immerhin dürften sie die Wesensgleichheit von Gott Sohn und Gott Vater anerkannt haben. Dabei hatte es Tendenzen, selbst eine gegenüber dem Vater untergeordnete präexistente göttliche Natur bei Jesus Christus abzulehnen, schon im frühen Christentum gegeben. Da war mancher wesentlich radikaler als Arius. Im vierten Jahrhundert hat wohl ein Photeinos mit seinen, Photinianer genannten, Anhängern die Meinung vertreten, Jesus von Nazaret sei erst einmal als bloßer Mensch geboren worden.
1. Lesung: Apg 2,1-11
2. Lesung: 1 Kor 12,3b-7.12-13
Evangelium: Joh 20,19-23
Gedanken zur Woche 166-b, Dr. Matthias Martin
PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)
Es ist ja eine Seltenheit im kirchlichen Jahreskreis, dass es gleich nacheinander zwei Feiertage für ein und dasselbe kirchliche Hochfest, dasselbe Fest I. Klasse gibt. Dies ist etwa bei Weihnachten der Fall, mit dem Ersten Weihnachtsfeiertag, auch genannt Christtag oder Tag von Weihnachten, und dem Zweiten Weihnachtsfeiertag, auch genannt Stefanitag. Eigene Bedeutung kommt hier bekanntlich dem Vorabend zu, kurz genannt Heiliger Abend. Ähnlich verhält es sich mit dem höchsten Fest der Christenheit, mit Ostern. Die Osternacht besitzt seit frühen Jahrhunderten eine herausragende Stellung im Kirchenjahr. Sie ist nicht zuletzt der Beginn des Ostersonntags. Diesem folgt als eigener zweiter Osterfeiertag der Ostermontag. Zwei Feiertage, die nicht zuletzt über weite Strecken des deutschen Sprach- und Kulturraums staatliche bzw. öffentlich-rechtliche Anerkennung genießen, gibt es dann eben auch für das Pfingstfest. Auf den Pfingstsonntag folgt logischerweise der PFINGSTMONTAG (siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 115-b – PFINGSTMONTAG und 10. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 144-b – WEIHNACHTSOKTAV (2022)).
Nun ist es erfreulich, dass auch der mit derselben liturgischen Farbe wie der Pfingstsonntag ausgezeichnete PFINGSTMONTAG in nicht wenigen Ländern und Territorien als staatlicher Feiertag anerkannt ist. Tarifvereinbarungen und dergleichen stützen dies von Fall zu Fall ab. Initiativen, welche den Sonntag als nach Möglichkeit arbeitsfreien Tag verteidigen, betonen zu Recht die allgemein menschliche, sozio-kulturelle Bedeutung eines eben nach Möglichkeit arbeitsfreien Sonntags. Gilt diese Bedeutsamkeit für Sonntag im Allgemeinen, so ist dieses auch zum Wohle von Menschen unabhängig von ihrer eigenen konfessionellen und politischen Ausrichtung, ihrem ethnischen Hintergrund oder sozialem Stand auch für eher besondere Tage wie den Ostermontag und eben den PFINGSTMONTAG festzustellen. Der in einem allgemeinen Sinne gute Effekt eines nach Möglichkeit arbeitsfreien PFINGSTMONTAGS ist also eine allgemeinmenschliche Angelegenheit. Nicht umsonst verteidigen ja Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter energisch solch einen arbeitsfreien Tag, und dies natürlich für Arbeitsnehmerinnen und Arbeitnehmer unabhängig von deren konfessionellen Zugehörigkeit.
Zugleich besitzt der PFINGSTMONTAG eine eigene grundlegende Aussagekraft in theologischer Hinsicht. Dabei sollte der alttestamentliche Hintergrund für das Pfingstfest nicht ständig außer Acht gelassen, sondern lieber wieder verstärkt ins Bewusstsein gerückt werden (siehe Gedanken zur Woche 115 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2022)). Das kann dann ganz allgemein etwas dem Unter-den-Tisch-Fallenlassen des Alten/Ersten Testaments entgegenwirken und das Interesse an einem guten jüdisch-christlichen Miteinander fördern.
Dann verdeutlicht das Hochfest von Pfingsten als Hochfest des Heiligen Geistes die in den Glaubensbekenntnissen von Nicäa des Jahres 325 und des Großen Glaubensbekenntnisses von Konstantinopel des Jahres 381 wie etwa im sog. Apostolischen Glaubensbekenntnis ausgesprochene Überzeugung von der Wesensgleichheit des Heiligen Geistes mit Gott dem Vater und Gott dem Sohn, also der Dritten Göttlichen Person mit der Ersten Göttlichen Person und der Zweiten Göttlichen Person, wie es in der christlichen Überlieferung seit sehr langer Zeit formuliert wird. Dabei muss man nicht einmal Anhänger bzw. Anhängerin dieser gewissermaßen klassischen trinitarischen Position sein, um Pfingsten als Hochfest des Heiligen Geistes in einem betont theologischen bis theologisch-philosophischen Sinne zu schätzen.
Nach gewissermaßen klassisch suborditianistischem Verständnis ist ja der Heilige Geist dem göttlichen Sohn unterstellt. Dieser steht nach diesem Verständnis seinerseits unter dem ewigen Vater. Es gibt dann auch das in einem engeren Sinne pneumatomachische Konzept, wonach Gott Vater und Gott Sohn zueinander wesensgleich seien, also miteinander auf einer Ebene stehend zu denken seien. Der Heilige Geist stünde demnach aber nicht als Dritte Person auf dieser selben Ebene, besäße also keine Wesensgleichheit zu Gott Vater und Gott Sohn. Aber auch letzten genannten Konzepten zufolge ist der Heilige Geist ein göttliches Wese, das in der Heilsgeschichte gewirkt hat. Die theologischen Interpretationsunterschiede oder wie man immer sagen bzw. schreiben will, würden wohl vielen bekennenden Christinnen und Christen als nicht einen Konflikt rechtfertigend erscheinen. Es ist ja auch eine offenkundige Tatsache, dass die Verehrung des Heiligen Geistes im Vergleich zur Verehrung von Gott Vater und Gott Sohn in der weiten Christenheit schwächer ausgeprägt ist. Der Heilige Geist wurde durchaus innerhalb der erklärtermaßen die oben genannten trinitarischen Glaubensbekenntnisse vertretenden Kirchen bzw. Konfessionen auch schon als das „Stiefkind“ bezüglich christlichen Frömmigkeitslebens bezeichnet. Umso wichtiger ist es da in einem bewusst christlich-kirchlichen Sinn, die Bedeutung des Hochfestes von Pfingsten mit seinen beiden (einzelnen) Feiertagen von Pfingstsonntag und Pfingstmontag zu fördern und nicht zu vernachlässigen. Dieses (Hoch-)Fest von Pfingsten mag auch ein guter Anlass sein zum Dialog mit Menschen, die davon ausgehen, dass der Heilige Geist nicht als eigene Person anzusehen sei. Spricht man mit heute lebenden Menschen, auch solchen aktiv in erklärtermaßen klassische trinitarische Positionen vertretenden Konfessionen, so kann man Bezeichnungen wie „die aktive Außenseite Gottes“ für den Heiligen Geist oder generell die Tendenz vernehmen, den Heiligen Geist als eine Art von Gott ausgehende Energie zu verstehen. Den Heiligen Geist nicht als eigene göttliche Person zu bekennen, sondern als die wirkende Energie Gottes, als eine Wirkweise Gottes, begegnet durchaus in der christlichen Theologiegeschichte. Dies gilt gerade für das Altertum bis zur mehr oder minder offiziellen Durchsetzung klassisch trinitarischer Glaubensbekenntnisse.
Im 20. Jahrhundert erfreute sich dann eh wieder ein mehr oder minder strikter Modalismus eines wahrnehmbaren Zulaufes, wonach es überhaupt nur eine einzige göttliche Person gäbe und nicht zwei oder drei.
Eine Art von halbem Modalismus gegenüber gewissermaßen klassischer Trinitätstheologie wie gegenüber einem subdorditianistischen Verständnis der Zuordnung der drei göttlichen Personen von Vater, Sohn und Heiligem Geist stellt demgegenüber eben die Auffassung dar, dass es zwar bei Gott Vater und Gott Sohn um jeweils eine göttliche Person handle, nicht aber beim Heiligen Geist. Das wäre dann (gewissermaßen) ein Semimodalismus/Semi-Modalismus, auch wenn sich dieser Begriff weder durchgesetzt hat noch dies in nächster Zukunft geschehen dürfte.
Der Wortteil Semi bedeutet so viel „Halb“ und begegnet uns in Wortzusammensetzung in der Theologiegeschichte bereits bei anderen Gelegenheiten. So wird etwa von Semiarianismus, Semipelagianismus/Semi-Pelagianismus und Semijansenismus/Semi-Jansenismus gesprochen. Wie der Ausdruck Semi-Modernismus konnten und können diese Begriffe natürlich in polemisch bis gehässiger Weise verwendet werden.
Natürlich sollten Gehässigkeiten und Verzerrungen vermieden werden. Im guten Sinne offener Austausch, ehrlicher Dialog ist gerade in unserer oft so verworrenen Zeit umso wichtiger. Das Hochfest von Pfingsten mit Pfingstsonntag und Pfingstmontag kann da einen eigenen interessanten Anstoß geben. Die Beschäftigung mit den angeschnittenen Erklärungsversuchen zur Stellung des Heiligen Geistes etwa kann eigens zu sprachwissenschaftlich-philologischen wie kirchengeschichtlichen und allgemeingeschichtlichen Studien anregen. Dass sich schon das römische Reich immer wieder in innerchristliche theologische Diskussionen einmischte, ist ja eine nicht zu verleugnende Tatsache. Schließlich mag man sich auch ermutigt sehen, sich mit philosophischen Formulierungen und Überlieferungszusammenhängen zu beschäftigen. Theologie, auch in Form von Glaubensbekenntnissen und Philosophie, lassen sich immer wieder nicht voneinander trennen. Dies gilt nicht zuletzt für den so vielschichtigen Bereich der Diskussionen um die Allerheiligste Dreifaltigkeit, unabhängig davon, welche Einzelposition man jeweils selber einnimmt.
Gedanken zur Woche 165, Dr. Matthias Martin
7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)
Wenn in als Sonntagsevangelium so etwas wie ein erweiterter Beginn des Gebetes Jesu zum göttlichen Vater (insgesamt wohl Joh 17,1-26) als Teil der Abschiedsreden des Johannesevangeliums genommen ist, dann mag dies zu persönlichem Nachdenken Studium, ja sogar zu vielfältigen Studien anregen.
Da ist allein schon einmal festzustellen, dass es für diese Gruppe von Versen verschiedene Bezeichnungen gibt. Da gibt es den heutzutage populären Ausdruck „Hohepriesterliches Gebet“, auch geschrieben „hohepriesterliches Gebet“. Dieser Ausdruck wird auf einen vor Jahrhunderten lebenden deutschen Theologen zurückgeführt, der weit vor der Entwicklung moderner historisch-kritischer Exegese in einer Zeit des oft so plumpen wie brutalen Konfessionalismus lebte.
In der 4. Auflage von 1993 (Würzburg) der NEUEN ECHTER BIBEL, Kommentar zum NEUEN Testament mit der Einheitsübersetzung von Johannes Gnilka „Johannesevangelium“ wird auf Seite 127 gleich zweimal der Ausdruck „Das Abschiedsgebet des Herrn“ verwendet. Hier wird auch betont, dass es die Bezeichnung „Hohepriesterliche Gebet“ erst seit dem 16. Jahrhundert gibt.
In „Die Bibel. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes (Herder-Bücherei Sonderausgaben)“, 22. Auflage Freiburg im Breisgau 1977 begegnet als Teilüberschrift die Schreibweise „Das hohepriesterliche Gebet“. Dies ist auch in „Die Heilige Schrift des Neuen Bundes“, 2. Auflage Wien – Linz 1961, übersetzt und erklärt von Alexander Zwettler, der Fall. In „Das Neue Testament. Übersetzt von Ulrich Wilckens. Taschenbuchausgabe ohne Kommentar“ (Gütersloher Taschenbücher/Siebenstern 199), 2. Auflage Gütersloh – Zürich – Einsiedeln – Köln 1976, wird auf solche (Teil-)Überschriften und einen Anmerkungsapparat verzichtet.
Ganz anders wiederum sieht es beispielsweise bei Felix Porsch „Johannes-Evangelium“ (Stuttgarter Kleiner Kommentar: Neues Testament 4), Stuttgart 1988 aus. Da findet man auf Seite 182 als (Teil-)Überschrift die Bezeichnung „Das Gebet des scheidenden Gesandten an den Vater“. Ebendort ist dann zu lesen, dass man hier „Hauptinhalte eines Abschiedsgebets“ vor sich habe.
In der neuen deutschen Einheitsübersetzung findet sich als (Teil-)Überschrift der Ausdruck „DAS GEBET DES SCHEIDENDEN JESUS“.
Wenig überrascht die Tatsache, dass diese wie auch immer jeweils bezeichnete Gruppe von Versen wie die Gesamtheit der betreffenden Abschiedsreden eine Besonderheit des Johannesevangeliums darstellen. Gibt es sonst bei den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas einiges an Sondergut, anders gesagt Traditio Simplex oder eben Simplex Traditio, so ist das bei dem Johannesevangelium massiv der Regelfall. Das Johannesevangelium stellt eben gewissermaßen zum allergrößten Teil so etwas wie johanneisches Sondergut dar. Auch in seinem ganzen Aufbau ist es ein sehr eigenständiges Werk, wenn man es mit den drei anderen Evangelien vergleicht, die es in das einigermaßen allgemein anerkannte Neue Testament geschafft haben. Auch gegenüber den Paulinen samt sog. Deuteropaulinen oder Pseudopaulinen einschließlich den sog. Pastoralbriefen und dem Hebräerbrief (siehe Gedanken zur Woche 151-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) weist dieses Johannesevangelium eine bemerkenswerte Eigenständigkeit auf.
Dabei gehen gerade in Hinblick auf dieses Johannesevangelium allein schon die Datierungen weit auseinander, wann denn dieses überhaupt entstanden sei. Wir haben ja in seinem Text keine Datums- und Ortsangabe zu seiner Abfassung. Keine Art von Selbsterklärung eines Autors oder vielleicht einer Autorengruppe ist dort zu finden, wie man es heutzutage bei akademischen Arbeiten gewohnt ist. Dabei stellt das Problem des Plagiats in heutigen Zeiten natürlich ein eigens umfassendes wie tiefgründiges Problemfeld dar.
Was in besagter Weise für das Johannesevangelium gilt, trifft insbesondere auch für die drei anderen neutestamentlichen Evangelien zu. Genauso findet sich auch ja auch keine Geburtsurkunde Jesu, oft genannt Jesus von Nazaret oder auch Jesus Christus, in einem der vier Evangelien, auch nicht in dem lukanischen Sondergut und ebenso wenig im matthäischen Sondergut.
Beim Johannesevangelium stellt sich natürlich insbesondere die Frage nach seiner Beziehung zu den drei Johannesbriefen des Neuen/Zweiten Testaments wie zur Geheimen Offenbarung auch genannt die Apokalypse und dergleichen. Gerne wird ja bezüglich dieses Buches am Ende des Neuen/Zweiten Testaments ausdrücklich von der Geheimen Offenbarung des Johannes oder kürzer von der Offenbarung des Johannes gesprochen.
Besitzen alle diese fünf neutestamentlichen Einzelschriften ein und denselben Autor wie die landläufige Art der Bezeichnung mit dem Namen Johannes nahelegt? Oder hat man es beim Johannesevangelium um einen eigenen Autor bzw. eine eigene Redaktion, eine Art eigener Autorengruppe zu tun? Wie und durch wen kam es im Einzelnen zur Abfassung des letzten Buches im Neuen/Zweiten Testament, der Geheimen Offenbarung (des Johannes), der Apokalypse oder dem Buch der Apokalypse? Liegt nicht vielleicht doch bei dem so kurzen Dritten Johannesbrief ein eigener Autor vor? Was sagt uns heutigen Menschen die dort geführte Klage über den vielleicht das Amt eines Gemeindevorstehers innehabenden Diotrephes? War dieser einfach so etwas wie ein rücksichtsloser Wichtigtuer oder war die Angelegenheit komplizierter?
Ist der Verfasser des ebenfalls so kurzen Zweiten Johannesbriefes und der dieses Dritten Johannesbriefes derselbe, aber eine andere Person als der Verfasser des Johannesevangeliums, des Ersten Johannesbriefes und schließlich der Geheimen Offenbarung? Stellt bei diesem drastisch formulierten Werk wirklich die Bedrängnis bis offene Verfolgung von Christen unter dem besonders berüchtigten Kaiser Nero so etwas wie den geschichtlichen Hintergrund dar? Oder wird dieser Hintergrund nicht eher gebildet von der scheinbar ihrerseits zusehends eskalierenden Herrschaftszeit von Domitian, dem letzten Kaiser nach Vespasian und Titus aus der flavischen Dynastie? Zu dessen Opfern waren gleichermaßen Juden und Christen geworden, wobei bedenken ist, dass es damals noch weniger als später überhaupt zu einer stärkeren Trennung von Judentum und Christentum gekommen war, zumal beide intern noch einmal verschiedene Richtungen und Gruppen aufwiesen. Hinweise dazu finden sich ja bereits in verschiedenen Schriften des Neuen/Zweiten Testaments mit einer Art Vorspiel mit Blick auf das Judentum insbesondere im Ersten und Zweiten Makkabäerbuch des Alten/Ersten Testaments.
Entstand nun das Johannesevangelium in einem eher mit bisher vorhandenen Randgruppen des Judentums verbundenen christlichen Gemeindebereich oder Milieu? Spricht aus ihm wie den anderen mehr oder minder johanneischen Schriften eine besonders bedrängte christliche Gemeinschaft, was die etwa in den Abschiedsreden des Johannesevangeliums betont abgrenzend-kritische Haltung zur „Welt“ erklärte?
Auf jeden Fall ist dort das Verständnis von „Welt“ nicht so freundlich, aufgeschlossen formuliert wie gerade seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in der offiziellen katholischen Kirche. So gibt es längst nach der Welt, dem Säkularen benannte Institute des geweihten Lebens, wenn man der kirchenrechtlichen Einteilung des CIC für die Lateinische Kirche folgt. Auch der CCEO für die Katholischen Ostkirchen handelt eigens von Säkularinstituten als Gesellschaften innerhalb der Kirche mit deren ausdrücklicher Anerkennung unter der obersten Leitung durch den Papst. Siehe dazu im CCEO insbesondere die Canones/Kanones 563 bis 569.
Im CIC mit hierbei ihrerseits eigens relevanten Canones/Kanones 710 bis 730 heißt es ganz optimistisch in Canon/Kanon 710:
„Ein Säkularinstitut ist ein Institut des geweihten Lebens, in welchem in der Welt lebende Gläubige nach Vollkommenheit der Liebe streben und sich bemühen, zur Heiligung der Welt, vor allem von innen her, beizutragen.“
Von „Welt“ als einer bedrohlichen Macht oder auch nur als Ort ernster Auseinandersetzung ist hier keineswegs die Rede. Das Spannungsverhältnis namentlich zu den Abschiedsreden des Johannesevangeliums wie zum Ersten Johannesbrief ist bemerkenswert.
1. Lesung: Apg 1,12-14
2. Lesung: 1 Petr 4,13-16
Evangelium: Joh 17,1-11a
Gedanken zur Woche 165-b, Dr. Matthias Martin
7. OSTERWOCHE (2023)
Wenn man die hl. Rita von Cascia, den heiligen Beda den Ehrwürdigen, die heilige Maria Magdalena von Pazzi, den heiligen Philipp Neri sowie den hl. Augustinus genannt von Canterbury betrachtet, wie dies der heutzutage meist verwendete liturgische Kalender gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum nahelegt, so wird da schon rasch etwas deutlich von der Vielfalt dessen, was gerne zusammenfassend als katholisches Ordenswesen genannt wird.
Solcher Überblick verdeutlicht nicht zuletzt, dass dieses Gesamtphänomen kirchlichen Lebens nicht an eine bestimmte Gesellschaftsstruktur oder Zeitepoche gebunden ist. Ordensleben in einem weiten Sinne erstreckt sich vielmehr über die Jahrhunderte und ist namentlich durch so direkte Verfolgungen, wie man sie etwa durch nichtchristliche Invasoren in Gebieten des Abendlandes, die Fürstenreformation Luthers, die brutale Durchsetzung des anglikanischen Staatskirchentums, die Verfolgungen im Gefolge der Französischen Revolution und dann durch diverse Regime des 20. Jahrhunderts erlebte, nicht auszurotten. Dabei hatten nicht zuletzt die mit Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften verbundenen Vermögenswerte immer wieder Begehrlichkeiten geweckt, die sich brutal ausleben konnten. Die Plünderungszüge durch damals noch heidnische Madjaren und Normannen oder Wikinger sind dafür in den Zeiten, die gerne als Mittelalter bezeichnet werden, drastische Beispiele. Der Übertritt von Adeligen bis hin zu Königen zur sog. Reformation war ganz erheblich durch die Absicht motiviert, sich Kirchenvermögen und da eben nicht zuletzt Klosterbesitzungen unter den Nagel zu reißen. Schon die Vernichtung des nie mehr reorganisierten Templerordens durch den auch sonst so verschlagenen und brutalen französischen König Philipp IV., genannt der Schöne, ging in diese Richtung (siehe allgemein Gedanken zur Woche 94-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Um Kloster- und anderes Kirchenvermögen zu erlangen, schreckten Adelige im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation nicht vor der systematischen Verletzung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 zurück. Dies begründete dann die Eskalation des später Dreißigjähriger Krieg genannten Konfliktgemenges mit.
Ein ganz eigener, schon recht zentralstaatlich organisierter Plünderungszug gegen Kirchen- und da gerade Klostervermögen wurde dann unter Heinrich VIII. von England gestartet. Insgesamt bewirkte seine Politik die größte Vermögensverschiebung in England samt von diesem kontrollierten Gebieten der Neuzeit. Dabei wurden ganz im Sinne moderner totalitärer Systeme, wenn es sich empfahl, Betroffenen wohlklingende Zusagen gemacht, nur um diese nachher zynisch zu missachten (siehe Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und allgemeiner Gedanken zur Woche 136-b – ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Ein später erfolgender riesiger Beutezug gegen Kirchenvermögen samt großangelegten Klosterauflösungen ergab sich dann mit der Französischen Revolution. Die mit der staatlichen Enteignung des enormen Kirchenvermögens verbundene Ausgabe von staatlichen Schuldverschreibungen mit dem dann einseitig durchgeführten Übergang zu hemmungslos gedrucktem Papiergeld im französischen Machtbereich mag eigens als Warnung für heute lebende Menschen in Hinblick auf eine enthemmte Ausgaben- und Geldmengenpolitik dienen. Anfang des 20. Jahrhunderts kam es dann erneut zur großangelegten Enteignung der Kirche im französischen Machtbereich einschließlich der unter Einsatz des Militärs betriebenen Vernichtung von Klöstern (siehe Gedanken zur Woche 68-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 73-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Auch hierbei handelte es sich wieder um einen der großen „Klosterstürme“ der Geschichte. Die Methoden, die dabei und generell bei den verharmlosend Trennungsgesetze genannten Beschlüssen und ihrer Umsetzung durch die Französische Republik angewendet wurden, würde ein unbefangener Mensch wohl wiederum eher einem totalitären Regime zuweisen. Naive Menschen mögen dazu neigen, derartige Untaten für typisch irgendwelche fremdländische Despoten zu halten.
Aber auch dies wie auch die Vernichtung zahlreicher Ordensniederlassungen und anderer kirchlicher Einrichtungen in Zusammenhang mit dem Ausgang des Zweiten Weltkriegs hat das, was zusammenfassend das katholische Ordenswesen genannt wird, überlebt. Dies gilt natürlich auch generell in Hinblick auf die so breit angelegten kommunistischen Kirchenverfolgungen.
Immer wieder entstanden neue Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften. Bestehende Gemeinschaften konnten neue Niederlassungen gründen. Das 19. Jahrhundert und das beginnende 20. Jahrhundert wurden zu einer Blütezeit des katholischen Ordenswesens.
Das zweibändige Werk „Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche“ von Max Heimbucher in der möglichst letzten Auflage vermittelt noch heute einen sehr wertvollen Einblick. Wesentlich knapper gefasst und neueren Datums ist das von Georg Schwaiger herausgegebene Buch „Mönchtum, Orden, Klöster. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Lexikon.“ Auch eine Arbeit wie „Rückblick auf das katholische Ordenswesen im 19. Jahrhundert“ von Otto Braunsberger verdient Beachtung.
Ihrerseits legt die Kirche allen Katholikinnen und Katholiken die Unterstützung des Lebens nach den sog. evangelischen Räten von Armut, eheloser Keuschheit und Gehorsam nahe. So heißt es in Canon/Kanon 574 des CIC von 1983 in besonderem Hinblick auf die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens:
„§ 1. Der Stand derer, die sich in solchen Instituten zu den evangelischen Räten bekennen, gehört zum Leben und zur Heiligkeit der Kirche; darum ist er von allen in der Kirche zu unterstützen und zu fördern.“
Gerade Ortsbischöfe und generell die Ortsordinarien sollten sich in diesem Sinne aufrichtig einsetzen. In diesem Sinne ist in Canon/Kanon 586 desselben CIC nach der bisherigen Fassung zu lesen:
„§ 1. Den einzelnen Instituten wird eine gebührende Autonomie ihres Lebens, insbesondere ihrer Leitung, zuerkannt, kraft derer sie in der Kirche ihre eigene Ordnung haben und ihr Erbgut im Sinne des can. 578 unversehrt bewahren können.
§ 2. Diese Autonomie zu wahren und zu schützen, ist Sache der Ortsordinarien.“
Finden sich in dem hier ausdrücklich angeführten Canon/Kanon 578 zugunsten der Verteidigung der Gründungsintention und generell des Erbes dieser kirchlichen Institute durchaus starke Worte (siehe Gedanken zur Woche 149-b – 4. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)), so wird in Canon/Kanon 134 eine Abgrenzung vorgenommen, was denn unter einem Ortsordinarius zu verstehen ist:
„§ 1. Unter der Bezeichnung Ordinarius verstehet man im Recht außer dem Papst die Diözesanbischöfe wie auch andere, die, wenn auch nur für eine Übergangzeit, Vorsteher einer Teilkirche oder einer dieser gemäß can. 368 gleichgestellten Gemeinschaft sind, und diejenigen, die in diesen allgemeine ordentliche ausführende Gewalt besitzen, nämlich die Generalvikare und die Bischofsvikare; und ebenso, für ihre Mitglieder, diejenigen höheren Oberen klerikaler Ordensinstitute päpstlichen Rechtes und klerikaler Gesellschaften des apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes, welche wenigstens ordentliche ausführende Gewalt besitzen.
§ 2. Unter der Bezeichnung Ortsordinarius versteht man alle, die in § 1 genannt sind, mit Ausnahme der Oberen von Ordensinstituten und Gesellschaften des apostolischen Lebens.“
Wieweit betreffende Ortsordinarien ihren zitierten Verpflichtungen seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts nachgekommen sind, ist oft umstritten. In dem erwähnten Canon/Kanon 368 wird den kanonischen Lebensverbänden in den allermeisten Fällen die Anerkennung als Teilkirche zugunsten eines in den einzelnen Ortskirchen monokratisch gedachten Episkopates verweigert.
Gedanken zur Woche 164, Dr. Matthias Martin
6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)
Betrachtet man nach der bei uns heutzutage meist verbreiteten Leseordnung, der offiziellen Leseordnung für die Feier der Heiligen Messe nach dem Ritus Pauls VI. in der Lateinischen Kirche, das Sonntagsevangelium für den Sechsten Sonntag der Osterzeit in diesem Jahr, so kann man darin ein Beispiel sehen, dass das Johannesevangelium innerhalb der vier Evangelien des meist so genannten Neuen Testaments eine Sonderstellung einnimmt (siehe Gedanken zur Woche J136 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Tatsächlich weisen ja das Matthäus-, das Markus- und das Lukasevangelium immer wieder bemerkenswerte Gemeinsamkeiten bis in den Wortlaut hinein auf. Das ändert nichts daran, dass wir auch in diesen drei synoptischen Evangelien immer wieder auch Sondergut finden, also Textmaterial, das so nur in einem der neutestamentlichen Evangelien zu finden ist. Solches matthäische, markinische und lukanische Sondergut hat immer wieder Menschen beschäftigt und die Frage aufgeworfen, warum es denn nur in einem der Evangelien zu finden sei. Dies ist umso mehr der Fall, da solches Sondergut besonders beliebte und bekannte Stellen des Neuen/Zweiten Testaments enthalten kann. Denken wir da in Hinblick auf lukanisches Sondergut nur an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37) und das Gleichnis vom barmherzigen Vater und dem verlorenen Sohn (Lk 15,11-32). Beim matthäischen Sondergut mag man besonders an das Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46) denken (siehe Gedanken zur Woche 150 – 5. SONNTAG IM JAHRRESKREIS (2023)). Genauso mag da in Hinblick auf lukanisches Sondergut das Textmaterial zur Verheißung der Geburt Johannes des Täufers und Jesu von Nazarets mit der Geburt Johannes des Täufers (Lk 1,5-79 einschließlich Vers 80 in diesem Kapitel) (siehe Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022)) samt der lukanischen Weihnachtsgeschichte in den Sinn kommen (Lk 2,1-20) (siehe Gedanken zur Woche 144 – HOCHFEST von WEIHNACHTEN (2022)).
Dabei findet sich auch Material, das in zwei der synoptischen Evangelien aber nicht in allen dreien und schon gar nicht im Johannesevangelium zu finden ist. So kann dann etwas sowohl im Matthäus- und im Markusevangelium zu finden sein, aber nicht im Lukasevangelium. Oder aber man findet etwas sowohl im Markus- als auch im Lukasevangelium, aber eben nicht im Matthäusevangelium vor. Dann gibt es nicht zuletzt den Fall, dass mehr oder minder umfangreiches Textmaterial mit dem Matthäus- und dem Lukasevangelium in den beiden Seitenreferenten oder Großevangelien, aber nicht im Markusevangelium vorliegt.
Demgegenüber stellt der Großteil des Johannesevangeliums so etwas wie Sondergut gegenüber diesen drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas dar. Übereinstimmungen des Johannesevangeliums mit einem oder zweien von diesen oder gar allen drei synoptischen Evangelien stellen eine eigens festzustellende Ausnahme dar. Dazu gehören der im Neuen/Zweiten Testament so einmalig dastehende Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1,1-18), wie die dortigen Abschiedsreden einschließlich der Erzählung von der Fußwaschung (Joh 13,1-17,26). Jeweils haben wir es hier mit besonders markanten und immer wieder kontroversiell diskutierten Stellen zu tun. Dies betrifft nicht zuletzt die Frage nach dem Verhältnis von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiligem Geist. Darf gerade anhand dieser johanneischen Texte von einer Allerheiligsten Dreifaltigkeit ausgegangen werden? Wenn ja, wie stehen dann eben Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist zueinander? Stehen sie als drei göttliche Personen auf einer Ebene, oder ist anhand der biblischen Überlieferung und gerade von Stellen im Johannesevangelium von Abstufung, ja Unterordnung solcher göttlichen Personen auszugehen? Kann man, wie es mehr oder minder bewusst die meisten sich „christlich“ nennenden Gemeinschaften tun, von Wesensgleichheit oder gar im modernen Deutsch von Wesenseinheit sprechen, oder sollte dies unterlassen werden? Gibt es überhaupt drei göttliche Personen oder nicht doch nur zwei oder gar nur eine (siehe Gedanken zur Woche 116 - DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2022))?
War dies in den frühen Jahrhunderten der Christenheit umstritten, so brachen die Gegensätze wieder mit der sog. Reformation im 16. Jahrhundert auf. Sehr rasch wurden diese zwischen sog. Reformatoren oder „Protestanten“ auch in Hinblick auf eine mögliche Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit deutlich.
In dem so breiten, vielfältigen und gewissermaßen mit sich selbst im Widerstreit liegenden Bereich irgendwie „protestantisch“ oder „reformatorisch“ zu nennenden Bestrebungen traten alsbald auch antitrinitarische Tendenzen und Akteure hervor.
Diese wurden so bedeutend, dass etwa die Richtung der Sozinianer sogar in der Übersicht in dem von Werner Hilgemann und Hermann Kinder erarbeiteten „dtv-Atlas zur Weltgeschichte I“ (München 1980, 16. Auflage, Seite 240 bis 241) eigens sowohl auf der betreffenden kartografischen Darstellung wie im daneben zu findenden Text berücksichtigt wurde. Zugleich verdeutlicht die Geschichte des Sozianismus bzw. der Sozinianer, dass die polnische Geschichte keineswegs so widerspruchsfrei verlief, wie dies von interessierter Seite gerne dargestellt wurde und wird. Nicht zuletzt in Siebenbürgen entwickelte sich schon im 16. Jahrhundert in Konkurrenz zu Luthertum und Calvinismus eine profilierte antitrinitarische Bewegung. Dies führte zur Bildung der bis heute bestehenden Unitarischen Kirche Siebenbürgen. Im heutigen Rumänien ist diese staatlich anerkannt.
Oft auf dem europäischen Kontinent übersehen, entwickelten sich eigens in England während des 17. Jahrhunderts antitrinitarische Gruppen und Tendenzen. Auch diese werden gerne als „protestantisch“ bezeichnet bzw. dem „Protestantismus“ zugezählt. Dabei waren solche Bestrebungen zeitweise so stark, dass sogar von einer Krise der Trinität(stheologie) im frühneuzeitlichen England gesprochen bzw. geschrieben wurde. Fraglich ist insbesondere, wie weit und wie stark sich im Klerus der anglikanischen Staatskirche eine Art trinitätskritische Untergrundrichtung verbreitete. Der trinitätskritischen bis -feindlichen Geistesbewegung ist sicher der berühmte Isaac Newton (1643-1727) zuzuordnen.
Dabei waren ja die in unseren Breiten besonders bekannten, gleichsam klassischen Reformatoren wie Martin Luther, Huldryich/Ulrich Zwingli und Johannes Calvin erklärte Anhänger des im Westen durch die katholische Kirche überlieferten Trinitarischen Dogmas, des Glaubens an die Allerheiligste Dreifaltigkeit im Sinne des Ersten Konzils von Nicäa (325) und des Ersten Konzils von Konstantinopel (381).
Dass mit den einflussreichen Reformatoren auch in der Trinitätstheologie ganz und gar nicht zu spaßen war, beweist das Schicksal des Theologen und gerade als Mediziner so wichtigen Michael Servet, auch Servetus oder Serveto (1511-1553). Als Johannes Calvin seiner habhaft wurde, ließ er ihn festnehmen und in seinem eigenen Machtzentrum Genf bei lebendigem Leib verbrennen. Die protestantischen Zentren von Zürich, Schaffhausen, Bern und Basel unterstützen dies ausdrücklich in ihren Stellungnahmen und bewiesen damit nur einmal wieder, was in ihrem Sinne unter der „Freiheit eines Christenmenschen“ zu verstehen war. Der angeblich so friedensorientierte Reformator Philipp Melanchton dankte ausdrücklich für die grausame Hinrichtung.
Dabei hatten schon vor dem tragischen Tod des Michael Servet die genannten führenden Reformatoren betont, dass es die ganz grundlegende Aufgabe staatlicher Macht sei, Andersdenkende zu verfolgen. Dies konnte dann theologisch durchaus unterschiedlich orientierte Menschen treffen wie Katholiken, Antitrinitarier und sog. Wiedertäufer. Zwingli hatte in der von ihm dominierten Metropole Zürich die erbarmungslose Hinrichtung aller sog. Wiedertäufer vorangetrieben, deren man habhaft wurde. Dabei wurde kein Unterschied gemacht, welche theologische Positionen diese Menschen im Einzelnen wirklich vertraten. Vorher waren bereits die Katholiken Opfer zwinglianischer Verfolgungspolitik geworden.
Längst ist heutzutage die katholische Kirche sowohl in Genf wie in Zürich wieder in aller Öffentlichkeit die größte der sich christlich nennenden Gemeinschaften geworden. Kritiker des traditionellen und von Calvin so brutal vertretenen Trinitätsdogmas bleiben längst auch in Genf ungeschoren und Menschen, die nur einigermaßen erwachsene Menschen getauft sehen wollen, werden selbst in Zwinglis einstigem Machtzentrum Zürich nicht mehr hingerichtet.
1. Lesung: Apg 8,5-8.14-17
2. Lesung: 1 Petr 3,15-18
Evangelium: Joh 14,15-21
Gedanken zur Woche 164-b, Dr. Matthias Martin
6. OSTERWOCHE einschließlich HOCHFEST von der HIMMELFAHRT CHRISTI/CHRISTI HIMMELFAHRT (2023)
Ein Hochfest markiert immer etwas ganz Besonderes im kirchlichen Jahreskreis, stellt jeweils so etwas wie einen Höhepunkt im Kirchenjahr dar.
Dies ist natürlich auch beim HOCHFEST von der HIMMELFAHRT CHRISTI, auch genannt CHRISTI HIMMELFAHRT, der Fall. Nicht umsonst wird dieses Hochfest oder Fest Erster Klasse auch im Kirchenrecht berücksichtigt, sowohl im CIC für die Lateinische Kirche wie im CCEO für die Katholischen Ostkirchen (siehe Gedanken zur Woche 141-b – 2. ADVENTWOCHE einschließlich HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN (2022)). Umso mehr stellt dieses Hochfest einen Anstoß dar, sich mit religiöser bzw. theologischer Sprache zu beschäftigen und sich um die Vermeidung von Missverständnissen und irreführenden Formulierungen zu bemühen. So ist es zwar richtig, man kann auch sagen, würdig und recht, von der Himmelfahrt Christi oder Christi Himmelfahrt zu sprechen oder zu schreiben. In Hinblick auf die Mutter Jesu, Maria, sollte aber nicht von einer Himmelfahrt gesprochen bzw. geschrieben werden. Die theologisch-religiöse Verwirrung der letzten Jahrzehnte macht dies erst recht zu einer Herausforderung. Dabei ist die Pflege einer klaren und möglichst verständlichen Sprache nicht nur ein Dienst an der Kirche, an einer mehr oder minder bestimmten Gruppe von Gläubigen. Solches Bemühen ist vielmehr ein Dienst an der ganzen Gesellschaft. Kirche ist ja ein enorm wichtiger Bildungsfaktor und ganz allgemein ein Kulturträger. Eine konfessionelle Gemeinschaft ist immer auch so etwas wie eine kulturelle Gemeinschaft. Gewann in diesem Sinne das Christentum und da gerade die sich entwickelnde katholische Kirche seit dem Altertum eigenes Profil, so betonte dies erst jüngst kein Geringerer als Papst Franziskus in seiner Ansprache an buddhistische Vertreter aus der Republik Taiwan (siehe Gedanken zur Woche 160-b – 2. OSTERWOCHE (2023)). Die Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl, auch genannt der Apostolische Stuhl und der Republik Taiwan, das Miteinander von katholischer Weltkirche und Einrichtungen der Republik Taiwan und generell dort beheimateten Einrichtungen und Menschen unterstreicht, dass religiöses Leben keine eindimensionale Angelegenheit ist.
Es weist ja vielmehr verschiedene Ebenen und eine Vielfalt an Facetten auf. Dazu gehört eben auch die menschliche Sprache, in gesprochener wie in geschriebener Weise. Umso mehr sollten Katholikinnen und Katholiken irreführende Ausdrucksweise und Schnoddrigkeit zu vermeiden suchen. Unter Zuhilfenahme der Philosophie hat sich die Kirche seit ihren frühen Tagen um eine klare und unmissverständliche Sprache bemüht. Dies geschah in mühevollem Ringen immer wieder gerade in Hinblick auf die Person Jesu von Nazarets, in der theologischen bzw. religiösen Überlieferung eben auch Jesus Christus genannt. Er wird von den meisten Menschen, die sich als Christinnen und Christen bezeichnen, mehr oder minder als die Zweite Göttliche Person bekannt. Demnach besitzt Jesus Christus eine einzigartige Stellung, welche ihn auf eine Ebene mit der Ersten Göttlichen und der Dritten Göttlichen Person, anders gesagt mit Gott Vater und Gott Heiligem Geist stellt. Nach Überzeugung der meisten sich christlich nennenden Gemeinschaften sind diese wesensgleich und werden mitunter auch wesenseins genannt. Auch bei jenen sich als christlich verstehenden Gemeinschaften, welche die traditionelle Trinitätstheologie, die gewissermaßen klassische Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit ablehnen, besitzt Jesus eine ganz herausragende Stellung oder ist gar die Gottheit schlechthin, so dass es wohl vom Amerikanischen her die Grundsatzformulierung „Jesus Only“ gibt. Das heißt ins Deutsche übersetzt soviel wie „Jesus allein“ oder „Nur Jesus“.
Davon ist die Stellung Mariens klar zu unterscheiden und von sie betreffenden Vergöttlichungstendenzen und einer diesbezüglich irreführenden Sprache deutlich Abstand zu halten. Gruppierungen, welche mehr oder in Richtung einer Vergöttlichung Mariens gingen, haben sich als Irrweg erwiesen und wurden durch das, was man die katholische Weltkirche nennt, und nicht nur durch diese zurückgewiesen (siehe Gedanken zur Woche 116 – DRREIFALTIGKEITSSONNTAG (2022); Gedanken zur Woche 125-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2022) und Gedanken zur Woche 154 – 2. FASTENSONNTAG (2023)).
Dementsprechend gibt es keine Himmelfahrt Mariens, sondern man kann im Sinne römisch-katholischer Überlieferung und damit übereinstimmender Tendenzen gerade einmal von einer Aufnahme Mariens in den Himmel sprechen. Eine Himmelfahrt gibt es in diesem Sine nur als HIMMELFHART CHRISTI/CHRISTI HIMMELFAHRT. Maria besitzt ja keine göttliche Natur und ist keine göttliche Person, natürlich bewusst im Sinne allgemeiner christlicher und gerade römisch-katholischer Überzeugung gesprochen. Dementsprechend ist das einzige Hochfest im katholischen kirchlichen Jahreskreis, bei dem eine Himmelfahrt gefeiert wird, eben das von der Himmelfahrt Christi, von Christi Himmelfahrt. Das ist eben jenes Hochfest, jenes Fest Erster Klasse, welches zwischen OSTERN und PFINGSTEN gefeiert wird. Dahingehende Klarstelllungen sind gerade in der jetzigen so verworrenen Zeit wichtig und sollten nicht vernachlässigt werden.
Den Weg zu einer klaren Formulierung christlichen und insbesondere katholischen Glaubens und damit verbundener moralisch-ethischer Vorstellungen haben auf je eigene Weise nicht zuletzt der heilige Johannes Nepomuk (ca. 1345-1393) und der heilige Bernhardin von Siena (1380-1444) gewiesen.
Beide verdeutlichen auch jeweils die bleibende Bedeutung des Ordenswesens in der Kirche. So gehörte der als Prediger und Schriftsteller wirkende Bernhardin von Siena dem Franziskanerorden an. So findet man bei seinem Namen mitunter das Ordenskürzel OFM. Dieser Heilige steht also für die Bettelorden, die Mendikantenorden. Von diesen sind ja die längst in verschiedene einzelne Orden und Kongregationen samt eigenem Drittordenswesen aufgezweigten Franziskaner einer der Hauptzweige. Ein anderer sind insbesondere die mit dem Ordenskürzel OP versehenen Dominikaner.
Der heilige Johannes Nepomuk war seinerseits ganz existentiell mit dem Ordenswesen verbunden, was sehr übersehen wird. Er gilt ja als Märtyrer des Beichtgeheimnisses, und das sogar über die sichtbare katholische Kirche hinaus. Sein Leidensweg ist aber offensichtlich mit einer Benediktinerabtei verbunden, was in der Regel nicht wahrgenommen wird. Direkt gegen die Politik des böhmischen Königs Stellung beziehend hatte er als Generalvikar des Erzbistums Prag die Wahl eines neuen Abtes des Benediktinerklosters Kladrau bestätigt. Der auch sonst so tyrannische König Wenzel IV. ließ nicht nur Johannes Nepomuk verhaften. Gefoltert und ermordet wurde dieser aber das bei weitem berühmteste Opfer des Gewaltherrschers. Die Abtei von Kladrau konnte aber König Wenzel nicht vernichten. Kladrau spielte noch im 18. Jahrhundert eine bemerkenswerte kulturelle Rolle. Der heilige Johannes Nepomuk hatte sich also eigens um die Verteidigung des Erbes der alten monastischen Orden, der Mönchsorden verdient gemacht. Dabei gehören die Benediktiner eigens auch zu den Prälatenorden. Die Bedeutung ihrer Ordenshäuser, die im Rahmen des jeweiligen Eigenrechts zu Abteien erhoben werden können, wird in Canon/Kanon 613 des CIC von 1983 unterstrichen:
„§ 1. Die klösterliche Niederlassung von Regularkanonikern und Mönchen unter der Leitung eines eigenen Leiters ist rechtlich selbständig, wenn die Konstitutionen nichts anderes bestimmen.
§ 2. Der Leiter einer selbständigen Niederlassung ist von Rechts wegen höherer Oberer.“
Ist die Weitergabe des vielfältigen Erbes von Orden wie dem der Benediktiner eine nicht beiseite zu schiebende Herausforderung, so gilt es auch, das umfangreiche Kulturgut zu bewahren, das vom Leben, Leiden und von der Verehrung des heiligen Johannes Nepomuk herrührt, sei es in der Architektur, der Literatur, der Malerei oder etwa der figürlichen Darstellung.
Gedanken zur Woche 163, Dr. Matthias Martin
5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)
Wenn im Sonntagsevangelium davon die Rede ist, dass (Joh 14,1) es im Haus des (himmlischen) Vaters es „viele Wohnungen“ gibt, so ist dies ein sehr gutes Beispiel dafür, dass ein und dieselbe Bibelstelle in unterschiedlicher Weise verstanden werden kann. Aus verschiedenen Richtungen kann etwas in sie hinein interpretiert werden bzw. können von ihr aus in verschiedene Richtungen Gedankengänge entwickelt oder unterstützt werden. Natürlich ist es sowieso hilfreich, sich immer wieder Redensarten zu vergegenwärtigen wie „Ein Bibelvers, 34 begründete Exegetenmeinungen“. Nicht umsonst auch gibt es ja schätzungsweise zwischen 41.000 und 47.000 voneinander unabhängige konfessionelle Gemeinschaften, welche mehr oder weniger intensiv von sich selber behaupten, „christlich“ zu sein. Spaltungen nehmen dabei noch eher zu anstatt weniger zu werden. Denken wir nur daran, dass bei der als internationale Gemeinschaft organisierten Evangelisch-Methodischen Kirche, im Amerikanischen United Methodist Church genannt, beginnend mit ihrer Generalversammlung im Jahre 2019 es zur Eskalation von Spaltungsvorgängen kam. Zunächst splitterten sich mit Schwerpunkt in den USA mehrere Einzelgemeinden ab. Um die „Vielfalt“, sprich Aufsplitterung, noch mehr zu fördern, bewegten sich diese Dissidentengemeinden aber keineswegs in dieselbe Richtung. Vielmehr erklärten einige, von nun an so etwas wie „unabhängige“ methodistische Gemeinden oder Gemeinschaften sein zu wollen. Andere wiederum strichen bewusst „Methodistisch“ aus ihrer Selbstbezeichnung, um fortan als erklärtermaßen nichtkonfessionelle Gemeinden zu existieren. Andere wiederum unternahmen es, mehr oder weniger zusammen mit anderen solcher sich von der relativ großen Evangelisch-Methodistischen Kirche/United Methodist Church abspaltenden Gemeinden neue konfessionelle Gemeinschaften auf überörtlicher Basis zu bilden. Inzwischen hat sich mit einem ihrerseits internationalen, ja weltweiten Anspruch die Global Methodist Church gebildet, was sich einigermaßen mit „Globale Methodistische Kirche“ übersetzen lässt. Was man eigentlich mit einem vereinbarten Plan über eine gütliche Trennung und eine friedliche Herausbildung mindestens einer neuen methodistischen kirchlichen Gemeinschaft auf internationaler Ebene hatte verhindern wollen, geschieht nun gerade in den USA. Rechtliche Auseinandersetzungen entwickeln sich, und man zieht gegeneinander vor Gericht. Dass dies in der Öffentlichkeit keinen guten Eindruck macht, überrascht sicher nicht. Abschreckende Beispiele haben schon andere konfessionelle Gemeinschaften geliefert, die sich wie nun die Evangelisch-Methodistische Kirche/United Methodist Church vor allem wegen der ja emotional so aufgeladenen Thematik von Homosexualität mit ihrerseits aber landes- oder nationalkirchlichen Strukturen mit einem Schwerpunkt in den USA spalteten. Hatte es also bisher auf Landesebene organisierte Gemeinschaften einschließlich der gewissermaßen offiziellen Anglikaner in den USA gerade in diesem Land erwischt, so läuft nun bei der international organisierten, ja als weltweite einheitliche konfessionelle Gemeinschaft auftretenden Evangelisch-Methodistischen Kirche ein heftiger und nicht weg zu diskutierender Spaltungsprozess ab, bei dem gewissermaßen die Fetzen fliegen. Bei den an solchen Spaltungen Beteiligten betont jede Seite, doch ganz christlich und im Sinne der Bibel zu handeln. Dabei darf davon ausgegangen werden, dass die sich nun voneinander trennenden oder schon getrennt habenden methodistischen Gruppierungen alle auch das oben schon angeschnittene Johannesevangelium als Teil der Bibel anerkennen. Das dürfte auch bei jenen zahlreichen anderen als methodistisch eingestuften Gemeinschaften der Fall sein bzw. gewesen sein, welche sich schon vorher einigermaßen stabil als unabhängig von der Evangelisch-Methodistischen Kirche etablierten oder bisher behaupteten.
Nun hat es auf globaler Ebene auch die offiziellen Anglikaner erwischt. Hatte es gegenüber sog. Mitgliedskirchen der Lambeth-Konferenz als zentralem Gremium auf internationaler Ebene unter Vorsitz des ja vom britischen Monarchen in Absprache mit dem britischen Premierminister ernannten Erzbischof von Canterbury schon früher immer wieder lokale bis regionale Abspaltungen gegeben, so zerreißt es nun das bisherige offizielle Anglikanertum auf weltweiter Ebene. Auch hier wird wieder deutlich, dass man aus der Bibel ganz Unterschiedliches ja Entgegengesetztes herauslesen bzw. in sie hineinlesen kann. Versuchen die einen dann mit einer vor dem Hintergrund der Entstehung und Entwicklung des Anglikanertums unlogischen Berufung auf eine vermeintlich exklusive Geltung von Bibel ihren Standpunkt zu vertreten, so meinen die anderen, zum richtigen Bibelverständnis bedürfe es gerade auch humanwissenschaftlicher Erkenntnisse und so etwas wie einer kritisch-historischen Herangehensweise. Entstehung und Vermarktung der Bibel Heinrichs VIII. und der King James Bible/Bibel (siehe Gedanken zur Woche 155 – 3. FASTENSONNTAG (2023) und Gedanken zur Woche 157-b – 5. FASTENWOCHE (2023)) sind eh deutliche Beispiele, wie man machtpolitisch motiviert sich seine eigene „Bibel“ machen kann. Von zentraler Bedeutung für ein solches Unterfangen sind natürlich Ressourcen und möglichst die Kontrolle über Machtstrukturen.
Dabei sollten doch die Menschen unbehelligt von Gewaltherrschern an die Bibel herangehen können.
Da kann eben das Wort von den vielen Wohnungen im Haus des himmlischen Vaters in verschiedene Richtungen interpretiert werden, ohne hoffentlich gleich zu Kirchenspaltungen zu führen.
Da kann es namentlich in einem eschatologischen Sinne verstanden werden. Demnach wäre es eine Aussage, die in Richtung der Verheißung auf ein ewiges Leben bei Gott für viele, ja sehr viele Menschen weist. Damit wäre eigens Heilsoptimismus angesagt. Man kann dieses Wort auch in einem eher ekklesiologischen, pastoralen Sinn verstehen. Demnach wäre so etwas wie Kirche von vornherein als eine Heimat für eine nicht begrenzte Zahl von Menschen gedacht, die dazu noch durchaus unterschiedlich sein könnten.
In diese Richtung weist auch die Erste Lesung aus der Apostelgeschichte für den Fünften Sonntag der Osterzeit im Jahre 2023, wenn man eben der jetzt bei uns üblichen Leseordnung folgt. Da ist, wiederum nicht zum ersten Mal in der Apostelgeschichte, die Rede davon, dass die Zahl der Jünger zunahm. Ausdrücklich wird bereits für diese ganz frühe Zeit allein schon für die Urgemeinde in Jerusalem zwischen Hellenisten und Hebräern ausdifferenziert. Damit ergaben sich neue Aufgaben. Es galt Spannungen zu bewältigen und aus dem kirchlichen Wachstum das Beste zu machen. Dies führte dann schon in der Jerusalemer Urgemeinde zur Berufung der ersten Diakone. Die Entwicklung von kirchlichen Strukturen und Ämtern setzte sich offensichtlich im Neuen Testament bzw. der damaligen Zeit fort. Dazu finden sich auch Hinweise in Schriften, welche nicht Aufnahme in das Neue/Zweite Testament fanden, insbesondere nicht in Bibelausgaben der meisten sich als christlich bezeichnenden Gemeinschaften.
Die katholische Kirche hat solche Herausforderungen und mit ihnen verbundene Möglichkeiten immer wieder sehr konstruktiv aufgegriffen. Es entstand eine bunte Vielfalt an Vereinigungen innerhalb der katholischen Kirche, welche gerne Orden und ordensähnliche Gemeinschaften werden. Diese haben ganz unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Es gibt solche, die betont kontemplativ ausgerichtet sind, also Innerlichkeit, Gebet und Gottesdienst in den Mittelpunkt ihres Wirkens stellen. Dann gibt es die aktiven Gemeinschaften. Hier lässt sich etwa zwischen solchen mit einem sozial-caritativen und solchen mit einem pastoralen bis missionarischen Schwerpunkt unterscheiden. Die Ausdifferenzierung lässt sich bei den Orden und ordensähnlichen Gemeinschafen fortsetzen. Gleiches gilt für das katholische Vereinswesen. Auch hier ergibt sich schon in kirchenrechtlicher Hinsicht eine Ausdifferenzierung. Dies wird eben nicht zuletzt im CIC, dem CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS, sichtbar.
Da gilt es jeweils, die Einheit zu wahren und miteinander Gutes zu tun. Die verschiedenen Vereinigungen, Lebensverbände, Vereine und wie auch immer gerade innerhalb der katholischen Kirche sind zu gemeinsamem Wirken aufgerufen.
1. Lesung: Apg 6,1-7
2. Lesung: 1 Petr 2,4-9
Evangelium: Joh 14,1-12
Gedanken zur Woche 163-b, Dr. Matthias Martin
5. OSTERWOCHE (2023)
Dass es schon zu einer frühen Zeit eine Vielfalt in der Kirche gab, verdeutlicht ein Blick auf den 12. Mai im kirchlichen Jahreskreis. Da wird gerade sowohl des heiligen Pankratius wie der beiden Heiligen Nereus und Achilleus gedacht. Alle drei starben der Überlieferung zufolge in der Christenverfolgung des römischen Gewaltherrschers Diocletian. Pankratius vollendete demnach bereits in sehr jungen Jahren seinen irdischen Weg, als er mit seiner Weigerung, sich den Vorgaben römisch-imperialer Politik zu beugen, wie man in der Überlieferung gerne formuliert, die Krone des Martyriums erwarb. Dabei soll er nicht aus Rom, wo sich sein irdischer Lauf vollendete, sondern aus dem westasiatischen Phrygien gestammt haben. Die sein Leben und Sterben thematisierende Überlieferung spricht davon, dass er sein ererbtes Vermögen verwendet habe, um verfolgten Christen zu helfen, bevor er selber das Martyrium erlitt. Also finden wir auch in der bemerkenswerten Überlieferung über den heiligen Pankratius eine starke Verbindung von mutigem Bekenntnis des Glaubens und praktischer Nächstenliebe. Wir können in Anlehnung an den so wichtigen neutestamentlichen Jakobusbrief und seiner Mahnung, dass der Glaube tot ist ohne die Werke (siehe insbesondere Jak 2,17.20.26), sagen, dass Pankratius seinen christlichen Glauben mit dem Tun guter Werke lebendig verwirklicht habe. Im Sinne des ebenfalls neutestamentlichen Ersten Johannesbriefes ließe sich auch formulieren, dass Pankratius der Überlieferung zufolge vor seinem Martyrium nicht mit Wort und Zunge, sondern in Tat und Wahrheit (siehe insbesondere 1 Joh 3,18) geliebt habe. Natürlich kann hier auch das Gleichnis vom Jüngsten Gericht in den Sinn kommen, mit der anspornenden Aussage, dass das, was man an Gutem einem der geringsten Mitmenschen getan habe, man dem Herrn Jesus Christus selber getan habe (siehe insbesondere Mt 25,40). Wie Im Jakobusbrief und im Ersten Johannesbrief finden sich dabei auch in diesem matthäisches Sondergut darstellenden Gleichnis drastische Worte gegen ein Fehlverhalten durch das Unterlassen guter Werke. Dies gipfelt in der vorwurfsvollen Aussage, dass man das, was man einem der geringsten unter den Mitmenschen nicht getan habe, man auch dem Herrn nicht getan habe. Dazu kommt dann bei Matthäus noch die Mitteilung der ewigen Verdammnis für die Unterlassungstäter (siehe insbesondere Mt 25,41.45-46). Dabei wird in diese Richtung schon im Alten/Ersten Testament gewiesen. Dies geschieht eindrücklich etwa im Buche Tobit (siehe Gedanken zur Woche 152-b – 7. WOCHE IM JAHRESKREIS - ASCHERMITTWOCH - TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2023)). Hatten Tobit und sein Sohn Tobias der furchteinflößenden Macht des Assyrischen Reiches gegenüberzustehen, so war es der Überlieferung zufolge für den heiligen Pankratius und die Heiligen Nereus und Achilleus das zahllose Menschen vernichtende Römische Reich, welches ihnen das irdische Leben kostete.
Es ist eine Herausstellung eines eigenen Akzentes, dass im Laufe der Zeit sich die Verehrung des heiligen Pankratius eigens als Patron der Jugend, der jungen Menschen verbreitete.
Demgegenüber starben Nereus und Achilleus den Märtyrertod, nachdem sie sich als römische Soldaten zum Christentum bekehrt hatten. Das menschenverachtende römische System, dem sie vor ihrer Bekehrung einst selber zu Diensten gewesen waren, kostete demnach dann auch ihnen das irdische Leben. Ein junger Mensch also und zwei bekehrte Soldaten, die am selben Tag als Märtyrerheilige römischer Christenverfolgung verehrt werden, stellen schon auf ihre Weise etwas von der Vielfalt gelebten Christseins vor Augen.
Diese Vielfalt wie die Verbindung von Bekenntnis des Glaubens und das Tun guter Werke setzten sich über die Jahrhunderte fort.
Dafür stehen nicht zuletzt der heilige Johannes von Avila (1499-1569) und der ebenfalls als Heiliger verehrte Damian de Veuster (1840-1889).
Schon ausdrücklich u. a. durch Papst Pius XII. geehrt, durch Papst Paul VI. heiliggesprochen und später durch Papst Benedikt XVI. zum Kirchenlehrer erhoben, ist der heilige Johannes von Avila mit seiner Herkunft, seinem Leben und Leiden eine Mahnung, spanischen Nationalmythen und ihren Unterstützern gegenüber misstrauisch zu sein. Man kann dies natürlich noch härter ausdrücken.
Einen Ansporn, zum einen selber Gutes zu tun und zum anderen eine im richtigen Sinne kritische Distanz gegenüber weltlichen Machthabern zu pflegen, kann auch der heilige Damian de Veuster geben. Eigens verdeutlicht er mit seinem Eintritt in das im deutschen Sprachraum meist Arnsteiner Patres genannte Institut des geweihten Leben, genauer ein Religioseninstitut, und sein dortiges Wirken den bleibenden Wert der verschiedenen kanonischen Lebensverbände. Von diesen stellen ihrerseits die Institute des geweihten Lebens gewissermaßen parallel zu den Gesellschaften des apostolischen Lebens einen Hauptzweig dar. Dieser Hauptzweig der Institute des (gott-)geweihten Lebens unterteilt sich in Säkularinstitute und Religioseninsitute. Dazu kommen inzwischen sog. neue Formen des geweihten Lebens. Innerhalb der vielfältigen Richtung der Religioseninstitute gehören die Arnsteiner Patres ihrerseits zu den (religiösen) Kongregationen (siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 162 – 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)). Dabei ist die Bezeichnung Arnsteiner Patres nicht die offizielle Bezeichnung für die Gemeinschaft des heiligen Damian Veuster. Das Direktorium der Diözese St. Pölten für das Jahr 2023 verdeutlicht das:
„Damian de Veuster wurde 1840 in Tremelo, Belgien, geboren, trat in Löwen in die Ordensgemeinschaft von Heiligsten Herzen Jesu und Mariä ein und wurde Seelsorger im Nordwesten von Hawai. Am 10. Mai 1873 kam er auf die Insel Molokai und wirkte dort als Arzt und Priester unter den Leprakranken. Selbst erkrankt<,> setzte er seine Arbeit fort bis zu seinem Tod am 19. April 1889. Er gilt als „Apostel der Aussätzigen und Märtyrer der Nächstenliebe“. Damian de Veuster wird verehrt als Patron der Aussätzigen und der an HIV-Erkrankten. Papst Benedikt XVI. hat ihn am 11. Oktober 2009 heiliggesprochen.“
Diese gerafften biografischen Angaben verdeutlichen, wie sehr es immer wieder darum geht, sich als Kirche bzw. als Christin oder Christ neuen Herausforderungen zu stellen. Dies gilt nicht zuletzt für den ganzen Bereich der Medizin, Pflege, Gesundheitsfürsorge und gewissermaßen Gesundheitspolitik. Zugleich verkörpert der heilige Damian de Veuster so etwas wie gelebte Weltkirche. Er war bereit, in ein für ihn so fernes und fremdes Land aufzubrechen, um dort den Glauben zu bezeugen und notleidenden Menschen Gutes zu tun. Dabei war damals Hawaii noch ein eigenes unabhängiges Königreich. Erst Ende des 19. Jahrhunderts kam es durch US-amerikanische und andere Zuwanderer zu einem Umsturz und anschließenden Annexion durch die USA. Im Jahre 1959 erhielt es die Rechte eines Staates innerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika. 2003 kam es zu einer offiziellen Entschuldigung seitens der USA für ihre Rolle im seinerzeitigen Sturz der rechtmäßigen Führung der einst unabhängigen Nation von Hawaii. Hawaiisch ist eine der beiden offiziellen Sprachen im derzeitigen US-Bundesstaat Hawaii. Längst gibt es auf Hawaii eine Bewegung, die für die Wiederherstellung der alten Unabhängigkeit eintritt.
So mag das Gedenken an einen offiziell durch die Kirche heiliggesprochenen Menschen wie Damian de Veuster auch dazu anregen, sich mit für viele Menschen in Mitteleuropa überraschenden Fakten aus Geschichte und aktueller Politik zu beschäftigen. Natürlich bleibt die Verbindung von Bekenntnis des Glaubens und dem Verwirklichen guter Werke gerade für die Notleidenden eine dauernde Herausforderung. Diese gilt in Hinblick auf die Gesamtheit der Weltkirche, die Teilkirchen wie die einzelnen Christinnen und Christen bzw. Katholikinnen und Katholiken.
Gedanken zur Woche 162, Dr. Matthias Martin
4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)
Die herausragende Bedeutung des Sonntags als erstem Tag der Woche und als Wochentag, an dem in besonderer Weise die Auferstehung Jesu Christi gefeiert wird (siehe Gedanken zur Woche 161 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)), wird auch am Vierten Sonntag der Osterzeit deutlich, wenn man etwa dem in unserem Breiten zumeist verwendeten liturgischen Kalender folgt.
Da verdrängt nämlich dieser Sonntag sogar liturgisch den Gedenktag eines so wichtigen Heiligen wie des von 1566 bis 1572 amtierenden Pius V. Manchmal wird ja die bis Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts meist zelebrierte Form der Heiligen Messe nach ihm benannt. Dabei gibt es natürlich auch eine Reihe anderer Bezeichnungen für diese Liturgie (siehe Gedanken zur Woche 82-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 102-b – 1. FASTENWOCHE (2022)), was für sich schon ein interessanter Aspekt von Kirchengeschichte und allgemeiner Kultur- und Sozialgeschichte ist. Er war einer der ganz großen Päpste der katholischen Erneuerung. Seine Bedeutung wurde offensichtlich schon zu seinen Lebzeiten auch von sehr übelwollender Seite erkannt. So beabsichtigte offensichtlich die Katholikenverfolgerin und Förderin großangelegter Seeräuberei wie gewalttätiger Ausschreitungen gegen andere Staatswesen, Elisabeth I. von England, den heiligen Papst Pius V. ermorden zu lassen. Die dahingehenden Hinweise passen zum brutalen Charakter der englischen Gewaltherrscherin, die u. a. auch mit ihrem Regime die Verantwortung für die gegen alle Überlieferung gerade der damaligen Zeit begangene Hinrichtung von Schottlands legendärer Königin Maria Stuart trug. Macht der heilige Papst Pius V. deutlich, wie wichtig und richtig es ist, auch gegenüber englischer bzw. britischer Machtpolitik und damit verbundener Propaganda misstrauisch zu sein, so stellt sein Wirken auch einen besonders starken Kontrapunkt gegenüber italienischen Nationalmythen und damit direkt verbundener Machtpolitik dar. Bekanntlich war es ganz erheblich Pius V. gewesen, der durch sein Wirken jene Militärallianz zustande gebracht hatte, welche mit dem auch in die bildende Kunst eingegangenen Seesieg von Lepanto im Jahre 1571 das Osmanische Reich in seine Schranken wies und zur Befreiung tausender christlicher Galeerensklaven führte.
In der kleinen Ausgabe des derzeit weit verbreiteten Deutschen Messbuchs heißt es zum Gedenktag des heiligen Papstes Pius V. am 30. April neben anderem:
„Seinem Bemühen ist auch der Seesieg über die Türken bei Lepanto zu verdanken.“
Nach diesem Sieg stiftete er dann für die ganze katholische Kirche das Rosenkranzfest (siehe Gedanken zur Woche 30-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)). Nicht zuletzt der Volksschott von 1961 lenkt die Aufmerksamkeit in diese Richtung.
Dabei war ja der heilige Papst Pius V. Oberhaupt jenes über Jahrhunderte existierenden Staatswesens, das lange große Teile der Apenninenhalbinsel bis nach Padanien hinauf umfassend auf Deutsch kurz Kirchenstaat genannt wird. Einen Staat Italien oder so etwas wie eine italienische Nation gab es ganz und gar nicht. Papst Pius V. stand für ein Staatsverständnis und praktische Politik, welche dem Gedanken eines sog. italienischen Nationalstaates diametral entgegengesetzt waren. So betonte er selbstbewusst seine Stellung als das internationale Oberhaupt der katholischen Kirche wie als Bischof von Rom und eben als tatsächlich regierendes Oberhaupt des Kirchenstaates. Von einer Selbstbezeichnung als Präsident oder König von Italien war und ist nichts bei ihm zu finden. Die Verbündeten Pius V. beim Sieg von Lepanto ihrerseits waren unabhängige Staatswesen nicht zuletzt auf der Apenninenhalbinsel und in Padanien wie die Republiken Venedig und Genua und verschiedene Herzogtümer sowie die mit der iberischen Halbinsel herrschaftsmäßig verbundenen Königreiche von Sizilien und Neapel (siehe Gedanken zur Woche 30-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)).
Zugleich macht die Zugehörigkeit des heiligen Pius V. zum Dominikanerorden, auch genannt Orden der Predigerbrüder, deutlich, welche herausragende Bedeutung Ordensleute gewinnen können. Als Mitglied dieses berühmten Bettelordens und damit ein direkter Mitbruder etwa des heiligen Alberts des Großen und des heiligen Thomas von Aquin war Pius V. eine energische wie begabte Persönlichkeit der Weltgeschichte und nicht nur der Kirchengeschichte in einem engeren Sinne.
Dazu passt sehr gut, dass auf den 30. April 2023 als Gedenktag eben des heiligen Pius V. der WELTGEBETSTAG FÜR GEISTLICHE BERUFE fällt.
In einem allgemeinen Sinn gehört der Dominikanerorden ja zu so etwas wie den klassischen Orden. Gerade im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wurden dann zahlreiche religiöse Kongregationen gegründet, nicht zuletzt solche in dominikanischer Ordenstradition. Auch diese fallen wie die im engeren Sinne des Wortes Orden unter den Begriff „Religioseninstitute“. Folgt man dem CIC für die Lateinische Kirche von 1983, so bilden diese zusammen mit den Säkularinstituten und neuen Formen des (gott-)geweihten Lebens den Gesamtbereich der „Institute des geweihten Lebens“. Manchmal werden diese eben auch genannt „Institute des gottgeweihten Lebens“. Diesen werden bisher nicht die Gesellschaften des apostolischen Lebens zugerechnet. Vielmehr bilden die Institute des (gott-)geweihten Lebens und die generell besonders auf praktische Tätigkeiten hin ausgerichteten Gesellschaften des apostolischen Lebens jeweils einen wichtigen Zweig der Vereinigungen in der Kirche, welche die „kanonischen Lebensverbände“ genannt werden. Generell waren diese gerade in jüngster Zeit von Änderungen der sie behandelnden Normen des Kirchenrechts betroffen, was offenkundig ist (siehe allgemein Gedanken zur Woche 161-b - 3. OSTERWOCHE (2023)). Welche Änderungen sich vielleicht in nächster Zukunft ergeben, bleibt abzuwarten. Vielleicht kommt es etwa zu einer stärkeren kanonistischen Ausdifferenzierung zwischen Religioseninstituten und Säkularinstituten. Auf der anderen Seite könnten diese ja die ganze Bandbreite von Orden und Kongregationen umfassenden Religioseninstitute stärker mit dem Zweig der Gesellschaften des apostolischen Lebens verbunden werden. Das grundsätzliche Charisma von Säkularinstituten auf der einen und Religioseninstituten auf der anderen Seite unterscheidet sich ja doch erkennbar, während Gesellschaften des apostolischen Lebens und Religioseninstitute gerade in Hinblick auf die generelle Ausrichtung auf Gemeinschaftsleben der Mitglieder hin bemerkenswerte Gemeinsamkeiten aufweisen. Betrachtet man etwa das jeweilige Eigenrecht einerseits von Gesellschafen des apostolischen Lebens und von (religiösen) Kongregationen als der eine Zweig von Religioseninstituten neben den Orden im engeren Sinn andererseits, so ergeben sich erst recht Gemeinsamkeiten. Neben der Grundausrichtung auf Gemeinschaftsleben hin ist da der Blick auf die Vermögensfähigkeit der einzelnen Mitglieder solcher Gemeinschaften zu richten. Dies verdient umso mehr Beachtung, da es die Zuordnung der Säkularinstitute zu den Instituten des (gott-)geweihten Lebens bei gleichzeitiger wohlgemerkt Nichtzugehörigkeit der Gesellschafen des apostolischen Lebens zu diesem (Haupt-)Zweig der kanonischen Lebensverbände eben auch im CCEO gibt. Hierin stimmen beide Codices/Kodizes innerhalb der Gesamtheit der katholischen Weltkirche überein. Speziell für den Bereich der Lateinischen Kirche ist festzustellen, dass auch bei gewissermaßen klassischen Orden mitunter längst eine Öffnung in Hinblick auf die apostolische Tätigkeit verbunden mit einer zu diesem Zweck flexiblen Auslegung eigener überlieferter Regeln stattgefunden hat. Derartiges geht ja dann auch in Richtung von stärkeren Gemeinsamkeiten mit den Gesellschaften des apostolischen Lebens. Umso mehr erscheint eine stärkere kirchenrechtlich-kodikarische Zusammenfassung der Gesellschaften des apostolischen Lebens mit den Religioseninstituten bei gleichzeitiger Abhebung dieser von den Säkularinstituten für die Zukunft denkbar.
Inzwischen wurde immerhin, ähnlich wie im CIC, auch im CCEO das (kirchliche) Strafrecht geändert und dabei insgesamt verschärft (https://www.katholisch.de/artikel/44455-papst-franziskus-verschaerft-strafrecht-fuer-ostkirchen). Weitere direkt päpstliche Änderungen sind also umso weniger auszuschließen.
1. Lesung: Apg 2,14a.36-41
2. Lesung: 1 Petr 2,20b-25
Evangelium: Joh 10,1-10
Gedanken zur Woche 162-b, Dr. Matthias Martin
4. OSTERWOCHE (2023)
Die Gedenk- bzw. Festtage von Heiligen, wie sie nach dem Kalender für die Feier der Heiligen Messe nach der Ordnung Pauls VI. im Jahre 2023 in der VIERTEN OSTERWOCHE begangen werden, verdeutlichen die Spannbreite in der sich christliche Existenz für den und die Einzelne wie eine christliche Gemeinschaft bis hin zur Weltkirche verwirklicht.
Da werden zum einen Heilige unter Einsatz der Liturgiefarbe Weiß gewürdigt und zum anderen auch Heilige unter Einsatz der Liturgiefarbe Rot gefeiert. Nun ist Rot die Farbe der Märtyrer. Diese Farbe steht symbolisch für das Blut der Märtyrer. Dementsprechend wundert es nicht, dass sowohl am Festtag der Apostel Philippus und Jakobus wie am Gedenktag des heiligen Florian und der heiligen Märtyrer von Lorch eben das Rot als Liturgiefarbe zum Einsatz kommt. Die Martyrien dieser Heiligen weisen uns zurück in die Zeiten römischer Christenverfolgungen. Es mag dabei in den Sinn kommen, dass nach allgemeiner Überlieferung alle Apostel mit Ausnahme des Johannes direkt den Märtyrertod starben, während Johannes sein Leben in der Verbannung beschloss. Bei ihm gibt es bezeichnenderweise dazu die Legende, er habe zunächst erst einmal einen Hinrichtungsversuch überlebt (siehe Gedanken zur Woche 110-b – 3. OSTERWOCHE (2022)). Römische Christenverfolgungen passten zu diesem brutalen Machtapparat, dessen Vernichtungspolitik ungezählte Menschen aus verschiedenen Stämmen und Völkern zum Opfer fielen (siehe z. B. und als Anregung zur eigenen Beschäftigung mit dieser Gesamtthematik Gedanken zur Woche 102-b – 1. FASTENWOCHE (2022)). Zusammen mit der überlieferten römischen Reichsreligion und dem wachsenden Kaiserkult wurde sehr rasch ein Konflikt zwischen römischer Staatsmacht und Christentum unausweichlich.
Der heilige Athanasius machte dann als mutiger Kirchenmann des Vierten Jahrhunderts deutlich, dass mit der gerne in einem glorifizierenden und romantisierenden Sinne überbewerteten sog. Konstantinischen Wende bei weitem nicht ideale Zustände in Hinblick auf Menschlichkeit und Kirchenfreiheit im Römischen Reich herrschten. Das liturgische Weiß am Gedenktag des heiligen Kirchenlehrers, Erzbischofs bzw. Patriarchen Athanasius, sollte nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dieser habe von römischen Machthabern keine Bedrängnisse oder Verfolgungen erlitten. Fünfmal wurde er in die Verbannung geschickt. Es gibt auch die Tendenz, von einer sechsten Verbannung des großen Kirchenlehrers auszugehen. Und der erste, der ihn in die Verbannung schickte, war bezeichnenderweise jener Konstantin, der oft beschönigend „der Große“ genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 85-b – 32. WOCHE im JAHRESKREIS (2021)). Verdient etwa seine insbesondere militärische Fähigkeit, noch einmal die verschiedenen Teile des Römischen Reiches unter seiner straffen Herrschaft zu vereinigen wie die von ihm umfassend durchgeführte Reichsreform Beachtung (siehe Gedanken zur Woche 42-b – TAGE DER WEIHNACHTSOKTAV einschließlich HOCHFEST DER GOTTESSGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG (2020-2021)). Dabei war diese Reichsreform ja die Fortführung der bereits durchgeführten Reichsreform des Diocletian gewesen. Und dieser war ja ein offenkundiger Christenverfolger gewesen. Opfer der Diocletianischen Verfolgung waren u. a. der heilige Florian und die heiligen Märtyrer von Lorch geworden.
Dass sich Brutalitäten und auch schwere Übergriffe gegen die Kirche unter den Nachfolgern Konstantins und dann insbesondere im Oströmischen/Byzantinischen Reich mit Gewaltherrschern wie Justinian fortsetzten, ist ganz offenkundig. Athanasius war im Rahmen seiner Verbannungen und indirekt durch die Übergriffe gegen Gesinnungsfreunde und überhaupt gegen das kirchliche Leben auch ein Opfer dieser Politik. Da er aber nicht hingerichtet oder etwa durch Entbehrungen direkt in der Haft starb, wird er nicht als Märtyrer gefeiert und es kommt an seinem Gedenktag nicht das liturgische Rot, sondern das Weiß zum Einsatz. Athanasius, auch genannt Athanasius der Große, hat sich mutig auch den Eingriffen von nominell christlichen Herrschern in das kirchliche Leben und die Glaubenslehre widersetzt. Dass es grundsätzlich auch in Systemen, die sich einen christlichen Anschein geben wollen, zu Verfolgungen gegen die Kirche bzw. pflichtbewusste Kirchenfrauen und Kirchenmänner kommen kann, verdeutlicht eindrucksvoll der Lebensweg Athanasius des Großen. Dabei fand dieser vielseitig begabte Kirchenmann auch noch die Zeit, insbesondere durch die Abfassung der Lebensgeschichte seines Freundes Antonius, manchmal genannt Antonius der Große, die Entwicklung des Mönchtums gerade im Abendland zu fördern (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Dabei haben sich gewisse Akzentunterschiede in Hinblick auf kanonische Lebensverbände und die Verzweigungen des geweihten Lebens in der Lateinischen Kirche und den Katholischen Ostkirchen bis heute gehalten. Der CIC abgekürzte CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS für die Lateinische Kirche und der CCEO abgekürzte CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM/KODEX DER KANONES DER ORIENTALISCHEN KIRCHEN verdeutlichen dies bei allen fortwährenden Veränderungen des offiziellen Kirchenrechts. In Hinblick auf die Katholischen Ostkirchen, die katholischen orientalischen Kirchen, verdienen natürlich die verschiedenen liturgisch-rituellen Überlieferungen und einzelnen Kirchen eigenen Rechts Achtung und Beachtung.
Ohne als Märtyrer betrachtet zu werden, weist auch der heilige Josef in Richtung eines grundsätzlichen Konfliktes von Religion oder speziell von Kirche und politischer Macht. Die im Matthäusevangelium erzählte Flucht der Heiligen Familie vor dem örtlichen Herrscher von Roms Gnaden, Herodes, (Mt 2,13-23 und siehe davor auch Mt 2,1-12) verdeutlicht dies. Gerade in Zeiten der Bedrängnis hat man sich kirchlicherseits an den heiligen Josef gewandt. Dies geschah in den Zeiten des Angriffs auf den ja international und auch durch nichtchristliche Staaten voll anerkannten Kirchenstaat durch das Königreich Sardinien-Piemont und mit ihm verbündete italienisch-nationalistische Kräfte, die auffallende Gemeinsamkeiten mit irregulären bewaffneten Kräften gerade in Ländern Afrikas in unseren Tagen aufweisen. Dabei hat sich seinerseits das Königreich Sardinien-Piemont durch eine heftige Verfolgung und Zerschlagung von Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften hervorgetan. Da kam eines zum anderen, während gerade der selige Papst Pius IX. (1846-1878) den heiligen Josef zum Schutzpatron der Kirche erklärte, worauf dann eigens Papst Franziskus in sehr würdigender Weise Bezug nahm (siehe Gedanken zur Woche 57 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG bis 4. OSTERWOCHE (2021) und Gedanken zur Woche 156-b – 4. FASTENWOCHE – HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESMUTTER MARIA (2023)). Und da ist nicht zuletzt die besondere Stellung in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, welche dem heiligen Josef insbesondere durch Papst Pius XI. (1922-1939) eingeräumt wurde (siehe ebd.). Bekräftigt und fortgeführt wurde dies durch Pius XII. (1939-1958), der u. a. den 1. Mai zum Fest bzw. Gedenktag „Josef der Arbeiter“ erhob (siehe Gedanken zur Woche 57 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG bis 4. OSTERWOCHE (2021)). Bei Pius XII. verband sich dieser Akt einer Konkurrenzierung namentlich kommunistischer Bestrebungen mit einer wiederholten kirchenrechtlichen Verurteilung und auch einem Konfrontationskurs auf diplomtaischer Ebene gegenüber kommunistischen Parteien und Regimen und ihren Unterstützern. In der Verehrung des heiligen Josef wie betreffenden Verurteilungen und diplomatischen Aktivitäten folgte ihm dann gerade sein unmittelbarer Nachfolger Johannes XXIII. (1958-1963) energisch nach (siehe ebd. und Gedanken zur Woche 133-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Gedanken zur Woche 161, Dr. Matthias Martin
3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)
Der Sonntag ist nach christlicher Überlieferung der erste Tag der Woche. An ihm beginnt nicht nur die Woche, sondern wird auch und insbesondere die Auferstehung Jesu Christi gefeiert, der Dreh- und Angelpunkt des Christseins (siehe Gedanken zur Woche 159 – HOCHFEST von OSTERN (2023)). Gerade den Sonntagen der Osterzeit kommt da noch einmal besondere Bedeutung zu. Schließlich ist Ostern das höchste christliche Fest, das eben das Hochfest der Auferstehung Jesu Christi ist. In den Tagen der Osterzeit und da gerade an den Sonntagen ist besondere Freude über diese Auferstehung angesagt. Die Liturgiefarbe Weiß weist in diese Richtung.
Dann ist eben der Sonntag ganz allgemein der liturgisch höchste Tag in der Woche. So drängen verschiedene Konfessionen auf einen gesetzlich bzw. tarifrechtlichen Schutz von Sonntagsruhe. Manche und mancher hat in diesem Zusammenhang schon von einer „Allianz für den freien Sonntag“ vernommen. Wie bei besonderen Feiertagen wie dem Ostermontag, dem Pfingstmontag, dem Hochfest von der Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August und dem Hochfest von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, auch genannt das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesgebärerin Maria am 8. Dezember ergeben sich hier Möglichkeiten einer dauernden Zusammenarbeit von Kirche, Gewerkschaften, anderen Arbeitnehmervereinigungen sowie etwa kulturellen Initiativen und Arbeiter-/Arbeits- oder Arbeitnehmerkammern (siehe allgemeiner Gedanken zur Woche 141-b – 2. ADVENTWOCHE einschließlich HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFGANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2022) und Gedanken zur Woche 159-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2023)). Dabei sind natürlich jeweilige örtliche bis regionale, ja gesamtstaatliche Gegebenheiten zu berücksichtigen. So gibt es Einrichtungen wie Arbeiterkammern bzw. Arbeitskammern oder Arbeitnehmerkammern nicht einmal überall im deutschen Sprach- und Kulturraum. Das katholische Vereins- und Verbandswesen ist nicht überall gleich stark vertreten und hat oftmals seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts einen verheerenden Einbruch erlitten. Umso reizvoller ist da dann die Suche nach so etwas wie Sachkoalitionen in der Gesellschaft über einen engeren kirchlichen Bereich hinaus.
Dabei ist die Bedeutung des Sonntags ganz grundsätzlich zu verteidigen. Dieses verdeutlicht schon das erste der Fünf Gebote der Kirche (siehe Gedanken zur Woche 110 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022)). In dieselbe Richtung weist der CIC für die Lateinische Kirche mit Canon/Kanon 1246 - § 1 sowie Canon/Kanon 880 - § 3 des CCEO für die Katholischen Ostkirchen (siehe Gedanken zur Woche 145-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich TAUFE DES HERRN (2023)). Den Menschen den Wert des Sonntags gerade in religiöser Hinsicht nahezubringen bzw. wieder nahezubringen ist natürlich kein leichtes Unterfangen. Der massive Einbruch der Gottesdienstbesucherzahlen wie überhaupt im sakramentalen Leben gerade in westlichen Ländern ist kein Geheimnis.
Dabei kommt dem Sonntag nach christlichem Verständnis eben eine ganz große Bedeutung zu. Dies zeigt sich darin, dass der Sonntag als Sonntag auch die Gedenktage wichtiger Heiliger verdrängt.
Folgt man dem derzeit zumeist verwendeten liturgischen Kalender, so wird dies im Kalenderjahr 2023 am 23. April als dem 3. Sonntag der Osterzeit schlagend. An diesem Tag wird dem betreffenden liturgischen Kalender zufolge sowohl der Gedenktag des Adalbert wie der des heiligen Georg verdrängt, also nicht im Rahmen der Heiligen Messe gefeiert.
Dabei handelt es sich bei beiden Heiligen um gerade in unserer so konfliktreichen Zeit höchst aussagekräftige Heilige. Beide Heilige starben der Überlieferung zufolge als Märtyrer.
Starb Adalbert als Missionar am 23. April 997 der Märtyrertod, so wird er als Patron von Preußen und insbesondere von Danzig verehrt.
Beim heiligen Georg handelt es sich um einen besonders beliebten Märtyrerheiligen aus der Zeit der römischen Christenverfolgungen. Sein rotes Kreuz auf weißem Grund kann man auf verschiedenen Fahnen und Wappen entdecken (siehe und Gedanken zur Woche 6-b – 2. OSTERWOCHE (2020) und Gedanken zur Woche 108-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2022)). U. a. ist ja der heilige Georg der Nationalpatron von Palästina und England, was wirklich nicht mit dem derzeit noch existierenden Großbritannien und schon gar nicht mit dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland gleichzusetzen ist. Dabei werden wir vom heiligen Adalbert her auf eigene Weise ganz augenfällig in Richtung so brutaler Realitäten wie Unterdrückung, Flucht und Vertreibung gewiesen.
Im Bereich der deutschen Heimatvertriebenen etwa gibt es bis heute das Adalbertus-Werk (https://kulturstiftung.org/institutionen/adalbertus-werk-e-v-bildungswerk-der-danziger-katholiken und https://www.adalbertuswerk.de/) und die Adalbertus-Jugend (https://kulturstiftung.org/institutionen/adalbertus-jugend-katholische-jugend-aus-danziger-familien).
Der dauernde Einsatz für palästinensische Flüchtlinge des Apostolischen Stuhls setzt sich auch in Hinblick auf das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge fort. Längst unterhalten der Apostolische Stuhl und Palästina volle diplomatische Beziehungen miteinander.
Die offene Verfolgung der Katholikinnen und Katholiken in England und von dort kontrollierten Gebieten betraf natürlich auch die Ordensleute und da nicht zuletzt auch die Benediktiner. Deren Klöster wurden gezielt von der englischen Monarchie und deren Handlangern vernichtet. So entwickelte sich die Tätigkeit der englischen Benediktinerkongregation im Exil. Dabei war der heilige Adalbert selber Benediktiner gewesen.
Zeigt der Apostolische Stuhl mit seiner Hilfe für palästinensische Flüchtlinge wie andere Opfergruppen in unseren Tagen Langatmigkeit und Stehvermögen, so galt dies früher eben auch mit Blick auf die Opfer englischer bzw. britischer Verfolgungen. So ist in dem von Georg Schwaiger herausgegebenen Lexikon „Mönchtum, Orden, Klöster“ (München 1993, Seite 105-106) nachzulesen:
„Seit 1602 bereiteten sich Benediktiner der neuen Englischen Kongregation auf dem Festland für die Seelsorge unter den englischen Katholiken vor. Douai und Lamspringe waren ihre Stützpunkte. Erst seit 1816 konnten sie in Downside ihr erstes Kloster in der Heimat begründen, das seit 1899 eine Abtei mit einem berühmten College ist. Mit Ampleforth, Fort Augustus und anderen Klöstern, darunter drei in den USA, kommt der Englischen Kongregation in der neueren Geschichte des Benediktinerordens eine hervorragende Stellung zu.“
Auch wenn es Anhängern der britischen Monarchie und deren kollabierender anglikanischer Staatskirche missfallen mag, so haben sich auf Seiten mutiger Katholikinnen und Katholiken Durchhaltewillen und Opferbereitschaft doch irgendwie ausgezahlt.
Dazu kommt das in vielfältiger Hinsicht so interessante Phänomen der Schottenklöster auf dem europäischen Kontinent. Dabei ist zu bedenken, dass unter Scotia (Maior) lange Zeit Irland und nicht das heute Schottland genannte Land verstanden wurde. So spricht man bzw. schreibt man im betreffenden Zusammenhang etwa von iroschottischer/iro-schottischer Kirche, iroschottischer/iro-schottischer Mission und iroschottischen/iro-schottischen Wanderbischöfen.
Ein furchtbares Schicksal erlitt die Böhmische Benediktinerkongregation seit Ausgang des Zweiten Weltkriegs. So heißt es in Band II der zweiten Gesamtausgabe des Lexikons für Theologie und Kirche/LThK aus dem Jahre 1958 in dem Beitrag „Benediktiner“ von Stephan Hilpisch in Abschnitt 192:
„15. Kongreg. St. Adalbert (böhmische): Alle Klöster dieser Kongreg. sind z. Z. von den Kommunisten aufgehoben, die Mönche zum Teil in Konzentrationslagern.“
Natürlich hat sich auch hier manches inzwischen zum Guten gewendet, was als Ermutigung für eigene Einsatzbereitschaft von Menschen guten Willens gesehen werden kann.
Um Verwechslungen oder Irritationen zu vermeiden, ist auf jeden Fall zwischen einer monastischen Kongregation und einer religiösen Kongregation zu unterscheiden. Erstere stellt den Zusammenschluss von Klöstern eigenen Rechts dar und wird auch Föderation genannt. Die religiösen Kongregationen demgegenüber stellen neben den im engeren Sinne des Wortes Orden genannten Gemeinschaften einen Zweig der Religioseninstitute dar.
1. Lesung: Apg 2,14.22b-33
2. Lesung: 1 Petr 1,17-21
Evangelium: Lk 24,13-35 oder Joh 21,1-14
Gedanken zur Woche 161-b, Dr. Matthias Martin
3. OSTERWOCHE (2023)
Folgt man dem derzeit gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum üblichen liturgischen Kalender, so bietet gerade die DRITTE OSTERWOCHE ganz bemerkenswerte Hinweise auf den so vielfältigen Bereich der kanonischen Lebensverbände in der katholischen Weltkirche. Natürlich wird dieser enorm vielfältige Bereich damit erst einmal nur angeschnitten. Schließlich gibt es ja schon diesbezüglich so etwas wie Akzentunterschiede zwischen dem CIC für die Lateinische Kirche und dem CCEO für die Katholischen Ostkirchen (siehe Gedanken zur Woche 147-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 148-b – 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 149-b - 4. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 154-b – 2. FASTENWOCHE (2023)), welche ja auch die Unierten Kirchen wie auch die katholischen orientalischen Kirchen und dergleichen genannt werden (siehe Gedanken zur Woche 132-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Auch bei den diesbezüglichen Bezeichnungen und Schreibweisen gibt es eine eigene Vielfalt, die zu Unsicherheiten bis Verwirrungen führen kann.
Dabei betrifft die ständige Überarbeitung, Novellierung und Änderung kirchenrechtlicher Normen auch den Gesamtbereich der kanonischen Lebensverbände einschließlich Personalprälaturen. Eine Personalprälatur gehört zwar zu den Vereinigungen in der Kirche mit kanonischer Anerkennung, laut CIC aber anders die Gesellschaften des apostolischen Lebens und die Institute des geweihten Lebens nicht mit den dort zu findenden Religioseninstituten, und wie diese sowie die Säkularinstitute und neuen Formen des geweihten Lebens auch eben nicht zu den kanonischen Lebensverbänden. Darüber hinaus ist es eben einer der Akzentunterschiede zwischen dem CIC und dem CCEO, dass anders als im CIC im CCEO eine Personalprälatur bzw. Personalprälaturen nicht angesprochen werden.
Auch wenn grundsätzlich wie bei anderen Arten von Vereinigungen in der Kirche die Möglichkeit besteht, dass mehrere Gemeinschaften als Personalprälatur kirchenrechtlich anerkannt werden können, so ist dies bisher nur ein einziges Mal geschehen. Hierbei handelt es sich um das Opus Dei. Und auch hier hat Papst Franziskus in jüngster Zeit Änderungen verfügt. So soll in Zukunft der das Opus Dei leitende Prälat kein geweihter Bischof mehr sein. Auch fällt fortan das Opus Dei in den Verantwortungsbereich des vatikanischen Dikasteriums für den Klerus. Bisher unterstand man dem Dikasterium für die Bischöfe, früher üblicherweise die Bischofskongregation genannt. Papst Franziskus verfasste für die das Opus Dei betreffenden Änderungen mit „Ad charisma tuendum“ ein eigenes Motu proprio, das vom 22. Juli 2022 datiert (https://www.vatican.va/content/francesco/en/motu_proprio/documents/20220714-motu-proprio-ad-charisma-tuendum.html). Dabei verdient Beachtung, dass Papst Franziskus den Plural, also ins Deutsche übersetzt, „Prälaturen“ verwendet. Er bestätigt, dass lediglich „bisher“, „bis jetzt“ oder „bislang“ mit dem Opus Dei erst eine solche Personalprälatur errichtet wurde. Im englischen Text wird an dieser Stelle der Begriff „so far“ verwendet. Es wird damit ausdrücklich bestätigt, dass alsbald die kirchenrechtliche Errichtung mindestens einer weiteren Personalprälatur erfolgen könne. Tatsächlich war vor einigen Jahren bereits von einer Grundsatzübereinkunft berichtet worden, dass die Vollintegration der Priesterbruderschaft St. Pius X. in den offiziell-kirchenrechtlichen Bereich der Kirche in Form der Anerkennung bzw. kanonischen Errichtung als Personalprälatur erfolgen solle. Dies böte auch die Möglichkeit einer einvernehmlichen Einordnung der zahlreichen mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. verbundenen Gemeinschaften, die gerne als Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften oder ganz ähnlich als Orden und ordensähnliche Gemeinschaften bezeichnet werden.
Das Opus Dei hielt inzwischen in Rom einen außerordentlichen Generalkongress ab, um im Sinne des päpstlichen Motu proprio über anfallende Statutenänderungen zu beraten. Die päpstliche Entscheidung, dass der leitende Prälat des Opus Dei fortan kein Bischof mehr zu sein hat, bekräftigt noch einmal, dass in einer kirchenrechtlich anerkannten Gemeinschaft der Leiter selber kein Bischof zu sein braucht, selbst wenn dieser Gemeinschaft ihrerseits Bischöfe oder gar Kardinäle angehören sollten. Es ist beispielsweise nicht unüblich, dass eine betreffende Gesellschaft des apostolischen Lebens oder ein Institut des geweihten Lebens einen „einfachen“ Priester als obersten Leiter hat, auch wenn ihm ein Bischof oder deren mehrere bis hin zu Kirchenmännern im Kardinalsrang angehören sollten. Die eher spezifische päpstliche Regelung bezüglich des Opus Dei mag dazu beitragen, Irritationen zu entkräften, wie sie gerade in jüngster Zeit aufgetreten sind. Zu dieser päpstlichen Klarstellung passt auch die Aufwertung von Laien in Instituten des geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens. Auch nichtgeweihte Mitglieder können zu Oberen in betreffenden klerikalen Instituten berufen bzw. gewählt werden ( https://www.katholisch.de/artikel/34323-papst-ermoeglicht-mehr-laien-in-ordensleitungenn ). Dementsprechend wurde Canon/Kanon 588 § 2 des CIC durch ein päpstliches Reskript geändert (https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2022/05/18/0371/00782.html).
Dabei geht die päpstliche Entscheidung, das Opus Dei fortan dem jetzt so bezeichneten Dikasterium für den Klerus zu unterstellen einher mit der eigenen Kurienreform von Papst Franziskus. Für diese erließ der Papst mit „Praedicate Evangelium“ eine „Apostolische Konstitution über die Römische Kurie und ihren Dienst für die Kirche in der Welt“ (https://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_constitutions/documents/20220319-costituzione-ap-praedicate-evangelium.html).
Dort heißt es das Dikasterium für den Klerus betreffend als Artikel 117 ausdrücklich:
„Das Dikasterium ist für all das zuständig, was dem Heiligen Stuhl in Bezug auf die Personalprälaturen obliegt.“
Es wird hier wiederum ausdrücklich in der Mehrzahl von Personalprälaturen gesprochen!
Wenn man sich nun die offenkundige Veränderungsbereitschaft einschließlich Ergänzungsfreudigkeit bezüglich der Gesamtheit des Kirchenrechts vergegenwärtigt, wie sie in der Kirche praktiziert wird, und dies gerade auch durch Papst Franziskus, so lässt sich umso weniger die Errichtung einer neuen Personalprälatur oder gar von mehr als einer einzelnen neuen Personalprälatur ausschließen.
Als schwierig ist aber anzusehen, dass in Hinblick auf kirchenrechtliche Texte einschließlich des CIC für die Lateinische Kirche und des CCEO für die Katholischen Ostkirchen sowie die Fachliteratur samt eher populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen die Übersicht erschwert wird. Texte veralten außerordentlich rasch. Was interessierte Katholikinnen und Katholiken samt kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch als recht neuen Text oder als vermeintlich noch aktuell im Schrank stehen oder auf dem Computer gespeichert haben, kann schon wieder veraltet sein. Dies kann ohne weiteres auch Studentinnen und Studenten sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Fortbildungsveranstaltungen während der jeweiligen Ausbildung betreffen. Wenn man nicht sehr bewusst den jeweiligen Vorgängen folgt, kann man relativ leicht gewissermaßen ins Hintertreffen geraten.
Gedanken zur Woche 160, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2023)
Dass die katholische Kirche mit dem Abschluss der Osteroktav mit dem Zweiten Sonntag der Osterzeit auch den Weißen Sonntag begeht, ist vielen Menschen noch vertraut. Dies gilt auch für Menschen, welche nicht offizielle Mitglieder der katholischen Kirche sind. Weniger in einem breiteren Bewusstsein verankert ist der Umstand, dass Papst Johannes Paul II (1978-2005) verfügte, dass dieser Tag im Kirchenjahr eigens als SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT begangen werden solle.
Nun ist das Bemühen, einen so wichtigen Aspekt wie die Barmherzigkeit Gottes den Menschen, insbesondere in diesem Falle den Katholikinnen und Katholiken, irgendwie besser nahezubringen, sehr verständlich. Dies gilt auch für das Bemühen, traditionelle Frömmigkeitsformen einschließlich dem Empfang von Sakramenten den Gläubigen ans Herz zu legen. So wird etwa im Direktorium der Diözese St. Pölten für 2022/2023 unter Hinweis auf die betreffende Bekanntmachung des Apostolischen Stuhls festgehalten:
„Der Ablass am Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit wird unter den gewohnten Bedingungen (Beichte mit entschlossener Abkehr von jeder Sünde, Kommunionempfang und Gebet in den Anliegen des Papstes: Vaterunser und ‚Gegrüßet seist du, Maria‘ oder ein anderes Gebet nach freier Wahl) den Gläubigen gewährt, die in einer Kirche oder einem Oratorium an einer Feier zu Ehren der göttlichen Barmherzigkeit teilnehmen oder wenigstens vor dem Allerheiligsten das Glaubensbekenntnis sprechen, das Vaterunser mit dem Zusatz einer kurzen Anrufung des barmherzigen Herrn Jesus (z. B. Barmherziger Jesus, ich vertraue auf dich) beten.
Ein Teilablass wird den Gläubigen gewährt, wenn sie mit reuigem Herzen eine der rechtmäßig genehmigten Anrufungen an den barmherzigen Herrn Jesus richten.“
Sich die Barmherzigkeit Gottes (wieder) bewusst machen, beten, sich von der Sünde abwenden und das Beichtsakrament wie die heilige Kommunion empfangen und ein Kirchengebäude in guter Absicht aufsuchen ist tatsächlich lobenswert. Ebenso ist es lobenswert, wenn in der Seelsorge tätige Männer und Frauen sich bemühen, dies den Menschen nahezubringen.
Tatsache ist sicher aber auch, dass gerade in westlichen Ländern das, was, oft Volkskirche genannt wird, über sehr weite Strecken aufgehört hat, zu bestehen. Die Initiative Papst Johannes Pauls II. ist auch an vielen noch vorhandenen Kirchenmitgliedern vorbeigegangen. Das Beichtsakrament gilt wohl nicht ohne Grund als das „vergessene“ oder auch als das „verlorene“ Sakrament (siehe Gedanken zur Woche 112-b – 5. OSTERWOCHE (2022)). Die kirchenamtliche Einführung des SONNTAGS DER GÖTTLLICHEN BARMHERZIGKEIT für den Sonntag am Ende der Osteroktav ist kaum zur kirchlichen Basis durchgedrungen. Dies gilt nicht zuletzt für den deutschen Sprach- und Kulturraum. Da erging es ähnlich wie mit der Proklamation der fünf LICHTREICHEN GEHEIMNISSE DES ROSENKRANZES, zusätzlich zu den traditionellen FREUDENREICHEN, SCHMERZHAFTEN und GLORREICHEN GEHEIMNISSEN DES ROSENKRANZES. Derartiges ging zumindest des Öfteren auch an Kreisen noch praktizierender Katholikinnen und Katholiken vorbei. Erst recht ist die Produktion kirchenrechtlich relevanter Dokumente seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil atemberaubend geworden (siehe Gedanken zur Woche 33 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)). Dies schließt auch wiederholte Änderungen im CIC, dem CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTS ein, einschließlich der generellen Neufassung des dort enthaltenen Buches über das kirchliche Strafrecht (siehe Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) sowie allgemeiner Gedanken zur Woche 63 – 10. SONNTAG IM JAHESKREIS (2021)).
Gerade Regelungen, die das Ordensrecht betreffen, die Orden und ordensähnliche Gemeinschaften zum Gegenstand haben, sind davon wiederholt betroffen. Dies betrifft auch die erneute Änderung und letztlich Verschärfung von Canon/Kanon 579 über die Errichtung von Instituten des (gott-)geweihten Lebens, umgangssprachlich gerne einfach Orden oder auch Orden und ordensähnliche Gemeinschaften genannt (siehe Gedanken zur Woche 40-b – 3. ADVENTWOCHE (2020); Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Die rechtlichen Regelungen für Exklaustrationen wurden ebenfalls in der Zwischenzeit geändert. Vorgehen und Inhalt hierbei bestätigen die Feststellung, dass sich gerade kanonische Lebensverbände von Frauen in der katholischen Kirche in einer schweren, um nicht zu sagen sehr schweren Krise befinden (siehe Gedanken zur Woche 156 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2023)). Man sollte hier wohl aufhören, die Augen vor empirisch ja längst wahrnehmbaren und belegbaren Tatsachen zu verschließen.
Dazu gehen die kirchenrechtlichen Änderungen, nicht zuletzt in Hinblick auf kanonische Lebensverbände, auch auf weltkirchlicher Ebene weiter.
Dies betrifft auch den leidigen Bereich der gewissermaßen zwangsweisen Entlassung eines Mitgliedes aus seinem Institut des (gott-)geweihten Lebens. Schon bisher waren diesem Themenbereich im CIC für die Lateinische Kirche eine ganze Reihe von Canones/Kanones gewidmet, konkret die Canones/Kanones 694 bis einschließlich 704. Dies ergibt einen eigenen Artikel innerhalb des größeren Kapitels über „Trennung der Mitglieder vom Institut“. Gleiches gilt für den Bereich „Austritt aus einem Institut“, von dem die Canones/Kanones 686 bis 693 handeln. Eigens geht es bezüglich der Gesellschaften des apostolischen Lebens in Canon/Kanon 745 um die mögliche Exklaustrierung eines endgültig eingegliederten Mitglieds und in Canon/Kanon 746 um die etwaige Entlassung eines endgültig eingegliederten Mitglieds.
Vergleichbares findet sich auch im CCEO, dem Kirchenrechtskodex für die Katholischen Ostkirchen.
So geht es dort in den Canones/Kanones 489 bis 496 um „Exklaustration und Austritt aus dem Kloster“. In Canon/Kanon 497 bis 503 wird die mögliche Entlassung eines Mitgliedes geregelt.
Die Eigenheiten des CCEO in der Einteilung gegenüber dem CIC erweisen sich auch hier. So behandeln die Canones/Kanones 546 bis 550 den Bereich „Exklaustration und Austritt aus einem Orden bzw. einer Kongregation“. In den anschließenden Canones/Kanones 551 bis einschließlich 553 geht es um die etwaige Entlassung eines Mitgliedes aus einem Orden bzw. einer Kongregation. In den Paragraphen 3 und 4 von Canon/Kanon 562 wird unter Hinweis auf relevante Canones/Kanones des CCEO das Ausscheiden eines endgültig aufgenommenen Mitglieds aus einer der Gesellschaften des gemeinsamen Lebens nach Art der Religiosen angesprochen.
In Paragraph 2 von Canon/Kanon 568 des CCEO geht es speziell um die Entlassung eines endgültig aufgenommenen Mitglieds aus einem Säkularinstitut.
In den Canones/Kanones 727 bis 728 des CIC wird dort der Austritt eines endgültig aufgenommenen Mitglieds aus einem Säkularinstitut behandelt. Im folgenden Canon/Kanon 729 geht es unter Hinweis auf weitere relevante Canones/Kanones um den Austritt eines Mitglieds aus einem Säkularinstitut.
Schon dieser kurze Überblick verdeutlicht, dass bereits bei der Abfassung des CIC und des CCEO von zuständiger kirchlicher Seite davon ausgegangen wurde, dass in kanonischen Lebensverbänden Austritt und Entlassung von offiziell endgültig eingegliederten Mitgliedern ein Thema sind, dem intensive Aufmerksamkeit zu schenken ist.
In diese Richtung geht augenscheinlich auch Papst Franziskus.
So verlängerte er kürzlich eigens die Einspruchsfrist für aus ihrer Gemeinschaft entlassene Mitglieder von Orden und ordensähnlichen Gemeinschaften. Wurde damit im CIC Canon/Kanon 700 einer betreffenden Änderung unterzogen, so betraf dies im CCEO Canon/Kanon 501 § 2 ( https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2023/04/03/0249/00538.html ).
Offensichtlich sah hier wie in anderen Bereichen Papst Franziskus Handlungsbedarf. Auch dies bestätigt, dass Schwierigkeiten im kirchlichen Leben bis in die kanonischen Lebensverbände hinein nicht verleugnet werden sollten. Umso weniger ist man illoyal gegen den Papst, wenn man solche Schwierigkeiten anspricht.
1. Lesung: Apg 2,42-47
2. Lesung: 1 Petr 1,3-9
Evangelium: Joh 20,19-31
Gedanken zur Woche 160-b, Dr. Matthias Martin
2. OSTERWOCHE (2023)
Während der ZWEITEN OSTERWOCHE im Jahre 2023 wird an einem einzigen Tag schon etwas von der Vielfalt im katholischen Ordensleben sichtbar. Dies gilt sowohl für den seit dem Pontifikat Papst Pauls VI. (1963-1978) im Rahmen der sog. Liturgiereform eingeführten liturgischen Kalender, wie den noch unter seinem Vorgänger Johannes XXIII. (1958-1963) allgemein verwendeten liturgischen Kalender für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus.
Es ist dies der 21. April, an dem sowohl des heiligen Konrad von Parzham wie des heiligen Anselm von Canterbury gedacht wird. Dabei ist natürlich zuerst einmal zu betonen, dass der heilige Konrad von Parzham (1818-1894) nicht mit dem heiligen deutschen Reichsbischof Konrad (um 900 bis 975) zu verwechseln ist, der eng mit dem ottonisch-sächsischen Kaiserhaus sowie dessen engagierten Gefolgsmann, dem heiligen Ulrich von Augsburg, verbunden war. Des heiligen Reichsbischofs Konrad wird nicht nur in der römisch-katholischen Kirche gerade am 26. November gedacht.
Konrad von Parzham wurde ein regelrecht hingebungsvoller Laienbruder im Kapuzinerorden (siehe Gedanken zur Woche 108-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2022)). Er versah seinen treuen Dienst eben insbesondere als Pförtner im Kloster des bayerischen Wallfahrtsortes Altötting. Dabei ist seine Gemeinschaft der Kapuziner einer der Bettelorden. Diese werden von der lateinischen Sprache auch Mendikantenorden genannt. Die Kapuziner entstanden während des 16. Jahrhunderts im Rahmen von Erneuerungsbestrebungen innerhalb der größeren franziskanischen Ordenstradition. Rasch gewannen die Kapuziner sehr große Bedeutung im Rahmen der Katholischen Erneuerung, welche manchmal auch die Gegenreformation genannt wird.
Zusammen mit der franziskanischen Ordensgründung ist die Gründung des heiligen Dominikus und die von dort herrührende dominikanische Ordenstradition mit der jeweiligen Vielzahl an im Laufe der Jahrhunderte entstandenen kanonischen Lebensverbänden einschließlich eines je eigenen Drittordenswesens ein Klassiker für den Gesamtbereich des Bettelordenswesens (siehe zu Dritten Orden Gedanken zur Woche 154 – 2. FASTENSONNTAG (2023)). Als wichtiger Bestandteil des Gesamtbereichs von Bettelorden ist dann die Richtung der ihrerseits ausdifferenzierten karmelitischen Ordenstradition und die Richtung der Augustiner-Eremiten zu nennen. Diese werden in den letzten Jahrzenten meist einfach Augustiner genannt. Tatsächlich sind diese ja ebenfalls ein Bettelorden, also einer der Mendikantenorden, und keine Organisation bzw. kanonische Lebensvereinigung von Eremiten. Dabei wird das Eremitenwesen sowohl im CIC von 1983 für die Lateinische Kirche wie im CCEO für die Katholischen Ostkirchen mit je eigener Akzentsetzung ausdrücklich berücksichtigt (siehe zum Vergleich Gedanken zur Woche 147-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Der Bettelorden der Augustiner, früher eben Augustiner—Eremiten genannt, ist dabei nicht mit den Augustiner-Chorherren zu verwechseln. Letztere können auch Regularkanoniker des heiligen Augustinus genannt werden. Diese sind den Prälatenorden zuzurechnen. Bei solchen steht örtlich ein Abt oder Propst an der Spitze und erfreut sich die jeweilige Abtei oder vergleichbare klösterliche Gemeinschaft starker Eigenständigkeit. Mitunter wird hier, wohl eher umgangssprachlich, von Abteiprinzip gesprochen.
Bei den Bettelorden ist die Aufgliederung des jeweiligen Ordens in Provinzen besonders wichtig. Es kann uns hierzu ein Begriff wie Provinzprinzip begegnen. Noch neuere Institute des (gott-)geweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens sind dann oft noch zentralistischer organisiert. Grundsätzlich verfügt jeder der kanonischen Lebensverbände über ein mehr oder minder umfangreiches Eigenrecht.
Im CIC von 1983 werden die Bettelorden eigens berücksichtigt. So steht in Canon/Kanon 1265:
„§ 1. Unbeschadet des Rechts der Bettelorden, ist es jedweder privaten natürlichen oder juristischen Person verboten, ohne schriftlich erteilte Erlaubnis des eigenen Ordinarius und des Ortsordinarius Spenden für irgendeine fromme oder kirchliche Einrichtung oder Zweckbestimmung zu sammeln.
§ 2. Die Bischofskonferenz kann für Spendensammlungen Normen erlassen, die von allen beachtet werden müssen, auch von jenen, die von ihrer Einrichtung her Bettelorden genannt werden und sind.“
Die Benediktiner werden ihrerseits den Prälatenorden zugerechnet. Benediktiner war etwa der heilige Anselm von Canterbury und wirkte vor seiner Berufung zum Erzbischof von Canterbury als Abt. Er machte sich sowohl als philosophisch-theologischer Denker wie als Verteidiger der Kirche gegen sich entwickelndes englisches Königtum einen Namen. Nicht zuletzt seine Tätigkeit im Bereich philosophischer Gottesbeweise findet heute noch Interesse und regt zum Denken und zu Gesprächen an (siehe Gedanken zur Woche 6-b – 2. OSTERWOCHE (2020); Gedanken zur Woche 11-b – 7. OSTERWOCHE (2020); Gedanken zur Woche 46-b – 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 108-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2022)). Auch sein Widerstand gegen englisches Königtum mag eigens heutzutage in dieser Zeit ein interessanter Anstoß für eigenes Nachdenken und Handeln sein.
Zum Nachdenken und Handeln kann natürlich auch der Kontakt etwa mit Mönchen aus anderen religiösen Überlieferungen anregen.
So wurde jüngst sogar auf der Titelseite der deutschen Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO (Nummer 13 2023 (53. Jahrgang – 31. März 2023) Seite 1) eigens auf eine Audienz von Papst Franziskus für eine Delegation buddhistischer Mönche aus der Republik Taiwan hingewiesen. Mit dieser unterhält der Heilige/Apostolische Stuhl ja weiterhin volle diplomatische Beziehungen. Ja, das Verhältnis wird mitunter sogar als „herzlich“ eingestuft. In diese Richtung weist der Abdruck der Ansprache des Papstes an seine Gäste aus der Republik Taiwan (siehe ebd., Seite 9). Papst Franziskus sprach bei dieser Gelegenheit vom „Geist der Freundschaft und der Zusammenarbeit“ und von „der interreligiösen Gastfreundschaft“. Er unterstrich die Bedeutung sakraler Kunst wie „einer ganzheitlichen Bildung der menschlichen Person“. Weiters heißt es:
„Hier ist es wichtig, nochmals zu unterstreichen: ›Die Religionen hatten schon immer eine enge Verbindung mit der Bildung und begleiteten religiöse Aktivitäten mit erzieherischen, schulischen und akademischen Initiativen. Wie in der Vergangenheit, so wollen wir auch heute mit der Weisheit und Menschlichkeit unserer religiösen Traditionen ein Impuls für ein erneuertes erzieherisches Handeln sein, das die universelle Geschwisterlichkeit in der Welt wachsen lassen möge‹ (Begegnung zum globalen Bildungspakt, 5. Oktober 2021)“.
Auf seine Weise unterstrich der Papst in Abgrenzung gegen jede Form von Fideismus die unverzichtbare Bedeutung von Bildung und Kultur und generell die Wichtigkeit des Vollbringens guter Werke. Mit dieser Audienz und der ausdrücklichen Berücksichtigung im offiziellen Organ des Vatikans wurde auch in Hinblick auf offizielle internationale Beziehungen ein bemerkenswerter Akzent im Sinne der Republik Taiwan gesetzt. Der Papst ist ja schließlich nicht nur ein religiöses Oberhaupt, sondern eben auch ein Staatsoberhaupt und bezüglich des Heiligen/Apostolischen Stuhls auch die Verkörperung eines Völkerrechtssubjektes eigener Art.
In dieselbe Richtung einer eigenständigen Pflege der Beziehungen mit Staaten dieser Welt gegenüber Einmischungs- und Unterdrückungsversuchen geht auch die Pflege der Beziehungen zur Republik Tschad einschließlich der Aufrechterhaltung des Konkordats mit diesem Staat (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Gedanken zur Woche 159, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von OSTERN (2023)
Vorbereitet durch die auch KARWOCHE genannte HEILIGE WOCHE mit so herausragenden Tagen wie dem GRÜNDONNERSTAG, auch genannt HOHER DONNERSTAG, und dem KARFREITAG kommt man beim Gang durch das Kirchenjahr zum höchsten aller Feste, zum gewissermaßen ersten selbst unter den Hochfesten. Man erreicht das Osterfest. Es ist das HOCHFEST von OSTERN angesagt.
Seine Bedeutung wird dadurch unterstrichen, dass es eigens „Hochfest der Auferstehung des Herrn“ genannt wird.
Zur Bedeutung des zu Ostern gefeierten Ereignisses der im Neuen/Zweiten Testament verkündeten Auferstehung Jesu von Nazarets, auch genannt Jesus Christus oder kürzer Christus, heißt es im Ersten Korintherbrief laut neuer oder neuerer deutscher Einheitsübersetzung eindringlich:
„(15,14) Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube. (15) Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden. (16) Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. (17) Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; (18) und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. (19) Wenn wir allein für dieses Leben unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.
(20) Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“
In dieselbe Richtung wird die Leserin, der Leser gerade auch im Ersten Thessalonicherbrief gewiesen:
„(4,13) Brüder und Schwestern, wir wollen euch über die Entschlafenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. (14) Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott die Entschlafenen durch Jesus in die Gemeinschaft mit ihm führen.“
Beide Stellen verdienen umso mehr Beachtung, da sowohl der Erste Korintherbrief wie der Erste Thessalonicherbrief in der kritisch-historischen Exegese gemeinhin einer besonders alten Schicht, wenn, gar gerne der ältesten Schicht des Neuen/Zweiten Testaments zugeordnet werden. Gerade bei dem, was in der Geschichte des Christentums mehr oder minder häufig als Paulusbriefe bezeichnet wurde bzw. wird, werden ja andere Schriften sehr gerne einer deutlich späteren Zeit zugeordnet. Solche Schriften aus dem Bereich neutestamentlicher Briefe, um sie einmal so ganz kurz zu nennen, werden mitunter Deuteropaulinen oder gar Pseudopaulinen genannt. Gerne werden dem noch als Untergruppe bis eigene Gruppe die sog. Pastoralbriefe zugeordnet (siehe Gedanken zur Woche 151-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Erster Korintherbrief und Erster Thessalonicherbrief sind da doch recht unumstritten. Natürlich sollte nicht die Position vergessen werden, der zufolge aber der Jakobusbrief die überhaupt älteste Einzelschrift des Neuen/Zweiten Testaments ist. Sonst wird diese gewissermaßen Ehrenstellung gerne eben jeweils einem der oben zitierten Briefen zugewiesen, entweder dem Ersten Korintherbrief oder dem Ersten Thessalonicherbrief. Es gibt auch die Meinung, wonach nicht der Erste Korintherbrief in seiner Gesamtheit die älteste Schrift des Neuen/Zweiten Testamentes sei, wohl aber der in ihm enthaltene mehr oder minder als Einsetzungsbericht bezeichnete Teil (1 Kor 11,23-25) das älteste schriftlich fixierte Einzelstück sei, das nun im Neuen/Zweiten Testament enthalten sei. In diesem Fall ist jedenfalls eine bemerkenswerte inhaltliche Übereinstimmung mit den drei synoptischen Evangelien, wenn auch so nicht mit dem Johannesevangelium festzustellen (Mt 26,26-28; Mk 14,22-24 und Lk 22,19-20). Bei etwaigen Meinungsverschiedenheiten über vielleicht angenommene literarische Abhängigkeiten und Entstehungszeiten sollte natürlich auch hier nicht Feindseligkeit geschürt, sondern Nächstenliebe gepflegt werden. Diese ist ja laut dem Hohen Lied der Liebe eben im Ersten Korintherbrief zufolge eh die höchste der christlichen Grundtugenden (1 Kor 13,1-13 und hierzu insbesondere 13,13) (siehe Gedanken zur Woche 104 – 3. FASTENSONNTAG (2022)).
Dabei verdient der alttestamentliche Hintergrund nicht nur bei der Frage nach einem bzw. dem christlichen Verständnis vom Messias, dem Christus, im Allgemeinen Beachtung, sondern auch bei der Betrachtung der erwähnten Stellen zur Einsetzung der Eucharistie, des Abendmahles.
So wird auch ein ganz starker alttestamentlicher Akzent in der bei uns üblichen Leseordnung für die Feier der Osternacht am Hochfest der Auferstehung des Herrn gesetzt. Drei der vorgeschlagenen Lesungen sind aus den Büchern Genesis und Exodus und damit aus den Fünf Büchern Mose, der Thora/Tora/Torah. Zwei weitere vorgeschlagene Lesungen sind jeweils aus dem besonders umfangreichen Prophetenbuch Jesaja. Je eine sind aus Baruch und Ezechiel und damit aus weiteren Prophetenbüchern des Alten/Ersten Testamentes. Erst dann kommt in diesem Lesejahr dieser Leseordnung zufolge eine neutestamentliche Lesung aus dem Römerbrief und dann ein Stück aus dem Matthäusevangelium. Eine starke Orientierung am Alten/Ersten Testament ist auch bei Antwortpsalmen festzustellen.
Im Direktorium 2022/2023 der Diözese St. Pölten ist nachzulesen:
„Aus pastoralen Gründen kann die Zahl der alttestamentlichen Lesungen vermindert werden, wenigstens drei aus den Büchern des Gesetzes und der Propheten sind auszuwählen. Die Lesung vom Durchzug durch das Rote Meer (L 3) darf nie ausfallen.“
Kein Wegfallen von Lesungen ist in der Tridentinischen Liturgie, der Messe Johannes XXIII. (siehe Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 138-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)) vorgesehen. Dort ist dem, was gerne liturgische Kreativität genannt wird, sehr enge Grenzen gesetzt. Blickt man in den Volksschott von 1961 eben für die Feier der Heiligen Messe in dieser Form von Liturgie, so wird auch dort der alttestamentliche Akzent sehr rasch deutlich. So finden sich zunächst auch hier alttestamentliche Lesungen, beginnend mit einer besonders langen aus dem Buche Genesis. Auch das jeweilige Canticum ist aus einer Schrift des Alten/Ersten Testaments genommen. Erst später kommt man zur neutestamentlichen Lesung und dann zum Text aus dem Matthäusevangelium.
So mag dieses Hochfest auch als Einladung aufgegriffen werden, sich mit der Bibel zu beschäftigen, aufmerksam in ihren Schriften aus dem Alten/Ersten und Neuem/Zweiten Testament zu lesen. Eine solche Einladung gilt natürlich während des ganzen Jahres und nicht etwa nur zur Osterzeit.
Dies schließt die Pflege des mit Ostern verbundenen umfangreichen Brauchtums und des menschlichen Miteinanders an diesem Hochfest wie zu anderen Zeiten im Jahr keineswegs aus. Es ist schließlich wertvoll, sich der Herkunft und geistig-religiösen Grundlagen bewusst zu sein, von denen her sich solch vielfältiges Brauchtum und auch Formen menschlichen Miteinanders entwickelt haben.
Osternacht: Ostersonntag:
1. Lesung: Gen 1,1-2,2 1. Lesung: Apg 10,34a.37-43
2. Lesung: Gen 22,1-18 2. Lesung: Kol 3,1-4/1 Kor 5,6b-8
3. Lesung: Ex 14,15-15,1 Ev: Joh 20,1-9/Joh 20,1-18/Mt 28,1-10
4. Lesung: Jes 54,5-14
5. Lesung: Jes 55,1-11
6. Lesung: Bar 3,9-15.32-4,4
7. Lesung: Ez 36,16-17a.18-28
8. Lesung: Röm 6,3-11
Evangelium: Mt 28,1-10
Gedanken zur Woche 159-b, Dr. Matthias Martin
OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2023)
Dass es sich beim OSTERMONATG um einen eigenen Feiertag handelt, unterstreicht den Rang des HOCHFESTES von OSTERN als dem höchsten christlichen Fest. Die ganze auf den Ostersonntag folgende Woche nimmt eine hervorgehobene Stellung im kirchlichen Jahreskreis ein. Es ist dies die OSTEROKTAV. Heiligengedenktage, die in einem Kalenderjahr auf einen der betreffenden Tage fallen, werden liturgisch verdrängt. Sie werden dann am betreffenden Tag in dem jeweiligen Jahr nicht eigens gefeiert. Dies gilt auch dann, wenn es sich etwa um einen besonders mit dem deutschen Sprach- und Kulturraum verbundenen und für die Geschichte von Kirche und Gesellschaft außerordentlich wichtigen Heiligen wie den heiligen Papst Leo IX. handelt (siehe Gedanken zu Woche 108-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2022). Dies gilt ebenso im Falle des heiligen Martin I. (siehe Gedanken zur Woche 139-b – 34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), der auch in anderen christlichen Kirchen, namentlich der Orthodoxen und der Armenisch-Apostolischen Kirche als Heiliger verehrt wird. Tatsächlich verdeutlicht sein Leiden und Sterben, wie sehr Hirten der Kirche bei treuer Erfüllung ihrer Aufgaben auch von einer sich christlich gebenden Staatsmacht bedroht werden können, wie dies beim heiligen Martin I. das auch sonst so brutale und vor Völkermord nicht zurückschreckende Oströmische Reich war. Starb der heilige Martin I. als Opfer der brutalen oströmisch-byzantinischen Politik, so konnte später der heilige Papst Leo IX., genannt auch „der deutsche Papst aus dem Elsass“ (siehe Gedanken zur Woche 6 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2022)) die Abspaltung weitester Teile der Ostkirche im Macht- und weiteren Einflussbereich eben dieses Oströmischen Reiches letztlich nicht verhindern. Genauso scheiterte er rein menschlich betrachtet bei seinen nicht zuletzt militärischen Bemühungen, den Kirchenstaat gegen die im heutigen Süditalien ausgreifenden Normannen zu sichern. Das Erbe beider heiliger Päpste konnten aber auch solche politischen und militärischen Mächte nicht wirklich zerstören. Ja, angeregt vom Osterfest als Hochfest der Auferstehung Jesu Christi könnte man sagen, dass das, wofür beide mutig stritten, immer wieder so etwas wie eine Wiederbelebung erfuhr. Das Oströmische Reich, auch genannt das Byzantinische Reich oder kurz Byzanz, und der Normannenstaat im heutigen Süditalien einschließlich Sizilien sind demgegenüber längst vergangen. Dabei haben auch diese Staatswesen zumindest manchmal einen Ausgleich und Zusammenarbeit mit den Nachfolgern des heiligen Martins I. und des heiligen Leos IX. gesucht. Die letzte Erbin des Normannenreiches im Süden der Apenninenhalbinsel und auf Sizilien, Konstanze, heiratete schließlich einen Sohn des legendären Friedrich I. Barbarossa, den späteren Kaiser Heinrich VI.
allergrößten Teil der Christenheit setzte sich die theologische Position zum Verständnis der beiden Naturen Christi, für die sich Martin I. todesmutig gegen die oströmisch-byzantinische Einmischung eingesetzt hatte, dann durch. Seit den Tagen der sog. Reformation und der mit ihr verbundene immer weitergehende Aufspaltung im Christentum ging natürlich auch hier letztlich Einheit verloren. Schon während des 16. Jahrhunderts traten im Rahmen reformatorischer Bewegungen sogar bereits Vertreter antitrinitarischer Positionen auf. Im 20. Jahrhundert gewannen dann solche Bestrebungen samt der ausdrücklichen Ablehnung der durch Martin I. verteidigten Lehre von den beiden unversehrt und unvermindert in Christus vereinten Naturen an Bedeutung. Meist werden betreffende neuere Tendenzen und die sie vertretenden religiösen Gemeinschaften gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum eben dem so vielfältigen und zerstrittenen Bereich des „Protestantismus“ zugezählt. Im Bereich der römisch-katholischen und der orthodoxen Kirche sowie zahlreicher weiterer konfessioneller Gemeinschaften blieb aber die christologische Position Martins I. weiterhin voll anerkannt. Das gilt dann auch für konfessionelle Gemeinschaften, die ihrerseits als „protestantisch“ bezeichnet werden. Natürlich kann das Wirken des heiligen Martins I. eigens anregen, sich mit der Lehre der Christologie zu beschäftigen, sein Schicksal des heiligen Martins I. mag auch die Vorsicht gegenüber politischen Systemen schärfen, nicht zuletzt dann, wenn diese sich bei ihrem Vorgehen einen christlichen Anschein zu geben versuchen. Martin I. starb schließlich als Opfer des oströmisch-byzantinischen Kaiserreichs und wie so viele andere nicht als Opfer einer ganz offen unchristlichen oder antichristlichen Macht. Der Missbrauch bis die ausgesprochene Pervertierung des Christentums, von christlichen Inhalten, begegnet uns auch später immer wieder in Geschichte und Gegenwart. Der heilige Martin I. verdeutlichte, dass es da gilt, auf der Hut zu sein, auch wenn in diesem Kirchen- und Kalenderjahr sein Gedenktag nicht ausdrücklich begangen wird. Er fällt ja gerade nach der bei uns üblichen liturgischen Einteilung in diesem Jahr in die Osteroktav.
Genauso mag das Vermächtnis des heiligen Papstes Leos IX. anregen, sich zum einen etwa mit Geschichte und Kirchenrecht zu beschäftigen und zum anderen sich für wahre und unverfälschte kirchliche Erneuerung einzusetzen. Dabei verdeutlicht das Leben Leos IX., dass staatliche Politik nicht von vornherein Schlechtes ist. Sein Wirken und seine Erfolge wären ohne Kaiser Heinrich III. aus dem deutschen Kaisergeschlecht der Salier nicht denkbar gewesen. War dieser in seiner Zeit der große Vorkämpfer für eine echte Kirchenreform gewesen, so verbindet sich mit seinem Vater und Vorgänger, Kaiser Konrad II. nicht zuletzt der Bau des berühmten Domes von Speyer und der Kampf gegen die Willkür von Hochadeligen. In diesem Sinne wirkte dann auch der Sohn und Nachfolger Heinrichs III., Kaiser Heinrich IV. In der elsässischen Heimat von Papst Leo IX. wurde später nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern in Europa schon Jahrzehnte vor Martin Luther die Bibel in deutscher Sprache gedruckt (siehe Gedanken zur Woche 79-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 144 – HOCHFEST von WEIHNACHTEN (2022)). Auch Leben und Nachwirkungen Leos IX. verdienen es, immer wieder ins Bewusstsein gerückt zu werden, egal ob sein Gedenktag in einem Jahr eigens begangen wird oder eben nicht.
Generell mögen beide heilige Päpste immer wieder ein guter Anstoß sein, über den tagespolitischen Tellerrand hinauszublicken und den Mut zu einem eigenen aufrechten Gang zu pflegen.
kann man dann auch das Eintreten für die Erhaltung christlicher Feiertage wie nicht zuletzt des OSTERMONATGS zählen. Man muss nicht Anhängerin bzw. Anhänger eines bestimmten Bekenntnisses, einer bestimmten christlichen Konfession sein, um sich etwa für ein solches Anliegen einzusetzen. Bei so einem Anliegen können Menschen guten Willens über konfessionelle, berufliche und geografische Grenzen hinweg zusammenwirken. Ein Feiertag wie der OSTERMONATAG stellt im guten Sinne einen sozialen Besitzstand wie einen Bestandteil kulturellen Erbes dar. Die Verteidigung von Feiertagen und anderen arbeitsfreien Tagen haben längst Gewerkschaften und andere Arbeitnehmervereinigungen und dort, wo es sie gibt, etwa Arbeiterkammern als eine ihrer Aufgaben erkannt (zu den Bezeichnungen Arbeitskammer und Arbeitnehmerkammer siehe Gedanken zur Woche 127 – 22. SONNTAG IM JAHRKREIS (2022)).
Die Bedeutung von Gewerkschaften und anderen Arbeitnehmerverbänden und überhaupt von Berufsorganisationen wurde längst auch von Kirchenvertretern erkannt. Insbesondere seit dem 19. Jahrhundert entwickelte sich da ein bemerkenswertes Engagement. Das mag man sich auch immer wieder bewusst machen. Gerade dort, wo es ihn als gesetzlich anerkannten Feiertag gibt bzw. noch gibt, mag da der OSTERMONTAG ein Anlass sein.
Natürlich gilt es auch hier, nicht die Hände in den Schoß zu legen. Einmal Erreichtes gilt es immer wieder zu verteidigen, so eben auch gesetzlich oder durch Tarifverträge geschützte kirchliche Feiertage. Dort, wo solche ausgehöhlt oder offiziell abgeschafft wurden, sollte im Rahmen des Möglichen der bewusste Einsatz für ihre Wiederherstellung ins Auge gefasst werden.
Da kommt eben dem katholischen Vereinigungswesen gerade in Gestalt von Vereinen und Verbänden eigene Bedeutung zu. Gibt es verständlicherweise in praktischen Fragen, ob etwa Richtungsgewerkschaften oder doch eher sog. Einheitsgewerkschaften zu bevorzugen seien, Meinungsunterschiede auch unter praktizierenden Katholikinnen und Katholiken, so sollte man doch etwa bei der Verteidigung christlicher bzw. kirchlicher Feiertage zusammenstehen. Da gilt es generell das Gemeinsame zwischen Menschen guten Willens zu suchen, und das nicht nur zur Osterzeit.
Gedanken zur Woche 158, Dr. Matthias Martin
PALMSONNTAG (2023)
Der PALMSONNTAG, auch ZWEITER PASSIONSSONNTAG genannt, stellt den Beginn der KARWOCHE dar. Wie für den PALMSONNTAG, so gibt es auch für diese eine weitere Bezeichnung, eine weitere Benennung. Manchmal wird sie nämlich auch HEILIGE WOCHE genannt. Diese Bezeichnung im Deutschen ist gewissermaßen deckungsgleich mit der in anderen Sprachen. So heißt dieser Abschnitt im Kirchenjahr im Amerikanischen HOLY WEEK, im Spanischen SEMANA SANTA; im Französischen SEMAINE SAINTE und im Italienischen SETTIMANA SANTA. Irgendwie ähnlich klingt es mit SETMANA SANTA im Katalanischen und im Galicischen/Galizischen mit SEMANA SANTA. So heißt es offensichtlich auch in dem mit dem Galicischen/Galizischen so eng verwandten Portugiesisch.
Im Deutschen hat sich als besondere Bezeichnung für den Freitag der Karwoche/Heiligen Woche der Begriff KARFREITAG erhalten. Mitunter begegnet einem auch noch das Wort KARSAMSTAG für den darauffolgenden Samstag. Bekannter ist wohl die Bezeichnung GRÜNDONNERSTAG, die nichts mit der Farbe Grün zu tun hat und an deren Stelle auch HOHER DONNERSTAG stehen kann (siehe Gedanken zur Woche 107-b – KARWOCHE (2022)).
Nur noch seltener begegnen uns die Begriffe KARMONTAG, KARDIENSTAG und KARMITTWOCH. Auf jeden Fall macht schon ein kurzer Blick auf sprachliche Gegebenheiten die besondere Bedeutung dieser Woche im Jahreskreis deutlich, mag man sie nun auf Deutsch KARWOCHE oder HEILIGE WOCHE nennen. Zugleich scheint der aufmerksamen Betrachterin, dem aufmerksamen Betrachter schon etwas auf, wie sehr religiöses Leben nicht eine abstrakte Angelegenheit ist. Es geschieht immer in konkreten Zusammenhängen, verwirklicht sich in Raum und Zeit. Da ergeben sich eben auch immer wieder Entwicklungen in einer lebendigen Sprache. Das allmähliche Wegtreten von Worten wie KARMONTAG, KARDIENSTAG und KARMITTWOCH steht dafür. Solche Entwicklungen stellen für religiöse Gemeinschaften eine Herausforderung dar. Die Frage etwa, welche englische Bibelübersetzung verwendet werden soll, hat im Gesamtbereich, von dem was gerne vereinfachend „Protestantismus“ genannt wird, zu eigenen Spannungen bis Spaltungen geführt.
In Hochreligionen antwortete man auf derlei sprachlich-kulturelle Schwierigkeiten oft mit der bewussten Pflege einer verschriftlichen Hochsprache und immer wieder mit der Verwendung einer im Alltagsleben so nicht verwendeten Sprachform bis hin zur Verwendung einer im Alltagsleben ausgestorbenen Sprache, einer sog. toten Sprache. Diese entwickelt sich als solche ja nicht mehr weiter. Änderungen in Schreibweise und Aussprache wie im Wortschatz sollten da nicht zu erwarten sein. Unsicherheiten und Schwankungen können aber auch da zu Problemen, ja zu sehr ernsten Problemen führen.
Als etwa im 17. Jahrhundert in der Russisch-Orthodoxen Kirche im Rahmen einer größeren Reform der Versuch unternommen wurde, u. a. eingeschlichene Schreib- und Übertragungsfehler in den kirchlichen Texten zu beseitigen, kam es zur Spaltung. Diese dauert bis heute fort und die Dissidenten, oft genannt Altgläubige, haben sich ihrerseits untereinander gespalten.
Das Erlöschen, in altägyptischen Hieroglyphen zu schreiben, wird manchmal als das eigentliche Ende des Alten Ägypten angesehen. Immerhin haben Kultur und religiöse Traditionen des Alten Ägypten eine bemerkenswerte Langlebigkeit bewiesen. Wann etwa das letzte mehr oder minder altägyptische Heiligtum in diesem Sinne zu funktionieren aufhörte, ist unklar. Da dürfte nach der Zwangsumwandlung der berühmten Tempelinsel von Philae noch etwas weitergegangen sein (siehe Gedanken zur Woche 96-b – 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Wie lange, ist unklar. Hat sich vielleicht sogar noch ein altägyptisches Heiligtum bis zur Eroberung Ägyptens durch die Streitkräfte des Islams gehalten? Was ist mit der Möglichkeit, dass nicht einfach in abgelegenen Gegenden, sondern in Großstädten sich zumindest eine Art versteckte, mehr oder minder altägyptische Religionsausübung erhalten hat? Man kennt ein beachtliches Beharrungsvermögen römischen Heidentums etwa in senatorischen Familien, und noch lange war auch die Stadt Rom für das Christentum kein einfaches Areal, und das ziemlich offenkundig (siehe Gedanken zur Woche 66-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2021); Gedanken zur Woche 74-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 75-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 79 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Da gilt es von Geschichtsklischees Abschied zu nehmen, die manche und mancher offensichtlich liebgewonnen hat.
Die als Abspaltung aus der offiziellen Russisch-Orthodoxen Kirche hervorgegangen Altgläubigen haben sich trotz langandauernder Verfolgungen durch den russischen Staat und die internen Spaltungen bis heute gehalten. Auch bedrängte bis offen verfolgte Formen von Religion können also ein beachtliches Durchhaltevermögen besitzen.
Demgegenüber geht es in der Politik oft sehr unbeständig zu. Darauf weisen uns die Überlieferungen von der Passion Jesu von Nazarets im Neuen/Zweiten Testament hin. Der römische Statthalter Pontius Pilatus richtete offensichtlich rücksichtslos sein Fähnchen nach dem Wind. Es sollte als Fingerzeig wahrgenommen werden, dass die mit ihm als prorömische Kollaborateure zusammenarbeitenden Sadduzäer schon mit dem Ersten Jüdischen Krieg untergingen. Beim selber so rücksichtslosen Pontius Pilatus setzte sich seine Karriere zumindest nicht so fort, wie er sich das vorgestellte hatte. Das Römische Reich, dessen brutaler Vertreter er war, ist auch schon längst vergangen.
Schon relativ kurz nach der Vernichtung des noch älteren Assyrischen Reiches samt dessen Staatsvolks konnte die nachfolgende Bevölkerung Fremden nicht mehr sagen, wer denn die einstigen Zentren des Assyrischen Reiches überhaupt erbaut habe. Damit erging es dem einst so gefürchteten Assyrischen Reich, das uns ja auch wiederholt in der Bibel begegnet, ähnlich wie anderen Reich im Nahen Osten. Blieben für Leserinnen und Leser biblischer Schriften, wenn auch kritische Hinweise erhalten, dass es so etwas wie ein Assyrisches Reich überhaupt gegeben habe, so dauerte es bei anderen Reichen oder Zivilisationen des Nahen Ostens bis zu Entdeckungen in etwa ab Ende des 19. Jahrhunderts, dass diese nach und nach dem Vergessen wieder entrissen wurden. Dabei hatten diese Reiche eigene Sprachen, Kulturen und etwa im rechtlich-gesetzgeberischen Bereich beachtliche eigene Texte besessen. Einst so mächtige Reiche wie die der Hethiter, der Meder, der Phrygier, der Assyrer, der Babylonier, die Reiche von Mitanni und Elam etwa versanken schon vor vielen Jahrhunderten im Staub der Geschichte. Erst nach und nach wurden sie durch Forschungen in neuerer bis neuester Zeit wieder dem Vergessen entrissen. Dabei waren diese alle einmal bedeutende bis Angst und Schrecken verbreitende Reiche gewesen. Auch Reiche samt Imperien mit all ihrer einstweiligen militärischen Macht und mitunter gewaltigen Eroberungen besitzen nicht so etwas wie einen Ewigkeitswert.
In neuerer bis neuester Zeit sind die einstigen großen Kolonialreiche Portugals, Spaniens, Frankreichs und Großbritanniens auf Restbestände zusammengeschrumpft. Und auch diese stehen längst unter Druck. Man denke nur an die starken Unabhängigkeitsbewegungen des Baskenlandes, Kataloniens, Korsikas und Schottlands. Dazu kommen die irische Wiedervereinigungsbewegung wie vielfältige Forderungen, diese schon massiv geschrumpften Mächte sollten auf verbliebene Überseebesitzungen ganz verzichten.
Dass nun unter Papst Franziskus der Heilige Stuhl sich ausdrücklich von der „Doktrin der Entdeckung“ distanzierte, liegt irgendwie im Trend. Mit dieser sog. Doktrin hatten europäische Kolonialmächte, angefangen mit Portugal und Spanien, die Unterwerfung, Entrechtung und Ausplünderung indigener Völker gerechtfertigt. Diese „Doktrin der Entdeckung“ spielte dann auch noch eine unsägliche Rolle in der Geschichte der heutigen USA und des jetzigen Kanadas. Da gibt es wahrlich noch sehr viel aufzuarbeiten.
1. Lesung: Jes 50,4-7
2. Lesung: Phil 2,6-11
Evangelium: Mt 26,14-27,66 (oder 27,11-54)
Gedanken zur Woche 158-b, Dr. Matthias Martin
HEILIGE WOCHE/KARWOCHE (2023)
Diese besondere Woche von PALMSONNTAG bis OSTERN, mag man sie nun HEILIGE WOCHE oder KARWOCHE nennen, stellt eine besondere Einladung wie auch eine Herausforderung dar.
Zum einen stellt sie natürlich eine Einladung an die Gläubigen, ja überhaupt an Menschen guten Willens dar, sich am kirchlichen Leben zu beteiligen. Egal ob es beispielsweise um die Teilnahme am gemeinschaftlichen Beten des Rosenkranzes, Besuch der Heiligen Messe, Empfang des Bußsakramentes oder etwas anderes geht, die Menschen sind eingeladen, die gebotenen Möglichkeiten zu nutzen. Das bedeutet natürlich auf der anderen Seite die Herausforderung, dass man sich für solche Vollzüge kirchlich-religiösen Lebens auch Zeit nimmt. Man kann diese Woche unmittelbar vor dem Hochfest von Ostern ebenso als Einladung sehen, etwa bewusst das persönliche Gebet zu pflegen, in der Heiligen Schrift, der Bibel zu lesen oder auch bewusst Werke der praktischen Nächstenliebe zu vollbringen.
Die Tage vor Ostern als höchstes christliches Fest sind da eine Zeit besonders intensiver Einladung durch die Kirche und überhaupt durch die christliche Überlieferung. Natürlich sind die Menschen während des ganzen Jahres eingeladen, Gottesdienste mitzufeiern, im Rahmen des Möglichen Sakramente zu empfangen, in der Bibel zu lesen, zu beten und Werke der angewandten Nächstenliebe, ja überhaupt ganz generell gute Werke zu tun. In der HEILIGEN WOCHE, der KARWOCHE vor OSTERN, mag dies aber besonders bewusst sein und bei allem Wegbrechen von Volkskirche Menschen guten Willens nahekommen.
Dementsprechend stellt diese so wichtige Zeit im Kirchenjahr eine besondere Herausforderung für die Diakone und Priester wie die anderen insbesondere in Pfarrgemeinden und weiteren pastoralen Einrichtungen tätigen Menschen dar. Es sollte diese Zeit nicht ungenutzt verstreichen. Sollten kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter natürlich während des ganzen Jahres sich der Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen, Hoffnungen und Ängsten annehmen, so gilt dies erst recht für eine so herausragende Zeit wie die HEILIGE WOCHE, die KARWOCHE vor OSTERN. Die so reichhaltige kirchliche Gesamtüberlieferung bietet da eine Fülle an Anregungen und Orientierungshilfen.
Da sind etwa die verschiedenen eher sozio-kulturellen bis folkloristischen Vorgänge. Da gibt es natürlich je nach Ort, Gegend, ja größerem Kulturraum eigene Akzente bis deutliche Unterschiede. Palmprozessionen und ähnliches erfreuen sich etwa immer wieder eines auffallenden Interesses. Das Nachspielen des Leidensweges Jesu Christi bis hin zur Kreuzigung wird in verschiedenen Weltgegenden mit großem persönlichen Einsatz begangen. Das in unserer Gegend so bekannte Ratschen ist dann eine eher regionale oder lokale Angelegenheit. Auch besondere musikalische und theatermäßige Aufführungen kann es örtlich geben. Es bleibt zu hoffen, dass solches auch von Seiten jeweiliger Medien wohlwollend begleitet wird. Dass dies natürlich beileibe nicht überall auch nur annährend gegeben ist, ist klar. In vielen Teilen der Welt erleidet das Christentum Bedrängnis bis offene Verfolgung. Wird gerade in der traditionellen katholischen Theologie die Kirche als der mystische Leib Christi bezeichnet, so könnte man sagen, dass sich der Leidensweg Christi fortsetzt.
Da mag in den Sinn kommen, was an Verfolgungsankündigungen, verbunden mit der Aufforderung zur Zuversicht in den Abschiedsreden des Johannesevangeliums zu lesen ist (siehe Gedanken zur Woche 138 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2022)).
Vielleicht noch drastischere Formulierungen finden wir in den synoptischen Evangelien. Mit zum Teil Übereinstimmungen gerade im Lukasevangelium in Richtung einer Traditio Duplex/Duplex Traditio kann man etwa anhand der neuen Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung im Matthäusevangelium finden:
„(10,34) Denkt nicht, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen! Ich bin nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das Schwert. (35) Denn ich bin gekommen, um den Sohn mit seinem Vater zu entzweien und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. (36) und die Hausgenossen eines Menschen werden seine Feinde sein.“
Offensichtlich liegt hier eine starke Anlehnung an das alttestamentliche Prophetenbuch Micha vor. Dieses gehört zum Zwölfprophetenbuch, dessen gewissermaßen Angehörige manchmal auch die „Kleinen Propheten“ genannt werden. Damit ist wohlgemerkt der eher kleine Umfang der betreffenden Schriften gemeint. Diese Formulierung von den „Kleinen Propheten“ soll nicht im Sinne einer geringen Bedeutung, also einer Kleinheit an Bedeutung missverstanden werden. So ist in diesem Zwölfprophetenbuch u. a. das Buch Jona enthalten. Und Jona gehört doch sicher zu den bekannteren Gestalten der Bibel samt dem großen Fisch (siehe eigens Jona 2,1 und 2,11). Historisch und archäologisch interessant und zu betreffenden Diskussionen anregend ist die herausragende Stellung, welche in machtpolitischer Hinsicht in diesem so knappen Buch das Assyrische Reich mit seiner dortigen Metroploe Ninive einnimmt. Das sollte in Hinblick auf heutige Machtverhältnisse und der Versuchung zu denken geben, es sich etwa kirchlicherseits mit den Mächtigen fein richten zu wollen. Das einst so furchteinflößende Assyrische Großreich wurde ja alsbald samt seinen städtischen Metropolen vernichtet. So heißt es zum Abschluss des ja ebenfalls alttestamentlichen Buches Tobit in Hinblick auf diesen historischen Untergang direkt schadenfroh:
„(14,14) Tobias starb gerühmt mit einhundertsiebzehn Jahren. (15) Bevor er starb, vernahm er noch den Untergang Ninives. Er sah, wie die Bewohner der Stadt, die Mediens König Achikar gefangen genommen hatte, nach Medien in die Verbannung geführt wurden. Da pries Tobias Gott für alles, was er an den Niniviten und den Assyrern getan hatte. Er freute sich über Ninive, bevor er starb, und pries den Herrn, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.“
Gerade solch eine Stelle kann zu einer Beschäftigung mit der Geschichte einschließlich alten Sprachen und archäologischen Hinterlassenschaften anregen. Es mag auch zu eigener richtig verstandener Demut anregen. Das einst wohl vielen als unbesiegbar erscheinende Assyrische Großreich wurde durch seine siegreichen Gegner samt seinem Staatsvolke eben buchstäblich ausradiert. Ungeschminktes kann man etwa in „dtv-Atlas zur Weltgeschichte I“ von Werner Hilgemann und Hermann Kinder (München 16 1980, Seite 31) lesen:
„ … Eroberung und Zerstörung aller assyr Städte (Assur 614, Ninive 612, Charran 608). Die Bewohner werden ausgerottet, das Land wird verwüstet.“
Das an dieser planmäßigen Vernichtungsaktion im großen Stil beteiligte Neubabylonische Reich eroberte später auch mit Jerusalem die Hauptstadt des Königreiches Juda und deportierte einen Teil der Bevölkerung. Der Ausdruck „babylonische Gefangenschaft“ rührt daher. Dieses Neubabylonische Reich wie schon vorher das mit ihm im Kampf gegen das Assyrische Reich verbündete Reich der Meder wurde dann durch die Perser unter der Dynastie der Achaimeniden, ebenso Achämiden geschrieben, vernichtet. Die Meder verschwanden im Dunkel der Geschichte. Eine umstrittene Theorie besagt, dass die heutigen Kurden ihren Nachfahren seien. Was vom einstigen (Neu-)Babylonischen Reich irgendwie erhalten blieb, ist eine Angelegenheit für mit betreffenden ausgestorbenen Sprachen befasste Sprachwissenschaftler, Archäologen, Althistoriker und dergleichen.
Die Juden haben als Nachkommen der lange so genannten Hebräer mit ihrem Eingottglauben überlebt. Sie haben natürlich auch das Persische Reich der Achaimeniden/Achämiden, das kurzlebige Reich Alexanders, oft genannt „der Große“, und so weiter überlebt. Ihre Bibel ist in lebendiger Überlieferung und nicht nur als archäologisch-altphilologischer Gegenstand auf uns gekommen.
Gedanken zur Woche 157, Dr. Matthias Martin
5. FASTENSONNTAG (2023)
Die besondere Bedeutung des Fünften Fastensonntags wird schon daran etwas ersichtlich, dass dieser auch Passionssonntag genannt wird. Im Volksschott von 1961 für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus wird er eigens Erster Passionssonntag genannt. Auch Judica wird er genannt, nach dem ersten Wort in der lateinischen Fassung des Introitus. Auch an diesem Tag im kirchlichen Jahreskreis ist der Introitus wie auch sonst immer wieder aus dem Buch der Psalmen im Alten/Ersten Testament genommen. Dieses Buches der Psalmen besitzt überhaupt eine enorme Bedeutung als Quelle für Texte in der Heiligen Messe nach dem Tridentinischen Ritus, welche ja auch die Messe Gregors des Großen oder nach der jüngsten Gesamtausgabe der liturgischen Bücher für die Gottesdienstfeier im Tridentinischen Ritus auch die Messe Johannes XXIII. genannt wird. Ebenso können uns weitere Namen oder Bezeichnungen für diese Form der Heiligen Messe begegnen (siehe Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022) Gedanken zur Woche 138-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Dies mag eine Anregung sein, sich mit der liturgischen Überlieferung als Teil des kulturellen Erbes nicht nur einer Konfession, sondern der ganzen Menschheit zu beschäftigen. Die Unterzeichner der zum Agatha-Christie-Indult führenden Petition an Papst Paul VI. für die Erhaltung der Tridentinischen Messe stammten bezeichnenderweise aus verschiedenen religiösen bis nichtreligiösen Überlieferungen und wollten miteinander etwas für die Erhaltung eben dieses Kulturgutes tun, welches auch einfach die Alte Messe genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022)). Auch heutzutage kann man bei Anhängerinnen und Anhängern unterschiedlicher Konfessionen auf die Betonung von Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten in ihrer jeweils eigenen Liturgie mit der Tridentinischen Liturgie bzw. deren Elementen stoßen. Auch gibt es mehr als eine konfessionelle Gemeinschaft, welche überhaupt Heilige Messe in dieser liturgischen Form feiert, mitunter sogar noch in der Gestalt aus der Zeit vor den kleineren, auf die Pontifikate Pius XII. (1939-1958) und Johannes XXIII. (1958-1963) zurückgehenden Änderungen.
In diesem Sinne mögen Christinnen und Christen wie andere aufgeschlossene Menschen sich auch mit Interesse dem meist Altes Testament genannten ersten Hauptteil von christlicher Bibel zuwenden. Stellen daraus begegnen am laufenden Band in der Tridentinischen Messe, der Messe Gregors des Großen oder wie immer man dies ausdrücken will. Da denke man nur an den in den meisten Messfeiern zu Beginn im Rahmen des Stufengebetes zu betenden sog. Bußpsalm (Psalm 42,1-5). Auch die Verse aus dem Buch der Psalmen zur Händewaschung, vom Lateinischen her als Lavabo bezeichnet, verdienen hier besondere Beachtung (Psalm 25,6-12).
Die zu erneuernde Wertschätzung für das Alte/Erste Testament sollte möglichst Hand in Hand gehen mit Interesse auch am Neuen/Zweiten Testament. Das ist wie bei den beiden Seiten einer Medaille oder Münze und den beiden Lungenflügeln. Man mag auch daran denken, dass zur Herstellung richtiger Bronze zwei Metalle, Kupfer und Zinn, benötigt werden, wobei dann natürlich noch weitere Beimischungen möglich sind.
Da sind dann die biblischen Texte für den Fünften Fastensonntag, dem Passionssonntag, die in der für die Feier der Heiligen Messe im Nachkonziliaren Ritus verwendeten Leseordnung vorgesehen sind. Da ist als Erste Lesung ein Stück aus dem alttestamentlichen Prophetenbuch Ezechiel vorgesehen. Es folgt als zweite Lesung eine Passage aus dem neutestamentlichen Römerbrief. Als Tagesevangelium ist jene Stelle in der nachkonziliaren Leseordnung vorgesehen, in der es um die Auferweckung des Lazarus durch Jesus von Nazaret geht.
Dabei werden, wenn man etwa dem Direktorium der Diözese St. Pölten für das Jahr 2023 folgt, zwei Möglichkeiten geboten. Da ist diejenige, in welcher vom ersten Vers des Elften Kapitels des Johannesevangeliums bis zu so etwas wie einem Abschluss der Stelle durchgelesen wird. Und dann gibt es eine Kurzform. Diese beginnt erst mit dem dritten Vers dieses Kapitels und ist danach recht zerstückelt. Es werden wiederholt ein Versteil, Verse bis Gruppen von Versen übersprungen. In der nachkonziliaren, heute mehr oder minder verbreiteten Leseordnung begegnet dies wiederholt. Dieses Überspringen von Versteilen, Versen bis ganzen Gruppen von Versen wurde und wird immer wieder kritisiert. In der Seelsorge und Liturgie eingesetzte Menschen etwa beklagen, dass es bei vielen Bibelexemplaren nicht klar sei oder leicht durcheinandergebracht werden könne, welche Worte bzw. Versteile nun genau übersprungen würden. Dies erschwere namentlich die Vorbereitung von Predigten und Ansprachen in Gottesdiensten. Mitunter wird auch ausdrücklich der Vorwurf erhoben, da solle wohl die Bibel zurecht gekürzt, ja manipuliert werden.
Bedauerlich ist im vorliegenden Fall, dass gleich zu Beginn des Tagesevangeliums in der Kurzfassung die Bezeichnung von Betanien als „Dorf der Maria und ihrer Schwester Marta“ entfällt. Dabei war es doch gerade für das Altertum etwas Bemerkenswertes, dass ein Ort nach Frauen bestimmt wurde (siehe Gedanken zur Woche 2 – 5. FASTENSONNTAG (2020) und Gedanken zur Woche 45 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Dies fällt bei der nachkonziliaren Kurzfassung für diesen Teil des Johannesevangeliums bzw. dieses Sonntagsevangeliums unter den Tisch.
In dieselbe, bedauerliche, Richtung weist ein sehr oft nicht beachteter Aspekt der Liturgiereform (ab) Ende der 60er Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts. Mit Ausnahme Mariens, der Mutter Jesu, wurden alle im Römischen Messkanon aufgeführten heiligen Frauen eingeklammert und können bei der Zelebration der Heiligen Messe weggelassen werden. Bei den neueingeführten Hochgebeten II., III. und IV. werden sie überhaupt nicht erwähnt (siehe Gedanken zur Woche 12-b – PFINGSTMONTAG und 9. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020))!
Ein eigenes Problem in der gegenwärtigen Zeit ist der sexuelle Missbrauch, wie er sich nicht nur an minderjährigen Mädchen, sondern auch an erwachsenen Frauen ereignet. Dies geschieht im religiösen wie im staatlichen Bereich. Derartige Verbrechen sind dabei nicht an konfessionelle oder staatliche Grenzen gebunden. Erst in allerjüngster Zeit brachten Untersuchungsergebnisse mehr als Entlarvendes über die Zustände in England und Wales zutage. Es wurde unwidersprochen festgestellt, dass gerade im großstädtischen Bereich wie London längst eine De facto-Straffreiheit für Vergewaltiger verwirklicht worden sei. Offensichtlich haben weder das Königshaus noch die eh im freien Fall befindliche anglikanische Staatskirche von England solch furchtbaren Zuständen irgendetwas entgegengesetzt. Nun ja, auch der offizielle Anglikanismus, das amtliche Anglikanertum hat seine eigenen Missbrauchsskandale. Sexueller Missbrauch in Verbindung mit dem britischen Königshaus ist dann sowieso ein eigenes Kapitel. Auffällig, wie sehr auch Missbrauchstäter in den katholischen Kirchenstrukturen von England und Wales ihr schlimmes Unwesen treiben konnten. Die ständig so regierungsloyale und das Königshaus unterstützende Haltung katholischer Bischöfe nährt den Eindruck, dass hier das Motto verwirklicht wurde „Eine Hand wäscht die andere“. Vorwürfe gegen Vertreter der Staatsmacht wie ihnen freundlich gesinnter Kirchenvertreter gerade in den Gebieten von England und Wales waren offensichtlich immer wieder mehr als begründet. Dabei wurde deutlich, dass nicht nur Minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs wurden. Auch erwachsene Frauen traf es in großer Zahl, von unqualifizierten zotigen Bemerkungen seitens Polizeibeamter bis hin zu Vergewaltigungen durch Polizeiangehörige und deren Mitarbeiter einschließlich Ermordung des erwachsenen Opfers. Sexueller Missbrauch in all seinen Varianten einschließlich der Vergewaltigung und damit verbundener Ermordung erwachsener Frauen ist ein Problem, das endlich mit aller Energie angegangen werden muss.
Die Ernennung eines wiederholten übergriffigen Verhaltens offensichtlich überführten Geistlichen durch den Vorsitzenden der bundesdeutschen Bischofskonferenz zum Bezirksdekan ist da ein umso katastrophaleres Zeichen. Horrende Kirchenaustrittszahlen dürfen da nicht verwundern. Ansonsten lassen sich ja gerade Mitglieder der bundesdeutschen Bischofskonferenz in der Verdammung ihnen missliebiger Menschen, eben solcher, mit denen sie nicht verbandelt sind, kaum überbieten. Da ist statt Milde oft gnadenloser Überrigorismus angesagt.
Die Verbandelung katholischer Kirchenvertreter etwa in England und Wales mit Vertretern britischer Staatsmacht einschließlich dem Königshaus ist ebenso ein ernstes Problemfeld.
1. Lesung: Ez 27,12b-14
2. Lesung: Röm 8,8-11
Evangelium: Joh11,1-45 (oder 11,3-7.20-27.33b-45)
Gedanken zur Woche 157-b, Dr. Matthias Martin
5. FASTENWOCHE (2023)
Die Fünfte Fastenwoche als Zeit zwischen dem Fünften Fastensonntag und Palmsonntag, auch genannt Erster und Zweiter Passionssonntag, mag von Christinnen und Christen besonders genutzt werden im Sinne eines bewussten religiösen Lebens. Natürlich sind wir eingeladen, ja aufgefordert während des ganzen Jahres religiös bewusst und im guten Sinne auch moralisch-ethisch verantwortungsvoll zu leben. Die Fünfte Fastenwoche mag aber in besonderer Weise geeignet sein, hier Akzente zu setzen. Es ist immerhin die Woche, in welcher bereits mit den ersten vier Fastenwochen der Hauptteil der Fastenzeit hinter uns liegt. Der Sonntag Laetare als der Vierte Fastensonntag weist bereits deutlich in diese Richtung (siehe Gedanken zur Woche 156 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2023)). In der Fünften Fastenwoche sind die Christinnen und Christen, welche die Fastenzeit auf Ostern hin nutzen wollen, dann natürlich noch weiter vorangekommen. Nicht zuletzt mögen die Christinnen und Christen sich mit Texten aus der Heiligen Schrift beschäftigen. Die heutige Zeit bietet hier vielfältige Möglichkeiten. Bibelexemplare mit einem jeweils vollständigen Alten/Erstem und Neuem/Zweiten Testament sind zu erschwinglichen Preisen erwerbbar. Inzwischen kann auch im Internet der Inhalt biblischer Bücher in verschiedenen Sprachen angehört werden. Dabei ist natürlich darauf zu achten, welche Bibelausgabe man in die Hand nimmt oder von welchem Produzenten man eine Hörproduktion verwendet. Schließlich divergieren Bibelausgaben allein schon darin, welche Bücher oder Einzelschriften in ihnen überhaupt enthalten sind. Es gibt auch Unterschiede, was man als Teile einer bestimmten biblischen Schrift geboten bekommt. Was für die einen da ganz wesentlich für das eigene Glaubensleben und damit in Beziehung stehende Handlungen im Alltag ist, mag für den anderen eine zweifelhafte Angelegenheit sein. Ja, mancher attackiert so manche Stelle bis ganze Schriften, die andere bis hin zum Hauptteil der Christen als Teil der Bibel im Sinne von Heiliger Schrift anerkennen.
Schon Markion/Marcion in der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. setzte da sehr eigenwillig Akzente mit der Ablehnung von allem, was heutzutage meist Altes Testament genannt wird und der Zurückweisung der meisten Einzelschriften dessen, was heutzutage meist als das Neue Testament gilt (siehe Gedanken zur Woche 96 – 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2022) und Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022)). Dass derartiges nicht unterschätzt werden darf, verdeutlicht allein schon die Einstufung Markions/Marcions als Begründer des Antijudaismus bzw. religiösen Antisemitismus im Christentum mit all seiner unüberschaubaren Zahl von Sekten, Gruppierungen oder Denominationen in Geschichte und Gegenwart. Missliebige Schriften gerade des Alten/Ersten Testaments bei eigenen sog. Bibelausgaben auszuschließen begegnet auch später. Da gilt es umso mehr auf der Hut zu sein. Eigentlich sollte das Lesen bzw. Anhören biblischer Texte zu einem Leben im Sinne von Glauben, Hoffnung und Liebe anregen und die Menschen zu gutem Tun anspornen. Es ist sehr gefährlich und diese Gefahr zeigt sich in der Geschichte von so etwas wie Christentum immer wieder, wenn man so etwas wie Bibel nach eigenen Vorlieben und etwaigen theologischen Wunschvorstellungen zusammenstellt. Die Entstehung der King James Bible/Bibel und ihre „bemerkenswerte“ Geschichte wie die Bibelausgabe von Sklavenhaltern in den USA sind da nur besonders krasse Beispiele samt der Vorgeschichte mit dem englischen Gewaltherrscher Heinrich VIII. (siehe Gedanken zur Woche 151 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 155 – 3. FASTENSONNTAG (2023)).
Gewarnt werden wir vor dem Missbrauch religiöser Strukturen und gut gemeinter Wertvorstellungen schon in der zum alttestamentlichen Buch Daniel gehörenden Susanna-Geschichte (Dan 13,1-64). Nicht umsonst gewann die Susanna-Geschichte in der Kulturgeschichte eine umfassende Bedeutung. Dies zeigt sich in der bildenden Kunst ebenso wie in der Musik- und Literaturgeschichte. Ganz bemerkenswert ist die Bedeutung dieser alttestamentlichen Verse für die Entwicklung des Rechtswesens. Schon in der frühchristlichen Theologie gab es ein bemerkenswertes Interesse an der Susanna-Geschichte. Sie bietet eigens einen interessanten Anknüpfungspunkt für jüdisch-christlichen Dialog (siehe z. B. https://www.thetorah.com/article/the-tale-of-susanna-a-story-about-daniel ). Vor dem Hintergrund sexuellen Missbrauchs in Kirche und Staat, verbundenen mit vielfältigen Packeleien zwischen weltlichen und religiösen Amtsträgern, besitzt eine Bibelstelle wie die Geschichte der Susanna gerade in unserer Zeit Bedeutung und sollte als mahnender Ansporn wahrgenommen werden. Auch in einer religiösen Gemeinschaft angesehene Amtsträger können ihre Position in menschenverachtender Weise missbrauchen. Da sollte man sich nicht zum Mittäter oder Mitläufer machen, sondern mutig wie Daniel in der Susanna-Geschichte verhalten. Gleichzeitig gilt es natürlich vorsichtig bei schwerwiegenden Anschuldigungen zu sein, gerade wenn diese von möglichen Tätern bzw. Täterstrukturen instrumentalisiert werden könnten. Die beiden üblen Ältesten der Susanna-Geschichte können in vielfältiger Form auch heute erscheinen und haben in den letzten Jahrzehnten nicht zuletzt in katholischen Kirchenstrukturen ihr schlimmes Unwesen getrieben. Umso mehr ist es gut, sich eine Geschichte wie diese aus dem Buche Daniel zu Gemüte zu führen. Dementsprechend ist es bedauerlich, wenn in einer kirchlichen Leseordnung die Susanna-Geschichte, wenn überhaupt, so nur gekürzt berücksichtigt wird. Versteile, Verse und ganze Versgruppen sollten gerade hier nicht ausgespart werden. Aus sehr guten Gründen haben sich mit dieser Erzählung von Machtmissbrauch, sexueller Begierde und mutigem Widerstand über die Jahrhunderte Künstlerinnen und Künstler verschiedener Bereiche sowie Theologinnen und Theologen beschäftigt. Da wäre es umso angemessener, auch in kirchlichen Leseordnungen und pastoraler Praxis einen klaren und unzweideutigen Akzent zu setzen. Der Einsatz für die Wahrheit und für von Missbrauch betroffenen Menschen legt dies doch sehr nahe. Da sollte man sich nicht von „Bedenken“ einschüchtern lassen, Bibelstellen wie die ungekürzte Susanna-Geschichte seien doch so „vorkonziliar“ und könnten die Zusammenarbeit mit jemandem belasten, na mit wem wohl? Will man da vielleicht Missbrauchstätern in religiösen Gemeinschaften und politisch-staatlichen Einrichtungen Unannehmlichkeiten ersparen und es sich selber nett richten?
werden größere Teile der Susanna-Geschichte in der bei uns derzeit üblichen Leseordnung in diesem Kirchenjahr für die Fünfte Fastenwoche geboten. Das Weglassen von einigen Versen ist eben bedauerlich, und es bleibt zu hoffen, dass dem wie in anderen Fällen im kirchlichen Leben entgegengesteuert wird. Da sind dann eben auch alle Katholikinnen und Katholiken eingeladen, nicht zuletzt diesen Teil des Buches Daniel sich in ungekürzter Form eingehend zu betrachten. Die jüdisch-christliche Überlieferungsgeschichte bietet dazu umfangreiche Anregungen und vielfältiges Begleitmaterial. Kulturelles Wirken empfing und empfängt eben fortwährend Anregungen aus dem religiösen Leben und kann dieses seinerseits anregen und unterstützen. Auch dafür ist die Susanna-Geschichte ein gutes und ermutigendes Beispiel.
Die Fastenzeit sollte ja bewusst genutzt werden, sich entschlossen auf das Gute, auf echte, unverfälschte Werte hin auszurichten. In diesem Sinne gilt es, eigene Gedanken zu ordnen und eben gute Werke zu tun. Christsein sollte nicht als Wohlfühlveranstaltung und schon gar nicht als Rechtsfertigungsgrundlage für Missbrauchs- und Gewalttäter missverstanden und missbraucht werden. Dies ist natürlich ein Dauerauftrag für den bzw. die Einzelne wie Gruppen von Menschen und auch für die ganze Kirche. Es sollte nicht eingegrenzt werden auf eine bestimmte Zeit im Jahreskreis oder nur als wichtig für die ein oder andere Personengruppe betrachtet werden.
So mögen dann Katholikinnen und Katholiken und die Angehörigen anderer konfessioneller Gemeinschaften umso besser voranschreiten auf die Karwoche hin. Man muss keine Expertin, kein Experte etwa für christliche Theologie sein, um zu bestätigen, dass die Karwoche, auch Heilige Woche genannt, die Ernsthaftigkeit unverfälschten Christseins verdeutlicht. Zugleich hat die Karwoche unleugbar ihren festen Platz im breiteren kulturellen Leben und ganz generell in der Internationalen Gemeinschaft. Dies wird auch wieder in vielfältiger Weise deutlich. Kirchenkrise und Missbrauch auch und nicht zuletzt in sich „christlich“ nennenden Strukturen konnten dies nicht zerstören. Aber man ist sowieso nicht Christin oder Christ etwa einem Bischofskonferenzvorsitzenden oder dem Oberhaupt einer Staatskirche zuliebe. Beim Christsein geht es in einem nachhaltigen Sinne um Tiefgründeriges und Langlebigeres.
Gedanken zur Woche 156, Dr. Matthias Martin
4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2023)
Der Vierte Fastensonntag nimmt schon äußerlich eine besondere Stellung im Jahreskreis ein. Zum einen kann bei der liturgischen Kleidung der Diakone und Priester anstelle des dunkleren Violetts, auch genannt Lila, das hellere Rosa, manchmal auch genannt Pink, verwendet werden. Zum anderen trägt dieser Sonntag mit dem lateinischen Begriff LAETARE einen eigenen Namen (siehe Gedanken zur Woche 2, 40, 53, 88, 90, 105 und 140).
Die Fastenzeit ist in besonderer Weise angetan, den Gläubigen unabhängig vom jeweiligen Lebensstand und kirchenrechtlichem Status die Bedeutung von Beharrlichkeit, von so etwas wie Durchhaltewillen zu verdeutlichen. Es hilft ja nichts, dass man zu Beginn der Fastenzeit einen guten Vorsatz oder gar gute Vorsätze hat. Es geht vielmehr darum, diesen bzw. diese während der Fastenzeit beharrlich umzusetzen. Dies mag den einzelnen Menschen wie eine Gruppe von Menschen dann voranbringen in der eignen religiösen Entwicklung, voranbringen auf dem Weg zu Gott. Die Verwirklichung guter Vorsätze kann auch in gesundheitlicher bis finanzieller Hinsicht positive Auswirkungen haben. Dass dies nicht einfach ist, wird auch bei den guten Vorsätzen zu Beginn des Kalenderjahres deutlich (siehe Gedanken zur Woche 145 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA UND WELTFRIEDENSTAG (2023) und Gedanken zur Woche 153 – 1. FASTENSONNTAG (2023)): Ganz generell gilt es gegen die Versuchungen anzukämpfen, die einen vom richtigen Weg, von der Erfüllung eingegangener moralisch bzw. religiös richtiger Vorsätze und Verpflichtungen abbringen wollen. Davon sind letztlich alle Menschen betroffen, ob verheiratet oder unverheiratet, ob vielleicht in einem Institut des (gott-)geweihten Lebens oder „in der Welt“ lebend. Wenn jemand da auf dem hoffentlich für sie bzw. ihn richtigen Weg gut vorankommt, ist dies ein Anlass zur Freude. Genau dies wird mit dem Namen LAETARE für den VIERTEN FASTENSONNTAG ausgedrückt. Heißt dieses Wort soviel wie „sich freuen“, so darf man sich freuen, wenn man auf dem Weg der Fastenzeit gut vorangekommen und den jeweiligen guten Vorsatz bzw. die guten Vorsätze auch wirklich eingehalten hat.
Dies ist aber gerade in unserer nicht nur schnelllebigen und reizüberfluteten, sondern regelrecht zerrissenen Zeit besonders schwierig. Dass einmal gefasste Vorsätze, eingegangene Verpflichtungen und Lebensentscheidungen nicht halten, wird nicht zuletzt im kirchlichen Leben deutlich. Allen Versuchen, die unangenehmen Fakten zu überspielen zum Trotze, befindet sich das, was zusammenfassend als Ordensleben bezeichnet wird, in einer schweren, ja mitunter existentiellen Krise. Der von verschiedener Seite einschließlich vom verstorbenen Papstes Benedikt XVI. gewürdigte Kirchenrechtler Georg May hat darauf schon vor Jahrzehnten deutlich, ja schonungslos, hingewiesen (siehe Gedanken zur Woche 52-b – 3. FASTENWOCHE (2021)). Sein offensichtlicher Freund, der spätere Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, folgte ihm auch in Hinblick auf solche Feststellungen (siehe Gedanken zur Woche 20-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)). Die Reaktion war hier wie so oft in offiziellen Kirchenkreisen geprägt von Unverständnis, aggressiver Verdrängung und möglichster Vertuschung. Die polemischen Angriffe im betreffenden Zusammenhang auf Menschen wie Joseph Ratzinger und Georg May können an die Redensart erinnern „Man erschlägt den Boten für die schlechte Nachricht.“ Natürlich konnte man schon beruflich abgesicherte Persönlichkeiten wie Joseph Ratzinger und Georg May nicht so einfach ausschalten. So weit ging der Einfluss des finanzstarken bundesdeutschen Kirchenapparates dann doch nicht. Existenz und Lebensweg von ungezählten anderen Menschen, die nicht so gut abgesichert waren, gerade etwa von Priesterseminaristen, Theologiestudentinnen und Theologiestudenten, Angehörigen von ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, besonders noch vor den ewigen Gelübden, wurde aber beschädigt bis zerstört. Die jüngsten Enthüllungen über die Untaten eines Kardinal Karl Lehmann passen da genau ins üble Gesamtbild und bestätigten nur längst erhobene Vorwürfe. Indem man Menschen, die unangenehme Wahrheiten aussprechen, attackiert bis zerstört, löst man die Probleme nicht. Man verschärft sie und beraubt die Kirche ehrlicher Menschen, die bereit gewesen wären, im guten Sinne für sie wirken oder beschädigt diese zumindest in ihrem guten Tun. Dabei lässt sich der starke Rückgang bis teilweisen Kollaps im Ordensleben ebenso wie dort immer wieder vorkommender auch sexueller Missbrauch ja nicht leugnen. Gerade Frauengemeinschaften waren und sind davon besonders betroffen. Zahlreiche Ordensschwestern haben ihre Gemeinschaften bzw. ursprünglichen Gemeinschaften seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verlassen.
Aktuelle Unsicherheit und Auseinandersetzungen spiegeln sich auch in den häufigen Änderungen im Bereich des Kirchenrechts einschließlich im CIC für die Lateinische Kirche wider. Als Hinweis, dass das Verlassen des Klosters gerade bei Frauengemeinschaften keine Seltenheit mehr ist, kann man die Änderung von Canon/Kanon 686 § 2 des CIC von 1983 sehen. Ursprünglich lautete dieser Paragraph:
„Die Gewährung des Exklaustrationsindultes für Nonnen ist ausschließlich Sache des Apostolischen Stuhles.“
Mit der „Instruktion Cora Orans zur Anwendung der Apostolischen Konstitution Vultum Dei quaerere über das weibliche kontemplative Leben“ vom 1. April 2018 (https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccscrlife/documents/rc_con_ccscrlife_doc_20180401_cor-orans_en.html und https://www.dbk-shop.de/de/publikationen/verlautbarungen-apostolischen-stuhls/instruktion-cor-orans-anwendung-apostolischen-konstitution-vultum-dei-quaerere-weibliche-kontemplative-leben.html) hat sich nun auch hier eine Änderung ergeben.
So wird in dieser Instruktion ausdrücklich festgehalten:
„130. In Abänderung von Can. 686 § 2 CIC gibt der Föderationsrat seine Zustimmung, wenn das Exklaustrationsindult einer Nonne mit feierlichem Gelübde nach dem Jahr, das die höhere Oberin des Klosters gewährt hat, bis zum Ablauf von drei Jahren verlängert werden soll.“
Im Anmerkungsapparat der Instruktion wird betont, dass diese Abänderung durch den Papst, in diesem Falle also Papst Franziskus, bestätigt wurde. Dies geschieht sowohl in der lateinischen wie in der deutschen Fassung. Gleiches lässt sich für die spanische (https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccscrlife/documents/rc_con_ccscrlife_doc_20180401_cor-orans_sp.html#_ftn90) und die italienische (https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccscrlife/documents/rc_con_ccscrlife_doc_20180401_cor-orans_it.html#_ftn91) Fassung feststellen. Umso weniger sollte dieser Vorgang einer spezifischen Änderung am CIC von 1983 geleugnet oder kleingeredet werden. Der Heilige Stuhl gibt im Falle der Exklaustration von Nonnen Zuständigkeit an eine untere Ebene ab, während ansonsten, sei es bei der Genehmigung neuer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften oder in liturgischen Angelegenheiten, die Zentralisierungstendenzen im Pontifikat von Papst Franziskus regelrecht ins Auge springen. Im Falle betreffender Exklaustrationen könnte durchaus wegen der Vielzahl der Fälle eine Arbeitsentlastung bzw. Verhinderung von Überlastung für den Apostolischen Stuhl Grund für diese kirchenrechtliche Änderung gewesen sein.
Die Änderung wird auch im Weiteren der Instruktion klar angesprochen:
„177. In Abänderung des Can. 686 § 2 CIC kann die höhere Oberin mit Zustimmung ihres Rates einer Schwester mit feierlicher Profess für einen Zeitraum von höchstens einem Jahr ein Indult zur Exklaustrierung gewähren, nachdem der Ordinarius des Ortes, an dem die Schwester leben soll, zugestimmt hat und nach Einholung der Meinung des Diözesanbischofs oder des zuständigen Ordensobern.
178. In Abänderung des Can. 686 § 2 CIC kann eine Verlängerung des Indultes zur Exklaustration einer Schwester mit feierlichen Gelübden eines Klosters der Föderation von der Präsidentin der Föderation mit Zustimmung ihres Rates für einen Zeitraum von höchstens zwei Jahren gewährt werden.“
Auch hier wird, und zwar eigens für jeden einzelnen Abschnitt im Anmerkungsapparat betont, dass die Änderung vom Papst bestätigt wurde. Dies findet sich auch zu diesen Abschnitten 177 und 178 wiederum in der lateinischen, der deutschen, der spanischen wie der italienischen Fassung.
Es ist bemerkenswert, mit welcher Aufmerksamkeit man sich an höchster Stelle der kirchlichen Hierarchie einem so speziellen Thema wie der Exklaustration von Schwestern bzw. Nonnen widmet. Scheinbar handelt es sich auch bei dieser Art von gemildertem Ausscheiden aus dem klösterlichen Leben um ein ernst zu nehmendes Thema mit einer auch zahlenmäßigen Relevanz.
Derartiges kann über die Fastenzeit hinaus zu denken geben.
1. Lesung: 1 Sam 16,1b-7.10-13b
2. Lesung: Eph 5,8-14
Evangelium: Joh 9,1-41 (oder 9,1.6-9.13-17.34-38)
Gedanken zur Woche 156-b, Dr. Matthias Martin
4. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESMUTTER MARIA (2023)
Dass der heilige Josef eigens mit einem Hochfest, einem Fest Erster Klasse, geehrt wird, ist höchst bemerkenswert. Es weist auf seine Weise auf die Bedeutung des Laienstandes wie gerade der Eheleute in der Kirche hin. In den Irrungen und Wirrungen der heutigen Zeit ist es wichtig, dies immer wieder hervor zu heben. Natürlich ist es auch zu würdigen, wenn politische Einrichtungen bzw. Territorien dieses Hochfest als öffentlichen Feiertag anerkennen und ihre Gesetzgebung und das jeweilige Verordnungswesen in diesem Sinne gestalten. Dazu sollte nicht vergessen werden, dass die Kirche am 1. Mai eigens den Gedenk-/Festtag Josefs des Arbeiters begeht (siehe Gedanken zur Woche 57 – 4. bis 5. OSTERWOCHE (2021)). Gerade Päpste der neueren Zeit haben sich eingehend mit dem heiligen Josef beschäftigt, mit Blick auf ihn eigene Schreiben verfasst und ihn gerade auch in liturgischer Hinsicht geehrt (siehe Gedanken zur Woche 53-b – 4. FASTENWOCHE (2021); Gedanken zur Woche 110 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022) und Gedanken zur Woche 133-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Natürlich hat auch hier wieder die Redensart ihre Berechtigung, wonach Papier geduldig ist. Dies gilt im Guten wie im Schlechten. Im Falle der den heiligen Josef betreffenden päpstlichen Schreiben und Dokumente der päpstlichen Kurie sowie liturgischer Würdigungen des heiligen Josef gilt dies in einem bedauerlichen Sinne. Gerne berufen sich ganz unterschiedliche Kreise etwa auf Papst Johannes XXIII. Seine besondere Würdigung des heiligen Josef wird aber zumeist völlig ignoriert. Dies lässt sich auch in Hinblick auf den amtierenden Papst Franziskus und seine Beziehung zum heiligen Josef feststellen. Dass die Ausrufung des heiligen Josef zum Schutzpatron der ganzen Kirche durch Papst Pius IX. sowieso ziemlich in Vergessenheit geraten ist, überrascht dann schon gar nicht mehr. Dabei verdient auch diese Handlung Pius IX. wie einst so heute und in Zukunft Beachtung. Sie war eine ganz offenkundige Positionierung gegen den italienischen Nationalismus, der bei seinen Eroberungskriegen und Angriffen auch nicht vor dem Kirchenstaat zurückschreckte. Aus dem italienischen Nationalismus ging dann der faschistische Diktator Benito Mussolini hervor, der seinerseits Adolf Hitler als Vorbild diente. Was wäre wohl der Menschheit erspart geblieben, wenn man den Warnungen von Päpsten und anderen Persönlichkeiten im 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert vor dem italienischen Nationalismus und seiner Eroberungspolitik gefolgt wäre? Auch hier gilt es, aus der Geschichte und einst gemachten Fehlern zu lernen. Nicht umsonst lautet die Mahnung, dass derjenige, der nicht aus den Fehlern der Geschichte lernt, sie wiederholt!
Ebenso ist natürlich zu beachten, dass 1937 Papst Pius XI. den heiligen Josef zum Schutzpatron aller gegen den Kommunismus kämpfenden Menschen erhob. In jüngster Zeit ist dem Holodomor genannten Völkermord an den Menschen der Ukraine zumindest etwas Aufmerksamkeit geschenkt worden. Ob nun sieben, acht oder vielleicht sogar vierzehn Millionen Menschen dieser Massenvernichtung durch die Sowjetunion zum Opfer fielen, mag eigens diskutiert werden. Auf jeden Fall ist es wichtig, auch dieses furchtbare Kapitel der Geschichte der Verleugnung und dem Vergessen zu entreißen. Macht die Erklärung des heiligen Josef zum Schutzpatron aller gegen den Kommunismus kämpfenden Menschen deutlich, dass es generell um die Zusammenarbeit von Menschen guten Willens geht, so sind natürlich gerade Katholikinnen und Katholiken aufgerufen, sich zu engagieren.
Dies betrifft dann eben nicht nur Bischöfe, Priester, Diakone und Ordensleute, sondern eben auch und gerade die Laien. Diese machen ja die ganz überwiegende Mehrheit der Kirchenglieder aus. Laien können sich in vielfältiger Weise in der Welt engagieren und sich sehr oft auch politisch betätigen.
Ganz in diesem Sinne verabschiedete das Zweite Vatikanische Konzil mit „Apostolicam actuositatem“ ja auch ein eigenes Dekret über das Laienapostolat. Dort heißt es gleich in Abschnitt 1 u. a.:
„… Unsere Zeit aber erfordert keinen geringeren Einsatz der Laien, im Gegenteil: Die gegenwärtigen Verhältnisse verlangen von ihnen ein durchaus intensiveres und weiteres Apostolat. Das dauernde Anwachsen der Menschheit, der Fortschritt von Wissenschaft und Technik, das engere Netz der gegenseitigen menschlichen Beziehungen haben nicht nur die Räume des Apostolats der Laien, die großenteils nur ihnen offenstehen, ins Unermessliche erweitert; sie haben darüber hinaus auch neue Probleme hervorgerufen, die das eifrige Bemühen sachkundiger Laien erfordert. Dieses Apostolat wird um so dringlicher, als die Autonomie vieler Bereiche des menschlichen Lebens – und zwar mit vollem Recht – sehr gewachsen ist, wenngleich dieses Wachstum bisweilen mit einer gewissen Entfremdung von der ethischen und religiösen Ordnung und mit einer schweren Krise des christlichen Lebens verbunden ist.“
Finden sich sehr deutliche Worte bezüglich negativer Entwicklungen, nicht zuletzt das religiöse Leben betreffend, so wird auch das politische Leben ziemlich direkt angesprochen, eine Reduzierung auf religiösen Individualismus und eine Vernachlässigung von Vernunft und Wissenschaft erneut zurückgewiesen:
„7. … Alles, was die zeitliche Ordnung ausmacht, die Güter des Lebens und der Familie, Kultur, Wirtschaft, Kunst, berufliches Schaffen, die Einrichtungen der politischen Gemeinschaft, die internationalen Beziehungen und ähnliches mehr, sowie die Entwicklung und der Fortschritt von alledem sind nicht nur Hilfsmittel zur Erreichung des letzten Zieles des Menschen, sondern haben ihren Eigenwert, den Gott in sie gelegt hat, ob man sie nun einzeln in sich selbst betrachtet oder als Teile der gesamten zeitlichen Ordnung.“
Der Wirkungsbereich für das Laienapostolat wurde hier bewusst sehr weit gesteckt. Dies schlägt sich auch in Bestimmungen des Kirchenrechts, gerade im CIC für die Lateinische Kirche nieder. Einen eigenen Akzent weist dieser CIC von 1983 mit seinen besonderen Bestimmungen über Laienvereine auf. Dass es dabei um die Durchdringung des Alltagslebens mit christlichem Geist und das Vollbringen guter Werke geht und auch der Bildungsaspekt berücksichtigt wird, wird deutlich:
„Can. 327 – Laien sollen Vereine wertschätzen, die zu den in can. 298 genannten geistlichen Zielen gegründet sind, besonders diejenigen, welche die Ordnung der weltlichen Verhältnisse mit christlichem Geist beleben wollen und auf diese Weise eine tiefe Verbindung von Glaube und Leben besonders fördern.
Can. 328 – Wer Laienvereinen vorsteht, auch wenn sie kraft apostolischen Privilegs errichtet wurden, hat dafür zu sorgen, dass sein Verein mit anderen Vereinen von Gläubigen dort zusammenarbeitet, wo es angezeigt ist, und dass er die verschiedenen christlichen Werke gern unterstützt, besonders soweit sie in demselben Gebiet bestehen.
Ca. 329 – Die Vorsitzenden von Laienvereinen haben dafür zu sorgen, dass die Vereinsmitglieder angemessen für die Ausübung des den Laien eigenen Apostolats ausgebildet werden.“
Das Vollbringen guter Werke im Lichte des Glaubens unter Wahrung und Pflege kirchlicher Einheit wird auch in dem erwähnten Canon/Kanon 298 angeschnitten und die Bandbreite eines möglichen Wirkens angesprochen. Eigens wird hier das Vorhandensein sowohl von Klerikern wie von Laien erwähnt. Auch findet das Vorhandensein von Instituten des (gott-)geweihten Lebens und von Gesellschaften des apostolischen Lebens knappe Erwähnung:
„Can. 298 - § 1. In der Kirche gibt es Vereine, die sich von den Instituten des geweihten Lebens und den Gesellschaften des apostolischen Lebens unterscheiden; in ihnen sind Gläubige, seien es Kleriker oder Laien, seien es Kleriker und Laien zusammen, in gemeinsamem Mühen bestrebt, ein Leben höherer Vollkommenheit zu pflegen oder den amtlichen Gottesdienst beziehungsweise die christliche Lehre zu fördern oder andere Apostolatswerke, das heißt Vorhaben zur Evangelisierung, Werke der Frömmigkeit oder der Caritas, zu betreiben und die weltliche Ordnung mit christlichem Geist zu beleben.
§ 2. Die Gläubigen sollen bevorzugt den Vereinen beitreten, die von der zuständigen kirchlichen Autorität errichtet, belobigt oder empfohlen sind.“